EUROPÄISCHES PARLAMENT

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EUROPÄISCHES PARLAMENT
1999
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2004
Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten, Menschenrechte, gemeinsame Sicherheit und
Verteidigungspolitik
VORLÄUFIG
1999/2126(COS)
17. Februar 2000
ENTWURF EINES BERICHTS
über die Mitteilung der Kommission über den
Assoziierungsprozeß für die Länder Südosteuropas
(KOM(1999) 235 - C5-0124/1999 - 1999/2126(COS))
Stabilisierungs-
und
Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten, Menschenrechte, gemeinsame Sicherheit
und Verteidigungspolitik
Berichterstatter: Jan Joost Lagendijk
PR\387650DE.doc
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INHALT
Seite
GESCHÄFTSORDNUNGSSEITE ................................................................................................ 4
ENTSCHLIESSUNGSANTRAG ................................................................................................... 5
BEGRÜNDUNG ............................................................................................................................. 9
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GESCHÄFTSORDNUNGSSEITE
Mit Schreiben vom 27. Mai 1999 unterbreitete die Kommission dem Europäischen Parlament ihre
Mitteilung über den Stabilisierungs- und Assoziierungsprozeß für die Länder Südosteuropas
(KOM(1999) 235 – 1999/2126(COS)).
In der Sitzung vom 7. Oktober 1999 gab die Präsidentin des Europäischen Parlaments bekannt, daß
sie diese Mitteilung an den Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten, Menschenrechte, gemeinsame
Sicherheit und Verteidigungspolitik als federführenden Ausschuß überwiesen hat (C5-0124/1999).
Der Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten, Menschenrechte, gemeinsame Sicherheit und
Verteidigungspolitik benannte in seiner Sitzung vom 13. Oktober 1999 Jan Joost Lagendijk als
Berichterstatter.
Er prüfte die Mitteilung der Kommission und den Berichtsentwurf in seiner Sitzung vom 31. Januar
2000, 23. Februar 2000....
In der letztgenannten Sitzung nahm der Ausschuß den Entschließungsantrag mit ... Stimmen an.
Bei der Abstimmung waren anwesend:
Der Bericht wurde am ...eingereicht.
Die Frist für die Einreichung von Änderungsanträgen wird im Entwurf der Tagesordnung für die
Tagung angegeben, auf der der Bericht geprüft wird/wurde auf ..., ... Uhr festgesetzt.
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ENTSCHLIESSUNGSANTRAG
Entschließung des Europäischen Parlaments zu der Mitteilung der Kommission über den
Stabilisierungs- und Assoziierungsprozeß für die Länder Südosteuropas (KOM(1999) 235 –
C5-0124/1999 – 1999/2126(COS))
Das Europäische Parlament,
-
in Kenntnis der Mitteilung der Kommission über den Stabilisierungs- und
Assoziierungsprozeß für die Länder Südosteuropas (KOM(1999) 235 – C5-0124/1999)1,
-
gestützt auf Artikel 47 Absatz 1 seiner Geschäftsordnung,
-
in Kenntnis der Mitteilung der Kommission über die gemeinschaftliche Unterstützung
des Stabilisierungs- und Assoziierungsprozesses für bestimmte südosteuropäische Länder
– Programm CARA Gemeinschaftliche Assoziations- und Wiederaufbauhilfe - vom 8.
Dezember 1999 (KOM(1999) 661)2,
-
in Kenntnis des Berichts der Finnischen Präsidentschaft und der Kommission an den
Europäischen Rat von Helsinki über die Maßnahmen der EU zur Unterstützung des
Stabilitätspaktes für Südosteuropa, 10./11. Dezember, Rat 13814/99,
-
in Kenntnis des Beschlusses über die Einrichtung eines Stabilitätspaktes für Südosteuropa
vom 10. Juni 1999 in Köln sowie der Erklärung der Teilnehmer des Balkan-Gipfels zum
Stabilitätspakt vom 30. Juli 1999 in Sarajewo,
-
in Kenntnis des vom Regionaltisch des Stabilitätspaktes am 16. September 1999 in
Brüssel verabschiedeten Arbeitsprogrammes sowie der bisherigen Ergebnisse der
Arbeiten der drei Arbeitstische bis Ende 1999,
-
in Kenntnis des Berichts des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten,
Menschenrechte, gemeinsame Sicherheit und Verteidigungspolitik (A5-0000/2000),
A.
in der Überzeugung, daß die Frage der Herstellung von Frieden, Stabilität, Demokratie
und Rechtsstaatlichkeit sowie wirtschaftlicher Entwicklung in Südosteuropa eine der
zentralen Herausforderungen für die Europäische Union in den kommenden Jahren
darstellt und auch zu einem Test für die Fähigkeit der EU werden wird, ein wirksames,
auf Konfliktprävention ausgerichtetes, ziviles und militärisches Krisenmanagement zu
entwickeln,
B.
in der Überzeugung, daß die Probleme der Region nicht isoliert voneinander und getrennt
von denen des übrigen Europas behandelt werden können,
C.
unter Hinweis darauf, daß die Kosovo-Krise noch einmal deutlich gemacht hat, daß die
Balkan-Region Teil Europas ist, und daß ethnische Auseinandersetzungen,
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2
Noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht
Noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht
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Flüchtlingsströme und labile Volkswirtschaften massiv die Stabilität Gesamteuropas
beeinflussen können,
D.
in der Überzeugung, daß mit dem Stabilitätspakt für Südosteuropa ein richtiger
konzeptioneller Rahmen zur Krisenprävention geschaffen wurde, in dem die Region als
Ganzes begriffen wird, und die Herstellung von Demokratie, wirtschaftliche Entwicklung
und Sicherheit als sich einander bedingende Elemente erachtet werden,
E.
