Stellungnahme zur Umsetzung der UN – Behindertenrechts

Werbung
Stellungnahme zur Umsetzung der UN – Behindertenrechtskonvention
Gleichberechtigte Teilhabe von Frauen
Behinderungen ist Menschenrecht.
und
Mädchen
mit
Aus der UN-Konvention Art. 6, Frauen mit Behinderungen
„Die Vertragsstaaten treffen alle geeigneten Maßnahmen zur Sicherung der vollen
Entfaltung, der Förderung und der Stärkung der Autonomie der Frauen, um zu garantieren,
dass sie die in diesem Übereinkommen genannten Menschenrechte und Grundfreiheiten
ausüben und genießen können.“
Die Vertragsstaaten erkennen die mehrfache Diskriminierung von Mädchen und Frauen
mit Behinderung an. In den Bestimmungen zur Gesundheit und zur Freiheit von
Ausbeutung, Gewalt und Missbrauch wird ausdrücklich auf die geschlechtsspezifischen
Aspekte hingewiesen.
Das Netzwerk und NetzwerkBüro begrüßen die Initiative der Landesregierung für einen
Inklusionsaktionsplan unter der Berücksichtigung der Lebenssituation von Frauen und
Mädchen mit Behinderung/schweren chronischen Erkrankungen. Wir gehen davon aus
dass unter dem Begriff Behinderung auch diejenigen gefasst sind, die von Behinderung
bedroht oder schwer chronisch erkrankt sind, sind doch die Probleme bezüglich der
Teilhabe an unserer Gesellschaft grundsätzlich ähnlich. Wir vertreten und benennen in
unserer Arbeit beide Gruppen.
Themen des NetzwerkBüros und des Netzwerks
Zur genaueren Beschreibung der Lebenssituation ist an dieser Stelle die Broschüre
„Sichtwechsel“ des NetzwerkBüros benannt, hier werden alle relevanten Themen
beleuchtet.
Der mehrfachen Diskriminierung von Frauen und Mädchen mit Behinderung/chronischer
Erkrankung müssen Konzepte zur Umsetzung ihrer Rechte entgegengehalten werden.
Erstens benötigen wir Informationen zur realen Lebenslage von Frauen und Mädchen mit
Behinderung und schweren chronischen Erkrankungen.
Es kann nicht angehen, dass keine umfassenden Datenlagen, die der UNBehindertenrechtskonvention entsprechen und die sich auf unsere tatsächlichen
Lebenslagen richtet, existieren. Wir benötigen keine abstrakte Statistiken sondern
Informationen über Biografien und über die realen Barrieren, denen sich Frauen und
Mädchen mit Behinderung tagtäglich gegenüber sehen. Nur so belegen wir, was die
Forderung der UN-Behindertenrechtskonvention nach Inklusion wirklich für uns nahe legt
und wo wir bei Veränderungen ansetzen müssen.
Wir fordern genaue Daten und Analysen zu unserer Lebenssituation ein als eine zentrale
Grundlage, die ein zielgerichtetes und wirksames Handeln ermöglicht und eine Umsetzung
und Bewusstseinsbildung in der Öffentlichkeit erleichtert.
Grundvoraussetzung dafür ist die Erforschung und Analyse der grundlegenden Daten zur
Lebenssituation sowie eine Bedarfserhebung von Angeboten und Maßnahmen zu den
Themen:

Bildung

Ausbildung und Beruf

Gesundheit

Selbstbestimmte Sexualität und Familienwunsch

Gewalt und Selbstbehauptung

umfassende Teilhabe am gesellschaftlichen Leben incl.
der finanziellen Absicherung und Optimierung diesbezüglicher Instrumente (z.B.
Persönliches Budget und Persönliche Assistenz)
Das Netzwerk und NetzwerkBüro haben in den vergangenen Jahren
folgende Schwerpunkte in ihrer Arbeit kontinuierlich entwickelt und
konkrete Ergebnisse vorzeigen und Erfahrungen belegen können.
Diese großen Themenschwerpunkte sind:
 Arbeit und Ausbildung
 Strukturelle, sexualisierte und andere Formen von Gewalt und ihre
gesundheitlichen Folgen
 Gesundheit: Frauen - und behinderungsspezifische Anforderungen an eine gute
Gesundheitspolitik
Schwerpunkt: Depressionen und psychosomatische Störungen bei Frauen mit
Behinderung/chronischer Erkrankung –Aufklärung und Entwicklung von
Präventionsmaßnahmen
Uns ist bewusst, dass die Umsetzung der UN Konvention als Querschnittsaufgabe
verstanden werden muss, an der alle Organe des Parlaments und der Landesregierung von
Nordrhein-Westfalen beteiligt werden müssen. Alle politischen Akteurinnen und Akteure
sollen sich grundsätzlich dem gender mainstreaming und disability mainstreaming
verpflichten.
Unsere Themen - unsere Ziele
Gewalt gegen Frauen und Mädchen mit Behinderung/chronischer
Erkrankung
Relevant für die Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und Mädchen mit
Behinderung/chronischer Erkrankung ist besonders Artikel 16, der explizit die Freiheit von
Ausbeutung, Gewalt und Missbrauch als Ziel nennt.
Die BRK sieht spezielle Schutzmaßnahmen zur Verhinderung von Gewalt an Frauen,
Mädchen, (Männern und Jungen) mit Behinderung vor. Demnach muss das bestehende
Hilfesystem gegen Gewalt barrierefrei ausgebaut werden.
Das Projekt Laut(er) starke Frauen zur Prävention und Intervention von Gewalt gegen
behinderte Frauen
„Raus aus der Tabuzone und aktiv gegen Gewalt“ – auf diese kurze Formel lässt sich das
Anliegen des Projektes des Bundesministeriums für Gesundheit in Kooperation mit der BAG
SELBSTHILFE, der LAG SELBSTHILFE und dem NetzwerkBüro bringen.
Das NetzwerkBüro wurde von der BAG Selbsthilfe als Kooperationspartner für das Projekt
(Laufzeit 9, 2008-11, 2010) ausgewählt, weil es als Anlaufstelle für betroffene Frauen in
seiner täglichen Arbeit sehr nah am Thema Gewalt ist und über einen direkten Zugang zu
Erfahrungsberichten über die vielfältigen Formen und Ausprägungen von Gewalt verfügt.
Das NetzwerkBüro hat mit diesem Projekt WissenschaftlerInnen und MitarbeiterInnen von
Frauenprojekten und Beratungsstellen sowie Frauen mit Behinderung aus bundes- und
landesweiten Netzwerken als Expertinnen in eigener Sache zusammengebracht. Neben der
Anregung einer bundesweiten Vernetzung sind innovative Ansätze und Modelle zur
umfassenden Vermeidung von Gewalt gebündelt worden. Aus bundesweit recherchierten
Beispielen guter Praxis wurde eine Fülle von Handlungsempfehlungen herausgearbeitet, die
bestehende Beratungs- und Unterstützungsangebote nachhaltig verbessern sollen.
Verbindliche Qualitätsstandards und eine umfassende interdisziplinäre Vernetzung aller
Verantwortlichen ist eine grundlegende Voraussetzung effektiver Gewaltprävention.
Das umfangreiche Informationsmaterial des Projektes (inkl. der Beispiele guter Praxis) ist auf
der Homepage des NetzwerkBüros www.netzwerk-nrw.de zu finden.
 Handlungsbedarfe im Bereich Schutz vor Gewalt /Sexualität - Artikel 16








Leitlinien zur Gewaltprävention und -intervention als Förderkriterium für
Kostenträger
Psychotherapeutische Angebote für gewaltbetroffene Frauen mit
Behinderung
Verankerung des Rechts auf gleichgeschlechtliche Pflege und Assistenz
Barrierefreie Beratungsstellen und Zufluchtsstätten
Berücksichtigung der spezifischen Bedarfe von Frauen und Mädchen mit
Behinderung in allen Maßnahmen und Programmen im Bereich der
Gewaltintervention und Gewaltprävention
Sexuelle Aufklärung und Empowermentmaßnahmen im Sinne von
Primärprävention
barrierefreie Gestaltung von Informations- und Aufklärungsmaterialien
(leichte Sprache für Frauen und Mädchen mit Lernbehinderung,
entsprechende IT-Formate für Sehbehinderte, Gebärdensprachfilme für
Frauen mit Hörbehinderung u.a.m.)
