Titel und Ingress - beim Kanton Aargau

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Art. 481-482
10. März 1998
36. Sitzung
10. März 1998, 09.30 Uhr
Vorsitzender:
Kurt Wernli, Vizepräsident, Windisch
Protokollführer:
Marc Pfirter, Staatsschreiber
Tonaufnahme/Redaktion:
Norbert Schüler
Präsenz:
Anwesend 178 Mitglieder
Abwesend mit Entschuldigung 21 Mitglieder
Entschuldigt abwesend: Ammann Karin, Aarau; Beyeler Peter, Rütihof; Bigler Judith,
Rupperswil; Birri René, Stein AG; Brun Hansruedi, Merenschwand; Brun Ursula, Mumpf;
Brunner Andreas, Oberentfelden; Bürge-Ramseier Hans, Safenwil; Edelmann Beat, Zurzach; Frey Karl, Wettingen; Hasler-Burato Esther, Aarau; Humbel Näf Ruth, Birmenstorf
AG; Keller Borner Jacqueline, Rütihof; Keller Reinhard, Seon; Lämmler Liset, Wettingen;
Lüpold Thomas, Möriken AG; Ming Otto, Beinwil am See; Mösch Anton, Frick; Vögtli
Theo, Kleindöttingen; Weiersmüller-Scheuzger Susanne, Rohr AG; Wilhelm Anita, Neuenhof
Vorsitzender: Ich begrüsse Sie in meiner Funktion als Vizepräsident des Grossen Rates herzlich zur 36. Ratssitzung der
laufenden Legislaturperiode. Sie müssen heute mit mir
vorlieb nehmen, da der Grossratspräsident Dr. Andreas
Brunner den ganzen Tag abwesend ist. Er nimmt anstelle
des Regierungsrates an einem Truppenbesuch beim FlabRegiment 4 im Wallis teil.
482 Antrag Sämi Richner, Auenstein, auf Direktbeschluss betreffend Einsetzung einer nichtständigen
Kommission für die SMDK Kölliken; Einreichung und
schriftliche Begründung
Von Sämi Richner, Auenstein, wird folgender Antrag eingereicht:
Text:
481
Mitteilungen
Vorsitzender: Wir haben heute zwei Geburtstage zu feiern.
Ich gratuliere Frau Rosi Magon und Herrn Bruno Plüss ganz
herzlich und wünsche Ihnen alles Gute! (Beifall.)
Am vergangenen Dienstag wurde von Urs Hümbeli, Hägglingen, eine Motion an das Ratsbüro betreffend Einsetzung
einer PUK im Zusammenhang mit der Sondermülldeponie
Kölliken eingereicht. Er beantragte, diese Motion für dringlich zu erklären. Dies lehnte der Grosse Rat in der Folge ab.
Nachdem die Geschäftsordnung es nicht zulässt, dass gegenüber dem Ratsbüro motioniert werden kann, wurde die
Motion im Einvernehmen mit dem Motionär in einen Antrag
auf Direktbeschluss umgewandelt.
Der Grosse Rat setze zur Behandlung für die Vorlagen im
Bereich "Deponiealtlasten", insbesondere für die Sondermülldeponie Kölliken (SMDK), zügig eine Spezialkommission ein.
Begründung:
Da es im Aargau nicht nur eine problematische Deponiealtlast grösseren Ausmasses gibt (zusätzlich Bärengraben),
scheint es mir sinnvoll, eine neue Spezialkommission nicht
bloss für die SMDK zu bilden, sondern allgemein für Deponiealtlasten. Sie sollte sich aber schon unverzüglich und
eingehend mit der Giftgrube SMDK Kölliken befassen.
Meines Erachtens braucht es zur grossrätlichen Behandlung
der SMDK keine parlamentarische Untersuchungskommission (PUK). Die Fakten (viele Aktenordner voll) liegen vor
und sind auch einer normalen grossrätlichen Kommission
zugänglich. Viele Gründe sprechen aber dafür, eine Spezialkommission einzusetzen, und nicht wie bisher die SMDK
durch die Kommission Umwelt und Gewässer behandeln zu
lassen. Es sind dies:
1. Komplexität der Materie.
2. Lange umfangreiche Geschichte, mehr als 20 Jahre!
3. Kontinuität und Fachwissen im Grossen Rat über Jahre
und Wahlen hinaus erhalten.
4. Der Zeitpunkt für eine Standortbestimmung und die
grundsätzliche Weichenstellung für die Zukunft ist gekommen und dringlich.
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5. Nur eine parlamentarische Spezialkommission kann die
Aufsicht auf die Dauer wirklich gewährleisten (Punkt
1+2+3).
Übrigens, eine Untersuchung der "Eiterbeule SMDK Kölliken" wurde schon vor Jahren von Dr. Riniker, Zofingen,
(damals Bezirksgerichtspräsident) durchgeführt.
483 Motion Heiner Studer, Wettingen, betreffend
Überprüfung der Verfassung des Kantons Aargau bezüglich politischer Rechte und Behörden; Einreichung
und schriftliche Begründung
Von Heiner Studer, Wettingen, wird folgende Motion eingereicht:
Text:
Der Regierungsrat wird eingeladen, dem Grossen Rat aufgrund einer Überprüfung der Verfassung des Kantons Aargau bezüglich politischer Rechte und Behörden eine Vorlage
auf entsprechende Teilrevision der Verfassung zu unterbreiten.
Begründung:
Im Rahmen der Jubiläumsfeierlichkeiten - 200 Jahre Helvetik, 150 Jahre Bundesstaat - wurde viel wesentliches in Wort
und Schrift formuliert. Dabei wurde u.a. auch deutlich, dass
Strukturen Veränderungen unterworfen sind. Mir scheint der
Zeitpunkt günstig zu sein, auf kantonaler Ebene verschiedene Fragen bezüglich politischer Rechte und Behörden zur
Diskussion zu stellen.
Es scheint mir sinnvoll zu sein, auf das Jahr 2003 hin - 200
Jahre Kanton Aargau in der Eidgenossenschaft - aufgrund
einer Überprüfung eine Teilrevision der Verfassung des
Kantons Aargau zu realisieren.
Zur Erreichung dieses Zieles schlage ich folgenden Weg
vor: Der Regierungsrat setzt eine Studienkommission ein.
Diese sollte aus erfahrenen Leuten, aber auch aus jungen
Leuten, welche die Zukunft vor sich haben, bestehen. Aufgabe dieser Studienkommission - bei deren Zusammensetzung der parteipolitische Proporz keine zentrale Bedeutung
spielen dürfte - wäre es, dem Regierungsrat konkrete Vorschläge für eine Revision zu unterbreiten. Aufgrund einer
anschliessenden möglichst breiten Diskussion sollte der
Regierungsrat dem Grossen Rat eine Vorlage betreffend
Teilrevision der Verfassung des Kantons Aargau unterbreiten. Dies scheint mir ein sinnvoller Weg zu sein; es können
selbstverständlich auch andere geprüft werden.
Ohne inhaltlich präjudizieren zu wollen, möchte ich darlegen, welche Bereiche aus meiner Sicht auf jeden Fall zu
überprüfen wären. Es handelt sich dabei um Diskussionsvorschläge.
Bundesstaatliche Mitwirkungsrechte (§ 82 Abs. 1 lit. a - c in
Verbindung mit § 89 Abs. 2 lit. b - d) haben eine wesentliche Bedeutung, sind jedoch in bezug auf die Zuständigkeiten des Grossen Rates in der Praxis recht unwirksam geregelt. In diesem Zusammenhang stellt sich auch die Frage, ob
die Beziehung des Kantons zum Bund nicht grundsätzlich
neu geregelt werden sollte. Dem Ständerat würde in dieser
Hinsicht eine besondere Aufgabe zukommen. Der Entscheid
über die Art der Wahl der beiden Mitglieder des Ständerates
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Art. 483-484
und über Anfang und Beginn der vierjährigen Amtsperiode
der Mitglieder des Ständerates entscheidet der jeweilige
Kanton. Ich könnte mir vorstellen, dass ein Mitglied des
Ständerates vom Volk aus der Mitte der Mitglieder des
Regierungsrates gewählt würde. Die Wahl der Ständeräte
müsste dann so verändert werden, dass die Ständeräte im
Anschluss an die Regierungsräte gewählt würden. Das
andere Mitglied des Ständerates wäre in einer Einerwahl frei
vom Volk zu wählen. Eine solche direkte Verbindung zwischen Regierungsrat und Ständerat schiene mir eine hilfreiche Möglichkeit zu sein. Folglich dürfte es nicht mehr möglich sein, dass ein Regierungsratsmitglied dem Nationalrat
angehören könnte.
Bei fünf Regierungsratsmitgliedern wäre es aus Belastungsgründen nicht einfach, dass eines dem Ständerat angehören
würde. Es wäre im Rahmen der Überprüfung sinnvoll zu
überlegen, ob der Regierungsrat nicht auf sieben Mitglieder
erhöht werden sollte. Damit wäre z.B. die für den Kanton
Aargau sinnvolle Schaffung eines Volkswirtschaftsdepartementes möglich (§§ 87, 88).
Zu überprüfen wäre auch die wichtige Rolle des Grossen
Rates als Volksvertretung, in Abgrenzung zu den Aufgaben
des Regierungsrates. Gleichzeitig könnten die Anzahl der
Mitglieder und die Wahlart diskutiert werden. Anzustreben
wäre bei den Grossratswahlen - auch bei Bezirken als Wahlkreisen möglich - eine Zuteilung der Grossratsmandate
aufgrund der gesamtkantonalen Stimmenzahlen. Dies würde
eine echte repräsentative Zusammensetzung gewährleisten.
Eine gesamtkantonale tiefe Sperrklausel, z.B. 2 %, wäre
tragbar. Auf Listenverbindungen könnte dann verzichtet
werden (u.a. §§ 76, 77).
Die Ausgestaltung der Volksrechte wäre im gleichen Zusammenhang zu überprüfen. Ziel müsste es sein, dass die
Stimmberechtigten in den wesentlichsten Fragen weiterhin
das letzte Wort haben. Es dürfte sich nicht um einen Abbau
der Volksrechte handeln, jedoch um eine Klärung auf die
Bedürfnisse der Zukunft hin (§§ 62 - 65).
Die Anhörung im Kanton Aargau (§ 66) ist aus meiner Sicht
veränderungsbedürftig. Die heutige Praxis, dass bei jeder
kleinen Gesetzesrevision - ab und zu aus zeitlichen Gründen
nach Verabschiedung der Vorlage an den Grossen Rat und
mit kurzen Fristen durchgeführt - ist ernsthaft zu überprüfen.
Bei den weiteren Punkten scheint mir insbesondere die
Bestimmung über die politischen Parteien (§ 67) überprüfenswert. Die politischen Parteien sollten auf echte Art ernst
genommen und ihre Rahmenbedingungen sollten verbessert
werden. Direkte finanzielle Unterstützung steht dabei nicht
im Vordergrund.
484 Postulat Rudolf Hug, Oberrohrdorf, betreffend
Anpassung der Unterrichtszeiten und -modelle der Berufsschulen an die Bedürfnisse der Ausbildungsbetriebe;
Einreichung und schriftliche Begründung
Von Rudolf Hug, Oberrohrdorf, und 30 mitunterzeichnenden Ratsmitgliedern wird folgendes Postulat eingereicht:
Text:
Der Regierungsrat wird ersucht, die Anpassung der Unterrichtszeiten und Unterrichtsmodelle der Berufsschulen an
Art. 485-486
die Bedürfnisse der Ausbildungsbetriebe in die Wege zu
leiten.
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4. Wenn nein, welche Begründungen führen zu diesem
Entscheid?
Begründung:
Das heutige Modell der bewährten dualen Berufsbildung hat
den schwerwiegenden Nachteil, dass die Lehrlinge und
Lehrtöchter regelmässig 1-2 Tage pro Woche in der Berufsschule sind.
Auf der einen Seite sollen Lehrlinge und Lehrtöchter möglichst in Arbeitsprozesse eingebunden werden und, vor
allem in der fortgeschrittenen Phase der Ausbildung, eine
"realitätsnahe" Tätigkeit ausüben. Auf der anderen Seite
sind die heutigen Anforderungen an die Flexibilität der
Unternehmen so, dass die Termine immer kurzfristiger
werden. Das heisst dann oft, dass eine interessante Arbeit
unterbrochen werden muss, um die Berufsschule zu besuchen und die angefangene Arbeit durch jemand aus dem
Betrieb fertiggestellt werden muss. Dies ist für viele Lehrbetriebe äusserst störend und nicht selten auch ausschlaggebend, ob eine Lehrstelle angeboten wird oder nicht. Zudem
leidet auch die Motivation des Lehrlings oder der Lehrtochter darunter.
Diesem Problem kann Abhilfe geschaffen werden durch
flexiblere Unterrichtsmodelle, bei denen die Berufsschulausbildung z. B. auf Blöcke konzentriert wird und die Anwesenheit im Lehrbetrieb damit kontinuierlicher ist. Bei
saisonal geprägten Berufen sind diese möglichst in die
passiven Phasen zu legen.
Um den Bedürfnissen der Ausbildungsbetriebe so weit wie
möglich gerecht zu werden, sind diese in einer Vernehmlassung zu eruieren.
485 Interpellation der FP/EDU-Fraktion betreffend
Abzug von Gewinnungskosten bei Einkommenssteuern;
Einreichung und schriftliche Begründung
Von der FP/EDU-Fraktion wird folgende Interpellation
eingereicht:
Text und Begründung:
Noch in diesem Jahr wird das Schweizervolk über die leistungsabhängige Schwerverkehrsabgabe (LSVA) zu befinden
haben. Für die Schweizer Gütertransport-Unternehmen und
die verladende Wirtschaft wird dieser Beschluss von existenzieller Bedeutung sein. Die direktbetroffenen Transportunternehmen und teilweise die Verlader werden grosse,
finanzielle Mittel zur Abwendung dieser existenzbedrohenden LSVA aufwenden müssen.
In diesem Zusammenhang bitten wir den Regierungsrat, uns
folgende Fragen zu beantworten:
1. Befürwortet der Regierungsrat, dass sich das Gewerbe
und die Unternehmen gegen existenzbedrohende Fiskalabgaben zur Wehr setzen, um damit Arbeitsplätze zu retten?
2. Sind finanzielle Aufwendungen für Abstimmungskämpfe
von Unternehmen und Selbstständigerwerbenden als Gewinnungskosten von den Einkommenssteuern absetzbar?
486 Interpellation Sepp Damann, Magden, betreffend
Arbeitnehmerentsendung; Einreichung und schriftliche
Begründung
Von Sepp Damann, Magden, und 37 mitunterzeichnenden
Ratsmitgliedern wird folgende Interpellation eingereicht:
Text und Begründung:
A. Zur Situation für schweizerische Bauunternehmungen auf
deutschen Baustellen.
Mit einigen Ländern der Bundesrepublik Deutschland haben
verschiedene Kantone, so insbesondere auch der Kanton
Aargau mit dem Land Baden-Württemberg, sogenannte
Gegenrechts-Vereinbarungen abgeschlossen. Damit wird
hauptsächlich eine gegenseitige Öffnung der Baumärkte
angestrebt. Diesen Gegenrechts-Vereinbarungen zeitlich
nachgelagert wurde auf Ebene der Europäischen Union die
Entsenderichtlinie und auf der Ebene Bundesrepublik
Deutschland im Sinne der Umsetzung der erwähnten EURichtlinie das Arbeitnehmer-Entsendegesetz (AEntG) geschaffen. In Verbindung mit den in Deutschland allgemeinverbindlich erklärten Tarifen werden damit einheitliche
Arbeitsbedingungen auf deutschen Baustellen bewirkt.
(Prinzip: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort)
Bauunternehmer aus der Schweiz bekommen angesichts
rigoroser und kostenträchtiger Kontrollen aufgrund des
AEntG vom Geist der Gegenrechts Vereinbarung auf dem
deutschen Baumarkt zurzeit wenig bis gar nichts zu spüren.
Werden nämlich Arbeitnehmer auf deutsche Baustellen
entsandt, erfolgen auf Schritt und Tritt Kontrollen. Vor
allem Vertreter der Landesämter der Handwerksregister, der
allgemeinverbindlich erklärten Urlaubskasse der deutschen
Bauwirtschaft sowie der Zollbehörden führen diese Kontrollen durch. Hohe Bussgelder werden auch für kleinste Übertretungen, die einem oft gar nicht bekannt sind, ausgesprochen und bedingungslos eingefordert. Hunderte von staatlich
bezahlten Baustellenkontrolleuren sorgen für deren Vollzug
und Überwachung vor Ort. Urlaubskassenverfahren werden
aufgezwungen, die den schweizerischen Unternehmern
erhebliche Kosten verursachen. Weil bereits ein allgemeinverbindlich erklärter Landesmantelvertrag gilt, führt dies zu
unnötigem administrativem Aufwand.
Ich bitte den Regierungsrat zu folgenden Fragen Stellung zu
nehmen:
1. Kennt der Regierungsrat die rechtlichen und tatsächlichen
Verhältnisse auf deutschen Baustellen sowie die restriktiven
Auflagen inkl. der damit verbundenen Kosten, die sich für
das Baugewerbe des Kantons Aargau ergeben?
2. Wie vertragen sich derartige Auflagen mit den getroffenen Gegenrechts-Vereinbarungen, insbesondere dem Gegenrechtsprinzip?
3. Steht die Regierung in Kontakt mit den Bundesbehörden,
insbesondere mit dem Bundesamt für Aussenwirtschaft?
3. Wenn ja, welche Voraussetzungen sind zu erfüllen, dass
solche Aufwendungen als Gewinnungskosten absetzbar
sind?
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Art. 487
4. Welche Unterstützung kann und will der Regierungsrat
den Aargauer Bauunternehmungen, allenfalls mit den Regierungen der Anrainerkantone zur BRD, bieten?
487 Interpellation Kurt Rüegger, Rothrist, vom
2. Dezember 1997 betreffend bilaterale Verhandlungen
EU/Schweiz; Beantwortung; Erledigung
B. Zur Situation für deutsche Bauunternehmungen auf
schweizerischen Baustellen.
(vgl. Art. 340 hievor)
Falls deutsche Bauunternehmungen auf dem Gebiet des
Kantons Aargau tätig sind, stellen sich folgende Fragen:
Antwort des Regierungsrates vom 21. Januar 1998:
1. Wie wird in unserem Kanton die Einhaltung der Arbeitsbedingungen kontrolliert und überwacht? Dabei interessiert
vor allem die Praxis der kantonalen Arbeitsmarktbehörden
(Art. 9 Abs. 2 BVO) sowie der kantonalen Vergabebehörden
(IvöB/kant. Submissionsdekret) weniger diejenige der Paritätischen Berufskommissionen als Vollzugsorgane von
Gesamtarbeitsverträgen.
2. Verlangen und kontrollieren die kantonalen Arbeitsmarktbehörden gemäss den Vorgaben von Art. 9 Abs. 2
BVO die Arbeitsverträge generell und liegen den Behörden
entsprechende Zahlen über die Einhaltung bzw. Nichteinhaltung vor?
3. Liegen Angaben über die Anzahl der dem Amt gemäss
Art. 9 BVO effektiv vorgelegten Arbeitsverträge vor? Wie
reagiert das Amt wenn beispielsweise Mindestlöhne nicht
gemäss Landesmantelvertrag für das schweizerische Bauhauptgewerbe 1995 - 1997 vertraglich geregelt werden, bzw.
vermutet werden muss, dass diese nicht eingehalten werden?
Werden von Ämtern Modifikationen und oder Zusatzvereinbarungen zum Arbeitsvertrag verlangt?
4. Wurden Arbeitsbewilligungen infolge Nichteinhaltung
der ortsüblichen Arbeitsbedingungen behördenseitig schon
verweigert und wenn Ja, wie viele? Wie viele Arbeitsbewilligungen welcher Kategorien liegen, getrennt nach Bundesund Kantonskontigent, für die Jahre 1995/1996 und 1997
vor?
5. Werden Nachkontrollen angesetzt, indem beispielweise
die aus Deutschland entsandten Arbeitnehmer vor Ort befragt werden? Werden entsprechende Nachweise über die
effektive Auszahlung der Löhne vom Unternehmer vor Ort
z.B. auf der schweizerischen Baustelle verlangt?
6. Wie funktioniert die Zusammenarbeit der kantonalen
Behörden mit den Zollorganen und dem BIGA, vor allem
bei Nichteinhaltung?
C. Zur Situation nach einem allfälligen Abschluss der bilateralen Verhandlungen mit der EU
Von einem allfälligen Abschluss der bilateralen Verhandlungen wird auch der freie Personen- und Dienstleistungsverkehr betroffen sein. Dazu folgende Fragen:
1. Wie beurteilt der Regierungsrat vor allem die arbeitsmarktlichen Kontroll- und Eingriffsmöglichkeiten nach
Abschluss bzw. Inkrafttreten der bilateralen Verhandlungen
sowie die sich daraus ergebenden Konsequenzen?
2. Welche Änderungen werden erwartet und wie wird die
Kontrolle behördenseitig dereinst sichergestellt?
3. Hat der Regierungsrat über Ziel und Zweck der flankierenden Massnahmen auf Bundesebene, in Deutschland
durch das AEntG geregelt, Kenntnis?
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I. Die Zuständigkeit des Bundes für die Aussenpolitik und
Zusammenwachsen von Aussen- und Innenpolitik sowie von
eidgenössischer und kantonaler Politik: Die grundsätzliche
Zuständigkeit des Bundes für die Aussenpolitik, die sich auf
die heutige Bundesverfassung stützt, ist ebenso unbestritten
wie die Kompetenz der Kantone zur grenzüberschreitenden
Zusammenarbeit. Die noch heute geltenden Ordnung (Art. 8
und 9 BV) findet sich seit 1874 unverändert in der Bundesverfassung, obwohl sich seither sowohl das äussere wie auch
das innere Umfeld völlig verändert haben. Der Staat hatte
aufgrund der seit 1874 erfolgten technischen und gesellschaftlichen Entwicklung eine Vielzahl neuer Aufgaben zu
regeln und zu vollziehen. Teilweise übernahmen dies die
Kantone, vielfach aber auch Bund und Kantone gemeinsam,
was zu der heutigen engen Verflechtung von Bundes- und
Kantonsaufgaben führt. Insbesondere die technische Entwicklung (Autos, Flugzeuge, Kommunikationsmittel) führte
zu einer starken Zunahme und gleichzeitigen Intensivierung
der internationalen Kontakte und damit auch zu einer Zunahme bilateraler und multilateraler Verträge.
