Redetext Franz Fischler Die Globalisierung prägt im zunehmenden Maße alle Lebensbereiche und auch unser persönliches Leben. Besonders im Wirtschaftsleben und auf den großen Finanzmärkten der Welt ist die Globalisierung an allen Ecken und Enden zu spüren. Moderne Technologie und Kommunikation ermöglichen immer schnellere Geschäfte. Seit der Liberalisierung der Finanzmärkte in den 80er Jahren ist die Zahl der Finanztransaktionen massiv gestiegen. Heute beträgt das globale Volumen der Finanztransaktionen unvorstellbare 3.300 Billionen US Dollar im Jahr (oder 13.100 Milliarden US Dollar pro Handelstag). Auch der Hintergrund der Geldgeschäfte hat sich stark geändert. Nur mehr ein kleiner Teil finanziert realwirtschaftliche Geschäfte wie Handelsgüter und Dienstleistungen. So ist z. B. das Volumen von Devisengeschäften laut WIFO heute fast 70 Mal höher als das Volumen des Handels mit Gütern und Dienstleistungen. Kurzfristige Kurs-gewinne stehen im Vordergrund. Fondsgeschäfte und Spekulationen von immer mehr globalen Playern sind die Realität auf den internationalen Finanzmärkten. Aufgrund dieser Entwicklungen ist die Zeit reif für internationale Abgaben. Eine Möglichkeit von mehreren ist eine Besteuerung von Finanztransaktionen mit einem sehr niedrigen Steuersatz von 0,01 Prozent. Dieser Bagatellsteuersatz könnte die Transparenz auf den Finanzmärkten deutlich erhöhen und Spekulationsgeschäfte verringern. Gleichzeitig würde eine Bagatellsteuer den Erfolg von Finanzmärkten nicht gefährden. Der Vorsitz des Europäischen Rates hat erst im Dezember in einer Erklärung sein Bestreben bekräftigt, die Globalisierung im Interesse der Bürger zu gestalten z. B. indem die Transparenz von Finanzmärkten und die aufsichtsrechtlichen Rahmenbedingungen verbessert werden. Die Besteuerung von Finanztransaktionen wäre ein guter Weg zu mehr Transparenz und Gestaltung der Finanzmärkte, ohne die heimischen Banken zu gefährden. Ich bin überzeugt, dass wir auf dem Finanzmarkt dringend mehr Transparenz brauchen und internationale Abgaben das richtige Instrument sind, um internationale Aufgaben gemeinsam finanzieren zu können. Und wie Studien zeigen, könnte Europa eine Finanztransaktionssteuer auch alleine verwirklichen, ohne den Finanzmärkten in der Europäischen Union zu schaden. Auch 1 Handelsplätze mit besonders großen Börsenumsätzen (z. B. Großbritannien) würden nicht speziell belastet, weil eine Transaktionssteuer letztlich nicht von der Börse selbst, sondern von den internationalen Investoren aus den verschiedensten Ländern gezahlt würde. Als Träger der Global Marshall Plan Initiative setzt sich das Ökosoziale Forum für eine sozial gerechte und ökologisch verantwortungsvolle Welt-Wirtschaftsentwicklung ein. Und spricht sich seit langem für die Einführung einer Finanztransaktionssteuer als internationale Abgabe aus. Eine Bagatellsteuer auf Finanztransaktionen würde auch die internationalen Player auf den Finanzmärkten in die Pflicht nehmen und zumindest einen kleinen Anteil zur Gestaltung einer weltweiten Ökosozialen Marktwirtschaft und der dringend notwendigen Verteilungsgerechtigkeit einfordern. Eine Bagatellbesteuerung von nur 0,01 Prozent innerhalb des EU-Raumes würde laut WIFO Einnahmen von rund 103,9 Mrd. Dollar im Jahr bringen (Rechnung mit mittlerem Transactions-Reduction-Scenario TRS /Zahlen vom Jahr 2006). Das sind umgerecht 82,7 Mrd. Euro – fast zwei Drittel des gesamten EU-Budgets für das Jahr 2008 (EU-Haushalt = 129,1 Mrd. Euro im Jahr 2008). Die Besteuerung von Finanztransaktionen würde es der EU z. B. erleichtern, ihren internationalen Verpflichtungen im Bereich Entwicklungszusammenarbeit nachzukommen. Ein Großteil der EU-Nationalstaaten, darunter auch Österreich, ist ja weit von den vereinbarten Prozentsätzen entfernt. Bis 2010 sollen 0,51 Prozent des Bruttonationaleinkommens für Entwicklungshilfezusammenarbeit aufgebracht werden, bis 2015 sollen es 0,7 Prozent sein. Es müssen auch die Rückstände der vergangenen Jahre beglichen werden, daher sind höhere Zahlungen für den verbleibenden Umsetzungszeitraum bis 2015 notwendig. Der Key Speaker der heutigen Veranstaltung - Jean-Pierre Landau, Second Deputy Governor of the Banque de France – gilt als Vordenker auf diesem Gebiet. Im sogenannten Landau-Report für die französische Regierung zeigt er auf, mit welchen internationalen Besteuerungs-Systemen die Europäische Union dringend notwendige Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit aufbringen könnte. (Derzeit fehlen laut 2 UNO etwa 50 Mrd. Dollar pro Jahr, um die Millenniums-Entwicklungsziele zu erreichen.) Das Wirtschafts- und Finanzministerium konnten dazu gewonnen werden, wissenschaftliche Studien zu finanzieren. Heute werden erste Ergebnisse von zwei Studien präsentiert: - im Auftrag des Wirtschaftsministeriums hat sich Sándor Richter vom Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche mit den Auswirkungen einer Besteuerung von Finanztransaktionen auf die Finanzierung des EU-Haushaltes beschäftigt - Stephan Schulmeister und Margit Schratzenstaller vom Österreichischen Wirtschaftsforschungsinstitut haben in einer Studie Motivation, Einnahmen, Machbarkeit und Auswirkungen einer allgemeinen Steuer auf Finanztransaktionen untersucht. Diese Studie haben das Finanz- und das Wirtschaftsministerium gemeinsam mit dem Ökosozialen Forum in Auftrag gegeben. Im Anschluss an die Präsentationen der Studienergebnisse werden Herr Bundeskanzler Alfred Gusenbauer und Herr Vizekanzler und Finanzminister Wilhelm Molterer die politischen Perspektiven für die Besteuerung von Finanztransaktionen aufzeigen. Danach gibt es die Möglichkeit zur Diskussion. Die internationale Besteuerung von Finanztransaktionen ist ein wichtiger Baustein, um den ökologischen, sozialen und ökonomischen Herausforderungen der heutigen Zeit gerecht zu werden. 3