Schließung der Lücken im Gewaltschutzgesetz (u.a. bundeseinheitliche
Finanzierung von Frauenhäusern)
Beispiele guter Praxis im Bereich Gewaltprävention:
Projekt „Frauenbeauftragte in Einrichtungen“
Das Projekt "Frauenbeauftragte in Einrichtungen" wird von den Organisationen „Weibernetz
e.V.“ und „Mensch zuerst - Netzwerk People First Deutschland e.V.“ durchgeführt und ist ein
Beispiel guter Praxis zur Stärkung des Selbsthilfepotentials von betroffenen Frauen.
Dieses Projekt bildet Frauen mit Lernschwierigkeiten zu Frauenbeauftragten in ihren
Einrichtungen (Werkstätten und Wohnheimen) aus.
Nach Abschluss der Schulung sollen die Frauen dazu befähigt sein, als Frauenbeauftragte in
ihren Einrichtungen zu wirken. Sie fungieren dort als Ansprechpartnerinnen für Frauen, die
Probleme haben und achten auf das Wohlbefinden der Frauen.
Broschüre Häusliche Gewalt - Informationen für gehörlose
Frauen in Münster
Die Broschüre "Häusliche Gewalt" mit Informationen für gehörlose Frauen zum Thema
wurde von der Selbsthilfegruppe gehörloser Frauen in Münster in Kooperation mit der
Hörbehindertenberatung der Paritätischen Sozialdienste Münsterland gGmbH
herausgegeben. Die Broschüre ist in Leichter Sprache geschrieben, zusätzlich erklären
Zeichnungen die Texte. Gehörlose Frauen bekommen hier Informationen zu häuslicher
Gewalt und zu Hilfemöglichkeiten. Die Broschüre hat eine große multiplikatorische Wirkung
gezeigt. Mehrere Städte haben sie bereits adaptiert.
Expertinnen zum Gewaltthema: Prof. Dr. Julia Zinsmeister (Recht), Dr. Monika Schröttle (
bundesweite Studie zur Gewaltprävalenz), Bärbel Mickler, Rita Schroll, Viktoria Przytulla (sex.
Gewalt)
Teilhabe und Chancengleichheit in Ausbildung und Arbeit
Gemeinsam mit dem Expertinnenrat “Arbeit und Ausbildung für Frauen und Mädchen mit
Behinderung/chronischer Erkrankung NRW“ hat das NetzwerkBüro das Ziel, Strategien und
Forderungen zur nachhaltigen strukturellen Verbesserung der Teilhabechancen behinderter
und chronisch erkrankter Frauen und Mädchen zu erarbeiten. Hier gilt es, die großen
Institutionen wie Agenturen und Verbände auf diese Thematik hinzuweisen. Ebenso ist es
notwendig Frauen und Mädchen mit Behinderung frühzeitig in Empowermentgruppen zur
beruflichen Findung zusammenzuschließen, um Selbsthilfekräfte zu aktivieren und lokale
Eingliederungsmöglichkeiten in Rehabilitation und ersten Arbeitsmarkt zu eruieren (siehe
Projektergebnis G.I.B.). Das NetzwerkBüro schöpft Erfahrungen auch aus den gemeinsamen
Projekten in NRW, die Beratungen und Qualifizierungen für Frauen anbieten. In der
gemeinsam mit dem Expertinnenrat herausgegeben Zeitschrift „mittendrin“ wurden Best
Practice Beispiele zum Thema Arbeit und Ausbildung veröffentlicht.
 Handlungsbedarfe im Bereich Arbeit, Ausbildung und Beruf – Artikel 27 und
Vereinbarkeit von Beruf und Familie
 Evaluierung bestehender Arbeitsmarktprogramme und - gesetze im Hinblick
auf ihre Wirkungen auf Frauen mit Behinderung
 Berufliche Fördermaßnahmen für behinderte Frauen zum Ausgleich von
Benachteiligungen
 Im Bereich der beruflichen Teilhabe muss der Zugang zu qualifizierter Arbeit
und Beschäftigung auf dem ersten Arbeitsmarkt als zentrale Perspektive der
BRK im Aktionsplan Berücksichtigung und Ausdruck finden.
 Entsprechend sind qualifizierte Beratungs- und Vermittlungsangebote der
Agenturen für Arbeit sowie der SGB-II-Träger erforderlich
 Haushaltsmittel sind zur Stärkung der Autonomie zur Sicherung der Teilhabe
am Arbeitsmarkt einzustellen (Teilzeitstellen etc.)
 Gezielte Fortbildung von BeraterInnen der ARGEn, ärztlichen Dienste etc. zur
Lebenssituation von behinderten Frauen
 Stärkung von Frauen und Mädchen mit Behinderung/schweren chronischen
Erkrankungen in ihrem Bewusstsein für ihre Fähigkeiten
 Berufs- und Fortbildungsberatungsstellen für Frauen mit Behinderung
 Arbeitsassistenz
 Schutz vor (sexualisierter) Gewalt oder Belästigung am Arbeitsplatz (z.B. in
Werkstätten)
 Sicherstellung der Anwendung von Schutzvorschiften bei Schwanger- und
Mutterschaft
 Vereinbarkeit von Beruf und Familie für Mütter mit Behinderung
 Barrierefreie Kinderbetreuungsstätten
 Elternassistenz
Gesundheit
Frauen- und behinderungsspezifische Anforderungen an eine
Gesundheitspolitik und Gesundheitsversorgung
Schwerpunkt: Depressionen und psychosomatische Störungen bei
Behinderung/chronischer Erkrankung - Aufklärung und Entwicklung von
Präventionsmaßnahmen
Aufgrund der starken Zunahme von Depressionen und psychosomatischen Störungen,
insbesondere bei Frauen mit Behinderung / chronischer Erkrankung führt das NetzwerkBüro
z.Zt. in Kooperation mit der LAG SELBSTHILFE NRW e.V. ein Projekt zum Thema durch.
Das einjährige Projekt (15.05.09 – 15.05.10) konnte mit Hilfe der gemeinsamen Förderung
durch Arbeitsagentur und die Krankenkassen AOK Rheinland/Hamburg und die AOK
Westfalen-Lippe realisiert werden und wird seit dem 15.5.2010 durchgeführt.
Mit dem Projekt soll das Thema Depressionen und psychosomatische Störungen bei Frauen
und Männern mit Behinderung / chronischer Erkrankung stärker in die Öffentlichkeit
getragen und Betroffene, Selbsthilfeverbände sowie die Gesundheitsversorgung und Politik
darauf aufmerksam gemacht werden.
Weiter sollen Anregungen für verbesserte Präventionsmöglichkeiten sowohl bei Betroffenen
als auch in den Selbsthilfeverbänden und der Gesundheitsversorgung gegeben werden.
Eine interdisziplinäre Vernetzung und Kooperation zum Thema psychosomatische und
depressive Störungen bei Behinderung / chronischer Erkrankung soll angeregt werden,
welche eine notwendige Voraussetzung in der Entwicklung geeigneter Konzepte darstellt.
Hintergrund:
Leben mit einer Behinderung/chronischen Erkrankung bedeutet in der Regel ein Leben mit
großen gesundheitlichen Belastungen sowie lebenslange Abhängigkeit von Assistenz, Hilfen
und Hilfsmitteln sowie von medizinischer Versorgung.
Hinzu kommen vielfältige stresserzeugende Lebensbedingungen in Form von
gesellschaftlicher Ausgrenzung bis hin zur Diskriminierung aufgrund körperlicher oder
geistiger Beeinträchtigung sowie ein Mangel an psychosozialer Unterstützung bis hin zu
Isolation und Vereinsamung. Diese im Alltag belastenden Erfahrungen ziehen häufig
gravierende psychosomatische und / oder psychische Störungen wie z. B. Depressionen nach
sich, welche wiederum den Umgang mit der Erkrankung oder Behinderung erheblich
erschweren können.
