DiffusionI+II

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Praktikum zur Vorlesung
„Grundlagen der Werkstoffwissenschaft“
Anleitung für die Praktika
Diffusion I
Diffusion II
1.
Theoretische Grundlagen zur Diffusion
1.1.
Der Diffusionskoeffizient D
Makroskopisch
wahrnehmbaren
Werkstoffveränderungen
werden
durch
diffusionsbedingte Transportvorgänge einzelner Elemente im Werkstoff verursacht.
Ein Maß für die Geschwindigkeit dieser Atombewegungen im Gitter ist der
Diffusionskoeffizient D. Um dies zu verstehen und zu beschreiben, werden zunächst
die Vorgänge erklärt, die beim Sprung eines Atoms im Kristallgitter ablaufen. Dabei
sind zwei Platzwechselmechanismen zu unterscheiden:
1.1.1. Zwischengittermechanismus (Interstitielle Diffusion)
Für interstitiell gelöste Atome (H,C,N,O) erfolgt die Diffusion durch Sprünge von
einem Zwischengitterplatz zum Nächsbenachbarten (s. Bild 1) Hier liefern die aus
dem Experiment gefundenen Diffusionsparameter Informationen über die
Wanderungsenthalpie. Für krz-Metalle erfolgt die Diffusion über Oktaederlücken.
Bild 1: Zwischengittermechanismus
1.1.1.1. Aktivierungsenergie Q
Damit beim Sprung eines Atoms von A nach B die Sattelpunktslage C passiert
werden kann (Bild 2), müssen die dortigen Atome etwas aus ihrer
Gleichgewichtslage verschoben werden.
A
C
Potenzielle Energie
x
B
x
A
x
C
B
Q
x
Bild 2: Interstitieller Atomsprung im Kristallgitter
Dafür muss dem Atom die Freie Wanderungsenthalpie Gm aus der thermischen
Gitterenergie zur Verfügung gestellt werden. Die Wahrscheinlichkeit dafür, dass
einem Atom diese notwendige Energie zur Verfügung gestellt wird, ist durch die
Exponentialfunktion
m
m
m
 G 
 H T S 
exp 
  exp 

RT
 RT 


gegeben. Die Wanderungsenthalpie Hm ist dabei gleich der Aktivierungsenergie Q
und Sm ist die Wanderungsentropie.
R kennen wir als Allgemeine Gaskonstante [ R = 8,3167.J/(mol K) ].
In dem Praktikum zur Diffusion im Rahmen dieser Weiterbildungsveranstaltung wird
die Aktivierungsenergie der Kohlenstoffdiffusion in Eisen experimentell bestimmt. An
dieser Stelle wird dann auch der Zwischengittermechanismus ausführlicher
besprochen.
1.1.1.2. Der Frequenzfaktor D0
Jede Schwingung des Atoms um seine Ruhelage wird als Versuch eines
Platzwechsels gewertet. Die Schwingungsfrequenz  ist also ebenfalls proportional
der Wahrscheinlichkeit eines stattfindenden Platzwechsels, denn je höher die
Schwingungsfrequenz, umso öfter versucht das Atom den Platzwechsel und umso
größer ist die Aussicht auf Erfolg.
Die Platzwechselfrequenz  (also die Anzahl der Sprünge, die ein Atom pro Sekunde
ausführt) ist dann das Produkt aus diesen zwei Wahrscheinlichkeiten, wobei z die
Zahl der freien Plätze um das Atom angibt:
m
m
 H T S 
  z   exp 

RT


Führt man jetzt den Diffusionskoeffizient als Maß für die Beweglichkeit einzelner
interstitieller Atomarten im Kristalgitter ein, so ist außerdem noch die Kristallstruktur
durch einen Geometriefaktor g und durch den Gitterparameter a zu berücksichtigen
(für kubische Struktur existieren 6 gleichberechtigte Raumrichtungen, deshalb ist
g=1/6):
m
m
1 2
 H T S 
D  g  a     a  z   exp 

6
RT


2
Die Abkürzung
m
1 2
S 
D0  a  z   exp  
6
R
wird als Frequenzfaktor D0
bezeichnet. Damit erhält der Ausdruck für den Diffusionskoeffizenten
die allgemeine Form
 Q 
D  D0  exp 

 RT 
.
1.1.2. Leerstellenmechanismus (Substitutionelle Diffusion)
Im thermischen Gleichgewicht enthalten die Metallgitter immer eine definierte
Leerstellenkonzentration.
G 
 exp 