in der Erwägung, daß alle Länder der Region – in unterschiedlichem Ausmaß – mit
denselben Problemen zu kämpfen haben: schwache politische Institutionen und
Rechtsunsicherheit, keine freien Medien, Korruption und Kriminalität, zerstörte oder
vernachlässigte Infrastruktur und Umwelt, mangelhafte Wirtschaftstätigkeit und geringes
Investitionsniveau, hohe Arbeitslosigkeit, ineffizientes Banken- und Steuersystem,
unzureichendes Grenzmanagement, zu kleiner Privatsektor und mangelhafte
Wirtschaftsgesetzgebung,
F.
in der Erwägung, daß nach den Konflikten im ehemaligen Jugoslawien Wiederaufbau
nicht nur im physischen und wirtschaftlichen Sinne zu verstehen ist, sondern auch
sozialen, gesellschaftlichen und institutionellen Wiederaufbau bedeutet, und deshalb das
zentrale Ziel jeglicher Strategie von Wiederaufbau die Wiederherstellung von
Rechtsstaatlichkeit sein muß,
G.
in der Erwägung, daß das Angebot der EU an Bosnien-Herzegowina, Kroatien,
Bundesrepublik Jugoslawien, die ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien und
Albanien, Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen abzuschließen, diesen Ländern
langfristig die Perspektive der EU-Mitgliedschaft eröffnet,
H.
unter Hinweis darauf, daß der Stabilitätspakt die Klammer zwischen diesen SAA-5Ländern und der Kandidatenländer Bulgarien und Rumänien sowie Ungarn und
Slowenien darstellt, und sie alle gemeinsam mit der EU und ihren Mitgliedsländern, den
USA, Rußland, Kanada, Japan und der Türkei sowie den internationalen Organisationen
und internationalen Finanzinstitutionen am Regionalen Tisch beteiligt sind, an dem
Programme für die Entwicklung der Region beraten werden,
I.
in der Überzeugung, daß das Angebot der EU nach Integration in die euro-atlantischen
Strukturen und die Unterstützung zur regionalen Kooperation nicht als Alternativen zu
verstehen sind, sondern als zwei sich ergänzende und verstärkende Prozesse,
J.
in der Erwägung, daß die EU zwischen 1991 und 1999 bereits über 7,5 Mrd. € an Hilfen
für die 5 Länder der Region geleistet hat und für die Periode 2000-2006 einen Betrag von
etwa 5,5 Mrd. € zur Verfügung stellen will, sowie 6,2 Mrd. € für Rumänien und
Bulgarien,
1.
betrachtet den Stabilitätspakt für Südosteuropa als die zur Zeit zentrale Aufgabe der
Europäischen Union, an der sich sowohl die Zukunft von Frieden und Stabilität in
Südosteuropa als auch die politische Glaubwürdigkeit der Union entscheiden wird;
2.
appelliert deshalb an die EU, mit allen ihr zur Verfügung stehenden Instrumenten,
Programmen und Finanzierungsmöglichkeiten, innerhalb des Stabilitätspaktes die
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zentrale Führungsrolle zu übernehmen;
3.
fordert den Hohen Vertreter für die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik und den
für Außenbeziehungen zuständigen Kommissar auf, dafür Sorge zu tragen, daß es zu
einer engen Verzahnung zwischen der EU als dem Hauptgeldgeber für die Region und
dem Sonderkoordinator als Verantwortlichen für die Umsetzung des Paktes kommt;
4.
drängt darauf, daß es mittels einer solch engen Verzahnung und durch eine Stärkung des
europäischen Pfeilers innerhalb der Struktur des Stabilitätspaktes zu einer Verringerung
der Vielzahl der Akteure auf dem Balkan und zu mehr Transparenz bei der Nutzung
schon bestehender Strukturen kommt;
5.
unterstützt das strategische Konzept des Stabilitätspaktes im Sinne einer präventiven
Politik, bei der Fragen der äußeren und inneren Sicherheit, der Demokratisierung und
Rechtsstaatlichkeit und der wirtschaftlichen Entwicklung als einander gegenseitig
bedingende Aufgaben gleichberechtigt und parallel zu behandeln sind;
6.
betrachtet die für Ende März vorgesehene Finanzierungskonferenz für Projekte im
Rahmen des Stabilitätspaktes als entscheidenden Test für die Fähigkeit des Paktes,
politische Konzepte in die Praxis umzusetzen; erwartet von der EU-Kommission, daß sie
bei der Projektfinanzierung eine zentrale Führungsrolle übernimmt;
7.
fordert die EU-Kommission auf, im Rahmen des neu zu schaffenden Assoziierungs- und
Wiederaufbauprogrammes für die fünf Länder des westlichen Balkans („CARA“), im
Rahmen von Phare sowie unter Ausnutzung von Interreg konkrete Projekte von allen drei
Arbeitstischen mitzufinanzieren; dabei sind nicht nur regionale Wirtschaftsprojekte zu
fördern, sondern besondere Aufmerksamkeit sollte auch Projekten des ersten
Arbeitstisches zur Demokratisierung und Förderung der Zivilgesellschaft sowie des
dritten Arbeitstisches zur regionalen Abrüstung, Minensäuberung, Verbesserung der
Polizeiarbeit und der Anti-Korruptions-Maßnahmen gewidmet werden;
***
8.
unterstreicht, daß die EU mit dem von ihr eingeleiteten Stabilisierungs- und
Assoziierungsprozeß den Völkern in der Region die längerfristige Perspektive einer
Einbeziehung in die Strukturen der EU anbietet und ihnen damit nach den Jahren des
Leidens wieder Hoffnung auf eine bessere Zukunft gibt;
9.
betrachtet das von der EU seit 1996 vertretene Regionalkonzept gegenüber dem
westlichen Balkan als weiterhin gültig, wobei das Prinzip der politischen Konditionalität
auch im Rahmen des Stabilitätspaktes anzuwenden ist;
10.
erachtet für die unmittelbare Wirksamkeit des Stabilitätspaktes sowie für die notwendige
finanzielle Unterstützung des Assoziierungs- und Stabilitätsprozesses die Vorlage eines
umfassenden Hilfsprogrammes für die fünf SAA-Länder für äußerst dringlich;
11.