Hinzukommt die hohe Gewaltbetroffenheit von Frauen und Mädchen mit Behinderung /
chronischer Erkrankung, die ebenfalls vielfältige psychosomatische und psychische
Erkrankungen wie z.B. Depressionen zur Folge haben kann.
Alle inklusive! Die neue UN-Konvention und die Gesundheitspolitik für Menschen mit
Behinderungen
Im Hinblick auf die verabschiedete UN – Konvention über die Rechte von Menschen mit
Behinderungen (BRK) hat Deutschland sich durch den Abbau von Barrieren zu einer
umfassenden Gleichstellung und Teilhabe behinderter Menschen an allen Bereichen der
Gesellschaft verpflichtet.
Diese Verpflichtung umschließt die Ergreifung aller Maßnahmen, die ein
diskriminierungsfreies Gesundheitssystem ermöglichen, das auch die unterschiedlichen
Bedürfnisse von Frauen und Männern berücksichtigt.
Eine diesem Grundsatz verpflichtete Gesundheitsversorgung und –
vorsorge beinhaltet folgende Handlungsempfehlungen:
 Handlungsbedarfe im Bereich Gesundheit – Artikel 25
 Sicherstellung einer adäquaten Gesundheitsversorgung im Bereich der
sexuellen und reproduktiven Gesundheit
 Bereitstellung geschlechtersensibler Informationen über gesundheitliche
Themen in barrierefreien Formaten
 Geschlechtersensible Gesundheits-und Rehabilitationsdienste (Erreichbarkeit,
Zugänglichkeit, Qualität etc.)
 Gendergerechte Datenerfassung, Statistik und Forschung
 Barrierefreie Zugänge zu allen Angeboten der Gesundheitsversorgung undvorsorge hier insbesondere der freie Zugang zu den frauenspezifischen Verund Vorsorgeangeboten (Mammografie-Screening, gynäkologische
Versorgung etc.) und der Prävention (Sport etc.)
 Verpflichtende Qualifizierungsprogramme zur Verbesserung des
Kenntnisstandes über Bedarfe von Frauen und Mädchen mit
Behinderung/chronischer Erkrankung für MedizinerInnen, TherapeutInnen,
medizinisches Personal sowie MitarbeiterInnen von Krankenkassen und
Beratungsstellen. Dazu gehört auch im Sinne der Barrierefreiheit die
Vermittlung kommunikativer Kompetenzen, die die unterschiedlichen Bedarfe
von Frauen mit Behinderung / chronischer Erkrankung berücksichtigen.
 Präventionsmodelle zur Vermeidung von psychosomatischen und psychischen
Erkrankungen u. a. Burn - Out und Depressionen. Hier besteht hoher
Forschungs- und Aufklärungsbedarf.
 Verbesserung der Krankenhausversorgung
z. Zt. bestehende gravierende Mängel aufgrund fehlender Kenntnisse und
notwendiger Hilfsmittel können für Frauen und Mädchen mit
Behinderung/chronischer Erkrankung sowohl bei planbaren Behandlungen als
auch in der Akutversorgung lebensbedrohliche Folgen haben
 Entwicklung von unabhängigen Beratungs- und Begleitstrukturen behinderter/
chronisch erkrankter Mädchen und Frauen im Sinne einer Lotsenfunktion
 Aufklärung der Gesundheitsversorgung.- und Vorsorge über die spezifischen
Bedarfe von Frauen und Mädchen mit Behinderung / chronischer Erkrankung
über Vorträge und die Erstellung und Verbreitung von
Informationsmaterialien
 Sensibilisierung und Aufklärung über die Erstellung von
Informationsmaterial und Vorträgen zum Thema
 Aufklärung und Entwicklung von Maßnahmen zur Prävention von
Depressionen und anderen psychosomatischen Erkrankungen
 Vernetzung und Implementierung positiver Ansätze zur adäquaten
Gesundheitsversorgung bei Depressionen und psychosomatischen
Erkrankungen von Frauen mit Behinderung / chronischer Erkrankung in
verschiedenen Kommunen in Nordrhein – Westfalen
Allgemeine Handlungsbedarfe
Grundsätzlich gilt es legislative Maßnahmen gegen Armut und damit einhergehende
Diskriminierung zu ergreifen, die die Grundlage für Inklusion bilden. Darüber hinaus gibt es
folgende Handlungsbedarfe:




Entwicklung von unabhängigen Beratungs- und Begleitstrukturen
behinderter/ chronisch erkrankter Mädchen und Frauen im Sinne einer
Lotsenfunktion
Förderung von Vernetzungsstrukturen und Zusammenarbeit der
Interessenvertretungen behinderter Frauen und anderer
Frauenorganisationen
Die besondere Situation von Mädchen und Frauen mit Behinderung /
chronischer Erkrankung muss durch Öffentlichkeitsarbeit verstärkt
thematisiert werden mit der Zielsetzung, alle relevanten AkteurInnen und die
Gesellschaft in NRW für die Themen zu sensibilisieren
Unsere Interessen sind als Förderkriterium bei der Bewilligung von
Projektanträgen vorzusehen und zu explizieren. Ergänzend sind
frauenspezifische Projekte auf Landesebene einzurichten und zu fördern.
 Grundsätzlich gilt der Artikel 8 zur Bewusstseinsbildung

Erstellen von Materialien zur Bewusstseinsbildung, Sensibilisierung und
Aufklärung über die Lebensrealität von Frauen (und Männern) mit
Behinderungen

Verpflichtende Ausbildungsinhalte über die Lebensthemen in Aus-und
Fortbildungen von allen Berufsfeldern, die mit Frauen und Männern,
Mädchen und Jungen mit Behinderung zu tun haben - hier insbesondere
LehrerInnen, ErzieherInnen, ÄrztInnen und das Personal der Rehabilitation
 Handlungsbedarfe zum Recht auf Elternschaft – Artikel 23
 Schaffung von Wohn- und Unterstützungsmöglichkeiten für Eltern mit
intellektuellen Beeinträchtigungen
 Ausbau von Modellen unterstützter Elternschaft
 Schaffung von Kinderbetreuungsmöglichkeiten in Einrichtungen der
beruflichen Rehabilitation
 Elternassistenz für Eltern mit Körper- oder Sinnesbehinderung/chronischer
Erkrankung
 Gewährung von Hilfsmitteln zur Familien-Alltagsorganisation
 Barrierefreie Gestaltung von Elternabenden (baulich und kommunikativ)
 Bewusstseinsbildung zum Abbau von Vorurteilen gegen das Recht auf
Elternschaft
Migrations- und geschlechtsspezifische Barrieren
Dieses alles betrifft gleichermaßen und insbesondere Mädchen und Frauen mit
Migrationshintergrund.
• Betroffen insbesondere Frauen aus traditionelleren Gesellschaften, die sich aus dem
hergebrachten Wertesystem ihrer Herkunftsfamilien kaum lösen können
• Frauen ohne chronische Krankheit oder Behinderung können schon häufig kein
selbstbestimmtes Leben führen – für chronisch kranke oder behinderte Frauen
ist es bisher fast unmöglich.
• Dies ist die Kombination migrations- und geschlechtsspezifischer Barrieren
Vgl.: Ramazan Salman
Barrierefreier Zugang zu Menschenrechten
Impulsreferat für die Tagung „NRW-Dialog über die Umsetzung der UN
Behindertenkonvention in Nordrhein-Westfalen“
17. November 2010, Dortmund
Informationen zum Thema
„Noch immer ist es in Deutschland so, dass in der
Begegnung mit behinderten Menschen die Behinderung im Vordergrund steht. Als Frau oder
Mann werden Erwachsene mit Behinderung nicht immer selbstverständlich angesprochen.