Die Aussenpolitik beeinflusst somit sehr viele Bereiche der
Innenpolitik, umgekehrt sind Gegenstände der Innenpolitik
oft zu Aussenpolitik geworden. Der Sachzusammenhang
zwingt dazu, Binnenmarkt-, Verkehrs-, Energie-, Umweltschutz-, Sozial-, Migrationspolitik usw. international anzupacken. Folge dieser Internationalisierung sind vom Bund
abzuschliessende, völkerrechtliche Verträge. Diese Verträge
berühren aber vielfach kantonale Zuständigkeiten, was
unvermeidbar zu föderalistischen Spannungsfeldern führt.
Der Bund befleissigt sich daher dort, wo er Verträge im
kantonalen Zuständigkeitsbereich abschliessen will, oft
grosser Zurückhaltung. Diese äussert sich verfahrensmässig
darin, dass der Bund die Kantone anhört, Vernehmlassungsverfahren durchführt, kantonale Vertreter zu den Vertragsverhandlungen beizieht usw..
II. Die zwei Aspekte der Mitarbeit der Kantone an der Aussenpolitik des Bundes: Die Mitarbeit der Kantone an der
Aussenpolitik des Bundes repräsentiert - bildlich gesprochen
- die zwei Seiten einer Medaille: Einerseits müssen die
Kantone ihre Rolle als Mitträger an der Gesamtverantwortung für die Zukunft unseres Landes auch in dessen internationalen Beziehungen wahrnehmen. Anderseits haben sie
auch ein legitimes Interesse daran, dass sie bei internationalen Verträgen, die in der Zuständigkeit oder der Vollzugsverantwortung der Kantone liegende Sachbereiche umfassen, ihren Standpunkt frühzeitig einbringen können. Die
Mitarbeit der Kantone soll somit sowohl den Bund befähigen, internationale Verträge im Wissen darum abzuschliessen, dass die Kantone sich in der Folge für deren Umsetzung
positiv engagieren, als auch den Kantonen die Plattform für
die Wahrung ihrer Interessen auch gegenüber dem Bund
schaffen.
Art. 487
Föderalismus kann sich nicht darin erschöpfen, die kantonale Eigenart zu verteidigen; Bund und Kantone stehen auch in
den Aussenbeziehungen der Eidgenossenschaft in einem
Problemlösungs- und Wirkungszusammenhang. Sie haben
den ihrer Funktion gemässen Anteil zur Problemlösung
einzubringen. Jede politische Ebene hat ihre stufengemässen
Interessen wahrzunehmen, gleichzeitig Einheit zu ermöglichen und zu gesamthaft tragbaren Lösungen beizutragen.
Föderalismus heisst nicht nur Abwehr von Bundeseinfluss,
sondern Mitverantwortung für das Ganze und Mitwirkung
am Ganzen. Es muss gelingen, den unheilvollen Gegensatz
zwischen einem nach innen und rückwärts gerichteten "Kantönligeist" und einem nach aussen drängenden Internationalismus zu überwinden. Wir brauchen beides: Beharrung,
Verwurzelung und Identität genau gleich wie Offenheit,
internationalen Wettbewerb und Änderungswille. Bund und
Kantone sind gemeinsam zu einem auch aussenpolitischen
Konsens verurteilt.
Diese zwei Seiten der Medaille haben in der Folge zu drei
verschiedenen Handlungsebenen geführt: Einerseits zur
Inangriffnahme einer Neuregelung der Mitarbeit der Kantone an der Aussenpolitik des Bundes, anderseits zur Schaffung des Informationsbeauftragten der Kantone in Brüssel
und zur Intensivierung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit der Kantone.
III. Aufbruch zu einer Neuregelung der Mitarbeit der Kantone an der Aussenpolitik des Bundes: 1. Im Vorfeld des
EWR: Im Vorfeld und während der EWR-Verhandlungen
zeigte sich, wie wenig die bisherigen Instrumente der gegenseitigen Abstimmung taugen. Darum folgerte die Bundesversammlung aufgrund der Arbeiten des Kontaktgremiums
Bund-Kantone und in Anlehnung an ihre eigene Rechtsstellung, dass die aussenpolitischen Beziehungen zwischen
Bund und Kantonen wenigstens für die Zukunft neu geordnet werden müssten und sahen im EWR-Statut vor, in die
Bundesverfassung eine Übergangsbestimmung aufzunehmen, die den formellen Einbezug der Kantone sichergestellt
hätte. Aufgrund der Ablehnung des EWR-Beitritts blieb in
der Folge - zumindest auf dem Papier - alles beim alten.
2. Revision der Bundesverfassung und Entwurf zu einem
Mitwirkungsgesetz: In seinem Bericht über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit und die Mitwirkung der Kantone an der Aussenpolitik vom 7. März 1994 begrüsste der
Bundesrat nicht nur die Intensivierung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit, sondern erklärte sich auch bereit,
im Rahmen der Arbeiten an der Revision der Bundesverfassung eine Neuordnung der Rolle der Kantone in der Aussenpolitik zu diskutieren.
Dieses Versprechen hat der Bundesrat eingelöst. Im Rahmen
der Revision der Bundesverfassung liegt nun, nach intensiven Diskussionen zwischen Bund und Kantonen, ein Artikel
über die Mitwirkung der Kantone an aussenpolitischen
Entscheiden vor (Art. 50 des Verfassungsentwurfs). Wenn
auch die genauen Formulierungen von Bundesrat und nationalrätlicher bzw. ständerätlicher Verfassungskommission
leicht voneinander abweichen, so stimmen sie doch in der
materiellen Aussage überein:
Die Kantone wirken an der Vorbereitung aussenpolitischer
Entscheide mit, wenn ihre Zuständigkeiten oder wesentliche
Interessen betroffen sind. Der Bund informiert die Kantone
oder deren gemeinsamen Organisationen rechtzeitig und
umfassend und holt ihre Stellungnahme ein (Abs. 1). Diesen
10. März 1998
Stellungnahmen der Kantone kommt besonderes Gewicht
zu, wenn ihre Zuständigkeiten betroffen sind. In diesen
Bereichen wirken die Kantone auch in geeigneter Weise an
internationalen Verhandlungen mit (Abs. 2). In den Zuständigkeitsbereichen der Kantone werden die internationalen
Verpflichtungen der Schweiz in der Regel durch die Kantone umgesetzt (Abs. 3).
Parallel zu den Diskussionen über den Verfassungsartikel
wurde in enger Zusammenarbeit von Bund und Kantonen
auch ein Entwurf für ein Bundesgesetz über die Mitwirkung
der Kantone an der Aussenpolitik des Bundes (BGMK)
verfasst. Dieses Gesetz bezweckt, die in der Praxis seit den
EWR-Verhandlungen bereits bestehenden Formen der Zusammenarbeit zu bekräftigen und weiter zu konkretisieren.
Dabei handelt es sich um die Information der Kantone durch
den Bund über aussenpolitische Vorhaben, die Anhörung
der Kantone sowie die Mitwirkung von Kantonsvertreterinnen und -vertretern bei der Vorbereitung von Verhandlungsmandaten und bei Verhandlungen des Bundes. Es
werden drei Zielsetzungen verfolgt:
- Die Kantone sollen ihre Zuständigkeiten beim Abschluss
völkerrechtlicher Verträge durch den Bund nach Möglichkeit wahren können;
- die Berücksichtigung kantonaler Interessen bei der Vorbereitung und Umsetzung aussenpolitischer Entscheide des
Bundes soll gewährleistet werden;
- die Aussenpolitik des Bundes soll innenpolitisch besser
abgestützt werden.
Dabei ist selbstverständlich unbestritten, dass die Mitwirkung der Kantone die aussenpolitische Handlungsfähigkeit
des Bundes nicht beeinträchtigen darf. Dieser Entwurf für
ein Mitwirkungsgesetz, zu dem die Botschaft seit kurzem
vorliegt, wird seinem Sinn und Geist nach provisorisch
bereits seit dem 1. September 1996 angewandt. Dies hat
erlaubt, die Mitwirkungsmechanismen vor der rechtlichen
Verankerung der kantonalen Mitwirkung in der Praxis auszuprobieren und zu entwickeln. Bundesrat und Konferenz
der Kantonsregierungen sind der Auffassung, dass die gesammelten Erfahrungen als positiv zu bezeichnen sind.
IV. Der Informationsbeauftragte der Kantone in Brüssel: 1.
Im Vorfeld des EWR: Im Zusammenhang mit der Ausarbeitung des EWR-Vertrages entstand auf Seiten der Kantone
das Bedürfnis, nicht ausschliesslich von den vom Bund
weitergegebenen Informationen abhängig zu sein, sondern
sich einen eigenen Informationskanal zu eröffnen, der die
jeweils aktuelle Situation aus der Sicht der Kantone verfolgen konnte. 1990 beschloss der Stiftungsrat der ch-Stiftung
in Solothurn - vorerst für ein Jahr, bis Ende 1991 - den
Kantonen für deren verbesserte Information und Koordination einen solchen Informationskanal anzubieten. Die chStiftung beauftragte mit dieser Aufgabe einen in einer Brüsseler Beratungsfirma arbeitenden schweizerischen Europarechts-spezialisten. Dieser verfolgte die Entwicklung der
(damaligen) EG in Brüssel zuhanden der kantonalen Eurodelegierten und gewisser Direktorenkonferenzen, aber auch
die Beziehungen zwischen der EFTA und der EG. Er knüpfte Kontakte zur Schweizer Mission, mit Verwaltungsstellen
der EG-Kommission und mit Vertreterinnen und Vertretern
deutscher und österreichischer Bundesländer. Dadurch
konnte er seine Analysen zum aktuellen Geschehen in Brüssel auf eine breite Basis stellen. Darüber hinaus bearbeitete
er
individuelle
Anfragen
von
Kantonen
und
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Art. 487
Direktorenkonferenzen, die vor allem die Kompatibilität
kantonalen Rechts mit geltendem oder in Vorbereitung
stehendem EG-Recht betraf. So erstellte der Informationsbeauftragte z.B. 1992 rund 50 solcher Rechtsgutachten.
resse der Regionen. Es fördert das Verständnis über die
nationalstaatlichen Grenzen hinweg und ist damit auch ein
Beitrag zum friedlichen Zusammenleben der Völker in
Europa.
2. Nach der Ablehnung des EWR - Aufnahme der bilateralen Verhandlungen: Nach der Ablehnung des EWR war
schon sehr bald klar, dass es zur Aufnahme von Verhandlungen über die bilateralen Beziehungen kommen würde.
Das Interesse der Kantone an Informationen aus erster Hand
blieb somit ebenso aktuell, wie dies vor der Abstimmung
zum EWR war. Die Themenbereiche der bilateralen Verhandlungen, seien dies der Landverkehr, der Personenverkehr oder die technischen Handelshemmnisse, berühren die
Interessen der Kantone in hohem Ausmass; sie sind sehr
daran interessiert, dass Verhandlungsergebnisse erzielt
werden, die auch sie vertreten können. Voraussetzung hierfür ist aber, dass sie aus erster Hand möglichst schnell,
direkt und umfassend informiert sind, und dass sie dem
Bund ihre Einschätzung der Lage und ihre Interessen darlegen können, damit dieser in Kenntnis der Kantonsstandpunkte handeln kann. Aufgrund dieses für die Kantone
vitalen Interesses an den Informationen aus Brüssel wurde
deshalb im Rahmen der 1996 vorgenommenen Entflechtung
der Aufgaben zwischen ch-Stiftung und Konferenz der
Kantonsregierungen das Mandat der Konferenz der Kantonsregierungen zugewiesen.
3. Konkrete Umsetzung: Der Aargau ist Mitglied der beiden
INTERREG-Begleitausschüsse "Oberrhein-Mitte-Süd" und
"Alpenrhein-Bodensee-Hochrhein". Im Rahmen von
INTERREG I (1989-1994) konnte der Aargau zusammen
mit Baden-Württemberg das Projekt Strukturmodell Hochrhein erarbeiten. Laufende INTERREG II-Projekte (19952001) mit aargauischer Beteiligung sind u.a. die Hochrheinkommission, das Kooperationsmodell Rehabilitation, das
landwirtschaftliche Forschungsprojekt ITADA, die Darstellung der Rheinlandschaft als wertvollen Lebensraum sowie
Vorschläge für eine abgestimmte und eine gemeinsame
Nutzung des Grundwasserträgers.
V. Grenzüberschreitende Zusammenarbeit mit der EU ausserhalb der bilateralen Verhandlungen: 1. Neue Impulse
durch INTERREG: Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit bietet der Schweiz - auch ohne Mitgliedschaft EWR Gelegenheit zur projektweisen Zusammenarbeit mit dem
zusammenwachsenden Europa. 1989 hat die EU die
INTERREG-Initiative gestartet: So finanziert sie die Ausarbeitung und Umsetzung von Entwicklungsprogrammen für
grenzüberschreitende Regionen mit. Die Programme müssen
mit dem Umweltschutz und der Raumplanung vereinbar sein
und sie können die folgenden Bereiche beinhalten: Wirtschaft, Landwirtschaft, Tourismus, Verkehr, Kommunikation, Energie, Umweltschutz, Bildung, Kultur, Gesundheitswesen, Sprachen und Raumplanung. Wichtigste Bedingung
für die Ausrichtung von Beiträgen sind die grenzübergreifenden Auswirkungen der Projekte. Es müssen also Grenzregionen in zwei oder sogar in drei Ländern davon betroffen
sein.
2. Chance für Schweizer Kantone: Obwohl die Schweiz
nicht EU-Mitglied ist, können sich auch Schweizer Kantone
an der INTERREG-Initiative beteiligen. Denn es ist die
Absicht der EU, die Gebiete an ihren Aussengrenzen, das
heisst die Grenzregionen des neuen einheitlichen Marktes,
durch INTERREG zu unterstützen. Die Schweiz ist heute
von EU-Ländern fast lückenlos umschlossen. 15 der 26
Schweizer Kantone haben eine gemeinsame Grenze mit der
EU, Rund die Hälfte der Schweizer Bevölkerung lebt in
Grenzregionen. INTERREG bietet deshalb weiten Teilen
unseres Landes aussergewöhnlich Entwicklungschancen.
Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit ist die regionale
Ausprägung der europäischen Integration. Sie ist auf regionale Bedürfnisse zugeschnitten und kann deshalb einen
besonderen Beitrag zur Lösung konkreter Probleme und zur
Verbesserung der Lebensbedingungen leisten.
Das Europa der Nachbarschaft, wie es sich in der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit zeigt, liegt nicht nur im Inte720
4. Europa der Nachbarschaft: Die grenzüberschreitende
Zusammenarbeit entstand aus der Notwendigkeit, die Probleme dort zu lösen, wo sie sich stellen. Staatliche Grenzen
werden den Bedürfnissen der Menschen in den Grenzregionen oft nicht gerecht. Wirtschaftliche und soziale Aktivitäten verlangen natürliche, nicht verordnete Lebensräume.
Auf der politischen Ebene führt die Entwicklung der regionalen Zusammenarbeit und der EU dazu, dass die Bedeutung nationaler Grenzen abnimmt und die grenzüberschreitenden Beziehungen gestärkt werden. Das INTERREGProgramm der EU leistet hier gute Hilfe, bei der Lösung von
gemeinsamen Problemen im gemeinsamen Lebensraum.
Zur Frage 1: Der Regierungsrat bezeichnet – unter Vorbehalt der Befugnisse der Stimmberechtigten und des Grossen
Rates – die hauptsächlichen Ziele und Mittel des staatlichen
Handelns. Er plant und koordiniert die staatlichen Tätigkeiten (§ 89 Abs. 1 Kantonsverfassung); er ist zudem mit der
Vertretung des Kantons nach innen und aussen sowie mit
der Pflege der Beziehungen mit den Behörden des Bundes
und anderer Kantone beauftragt (§ 89 Abs. 2 KV). Um
diesen Verpflichtungen nachzukommen, braucht er die
entsprechenden Informationen. Hinzu kommt das in einem
föderalistisch geordneten Bundesstaat jeder Stufe zustehende Recht bzw. ihre Pflicht, sich nach besten Kräften sowohl
für das Wohl der eigenen Gemeinschaft, aber auch für das
Wohl des Ganzen, somit auch über- oder untergeordneter
Körperschaften einzusetzen. Es geht bei den bilateralen
Verhandlungen mit der EU nicht um die Frage, ob es sich
dabei um eine (reine) Bundesangelegenheit handelt oder
nicht, sondern darum, für die Schweiz, die Kantone, die
Bevölkerung ein möglichst gutes Verhandlungsergebnis zu
erzielen.
Zur Frage 2: Der Informationsbeauftragte der Kantone
arbeitet im Auftragsverhältnis, d.h. er wird nach Aufwand
bezahlt. Das jährliche Budget beträgt seit Anbeginn unverändert Fr. 120'000.--, wobei diese Summe meist nicht ganz
ausgeschöpft wurde. Bis Ende 1997 entstanden für sämtliche
Kantone zusammen Kosten von rund Fr. 730'000.--.
Zur Frage 3: Die Kosten für den Informationsbeauftragten
werden aufgrund des gleichen Schlüssels auf die einzelnen
Kantone verteilt, der auch für die übrigen Kosten der im
Rahmen der Konferenz der Kantonsregierungen erbrachten
Leistungen gilt, d.h. aufgrund der Bevölkerungszahl. Der
Kanton Aargau zahlt bei einem Budget von Fr. 120'000.--
Art. 488-490
einen jährlichen Beitrag von Fr. 8'548.-- an den Informationsbeauftragten in Brüssel.
Vorsitzender: Mit Datum vom 28. Februar 1998 hat sich der
Interpellant gemäss § 84 Abs. 2 GO schriftlich von der
Antwort des Regierungsrates befriedigt erklärt. Das Geschäft ist erledigt.
488 Motion Stefan Nyffenegger-Wittwer, Gontenschwil, vom 2. Dezember 1997 betreffend Bezahlung
nicht besuchter Konsultationen; Erledigung
(vgl. Art. 337 hievor)
Vorsitzender: Gestützt auf § 42 Abs. 2 des Geschäftsverkehrsgesetzes wird die Motion Stefan Nyffenegger-Wittwer,
Gontenschwil, infolge Rücktritt aus dem Rat als erledigt von
der Kontrolle abgeschrieben.
489 Martin Bossard, Kölliken; Abgabe einer Erklärung für die Fraktion der Grünen
Martin Bossard, Kölliken: Um es mit den Worten von Hans
Ulrich Mathys auszudrücken: Es gärt im Bezirke Zofingen.
Sie wissen vermutlich, dass es um die Kantonsschule Zofingen geht. Die Regierung diskutiert eine eventuelle Schliessung. Ich möchte dazu im Namen der Fraktion der Grünen
auf drei Punkte hinweisen. 1. Wir unterstützen die Beibehaltung der Kantonsschule Zofingen ohne Wenn und Aber auch
in Zukunft. Wir finden, dass die dezentrale Bildung im
Kanton Aargau wichtig ist und sind bereit, dafür zu zahlen.
2. Wir verwahren uns gegen die Angriffe, die bestimmte
Lokalmedien in den letzten Tagen gegen die Regierung
lancierten. Es tönte so, als wäre die Regierung schuld daran,
dass man über solche Dinge diskutieren müsste. 3. Die
Scheinheiligkeit, die von gewissen bürgerlichen MitGrossräten nun an den Tag gelegt wird, verurteilen wir auf
das heftigste. Diese werden in den nächsten eineinhalb
Tagen darüber diskutieren, die Steuern wieder herunterzusetzen. Dies wird dem Staat die nötigen Mittel noch mehr
systematisch entziehen. Es geht nicht an, dass man mit der
einen Hand dieses und mit der andern dann etwas anderes
macht und gegen aussen tritt man dann als nette Kerle auf,
die für ihre Region eintreten. Bringen Sie Ihre Handlungen
in Einklang!
490 Gesetz über die Besteuerung von Einkommen,
Vermögen, Grundstückgewinnen, Erbschaften und
Schenkungen der natürlichen Personen sowie der Kapitalgesellschaften und Genossenschaften (Steuergesetz,
StG); Totalrevision; erste Lesung; Eintreten und Beginn
der Detailberatung
(Vorlage vom 21. Mai 1997 des Regierungsrates mit Änderungsanträgen vom 20. Januar 1998 der nichtständigen
Kommission Nr. 7, denen der Regierungsrat teilweise zustimmt)
10. März 1998
Vorsitzender: Auf der Regierungsbank begrüsse ich die
Herren Hans Zbinden, Chef des kantonalen Steueramtes,
sowie Dr. Dave Siegrist, Chef Gesetzgebung des kantonalen
Steueramtes.
Ich möchte mit dem Antrag des Büros um Beschränkung der
Redezeit auf generell 5 Minuten beginnen. Ausgenommen
davon sind die Sprecherinnen und Sprecher der Fraktionen,
der Kommissionsreferent sowie der Regierungsrat während
der Eintretensdebatte. Wird dazu das Wort verlangt? Das ist
nicht der Fall. Damit haben Sie diesem Antrag stillschweigend zugestimmt. In Ergänzung dazu möchte ich bereits
einräumen, dass ich dem Regierungsrat bei der Eintretensdebatte gemäss § 46 Abs. 2 der Geschäftsordnung eine
längere Redezeit gewähren werde.
Dr. Rudolf Rohr, Würenlos, Präsident der nichtständigen
Kommission Nr. 7: Das hier zur Behandlung gelangende
Geschäft ist auf kantonaler Ebene wohl die umfassendste
Steuergesetzrevision dieses Jahrhunderts - in der Breite wie
in der Tiefe. Sie erfasst nämlich die Steuern sowohl der
natürlichen als auch der juristischen Personen sowie zusätzlich die zwei wichtigsten Nebensteuern und sie bringt gegenüber dem bisherigen Recht tiefgreifende Neuerungen.