drängt darauf, daß dabei besonderes Gewicht auf die regionale Zusammenarbeit gelegt
wird und daß Mehrländerprogramme und grenzüberschreitende Projekte weiterhin im
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Rahmen des Stabilitätspaktes möglich sind;
12.
ist der Auffassung, daß der Zuständigkeitsbereich der europäischen WiederaufbauAgentur über das Kosovo hinaus auf den gesamten Geltungsbereich der neuen
Assoziierungs- und Wiederaufbau-Verordnung auszudehnen ist und die Agentur für die
Umsetzung der horizontalen EU-Programme sowie für die Koordinierung mit Projekten
anderer internationaler Geber verantwortlich sein muß;
13.
geht davon aus, daß neben den regionalen Projekten für jedes Land besondere nationale
Programme aufgestellt werden müssen, die auf die speziellen Bedürfnisse und
Bedingungen eines jeden Landes zugeschnitten sind und deren Umsetzung von den
jeweiligen EU-Delegationen vor Ort gemanaged werden sollten;
14.
betrachtet diesbezüglich Bosnien-Herzegowina, Kosovo und Albanien als besondere
Krisenherde, denen weiterhin die besondere Aufmerksamkeit der EU und der
internationalen Gemeinschaft gelten muß;
15.
erachtet im Fall der BRJ die selektive Aufhebung der Sanktionen für eine Möglichkeit,
die serbische Opposition zu stärken und das Milosevic-Regime zu schwächen;
16.
unterstützt die Teilnahme von Montenegro am politischen Dialog, der mit Vertretern der
demokratischen Kräfte in der Bundesrepublik Jugoslawien aufgenommen wurde;
17.
begrüßt den demokratischen Wandel in Kroatien und ermuntert die neue Regierung, die
nötigen Schritte zu unternehmen, damit die EU ihre Hilfe erweitern und einen Bericht zur
Realisierbarkeit der Eröffnung von Verhandlungen über ein Stabilisierungs- und
Assoziierungsabkommen erstellen kann;
18.
betrachtet die Bekämpfung von Korruption und organisierter Kriminalität als
entscheidende Voraussetzung für die Schaffung einer zivilen Gesellschaft, die sich auf
Rechtsstaatlichkeit und Demokratie aufbaut;
19.
unterstreicht die Bedeutung unabhängiger Medien für die Entwicklung der
Zivilgesellschaft; begrüßt die im Rahmen des Stabilitätspaktes entworfene "Charter für
Medienfreiheit", die allerdings auch materiell durch Einzelprojekte gezielt unterstützt
werden sollte;
20.
unterstreicht die wichtige Rolle von internationalen und lokalen
Nichtregierungsorganisationen (NRO) beim wirtschaftlichen und gesellschaftlichen
Wiederaufbau; fordert eine Vereinfachung der Ausschreibungsmodalitäten für EUProjekte, damit besonders lokale NRO sich stärker beteiligen können;
21.
wiederholt seine Forderung nach einer aktiven Regionalhilfe der EU im Rahmen des
Stabilitätspaktes, mit der regionale Infrastrukturprojekte wie der Ausbau der europäischen
Korridore acht und zehn, grenzüberschreitende Energie-, Umwelt- und Wasserprojekte,
gemeinsame Verbesserung des Grenzmanagements und des Zollwesens gefördert werden;
22.
begrüßt die jüngste Initiative der EU-Kommission für einen "Regional Environmental
Reconstruction Plan" im Rahmen des Stabilitätspaktes;
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***
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BEGRÜNDUNG
I.
Einleitung
Südosteuropa ist der krisenbeladene Hinterhof der Europäischen Union.
Für lange Zeit wird der Konfliktherd Balkan eine ständige Herausforderung für das
Konfliktmanagement der EU und ihre Integrationskraft darstellen.
Der Kosovo-Krieg als der vierte Krieg im ehemaligen Jugoslawien in nur acht Jahren hat
nicht nur zu einem Umdenken innerhalb der Union im Hinblick auf diese Region geführt;
die Balkankrise hat auch den Erweiterungsprozeß der Union nach Mittel- und Osteuropa
im Sinne der Schaffung von sicherheitspolitischer Stabilität beschleunigt, und sie hat
dazu beigetragen, daß mit den Beschlüssen des Europäischen Rates von Köln und
Helsinki zur Schaffung von militärischen und zivilen Fähigkeiten für ein eigenständiges
Krisenmanagement der Union eine entscheidende Entwicklung in der europäischen
Sicherheits- und Verteidigungspolitik markiert wurde.
Während sich nach der Zeitenwende 1989/90 mit dem Fall des Eisernen Vorhangs die
Staaten Mittel- und Osteuropas friedlich in demokratische und marktwirtschaftliche
Systeme transformierten und die Integration in die euro-atlantischen Strukturen
anstrebten, obsiegten auf dem Balkan die Kräfte des extremen Nationalismus und des
ethnischen Wahns. Staatlicher und gesellschaftlicher Zerfall, Krieg und Zerstörung,
ethnische Säuberungen und Vertreibungen waren die Folge.
Während in Mittel- und Osteuropa die Union durch den Erweiterungsprozeß einen
historischen Beitrag zur Wiedervereinigung Europas mit sich selbst leistet, sah sie dem
gewaltsamen Prozeß der Desintegration auf dem Balkan hilflos zu, ohne ihn durch
eigenes Handeln aufhalten zu können. Es fehlte nicht nur der gemeinsame politische
Wille zum Handeln, es fehlten auch das politische Konzept und die geeigneten
Instrumente, mit denen die Union zu einem effektiven, internationalen
Krisenmanagement hätte beitragen können.