Um diese Zurückhaltung in der Ansprache von behinderten Menschen als Frauen
und Männer zu demonstrieren, möchte ich an die Gestaltung von öffentlichen
Toilettenanlagen in unserem Land erinnern. Wenn diese Toiletten barrierefrei
zugänglich sind, finden wir fast durchgängig eine Aufteilung in „Damen- und HerrenWCs“ und dazu kommt dann – quasi für ein drittes Geschlecht – eine BehindertenToilette. D.h. die Behinderung scheint hier als Unterscheidungsmerkmal eine
größere Rolle zu spielen als die sonst im Kontext von öffentlicher Toilette an erster
Stelle getroffene Sortierung in Frauen oder Männer.
In anderen Ländern, wie zum Beispiel den Vereinigten Staaten von Amerika, wäre
dies übrigens ein Skandal…“
Vgl.: Fabian Schwarz, Fachtagung „weiblich- männlich- schon bewusst??“ des Projekts „Frauen sind anders –
Männer auch!“
Bundesverband für Körper- und mehrfachbehinderte Menschen e.V.11.2009
Gender-Perspektiven für Menschen mit Behinderung
„Die Frage, ob jemand als Frau oder Mann lebt, spielt häufig eine zentrale Rolle.
Besonders, wenn es darum geht, welche Möglichkeiten der privaten und beruflichen
Lebensgestaltung die Gesellschaft zur Verfügung stellt.
In der Begegnung mit behinderten Frauen und Männern wird der Geschlechtsidentität
allerdings meist zu wenig Beachtung geschenkt. Oft steht die Behinderung im
Vordergrund.
„Gender Mainstreaming“ ist eine Möglichkeit, gegen die Ausblendung des sozialen
Geschlechts vorzugehen und Chancengleichheit zu fördern.
 Wie sieht es mit der Umsetzung im Bereich der Behinderten(selbst)hilfe aus?
 Wie erkennt man geschlechterbezogene Ungleichheiten und was ist zu tun?
 Und was kann dazu beitragen, dass Menschen mit Behinderung eine selbstbestimmte
Geschlechtsidentität entwickeln können?
Was aber bedeutet nun diese Nicht-Unterscheidung zwischen Frauen und Männern,
inwieweit uns der Ansatz des Gender Mainstreaming helfen kann, gegen die Ausblendung
des sozialen Geschlechts im Zusammenhang mit Behinderung vorzugehen, ohne unfaire
Rollenaufteilungen zu verfestigen und stattdessen Chancengleichheit und eine Vielfältigkeit
weiblicher und männlicher Geschlechtsidentitäten zu fördern, wenn es um Menschen mit
Behinderung geht?
Könnten wir nicht einfach erleichtert aufatmen, weil wir endlich einen gesellschaftlichen
Bereich gefunden haben, in denen die ungleiche Verteilung von Chancen, Risiken und
Ressourcen entlang des Merkmals des sozialen Geschlechts nicht vorkommt?
Wir aus der Projektgruppe denken „Nein“. Vielmehr ist doch zu fragen, ob sich nicht
gerade deshalb, weil das soziale Geschlecht so wenig thematisiert wird im
Zusammenhang mit Behinderung, eher heimlich stereotype Rollenmuster
einschleichen in Einrichtungen der Behindertenhilfe, und auch hier Ungleichheiten
zwischen Männern und Frauen produziert und reproduziert werden.“
Vgl.: Fabian Schwarz, Fachtagung „weiblich- männlich- schon bewusst??“ des Projekts „Frauen sind anders –
Männer auch!“
Bundesverband für Körper- und mehrfachbehinderte Menschen e.V.11.2009
Geschlechterproblematik in der pädagogischen Arbeit mit Behinderungen
Sonderpädagogik arbeitet auf der Basis von Schädigungsarten.
Konzentration auf individuelle Beeinträchtigungen, ein besonderer Blick
auf die Geschlechtsspezifik bedarf einer zusätzlichen Anstrengung
Integrationspädagogik bemüht sich, ungleiche Verhältnisse bewusst zu
machen
Ungleichheiten stehen im Fokus, daher eher zugänglich für soziale und
geschlechtsspezifische Differenzen
Vgl.: Schildmann, U.; Gender in der Sonder- u Integrationspädagogik; in: Glaser u.a.
(Hg.); Handbuch Gender und Erziehungswissenschaften 2004
Behinderung, Gender und Selbstbestimmung
Die UN-Behindertenrechtskonvention ist Voraussetzung für den
Perspektivenwechsel vom medizinischen Defizitblick auf Behinderung hin zu
einer menschenrechtsorientierten Politik
Die Vertragsstaaten verpflichten sich mit Artikel 6, bei allen Maßnahmen zur
Umsetzung der Konvention die Genderperspektive zu berücksichtigen
Vgl.: Fachtagung „weiblich- männlich- schon bewusst??“ des Projekts „Frauen sind anders – Männer auch!“
s.o.
Auszüge aus „Forderungen des Deutschen Behindertenrats zum
Handlungsfeld Politik für Frauen mit Behinderung“
In der UN-Behindertenrechtskonvention wird anerkannt, dass Frauen und Mädchen mit
Behinderung mehrfacher Diskriminierung ausgesetzt und entsprechend Maßnahmen zu
ergreifen sind, um dem entgegenzuwirken. Analog zur BRK sollten in einem Aktionsplan
geschlechtssensible Forderungen in den unterschiedlichen Themenbereichen
berücksichtigt werden, aber auch ein eigener Themenbereich „Frauen mit Behinderungen“
aufgenommen werden.
 Einrichtungen der Behindertenhilfe sollten sich verpflichten, Gleichstellungs- oder
Frauenbeauftragte zu bestellen, um Benachteiligungen von Frauen
entgegenzuwirken, indem diese beraten, Benachteiligungen von Frauen aufdecken,
Gewaltprävention betreiben etc., ohne dadurch jedoch andere Entscheidungsträger
aus ihrer Verantwortung zu entlassen.
 In Berichten der Bundesregierung zur Umsetzung der Konvention muss die Situation
von Frauen mit Behinderung besondere Berücksichtigung erfahren.
Konkrete Handlungsaufträge
In der Präambel der BRK anerkennen die Vertragsstaaten, dass Frauen und Mädchen mit
Behinderungen sowohl innerhalb als auch außerhalb ihres häuslichen Umfelds oft in
stärkerem Maße durch Gewalt, Verletzung oder Missbrauch, Nichtbeachtung oder
Vernachlässigung, Misshandlung oder Ausbeutung gefährdet sind. Insbesondere in Art. 16
BRK sind spezielle Regelungen zum Schutz und zur Verhinderung jeder Form von
Ausbeutung, Gewalt und Missbrauch verankert.
a) Zum Schutz und zur Verhinderung von Gewalt gegen Frauen und Mädchen mit
Behinderung sind folgende Maßnahmen im Aktionsplan verbindlich zu regeln:
 Einrichtungen der Sozialleistungserbringer sind verpflichtet, Frauen- oder
Gleichstellungsbeauftragte einzusetzen; § 17 SGB I wird entsprechend ergänzt. Eine
vergleichbare Pflicht für private Träger wird Bestandteil der
Leistungsvereinbarungen.
 Der Strafrahmen bei sexuellem Missbrauch von widerstandsunfähigen Personen in
§ 179 StGB ist dem Strafrahmen des § 177 StGB anzupassen. Das Gewaltschutzgesetz
ist zu überarbeiten, um zügige Lösungen zu ermöglichen, wenn der Täter
Assistenzgeber oder Mitbewohner einer stationären Einrichtung ist.
 Durch Ausbildung, Fortbildungen und Schulungen sind Polizei, Justiz, Medizin,
Rechtsmedizin, Gutachterstellen sowie Beratungsstellen für das Thema Gewalt gegen
Frauen und Männer mit Behinderung verstärkt zu sensibilisieren.
 Prävention und Unterstützung nach erlebter Gewalt müssen verbessert werden. Die
Bewusstseinsbildung bei Betroffenen, übergriffiges Verhalten und Gewalt zu
erkennen und ggf. zu benennen, bedarf der Stärkung.
