1 - Netzwerk Frauen und Mädchen mit Behinderungen in NRW

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„Lustvoll leben!“ Sexualität im Leben von Frauen mit
Behinderung/chronischer Erkrankung
Einführungsvortrag von Monika Pelkmann am 22. 09. 2007
Der viel gerühmte Paradigmenwechsel in der Behindertenpolitik
weg von der Fürsorge hin zu mehr Selbstbestimmung hat bislang
noch wenig positive Auswirkungen auf den öffentlichen Umgang
mit dem Thema Sexualität und Frauen mit Behinderung gezeigt.
Sexualität und Behinderung
scheint nach wie vor ein
unvereinbares Begriffspaar zu sein, nicht zusammen zu passen.
Auch wenn es inzwischen für Menschen mit Behinderung Bücher,
Filme, Fotoausstellungen gibt, in denen es um Sexualität und den
lustvollen Umgang mit dem eigenen Körper geht, hat dieses Thema
immer
noch
einen
exotischen
Touch
und
ist
in
der
gesamtgesellschaftlichen Sicht noch lange nicht Normalität.
Besonders
der
Umgang
mit
Sexualität
in
betreuten
Wohneinrichtungen zeigt, dass sexuelle Selbstbestimmung als
Menschenrecht immer noch ein Tabuthema ist. MitarbeiterInnen
und
Pflegepersonal
sind
in
der
Regel
unzureichend
sexualpädagogisch geschult, um mit dem Thema angemessen
umgehen zu können. Wenn z.B. eine Mitarbeiterin einer
Einrichtung den Vorschlag macht, einen Kontakt-Raum oder
Lustraum einzurichten, kann sie zur Antwort bekommen: Wollen
Sie hier etwa ein Bordell aufmachen?
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Frauen mit Behinderung werden zwar häufig als sexuelles
Neutrum gesehen, das schützt sie aber nicht vor sexueller Gewalt, im
Gegenteil: Aufgrund ihrer körperlichen Abhängigkeit sind sie einem
vielfach höheren Risiko ausgesetzt, Opfer von sexualisierter Gewalt
zu werden als nicht behinderte Frauen. Grenzüberschreitungen bei
Therapien und dem Anpassen von Hilfsmitteln werden fast als
Normalität erlebt. Aiha Zemp, die bekannte Schweizer Forscherin auf
dem Gebiet Behinderung und Sexualität, die wie sie sagt, als Laune
der Natur mit Arm- und Beinstümpfen geboren wurde, drückte diese
Erfahrung so aus: An mir darf jeder und jede rumfummeln!
In den Einrichtungen für Menschen mit Behinderung gibt es im Falle
von sexualisierter Gewalt kaum verbindliche Handlungsrichtlinien.
Ein Klima von Tabuisierung, Verunsicherung und Verschweigen
bildet einen Nährboden für sexuellen Missbrauch. Auf diese Thematik
werden wir in der Arbeitsgruppe von Frau Servos weiter eingehen,
und natürlich ist auch in den anderen AGs Platz für dieses Thema.
Konzeption und Ziel der Veranstaltung „Lustvoll leben“
Als wir anfingen, uns mit Sexualität im Leben von Frauen mit
Behinderung zu beschäftigen, wurde uns zunächst die große Schwere
des Themas deutlich; Sexualität und Behinderung von Frauen schließt
immer sexualisierte Gewalt ein. Dieses Thema wollen wir natürlich
nicht
ausklammern,
die
Diskussion
auf
politischer
und
sozialrechtlicher Ebene ist wichtig, das ist unbestritten. Trotzdem
haben wir uns bewusst entschlossen, mit dem Titel des heutigen Tages
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„Lustvoll leben!“ den Blick eher auf die Licht- als auf die
Schattenseiten der Sexualität zu richten und uns zunächst ganz
persönlich mit dem Thema auseinanderzusetzen.
Wir beabsichtigen mit der Arbeit, die uns hier zusammengeführt hat,
eine Verbesserung unserer Lebensqualität im Hinblick auf eine
Erweiterung der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben um den
Bereich Liebe, Partnerschaft, Erotik, Sexualität.