Erst mit dem Kosovo-Konflikt wurde eine Wende eingeleitet. Erstmals setzte sich die
Einsicht durch, daß das Problem der Region nicht isoliert voneinander und getrennt von
denen des übrigen Europas behandelt werden kann. Die konkrete Umsetzung dieser
neuen Einsicht war der Beschluß vom 10. Juni 1999 in Köln über die Schaffung eines
Stabilitätspaktes für Südosteuropa, an dem nicht nur die Mitgliedstaaten der EU als
Initiator, sondern auch die USA, Rußland, die internationalen Institutionen und natürlich
die betroffenen Länder der Region mitwirkten.
Von nun an sollten diesem Gewalt- und Instabilitätspotential dieser Region wirksame,
präventive Strategien entgegengesetzt und möglichst alle Länder Südosteuropas - auch
die Bundesrepublik Jugoslawien, wenn hierfür die Voraussetzungen erfüllt sind - an das
Europa der Integration herangeführt und darin nachhaltig verankert werden.
Europa ist die einzige Perspektive, die den Völkern der Region eine echte Chance zur
Versöhnung und dauerhaften Frieden bieten kann.
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Die Europäische Union steht - ähnlich wie bei den beiden anderen Schlüsseletappen der
jüngeren Geschichte: Entstehung unabhängiger Staaten in Mittel- und Osteuropa 1989/ 90
und der Auflösung der ehemaligen Sowjetunion 1991 - vor geopolitischen
Herausforderungen, die die Entwicklung einer neuen Politik und neuer Instrumente
gegenüber einer Ländergruppe erforderlich machen.
Die Kommission hat in Fortentwicklung ihres Regionalkonzepts von 1996 im Mai 1999
ihre Vorschläge für einen Stabilisierungs- und Assoziierungsprozeß1 vorgelegt, den sie
als wichtigen Beitrag der EU für den Stabilitätspakt versteht und der Teil der künftigen
gemeinsamen Strategie der EU gegenüber Südosteuropa sein soll.
Dieses neuartige konzeptionelle und vertragliche Angebot gilt für die fünf Länder
Bosnien und Herzegowina, Kroatien, Bundesrepublik Jugoslawien, ehemalige
jugoslawische Republik Mazedonien und Albanien. Ein erstes Verhandlungsmandat
wurde für die ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien im September 1999
vorgelegt2.
Zur finanziellen Unterstützung dieser Länder hat die Kommission am 8. Dezember 1999
Leitlinien für ein Assoziations- und Wiederaufbauprogramm für den westlichen Balkan
verabschiedet, welches die bisherigen Verordnungen Phare und Obnova für diese
Ländergruppen ablösen und eine einheitliche Rechtsgrundlage schaffen soll3.
Mit dem CARA-Programm versucht die Kommission, die Länder der Region einerseits
enger an die EU heranzuführen und andererseits die Beziehungen zwischen den Ländern
der Region untereinander zu stärken.
Es soll Aufgabe dieses Berichtes sein zu untersuchen, inwieweit die derzeitige EU-Politik
gegenüber Südosteuropa geeignet ist, innerhalb des Stabilitätspaktes die
Führungsverantwortung zu übernehmen.
Denn nur die EU mit ihrem demokratischen und politischen Potential, mit ihrer
Wirtschaftsmacht und mit ihren Hilfsprogrammen ist tatsächlich in der Lage,
strukturbildend in die Region hineinzuwirken. Nehmen die EU und ihre Mitgliedstaaten
diese Verantwortung nicht wahr, dann wird es zu keiner Befriedung, zu keiner
Demokratisierung, zu keiner wirtschaftlichen Entwicklung auf dem Balkan kommen.
Denn es gibt keinen anderen Akteur als die EU, der der Herausforderung "Südosteuropa"
gewachsen ist – auch im wohlverstandenen Eigeninteresse.
II.
Der Stabilitätspakt – regionale Entwicklung als Krisenprävention
Mit dem am 10. Juni 1999 in Köln ins Leben gerufenen Stabilitätspakt für Südosteuropa
wird erstmals versucht, nicht nur länder-, symptom- und krisenorientiert zu reagieren,
sondern mit Blick auf das der Region eigene Krisenpotential vorbeugend zu agieren.
1
KOM(1999) 235 vom 26.05.1999
siehe Bericht Swoboda, A5-0031/2000
3
CARA-Programm – Community Association and Reconstruction Assistance
2
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Der Stabilitätspakt versteht sich als Instrument einer sich entwickelnden "Kultur der
Prävention", der sich der erfolgreichen Konzepte der europäischen Integration und des
Helsinki-Prozesses bedient, mit dem Westeuropa geeint und die Teilung des Kontinents
überwunden wurde.
Die Kosovo-Krise hat noch einmal klargemacht, daß die Region Teil Europas ist.
Ethnische Auseinandersetzungen, Flüchtlingsströme, labile Volkswirtschaften
beeinflussen massiv die Stabilität Gesamteuropas.
Im Interesse aller Stabilisierungsanstrengungen stehen die fünf Länder des westlichen
Balkans (Kroatien, Bosnien und Herzegowina, Albanien, die Bundesrepublik
Jugoslawien mit dem internationalen Protektorat Kosovo und der krisengefährdeten
Teilrepublik Montenegro und die ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien) mit
ihren etwa 25 Millionen Menschen und einem gemeinsamen BSP von etwa 50 Mrd. Euro
in 1998, was etwa 0,7% des gesamten EU-BSP entspricht, vergleichbar dem
Griechenlands.
Das Besondere des Stabilitätspaktes ist aber, daß diese Kerngruppe besonders instabiler
und wirtschaftlich zurückgebliebener Länder in den größeren regionalen Rahmen mit den
Nachbarländern Bulgarien und Rumänien, Ungarn und Slowenien sowie Griechenland
und die Türkei eingebettet ist und alle zusammen gemeinsam mit den Ländern der EU,
den USA, Rußland, den internationalen Finanzinstituten (IFI), und internationalen
Organisationen wie NATO, UN, OSZE etc. an einem (Regional)Tisch sitzen.