 Die Kostenträger müssen in den Ziel- und Leistungsvereinbarungen die
Leistungserbringer im Sinne der Qualitätssicherung dazu verpflichten, Leitlinien zur
Gewaltprävention sowie Interventionspläne für Gewalt zu erarbeiten. Gleiches gilt
für Träger von Krankenhäusern, psychiatrischen Kliniken etc. Einrichtungen, die
Hilfen und Unterstützungsangebote für Frauen bereithalten, z. B. Beratungsstellen,
Frauenhäuser, medizinische Einrichtungen, Ministerien, Justiz, müssen Informationen
barrierefrei – auch in leichter Sprache – zur Verfügung stellen und einen
barrierefreien Zugang ermöglichen. Kostenträger müssen die Schutz- und
Hilfeeinrichtungen diesbezüglich finanziell unterstützen.
 Behinderteneinrichtungen und Selbsthilfeverbände müssen gemeinsam mit
politisch Verantwortlichen interdisziplinär besetzte Runde Tische und
Präventionsräte auf kommunaler und Landesebene zur Erarbeitung von
Maßnahmen gegen Gewalt ein-richten.
 Es ist zu untersuchen, in welchen Fällen und in welchem Umfang die gesetzlichen
Regelungen zur Sterilisation in § 1905 BGB angewandt werden. Ein entsprechender
Untersuchungsauftrag ist im Aktionsplan zu verankern.
b) Im Bereich der beruflichen Teilhabe muss der Zugang zu qualifizierter Arbeit und
Beschäftigung auf dem ersten Arbeitsmarkt als zentrale Perspektive der BRK im
Aktionsplan Berücksichtigung und Ausdruck finden.
 Entsprechend sind qualifizierte Beratungs- und Vermittlungsangebote der
Agenturen für Arbeit sowie der SGB-II-Träger erforderlich. Die personellen,
organisatorischen und finanziellen Voraussetzungen hierfür sind zu gewährleisten.
 Um insbesondere die innerbetriebliche und betriebsnahe Ausbildungssituation
behinderter Jugendlicher (Anmerkung: Frauen und Männer) zu verbessern, bedarf es
einer Ausbildungsoffensive der Arbeitgeber, der Fortentwicklung entsprechender
Programme der Bundesregierung sowie der weiterhin unverzichtbaren
Bildungsangebote der Einrichtungen der beruflichen Rehabilitation.
Die hohe Arbeitslosigkeit unter behinderten und schwerbehinderten Frauen und Männern
muss im Aktionsplan politisch offensiv aufgegriffen werden. Es ist auf das klare Bekenntnis
der Arbeitgeber hinzuwirken, ihrer gesellschaftlichen Pflicht zur Beschäftigung behinderter
Menschen vollumfänglich nachzukommen. Ein Beschäftigungsaktionsprogramm, der
verstärkte Abschluss von Integrationsvereinbarungen, aber auch die Anhebung der
Schwerbehindertenabgabe sind hier zu erwägende Schritte.
 Zur Förderung der gleichberechtigten beruflichen Teilhabe in einem inklusiven
Arbeitsmarkt sind die Förderinstrumente des SGB IX und SGB III offensiv zu nutzen.
Möglichkeiten der Arbeitsassistenz, der unterstützten Beschäftigung und die Arbeit
der Integrationsprojekte sind abzusichern. Auch ein dauerhafter
Minderleistungsausgleich ist zu prüfen. Zur Verhinderung ausschließlicher
institutioneller Sonderwege sind Beschäftigungsalternativen sowie verstärkt
Übergangsmöglichkeiten aus der Werkstatt auf den Arbeitsmarkt zu eröffnen.
 Die hohe Qualität der Einrichtungen der beruflichen Rehabilitation ist zu sichern und
weiterzuentwickeln. Ein Konzept für ein flächendeckendes betriebliches
Eingliederungs-management ist mit den Arbeitgeberverbänden zu entwickeln. Der
DBR fordert eine aktive Arbeitsmarktpolitik, um die anhaltend hohe,
überdurchschnittliche Arbeitslosigkeit schwerbehinderter Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmer abzubauen.
 Die arbeitsmarktpolitischen Instrumente und gesetzlichen Förderleistungen müssen
erhalten und offensiv genutzt werden, um behinderten Menschen eine qualifizierte
und entsprechend bezahlte Beschäftigung zu ermöglichen.
 Die flächendeckende Einrichtung des Betrieblichen Eingliederungsmanagements
(BEM), auch in kleineren und mittleren Unternehmen, sowie gesetzlich
verpflichtende betriebliche Integrationsvereinbarungen helfen, Arbeitsplätze für
chronisch kranke und behinderte Menschen zu schaffen, zu erhalten und zu sichern.
Um dem entgegenzuwirken, dass schwerbehinderte Menschen überdurchschnittlich
lange arbeitslos sind, müssen qualifizierte Betreuungsangebote für sie auch im
Rechtskreis des SGB II aufgebaut werden.
Forderungen zum Handlungsfeld Berufliche Teilhabe
Der Zugang zu qualifizierter Arbeit und Beschäftigung auf dem ersten Arbeitsmarkt für
behinderte Menschen ist eine zentrale Forderungsperspektive der Konvention. Hierzu
muss der Nationale Aktionsplan ein klares Bekenntnis enthalten und konkret daraus
erwachsende Handlungserfordernisse benennen.
Beratung und Vermittlung
 Qualifizierte Beratungs- und Vermittlungsangebote bei den Agenturen für Arbeit
und den SGB-II-Trägern sind unverzichtbar. Die Bundesregierung sollte für den
Geschäftsbereich der Bundesagentur für Arbeit verstärkt auf die hierfür
erforderlichen Strukturen und Kapazitäten – einschließlich der finanziellen – mit dem
Ziel hinwirken, qualifizierte, barrierefreie Beratung und Vermittlung für behinderte
und schwerbehinderte Menschen sicherzustellen, wobei geschlechterspezifische
Belange besonders zu berücksichtigen sind. Die Bundesagentur für Arbeit muss die
berufliche Rehabilitation und Teilhabe als geschäftspolitischen Schwerpunkt
beibehalten.
 Bei der Neuorganisation der Jobcenter wirkt die Bundesregierung auf weitere
Verbesserungen bei der Beratung und Vermittlung für behinderte und
schwerbehinderte Menschen hin. Hierfür ist systematisch die Qualifizierung von
Fachkräften in der Ausbildung, Beratung und Vermittlung zu verbessern, spezielle
Anlaufstellen flächendeckend anzubieten und die Inanspruchnahme der
gemeinsamen Servicestellen zu forcieren.
 Programme zur Wiedereingliederung von Hartz-IV-Empfängern mit Behinderungen
sollten verstärkt entwickelt werden.
 Die Beauftragung und dauerhafte Finanzierung der wichtigen Arbeit der
Integrations-fachdienste bedarf der Absicherung. Spezifisches Know-How
hinsichtlich besonderer Zielgruppen, z. B. Menschen mit Sinnesbeeinträchtigungen,
muss gewährleistet werden.
 Um die Belange von Frauen mit Behinderungen verstärkt zu berücksichtigen, sind
spezifische Fortbildungsangebote zu entwickeln und den Beraterinnen und
Beratern in den Agenturen für Arbeit, bei den SGB-II-Trägern sowie anderen in
Beratung und Vermittlung involvierten Personenkreisen zugänglich zu machen.
Ausbildung
 Die Ausbildungssituation behinderter und schwerbehinderter junger Menschen muss
verbessert, insbesondere ihre betriebliche und betriebsnahe Ausbildung deutlich
ausgebaut werden. Um dies zu erreichen, sind die Arbeitgeber in der Pflicht,
verstärkte Anstrengungen zu unternehmen und eine Selbstverpflichtung für eine
Ausbildungsoffensive zugunsten junger behinderter Menschen zu unterzeichnen.
 Weitergehende Initiativen und Programme der Bundesregierung zur Erhöhung
betrieblicher Ausbildungsmöglichkeiten (job, Job4000, VAmB) sind fortzuführen
bzw. fortzuentwickeln. Zugleich sind Optionen finanzieller Anreize zugunsten
verstärkter betriebsnaher Ausbildungsangebote zu verstärken.