Die grossrätliche Kommission hat sich deshalb von Anfang
an auf intensive Beratungen eingestellt. Im Interesse einer
zügigen Behandlung im Plenum hat sie sich bemüht, die
einzelnen Fragen gründlich auszudiskutieren und vor den
endgültigen Anträgen die Standpunkte der Fraktionen einzuholen. Sie hat überdies unterlegene Minderheitsanträge in
der Synopse mit aufgeführt, um einerseits aufzuzeigen, was
bereits erörtert worden ist, und um anderseits für den hoffentlich nicht zu häufigen Fall, dass sie im Plenum nochmals
aufgegriffen werden, den Ratsmitgliedern die entsprechenden Formulierungen schwarz auf weiss, bzw. schwarz auf
gelb vor Augen zu bringen.
Die Kommission - präziser: eine recht konstante Mehrheit
der Kommissionsmitglieder - stellt dem Rat Anträge, die
von der regierungsrätlichen Vorlage deutlich abweichen,
und zwar sowohl hinsichtlich der Ertragsauswirkungen
insgesamt, als auch hinsichtlich der Lastenverteilung im
einzelnen.
Zum ersten: Der Regierungsrat hat in seiner Vorlage Ertragsneutralität angestrebt. Die Kommissionsmehrheit hat
sich demgegenüber, von dem im Rahmen des Regierungsprogramms am 11. November 1997 getroffenen Entscheid
des Grossen Rates leiten lassen, der wie folgt lautete: "Die
Steuerbelastung wird soweit herabgesetzt, als dies für einen
Spitzenrang des Kantons bei den steuergünstigen Kantonen
erforderlich ist." Die Mehrheit der Kommission bekennt sich
zu einer dynamischen Betrachtungsweise; sie erwartet von
den beschlossenen Steuerentlastungen eine zusätzliche
Stärkung des Wirtschaftsstandortes Aargau und damit mittelfristig eine Erweiterung des Steuersubstrates. Sie ist
deshalb überzeugt, die nach rein statischer Aufrechnung auf
knapp 60 Millionen Franken bezifferten Ertragsausfälle
verantworten zu können. Dasselbe gilt gegenüber den Gemeinden, die mit einem theoretischen Minderertrag von
etwa 32 Millionen Franken oder 3 Steuerfussprozenten
rechnen müssen. Neuerdings wird hier von gewissen Seiten
mit wesentlich höheren Zahlen operiert. Sie entstammen
einem Szenario, das als realistisch bezeichnet wird. Ich lege
Wert auf die Feststellung, dass die von der Kommission
genannten Zahlen dem vom Regierungsrat gewählten Szena721
10. März 1998
rio entsprechen, dem einzigen Szenario, für das der Kommission für die einzelnen Positionen Berechnungen vorgelegen haben, und dem Szenario, auf dessen Basis die Kommission während 33 Sitzungen debattiert hat. Die Kommission war und ist nicht bereit, auf das nachträglich konstruierte, in der Botschaft nicht enthaltene und auch nicht im einzelnen dokumentierte Szenario einzutreten.
Abgesehen von der sachlichen Wünschbarkeit einer steuerlichen Entlastung darf auch die abstimmungspolitische Dimension nicht vernachlässigt werden. Die Kantone Zürich
und St. Gallen, welche die Totalrevision bereits durchexerziert haben, nahmen jedenfalls Steuerausfälle in Kauf; mit
60 Millionen Franken Ertragsminderung (ohne bereits beschlossene Befreiung der Nachkommen von der Erbschaftsund Schenkungssteuer) resultiert nach neuem Steuergesetz,
gegen welches das Referendum nicht ergriffen werden soll,
für den Kanton St. Gallen trotz geringerem Steuersubstrat
ein effektiv grösserer Ausfall als dem Kanton Aargau zugemutet wird. Dasselbe gilt für die sanktgallischen Gemeinden.
Zum zweiten: Der Regierungsrat hat mit seiner Vorlage ein
extrem kühnes Schwergewicht gesetzt. Er hat - die Auswirkungen auf kantonaler und kommunaler Ebene zusammengerechnet - die Haushalte mit Kindern um 97 Millionen
Franken entlasten und dafür die Rentnerinnen und Rentner
mit 71 Millionen Franken und das Grundeigentum mit 45
Millionen Franken stärker belasten wollen. Diese Rechnung
kann abstimmungspolitisch nicht aufgehen - und über die
Frage, ob sie wenigstens sachgerechter wäre, gehen die
Meinungen bei den Direktbetroffenen diametral auseinander.
Die Kommission setzt andere Akzente. Für die natürlichen
Personen bringt sie eine ausgewogenere Lastenverschiebung. Sie erhöht die Abzüge für Haushalte mit Kindern
weniger stark, wobei auch so dem Aargau künftig ein diesbezüglicher Podestplatz zukommen wird. Dafür streicht,
mildert oder kompensiert die Kommission die für das
Grundeigentum vorgesehenen Verschlechterungen. Sie ist
damit der am 16. Dezember 1997 vom Aargauischen Hauseigentümerverband eingereichten Volksinitiative sehr weit
entgegengekommen; über die Initiative selbst soll auf die
zweite Lesung hin befunden werden. Bei den Rentnerinnen
und Rentnern hat die Kommission dem beantragten Wegfall
der bisherigen Vergünstigungen zugestimmt, soweit sie
überhaupt Entscheidungsfreiheit hatte; sie hat aber mit ihren
Beschlüssen zum Grundeigentum und zur Erbschafts- und
Schenkungssteuer Entlastungen vorgesehen, die für einen
Grossteil der Rentnerinnen und Rentner von besonderer
Bedeutung sind. Im übrigen erfahren Betagte mit niedrigem
und verheiratete Betagte mit mittlerem Einkommen eine
nicht unerhebliche Entlastung dank der Neugestaltung der
Tarife für Einkommens- und Vermögenssteuer.
Für den Wirtschaftsplatz Aargau strebt die Kommission eine
echte - und nicht durch Fallenlassen aargauischer Spezialitäten illusorisch gemachte Attraktivierung an. Während nämlich der Regierungsrat, unter Einbezug der Liquidationsgewinn- und Aktienbesteuerung bei Familienaktiengesellschaften, für die Unternehmungen in seiner Vorlage per Saldo mit
weniger als 2 Millionen Franken Entlastung verbleibt, sieht
die Kommission Verbesserungen im Umfange von rund 62
Millionen Franken (Kantone und Gemeinden zusammen)
vor.
722
Art. 490
Die Kommission hat mithin ganz klare Schwergewichte
gesetzt. Der ihr entgegengehaltene Vorwurf, sie habe nach
Giesskannenmethode überall Entlastungen vorgesehen, ist
entschieden zurückzuweisen. Zurückzuweisen ist auch der
Vorwurf, die Kommission habe zu Lasten der sozial Schwächeren einseitig die Bestsituierten steuerlich begünstigt. Sie
hat zwar die in der regierungsrätlichen Vorlage zugunsten
der unteren Einkommensschichten vorgesehenen massiven
Entlastungen nicht noch zusätzlich verstärkt, sie hat aber
gezielt die Steuerlast für Mittelstand und Familienunternehmungen mildern wollen. Die ertragsmässig nicht ins Gewicht fallende Ausnahme beim Vermögenssteuertarif hat
ihre Begründung in der Sorge um den Erhalt und die Mehrung des aargauischen Steuersubstrats.
Eine zentrale Entscheidung, die bei dieser Totalrevision
getroffen werden muss, ist die Frage nach dem Besteuerungssystem. Der Kanton könnte einstweilen beim heutigen
System der zweijährigen Veranlagung mit Vergangenheitsbemessung bleiben; die Kommission hält es indessen für
richtig, den Übergang zur jährlichen Veranlagung mit Gegenwartsbemessung jetzt zu vollziehen, weil sich dieses
Modell unter den heutigen Gegebenheiten als sachgerechter
erweist. Sie nimmt dabei eine gewisse Aufblähung des
Beamtenapparates in Kauf. Die Kommission kann dem
Wechsel um so eher zustimmen, als sich für die natürlichen
Personen eine sehr bürgerfreundliche Lösung anbietet: Die
Steuerpflichtigen sollen in geraden Jahren für sich selber
entscheiden können, ob sie die ihnen zugestellten Formulare
sofort ausfüllen oder mit der Deklaration ein Jahr zuwarten
wollen. Was den Übergang zum neuen System anbetrifft,
schlägt die Kommission - in Abweichung zum Regierungsrat - für natürliche und juristische Personen nicht das gleiche
Modell vor; darauf wird in der Detailberatung näher einzugehen sein.
Für die Kommission war Eintreten auf die Vorlage unbestritten. Diese ist durch den soliden Expertenvorentwurf, das
breit durchgeführte Vernehmlassungsverfahren und die
laufenden Zusatzabklärungen seitens des vorbildlich kooperativen Steueramtes gut abgestützt. Wir müssen nun allerdings konstatieren, dass es sich der Regierungsrat mit seiner
Stellungnahme zu den Anträgen der Kommission relativ
einfach gemacht hat. Er hält - mit Ausnahme der zwei mit
der Verwaltung ausgehandelten Detailregelungen betreffend
Kinderbetreuungsabzug und Forschungsrückstellungen schlicht in allen ins Gewicht fallenden Streitfragen an seinen
ursprünglichen Anträgen fest und verzichtet auf jedwelche
Kompromissanträge. Das schafft eine klare Ausgangslage.
Es sind keine neuen Anträge im Raum, zu denen die Kommission Stellung nehmen müsste. Die Kommission kann
ihnen kurz und knapp empfehlen, ihre Anträge zum Beschluss zu erheben. Eine zügige Beratung im Plenum erlaubt
im Idealfall die Durchführung der zweiten Lesung im November dieses Jahres und die Ansetzung der Volksabstimmung auf April 1999. Wir ersuchen um Eintreten auf die
Vorlage.
Katrin Kuhn, Wohlen: Nicht alle in diesem Saal sind für
Eintreten. Ich lese Ihnen den Nichteintretens-Antrag der
Grünen Fraktion vor: Die vorliegende Kommissionsfassung
des Steuergesetzes sieht je nach Wachstumsszenario längerfristig jährliche Mindereinnahmen zwischen 60 und 140
Millionen Franken für den Kanton und zwischen 30 und 100
Millionen Franken für die Gemeinden vor. Diese Zahlen
liegen seit längerem vor. Es ist also nicht so wie es Herr
Art. 490
Dr. Rohr sagte, dass wir der Meinung wären, es gäbe nur ein
optimales Szenario. Die Kommission hat sich mit keinem
einzigen Wort dazu geäussert, wo und wie diese Einsparungen gemacht werden sollten, obwohl ich dies in der ersten
Sitzung verlangt hatte. Es ist nicht die Art der Grünen, auf
irgend etwas blindlings loszugehen, dessen Konsequenzen
uns nicht bewusst sind. Das war auch ökologisch immer so.
Wir waren auch dort der Meinung, dass wir zunächst zu
schauen hätten, wohin die Entwicklung gehe. Das wollen
wir auch ökonomisch so halten. Auf eine Vorlage blindlings
einzutreten, die grosse Konsequenzen hat, wenn sie derartige Mindereinnahmen vorsieht, das passt uns nicht. Wir
wollen diese Konsequenzen erst auf dem Tisch haben. Wir
sind daher für Nichteintreten bis wir die Konsequenzen der
Vorlage, die dergestalt krass von der Haushaltsneutralität
abweichen soll, auf dem Tisch liegen sehen. Wir wollen
wissen, wie und wo dieses fehlende Geld beim Kanton und
bei den Gemeinden eingespart werden soll. Uns interessiert
natürlich nicht nur wieviel, sondern auch wo dieses Geld
eingespart werden soll. Auch in dieser Hinsicht gehen wir
mit der Kommission nicht einig. Der private Grundbesitz
bildet in dieser Vorlage einen Schwerpunkt für Mindereinnahmen. Dies scheint uns ein völlig falscher Ort zu sein, um
auf Einnahmen zu verzichten. Wir hatten die Gelegenheit,
Vorträgen der aargauischen Stiftung für Freiheit und Verantwortung in Politik und Wirtschaft beizuwohnen. Dort
wurde zum Bereich "privater Grundbesitz" gesagt: "Aus
wirtschaftlicher Sicht ist gegen die Höherbelastung des
Grundeigentums und der Versicherungsleistungen wenig
einzuwenden." Das ist also ein Ort, wo dieses Gesetz nach
Kommissionsmeinung grosszügig sein will, der wirtschaftlich nicht einmal relevant ist. Wir finden dies extrem bedauerlich. Das Ökologische ist ungleich relevanter. Es kann
nicht die Meinung der Grünen sein, verschwenderisch mit
dem Boden umzugehen und ihn in seinem Wert herunterzusetzen. Boden soll uns etwas kosten und daher soll er auch
konsequent besteuert werden. Der dritte Grund, weshalb wir
beim Grundeigentum nicht einverstanden sein können ist,
dass eine derartige Bevorzugung von Grundbesitz steuerlich
ungerecht gegenüber Mieterinnen und Mietern ist. Aus
Gründen der Steuergerechtigkeit, aus ökologischen Gründen
und weil es wirtschaftlich nicht relevant ist, können wir uns
nicht vorstellen, dass wir ausgerechnet im Bereich Grundeigentum auf derart massive steuerliche Einnahmen verzichten
wollen. Mir wurde in den gesamten Beratungen nie klar,
was denn eigentlich die Absicht dieses Denkens sein soll.
Ich finde, es ist völlig veraltet. Das ist vorkommunistisches,
russisches Grossgrundbesitzerdenken: Je mehr Land ich
habe, um so besser soll es mir steuerlich gehen. Das ist
weder innovativ, noch wirtschaftsfreundlich, noch modern.
Ich kann da der FDP-Fraktion den Vorwurf nicht ersparen,
dass sie uns ihren ideologischen Besenwagen an die Spitze
unseres Steuerumzuges gestellt hat. Da steht völlig veraltetes Denken dahinter. Auch wenn Dr. Rohr heute einen absolut grünen Anzug trägt - ich bin der Meinung, er steht ihm
nicht, - es ist ein kaltes Grün! (Heiterkeit). - Ich hätte von
der FDP-Fraktion anderes erwartet. Christine Beerli hat in
diesem Saal gesagt, dass die Grünen die ökologische Steuerreform nicht gepachtet hätten; Herr Steinegger äusserte sich
zur Kapitalgewinnsteuer - es müsste doch in der FDPFraktion noch anderes Gedankengut stecken als nur das
Grundeigentum in einer Art und Weise zu bevorzugen, die
mir absolut unklar erscheint.
10. März 1998
Ich hatte aber auch meine Zweifel an der Besetzung der
CVP-Fraktion, die uns diese in die Kommission geschickt
hatte. Die Einheit der Materie war insofern sicherlich gewahrt, als mit den drei Vertretern weder Frauen noch die
Junge CVP berücksichtigt wurden. Daher entstanden dann
auch so krasse Abweichungen. Die wirtschaftsfreundlichen
Vertreter in dieser Kommission stellten sich als solche dar
und sagten, man müsse beim Staat sparen. Umgekehrt muss
dann die Junge CVP die Wirtschaft mit Vorstössen für ein
Sponsoring unserer Schulen anbetteln. Könnten Sie nicht
miteinander reden? Es ist doch nicht sinnvoll, auf der einen
Seite Steuern einzusparen und auf der andern Seite damit
Sponsoring einzuholen. Ich bitte Sie dringend, innerhalb der
Fraktion den Kontakt zu diesen Themen zu suchen. Ich
würde mich zur Verfügung stellen, bei einer ersten Kontaktnahme Hilfeleistung zu geben.
Ich möchte aber auch noch etwas zum Thema Ökologie
sagen. Es ist Aufgabe der Grünen, immer wieder zu überlegen, welche ökologischen Entwicklungen durch eine Revision ausgelöst werden. In diesem Punkt ist es relativ schwierig, auf kantonaler Ebene innerhalb der Steuergesetzrevision
etwas zu unternehmen. Die ökologische Grobsteuerung
müsste über eine ökologische Steuerreform beim Bund
gemacht werden. Die ökologische Feinsteuerung wäre dann
eher eine Frage der Finanzreform. Gebühren auf kantonaler
Ebene haben also ökologische Konsequenzen. Das Steuergesetz hätte sie in erster Linie beim Grundeigentum. Aus
ökologischer Sicht sollte man das Grundeigentum höher
besteuern - sonst gibt es keine grossen Konsequenzen. Ich
sehe, Sie haben keine Lust auf einen ökologischen Exkurs,
daher komme ich zum Schluss. Wir können unseren Nichteintretensantrag als Grüne gelassen stellen. Eine schlechtere
Vorlage als die vorliegende brauchen wir nicht zu befürchten. Das Schlusswort des Grünen Nichteintretensantrages
überlassen wir im Gedenken an die stolze 200-Jahr-Feier zur
Helvetik der helvetischen Sphinx. Dort wird Heinrich
Pestalozzi folgendermassen zitiert: "Es ist leichter, dass es
Katzen regne und Morcheln schneie, als dass die Grundsätze
eines gerechten Steuerfusses bei einem Geschlechte Eingang
finden, das aus Sittenfeinheit auf dem Geld sitzen muss, wie
eine Kröte auf dem Dümpel." Ich danke Ihnen und Herrn
Pestalozzi danke ich auch.
Dr. Urs Hofmann, Aarau: Ein Gespenst geht um in manch
einem Schweizer Kanton: das Gespenst eines ruinösen
Steuerwettbewerbs. Ein Gespenst, das letztlich wenige zu
Gewinnern und viele zu Verlierern machen wird. Der Regierungsrat hat diesem Gespenst Paroli geboten. Er ist der
Versuchung nicht erlegen, sich durch Steuergeschenke für
alle rundum beliebt zu machen. Er ist der Versuchung nicht
erlegen, ungeachtet von Gerechtigkeitsüberlegungen, vorab
denen Steuergeschenke zukommen zu lassen, die frühzeitig
und am lautesten danach geschrieen haben. Der Regierungsrat hat sich mit seiner ursprünglichen Vorlage in weiten
Teilen an unsere Kantonsverfassung gehalten, wonach bei
der Ausgestaltung der Steuern die Grundsätze der Solidarität
und der Leistungsfähigkeit der Steuerpflichtigen zu beachten
sind. Der Regierungsrat ist seiner Aufgabe nachgekommen,
den Wunsch vieler, dem Fiskus möglichst wenig abliefern
zu müssen, auf seine Machbarkeit hin zu überprüfen. Getreu
dem in anderem Zusammenhang meist aus bürgerlichem
Mund zu vernehmenden Grundsatz, wonach nicht das
Wünschbare das Mass aller Dinge sein dürfe. Dem Regierungsrat gebührt für seine Absage an eine populistische und
723
10. März 1998
parteiische Steuerpolitik Anerkennung. Auch wenn unsere
Fraktion in verschiedenen Bereichen andere oder noch
mutigere Schritte erwartet hätte und Ihnen auch entsprechende Anträge unterbreiten wird, begrüsst sie, dass der
Aargau hinsichtlich der Besteuerung der unteren Einkommensklassen, namentlich auch kinderreicher Familien mit
durchschnittlichen Einkommen, endlich vom unrühmlichen
negativen Podestplatz heruntersteigen will. Sie begrüsst es,
dass die in den meisten Parteiprogrammen enthaltene Forderung nach Unterstützung der Familien endlich durch die
Gewährung von Kinderabzügen, die den effektiven Aufwendungen zumindest näherkommen, in die Realität umgesetzt werden soll. Die SP-Fraktion begrüsst die Anerkennung der Aufwendungen für die Kinderbetreuung als Berufsauslagen. Sie begrüsst es, dass die steuerliche Privilegierung der Baulandhortung mittels realitätsfremder Vermögenssteuerwerte endlich abgeschafft werden soll. Sie begrüsst es, dass die steuerliche Erfassung der Grundstückgewinne künftig in einem angemesseneren Verhältnis zur
Besteuerung der Erträge auf Ersparnissen stehen soll. Unsere Fraktion begrüsst die Umstellung auf die bürgerinnenund bürgernähere Gegenwartsbesteuerung. Sie erachtet das
für die Steuerpflichtigen letztlich einfachere jährliche Ausfüllen der Steuererklärung nach wie vor als erstrebenswert
und erachtet den als Wahlmöglichkeit offerierten Deklarationsaufschub als unnötigen Umweg. Sie erachtet deshalb ein
Eintreten auf die regierungsrätliche Vorlage zu diesem
Steuergesetz für geboten.
Anders als der Regierungsrat hat sich die Kommissionsmehrheit die Frage nach dem finanzpolitischen Spielraum
der anstehenden Steuergesetzrevision gar nicht ernsthaft
gestellt. Sie hat das Pferd am Schwanz aufgezäumt, indem
sie die im Vorfeld der Beratungen von den verschiedensten
Interessengruppen, bar jeder Verantwortung für das finanzielle Gleichgewicht von Kanton und Gemeinden präsentierten Wunsch- und Forderungskataloge meist 1:1 übernommen hat. Ob ganz davon beseelt, sich selbst oder den Wählerinnen und Wählern zu zeigen, dass man die günstige Gelegenheit nutze, endlich einmal etwas für sie herausholen,
oder ob der Versuchung erlegen, den mühsamen Weg über
die Sachpolitik zu umgehen und durch eine Politik der leeren Kassen Druck auszuüben, bleibe dahingestellt. Der
Regierungsrat hat in seinem Finanzplan für die laufende
Legislaturperiode aufgezeigt, wie eng der finanzielle Spielraum in den kommenden Jahren auch ohne zusätzliche
Steuerausfälle sein wird. Es ist Ihnen allen bekannt, dass ein
Budgetausgleich, wie ihn die Verfassung vorschreibt, trotz
Ihrer Sparforderungen und dem Ruf nach Verzichtsplanungen kaum zu erreichen sein wird. Und Sie wissen alle, dass
die Sanierung des Bundeshaushaltes mit Sicherheit nicht zu
einer Entlastung der Kantone und Gemeinden führen wird.