„Auch das noch! mag manche von euch jetzt denken. Als ob ich
sonst keine Probleme hätte!“ Wie wir aus eigener Erfahrung
wissen, haben viele Frauen mit und ohne Behinderung dieses
Thema für sich abgehakt. Zu schwierig, zu viele schlechte
Erfahrungen, zuwenig geeignete Kandidaten/Kandidatinnen für eine
lustvolle Beziehung. Und trotzdem gibt es für einige immer wieder
Zeiten, in denen die Sehnsucht und die Wünsche danach sich
nicht verdrängen lassen.
Diese Sehnsüchte begrüße ich heute besonders herzlich! Und all die
mutigen Frauen hier, die sich mit ihnen auseinandersetzen wollen und
Lust haben ihre Fantasie beflügeln zu lassen mit dem Gedanken: Es ist
oft viel mehr möglich, als wir denken. Zuerst müssen wir in unserem
Kopf Grenzen überschreiten, das ist der Anfang.
Wir wollen heute einen geschützten Rahmen bieten, um über
Sexualität und Lust, und alles, was im weitesten Sinne damit zu tun
hat, zu reden und wenn gewünscht auch zu fühlen.
Es wäre schön, wenn es uns gelingt, das Thema ein wenig zu öffnen
und den Austausch darüber so anzuregen, dass sich nach der heutigen
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Veranstaltung
möglicherweise
die
ein
oder
andere
kleine
Frauengruppe im Land sich weiter zu dem Thema trifft.
Stellen wir uns nun die Frage:
LUST Was bedeutet das eigentlich? Lustvoll leben, mit Lust
leben…In unserem täglichen Sprachgebrauch kommt das Wort
Lust hauptsächlich in seiner Verneinung vor. Einen Satz sagen
und hören wir häufig genug: Ich hab keine Lust! Unlust wird als
negativ erfahren und daher gemieden. Dabei hat die Unlust eine
wichtige Funktion, sie ist oft ein Hinweis auf Probleme, die es
anzupacken gilt.
Aber wir machen es heute ja mal anders: Wir beschäftigen uns mit der
Lust und diese ist lt. Wörterbuch eine intensive, angenehme Weise des
Erlebens, die sich auf unterschiedlichen Ebenen der Wahrnehmung
zeigen kann, z.B. als angenehme Empfindung oder als Gefühl der
Befriedigung. Lt. Sigmund Freud, einer der größten Psychologen,
bringen wir Menschen ein instinktives angeborenes Streben nach
Bedürfnisbefriedigung und Glücklichsein mit auf die Welt. Aber
sobald wir dem Kleinkindalter entwachsen sind, wird uns ein Leben
nach
dem
Lustprinzip
schwer
gemacht
durch
Erziehung,
gesellschaftliche Normen und Zwänge, durch das Leben selbst, die
viel beschworene Realität.
Wir müssen vernünftig sein, das Leben ist keine Spielwiese, man
kriegt nichts geschenkt und wie wir wissen eine behinderte Frau
hat es besonders schwer. Manchmal gehen wir ziemlich hart mit
uns selbst um, wenn wir uns sagen: wie blöde sehe ich heute
wieder aus, wie dick bin ich geworden, mich mag sowieso keiner,
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ich bin es nicht wert geliebt zu werden. Jede von uns kennt diese
negativen Gedanken
Aber wir kennen sicher auch lustvolle Gefühle, z.B,. wenn wir
konzentriert in eine Tätigkeit vertieft sind. Mit solchen Gefühlen,
neudeutsch auch Flow genannt, macht uns die Arbeit oder das Hobby
Spaß, wir sind ausgeglichener und entspannter, wir können uns freuen,
mehr lachen, können Pläne schmieden, verstehen uns selbst und
andere besser und fühlen uns im eigenen Körper gut trotz
Einschränkungen und Schmerzen.
Mit solchen Gefühlen werden wir mutiger und trauen uns auch zu,
Neues auszuprobieren, rufen vielleicht auch schon mal einen netten
Mann/Frau an, um mit ihm/ihr ins Kino zu gehen oder wir gehen mit
einer Freundin in die Disco zum Tanzen.
Bedeutung von Partnerschaft und Sexualität
Nähe zu anderen Menschen ist ein wichtiger Bestandteil von
Lebensqualität. Wir brauchen Menschen, an die wir uns anlehnen
können, bei denen wir auftanken, uns Rat holen können. Jeder
Mensch ist angewiesen auf Halt, Geborgenheit, Intimität und
Anerkennung.