 Die Möglichkeiten, im dualen System Berufsausbildungen zu modularisieren bzw.
flexibler auszugestalten und damit jungen behinderten Menschen verstärkt
individualisierte Ausbildungsoptionen anbieten zu können, sollten geprüft werden.
Ziel muss die bestmögliche berufliche Qualifizierung dieser Personengruppe sein.
 Aufwendungen des behinderungsbedingten Mehrbedarfs über den ersten
Qualifizierungsabschluss hinaus bedürfen der Finanzierung.
 Die qualifizierten Bildungsangebote der Einrichtungen der beruflichen Rehabilitation
sind unverzichtbar und wichtiger Bestandteil des Gesamtprozesses. Die Qualität in
diesen Einrichtungen darf nicht unter Kostenvorbehalt stehen.
Beschäftigungssituation
 Die hohe Betroffenheit behinderter und schwerbehinderter Menschen von
Arbeitslosigkeit muss im Nationalen Aktionsplan politisch aufgegriffen werden. Ihre
Zahl ist unter Einbeziehung der Optionskommunen bundesweit zu erheben und
transparent zu veröffentlichen. Auch die Arbeitslosigkeitsquote unter
schwerbehinderten Menschen ist transparent und geschlechterdifferenziert zu
veröffentlichen.
 Die Bundesregierung wirkt im Zusammenwirken mit den Arbeitgebern und ihren
Verbänden auf ein klares Bekenntnis der Arbeitgeber hin, ihrer gesellschaftlichen
Verpflichtung zur Beschäftigung behinderter und schwerbehinderter Arbeitnehmer in
vollem Umfang nachzukommen und verstärkt Konzepte zur Umsetzung zu entwickeln.
 Die Arbeitgeber verpflichten sich, aktiv und in enger Zusammenarbeit mit den
Schwerbehindertenvertretungen verstärkt Integrationsvereinbarungen (§ 83 SGB IX)
zu treffen. Hierzu sind konkrete Zielsetzungen in zeitlicher und quantitativer Art
erforderlich.
 Darüber hinaus sollte die Bundesregierung die Schwerbehindertenabgabe im
Hinblick auf die Unternehmen erhöhen, die ihrer Beschäftigungspflicht – auch über
längere Zeit – nicht bzw. nicht in vollem Umfang nachkommen.
 Entsprechend der besonderen Verpflichtung der öffentlichen Arbeitgeber nach § 82
SGB IX verpflichten sich Bund, Länder und Kommunen, in ihrer Vorbildfunktion
besondere Verantwortung bei der Beschäftigung behinderter und
schwerbehinderter Menschen zu übernehmen, die über die Erfüllung ihrer
Beschäftigungspflicht hinausgeht und hierüber jeweils spezifisch die Öffentlichkeit
zu informieren.
 Die Bundesregierung sollte verstärkt Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik
zugunsten behinderter Menschen ergreifen. Eine Initiative für ein
Beschäftigungsaktionsprogramm für speziell diese Zielgruppe sollte im Nationalen
Aktionsplan verankert und zeitnah erarbeitet werden.
Zur Gewährleistung des Rechts auf gleichberechtigte Teilhabe am Arbeitsleben in einem
inklusiven Arbeitsmarkt sollte die Bundesregierung Maßnahmen ergreifen, um allen
Menschen mit Behinderungen einen chancengleichen Zugang zu ermöglichen.
 Vor diesem Hintergrund bedarf es verstärkter Anstrengungen zur Vermeidung
ausschließlicher institutioneller Sonderwege beim Übergang von der Schule in den
Beruf, unter anderem durch die Verhinderung des automatischen Übergangs von
der Förderschule in die Werkstatt.
 Verbesserte Angebote der Beratung und Begleitung sowie die Schaffung von
Beschäftigungsalternativen können dabei helfen, dass alle Menschen mit
Behinderungen die Wahl zwischen gleichwertigen Alternativen erhalten. Um gezielt
den Belangen behinderter Frauen Rechnung zu tragen und ihre Beschäftigung auf
dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu fördern, bedarf es dabei der Entwicklung
spezifischer Programme.
 Zeitnah verstärkt werden sollten Anstrengungen, Werkstattbeschäftigten vermehrt
Übergänge auf den Arbeitsmarkt zu ermöglichen. Die Weiterentwicklung der Werkstätten (WfbM) sollte mit dem Ziel vorangebracht werden, dass diese sich für
Kooperationen mit Unternehmen des freien Arbeitsmarktes öffnen.
Werkstattbeschäftigte sollten ein existenzsicherndes Einkommen erhalten. Der DBR
betont das Erfordernis, niemanden wegen der Art und Schwere einer Behinderung
von der Werkstattaufnahme auszuschließen und auf Einrichtungen „unterhalb“ der
Werkstatt für behinderte Menschen zu verweisen oder ihnen den Status als WfbMBeschäftigte vorzuenthalten.
Vor dem Hintergrund der benannten Zielsetzungen sind insbesondere Möglichkeiten der
Arbeitsassistenz und der unterstützten Beschäftigung mit dem Ziel zu nutzen und zu
verstärken, qualifizierte Beschäftigungen für behinderte Menschen auf dem ersten
Arbeitsmarkt zu ermöglichen und ein Höchstmaß an Entfaltung und Selbstbestimmung zu
erreichen.
 Auch Möglichkeiten eines dauerhaften Minderleistungsausgleiches sollten forciert
werden.
 Zudem ist die Arbeit der Integrationsprojekte u. a. durch originäre Förderung seitens
der Bundesagentur für Arbeit, sicherzustellen, auszubauen und weiterzuentwickeln,
denn sie leisten einen wichtigen und wachsenden Beitrag zur Beschäftigung
behinderter Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auf dem ersten Arbeitsmarkt.
Die Auslobung von Preisen für die gelungene berufliche Teilhabe von Frauen mit
Behinderung, behinderten Menschen mit Migrationshintergrund, aber auch schwerbehinderten Menschen auf dem Arbeitsmarkt durch Bundes- und Landesministerien sowie
Kommunen ist aus Sicht des DBR wünschenswert.
Förderinstrumente
 Die Förderinstrumentarien des SGB IX und des SGB III müssen transparent
ausgestaltet werden, um ihre offensive und umfassende Nutzung zugunsten
behinderter Menschen sicherzustellen. Eine Überprüfung der Instrumentarien mit
dem Ziel der Vereinfachung darf nicht zu einer Reduzierung des Leistungsumfangs
führen.
Berufliche Rehabilitation
 Zur Sicherung beruflicher Teilhabe ist die berufliche Rehabilitation von großer
Wichtigkeit. Berufsbildungswerke, Berufsförderungswerke, berufliche
Trainingszentren u.a. eröffnen umfassende Qualifizierungs- und
Weiterbildungsmöglichkeiten für Menschen mit Behinderungen und ergänzen damit
die vorrangig den Arbeitgebern obliegende Verpflichtung, die Voraussetzungen für
eine qualifizierte und dauerhafte Beschäftigung dieser Personengruppe zu schaffen.
Die hohe Qualität der Einrichtungen der beruflichen Rehabilitation in Deutschland ist
zu sichern und weiterzuentwickeln. Hierbei müssen die Empfehlungen der
Wissenschaftlichen Fachgruppe RehaFutur umfassend Auswertung und
Berücksichtigung erfahren. Auf die Verzahnung der beruflichen mit der medizinischen
Rehabilitation ist verstärkt hinzuwirken.
 In der beruflichen Rehabilitation, insbesondere in der Erstausbildung, müssen
verstärkt Ausbildungsberufe offeriert werden, die die Berufsperspektiven für Frauen
erweitern. Die Industrie- und Handelskammern müssen sich an den Lern- und
Lebensbedingungen von Frauen und Männern mit Behinderung orientieren. Hierfür
sind Materialien zu Rehabilitations- und Erwerbsmöglichkeiten von Frauen mit
Behinderung zu erarbeiten, die u. a. Fragen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf
und zu Teilzeitarbeit aufgreifen.