Die Gemeindeammänner-Vereinigung hat durch ihre konkreten, gemeindebezogenen Berechnungen verifiziert, worauf wir während der Kommissionsarbeiten immer wieder
hingewiesen haben: Dass die Kumulation des ohnehin anstehenden Ausgleichs der kalten Progression mit der nach
dem Willen der Kommissionsmehrheit zu je länger desto
mehr Steuerausfällen führenden Revisionsvorlage für die
meisten Gemeinden nicht verkraftbar sein wird. Gerade
Gemeinden mit eher geringen durchschnittlichen Steuereinnahmen pro Einwohnerin und Einwohner, die oft bereits
heute einen hohen Steuerfuss aufweisen, wird letztlich die
finanzielle Basis endgültig entzogen. Lassen Sie sich von
Ihrem Finanzverwalter bzw. Ihrer Finanzverwalterin, von
724
Art. 490
Ihrer Steuerverwalterin oder Ihrem Steuerverwalter, doch
die Rechnung für Ihre Gemeinde präsentieren. Sie werden
ein blaues Wunder erleben! Da nützen auch die Zahlenspielereien, wie sie uns der Kommissionspräsident nun darlegen
will, nichts, - die konkreten Berechnungen darüber, wie es in
den einzelnen Gemeinden aussieht, sind massgebend und
nicht theoretische Abhandlungen.
Einen besonderen Stellenwert - Frau Kuhn wies bereits
darauf hin - nahm in der Kommission die Diskussion über
die Besteuerung des Grundeigentums ein. Von angeblich
schwerwiegenden Mehrbelastungen der Grundeigentümerinnen und Grundeigentümer durch die regierungsrätliche
Vorlage war da die Rede. Und namentlich auch den Besitzerinnen und Besitzern von Eigenheimen wurde eingeredet,
der Fiskus wolle sie nach dem Willen des Regierungsrates
künftig schröpfen. Meine Damen und Herren, auch die
sozialdemokratische Fraktion ist keine Mieterinnen- und
Mieter-Fraktion. Wir wissen deshalb aus eigener Erfahrung
beim Ausfüllen der Steuererklärung genau so gut wie die
meisten von Ihnen, von welch mannigfachen Steuervorteilen
die meisten von uns jedes Jahr im Verhältnis zu den Mieterinnen und Mietern profitieren können, sei es durch den
Widersinn der staatlichen Schuldensubventionierung auch
für alle jene, die einer staatlichen Wohneigentumsförderung
in keiner Art und Weise bedürfen (Stichwort: Giesskannenprinzip), sei es durch die Möglichkeit, via Pauschalisierung
auch Unterhaltskosten abziehen zu können, die gar nicht
entstanden sind, sei es durch die tiefen Vermögenssteuerwerte für das Grundeigentum ganz generell, die sich auch im
Erbfall nochmals in bar auszahlen. Wo der regierungsrätliche Entwurf hier steuerliche Mehrbelastungen hätte mit sich
bringen sollen, vermochte bis heute niemand aufzuzeigen.
Dass die ehemaligen Grundeigentümer nach dem Verkauf
ihres Grundeigentums durch die Grundstückgewinnsteuern
einer etwas höheren - jedoch im Verhältnis zum sparenden
Mieter weitaus geringeren Belastung unterworfen sein sollen, jedoch künftig gesamtschweizerisch die Möglichkeit der
Ersatzbeschaffung haben werden oder dass derjenige, welcher seine Ersparnisse in Bauland anlegt, anstatt sie auf die
Bank zu bringen, nicht noch steuerlich privilegiert werden
soll, ändert an der steuerlichen Belastung des Einfamilienhausbesitzers und der Einfamilienhausbesitzerin jedenfalls
nichts. Es ist billige Politik, den Leuten mit Steuererleichterungen, von denen vordergründig jeder einmal profitieren
könnte, den Speck durch den Mund zu ziehen, um ihnen für
das Gratismenu dann im nachhinein die gesalzene Rechnung
in Form des Abbaus staatlicher Leistungen oder durch neue
oder höhere Gebühren - sprich: Kopfsteuern - zu präsentieren. Wie einfach könnten es doch auch wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten uns machen, wenn wir unseren
Wählerinnen und Wählern, die auch einmal im Lotto oder
im "Benissimo" die Million garnieren oder als glückliche
Erben die hohle Hand hinhalten möchten, den bösen Steuervogt an die Wand malen würden, der einem sogar in solch
glücklichen Momenten noch das Geld aus dem Sack ziehen
wolle. Wie einfach wäre es doch, unseren Wählerinnen und
Wählern, die sich ein Eigenheim mit Krampfen und nicht
mit Börsengewinnen oder Erbschaften erarbeitet haben,
durch die Einräumung noch höherer ungerechtfertigter
Pauschalabzüge aufzuzeigen, dass wir uns für sie einsetzen.
Wir tun dies nicht, weil wir wissen, dass von solchen Steuererleichterungen letztlich um so mehr profitiert, wer schon
hat. Und wir tun dies nicht, weil wir - ob populär oder nicht
- dazu stehen, dass das, was das Volk als richtig und wichtig
Art. 490
erkannt und durch Gesetze zur Staatsaufgabe erklärt hat,
auch finanziert werden muss. Wir tun dies nicht, weil wir
einen Staat wollen, der seine Aufgaben gesetzeskonform
und mit Umsicht erfüllt, der seine Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter korrekt entlöhnt und der sich seiner sozialen
Verantwortung gegenüber allen Bevölkerungsschichten
bewusst ist. Wir tun dies nicht, weil wir davon überzeugt
sind, dass Steuern dann zu senken sind, wenn die Staats- und
Gemeindefinanzen dies zulassen, und nicht mit Steuergeschenken bewusst Staatsdefizite provoziert werden dürfen,
die abzudecken dann dereinst die mühevolle Sache anderer
sein wird.
Die sozialdemokratische Fraktion fordert Sie hiermit auf:
Wenden Sie sich wieder einer ehrlichen Politik zu, die Geschenke nur macht, wenn etwas zum Schenken da ist. Nehmen Sie, auch wenn's um die Steuerpolitik geht, die Verfassung ernst, welche einen ausgeglichenen Staatshaushalt
verlangt. Reden Sie nicht von NPM und WOV, wenn Sie die
Prozesse nicht über Leistungsvorgaben, sondern über die
Finanzen steuern wollen. Schenken Sie den Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern, den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern, klaren Wein ein und legen Sie jetzt hier im Rat
offen, wo die Millionen bei Staat und vor allem bei den
Gemeinden eingespart werden sollen - trotz der zusätzlichen
Aufgaben, die aller Voraussicht nach vom Bund auf uns
zukommen werden. - (Vorsitzender: Ich bitte Herrn Hofmann, zum Schluss zu kommen!) - Und wenn Sie dies nicht
tun können oder wollen, so verschieben Sie die Steuergeschenke auf dann, wann Ihnen die guten Ideen gekommen
sind und der Beschenkte weiss, dass das geschenkte Pferd
nichts Unerfreuliches - sprich: Steuerfuss- und Gebührenerhöhungen in den Gemeinden - im Bauch trägt. Und wenn
schon Geschenke gemacht werden sollen, so sollen sie
wenigstens jenen zugute kommen, die ihr Einkommen durch
Erwerbsarbeit erworben haben und die durch den Abbau
staatlicher Leistungen weitaus am meisten betroffen werden:
Den Familien mit kleineren und mittleren Einkommen und
nicht jenen, die ihre grossen Vermögen meist steuergünstig
mit Kapitalgewinnen vermehren oder denen als glückliche
Erben ein Vermögen zufällt, das die meisten durch Arbeit
zeit ihres Lebens nie erlangen könnten. Bemühen Sie sich
mit uns, in den bevorstehenden parlamentarischen Behandlungen ein Steuergesetz zu erarbeiten, das Staat und Gemeinden diejenigen Mittel zubilligt, die sie für die Erfüllung
ihrer Aufgaben brauchen und das nicht noch dazu beiträgt,
die Reichen noch reicher zu machen; denn dafür ist ohnehin
gesorgt. - (Vorsitzender: Herr Hofmann, ich bitte Sie inständig, zum Schluss zu kommen, Sie haben bereits zwei Minuten überzogen!) - noch eine halbe Minute! - Ich bitte Sie,
arbeiten Sie mit uns und dem Regierungsrat an einem Gesetz, das die Steuerlasten gerecht verteilt, auch für all jene,
die sich ihre Lobby und ihre Fürsprecher in diesem Rat nicht
leisten können. Denn ein ungerechtes und von den finanziellen Auswirkungen her unverantwortbares Gesetz, wie es die
Kommissionsmehrheit vorgelegt hat, wird im Volk keine
Mehrheit finden. Da können Sie Gift drauf nehmen!
Heiner Studer, Wettingen: Die EVP-Fraktion und auch die
beiden Vertreterinnen und Vertreter des LdU sind für Eintreten auf die Vorlage. Das heisst allerdings, dass wir weder
ein bürgerliches noch ein linkes Steuergesetz wollen, sondern dass wir einer breiten und profilierten Mitte verpflichtet
sind. Wir sind der Überzeugung, dass ein Steuergesetz nur
dann tragfähig ist, wenn wir bei den Beratungen zu dieser
10. März 1998
breiten Mitte finden. Unser Vertreter in der Kommission,
Herr Hans Bürge, ist heute aus zwingenden Gründen abwesend. Er hat aber unsere Stellungnahme verfasst, die ich
Ihnen nun verlesen werde. Wir attestieren der Kommission,
dass sie ihre Arbeit gewissenhaft und innerhalb einer sehr
kurzen Zeit durchgeführt hat. Dennoch haben wir als Fraktion dem Beratungsergebnis gegenüber in verschiedener
Hinsicht Bedenken anzubringen. Die Revision durch das
Inkrafttreten des Steuerharmonisierungsgesetzes ausgelöst,
steht ganz im Zeichen des Standortwettbewerbs. Bei der
Beurteilung der Vorlage darf nicht nur die Situation unseres
eigenen Kantons berücksichtigt werden. Nicht nur der Kanton Aargau leidet unter der Arbeitslosigkeit, sondern auch
die andern Kantone. Auch sie buhlen um die Standortgunst.
Das Steuergesetz wird in nächster Zeit in vielen Kantonen
revidiert. Jeder Kanton wird sich in Steuervergünstigungen
versuchen. Eine gesunde Konkurrenz in Ehren - was passiert, wenn jeder Kanton den andern zu überbieten bzw. zu
unterbieten versucht? Wie stehen wir am Ende als Eidgenossenschaft da? Wer muss zuletzt jenen Kantonen helfen, die
wegen Einnahmeausfällen zahlungsunfähig werden? Wir
dürfen nicht vergessen, dass der Bund in naher Zukunft
wegen seiner eigenen Finanzmisere den Kantonen verschiedene neue Belastungen überbinden wird. Dennoch sehen
auch wir ein, dass im Zuge der Steuergesetzrevision gewisse
Belastungsverschiebungen vorgenommen werden müssen.
Der Regierungsrat hat der vorberatenden Kommission einen
Entwurf vorgelegt, der aus Sicht unserer Fraktion in die
richtige Richtung geht: Ertragsneutralität, Entlastung der
niederen Einkommen, Stärkung der Familie und Verbesserungen für die Wirtschaft. Wir erachten den regierungsrätlichen Vorschlag nach wie vor für relativ ausgewogen und
werden daher in den wesentlichen Fragen mehrheitlich den
Regierungsrat unterstützen. Die Beratungen der Kommission haben die Ertragsneutralität leider eliminiert. Es werden
beträchtliche Einahmeneinbussen in Kauf genommen. Wir
wagen uns nicht, an ein derart kräftiges Wirtschaftswachstum zu glauben, das die prognostizierten Einnahmenausfälle
wieder kompensieren könnte. Wir sind davon überzeugt,
dass die Weichen anders gestellt werden müssen und werden
uns in der Detailberatung entsprechend einsetzen.
Es bleibt zu bemerken, dass wir andererseits weitere Sparpotentiale im Kanton erkennen können und dass das Aufgabenwachstum unbedingt gestoppt werden muss. Wir weisen
auch darauf hin, dass wir in unserem Kanton den Rechnungsausgleich nach wie vor nicht erreicht haben. Wir
begrüssen die geplante Entlastung der niederen Einkommen
ausdrücklich und betrachten dies als eine längst überfällige
Massnahme Die deutliche Mehrbelastung der Rentner ist ein
Wermutstropfen, der allerdings wohl geschluckt werden
muss. Die Massnahmen zugunsten der Familien unterstützen
wir ebenfalls mit Nachdruck. Der Kommissionsentscheid
sieht gegenüber dem regierungsrätlichen Vorschlag eine
Reduktion des Kinderabzuges um 2'000 Franken vor. Dies
kann die Mehrheit unserer Fraktion nicht akzeptieren. Die
Limitation des Kinderbetreuungsbezuges hingegen können
wir akzeptieren. Ein Kind soll in erster Linie durch seine
Eltern betreut werden. Das Abgeben eines Kindes in die
Obhut fremder Personen ist die zweitbeste Lösung. Auf der
andern Seite sehen wir, dass es Familien gibt, die auf einen
Zweitverdienst angewiesen sind und die sicher sein möchten, dass ihr Kind in der Zeit, in der beide Elternteile arbeiten, in guter Obhut ist. Verbesserungen für die Wirtschaft
sind unter verschiedenen Titeln zu finden. Auch wir sind
725
10. März 1998
grundsätzlich mit der Stossrichtung einverstanden. Die
Summe der Erleichterungen ist allerdings zu hoch ausgefallen. Wo genau diese Einnahmensausfälle reduziert werden
könnten - darüber sind wir uns in der Fraktion nicht in jedem Punkt einig. Als Schwerpunkte sehen wir die Korrekturen bei den Tarifen sowie das Festhalten an der Erbschaftssteuer. Gerade der Umstand, dass auch wir in unserer Fraktion nicht in jedem Punkt gleicher Meinung sind, zeigt die
Brisanz und die Schwierigkeit der Vorlage. Wir sind uns
aber im klaren darüber, dass die Beratungen im Plenum zu
einer deutlichen Steigerung der Akzeptanz der Gesamtvorlage führen müssen. Erst dann hat die Vorlage vor dem Volk
eine Chance. Wenn wir diese nicht wahrnehmen, dann
stehen wir vor einem Scherbenhaufen. Das darf niemand
wollen, würden doch die Diktate, die uns durch die direkte
Anwendung der Bestimmungen des Steuerharmonisierungsgesetzes gemacht würden, gegenüber anderen Kantonen
offensichtliche Nachteile bescheren, was sich wiederum klar
auch gegen das Aufblühen unserer Wirtschaft richten würde.
Wir sind nun alle gefordert. Jede Seite wird zu Kompromissen - auch zu schmerzlichen - bereit sein müssen. Aus dieser
Erkenntnis heraus sind wir für Eintreten auf die Vorlage und
signalisieren auch Ihnen unsere Kompromissbereitschaft.
Dr. Erich Stieger, Baden: Bei der Behandlung des Regierungsprogramms wurde der Beschluss gefasst: Die Steuerbelastung wird soweit herabgesetzt, als dies für einen Spitzenrang des Kantons bei den steuergünstigen Kantonen erforderlich ist. Wer zu diesem Beschluss steht, und die CVP tut
dies, der muss auch hinter den Kommissionsbeschlüssen
stehen. Die Kommission hat im Vergleich zum Regierungsrat weitergehende Entlastungen vor allem beim Unternehmenssteuerrecht und den Erbschaftssteuern sowie Minderbelastungen beim Grundeigentum beschlossen, die nach dem
sogenannten optimistischen Szenario zu Ausfällen von rund
60 Millionen Franken führen werden.
Die CVP findet die Beschlüsse der Kommission in der
Stossrichtung richtig. Im Zusammenhang mit dem Votum
von Frau Katrin Kuhn möchte ich dazu noch sagen, dass die
CVP-Fraktion in der Lage ist, ihren Weg auch ohne die
Unterstützung von Frau Kuhn zu finden. Wir stehen dazu,
dass die StG-Revision entlastend wirkt. Nicht zufrieden ist
die CVP mit dem Beschluss der Kommission, die Kinderabzüge tiefer als Fr. 8'000.-- festzusetzen. Verbesserungen sind
auch bei den Kinderbetreuungskosten am Platze. Für die
CVP nimmt die Familie einen zentralen Platz ein. Wir treten
für die steuerliche Begünstigung der Familie ein. Die CVP
übersieht nicht, dass die von ihr gewünschten Verbesserungen bei der Familienbesteuerung zu weiteren Entlastungen
über die Kommissionsbeschlüsse hinausführen können. In
diesem Zusammenhang sei erwähnt, dass der CVP ein attraktives Familiensteuerrecht wichtiger ist, als beispielsweise gemäss § 56 des Entwurfes die Anpassung an die Teuerung bereits nach 5 %-iger Erhöhung statt erst nach 7 %
vorzunehmen, wie es der Regierungsrat vorschlägt, oder
gemäss § 54 die Besteuerung des Vermögens noch mehr zu
mildern, als es der Regierungsrat mit seinem Vorschlag tut.
Die CVP behält sich auch vor, in der 2. Lesung in bezug auf
das Ausmass der Entlastungen auf einzelne Beschlüsse der
1. Lesung zurückzukommen. Was das Bemessungssystem
anbelangt, so lautet der Kommissionsvorschlag "Gegenwartsbemessung mit Möglichkeit zu Deklarationsaufschub".
Es ist hier eine Entwicklung im Gange. Der Deklarationsaufschub wäre in der Schweiz ein Unikum und bringt - wie
726
Art. 490
sich jetzt mehr und mehr zeigt - bei den Gemeinden Mehrstatt Minderarbeit. Die CVP-Fraktion wird daher für eine
reine Gegenwartsbesteuerung ohne Deklarationsaufschub
stimmen. Gleichzeitig verlangen wir, dass die Steuerformulare wesentlich vereinfacht werden, dann hat auch der Steuerpflichtige weniger Arbeit.
Der Regierungsrat unterbreitet eine Vorlage, die ertragsneutral ist. Bildlich gesprochen macht der Regierungsrat einen
Salto in der Luft, wirbelt dabei Dutzende von Millionen
umher und steht am Ende am genau gleichen Ort wie am
Anfang. Das ist nach Meinung der CVP eine Steuerumschichtung, keine echte Steuerreform. Die CVP steht zu
einer echten Steuerreform.
Die CVP mag auch der Schwarzmalerei und den Horrorszenarien im Zusammenhang mit Steuerentlastungen nicht zu
folgen. Einerseits wird der von der CVP initiierte Aufgabenverzicht bzw. die zeitliche Erstreckung in der Erfüllung
überbundener Aufgaben zu einer Verminderung der Staatsausgaben führen. Anderseits vertraut die CVP darauf, dass
ein attraktives Steuerrecht, vor allem ein attraktives Unternehmenssteuerrecht, mittelfristig neue Arbeitsplätze und
mehr Steuereinnahmen bringen werden. Die CVP sieht
optimistisch in die Zukunft, nicht pessimistisch und tritt für
Eintreten auf die Vorlage ein.
Dr. Jan Kocher, Baden: Weniger ist mehr - so muss der
Leitstern der Steuerrevision lauten. Die Ziele der FDPFraktion für die Steuergesetzrevision waren im Einklang mit
der Regierungsprogrammkommission die folgenden: 1.
Erleichterungen für die natürlichen Personen, vor allem für
die, die weniger verdienen. Dies im Hinblick auf die vielen
Kosten- und Abgabensteigerungen und auch die Vielfalt der
neu angekündigten Steuern. 2. Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Unternehmer. 3. Förderung der Standortattraktivität des Kantons Aargau. Die Kommissionsarbeit
am regierungsrätlichen Entwurf war wie ein Besuch in
Dantes Fegefeuer. Ich rufe einige Stationen in Erinnerung.
Unter Führung des Engels - sprich Rudolf Rohr - gingen wir
durch das Tor, aber nicht an der Stelle, wo es heisst: "Ihr
Unglücklichen, gebt alle Hoffnung auf", wir sind hier in
einem anderen Departement. Nach einem kurzen Marsch
durch nebelverhangenes Gebiet sahen wir schon ganze
Völkerscharen, die sich im strahlenden Sonnenschein wohlig streckten, nämlich arme und reiche Leute - diejenigen
mit vielen Kindern. Der Herr Finanzdirektor sagte, diese
hätten wegen der vielen Kinder Superabzüge verdient. Bald
kamen wir um einen Felsen herum und uns bot sich ein
fürchterliches Bild: Da waren tief unten, neben den Ledigen,
direkt neben dem Fegefeuer in Ketten gelegt die Grundeigentümer, die vor Qualen schrien. Ihnen wurde der Pelz bei
lebendigem Leibe geheizt. Wir fragten den Herrn Finanzdirektor, warum man diese Leute denn so behandle. Er sagte:
"Denen ist es bis anhin viel zu gut gegangen. Schaut nur in
die andern Kantone." Erschüttert gingen wir weiter. Da
schwebte ein Pulk graue Panther - die Senioren - hernieder
und riefen um Hilfe. Wir wollten sie festhalten, bei 80 %
Steuern, aber uns waren die Hände vom Steuerharmonisierungsgesetz auf den Rücken gebunden. Schmerzerfüllt
mussten wir zusehen, wie sie entschwanden. Nun fertig der
Scherze!
Die Kommission hat die Ordnung in diesem Fegefeuer mit
grosser Anstrengung so korrigiert, dass der Kanton Aargau
bezüglich Unternehmenssteuerrecht in der schweizerischen
Art. 490
Steuerschönheitskonkurrenz auf den vordersten Rängen
anzutreffen sein wird - in Einklang mit den Beschlüssen
zum Regierungsprogramm. Die unteren Einkommen bis
100'000 Franken pro Jahr werden gemäss Anträgen der
Regierung ganz massiv entlastet werden. Davon wird nie
gesprochen. Diese Entlastung beträgt rund 30 – 50 % und
dies bei etwa 60'000 Steuerpflichtigen. Das muss man auch
einmal sagen. Das ist auch gerechtfertigt. Allerdings haben
wir den Finanzdirektor - und das schmerzt uns - in einer
etwas unangenehmen Lage im Fegefeuer mit den jetzt 60
Millionen Franken Ausfällen zurückgelassen. Haben wir zu
viele Ausfälle geplant? Den Kommissionsberatungen lag die
Botschaft mit 3 % pro Jahr zugrunde. Sie haben jetzt grauenerregende Zahlen aufgetischt bekommen. Wir können
natürlich diese Szenarien nicht jetzt diskutieren, wir müssen
jetzt eine Detailberatung dieses Steuergesetzes durchführen.