In seinen Strukturen und Mechanismen ist der Stabilitätspakt analog zur Schlußakte von
Helsinki angelegt, basierend auf der fundamentalen Einsicht, daß Sicherheit, Demokratie
und Rechtsstaatlichkeit und wirtschaftliche Entwicklung untrennbar miteinander
verbunden sind und sich gegenseitig bedingen:
Die drei Arbeitstische des Paktes umfassen deshalb:
i. Demokratie und Menschenrechte, wobei der Förderung der Zivilgemeinschaft eine
Schlüsselrolle zukommt;
Prioritäten sind:
Aufbau von Institutionen und verantwortungsvolle Staatsführung
Freiheit der Medien und Bildung
Schutz der Minderheiten sowie Flüchtlingsfragen
ii. Wirtschaftlicher Wiederaufbau, Entwicklung und Kooperation nach dem Motto
"Krisenprävention ist Kostenprävention"
Prioritäten sind:
Handelsliberalisierung und Zusammenarbeit
Entwicklung der Privatwirtschaft
regionale Infrastruktur und Umwelt
Rechtsreformen und Angleichung der Rechtsvorschriften
Schaffung günstiger Investitionsbedingungen
iii. Sicherheit, einschließlich der Bereiche Justiz und innere Angelegenheiten
Südosteuropa braucht ein umfassendes Sicherheitskonzept gegen die Bedrohung von
innen wie außen.
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Prioritäten sind:
Bekämpfung des organisierten Verbrechens und der Korruption
Grenzmanagement, Einwanderung und Zollwesen
Minenräumung und kleine Waffen
Rüstungskontrolle und vertrauensbildende Maßnahmen
Verbesserung des Polizei-, Justiz- und Strafvollzugswesens
Der Grundgedanke des Stabilitätspaktes ist es, Inseln der Stabilität zu fördern, in der
Hoffnung, daß diese auf ihre Umgebung positiv ausstrahlen, und so die Region als
Ganzes zu entwickeln.
Alle drei Arbeitstische haben im Herbst 1999 ihre Arbeit aufgenommen, Aktionspläne
aufgestellt und Projekte mit regionalen Auswirkungen identifiziert. Eine
Finanzierungskonferenz Ende März 2000 soll die Grundlage für ihre Umsetzung
schaffen.
Der Stabilitätspakt als solcher verfügt über kein eigenes Geld1, noch verfügt er über das
organisatorische Potential, eigene Hilfs- oder Entwicklungsprogramme zu konzipieren
und umzusetzen. Der Stabilitätspakt stellt nur einen politisch-konzeptionellen Rahmen
dar, der auf Projektvorschläge und deren Finanzierung von individuellen Ländern,
internationalen Organisationen oder Finanzinstitutionen angewiesen ist. Im besten Fall
entwickelt sich hieraus ein Mosaik von sinnvollen Projekten, schwerlich jedoch ein
strukturierter Entwicklungsplan. Der Pakt ist Animateur und Koordinator, aber kein
wirklicher Akteur. Dies jedoch wäre notwendig, und diese Rolle kann nur die EUKommission mit ihren Finanzmitteln und ihrem Managementpotential wahrnehmen.
Deshalb ist es unbedingt wichtig, daß die Kommission sich dieser Verantwortung stellt
und sich konstruktiv in den Pakt einbringt.
Ohnehin ist der Balkan mit einer unübersehbaren Vielzahl von internationalen Akteuren
und Aktivitäten übersät, sei es UN, NATO, OSZE, WEU, Europarat, NRO, RoyaumontProzeß, SECI etc. oder von einzelstaatlichen Initiativen wie USAID.
Es ist gut, wenn sich all diese Akteure im Rahmen des Stabilitätspaktes koordinieren. Ein
wirklicher Durchbruch wird jedoch nur gelingen, wenn die EU sich im Pakt mit allen ihr
zur Verfügung stehenden Mitteln engagiert.
III.
Die EU als Impulsgeber und zentraler Akteur
Die EU hatte bis zum Kosovo-Krieg auf die Krisen des westlichen Balkans seit 1991
völlig unzureichend reagiert, geschweige denn agiert.
Das politisch-diplomatische Krisenmanagement hat nicht funktioniert, militärisches
Krisenmanagement war nicht vorhanden, weshalb jegliches glaubwürdige Drohpotential
für diplomatische Lösungen fehlte. Später wurden für den Wiederaufbau in BosnienHerzegowina untaugliche Instrumente aus Phare angewandt, welche für Länder mit
1
Nur die Verwaltungsausgaben für den Sonderkoordinator werden als gemeinsame Aktion aus dem
Gemeinschaftshaushalt finanziert.
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funktionierenden Regierungen, die sich in einem Transformations- und Reformprozeß
befinden, gedacht waren, aber mit ihren zentralisierten Verfahren über die Brüsseler
Bürokratie nicht für den Wiederaufbau in einer Nachkriegssituation tauglich waren.
Auch das Wiederaufbauprogramm Obnova wurde erst allmählich durch Kritik aus dem
Europäischen Parlament und dem Rechnungshof dezentralisiert mit vereinfachten
Verfahren, welche eine effektive Wiederaufbauhilfe vor Ort ermöglichte. Erst mit der
Wiederaufbau-Agentur für den Kosovo schuf die EU schließlich ein Instrument vor Ort in
der Region, das mit großer Eigenständigkeit und in Kooperation mit anderen
Organisationen wie UNMIG und KFOR einen effektiven und sichtbaren
Wiederaufbaubeitrag im Kosovo leistet1.
Zwischen 1991 und 1999 hat die EU insgesamt über 7,5 Mrd. Euro an Hilfen für die
Region geleistet. Rechnet man die Leistungen der Mitgliedsländer hinzu, so machen die
EU-Hilfen, einschließlich 7,3 Mrd. Euro für Rumänien und 3,28 Mrd. Euro für Bulgarien,
insgesamt 19,3 Mrd. Euro aus.