Wenn wir dieses positive Lebensgefühl mit jemandem teilen möchten,
kann es auch gut sein, dass wir Lust auf einen anderen Menschen
haben, mit ihr oder ihm zärtlich sein wollen oder Lust haben auf Sex..,
d.h. sich mit ihr oder ihm vereinigen, schlafen, Liebe machen wollen
oder wie ihr die natürlichste Sache der Welt nennen mögt. Wenn dann
jemand da wäre, mit dem/der wir diese Lust liebevoll leben könnten,
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das wäre wunderbar! Doch das ist nicht immer so einfach zu
bewältigen, oft ist kein PartnerIn da, mit dem/der frau diese Nähe
leben kann.
Frauen und Mädchen mit Behinderung haben mit ganz
praktischen
Schwierigkeiten
bei
der
Aufnahme
von
Freundschaften und Partnerschaften zu kämpfen: Zum Beispiel:
Wegen ihrer häufig eingeschränkten Mobilität bleibt ihnen wenig
Spontaneität in ihren sozialen Unternehmungen, ein Fahrtdienst
muss geplant und bestellt werden, und viele gesellschaftliche Orte
sind leider immer noch nicht barrierefrei zugänglich.
Erschwerend hinzu kommt, dass Frauen mit Behinderung nicht oder
nur eingeschränkt zugetraut wird, Kinder zu erziehen.
Dem Kinderwunsch von Frauen mit Behinderung wird immer noch
häufig mit Unverständnis begegnet - übrigens ebenso wie dem
Wunsch nach Arbeit/Erwerbsarbeit.
Sehr problematisch ist auch, wenn eine Frau mit einer körperlichen
Behinderung einen Mann trifft, der sich für sie interessiert, dann muss
sie sich fragen, ob dieser Mann nicht vielleicht ein Amelotatist
(Deformationsfetischist) ist, ein Mann, der ein fehlendes Körperteil
der Frau als Fetisch für die Entwicklung seiner Lust braucht. Oder ob
sie an einen ängstlichen Mann geraten ist, der glaubt, eine Frau
mit Behinderung nimmt ihm so schnell keiner weg, wenn er sich
nur genug aufopfert. Oder ob der Mann sie für seine finanzielle
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Sicherheit
ausnutzt.
Das
sind
alles
nicht
die
besten
Startbedingungen für eine gelungene Beziehung.
Hat unser „Objekt der Begierde“ aber all diese peinlichen
Prüfungen überstanden, fragen wir uns dann oft noch: Wieso
gerade ich? Was findet der/die denn an mir?
Da geht es dann um unsere Barrieren im Kopf und wie frau sie
überwindet:
Wir leben in einer Welt, deren Schönheitsideale geprägt sind von
einer Ästhetik- und Leistungsmafia unvorstellbaren Ausmaßes.
Durch jede Seifenoper im Fernsehen tänzeln gleichförmige,
oberflächengeglättete Schönheiten. Der Körperkult wird immer
massiver. Was zählt, ist der Konsum. Ich bin, was ich verbrauche.
Alles was ich scheinbar brauche, hole ich mir! Und wenn es eine
Schönheits-Operation ist, spare ich eben drauf. Fett absaugen, Nase
verkleinern, Brüste vergrößern, sich fast zu Tode hungern, das ist der
Terror, dem sich immer mehr v. a. junge Menschen aussetzen. Aus
diesem Blickwinkel sind Menschen mit Behinderung unattraktiv
und unerotisch. Die tollen begehrenswerten Frauen, das sind die
anderen! Bei diesem Wettbewerb sind wir außen vor.
In diesem Zusammenhang möchte ich das Weibernetz in Kassel
zitieren, die bundesweite Organisation von Frauen mit Behinderung,
Sie nehmen kritisch Stellung zu den Model-Contests für Frauen mit
Behinderung , diese sind lt. Weibernetz kontraproduktiv, weil sie 1.
die Normen nicht durchbrechen und 2. die Frauen mit Behinderung in
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zwei Gruppen spalten, in die noch schönen und den großen Rest der
anderen.