Wir nehmen diese Bedenken der Gemeinden ernst, aber dies
muss bei der zweiten Lesung, wenn wir einmal eine Auslegeordnung der Grossratsbeschlüsse haben, studiert werden.
Eine Zwischenbemerkung: Ein grosser Präsident der USA
schaffte, als er noch Gouverneur von Kalifornien war, die
Kapitalsteuer ab. Das bedeutete über Nacht 25 % Ertragseinbussen an Steuern. Kalifornien ging nicht unter - ganz im
Gegenteil. Blosses Sparen nützt natürlich hier nichts. Nun
müssen die Aufgabenreform und die Organisationsreform
kommen. Diese können wir nicht in der Detailberatung des
Steuergesetzes führen. Auch das dürfte klar sein. Ein Abbau
ist durchaus möglich. Stellen Sie sich vor, in einer Zeit des
Nullwachstums von 1990 bis heute ist der Staatshaushalt um
einen Drittel, um eine Milliarde Franken gewachsen. Das
kann doch nicht so weitergehen! Die Steuereingänge der
natürlichen Personen sind ebenfalls um 37 % gewachsen,
und dies in einer Zeit des "Nullwachstums". Sagen Sie mir
nicht, wir könnten gewisse Ausfälle nicht verkraften. Die
natürlichen Personen werden seit längerem durch überall
erhöhte Kausalabgaben, Krankenkassenprämien und die
Aussichten auf viele neue Steuern vom Bund geplagt. Die
Unternehmen vermissen in der Globalisierung jegliche
Unterstützung und brauchen Erleichterungen - vor allem bei
Umstrukturierungen. Ihnen geht es im Durchschnitt gar
nicht gut, denn deren Steuererträge sind gleich geblieben.
Somit hat die Kommission bei den juristischen Personen
noch Aufbesserungen gemacht. Natürlich wird dieses Steuergesetz seinen Elchtest noch bestehen müssen. Wir sind
aber zuversichtlich, dass die Ausfälle durch wachsendes
Steuersubstrat wieder ausgeglichen werden. Man muss eine
dynamische Betrachtungsweise pflegen. Die Steuerberatung
wird immer wichtiger. Steuerentlastungen bewirken, dass
die Firmen hier bleiben, dass sich eventuell neue Firmen
ansiedeln, dass Zulieferer Sauerstoff bekommen, dass Arbeitsplätze geschaffen werden und dass die Mitarbeiter
Steuern bezahlen, was wiederum Erträge gibt und somit den
Sozialstaat entlastet. Bei den Kinderabzügen ist die FDPFraktion im Sinne eines Kompromisses bereit, die Zahl
Fr. 6'000.--, sowie den Ausbildungsabzug bis Fr. 8'000.-- für
über 16-Jährige zu akzeptieren. Damit ist der Kanton Aargau schweizerisch gesehen mit dem Tessin zusammen an
der Spitze. Der generelle Sprung auf Fr. 8'000.-- scheint uns
aber doch etwas übertrieben. Wenn Sie das Balkendiagramm
studieren, dann sehen Sie, dass die tieferen Einkommen in
der Besteuerung nun bei 10 % des schweizerischen Durchschnittes liegen. Ich weiss nicht, ob das vor Bundesgericht
standhält. Ich glaube nicht, dass wir so tief gehen müssen,
aber das ist keine Kernfrage des Steuergesetzes. Bei den
10. März 1998
Grundeigentümern - etwas die Prügelknaben vom Dienst gedachte die Regierung einiges hereinzuholen. Die Regelung der Besteuerung des Grundeigentums gemäss Kommissionsbeschlüssen gefällt uns besser. Immerhin bewohnen
44 % der aargauischen Hausbesitzer ihr Eigenheim und die
meisten haben ihr Leben lang dafür gespart. Es ist immer
eine schwierige Aufgabe, den vielen pensionierten Senioren
in ihrem abbezahlten Haus erklären zu müssen, wieso sie
immer steigende Eigenmietwerte als Einkommen versteuern
müssen, das sie gar nicht haben. Die Milderung der Erbschaftssteuern waren aus Rücksicht auf den Standort angezeigt - auch wenn eine andere Auffassung mit guten Gründen vertreten werden kann. Die Zürcher BeliebigkeitsWochen-Gazetten schreiben laufend, wo es günstiger und
schöner ist und welche Umgehungsgeschäfte man machen
kann. Die Hälfte der Kantone hat ja bereits in diesem Sinne
entschieden.
Der Wechsel zur einjährigen Gegenwartsbemessung ist
fraglos ein richtiger Schritt. Auch die Übergangsregelung
erscheint uns richtig. Etwas heikel ist die Kompetenzdelegation an den Grossen Rat zum Umschwenken auf die alljährliche Deklaration. Für uns ist hier entscheidend, dass die
Steuererklärung vereinfacht wird. Der Kommission sollte
das Formular daher in der zweiten Lesung vorliegen. Das
wird im Abstimmungskampf sicherlich eine Kernfrage
werden. Das Ergebnis ist unserer Meinung ein gutes Gesetz
mit Tarifreduktionen für die meisten Steuerpflichtigen, mit
ganz massiven Entlastungen für diejenigen auf der Schattenseite des Lebens. Das Gesetz wird den Kanton Aargau bezüglich Unternehmensbesteuerung in die Spitzenränge der
Schweiz bringen. Wir sind der Auffassung, dass diese Vorteile dem Kanton mittelfristig mehr Steuersubstrat und Geld
bringen, als wenn wir sorgsam eine sogenannte ertragsneutrale und mittelmässige Lösung suchen. Die beste Politik ist
ein steuergünstiges Klima, mittelgünstig genügt nicht, denn
das führt zu Abwanderung und Auslagerung von Steuersubstrat. Wir beantragen Ihnen Eintreten, Gutheissung der
Kommissionsanträge mit geringfügigen Ausnahmen sowie
dass die Regierung die künftigen Steuerformulare für die
Kommissionssitzungen vor der zweiten Lesung vorlegen
möge.
Ernst Frey, Kaiseraugst: Ich bin nicht so 'Fegefeuergewandt' wie Herr Kocher. Ich verzichte daher auf alttestamentarische Redewendungen. Die Steuergesetzrevision, die
wir heute in Angriff nehmen, ist ein Geschäft, das die Grenzen des Milizparlamentes erreicht, wenn nicht sogar überschreitet. Ich gebe das ehrlich und offen zu, auch mir als
Kommissionsmitglied wurde bei den Kommissionsberatungen manchmal die Limite aufgezeigt. Für eine Fraktion wird
es noch schwieriger, all diese Zusammenhänge verstehen,
gewichten und würdigen zu können. Ganz schwierig wird
es, wenn man mit dem bereinigten Gesetz in die Volksabstimmung gehen muss, denn der einzelne Stimmbürger bzw.
die Stimmbürgerin wird vermutlich hoffnungslos überfordert sein. Darum ist es um so wichtiger, eine Vorlage zu
erarbeiten, die wir mit gutem Gewissen und ohne Vertrauensmissbrauch dem Stimmvolk zum Befinden vorlegen
können. Unsere Fraktion war auch in den geschilderten
Sachzwängen. Wir mussten auf die übliche Detailberatung
verzichten. Es war unmöglich, etwas in wenigen Stunden zu
diskutieren, wofür die Kommission über 33 Sitzungen gebraucht hat. Unsere Fraktion hat trotzdem eine klare Haltung
mit scharfen Konturen.
727
10. März 1998
Ich möchte Ihnen unsere Linie in einigen Punkten darlegen.
Bei einer derartigen Totalrevision stellen sich grundsätzliche
Fragen wie: Wohin wollen wir denn mit einer derartigen
Revisionsarbeit? Wieviel Steuern gehören denn überhaupt
der öffentlichen Hand? Wo liegt die Steuergerechtigkeit?
Unsere klare Haltung ist, dass wir im interkantonalen Vergleich bei der Steuerbelastung sowohl für die juristischen als
auch für die natürlichen Personen zukünftig einen Spitzenplatz erreichen wollen. Das unter Ausnutzung des Spielraumes, den uns das StHG gewährt. Das Ergebnis der Kommissionsarbeit deckt sich weitgehend mit diesen Zielen. Im
Gegensatz zur Regierung, die diese Revision unter die Prämisse 'ertragsneutral' gestellt hat, betonten wir immer wieder, dass dies für uns kein finanzpolitisches Axiom ist. Für
die erste Lesung werden uns nun in einem optimistischen
Szenario Steuerausfälle von ca. 60 Millionen Franken für
den Kanton und ca. 30 Millionen Franken für die Gemeinden prognostiziert. Wir verstehen, dass sich der Herr Finanzdirektor mit Händen und Füssen dagegen wehrt. Wir
von der SVP-Fraktion erachten dieses Ergebnis aber für die
erste Lesung vorläufig als tragbar. Wir sind uns aber voll
bewusst, dass es möglich sein sollte, derartige Ausfälle
aufzufangen. Das kann nur über Aufgabenverzicht funktionieren. Dies in der Kommission auch noch zu erarbeiten,
Frau Kuhn, das ist schlicht ein Ding der Unmöglichkeit. Da
müssten wir schon eine professionelle vorberatende Kommission einführen. Wir bieten aber Hand zu diesen Aufgabenverzichten - auch wenn sie unter Umständen schmerzlich
werden.
Für das Rundschreiben vom Vorsteher der Gemeindeammänner-Vereinigung haben wir weniger Verständnis. Die
Briefverfasser wählten zu schrille Horrortöne. Ich weise
auch die Bemerkung von Herrn Urs Hofmann strikt zurück,
der uns heute weismachen wollte, dass die Kommission ein
Ergebnis vorlege, das bar jeder Verantwortung sei. Das
Wort 'Steuergerechtigkeit' wurde in letzter Zeit arg strapaziert. Eine absolute Gerechtigkeit wird es wohl nie geben.
Wer auch immer durch die Steuerobrigkeit betroffen ist,
wird die Akzente anders setzen. Nach politischem Credo
liegen die Ansichten darüber diametral auseinander. Die
SVP-Fraktion behauptet nicht, sie hätte die Steuergerechtigkeit für sich gepachtet. Wir sind aber klar der Meinung, dass
die Schwerpunkte im regierungsrätlichen Entwurf nicht
überall gesetzt wurden, wie wir es wollen. Eine Mehrheit
der SVP-Fraktion unterstützt daher die von der Kommission
beantragten Änderungen.
Art. 490
wollen wir eine Begrenzung von höchstens 6'000 Franken.
Die Lösung aus dem DBG wäre uns aber noch lieber. Gestatten Sie mir ein paar Nebenbemerkungen: Wenn man die
Tages- und die Sonntagspresse der letzten Wochen verfolgte, so wird zur Zeit offenbar ein neues Sozialthema aufgebaut, das uns vermutlich für einige Jahre Zündstoff liefern
wird, unterstützt auch durch Bundesämter, die mit theoretischen Berechnungen kommen, die nur Kopfschütteln auslösen können. Wir von der SVP-Fraktion wehren uns gegen
die neue Anspruchsmentalität, in der man die Familienpolitik zur reinen Kinderpolitik machen will und diese nur noch
auf die finanziellen Belastungen, die Kinder verursachen,
reduziert. Wenn ich die aktuellen Diskussionen und Forderungen verfolge (Stichwort: Kinderkosten von 800'000
Franken innert 20 Jahren oder neue Forderungen nach Kinderrenten von 1'000 Franken pro Monat), dann kommt mir
ein hässlicher Gedanke. Ich frage mich dann, wie lange es
dauert, bis man den Shareholder-Value auf der Familie
einführt bzw. wie lange dauert es, bis die Kinder in der
Familie letztendlich rentieren müssen? Es ist interessant,
dass diese Forderungen nach den neuen Giesskannensystemen aus Kreisen kommen, die sonst nicht müde werden, für
andere politische Bereiche die Kostenwahrheit und Verursacherfinanzierung zu verlangen. Mit 6'000 Franken Kinderabzug stellen wir im interkantonalen Vergleich noch
immer die oberste Spitze dar. Daher lehnen wir höhere
Beträge ab.
Zur Erbschaftssteuer: Für uns ist es ein Herzstück. Wir
sehen nicht ein, wieso der Fiskus bei Vermögenswerten, die
via Einkommens- Vermögens- und Vermögensertragsbesteuerung schon mehrfach Steuersubstrat abgeliefert haben,
beim Erbgang innerhalb der Familie nochmals zum finanziellen Handkuss kommen soll. Das ist doch Teil von Familienpolitik, dass das Vermögen, das innerhalb der Familie
vorhanden ist, beim Erbgang an die direkten Nachkommen
weitergegeben werden kann.
Ich bringe nun ein paar Schwerpunkte aus unserer Sicht an:
Zur wirtschaftspolitischen Dimension: Wir setzen uns für
die Standortattraktivität des Kantons Aargau für juristische
Personen ein. Wir unterstützen daher die Entlastungen bei
der Unternehmensbesteuerung in Ertragssteuer und die
Entlastungen bei der Kapitalsteuer für HoldingGesellschaften. Dazu gehört auch die neue Möglichkeit der
Rückstellungen für Forschung und Entwicklung. Damit
belohnt man innovative Firmen. Mit der Kommissionsversion werden aber auch die KMU entlastet.
Noch ein paar Worte zur Eigentumbesteuerung: Wir stehen
seit Jahren für das Eigentum ein, sei dies beim Wohn- oder
beim Grundeigentum. Im Gegensatz zu anderen Gruppierungen erachten wir den Besitz als nichts Verwerfliches und
auch nicht als ungerecht. Mit dem Regierungsentwurf war
ein Grossangriff geplant, vor allem auf das Grundeigentum.
Wir wehren uns gegenüber den Vorwürfen, die Kommission
habe das Grundeigentum massiv entlastet. Was wir getan
haben, war zurückzugehen zu den alten Regelungen. Wir
haben nicht zusätzlich entlastet, sondern eher im Gegenteil
etwas mehr belastet. Wir haben aber keine weiteren Entlastungen für das Grundeigentum eingeführt. Zum Wohneigentum wiederhole ich unsere früheren Einsätze zu Gunsten von
vernünftigen Eigenmietwerten. Nachdem uns die aufoktroyierten Eigenmietwerte von 60 % immer zu hoch waren,
erachten wir es als Konsequenz, wenn wir nun auf eine
andere Art und Weise bei einer Entlastung der DumontRegeln das Wohneigentum noch ein wenig mehr entlastet
haben. - (Vorsitzender: Ich bitte Herrn Frey zum Schluss zu
kommen, seine Redezeit ist bereits abgelaufen!) -
Zu den natürlichen Personen: Bei den Tarifänderungen
gehen wir mit dem Regierungsrat einig und unterstützen
dieses Vorhaben. Dies entlastet die untersten Einkommen
massiv. Der Regierungsrat hat aber sowohl im Kinderbetreuungsabzug wie auch bei den Kinderabzügen selbst überbordet. Für uns kommt ein Betreuungsabzug nur dann in
Frage, wenn er nach oben limitiert wird. Beim Kinderabzug
Unsere Fraktion steht ziemlich geschlossen zum vorliegenden Komissionsentwurf. Wir werden aus jetziger Sicht keine
anderen Anträge stellen und alle Kommissionsanträge unterstützen. Wir werden uns in der laufenden Debatte auch sehr
zurückhaltend zu Wort melden und hoffen, dadurch zur
Ratseffizienz beitragen. Die SVP-Fraktion ist geschlossen
für Eintreten auf das revidierte Steuergesetz.
728
Art. 490
Urs Hümbeli, Hägglingen: Meine Vorrednerinnen und
Vorredner haben das Steuergesetz nach ihren Interessenvertretungen buchstäblich zerlegt. Jede Partei ist bereit, die
Steuern zu senken. Ich erlaube mir daher die einzelnen
Richtungen mit der unsrigen zu vergleichen. Aus der Sicht
der Schweizer Demokraten könnte man mit einem mutigen
Schritt - aber was heisst schon "mutig" in der Schweiz? - die
heutigen Probleme im Steuerwesen zur vollsten Zufriedenheit aller Beteiligten lösen. Das Wundermittel wäre doch die
Quellensteuer, denn das Steueramt hätte faktisch keine
Betreibungen mehr, der Bürger wüsste, was zu seiner freien
Verfügung stünde, die Arbeit wäre im Computerzeitalter
verkraftbar, da heute schon AHV, Pensionskasse und Arbeitslosengeld direkt am Lohn abgezogen werden. Die
Gelder, die heute für Betreibungen usw. aufgewendet werden müssen, verteilt man auf die Firmen, auch die durch den
Systemwechsel anfallenden Mehraufwendungen an Personalkosten, die jede Gemeinde wie das Steueramt beim vorliegenden Steuergesetz haben, könnte man einsparen. Dies
insbesondere, da der Steuerzahler auch für diese Mehrkosten
wieder aufkommen muss. Wir sind aber Realisten und glauben nicht an Wunder. Die Schweizer Demokraten sind auch
für die Abschaffung der Erbschaftssteuer. Wenn ich aber die
FDP-Fraktion höre, dass sie der AHV-Generation mitteilt,
sie müsste nun die Rentengelder zu 100 % versteuern, dafür entlasten wir dann Eure Nachkommen bei der Erbschaftssteuer -, dann finden wir das schon etwas makaber.
Wer von uns wartet denn gerne auf eine Steuerentlastung bis
nach seinem Ableben? Die SP-Fraktion erhebt den Anspruch, sie sei der einzige Garant für eine gerechte Steuerbelastung. Aber ausgerechnet jene Partei mit dem heute krass
angeschlagenen Frauenpower bringt es nicht fertig, alle
Frauen im neuen Steuergesetz gleichwertig zu begünstigen.
Die Schweizer Demokraten werden versuchen, diese Kluft
zu schliessen (Heiterkeit) -, indem wir auch jene Mütter am
Kuchen beteiligen werden, die für den Nachwuchs nicht nur
am Abend zur Verfügung stehen. Die SVP-Fraktion setzt
sich für Klein- und Mittelbetriebe ein, um Arbeitsplätze zu
schaffen und zu erhalten. Das ist ein Anliegen, das auch die
Schweizer Demokraten durchaus vertreten und das uns am
Herzen liegt. Doch wenn man ab und zu die Gelegenheit hat
an Veranstaltungen eben jener Gilde teilzunehmen, so muss
man mit Bedauern feststellen, dass hinter den Kulissen des
öfteren ein starker Wind, wenn nicht sogar eine Brise Richtung Börse weht. Dort lockt das schnelle und erst noch
steuerfrei verdiente Geld.
Die CVP-Fraktion setzt sich für die Hausbesitzer ein. Die
Schweizer Demokraten sind mit euch einig. Aus unserer
Sicht ist das Eigentum konsequent gegen den Staat zu verteidigen. Doch im Gegensatz zur CVP-Fraktion unterteilen
die Schweizer Demokraten die Eigentümer nicht in zwei
Kategorien von Bürgern. Bei den Christlichen sind die
Arbeiter, die Unternehmer und die Rentner auf der steuerintensiven Seite angesiedelt, müssen doch all jene ein vermietetes Zimmer unabhängig davon, an wen sie es abgeben,
zum üblichen Eigenmiettarif versteuern. Nicht so die Bauern. Diese dürfen ein Extrazüglein fahren. Die Schweizer
Demokraten möchten damit keiner Partei etwas anlasten.
Unserer Meinung nach war es aber wichtig, Ihnen diese
Problematik vor der Steuerdebatte vor Augen zu führen. Vor
dem Fiskus ist jede Person von den Anwesenden gleich zu
behandeln, das wird wohl niemand bestreiten. Eine Zielgruppe wohl etwas gleicher als andere und daher sind die
Schweizer Demokraten mit einer AHV-Besteuerung zu
10. März 1998
100 % nicht einverstanden. Ein beträchtlicher Teil jener
Generation ist weiss Gott nicht auf Rosen gebettet. Die
Besserbemittelten sind eine nicht zu unterschätzende Grösse
im Konsumbereich. Somit sichern sie Arbeitsplätze.
Wir haben in dieser Kommission oft Wege gefunden, die
das StHg grosszügig umschifften. Man wurde zum Teil gut
informiert, wie das möglich wäre. Ein Versuch auch in
diesem Bereich könnte nicht schaden, denn die alten Leute
gehen auch noch an die Urne.
Noch zwei Sätze an die EVP, die Grünen, die FP, die EDU
und den LdU: Wir haben selten die Möglichkeit, ein Geschäft in diesem Rat so zu beeinflussen, wie diese Steuerdebatte. In der Kommission sind die wichtigsten Entscheidungen grossmehrheitlich, zum Teil mit hauchdünnen Mehrheiten entstanden. Nutzen wir die Gunst der Stunde möglichst
zum Wohle des Aargauer Steuervolkes. Es kann ja durchaus
sein, dass Regierungsparteien ausnahmsweise bei uns anklopfen und froh sind, wenn wir ihre Anträge unterstützen.
Wir sind auch für Eintreten.
Kurt Rüegger, Rothrist: Die Fraktion der FP/EDU ist für
Eintreten auf die Vorlage. Grundsätzlich werden wir der
Fassung, wie sie aus den Kommissionsverhandlungen hervorgegangen ist, zustimmen. Es ist unseres Erachtens von
eminenter Bedeutung, unserem Kanton mit der vorliegenden
Gesetzesrevision einen Spitzenplatz im interkantonalen
Vergleich bezüglich der Steuerbelastung für natürliche und
juristische Personen zu sichern. Wir behalten uns allerdings
vor, in der Detailberatung bei verschiedenen Paragraphen
allenfalls abweichende Anträge zu stellen. Ich bitte Sie, auf
die Vorlage einzutreten.