Für die Periode 2000 – 2006 werden in etwa 5,5 Mrd. Euro für die fünf Länder anvisiert
sowie 6,2 Mrd. Euro für Rumänien und Bulgarien.
Regionale Kooperation und Integration in die europäischen Strukturen – die
Stabilisierungs- und Assoziationsabkommen
1.)
Ihren Hauptbeitrag zum langfristigen Erfolg des Stabilitätspaktes sieht die EU in ihrem
Angebot an die 5 Länder, mit ihnen in eine neue Art von vertraglichen Beziehungen
einzutreten – die Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen (SAA) – und ihnen damit
die Perspektive einer langfristigen Integration in die EU zu eröffnen, auf der Grundlage
des Amsterdamer Vertrages und bei Erfüllung der Kopenhagener Kriterien.
Dies ist zunächst ein wichtiges politisches Signal an die Länder der Krisenregion und ein
entscheidender Anreiz für die beteiligten Staaten.
Ebenso wichtig ist aber auch das hinter den SAA stehende Konzept einer Verstärkung der
regionalen Zusammenarbeit in Südosteuropa, nicht als Alternative oder als Vorbedingung
zur europäischen Integration, sondern als Hilfestellung auf dem Weg dorthin.
Zielpunkte des Stabilisierungs- und Assoziationsprozesses sind:
-
1
Weiterentwicklung der bestehenden wirtschaftlichen und handelspolitischen
Beziehungen zu und innerhalb der Region.
Die EU ist der Haupthandelspartner für alle Länder der Region, von 55% mit Kroatien
bis zu 90% mit Albanien, wohin mindestens 80% aller Exporte aus diesen Ländern mit
der EU zollfrei abgewickelt werden. Der intraregionale Handel beträgt zur Zeit nur
zwischen 25% und 30% (einschließlich mit benachbarten Kandidatenländern) und im
Fall Albaniens nur 5%.
vergleiche Bericht Pack, A5-0013/1999 und KOM(1999) 312
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- Weiterentwicklung und teilweise Neuausrichtung der bestehenden wirtschaftlichen
und finanziellen Hilfen
- Verstärkte Unterstützung der Demokratisierung, der Zivilgesellschaft, der Bildung und
des Ausbaus der Institutionen,
- Kooperation in den Bereichen Justiz und Inneres
- Entwicklung des politischen Dialogs, einschließlich auf regionaler Ebene.
So richtig und wichtig das Angebot dieser neuartigen Vertragsbeziehungen ist, so muß
doch realistischerweise darauf hingewiesen werden, daß zunächst nur mit FYROM
Vertragsverhandlungen aufgenommen werden und daß, wenn man den
Ratifizierungsprozeß mit einrechnet, ein entsprechendes Abkommen nicht vor 2004 in
Kraft treten wird.
Mit Albanien wurde zunächst nur ein Prüfungsbericht durchgeführt mit dem Ergebnis,
daß dieses Land noch eine erhebliche Wegstrecke politischer und wirtschaftlicher
Reformen einschlagen muß, bevor an die Erteilung eines Verhandlungsmandats gedacht
werden kann.
Mit dem Regierungswechsel in Kroatien ergeben sich für dieses Land positive
Perspektiven, sich bei weiteren Demokratisierungsbemühungen für ein SAA zu
qualifizieren.
Bosnien und Herzegowina wird immer noch weitgehend von der internationalen
Gemeinschaft alimentiert und mitverwaltet, und mit der Bundesrepublik Jugoslawien sind
derzeit überhaupt nur Gespräche mit Vertretern der serbischen Opposition sowie mit den
Behörden von Montenegro möglich und angebracht.
Eine derartige Ungleichzeitig- und Unterschiedlichkeit in der Entwicklung der fünf
potentiellen SAA-Länder macht deutlich, daß das Konzept der SAA allein nicht den
Königsweg zur Befriedung, Stabilisierung und Entwicklung der Region darstellen kann.
2.)
Zur Notwendigkeit eines regionalen Stabilisierungsprogrammes
Es bedarf vielmehr eines kurz- und mittelfristigen regionalen Stabilisierungs- und
Entwicklungsprogrammes, das – eingebettet in den Stabilitätspakt und seine drei
Arbeitstische – die drei Dimensionen Demokratie und Rechtssicherheit, wirtschaftliche
Entwicklung sowie innere und äußere Sicherheit abdeckt und dabei die Möglichkeiten
aller drei Pfeiler der EU-Politiken ausschöpft.
Denn alle Länder der Region haben – in unterschiedlichem Ausmaß – mit denselben
Problemen zu kämpfen: schwache politische Institutionen und Rechtsunsicherheit,
manipulierte Medien, Korruption und organisierte Kriminalität, zerstörte oder
verkommene Infrastruktur und Umwelt, mangelhafte Wirtschaftstätigkeit und geringes
Investitionsniveau, hohe Arbeitslosigkeit, ineffizientes Banken– und Steuersystem,
unzureichendes Grenzmanagement, zu kleiner Privatsektor im Bereich der Klein- und
Mittelbetriebe, mangelhafte Wirtschaftsgesetzgebung, dagegen zu viel mit Minen
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verseuchtes Land und zu viel Handel mit Kleinwaffen.
Hier versucht der Stabilitätspakt anzusetzen, versucht, länderübergreifende Projekte zu
identifizieren und zu koordinieren, und hier müssen auch Unterstützungsmaßnahmen der
EU ansetzen.
Erste entsprechende Vorstellungen hat die EU-Kommission in einem Bericht an den
Europäischen Rat von Helsinki zur Information vorgelegt1, in dem sie folgende Bereiche
identifiziert, in denen die EU mit ihren besonderen Programmen und Instrumenten tätig
werden kann:
i.
ii.
iii.
iv.
v.
vi.
vii.
verantwortungsvolle Staatsführung, Aufbau von Institutionen und Reform der
öffentlichen Verwaltung, Freiheit der Medien, Bildung;
Handelsliberalisierung und Zusammenarbeit, Entwicklung der Privatwirtschaft.
