„Besteuerung von Finanztransaktionen: Status quo und Ausblick“ / 21

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Redetext Franz Fischler
Die Globalisierung prägt im zunehmenden Maße alle Lebensbereiche und auch
unser persönliches Leben. Besonders im Wirtschaftsleben und auf den großen
Finanzmärkten der Welt ist die Globalisierung an allen Ecken und Enden zu spüren.
Moderne Technologie und Kommunikation ermöglichen immer schnellere Geschäfte.
Seit der Liberalisierung der Finanzmärkte in den 80er Jahren ist die Zahl der
Finanztransaktionen massiv gestiegen. Heute beträgt das globale Volumen der
Finanztransaktionen unvorstellbare 3.300 Billionen US Dollar im Jahr (oder 13.100
Milliarden US Dollar pro Handelstag). Auch der Hintergrund der Geldgeschäfte hat
sich stark geändert. Nur mehr ein kleiner Teil finanziert realwirtschaftliche Geschäfte
wie Handelsgüter und Dienstleistungen. So ist z. B. das Volumen von
Devisengeschäften laut WIFO heute fast 70 Mal höher als das Volumen des Handels
mit Gütern und Dienstleistungen. Kurzfristige Kurs-gewinne stehen im Vordergrund.
Fondsgeschäfte und Spekulationen von immer mehr globalen Playern sind die
Realität auf den internationalen Finanzmärkten.
Aufgrund dieser Entwicklungen ist die Zeit reif für internationale Abgaben.
Eine Möglichkeit von mehreren ist eine Besteuerung von Finanztransaktionen mit
einem sehr niedrigen Steuersatz von 0,01 Prozent. Dieser Bagatellsteuersatz könnte
die Transparenz auf den Finanzmärkten deutlich erhöhen und Spekulationsgeschäfte verringern. Gleichzeitig würde eine Bagatellsteuer den Erfolg von
Finanzmärkten nicht gefährden. Der Vorsitz des Europäischen Rates hat erst im
Dezember in einer Erklärung sein Bestreben bekräftigt, die Globalisierung im
Interesse der Bürger zu gestalten z. B. indem die Transparenz von Finanzmärkten
und die aufsichtsrechtlichen Rahmenbedingungen verbessert werden. Die
Besteuerung von Finanztransaktionen wäre ein guter Weg zu mehr Transparenz und
Gestaltung der Finanzmärkte, ohne die heimischen Banken zu gefährden.
Ich bin überzeugt, dass wir auf dem Finanzmarkt dringend mehr Transparenz
brauchen und internationale Abgaben das richtige Instrument sind, um internationale
Aufgaben gemeinsam finanzieren zu können.
Und wie Studien zeigen, könnte Europa eine Finanztransaktionssteuer auch alleine
verwirklichen, ohne den Finanzmärkten in der Europäischen Union zu schaden. Auch
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Handelsplätze mit besonders großen Börsenumsätzen (z. B. Großbritannien) würden
nicht speziell belastet, weil eine Transaktionssteuer letztlich nicht von der Börse
selbst, sondern von den internationalen Investoren aus den verschiedensten Ländern
gezahlt würde.
Als Träger der Global Marshall Plan Initiative setzt sich das Ökosoziale Forum für
eine sozial gerechte und ökologisch verantwortungsvolle Welt-Wirtschaftsentwicklung ein. Und spricht sich seit langem für die Einführung einer Finanztransaktionssteuer als internationale Abgabe aus. Eine Bagatellsteuer auf Finanztransaktionen würde auch die internationalen Player auf den Finanzmärkten in die Pflicht
nehmen und zumindest einen kleinen Anteil zur Gestaltung einer weltweiten
Ökosozialen Marktwirtschaft und der dringend notwendigen Verteilungsgerechtigkeit
einfordern.
Eine Bagatellbesteuerung von nur 0,01 Prozent innerhalb des EU-Raumes würde
laut WIFO Einnahmen von rund 103,9 Mrd. Dollar im Jahr bringen (Rechnung mit
mittlerem Transactions-Reduction-Scenario TRS /Zahlen vom Jahr 2006). Das sind
umgerecht 82,7 Mrd. Euro – fast zwei Drittel des gesamten EU-Budgets für das Jahr
2008 (EU-Haushalt = 129,1 Mrd. Euro im Jahr 2008).
Die Besteuerung von Finanztransaktionen würde es der EU z. B. erleichtern, ihren
internationalen Verpflichtungen im Bereich Entwicklungszusammenarbeit
nachzukommen. Ein Großteil der EU-Nationalstaaten, darunter auch Österreich, ist
ja weit von den vereinbarten Prozentsätzen entfernt. Bis 2010 sollen 0,51 Prozent
des Bruttonationaleinkommens für Entwicklungshilfezusammenarbeit aufgebracht
werden, bis 2015 sollen es 0,7 Prozent sein. Es müssen auch die Rückstände der
vergangenen Jahre beglichen werden, daher sind höhere Zahlungen für den
verbleibenden Umsetzungszeitraum bis 2015 notwendig.
Der Key Speaker der heutigen Veranstaltung - Jean-Pierre Landau, Second Deputy
Governor of the Banque de France – gilt als Vordenker auf diesem Gebiet. Im
sogenannten Landau-Report für die französische Regierung zeigt er auf, mit welchen
internationalen Besteuerungs-Systemen die Europäische Union dringend notwendige
Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit aufbringen könnte. (Derzeit fehlen laut
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UNO etwa 50 Mrd. Dollar pro Jahr, um die Millenniums-Entwicklungsziele zu
erreichen.)
Das Wirtschafts- und Finanzministerium konnten dazu gewonnen werden,
wissenschaftliche Studien zu finanzieren. Heute werden erste Ergebnisse von zwei
Studien präsentiert:
- im Auftrag des Wirtschaftsministeriums hat sich Sándor Richter vom Wiener Institut
für Internationale Wirtschaftsvergleiche mit den Auswirkungen einer Besteuerung von
Finanztransaktionen auf die Finanzierung des EU-Haushaltes beschäftigt
- Stephan Schulmeister und Margit Schratzenstaller vom Österreichischen
Wirtschaftsforschungsinstitut haben in einer Studie Motivation, Einnahmen, Machbarkeit und Auswirkungen einer allgemeinen Steuer auf Finanztransaktionen untersucht. Diese Studie haben das Finanz- und das Wirtschaftsministerium gemeinsam
mit dem Ökosozialen Forum in Auftrag gegeben.
Im Anschluss an die Präsentationen der Studienergebnisse werden Herr
Bundeskanzler Alfred Gusenbauer und Herr Vizekanzler und Finanzminister Wilhelm
Molterer die politischen Perspektiven für die Besteuerung von Finanztransaktionen
aufzeigen. Danach gibt es die Möglichkeit zur Diskussion.
Die internationale Besteuerung von Finanztransaktionen ist ein wichtiger Baustein,
um den ökologischen, sozialen und ökonomischen Herausforderungen der heutigen
Zeit gerecht zu werden.
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