 Die Bundesregierung sollte darauf hinwirken, unter enger Einbindung der
Arbeitgeberverbände und der Vertretungen der behinderten Menschen, ein Konzept
zum flächendeckenden Ausbau des betrieblichen Eingliederungsmanagements nach
§ 84 Abs. 2 SGB IX, insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen, zu
entwickeln und hierbei die Ergebnisse des Modellprojekts EIBE (Entwicklung und
Integration eines betrieblichen Eingliederungsmanagements) einbeziehen.
Barrierefreiheit
Um die barrierefreie Arbeitsplatzgestaltung deutlich voranzubringen, sollte die
Bundesregierung den Anwendungsbereich der Arbeitsstättenverordnung erweitern. Die
Pflicht zur Herstellung von Barrierefreiheit nach § 3 Abs. 2 ArbStättVO sollte für alle
wesentlichen Um- und Neubauten begründet werden und nicht mehr an die konkrete
Beschäftigung behinderter Arbeitnehmer im Betrieb gebunden
___________________________________________________________________________
EXKURS : Zum besseren Verstehen des ganzen Abstrakten
Welche Rechte im SGB IX haben Frauen mit Behinderung und wie
können sie umgesetzt werden
Differenzierte Handlungsempfehlungen zum Thema:
Geschlechtergerechte Gestaltung von Angeboten der Rehabilitation zur Förderung der
Teilhabe und Selbstbestimmung von Frauen – ein Umsetzungserfordernis im Rahmen des
SGB IX
von Elke Schön
Frauenförderung nach dem Neunten Sozialgesetzbuch – SGB IX
In der Zielsetzung zu Selbstbestimmung und Teilhabe am Leben in der Gesellschaft
und am Arbeitsleben wird ausdrücklich formuliert, dass den »besonderen Bedürfnissen«
von Frauen mit Behinderung und von Frauen, die von Behinderung bedroht sind, Rechnung
zu tragen ist (§ 1, S. 2). Wichtig für Frauen ist auch das Wunsch- und Wahlrecht (§ 9), über
das viele betroffene Frauen immer noch nicht ausreichend informiert sind. Beispielsweise
können Frauen bei der Entscheidung für eine berufliche Bildung oder Ausbildung sagen,
welche berufliche Tätigkeit sie anspricht. Sie sollten zwischen verschiedenen Möglichkeiten
eine eigene Wahl treffen können. Sie können wählen, ob sie eine Ausbildung in einer
Einrichtung der Rehabilitation oder in einem Betrieb machen möchten. Sie können sich auch
für das Persönliche Budget entscheiden.
Spezielle frauenbezogene Regelungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, die beispielsweise
berufsbildende oder berufliche Angebote zu erfüllen haben:
Geeignete, wohnortnahe und in Teilzeit nutzbare Angebote (§ 33)
Wichtig für Frauen ist der Satz:
»Behinderten Frauen werden gleiche Chancen im Erwerbsleben gesichert,
insbesondere durch in der beruflichen Zielsetzung geeignete, wohnortnahe
und auch in Teilzeit nutzbare Angebote«.
Dazu folgende Erläuterung (§ 33)
»Geeignet« bedeutet: Konzepte, Inhalte, Rahmenbedingungen von Angeboten sind
frauengerecht zu gestalten. Dabei ist der Forderung nach einem breiten Spektrum
von zukunftsträchtigen Berufen für Frauen gerecht zu werden. Frauen wollen nicht
nur hauswirtschaftliche Assistentin oder Bürokauffrau werden.
»Wohnortnah« bedeutet: Ausbildung, Qualifizierung, Umschulung und Arbeit sind
auch in der näheren Wohnumgebung anzubieten (=> Dezentralisierung von Einrichtungen).
Die meisten Frauen bevorzugen ein Bildungsangebot in Nähe ihres Wohnorts,
sie möchten nicht ihr Wohnumfeld verlassen und beispielsweise in einem
Internat leben müssen.
»Teilzeit« bedeutet: Teilnahme an einem berufsbildenden Angebot der Rehabilitation
oder Arbeit in einer WfbM muss grundsätzlich auch in Teilzeit möglich sein.
Gleiche Chancen im Arbeitsleben sichern: Das geht nur, wenn Frauen und
Mädchen in Berufsbildungs- und -förderungswerken nicht in sogenannte typische
Frauenberufe gedrängt werden. Also: Mehr Zukunftsberufe für Frauen! Einrichtungen
müssen sich nach den Berufs- und Arbeitswünschen von Frauen richten. Das gilt
auch für WfbMs / Werkstätten für behinderte Menschen.
Übungen zur Stärkung des Selbstbewusstseins (ergänzende Leistung in § 44,
Abs. 1, Nr. 3) von Mädchen und Frauen mit Behinderung -.
Die Übungspläne, die vom Projekt »SELBST« für die Praxis innerhalb und außerhalb des
Behindertensports konzipiert wurden, sind im Rehabilitationssport bislang noch wenig zur
Anwendung gekommen.
Reisekosten (§ 53), Haushaltshilfe oder Kinderbetreuung (§ 54)
Damit eine Frau mit Kindern an einer Qualifizierung teilnehmen kann, sollten
finanzielle Rahmenbedingungen dafür geschaffen werden. Im Zusammenhang mit
einer Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben werden vom Kostenträger unter sehr
engen Voraussetzungen Kosten in geringem Umfang erstattet. Von Frauennetzwerken,
Behindertenverbänden und Elterninitiativen wird inzwischen auf politischer Ebene die
Gewährung von Elternassistenz als Komplexleistung gefordert.
Dazu gibt es nun auch ein Rechtsgutachten von Julia Zinsmeister, erstellt im Auftrag des
Netzwerks behinderter Frauen Berlin e.V. (www.elternassistenz.de).
Rechte wie die Rechte für Arbeitnehmerinnen ...
• ... gelten nahezu genauso für Frauen in Einrichtungen der Rehabilitation (also zum
Beispiel in einer WfbM, einem BBW, einem BFW).
• Frauen können sich auf Arbeitsschutzgesetze berufen, wie z.B. Regelungen zum
Mutterschutz und Schutz vor sexualisierter Gewalt am Arbeitsplatz. (dazu die
Literaturangabe: Julia Zinsmeister, 2003)
Beschäftigungspflicht der Betriebe (§ 71, Abs. 1)
Betriebe mit mindestens 20 Arbeitsplätzen müssen wenigstens 5 % der Arbeitsplätze
mit schwerbehinderten Menschen beschäftigen (§ 73). Dabei sind schwerbehinderte
Frauen »besonders zu berücksichtigen«. (...) Leider ist eine quotierte Beschäftigung
nicht vorgesehen.
Anspruch auf Arbeitsassistenz (§ 33)
Es gibt einen gesetzlichen Anspruch auf Arbeitsassistenz für ArbeitnehmerInnen
und Selbstständige. Arbeitsassistenz kann bereits bei einem vorgeschriebenen
Vorpraktikum in Anspruch genommen werden.
Integrationsfachdienste – IFD`s (§ 109 ff.)
Aufgabe: Berufliche Beratung und Arbeitsvermittlung von Frauen und Männern mit
Behinderung.
Bei der Stellenbesetzung der IFDs »wird ein angemessener Anteil der Stellen mit
schwerbehinderten Frauen besetzt« (§ 112). Das ist leider keine verbindliche
Verpflichtung. Dennoch scheint dieses Umsetzungserfordernis bei den IFDs
angekommen zu sein, es werden mehr Frauen mit Behinderung in den Diensten
eingestellt.
Integrationsprojekte (§§132 ff).
Beschäftigung von Frauen und Männern mit Behinderung, die bisher nicht in den
allgemeinen Arbeitsmarkt vermittelt werden konnten.
Sie bieten eine Chance, außerhalb von WfbM`s als ArbeitnehmerInnen arbeiten zu
können. Frauen mit Behinderung sollten von dieser Möglichkeit ebenso wie
Männer profitieren können.