Hier kommt besonders der EBRD eine Führungsrolle zu.
Regionale Infrastruktur, besonders im Verkehrs-, Energie- und
Kommunikationsbereich, wo es darum geht, zwischen den Nachbarländern
Verknüpfungen herzustellen. Hiermit ist besonders die Europäische
Investitionsbank (EIB) beauftragt.
Umwelt: Die Kommission will in Kürze ein regionales Umwelt- und
Wiederaufbauprogramm vorlegen.
Anpassung des Gesetzgebungsrahmens an die Standards der EU.
Kampf gegen organisiertes Verbrechen und Kriminalität.
Hier bedarf es besonderer Trainingsprogramme für Polizei, Zoll und Justiz – die
durchaus länderübergreifend durchgeführt werden können. Ohne innere Sicherheit
entsteht kein positives Investitionsklima und kommt keine wirtschaftliche
Entwicklung in Gang.
Aktionen gegen Landminen und Waffenhandel.
Der Stabilitätspakt spiegelt die weitverbreitete Erkenntnis wider, daß regionale Probleme
regionale Lösungen erfordern. Es muß versucht werden, daraus einen umfassenden
Rahmen für politische, rechtliche und wirtschaftliche Reformen in der Region zu machen.
Es muß aber noch einmal unterstrichen werden, daß der Stabilitätspakt als solcher weder
über eigenes Geld noch über die Instrumente verfügt, Projekte vorzubereiten und
umzusetzen.
Gerade deshalb ist es von entscheidender Bedeutung, daß die EU und ihre Institutionen
die notwendigen Kapazitäten und Mechanismen bereitstellen.
3.)
Das CARA-Programm2
Mit dem Assoziierungs- und Wiederaufbauprogramm für Südosteuropa, für das die
Kommission im Frühjahr 2000 einen entsprechenden Verordungsvorschlag vorlegen will,
wird der Versuch unternommen, ein umfassendes Hilfsprogramm für die fünf Länder des
westlichen Balkans zu lancieren und somit den Stabilisierungs- und Assoziierungsprozeß
1
Bericht für den Europäischen Rat über die Maßnahmen der EU zur Unterstützung des Stabilitätspakts für
Südosteuropa - vorgelegt von der finnischen Präsidentschaft und der Europäischen Kommission. Rat 13814/99
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Community Association and Reconstruction Assistance (Gemeinschaftliche Assoziierungs- und Wiederaufbauhilfe)
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materiell abzusichern. Der finanzielle Rahmen für die Jahre 2000 – 2006 soll rund 5,5
Mrd. Euro umfassen.
Besonderes Gewicht wird auf regionale Zusammenarbeit gelegt, sowohl innerhalb der
Gruppe der fünf Empfängerländer als auch zu den benachbarten Ländern, die Begünstigte
des Phare-Programms sind wie Bulgarien, Rumänien, Ungarn und Slowenien.
Bei der Formulierung der Verordnung wird genau darauf zu achten sein, daß CARA und
Phare miteinander kompatibel sind und daß gemeinsame Mehrländerprojekte im Rahmen
des Stabilitätspaktes nicht gefährdet werden.
Grundsätzlich ist die Schaffung einer einheitlichen Rechtsgrundlage, welche die Hilfen
von Phare und Obnova zusammenfaßt, zu begrüßen. Dies entspricht einer Forderung des
Europäischen Parlaments, welche dieses im Zuge der Obnova-Revision mehrfach
wiederholt hat1. Allerdings darf diese Umstellung der Programme Phare/Obnova auf
CARA nicht zu einer Verzögerung der Projektimplementierung und –finanzierung durch
die Kommission führen.
Vor allem die Verwaltungsmechanismen müssen flexibler und dezentraler als die von
Phare gestaltet sein, um so eine schnelle und wirksame Umsetzung von Projekten zu
sichern. In diesem Zusammenhang wäre es sinnvoll, den Zuständigkeitsbereich der
Europäischen Wiederaufbau-Agentur über das Kosovo hinaus auf den gesamten
Geltungsbereich der CARA-Verordnung auszudehnen, und sie für die Umsetzung des
Programmes sowie für die Koordinierung mit Projekten anderer internationaler Geber
verantwortlich zu machen.
Entsprechend den vorgelegten Leitlinien sollen mit Hilfe von Mehrländerprogrammen
und von grenzüberschreitenden Programmen engere Verbindungen zwischen den
Ländern der Region geschaffen werden.
Für jedes Land sollen darüber hinaus nationale Partnerschaftsprogramme aufgestellt
werden, die einer vierjährigen Planung unterliegen und jährlich überprüft und angepaßt
werden - entsprechend dem Beispiel der Heranführungsstrategien für die Phare-Länder.
Aus der Gesamtperspektive des Stabilitätspaktes, des Stabilisierungs- und
Assoziierungsprozesses und der Forderung des Europäischen Parlaments nach einer
einheitlichen Rechtsgrundlage für die Wiederaufbauhilfen für die Länder des
westlichen Balkans gehen die Leitlinien für ein CARA-Programm in die richtige
Richtung.
Allerdings müssen die Besorgnisse von einzelnen Ländern wie der ehemaligen
jugoslawischen Republik Mazedonien wirksam entkräftet werden, daß CARA keine
Abkoppelung von den Ländern des Erweiterungsprozesses bedeutet und daß nationale
Reformanstrengungen zur Erfüllung der Beitrittskriterien belohnt und nicht durch
langsamere Entwicklungsgeschwindigkeiten der Nachbarländer gebremst werden können.
Es ist völlig normal und verständlich, daß sich FYROM in seinen
Wirtschaftsbeziehungen eher an Bulgarien, Rumänien oder Griechenland orientiert als an
1
Siehe Bericht Schwaiger, A4-0123/1998 und Bericht Pack, A5-0013/1999
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Albanien oder der Bundesrepublik Jugoslawien.