Das Körperbild von Frauen und Mädchen mit Behinderung wird auch
geprägt von dem Unterschied, ob die Beeinträchtigung angeboren ist
oder zu einem späteren Zeitpunkt erworben
wurde: Behinderte
Kinder erleben sich zunächst trotz aller Einschränkung als vollständig
und intakt. Ich bin Ich! Therapie und medizinische Versorgung
vermitteln dann neben den Schmerzen die Erfahrung: So wie ich bin,
bin ich nicht in Ordnung. Jede/r darf in meinen Körper eingreifen,
ohne mich um Erlaubnis zu fragen. Ich bin erst schön, wenn ich z.B.
laufen kann. Diese Erfahrungen entwickeln ein gestörtes
Körperbild und die Erfahrung: Ich bin nicht liebenswert.
Wird die Behinderung erst später erworben, müssen zwei Lebensteile
- vorher und nachher in Einklang gebracht werden: Ich bin nicht mehr
schön, weil mir ein Teil meines Körpers fehlt oder Ich bin erst wieder
liebenswert, wenn ich wieder laufen kann. Dabei wird die
Aufmerksamkeit nur noch auf die Beeinträchtigung gerichtet und alle
anderen Fähigkeiten und Begabungen ausgeblendet.
Nun möchte ich euch einladen, gedanklich die Welt der fantasielosen
und begrenzten Sichtweisen, die ich eben beschrieben habe, zu
verlassen und einzutauchen ein in eine Welt der Sinnlichkeit und
Achtsamkeit uns selbst und unserer Körper-Geist-Seele Einheit
gegenüber. Wir entwickeln eine Gegenthese:
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Körperbehinderung ist erstmal keine sexuelle Behinderung.
Unsere Sexualität lassen wir nicht von gesellschaftlichen Normen
bestimmen. Sexualität hat mit äußerer Schönheit nur sehr bedingt
etwas zu tun.
Der Geist bringt die Materie hervor, unsere Wirklichkeit wird
von dem bestimmt, was wir fühlen und denken.
Körperlichkeit lässt sich nicht ohne die Seele sehen und erfahren.
Hier möchte ich ein Gedicht von Mathias Vernaldi von 1982 zitieren.
Er ist einer der Autoren aus dem Buch: Behinderte Sexualitätverhinderte Lust? und Mitbegründer von Sexybilities in Berlin. Frau
beachte v. a. die letzte Zeile des Gedichtes!
„Ärzte und Bürokraten haben meinen Körper benannt,
geschwollene Füße und Waden bezeichnen sie mit Elefantiasis,
die eingeschränkte Beweglichkeit der Gelenke erfassen sie als
Kontraktur,
progressiver Muskelschwund ist die Schädigung, die mich
berechtigt eine Invalidenrente und Sonderpflegegeld zu beziehen.
In der Rubrik „Besondere Kennzeichen“ führe ich das Prädikat
„gehunfähig“
WENN WIR UNS NAHE SIND, BEBT JEDE FASER MEINES
LEIBES.
Wenn wir schon in einer Zeit des Körperkultes leben, dann sollten wir
uns auch unseren eigenen Körperkult leisten. Vernaldi sagt: „Ich bin
schön nicht trotz meines Buckels, mein Buckel ist schön (weil er zu
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mir gehört)! Wenn ich nur denke, dass ich schön bin, dann bin ich
schön, und es empfinden mich auch andere als schön und
begehrenswert.“
Es geht also um unsere Kraft der Eigenwahrnehmung und
Selbstinszenierung. Diese ist bei kleinen Kindern noch sehr stark
ausgeprägt, sie fragen sich nicht, wie sie auf andere wirken,
vergleichen sich nicht, sie sind einfach sie selbst und das macht
ihren Reiz aus.
Attraktivität
ist
das
individuelle,
persönliche
subjektive
Empfinden jedes Einzelnen.
Wenn wir uns also auf die Suche nach unserer eigenen, persönlichen
Attraktivität machen, fragen wir uns: was ist das Einzigartige an
mir? Was macht mich einmalig? Wie finde ich zum Kern meines
Wesens? Das herauszufinden, ist eine lebenslange und spannende
Aufgabe.
Ich habe eben gesagt, dass Körperbehinderung nicht per se sexuelle
Behinderung ist. Dazu sagt Prof. Thomas Mösler, Lehrer für
Sexualmedizin und Sexualtherapie an der Universität Erlangen, dass
gerade
im
Bereich
der
Sexualität
die
Grenzen
zwischen
gesund/“normal“ und nicht gesund/“unnormal“ sehr verschwimmen.