Vorsitzender: Wir kommen zu den Einzelvotantinnen und
-votanten. Ich erinnere Sie an die beschlossene Redezeitbeschränkung von 5 Minuten.
Dr. Marcel Guignard, Aarau: Seit etwa 10 Tagen wissen
wir, wie sich die Steuergesetzrevision in der Kommissionsfassung auf Kanton und Gemeinden auswirkt. Im Vorstand
der Gemeindeammännervereinigung des Kantons, - die
übrigens zur Mehrheit nicht aus Stadtammännern besteht -,
haben wir die Vorlage diskutiert. Ich ergreife hier nun als
Präsident dieser Vereinigung das Wort. Aus dem seinerzeitigen quasi ertragsneutralen Regierungsvorschlag wurde
mitunter ein Vorschlag, der für Kanton und Gemeinden auf
einen Schlag per Saldo erhebliche Ausfälle bringen wird.
Diese haben uns aufgeschreckt. Sie kennen die Zahlen aus
der Vorlage: 115 Millionen Franken für die Gemeinden im
Jahr 2001, in den Folgejahren 75 Millionen Franken, beim
Kanton 150 Millionen Franken im Jahr 2001 und 110 Millionen Franken in den Jahren darauf. Was uns auf diesen
Zeitpunkt auch trifft, das sind die Auswirkungen des Ausgleichs der kalten Progression, 70 Millionen Franken beim
Kanton, 62 Millionen Franken bei den Gemeinden. Das
führt zu diesen an sich erschreckenden Beträgen für den
Kanton im Jahr 2001 220 Millionen Franken, in den Jahren
danach 180 Millionen Franken, und für die Gemeinden im
Jahre 2001 177 Millionen Franken, in den Folgejahren 137
Millionen Franken. Diesen Berechnungen wurde ein Szenario zugrunde gelegt, das als realistisch bezeichnet wurde.
Man müsste fast sagen, dass es sich dabei um ein optimistisches Szenario handelt, wenn man das Wachstum des
Volkseinkommens der letzten drei Jahre betrachtet. 1995
waren es 1,7 %; 1996 waren es 0,25 % und 1997 waren es
1 % - je nominal. Das neue Gesetz - das ist entscheidend 729
10. März 1998
hält überdies fest, dass der Staatssteuerfuss 100 % nicht
überschreiten darf. Somit könnte der Staat lediglich 30
Millionen Franken durch eine Anhebung des ordentlichen
Steuerfusses kompensieren. Bei gleichbleibendem Aufgabenkatalog würden dem Kanton im Jahre 2001 rund 190
Millionen Franken und in den Folgejahren rund 150 Millionen Franken fehlen. Sie können sich ausrechnen, wie das
aufgeht: Neuverschuldung oder aber Mehrbelastung der
Gemeinden wären die Folgen - beides sind Konsequenzen,
die wohl niemand will. Die Kompensation der Mindereinnahmen bei den Gemeinden durch Steuern führt je nach
Struktur der Steuerpflichtigen in den Gemeinden zu Steuerfusserhöhungen bis gegen 20 %; ich rufe alle Gemeindeammänner auf, das einmal durchrechnen zu lassen! Die betragsmässig noch nicht absehbaren Verlagerungen, die der
Kanton wohl noch anstreben würde, sind damit noch gar
nicht abgedeckt. Wir haben in Aarau die jüngsten Veranlagungszahlen für die Einkommens- und Vermögenssteuer mit
dem neuen Tarif gemäss Entwurf durchgerechnet. Die Einbussen betragen im Jahre 2001 gute 8 Steuerprozent, die
Ausfälle der übrigen Steuern (Erbschaftssteuer, Schenkungssteuer, Grundstücksgewinnsteuer) machen schätzungsweise 4 % aus, zusammen ergibt das also rund 12 %.
Dass wir in Aarau nicht gegen 20 % kommen, hängt mit der
sehr günstigen Einkommens- und Vermögensstruktur unserer Steuerpflichtigen zusammen. 50 % des Steuerertrages
wird in Aarau von 10 % der Steuerpflichtigen erbracht.
Unser Steueraufkommen pro Kopf beläuft sich auf Fr.
2'700.--, vergleichsweise in Wohlen Fr. 1'700.--. In Wohlen,
wo man ähnliche Hochrechnungen gemacht hat, führen
daher die Ausfälle zu viel höheren Prozentzahlen, nämlich
zu 16,5 %. Die Ausfälle mit der Revision haben nun eine
Grössenordnung erreicht, die mit eigentlichen Kostenoptimierungen allein, wie das bei früheren Sanierungspaketen
durchaus der Fall war, - da haben die Gemeinden ja auch
immer mitgemacht -, so nicht mehr kompensiert werden
können, ohne dass die Erledigung der bestehenden Aufgaben einen entscheidenden Schaden erleiden. Auch die Hoffnung, die tiefen Staatssteuern zögen zur Kompensation
Heerscharen von neuen, potenten Steuerzahlern in den
Kanton, die eine wahre Dynamik auslösten und das Wirtschaftswachstum enorm steigerten, zum Beispiel auf die
nötigen 4-6 %, ist sehr optimistisch, wenn nicht illusorisch.
Wir sind der Meinung, dass die Steuerreform in der vorliegenden Form mit einer Aufgabenreform flankiert werden
muss. Es fragt sich aus der Sicht der Gemeinden, ob man
dem Steuergesetz in der ersten Lesung in der Hoffnung
zustimmen soll, dass die Aufgabenreform bis zur zweiten
Lesung auf dem Tisch liege. Vielen fehlt der Glaube, dass
dies möglich sei. Wer also aus Sicht der Gemeinden die
Katze nicht im Sack kaufen will, wird im wesentlichen den
Regierungsvorschlägen zustimmen müssen. Wer darauf
vertrauen will, dass die Zeit bis zur zweiten Lesung genutzt
wird, um eine konkrete Aufgabenreform im Sinne des Verzichts zu schnüren und zu beschliessen, der wird den Kommissionsanträgen günstiger gestimmt sein.
Martin Bossard, Kölliken: Ich würde gerne nochmals erläutern, weshalb die Grünen dieses Geschäft zurückweisen
wollen. Wir haben ein paar eigenartige Gedankengänge
gehört, die zum Teil an Orwell erinnern "Weniger ist Mehr"
(Zweidenk) oder "Eine Reform kann nur Reform genannt
werden, wenn alle profitieren, eine Umverteilung der Lasten
ist keine Reform". Für uns stimmt das überhaupt nicht. Einer
der drei Hauptpunkte, die wir in der Grünen Fraktion ange730
Art. 490
schaut haben, war die Lastenumverteilung, denn jemand
muss ja das Ganze bezahlen. Die ökologischen Verbesserungen, die Frau Kuhn ausführte, die hier gar nicht vorkommen, nicht weil wir das nicht möchten im Kanton,
sondern weil uns das Rahmengesetz keinen Spielraum lässt.
Der dritte Punkt, der uns wichtig war ist, dass wir eine Ertragsneutralität brauchen, also nicht weniger Einnahmen mit
heute verglichen. Punkt a, die Lastenumverteilung und die
Vereinfachung, möchte ich noch etwas genauer ausführen.
Es wurde versucht, die Familien und die kleinen Einkommen zu entlasten, indem die Kinderabzüge hinaufgesetzt
wurden. Die Kommission hat sie wieder hinuntergesetzt das ist unverzeihlich. Dort, bei der Umverteilung, muss der
Hebel angesetzt werden. Bei der Grundstücksgewinnsteuer
hat sich gezeigt, dass wir keine Phantasie haben, denn da
wäre es gut möglich, diese progressiv zu besteuern, so wie
dies der Kanton Zürich macht: Kleine Grundstücke gering
und grosse vermehrt besteuern - das ist möglich und wird in
andern Kantonen realisiert. Es liegt auch kein Vorschlag auf
dem Tisch, wie man die Erbschaftssteuer progressiver gestalten könnte oder wie man alle diese Kategorien bis zu
einem gewissen Punkt entlasten könnte - beispielsweise mit
einem Freibetrag von einer halben Million Franken. Wir
machten eine Umverteilung, auch wenn das der Fraktionssprecher der CVP-Fraktion nicht mehr als Reform betrachtet. Die juristischen Personen zahlen nämlich in Zukunft
weniger und die natürlichen sollen mehr bezahlen. Insgesamt sind wir mit den Einnahmen heruntergegangen, obwohl
wir wissen, dass wir die kalte Progression ausgleichen müssen, dass im öffentlichen Verkehr, in der Bildung und bei
der Sanierung riesige zweistellige Millionenbeträge mehr
auf uns zukommen als dies heute der Fall ist. Das kann doch
nicht wahr sein, dass man einfach streicht, alles auf sich
zukommen lässt und nicht weiss, wie man all das später
finanzieren soll. Aus diesen drei Gründen bitte ich Sie, nicht
einzutreten oder ansonsten, die Vorschläge zu berücksichtigen, die wir Ihnen in der Detailberatung machen werden.
Diese werden insbesondere die progressive Erbschaftssteuer
mit Freibetrag und die progressive Ausgestaltung der
Grundstücksgewinnsteuer betreffen.
Katharina Kerr Rüesch, Aarau: Das Unrecht hat viele Gesichter. In einer Gesellschaft, die wie die unsere zwar vergleichsweise gut gebettet ist, die aber von den Rändern her
langsam mit dem Abbau von Leistungen für die finanziell
nicht Potenten aufgerollt wird, scheint es schwierig, im
Zusammenhang mit den Steuern von Unrecht zu sprechen.
Scheinbar kann man es sich leisten, viel weniger Steuern
von den Wohlhabenden zu nehmen. Ja, das Ganze wird als
Wettbewerbstrumpf verkauft, der dem ganzen Kanton dann
nützen und wirtschaftliche Vorteile bescheren soll. Lasst
Euch nicht verführen! Es stimmt so nicht, dass alle profitieren. 62 Milliarden Franken sind die hundert reichsten
Schweizer im Jahr 1997 reicher geworden. Sie alle persönlich und aus Wirtschaftseinkünften. Mit diesem Geld, so hält
die Zeitschrift 'Bilanz' fest, könnte man jeder kinderreichen
Familie in der Schweiz 1,3 Millionen Franken schenken,
oder man könnte die Grösse aller Schulklassen halbieren.
Man könnte - man kann nicht, denn das Geld verschwindet
im Eigennutz und der Gemeinnutz soll beschnitten werden.
Wir befassen uns im Kanton Aargau nicht nur mit einem
Steuergesetz, sondern gleichzeitig und konsequenterweise
auch mit Sparpaketen. Das erste, eine kosmetisch in Korrekturbudget umgetaufte Vorlage, hat am letzten Freitag die
Staatsrechnungskommission passiert. Das zweite happige
Art. 490
Paket soll vom Regierungsrat noch in diesem Frühjahr zu
Handen des Grossen Rates verabschiedet werden. Es wird und nicht nur im Bezirk Zofingen - zu Gärungen führen.
Oben schenken - unten drücken - das hat im Kanton Aargau
Tradition. Das sehen wir, wenn wir die schönen und noch
druckfrischen Geschichtswerke zur Helvetik studieren. Wir
sehen dort, dass zum Beispiel aus dem von der Landbevölkerung gewaltsam eingetriebenen Zehnten 1802 sogar ein
Surbthaler Bürgerkrieg oder 'Saubannerzug' frustrierter
Bürger entstand. Auch damals profitierten die Wohlhabenden und das Volk wurde verführt. Die SP-Fraktion ist nicht
bereit, bei Sparpaketen irgendwelcher Art mitzumachen, sei
dies im Grossen Rat oder bei einer Volksabstimmung, die
vor dem Hintergrund von unmässigen Steuerpräsenten
erzwungen wurde. Die grosse Mehrheit des Volkes wird
nämlich wegen dieses scheinbaren Steuersparens grössere
Lasten zu tragen haben. Im Klartext gilt für die Mehrheit:
"Wer weniger zahlt, zahlt mehr", denn 1998 100 Millionen
Franken zu sparen, das liegt nicht mehr im Bereich einer
Budgetunschärfe, die klaglos abgestrichen werden könnte.
Die bisher nur vereinzelt vernommenen spitzen Schreie aus
den Regionen, werden zu einem mächtigen Geheul werden,
sollten Sie mit der Unterstützung der unmässigen Kommissionsanträge heute durchdringen und das nächste Mal, welche zur Konsequenz noch drastischere Sparmassnahmen
bringen werden, als regionale Schulschliessungen. Sie tragen die Verantwortung und wir begehren nicht, daran
Schuld zu tragen. Wie man sich bettet, so liegt man und
bekanntlich deckt einen da keiner zu. Das müssen heute vor
allem die Damen und Herren Regionsvertreter und
-vertreterinnen bedenken, wenn sie via Steuergesetz eventuell über die Streichung ihrer Infrastrukturen mitbefinden.
Wir werden es ihnen gesagt haben.
Hans Ulrich Fehlmann, Oberbözberg: Mit dem von Herrn
Dr. Guignard vorhin erwähnten Kommuniqué der Gemeindeammänner waren nicht alle gleicher Meinung. Es ist
richtig, darüber zu diskutieren, ob zuerst Aufgaben- oder
Steuerreformen kommen sollen. Was war zuerst, das Huhn
oder das Ei? Ich selbst gebe sehr wenig auf hochgerechnete
Zahlen. Es heisst, das Sparpotential sei ausgeschöpft, die
Gemeinden hätten keine Luft mehr. Das ist richtig, wir
müssen mit diesen Dingen schon seit langem haushälterisch
umgehen. Aber ich glaube der Verwaltung auch diesbezüglich nicht mehr alles. Ich hörte an der letzten Gemeindeammännersitzung in Bremgarten ein Beispiel. Für den Casinosaal Bremgarten waren einst 18 Millionen Franken vorgesehen. Nun hat man ihn für nicht ganz 3 Millionen Franken
renoviert. Die Lebensqualität in Bremgarten hat darunter
nicht wesentlich gelitten. Ein Saalbau ist eine schöne Sache,
aber man muss ihn bezahlen können. Bezüglich der Verwaltungs- und Schulbauten muss man sagen, dass die Qualität
nicht mit den Bauten steht und fällt. In meiner Gemeinde
entsteht gegenwärtig ein Schulhaus, das wir auch aus Platzgründen sparsam bauen - wir wollen aber auch keine Marmorböden einbauen. Dasselbe gilt auch für die Verwaltung:
Es ist viel wichtiger, dass hinter dem Schalter eine freundliche Person steht, als dass der Schalter entsprechend
schmuck ist. Es könnte sein, dass man schmutzige Schuhe
bekommt, wenn man spazieren geht. Die Frage ist dann, ob
man den Leuten schlussendlich die Schuhe putzen muss.
Hier drin wurde viel über die kommunale Zusammenarbeit
gesprochen. Warum glauben Sie, hat man im unteren Aaretal einen Abwasserverband zusammengestellt, wo nun acht
Gemeinden eine Anlage einleiten? Wir haben 30 Millionen
10. März 1998
Franken dort hineingesteckt, - nicht weil wir uns so sehr
mögen, sondern aus finanziellen Gründen. Wenn wir in der
Sache kommunale Zusammenarbeit weiterkommen wollen,
dann geht dies nur unter einem gewissen Kostendruck. Was
macht ein Kaufmann, der ein Produkt nicht an den Mann
bringt? Er senkt den Preis dieses Produktes. Wir müssen den
Preis des Kantons Aargau auch angemessen senken. Nur auf
diese Art ziehen wir neue Kunden an, können die bisherigen
halten und vergrämen auch die älteren nicht, so dass diese in
Nachbarkantone abwandern. Ich höre andauernd von Angstgefühlen in diesem Saal. Seien Sie doch etwas mutiger! Ich
bin für Eintreten auf dieses Gesetz.
Ursula Padrutt-Ernst, Buchs: Ich möchte einige grundsätzliche Dinge zur Grundstücksgewinnsteuer vortragen. Wir als
Vertreterinnen und Vertreter aller Parteien in diesem Saal
verfügen oft nicht über sehr viele Gemeinsamkeiten und
doch haben wir heute etwas gemeinsam. Fast alle von Ihnen
verfügen entweder über eigenes oder angeheiratetes Grundeigentum. Damit stehen wir im Gegensatz zur grossen
Mehrheit des Volkes. Die Mieterinnen und Mieter sind im
Volk den Eigentümerinnen und Eigentümern zahlenmässig
weit überlegen. Wir sind somit als Repräsentanten des Volkes in der Frage des Grundeigentums nicht repräsentativ.
Dies verpflichtet uns dazu, nicht unsere ureigenen Interessen
als Grundeigentümer wahrzunehmen, sondern die übergeordneten Interessen des Volkes und damit auch des Staates.
Unser Parlament kann die Frage der steuerlichen Behandlung des Grundeigentums entscheiden, auch wenn die meisten von uns ein eigenes finanzielles Interesse am Ausgang
der entsprechenden Abstimmung haben. Wären die früher
äusserst streng interpretierten Ausstandsregeln hier zur
Anwendung gelangt, hätten sich Eigentümerinnen und Eigentümer in den Ausstand begeben müssen und den Entscheid, wie das Grundeigentum zu besteuern ist, den wenigen Mieterinnen und Mietern hier im Saal überlassen müssen, hätte nicht das Bundesgericht die Ausstandsregeln vor
kurzem als nicht verfassungsmässig qualifiziert. Es ist also
rechtlich zulässig, dass wir in eigener Sache entscheiden moralisch sind aber die Ansprüche an unsere Entscheidungen um so höher. Nicht der eigene Nutzen, sondern eine
Sicht im Sinne des Volkes ist angezeigt. Es ist also nicht der
richtige Weg, die Grundeigentümer weiter zu entlasten, wie
Sie dies teilweise beabsichtigen. Ich verweise auf die Festsetzung der Obergrenze beim Eigenmietwert. Auf die geplante Erhöhung der Pauschalabzüge und auf die Entschärfung der Grundstücksgewinnsteuern in den ersten dreissig
bis siebzig Jahren.
Margrit Kuhn, Wohlen: Es ist mir ein Anliegen, aus Frauensicht Stellung zum Steuergesetz zu nehmen. Aus gleichstellungspolitischer Sicht ist es klar, dass eine zivilstandesunabhängige Ehegattenbesteuerung die bessere Lösung darstellt
als die Faktorenaddition, die wir heute haben. Die zivilstandesunabhängige Regelung wäre eigentlich aufgrund des
neuen Eherechtes die sachgerechte Lösung. Die individuelle
Ehegattenbesteuerung würde die freie Rollenteilung sowie
den Lohnerwerb vom kinderbetreuenden und haushaltführenden Elternteil erleichtern, denn der zweitverdienende
Elternteil wird ja aufgrund der Progressionswirkung der
Faktorenaddition diskriminiert. Die SP-Fraktion lancierte
bereits in den Siebzigerjahren eine Initiative im Kanton
Aargau, die diese zivilstandesunabhängige Ehegattenbesteuerung einführen wollte. Leider ohne Erfolg. Eine Studie des
eidgenössischen Gleichstellungsbüro bei der INFRA
731
10. März 1998
kommt im Juni 1997 zum Schluss, dass eine zivilstandesunabhängige Besteuerung angestrebt werden muss. Leider hat
das Steuerharmonisierungsgesetz die Faktoren festgeschrieben und damit wurde eine weitere Chance für die Gleichstellung der Frauen verpasst. Im übrigen müsste Frau Kopp
Steuern als Ex-Bundesrätin für die Rente bezahlen, wenn
man die Faktorenaddition nicht hätte. Das ist ein Fall, der
die Volksseele sehr bewegt. In der Steuerrechtskommission
nahm leider keine einzige bürgerliche Grossrätin Einsitz.
Trotzdem hörte man, dass Frauen aus bürgerlichen Fraktionen Einfluss für familienfreundliche Lösungen im Steuergesetz ausgeübt hätten. Ich möchte die Frauen bei diesem
Eintreten auffordern, hellhörig zu sein, dem Kinderabzug
von 8'000 Franken und einem gerechten Kinderbetreuungsabzug zum Durchbruch zu verhelfen. Die Verschlechterung
des Kinderabzugs, den die Kommission an ihrer letzten
Sitzung einführte, um das Steuersubstrat noch um ein paar
Millionen Franken zu erhöhen, ist abzulehnen. Dazu muss
auch gesagt werden, dass an derselben Sitzung noch der
modifizierte Heimatschutzparagraph eingeführt wurde, der
wiederum die ausserbörslichen Aktien begünstigen soll.
Damit haben wir wieder einen Ausfall von rund 5 Millionen
Franken beschlossen, wohingegen durch die Herabsetzung
des Kinderabzuges 21 Millionen Franken eingespart werden.
Einmal mehr sind also die schon begünstigten vermögenden
Aktienbesitzer bevorteilt und das will man bei der Familie
wieder gutmachen. Ich fordere die Frauen auf, diesem Deal
nicht zuzustimmen und den Kinderabzug bei 8'000 Franken
zu belassen. Die hohen Steuerausfälle, die die Kommission
gegen den Willen von Regierung und Kommissionsminderheit beschloss, werden ebenfalls verheerende Wirkungen für
die Frauen haben. Der Abbau von staatlichen Leistungen
trifft die Frauen besonders stark. Sie werden im Gesundheitswesen wieder vermehrt herangezogen werden, um
Angehörige zu betreuen, Frauen, die 30 % tiefere Löhne
haben, werden es noch schwerer haben, die Lohngleichheit
durchzusetzen, die Lohnreduktionen werden sich auf Frauen
stärker auswirken als auf Männer, weil sie die tieferen Löhne haben und sie werden beim Staat als erste entlassen
werden. Auch in den Schulen wirken sich die grösseren
Klassen auf die Frauen aus. Sie werden wieder vermehrt ihre
Kinder auffangen müssen, die in den Klassen nicht mehr so
gut betreut werden wie früher. Es wird auch schwieriger
werden, dringend nötige, ausserfamiliäre Betreuungsinstitutionen zu realisieren. Ich könnte diese Liste beliebig fortsetzen. Ich fordere Sie auf, das Steuersubstrat im Sinne einer
richtig verstandenen Gleichstellung nicht zu schmälern und
die Beschlüsse der Kommissionsmehrheit zu korrigieren.