Es ist deshalb darauf zu achten, daß das CARA-Programm
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-
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IV.
sich voll in den Kooperationsrahmen des Stabilitätspaktes integriert
voll mit dem Phare-Programm kompatibel ist und bestehende
grenzüberschreitende Projekte zwischen CARA- und Phare-Ländern
weitergeführt und sogar gefördert werden; umgekehrt müssen sich PhareLänder an CARA-Projekten beteiligen können.
besondere Bedeutung den nationalen Programmen im Sinne einer nationalen
Heranführungsstrategie an die EU-Strukturen zumißt und daß diese von den
Kommissionsvertretungen in den betroffenen Ländern dezentral betreut
werden;
in der horizontalen regionalen Kooperation von der Wiederaufbau-Agentur vor
Ort in der Region gemanaged wird.
Schlußbetrachtung
Im Zentrum der Bemühungen um Frieden, Stabilität, Demokratie und wirtschaftliche
Entwicklung in Südosteuropa stehen bis auf absehbare Zeit die Krisenherde Kosovo,
Bosnien-Herzegowina und die Bundesrepublik Jugoslawien einschließlich Montenegro.
Albanien und vor allem FYROM sind auf dem Wege der allmählichen Annäherung an
die EU-Strukturen, wenn auch von sehr unterschiedlichen Ausgangspunkten. Kroatien hat
nach dem jüngsten demokratischen Regierungswechsel die Chance, eine wichtige Rolle
im Stabilisierungsprozeß zu spielen.
Die "Bottlenecks" für einen Stabilisierungsprozeß im westlichen Balkan bleiben das
Kosovo und Serbien. Eine politische Strategie der EU für den Balkan muß deshalb hier
ansetzen.
Im Kosovo wird die Wiederaufbau-Agentur der EU im Zusammenspiel mit UNMIK und
KFOR ihre bisherige gute Arbeit der Task Force fortsetzen.
Im Falle Serbiens geht es um eine Verstärkung der Opposition und eine Schwächung des
Milosevic-Regimes. Eine strikte Anwendung der Konditionalität für Hilfen der EU, außer
im humanitären Bereich, bleibt wichtig. Der sich in Kroatien vollziehende politische
Wechsel hat die Richtigkeit des Prinzips der Konditionalität unterstrichen.
Ob die selektive Aufhebung der Sanktionen gegen Serbien, wie im Falle des Projektes
"Demokratie gegen Energie" mit einzelnen Städten innerhalb Serbiens oder der Treffen
mit Oppositionsbürgermeistern im Rahmen des ersten Tisches des Stabilitätspaktes, die
einzige Möglichkeit ist, einen politischen Wandel herbeizuführen, muß geprüft werden.
Eine Befriedung der Region wird allerdings nur gelingen, wenn diese als Ganzes
begriffen und der Wiederaufbau des Balkans als Strategie zur Konfliktprävention
begriffen wird, bei der die Wiederherstellung von Rechtsstaatlichkeit und die Stärkung
des Demokratisierungsprozesses im Mittelpunkt stehen. Dieses wiederum setzt ein
bestimmtes Maß an innerer Sicherheit voraus, weswegen die SFOR- und KFOR-Präsenz
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in Bosnien-Herzegowina und im Kosovo weiterhin gesichert sein muß und mittelfristig
ergänzt werden sollte um eine permanente europäische Polizeitruppe, die in
Zusammenarbeit mit lokalen Polizeikräften zivile Sicherheitsaufgaben wahrnimmt, etwa
in Albanien.
Für eine Demokratisierung auf dem Balkan bedarf es der Stärkung der
Zivilgesellschaft, um den überall vorhandenen Tendenzen zu Autoritarismus, extremem
Nationalismus und Kriminalisierung entgegenzuwirken.
Hierzu bedarf es der Unterstützung im Erziehungs- und Bildungssystem, der Entwicklung
unabhängiger Medien, der Stärkung der Kommunalverwaltungen (z.B. durch
Städtepartnerschaften), regionaler Kooperationsformen für Unternehmer und
Gewerkschaften, der Unterstützung für NRO ebenso wie für religiöse Institutionen, die
für Toleranz und gegen extreme Formen des Nationalismus stehen.
Das Europäische Parlament selbst könnte eine Führungsrolle in der Stärkung der
parlamentarischen Dimension in der Region übernehmen.
Schon jetzt leistet es durch seine bilateralen Beziehungen zu den Parlamenten der Region
einen erheblichen Beitrag, sei es durch seine Südosteuropa-Delegation (für die
Beziehungen zu Kroatien, Bosnien-Herzegowina, Albanien, FYROM und FRY), sei es
durch die halbjährlichen Sitzungen seiner Gemischten Parlamentarischen Ausschüsse mit
Bulgarien, Rumänien, Ungarn und Slowenien.
Das Europäische Parlament könnte die Initiative ergreifen, diese bilateralen Beziehungen
zu ergänzen durch jährliche multilaterale Treffen im Rahmen des Stabilitätspaktes, auf
denen Themen von länderübergreifendem Interesse besprochen werden könnten.
Sicherheit, Demokratisierung und wirtschaftliche Entwicklung müssen parallel und
gleichzeitig betrieben werden.
Der Input und die Koordinierungsfunktion der Arbeitstische des Stabilitätspaktes sind
hierfür wichtig.
Die EU muß dabei eine Schlüsselrolle wahrnehmen und strukturbildend in den Pakt
hineinwirken. Auf dem Balkan wird sich beweisen, ob die EU in der Lage ist, die
Instrumente ihrer drei Pfeiler koordiniert und effizient einzusetzen.
Das Angebot an die Länder heißt Integration in die euro-atlantischen Strukturen und
Unterstützung zur regionalen Kooperation – nicht als Alternative, sondern als sich
gegenseitig befördernde Ergänzung.
Es liegt an den Völkern der Balkanländer, dieses Angebot anzunehmen und den Friedensund Stabilisierungsprozeß selbst mitzugestalten.
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