Mösler sagt: Psychische Konflikte und Verwundungen können
mitunter größere negative Folgen nach sich ziehen als körperliche
oder geistige Behinderung und nicht wenige der starken, schönen,
vermeintlich
gesunden
Menschen
haben
beachtliche
Schwierigkeiten im sexuellen Bereich.
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Auch die Fähigkeit, einen Orgasmus zu erleben ist nicht unbedingt an
das Vorhandensein oder die perfekte Funktion der Nerven an den
primären Geschlechtsorganen gebunden. Auch wenn das Gefühl in
den Geschlechtsorganen nicht mehr vorhanden ist, kann durch
bestimmte Übungen (z.B. aus der tantrischen Medizin) eine gute
Orgasmusfähigkeit erreicht werden.
Die Methode des Tantra arbeitet sehr stark mit der geistigen Kraft, der
Vorstellungskraft und versteht Sexualität als spirituelle Kraft.
Kommen wir nun zu der Frage:
Wie finden wir Kontakte und wie gestalten wir sie?
Die allererste Vorrausetzung für eine Kontaktaufnahme ist das
Bewusstsein: Ich reduziere mich nicht auf meine Behinderung, ich
bin viel mehr als mein Körper und ich habe einem anderen
Menschen sehr viel zu bieten.
Menschen mit Behinderung dokumentieren für die nicht
behinderte Welt sehr nah die Zerbrechlichkeit des Körpers und
damit des Lebens und all dessen, was die Gesellschaft des schönen
Scheins sich vom Leib halten will und verdrängt. In Bezug auf
eine mögliche Partnerschaft entstehen bei Nichtbehinderten
Ängste vor einem Fortschreiten der Erkrankung, der Möglichkeit
des Pflegefalls oder dem möglichen Verlust der Partnerin.
Bei einer erworbenen Behinderung ist die eigene Verarbeitung der
Erfahrungen wichtig, d.h. bevor ich meine Behinderung annehmen
kann, muss ich mir all die damit verbundenen Gefühle von Trauer,
Wut, Abschiednehmen, Bitterkeit und Depression erlauben können.
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Das geht häufig nicht ohne die Unterstützung einer geschützten
Selbsthilfegruppe oder Peer-CounselorIn.
Um andere Menschen erfolgreich und dauerhaft an mich zu binden, ist
ein kritisches Selbstbild nicht ungeeignet. Ich sollte
keine
überzogenen Ansprüche an andere haben und nicht von dem/der
einen alles erwarten. Weder mit einer Konsumhaltung noch mit
der Gebetsmühle der eigenen Leidensgeschichte macht frau sich
interessant, was nicht heißt, die Behinderung auszusparen oder
schön zu reden.
Ich finde es immer sehr wichtig, dass ein Mensch, mit dem ich es zu
tun habe, gelernt hat, Bitte und Danke zu sagen. Damit meine ich
nicht die üblichen Höflichkeitsfloskeln, sondern die Fähigkeit um
Hilfe zu bitten, diese auch anzunehmen und auch ein Bewusstsein für
Dankbarkeit ausdrücken zu können.
Soziale Kompetenz ist der angemessene Austausch zwischen
Geben und Nehmen.
Neben dem, was ich erwarte (z.B. Hilfe bei der Alltagsbewältigung
über die Pflege hinaus), sollte ich auch einen Blick auf meine
Potentiale werfen.
Eigene Wertschätzung kann eine Beziehung sehr stabilisieren, macht
sie eigentlich erst möglich. Zur Selbstwertschätzung gehört auch,
Zeit und Aufmerksamkeit in Körper- und Kleiderpflege zu
investieren, was natürlich nicht immer leicht ist, wenn ich Assistenz
benötige und es heißt: Zeit ist Geld! Die so genannten Pflegemodule
lassen eine aufwändige Körperpflege und Kosmetik nicht zu. Aber
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auch
mein
Outfit
(z.
B.
die
Farbe
meiner
Kleider)
ist
Kommunikationsmittel, mit dem ich etwas ausdrücke.