Beteiligung der Interessenvertretung behinderter Frauen
• bei der Erarbeitung der Gemeinsamen Empfehlungen (§§ 13 und 20)
• bei der Beratung durch die Gemeinsamen Servicestellen (§ 22)
• bei der Erörterung des Berichts der Rehabilitationsträger (§ 24)
(dazu die Kommentierung von Weibernetz e.V., 2005, Literaturangaben)
Mit dem Gesetz wurde ein behinderten- und frauenpolitischer Blickwechsel
vollzogen. Frauen mit Behinderung wird in den Leistungsgesetzen ein
individueller, ihren Bedürfnissen entsprechender Anspruch auf Leistungen
eingeräumt. Seit das Gesetz in Kraft getreten ist, wird von Trägern der Kosten
und Leistungen gefordert, frauengerechte Strukturen und Angebote zu
schaffen. Es gibt sie jedoch leider immer noch: Einrichtungen und Dienste, in
denen die Gestaltung mädchen- und frauengerechter Angebote nicht zur
Selbstverständlichkeit geworden ist.
Wie kann die Umsetzung zur frauen- und mädchengerechten Gestaltung
angegangen werden?
a) auf Ebene von Einrichtungen und Dienste:
• frauen- und geschlechter-sensibles Arbeiten zur Chef- oder Chefinnensache
erklären
• Prävention und Schutz vor sexualisierter Gewalt
• Weiterbildung, Schulung der MitarbeiterInnen
• Strategien aus gelungenen Modellprojekten in die Praxis übertragen
• Qualitätsstandards für frauen- und geschlechtergerechtes Arbeiten entwickeln
• mit Frauennetzwerken in der Region kooperieren
b) auf Ebene der Frauen / Mädchen mit Behinderung:
• Frauen / Mädchen über ihre Rechte informieren
• Frauen / Mädchen in Interessenvertretungen, Netzwerke einbeziehen
• Frauen / Mädchen an der Gestaltung von Angeboten und Rahmenbedingungen
beteiligen
• Selbstbehauptungskurse anbieten
• Zugänge zu frauenspezifischen Beratungen und Angeboten im Lebensumfeld und
außerhalb von Einrichtungen schaffen
c) auf betriebs-und arbeitsbezogener Ebene:
• Integrationsvereinbarungen mit Frauenförderung abschließen,
Schwerbehindertenvertreterinnen mehr unterstützen
• in WfbM`s / Werkstätten für behinderte Menschen gezielte frauengerechte Unterstützung
aufbauen, zum Beispiel: Einführung von Richtlinien und präventiven
Maßnahmen gegen sexualisierte Gewalt, Kurse in Selbstbehauptung für Frauen
anbieten, Stellen für Frauenbeauftragte einrichten (Peer Counseling), berufliche
Bildungsprojekte für Frauen anbieten (etwa Computerkurse), frauengerechte
Übergänge in Betriebe erproben.
Positive Beispiele aus der Praxis
Wenn auch immer noch zu selten und immer noch zu oft mit Projektcharakter, es gibt
sie dennoch, die positiven Beispiele guter Praxis in: (Sonder-)Schulen,
Integrationsfachdiensten (IFD), Berufsbildungswerken (BBW), Berufsförderungswerken
(BFW),
Werkstätten für Behinderte (WfbM) und Betrieben. Über Initiativen von allgemeinen
Bildungsträgern und Vereinen und fraueneigenen Netzwerken sind regionale
Projekte entstanden, die an den mädchen- und frauenspezifischen Wünschen
ansetzen. Im Folgenden seien einige herausgegriffen, um zu zeigen, welche Schritte
im Interesse von Mädchen und Frauen mit Behinderung notwendig sind:
Initiativen zur Berufsfindung, Berufsorientierung, Berufsvorbereitung
• Mädchenwerkstatt »Girls do it«, Stuttgarter Jugendhaus e.V. Stuttgart
• Berufsorientierende und -bildende Projekte der Lebenshilfe Tübingen e.V.,
• Projekt Multimediale Berufswahlorientierung, BBW Waiblingen
• Holzwerkstatt für Mädchen mit Körperbehinderung, BBW Neckargemünd
• Von der Berufsorientierungsbörse für Mädchen mit Behinderung zur Webseite als
Infoportal, Landesstelle für Mädchenarbeit Sachsen-Anhalt, Magdeburg
• »Job Werkstatt Mädchen«, Technischer Jugendfreizeit- und Bildungsverein e.V.
Berlin
Angebote zur Beratung, beruflichen Qualifizierung, Begleitung zur
betrieblichen Teilhabe
• Vorbereitungsprogramm für Frauen, BFW Heidelberg
• »talente« bei der Hamburger Arbeitsassistenz
• Berufliche Beratung für Frauen mit Behinderung / chronischer Erkrankung, BiBeZ
e.V. Heidelberg
• PerSpeQtive – Individuelle Begleitung mit einem Schwerpunkt Gender
Mainstreaming, ARKADE-Pauline 13 gGmbH, Ravensburg
• Berufliche Anlauf- und Beratungsstelle für Frauen mit Behinderung, mixed pickles
e.V., Lübeck
• Innerbetriebliches Qualifizierungsangebot für Frauen mit Behinderung und
chronischer Erkrankung, Robert-Bosch GmbH, Reutlingen
• Personenbezogene EDV-Schulungen für behinderte Frauen, KOBRA / DieSL,
Mainz
• Telelearning-Kurse und Umschulungen mit Telelearning: verschiedene BFW`s
Mädchen- / frauengerechte Rahmenbedingungen in Einrichtungen der
beruflichen Rehabilitation
• Projekt »Frauenbeauftragte in Einrichtungen«, Weibernetz e.V., Kassel
• Ausschuss: »Junge Frauen im BBW », BBW Waiblingen
• Projekt Mädchenwohnung, Nikolauspflege, Stuttgart
• Themenbezogene Mädchengruppe, Christliches Jugenddorfwerk (CJD), Offenburg
• Frauen- und elterngerechte Rahmenbedingungen: Angebot »Mutter-Kind, VaterKind«, Berufsförderungswerk Schömberg
• Leitlinien zu Prävention und Schutz vor sexualisierter Gewalt: gibt es inzwischen in
vielen Schulen, BBW`s, BFW`s, einigen WfbM`s ...
• Selbstbehauptungs- und Selbstverteidungsangebote für Mädchen und Frauen mit
Behinderung (nach § 44, SGB IX): gibt es inzwischen an vielen BFW`s, BBW`s und
zunehmend auch an WfbM`s. Zunehmend kooperieren Einrichtungen auch mit
Frauennetzwerken, die solche Kurse organisieren. Darauf haben auch die AG
Teilnehmerinnen
aus Netzwerken verwiesen.
Literaturangaben:
E.Schön / G. Richter-Witzgall / B. Klein (2004): Berufliche Teilhabe von Frauen mit
(unterschiedlichen) Behinderungen unter der besonderen Berücksichtigung von
Frauen mit Betreuungspflichten – Wissenschaftliche Begleitung zur Umsetzung des
SGB IX im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit und Soziale Sicherung.
Dortmund
Herunterladbar unter: http://www.bmas.de/portal/10166/
People First: Informationen zum Sozialgesetzbuch IX – Rehabilitation und Teilhabe
behinderter Menschen – Zusammenfassung in einfacher Sprache.
Herunterladbar unter:
http://www.behindertenbeauftragter.de/cln_108/nn_1040298/sid_BEDEB3BD99417D
9D0BCB012EE0E54B12/nsc_true/SharedDocs/EinfacheSprache/DE/Artikel/SGBIX_
_einfache__sprache.html?__nnn=true
Anmerkung: Leider berücksichtigt der Text nicht die frauenfördernden Inhalte des
SGB IX.
Weibernetz e.V. (2005): Was sind frauenspezifische Belange im SGB IX? Kassel.
Julia Zinsmeister (2003) Mit mir nicht! Das Beschäftigtenschutzgesetz in leichter
Sprache. Die Broschüre wurde herausgegeben von bifos e.V., Kassel.
Gertrud Servos, Sprecherin Netzwerk von Frauen und Mädchen mit
Behinderung/chronischer Erkrankung NRW
Petra Stahr -Hitz, Leiterin NetzwerkBüro
Monika Pelkmann, Referentin NetzwerkBüro
Das NetzwerkBüro befindet sich in Trägerschaft der
LAG SELBSTHILFE NRW e.V. und wird
Herunterladen