Marianne Herzog-Ernst, Oberhof: Ich richte mich an die
Vertreterinnen und Vertreter des Bezirks Zofingen. Sind Sie
für eine Verlegung der Kantonsschule Zofingen? Ich wende
mich an die Vertreterinnen und Vertreter des Bezirks Muri.
Sind Sie für eine Renovation des Gerichtssaales bei der
Renovation Südflügel des Bezirksgerichts? Ich wende mich
an die Vertreterinnen und Vertreter des Bezirks Rheinfelden.
Sind Sie mit dem Abbau der Berufsbildung in ihrem Bezirk
einverstanden? Ich wende mich an die Vertreterinnen und
Vertreter des Bezirks Laufenburg. Sind Sie mit der Schliessung des LBBZ einverstanden? All diese Sparmassnahmen
werden mit dem vorliegenden Steuergesetz kein Tabu mehr
sein. Das sind die Früchte ihrer Politik. Wer dem Staat
konsequent Mittel wie zum Beispiel den 3 %-igen Steuerrabatt, der seit Jahren gewährt wird, vorenthält, wer ständig
732
Art. 490
Sparpakete verlangt, wer mit dieser Steuergesetzrevision
dem Staat weiter 150-190 Millionen Franken vorenthält, der
muss ebenfalls ja zu Einsparungen sagen, auch wenn sie im
eigenen Bezirk nötig werden. Herr Scholl, Grossrätinnen
und Grossräte aus dem Bezirk Zofingen: Wenn Sie zur
Kantonsschule Zofingen ja sagen, dann müssen Sie dem
Kanton auch die Mittel zur Führung dieser Schule zugestehen, dann müssen Sie zu einer Steuergesetzrevision ja sagen,
die dem Staat die nötigen Mittel gibt. Bei dieser Revision ist
dies aber nicht der Fall. Gaukeln Sie Ihren Wählerinnen und
Wählern nicht vor, sich für lieb gewordene Einrichtungen in
den Randregionen einzusetzen. Wenn Sie dieses Steuergesetz befürworten, dann befürworten Sie auch die Schliessung der Kantonsschule Zofingen und Sie sagen ja zu vielen
schmerzhaften Verzichten in Ihren Bezirken.
Alexander Hürzeler, Oeschgen: Ich bin grundsätzlich für
Eintreten in diese Steuerdebatte. Im Gegensatz zu Herrn
Kocher sage ich nicht nur "Weniger ist mehr", sondern auch
"in der Kürze liegt die Würze". Für dieses Votum trifft dies
allerdings nicht zu. Nachdem der Regierungsrat einzelne
Bevölkerungsgruppen, nämlich die Familien, doch etwas zu
stark bevorteilt hat, habe ich den Eindruck, dass die Kommission einen ausgewogenen Vorschlag ausgearbeitet hat.
Unter dem Strich bleibt allerdings für den Kanton und die
Gemeinden etwas zu wenig hängen. Da benötigt es Korrekturen. Ich gehe davon aus, dass der Regierungsrat und die
Kommission dies auf die zweite Lesung ändern werden.
Erlauben Sie mir aber, auf etwas anderes einzugehen. Warum einfach, wenn es auch kompliziert geht - so erscheint
mir auch diese Vorlage wieder zu sein. Im Volk draussen ist
es völlig klar, dass alle etwas Einfacheres wollen. Das Steuerverfahren muss einfacher werden. Vergessen wir doch all
die diversen Abzüge, die da entstehen, entschlacken wir das
Ganze, machen wir es einfacher, übersichtlicher und verständlicher; machen wir etwas für die Mehrheit in unserem
Kanton, nämlich für den sogenannten Normalverdiener,
jenen mit dem Lohnausweis. Das Gesetz muss weder auf die
Grossverdiener, noch für die Sozialbezüger und Kleinstverdiener abgestimmt sein. Grundsätzlich muss es für die
Mehrheit stimmen. Selbstverständlich müssen die Randgruppen nach oben und unten auch miteinbezogen werden.
Der Grossteil der Aargauer erwartet von uns aber ein entschlacktes Gesetz und nicht nur ein Umverteilen. Je mehr
Paragraphen, Sondersätze usw. in diesem Gesetz drin sind,
desto weiter entfernen wir uns von der Basis. Es darf nicht
sein, dass jede natürliche Person einen Treuhänder beiziehen
muss, um die Steuererklärung auszufüllen. Ich bin Treuhänder und brauche das nicht. Die Unternehmen geben bereits
genug Arbeit. Der einfache Stimmbürger erwartet von uns
etwas Einfaches. Es wäre doch schön, wenn wir unsere
Steuererklärung einmal nach dem Mittagessen auf einer A6
Karte schnell ausfüllen könnten. Das Steuergesetz, das uns
nun vorliegt, hat 279 Paragraphen, also etwa 30 mehr, als
wir bis anhin hatten. Das ist aus meiner Sicht nicht entschlackt, das wird nicht einfacher.
Ich spreche nun einige Details an, bei denen ich das Gefühl
habe, wir könnten entschlacken: Warum streichen wir den
Doppelverdienerabzug von 600 Franken nicht ganz? Die
100 Franken freiwillige Beiträge an wohltätige Organisationen können wir doch auch vergessen, wie auch die Beiträge
an politische Parteien. Die einen geben das Geld für Musik
aus, andere für Sport, wiederum andere für die Freundin wir geben es offensichtlich für die politischen Parteien aus.
Art. 490
Seien wir da gerecht, streichen wir diese Paragraphen, entschlacken wir dieses Gesetz. Ein Deklarationsaufschub von
zwei Jahren kompliziert das Gesamte noch einmal. Es benötigt ein Entschlacken in allen Richtlinien. Seien wir mutig,
zeigen wir nun einmal etwas Neues und zeigen wir der
restlichen Schweiz, dass wir nicht für jeden Bürger in unserem Kanton einen eigenen Paragraphen benötigen, damit
jeder noch etwas findet, wo er Steuern sparen kann. Wenn
alle in diesem Rat bereit dazu sind, auf irgend etwas im
vorliegenden Gesetz zu verzichten - von links bis nach
rechts, dann wäre es möglich, ein überschaubares, einfacheres und kürzeres Steuergesetz zu erhalten. Die Steuergerechtigkeit wird es meiner Ansicht nach sowieso nie geben.
Wahre Steuergerechtigkeit gäbe es erst, wenn wir alle keine
Steuern mehr bezahlen müssten. Das wäre schön.
Herbert H. Scholl, Zofingen: Nachdem ich indirekt und
direkt persönlich angesprochen wurde, möchte ich eine
Präzisierung anbringen. Das Steuergesetz hat mit der Aufgabenerfüllung des Kantons Aargau selbstverständlich einen
Zusammenhang. Der Hinweis von Herrn Guignard auf eine
gleichzeitige Aufgabenplanung mit der Finanz- und Steuerplanung ist richtig. Wir von der FDP-Fraktion wollen uns
dieser Aufgabe inner- und ausserhalb der wirkungsorientierten Verwaltungsführung stellen. Wir sind der Auffassung,
dass uns die Regierung dazu die notwendigen Grundlagen
und Vorschläge unterbreiten soll, damit wir diese Aufgabe
als Milizparlamentarierinnen und -parlamentarier anpacken
können. Diese Aufgabe ist aber differenziert zu erfüllen. Die
pauschalen Hinweise, dass wer für Steuersenkungen gegenüber dem Vorschlag des Regierungsrates eintrete, auch für
Schliessung von regionalen Institutionen eintreten müsse,
stimmen in dieser Schärfe nicht. Es gibt auch innerhalb der
Aufgabenerfüllung Aufgaben, die kostengünstiger und
solche, die kostenintensiver erfüllt werden müssen. Das
Beispiel unserer Kantonsschule eignet sich nun gerade nicht,
um den Beweis zu erbringen, den Frau Herzog erbringen
wollte. Nachdem wir hier beim Steuergesetz sind, möchte
ich diese Argumente nicht noch einmal wiederholen. Nebst
dem Erfüllen der Aufgaben durch das öffentliche Gemeinwesen aller Stufen sind auch die Privaten zu berücksichtigen, indem es mit einem guten Steuergesetz gelingt, zusätzliche Investoren in unseren Kanton zu bringen, die dafür
sorgen, dass auch die öffentlichen Aufgaben besser erfüllt
werden. Heute haben wir nur die Möglichkeit, über das
Steuergesetz zu diskutieren und abzustimmen. Wir werden
als Freisinnige dafür eintreten, dass der Mittelstand und die
privaten Investoren hier ein günstiges Steuerklima vorfinden. Wir werden uns aber, wenn der Regierungsrat Vorschläge dazu unterbreitet, wie die künftige Aufgabenerfüllung aussieht, dieser Aufgabe stellen. Es liegt nicht an uns,
dass diese zweite Aufgabe in zeitlicher Hinsicht bezüglich
der Grundlagen noch nicht vorliegt. Mir liegt es daran, die
Worte des Vorgaukelns zu differenzieren. So einfach ist es
nun wirklich nicht, Frau Herzog.
Josef Bürge, Baden: Ich äussere mich zu drei Punkten: 1.
Zur Kommissionszielsetzung. 2. Zu gebundenen Aufgaben
und Aufgabenverzicht. 3. Zu kantonalem und eidgenössischem Recht.
1. Die Kommissionszielsetzung der Steuergesetzreform ist
ein steuergünstiger Kanton Aargau. Das ist positiv. Sie soll
aber nicht leichthin unterlaufen werden. Ein steuergünstiger
Standort wird eine Aargauer Gemeinde - und das ist das
Domizil - nur dann, wenn die kumulierten Steuersätze von
10. März 1998
Kanton und Gemeinde in die Bewertung miteinbezogen
werden. Wenn wir nun die Gemeinden durch unsere Beschlüsse ohne Entlastungen zu einem überproportionalen
Steuerfussanstieg zwingen, wie das Herr Guignard trefflich
formulierte, dann verunmöglichen wir das Erreichen der
Hauptzielsetzung der Spezialkommission und damit das Ziel
des gesamten Rates.
2. Konsequenterweise muss deshalb vor der 2. Lesung eine
energische Anstrengung unternommen werden, damit die
vielen, durch Dekret und Gesetz festgelegten gebundenen
Aufgaben eliminiert oder zumindest deren zeitliche Erfüllung erstreckt werden. Ich bitte deshalb den Regierungsrat
und ersuche auch den Grossen Rat, sich dieser Aufgabe zu
unterziehen und beispielsweise ein Gewässerschutzdekret
oder ein Umweltdekret oder ein Auenschutzdekret nochmals
zu prüfen und allenfalls Gesetze anzugehen. Eine Überprüfung dieser, den Gemeinden aufdoktrinierten Aufgaben,
könnte diese entlasten. Wir haben hier Ballast aufgeladen,
der von den Gemeinden schlicht und einfach nicht erfüllbar
ist. Wir stehen hinter der Zielsetzung dieser Steuergesetzrevision. Ich habe schliesslich vor 7 Jahren die entsprechende
Motion eingereicht.
3. Eidgenössisches und kantonales Recht: Ich habe bereits
heute morgen einen Abstimmungskampf für oder gegen
dieses Steuergesetz vernommen, ohne dass wir wissen, was
dabei herauskommt. Das Votum von Herrn Hümbeli zeigte
in aller Klarheit auf, wie man, ohne die volle Wahrheit zu
übermitteln, Stimmung machen kann. Es trifft zu, dass die
Rentner keine Freude an einer 100 %-igen Besteuerung ihrer
Einkünfte haben werden. Darüber haben wir aber nicht zu
befinden. Das ist übergeordnetes Recht, die Steuerharmonisierung schreibt uns das vor. Ich rege daher auch an, im
Hinblick auf die zweite Lesung jene unabdingbaren Änderungen, die uns die Steuerharmonisierung auferlegt, präziser
darzustellen. Damit könnte man derartigen Voten wie demjenigen von Herrn Hümbeli Transparenz verleihen. Im
übrigen: Ich trete mit meiner Fraktion auf die Vorlage ein.
Vorsitzender: Ich habe Herrn Widmer von der Aargauer
Zeitung erlaubt, zu fotografieren.
Dr. Rudolf Rohr, Würenlos, Präsident der nichtständigen
Kommission Nr. 7: Ich möchte zwei Schlussfolgerungen aus
dieser Eintretensdebatte ziehen: 1. Ich darf mit Genugtuung
feststellen, dass die Grundlinie der Kommission offenbar in
den meisten Fraktionen auf guten Boden gefallen ist. Das ist
insofern nicht sehr verwunderlich, als wir den Fraktionen
unsere Anträge anfangs dieses Jahres noch einmal unterbreitet haben. Die Absetzbewegungen, die hier zu registrieren
waren, haben sich mehr oder weniger im Rahmen gehalten
und auf einige wenige Punkte beschränkt.
2. Aus den zu den fiskalischen Auswirkungen gestellten
Anträgen schliesse ich, dass noch eine gewisse Unsicherheit
herrscht. Es ist richtig, dass wir die Probleme der Gemeinden ernst nehmen, dass wir nicht nur die Auswirkungen auf
den Kanton überprüfen müssen, sondern auch die Auswirkungen auf die Gemeinden. Es kann nicht in unserem Interesse liegen, dass die Gemeinden ihre Steuerfüsse übermässig erhöhen müssen. Die Zahlen, die genannt wurden, sind
aber eindeutig überrissen. Es war die Rede von 19 %, die die
Gemeinden im Jahr 2001 durchschnittlich mehr erheben
müssten. In der Kommission haben wir von gut 3,5 % gesprochen. Woher nun diese Differenz? Es gibt da drei Komponenten: Zunächst der Ausgleich der kalten Progression,
733
10. März 1998
das sind knapp 7 %. Hier muss man sagen, dass der Ausgleich der kalten Progression ohnehin kommt, selbst wenn
das Gesetz verworfen wird. Da kann man nichts daran ändern. Die Gemeinden sollen froh sein, dass dieses Schicksal
erst zwei Jahre später auf sie zukommt. Die Gemeindeammänner können dafür sorgen, dass sie mit diesem unerwarteten Zufluss etwas Gescheites anfangen und nicht noch die
Ausgaben erhöhen, sondern Reserven anlegen, um dann das
Zusammenfallen von Steuergesetzrevision und Ausgleich
der kalten Progression nicht zu einem Schock werden zu
lassen.
Die zweite Komponente beruht darauf, dass man das Übergangsjahr 2001 gewählt hat, um hier im Kanton einen
Alarmruf zu verbreiten. Wir haben die Seite mit dem Jahr
2001 übersprungen, wir haben sie nicht angeschaut. Wir
haben uns auf die 2. Lesung hin vorgenommen, uns die
Wirkungen, die auf das Übergangsjahr beschränkt sind,
näher anzusehen und nach Möglichkeiten zu suchen, damit
dies nicht aus jedem Rahmen fällt. Es gibt auch Konzepte
dafür. Der Kanton St. Gallen hat Wege gefunden. Der Grosse Rat kann gewisse Steuererleichterungen erst mit einer
gewissen Verzögerung in Kraft setzen und damit diese
gefürchtete Talsohle im Jahr 2001 überbrücken. Vergessen
Sie also in ihren künftigen Diskussionen diese 5 %.
Die dritte Komponente beruht auf einem andern Ausgangspunkt, auf andern wirtschaftlichen Annahmen, im Abstützen
auf ein anderes Szenario. Ich erklärte Ihnen bereits, dass wir
von Anfang an ein bestimmtes Szenario als Basis hatten.
Wir können nichts dafür, wenn der Regierungsrat in der
Botschaft 5 % nominelles Wirtschaftswachstum für optimistisch erklärt, jetzt im Nachhinein 3 % als optimistisch erklärt
und dann Herr Guignard zu uns kommt und sagt, 1,5 %
wären optimistisch. Es lohnt sich nicht, über diese Annahmen zu streiten. Wir müssen die Diskussion dort führen, wo
wir sie seit Publikation der regierungsrätlichen Botschaft
geführt haben. Die Wirtschaftslage hat sich in diesem halben
Jahr nicht verändert und begründet somit keine Abweichungen von den ursprünglichen Annahmen. Wenn Herr Guignard nun sagt, dass man seit 10 Tagen wisse, was die Kommission wolle, was für Auswirkungen hier entstünden, so ist
das nicht ganz korrekt. Die Ratsmitglieder haben die Auswirkungen mit der Weihnachtspost erhalten. Sie haben da
gesehen, dass die Kommission sogar 74 Millionen Franken
Ausfall in Kauf genommen hat. Sie haben dies vor Ende des
letzten Jahres gesehen. Sie konnten auch in den Printmedien
genau lesen, was die Kommission beantragt hat. Es geht
nicht an, nun zu sagen, man sei überrascht worden von dem,
was die Kommission beantragt habe. Ich bitte Sie, sich dem
konstruktiven Votum von Herrn Fehlmann anzuschlies-sen
und auf dieser Basis in die Detailberatung einzutreten. Die
Kommission wird sich auf die 2. Lesung hin auch noch
etwas denken, auch das dürfen Sie nicht vergessen.
Vorsitzender: Ich möchte Ihnen mitteilen, dass der Herr
Finanzdirektor an den Folgen eines Unfalles leidet. Wir
wünschen ihm gute Besserung und haben Verständnis dafür,
dass er heute diese Debatte unter grössten Anstrengungen
mitverfolgt.
Landstatthalter Dr. Ulrich Siegrist: Zunächst möchte ich
darauf hinweisen, dass es zwischen Kommission und Regierungsrat in einigen wichtigen Punkten ganz wesentliche
Übereinstimmungen gibt. Es gibt einige Fortschritte, die wir
daran sind, zu erzielen, von denen wir am Anfang der Dis734
Art. 490
kussion über das Steuergesetz noch nicht wussten, ob wir sie
erreichen können. Wir kommen im Laufe der Debatte darauf
zurück. Es gibt aber auch einige markante Unterschiede, die
nach Beurteilung des Regierungsrates die Vorlage eben
doch in eine Schieflage gebracht haben. 1. Wir sind uns alle
einig darüber, dass wir gute und in Zukunft noch bessere
steuerliche Bedingungen für Private und Unternehmungen
wollen. Dabei soll aber die Steuergerechtigkeit nicht zu kurz
kommen. Wo stehen wir nun? Gesamtschweizerisch stehen
wir auf Rang 4 was die Steuerbelastung betrifft. Wir haben
anfangs der 90-er Jahre als zusätzliche Anstrengung bei den
Aktiensteuern die obere Tarifstufe von 15,5 % auf 13 %
hinuntergesetzt. Mit unserer Vorlage wollen wir jetzt diese
13 % auf 11 % senken. Da soll doch niemand kommen und
sagen, der Regierungsrat habe hier keinen klaren Kurs eingeschlagen. Was effektiv bleibt, ist noch eine Differenz von
1 %, wo die Kommission glaubt, noch weiter gehen zu
müssen. Diese Differenz würde 10 Millionen Franken kosten würde. Die Problematik liegt unseres Erachtens auf einer
ganz anderen Ebene.
Was sind die Ausfälle, die wir mit dieser Steuervorlage zu
erwarten haben? Das kann niemand genau sagen, weil wir
von einer dynamischen Betrachtung ausgehen. Der Kanton
St. Gallen geht davon aus, dass in den nächsten Jahren nicht
mit einem Wirtschaftswachstum zu rechnen ist. Ich glaube,
der Kommissionspräsident hat sich da zweimal versprochen.
Wenn ein Wirtschaftswachstum kommt, dann werden sie
mit ihrer Konzeption ganz erfreuliche Steuereinnahmen
haben. Wir sind anders vorgegangen und sagten, es soll und
muss uns mit dem Steuergesetz und der Verbesserung anderer Rahmenbedingungen gelingen, ein Wirtschaftswachstum
zustandezubringen von gegen 3 %. Wir hoffen das und
gehen von dieser dynamischen Variante aus und machen
daher eine Vorlage, bei der, sofern wir diese 3 % erreichen
können, die Ausfälle gleich Null sind. Jetzt kommt die
Kommission und bringt wesentlich grössere Ausfälle. Wenn
wir diese auch noch kompensieren wollten, dann wäre ein
Wachstum von 5 % nötig. Das kann man bereits in der
Botschaft nachlesen. Jetzt soll man nicht einfach den Kopf
in den Sand stecken und sagen: "Es wird dann schon alles
gutgehen." Der Bundesrat geht in seinen Berechnungen, die
den Sozialversicherungen bis vor kurzem zugrundelagen,
von einem Wirtschaftswachstum von 3 % aus und die Kritik
war gross. Er stecke den Sand in den Kopf und man würde
diese Wachstumsraten nie haben. Ich bin nun etwas erstaunt
darüber, dass man nun kommt und in anderem Zusammenhang sagt, man werde ein Wachstum von mehr als 3 %
haben. Da stimmt irgend etwas nicht. Da machen sich einige
Leute unglaubwürdig. Die Zahlen waren seit langem bekannt und wurden in den Fraktionen im Dezember zur Verfügung gestellt und mehrmals publiziert. Aber erst jetzt, als
der Gemeindeammännerverband diese Zahlen aufgenommen
und publiziert hat und noch einiges dazu addierte, ist man
hellhörig geworden und stellt sich die Frage, ob es so gehe
oder nicht. Wir gehen von einer dynamischen Betrachtung
aus und daher hängt es sehr vom Wirtschaftswachstum ab,
wie gross die Ausfälle sein werden. Zum Vergleich mit dem
Kanton St. Gallen möchte ich sagen, dass dieser bei einer
ganz anderen Ausgangslage startet. Die Fiskalquote ist ein
Viertel höher - dort wo der Kanton Aargau an 4. Stelle ist,
ist der Kanton St. Gallen an 10. Stelle. Die kalte Progression
wird nicht automatisch ausgemerzt, sondern nur teilweise.