Kurz möchte ich noch etwas sagen zur Kontaktsuche im Internet
und zu sexuellen Diensten. Es gibt inzwischen einen riesigen Markt
von den „Rollenden Herzen“, einer Kontaktzentrale für behinderte
und nicht behinderte Menschen in Hamburg bis hin zu Anbietern für
sexuelle Dienste und Berührungsservice, Sensis in Wiesbaden und
Sachsen oder sexybility in Berlin. In der Regel sind es Männer, die
diesen Service nutzen. Sie müssen für diese kurzfristige
körperliche Befriedigung ihrer Bedürfnisse häufig die Hälfte ihres
Werkstatteinkommens ausgeben. Außerdem belegen Aussagen
von Nutzern dieser Dienste, dass sie sich ja eigentlich mehr
wünschen, nämlich eine Beziehung. Sexualität hat eigentlich
immer mit Beziehung zu tun und ist viel umfassender ist als das,
was wir uns über eine Dienstleistung holen können.
Frauen wünschen sich eher ganzheitliche Befriedigung und
scheuen eine Inanspruchnahme dieser Angebote. Sexualität leben,
bedeutet für viele mehr als Geschlechtsverkehr, sondern
Berührungen, intensive Körperkontakte, Umarmen, gehalten
werden. Leider ist unsere sexualisierte Gesellschaft in dieser
Beziehung nicht so offen und frei, dass uns dies leicht gemacht würde.
Wer ohne Sexualpartner lebt, verzichtet häufig auch auf
Zärtlichkeiten. Natürlich gibt es die Möglichkeit der
Selbstbefriedigung als lustvolles Körpererleben, sie stillt nur nicht die
Sehnsucht nach Zweisamkeit.
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In meinem FreundInnenkreis schenken wir uns ab und zu zum
Geburtstag Gutscheine für Massagen; ich hatte das Glück, eine
wunderbare ayurvedische Ölmassage genießen zu dürfen. Die
Masseurin ist durch ihre Ausbildung mit Menschen mit Behinderung
vertraut, sodass frau hier keine Berührungsängste erwarten muss.
Leider sind diese Massagen nicht gerade billig, aber für so einen
Körpergenuss kann ich gerne auf ein neues Kleidungsstück oder
Essengehen verzichten.
Wir leben ununterbrochen mit unserem Körper und schenken ihm
doch häufig wenig Aufmerksamkeit, sind getrieben von Dingen, die
wir unbedingt erledigen müssen. Um gesund zu bleiben, müssen wir
darauf achten, unserem Körper genug Schlaf und gesunde
Nahrung zu bieten und auch unsere Seele braucht täglich
Nahrung z.B. in Form von erbaulichen Dingen wie die Natur
genießen oder Musik hören, Dinge, die uns gut tun und die kein
Geld kosten.
Ich habe mich in meinen Ausführungen auf sehr persönliche Aspekte
des Themas bezogen. Da, wie wir wissen, das Private immer auch
politisch ist, möchte ich abschließend für die Arbeit in den
Arbeitsgruppen euch noch ein paar grundsätzliche Forderungen zum
Thema Sexualität im Leben von Frauen mit Behinderung auf den Weg
geben:
Frauen mit Behinderung haben bzgl. ihrer Sexualität Rechte:
1. Recht auf Privatsphäre und Intimsphäre
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2. Recht auf physische und psychische Unversehrtheit - das
Recht auf Schutz vor Übergriffen
3. Recht auf Sexualberatung- und Sexualpädagogik
4. Recht auf Sexualassistenz
5. Recht auf eigene Kinder
Leider oder zum Glück gibt es kein einklagbares Recht auf eine/n
Partner/in; wir können zu keinem Amt gehen und uns beschweren: Ich
hatte jetzt bereits seit zwei Jahren keinen Sex mehr!
Langfristiges Ziel und gesellschafts und sozialpolitische Aufgabe
ist die Aufnahme von Sexualität in den alltäglichen Dialog, die
Aufhebung der Sprachlosigkeit, angstfreies, verständliches und
ungezwungenes Reden über Sexualität, auch auf Seiten der
BegleiterInnen von Menschen mit Behinderung.°
Dies ist ein langer Weg, den wir heute ein erstes Stück gemeinsam
gehen! Dabei wünsche ich allen für den Rest des Tages vor allem ganz
viel Spaß und Lust miteinander!
Monika Pelkmann
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