Ein Teil dieser Ausfälle wird bereits dadurch aufgefangen,
dass die kalte Progression erklärterweise nicht voll ausge-
Art. 490
merzt wird und die Abschaffung der Erbschaftssteuer, die
als Beispiel immer zitiert wird, wurde zeitgleich wieder
durch eine Erhöhung von zwei Steuerprozent im St. GallerGrossrat im letzten Herbst. Dieser Vergleich liegt vollkommen schief.
Das Grundeigentum betreffend wurde nun geklagt, wie sehr
der Regierungsrat die anderen Mitgrundeigentümer und uns
selbst schröpfen wolle. Die Kantone, die als Spitzenkantone
in den Vordergrund gestellt werden und die es nach einigen
Auffassungen zu überholen gilt, nämlich Zug, Schwyz,
Nidwalden und die Vergleichskantone, von denen immer
gesprochen wird, wie St. Gallen und Zürich, die liegen
sowohl beim Endlostarif für die Grundstückssteuer sowie
auch bei der Eigenmietwertbesteuerung klar höher als der
Kanton Aargau. Machen Sie doch bitte die Vergleiche richtig und ehrlich, wenn Sie schon Vergleiche machen wollen.
Wenn Sie den juristischen Personen noch mehr Erleichterungen zugestehen möchten, dann müssen Sie es so machen
wie diese Kantone und diese Mittel dort holen, wo sie die
Kommission offensichtlich nicht holen will. Der Regierungsrat hat im übrigen kein "Fegefeuer" veranstaltet, hat
die Privilegien nicht einmal beseitigen, sondern nur etwas
abdämpfen wollen und aus diesen Anträgen halten wir aus
Gründen der Gerechtigkeit fest.
Die Kommission hat viel gründliche Arbeit geleistet, aber
im Umgang mit diesen Steuerausfällen, da haben wir bis
anhin offensichtlich noch zu wenig gründlich diskutiert. Da
können wir uns die Sache nicht ganz so einfach machen.
Beim Grundeigentum wollten wir nicht nur diese Privilegien
etwas abdämpfen, sondern wir haben das gleichzeitig bei der
Vermögenssteuer massiv kompensiert, indem wir sagten,
weil hier gewisse Erleichterungen wegfallen und weil auch
noch der Heimatschutzrabatt aus bundesrechtlichen Gründen
wegfallen soll, machen wir dafür bei der Vermögenssteuer
eine massive Reduktion. Wir haben den Vermögenssteuertarif von 18 Millionen Franken zur Reduktion, die Freibeträge
von 7,5 Millionen Franken zur Erhöhung beantragt. Was die
Kommission nun machte, ist die Privilegien bei den Grundeigentümern wieder rückgängig machen, aber im Gegenzug
nicht auch das rückgängig zu machen, was die Regierung als
Kompensation angeboten hat. Statt dessen hat die Kommission bei den Vermögenssteuern noch aufgestockt und auch
noch bei den ganz grossen Vermögen zusätzlich Erleichterungen geschaffen. Am Schluss hat sie noch die Erbschaftssteuer mit der Begründung abgeschafft, diese sei bereits
schon als Vermögen besteuert worden und man dürfe es
nicht ein zweites Mal besteuern. Am Ende der Debatte, als
die Kommission unsicher wurde, ob die Ausfälle nicht etwa
zu hoch seien, hat man die Kompensation bei den Kinderabzügen gesucht. Diese Kinderabzüge von 6'000 Franken - da
stimme ich mit Ihnen überein - würden sich auch sehen
lassen. Diese Differenz von 2'000 Franken hat der Regierungsrat mit der starken Reduktion bei Zweitverdienerabzug
zu kompensieren versucht, also innerhalb des Paketes Familie und nicht durch einen Transfer von der einen gesellschaftlichen Gruppe, - für die jetzt in der Kommission soviel
getan wird - zur Familie, die in der heutigen Zeit sehr stark
belastet ist. Dieser Umstand hat die Steuergesetzvorlage
auch in bezug auf Steuergerechtigkeit u. E. in eine Schieflage gebracht.
Die zweite Schieflage betrifft die Ertragsausfälle. Wenn wir
diese nicht rückgängig machen können, dann haben wir
zwei Möglichkeiten: Wir können den Leuten sagen, dass es
10. März 1998
wirtschaftlich schon gutgeht, wenn wir 5 % Wachstum
haben, dann verkraften wir das. Das Volk glaubt uns das
nicht. Die andere Möglichkeit ist, zu sagen, dass dies nicht
durch Wachstum kompensierbar sein wird und dass wir dies
auf der Ausgabenseite nebst allen andern Sanierungspaketen
auch noch kompensieren müssen. Dann müssen wir ehrlicherweise offen darlegen, wo wir es kompensieren wollen. Wir
können die Vorlagen dann kombinieren, das ist die ehrlichste Variante. Wenn wir das tun, dann können Sie sicher sein,
dass ein Gesetz mit derartigen Ertragsausfällen in einer
Volksabstimmung sehr schwierig durchzubringen sein wird.
Heute morgen sagte jemand bereits schon vorsorglich, dass
man die Sanierungsübung nach der Steuergesetzübung
machen müsste. Ich weiss nicht, ob dies bewusst geschehen
ist, aber er hat etwas geschickt vorausgenommen, was aber
nicht ehrlich wäre. Das ist die verflixte Situation, in der wir
drinstecken. Wie das dann so geht, dieser schöne Reigen
von allen, die sagen: "Aber so habe ich es nicht gemeint,
hier darf man gerade nicht sparen." Dieser Reigen wurde ja
heute von Herrn Scholl bereits eröffnet.
Ich bin davon überzeugt, dass die Arbeit mit der 1. Lesung
nicht beendet und auch die Kommission heute der Überzeugung ist, dass es eine zweite intensive Runde braucht. Ich
bin auch davon überzeugt, dass es in diesem Kanton noch
Konsensfähigkeit geben wird. Wir müssen eine Steuervorlage zustandebringen, die das sicherstellt, was der Sinn des
Steuerzahlens ist, nämlich die Lasten des Gemeinwohls zu
finanzieren, die als gerecht empfunden wird, die so ist, dass
die Mehrheit des Volkes diese als gerecht empfindet. Es ist
eine schwierige Aufgabe, in diesem Kräfteparallelogramm
zu arbeiten. Ich bin aber davon überzeugt, wenn ich sehe,
wie die Kommission bis anhin gearbeitet hat, dass sie sich
einen Schubs geben wird und mit der Regierung zusammen
nach besseren Lösungen auf die zweite Lesung hin sucht. In
diesem Sinne bittet Sie der Regierungsrat einzutreten und
diese Behandlung in erster Lesung rasch durchzuziehen, im
Wissen, dass nach dem Ende dieser Debatte alle Gewinner
wie auch die Verlierer noch einmal Kompromissbereitschaft
werden zeigen müssen, ansonsten gelingt und das Gesamtwerk nicht. Ich glaube an diese Einsicht und diesen Reifeprozess und bitte Sie darum, mit der Debatte weiterzufahren.
Abstimmung:
Für Eintreten auf die Vorlage: 156 Stimmen.
Dagegen: 6 Stimmen.
Detailberatung
Vorsitzender: Ich werde aufgrund der gelben Synopse vorgehen. Ich werde paragraphenweise, wo nötig absatzweise,
ja sogar buchstabenweise die Beratung vornehmen. Beratungsgrundlage bildet die Fassung der Kommissionsmehrheit bzw. des Regierungsrates, da wo er daran festhält.
Minderheitsanträge werden nur zur Abstimmung gebracht,
wenn sie hier im Rat erneut beantragt werden, andernfalls
werde ich darüber nicht befinden. Ich bitte um Wortmeldungen beim stellvertretenden Vizepräsidenten und ebenso um
schriftliche Formulierung der Anträge, soweit diese nicht
bereits gedruckt vorliegen.
Titel und Ingress
Dr. Rudolf Rohr, Würenlos, Präsident der nichtständigen
Kommission Nr. 7: Im Interesse einer Verkürzung des Titels, vor allem aber in Synchronisierung mit Gliederung und
735
10. März 1998
Terminologie des Gesetzes selber soll nicht mehr wie bisher
von "Kapitalgesellschaften" und "Genossenschaften", sondern von "juristischen Personen" gesprochen werden. Damit
wird auch dem Umstand Rechnung getragen, dass die Besteuerung der Vereine künftig nicht mehr nach den für natürliche Personen geltenden Vorschriften erfolgt.
Zustimmung
§1
Dr. Rudolf Rohr, Würenlos, Präsident der nichtständigen
Kommission Nr. 7: In der Kommission wurde beantragt, die
Einführung einer Kapitalgewinnsteuer auf beweglichem
Privatvermögen zu prüfen. Die Kommission hat einen diesbezüglichen Bericht des Steueramtes einlässlich erörtert. Sie
nahm davon Kenntnis, dass der Kanton trotz der Bestimmung im Steuerharmonisierungsgesetz, wonach im Rahmen
der Einkommenssteuer Kapitalgewinne auf beweglichem
Privatvermögen ausdrücklich befreit sind, rechtlich zuständig wäre, eine separate Kapitalgewinnsteuer einzuführen.
Ein entsprechender Antrag wurde indessen nicht gestellt,
zumal die Frage der Einführung dieser Steuer zurzeit auf
Bundesebene diskutiert wird. Ein Antrag, vom Grossen Rat
die Einreichung einer Standesinitiative zu verlangen, wurde
mit 9 : 5 Stimmen bei 1 Enthaltung abgelehnt.
Zustimmung
§2
Dr. Rudolf Rohr, Würenlos, Präsident der nichtständigen
Kommission Nr. 7: In der Kommission wurde erwogen, die
vorgeschlagenen Tarife um einen bestimmten Prozentsatz zu
senken und dafür dem Grossen Rat die Kompetenz einzuräumen, den Steuerfuss um bis zu diesem Prozentsatz höher
als 100 % zu fixieren. Damit wäre der leidige Streit um die
terminologische Frage, ob ein Steuerfuss von 97 % einen
Rabatt von 3 % darstelle, obsolet geworden. Von einer
solchen Änderung wurde abgesehen. Es bleibt also bei der
heutigen Regelung und Terminologie. Die einfache Staatssteuer ist gleichzeitig der Maximalsteuerfuss (und nicht der
Normalsteuerfuss).
Zustimmung
§3
Dr. Rudolf Rohr, Würenlos, Präsident der nichtständigen
Kommission Nr. 7: Die Frage der Anpassung des kantonalen
Rechtes an künftige Änderungen des Bundesrechtes stellt
sich im Steuerrecht ähnlich wie in anderen Bereichen. Die
hier vorgesehene Delegation wird als noch vereinbar betrachtet mit der verfassungsmässig verankerten Zuständigkeitsordnung, so wie das für ähnliche Formulierungen im
Baugesetz, im Waldgesetz und im Einführungsgesetz zum
KVG gilt. Die Kommission hat davon Vormerk genommen,
dass der Regierungsrat prüft, ob in der Kantonsverfassung
eine generelle Delegationsregelung zu treffen sei.
Harry Lütolf, Wohlen: Ich bitte den Grossen Rat, die Bestimmung in Abs. 2 zu beachten. Der verfassungsmässige
Genehmigungsvorbehalt von Staatsverträgen und interkantonalen Vereinbarungen wird durch diese Bestimmung
umgangen, das hat mir der Herr Finanzdirektor heute bestätigt. Es stellt sich nun die Frage, ob dies opportun ist. Wir
haben in § 14 dann einen ähnlichen Sachverhalt, wo der
Grosse Rat bezüglich Steuererleichterungen oder ähnlichem
736
Art. 490
per Dekret bestimmen muss, wie diese ausfallen sollen bzw.
wie diese ausfallen dürfen. Der Grosse Rat ist grundsätzlich
aufgrund der Verfassung befugt, und berechtigt, bei interkantonalen Vereinbarungen oder bei Staatsverträgen seine
Zustimmung zu erteilen. Ich bin der Meinung, dass dies so
sein sollte. Ich stelle keinen Antrag, bitte aber die Kommission bei der Beratung für die zweite Lesung meine Bedenken miteinzubeziehen.
Landstatthalter Dr. Ulrich Siegrist: Zu Abs. 1: Es stimmt,
dass wir ein Rechtsgutachten in Auftrag gegeben haben, um
diese Frage vertieft zu prüfen, nachdem wir bereits schon
bei einem andern Gesetz eine Diskussion zu diesem Thema
hatten. Dieses Rechtsgutachten liegt nun vor. Wir haben uns
auch an einer Klausurtagung des Regierungsrates mit dieser
Frage gründlich befasst und sind in Übereinstimmung mit
dem Rechtsgutachten zum Schluss gekommen, dass diese
Formulierung verfassungsmässig zulässig ist, dass wir in
derart gelagerten Fällen mit dieser Praxis weiterfahren können, - dass wir die Verfassung nicht ändern müssen, solange
wir bei dieser restriktiven Formulierung bleiben und diese
nicht ausdehnen.
Zum Votum von Herrn Lütolf: Es ist richtig, dass die Kompetenz damit in Händen des Regierungsrates liegt. Es sind
keine formellen Staatsverträge mit Beschluss des Grossen
Rates und fakultativem Referendum vorgesehen. Das ist aus
praktischen Gründen nötig, da es sich um ganze Sammlungen von kleinen Verträgen wie bilateralen Verträgen, reinen
Gegenrechtserklärungen handelt, die zum Teil von Jahr zu
Jahr geändert werden müssen, von Abmachungen, wie z. B.
im Bereich von interkantonalen Steuerausscheidungen.
Anders ist es gar nicht praktikabel, als dem Regierungsrat
die Kompetenz in diesem Bereich zu geben. Die Sammlung
solcher Verträge und Gegenrechtsvereinbarungen ist jederzeit - auch für die Öffentlichkeit - einsehbar.
Zustimmung
§4
Dr. Rudolf Rohr, Würenlos, Präsident der nichtständigen
Kommission Nr. 7: Die Besteuerung der Vereine im Rahmen der Besteuerung der juristischen Personen hat zur
Folge, dass die ungefähr 4'000 Vereine im Aargau durch das
Kantonale Steueramt veranlagt werden, wie das heute schon
für die direkte Bundessteuer der Fall ist. Anlaufstelle für die
Vereine bleiben die Gemeinden, welche weiterhin die Triage
vornehmen. Die Einzelheiten des Vollzugs sollen auf Verordnungsstufe geregelt werden. Erklärungsbedürftig ist der
Begriff der Körperschaften des kantonalen Rechtes. Es geht
hier um die in Art. 59 Abs. 3 ZGB dem kantonalen Privatrecht unterstellten Körperschaften wie namentlich Waldkorporationen.
Zustimmung
§§ 5 und 6
Zustimmung
§7
Dr. Rudolf Rohr, Würenlos, Präsident der nichtständigen
Kommission Nr. 7: Die Marginalie wird verkürzt. Absatz 4
ist neu und gab in der Kommission Anlass zu einlässlichen
Erörterungen. Die Haftung der mit der Erbschaftsverwaltung
oder Willensvollstreckung betrauten Personen soll nach der
Vorlage des Regierungsrates neu auf alle offenen Steuern
Art. 490
ausgeweitet werden. Die Kommission beantragt - mit Zustimmung des Regierungsrates - zwei Änderungen. Die
Haftung wird auf die Höhe des Nachlasses begrenzt; es wird
ausserdem klargestellt, dass sich die haftenden Personen der
Haftung entschlagen können, wenn sie sich beim Kantonalen Steueramt anhand des Inventars vergewissert haben, dass
keine Steuerforderungen mehr offen sind. Die hier vorgeschlagene Bestimmung lässt sich auch nach dem kürzlich
ergangenen Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte betreffend Erbenhaftung für Steuerbussen aufrechterhalten - für Steuerbussen des Erblassers besteht keine
Haftung.
Zustimmung
§8
Zustimmung
§9
Dr. Rudolf Rohr, Würenlos, Präsident der nichtständigen
Kommission Nr. 7: In der Kommission stellte sich die Frage, ob die ausnahmsweise Besteuerung der Erbengemeinschaft auch bei offensichtlicher Unverhältnismässigkeit der
Einzelzurechnung an die vorhandenen Erben vorzusehen sei.
Die Kommission befand, dass sich die Praxis selber zu
helfen weiss, und verzichtete auf die Ergänzung der Ausnahmetatbestände.
Zustimmung
§§ 10 und 11
Zustimmung
§ 12
Dr. Rudolf Rohr, Würenlos, Präsident der nichtständigen
Kommission Nr. 7: In Absatz 1 lit. c wird eine redaktionelle
Änderung vorgenommen. In Absatz 2 wird gemäss bisherigem Recht festgehalten, dass die Ortsbürgergemeinden
gegenüber den Einwohnergemeinden für die Reinerträge
ihrer gewerblichen und industriellen Unternehmen steuerpflichtig bleiben. Der Regierungsrat stimmt zu. § 12 hat
Anlass zu einer ausgedehnten Diskussion über die Steuerpflicht öffentlicher Betriebe im Verhältnis zu privaten Unternehmen gegeben. Soweit sie in Konkurrenz zueinander
stehen, besteht das Risiko von Wettbewerbsverzerrungen.
Augenfällig ist dies neuerdings auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer. Mit der vorstehenden Gesetzesrevision wird
diese Problematik nicht aufgegriffen. Sie müsste gegebenenfalls Gegenstand einer grundlegenderen Überprüfung des
Fragenkomplexes bilden, wobei auch das Problem der
Rechnungslegung öffentlicher Betriebe einzubeziehen wäre.
Zustimmung
§ 13
Dr. Rudolf Rohr, Würenlos, Präsident der nichtständigen
Kommission Nr. 7: Der Regierungsrat beantragt - in Übereinstimmung mit dem Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer und dem Steuerharmonisierungsgesetz -, die politischen Parteien aus dem Katalog der steuerbefreiten juristischen Personen zu streichen. Die Kommission beantragt
demgegenüber mit 13:1 Stimmen, die bisherige Steuerbefreiung der politischen Parteien beizubehalten, wie das auch
der Kanton Zürich getan hat. Sie hat demzufolge lit. d in der
Fassung des geltenden § 13 Abs. 1 lit. f in den Absatz 1
10. März 1998
eingefügt und entsprechend die Einleitung zu Absatz 2
angepasst. Der Regierungsrat hält an seinem Antrag fest.
Andreas Schweizer, Untersiggenthal: Ich spreche zur Steuerbefreiung der politischen Parteien. Diese geben im Volk
immer wieder Anlass zu Diskussionen. Sie sind aber die
notwendigen Vehikel unserer Demokratie. Wie war das
noch in den Ostblockländern, als der fehlgeleitete Kommunismus vor wenigen Jahren abdanken musste? Demokratie
und Wahlen sollten in eine bessere Zukunft führen. Echte
Wahlen sind aber nur möglich, wenn es verschiedene Parteien gibt. Diese mussten im Osten damals erst gegründet
werden. Parteien sind in unserer Demokratie also notwendig
und sie haben eine wichtige Funktion in unserer Gesellschaft. Bei jeder Volksabstimmung werden wir als Mandatsträger aber auch die politischen Parteien um einen finanziellen Beitrag angehalten, damit die Informationen für den
demokratischen Meinungsbildungsprozess erfolgen können.
Geld ist bei den meisten politischen Parteien Mangelware.
Wir kennen in der Schweiz keine Parteienfinanzierung wie
in andern Ländern, obwohl die Parteien als wichtige Träger
für die Demokratie angesehen werden. Die Parteienfinanzierung ist hier kein Thema, hingegen sollte der Steuerbefreiung aus staatspolitischen Überlegungen zugestimmt werden.
Bei § 39 werden wir später über den Parteien-Spendenabzug
diskutieren. Spendenabzüge sind im Grundsatz nur für
gemeinnützige wohltätige Institutionen möglich. Die Steuerbefreiung der Parteien ist darum auch eine klare Begründung und eine rechtliche Grundlage für den ParteienSpendenabzug in § 39. Ich bitte Sie im Namen meiner Fraktion, § 13 Abs.1 lit. d zuzustimmen, wie es auch die Kommission vorschlägt.
Damian Keller, Endingen: Die CVP-Fraktion empfiehlt
Ihnen ebenfalls, der Fassung der Kommission zuzustimmen.
Die politischen Parteien erbringen eine wichtige politische
Leistung. Ihr Engagement dient dem Nutzen der Allgemeinheit. Analog zu anderen gemeinnützigen Organisationen, die
befreit sind, wäre es sachgerecht, die Parteien ebenfalls
herauszunehmen, wie es in der heutigen Steuergesetzgebung
bereits der Fall ist.
Landstatthalter Dr. Ulrich Siegrist: Es erstaunt nicht, dass
die Vertreter der politischen Parteien alle für Befreiung der
politischen Parteien sind. Wenn der Regierungsrat hier einen
andern Antrag stellt, dann tut er dies nicht, weil er etwas
gegen politische Parteien hat. Ganz im Gegenteil, es ist ein
rechtlicher Grund. Der Bundesgesetzgeber hat beim Steuerharmonisierungsgesetz anders entschieden. Wir halten dafür,
dass Bundesrecht anzuwenden ist und sind nicht in der Lage,
Ihnen einen andern Antrag zu stellen, als sich rechtskonform
zu verhalten.
Dr. Jan Kocher, Baden: Ich will aus meiner Mördergrube
auch kein Herz machen, um wie der Herr Finanzdirektor die
Sache manchmal umzukehren. Die Zürcher haben genau
dasselbe wie die Kommission gemacht und unterstehen auch
dem Steuerharmonisierungsgesetz. Sie sagten sich: " Wenn
wir die politischen Parteien für steuerfrei erklären, dann
können wir auch die Parteispenden steuerfrei abhalten und
sind somit bundesgesetzkonform." Wir haben uns daher in
der Kommission entschlossen, ebenso zu handeln.
Vorsitzender: Wir haben den Antrag der Kommission, lit. d,
- und den Antrag der Regierung, die neue lit. d nicht aufzunehmen.
737
10. März 1998
Art. 490
Abstimmung:
Eine grosse Mehrheit des Rates stimmt für die Fassung der
Kommission.
Vorsitzender: Ich schliesse die Sitzung an dieser Stelle und
wünsche einen guten Appetit.
(Schluss der Sitzung um 12.35 Uhr.)
Im übrigen Zustimmung
_________________________________________________
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