 RT 
B
c LS
GB ist die freie Energie der Leerstellenbildung. In der Umgebung der
Schmelztemperatur liegt die Leerstellenkonzentration cLS zwischen 10-4 und 10-3 ,
d.h. etwa jeder 1000. Gitterplatz ist unbesetzt. Diese Leerstellen bilden
gewissermaßen die Transportvehikel. Die Gitteratome bewegen sich durch das
Gitter, indem sie mit den Leerstellen die Plätze tauschen. Bild 3 verdeutlicht, dass für
den Platztausch von Atom und Leerstelle ebenfalls eine sogenannte
Wanderungsenthalphie Gm aufgebracht werden muss. Für einen Diffusionssprung im
kubischen Metallgitter muss also ein nächster Nachbar eine Leerstelle sein. Die
Wahrscheinlichkeit dafür ist gleich der Leerstellenkonzentration. Desweiteren muss
die zur Überwindung der Energiebarriere erforderliche Wanderungsenthalphie Gm
dem springenden Atom zur Verfügung stehen. Die Wahrscheinlichkeit dafür ist
 G 
exp 

 RT 
m
.
Unter Berücksichtigung des Zusammenhanges zwischen freier Enthalpie G und
Enthalpie H sowie Entropie S und der Zahl der nächsten Nachbarn im Gitter liefert
1
2
Bild 3: Leerstellenmechanismus
die Theorie für die in kubischen Metallen mit radioaktiven Tracern messbaren
Diffusionsparameter :
Frequenzfaktor
:
Aktivierungsenergie :
B
m
 SA  SA 
D0  a0  f   exp

R


B
m
Q  HA  HA
2
Dabei bedeuten:
a0
Gitterparamaeter
f
Korrelationsfaktor (berücksichtigt, dass das Atom nur dann in eine
ausgewählte Richtung springt, wenn dort eine Leerstelle ist)

Gitterschwingungsfrequenz
B
m
SA ,SA
Leerstellenbildungs (B)- und Wanderungs (m)-entropie
H AB  H Am
R
Leerstellenbildungs- bzw. Wanderungsenthalpie
allgemeine Gaskonstante (R=8,3143 J/Mol/K)
1.1.3 Gitterschwingungsfrequenz 
Wie wir bereits gesehen haben, wird der Frequenzfaktor D0 maßgeblich durch die
Gitterschwingungsfrequenz  bestimmt. Zum besseren Verständnis betrachtet man
einen Kristall, aufgebaut aus schwingenden Atomen. Das schwingende Atom ist an
eine Gleichgewichtslage gebunden, in die es nach Auslenkung durch eine Kraft
zurückgezogen wird. Ein ganz einfaches Modell zur Beschreibung eines solchen
schwingenden Atomes ist der lineare harmonische Oszillator (Federschwinger), der
aus einer Punktmasse m besteht, die der Rückstellkraft F=-kx (k-Federnkonstante)
unterliegt, wenn sie um die Strecke x aus der Ruhelage ausgelenkt wird (Bild 4).
Bewegungsgleichung des Federschwingers:
F kx
m  x   k  x
k
Ansatz : x  x0 sin t
x  x0 cos t
x   x0 2 sin t
k
 x0 sin t
m
k
2 
m
k
  2 
m
1 k
 
2 m
 x0   2 sin t  
Kreisfrequenz
Schwingungsfrequenz
m
x0
m
F
Bild 4: Modell des Federschwingers
Dann lässt sich die Bewegungsgleichung in der bekannten Form F=-kx aufstellen,
wobei x die Auslenkung aus der Ruhelage und x0 die Schwingungsamplitude
bedeutet. Zur Lösung der Bewegungsgleichung wird eine harmonische Funktion
x=x0sint in Ansatz gebracht, zweimal nach t abgeleitet und in die
Bewegunggleichung
eingesetzt.
Diese
lässt
sich
dann
nach
der
Schwingungsfrequenz auflösen. Die Atommassen der einzelnen Elemente sind
bekannt. Um die Federkonstante des atomaren Oszillators abzuschätzen, denkt man
sich eine große Anzahl von atomaren Federschwingern zu einer stabförmigen Probe
gekoppelt. An dieser Probe wird der Zugversuch im elastischen Bereich
durchgeführt.
Dabei gilt das Hook’schen Gesetz, aus dem dann der Elastizitätsmodul E bestimmt
werden kann. Bei bekanntem E-Modul lässt sich so die makroskopische
Federkonstante K des Prüfkörpers bestimmen.
Spannung
  E 
F
x
E
A
l
A
K E
l
  Dehnung
F   K  x  E 
A
 x
l
F ist die Prüfkraft, A der Querschnitt des Prüfkörpers und l seine Länge. Die so ermittelte makroskopische Federkonstante K wird durch Reduzierung des Prüfkörpers
auf Atomdimension zur atomaren Federkonstante k rücktransformiert, indem K auf
die Zahl der Atome pro Flächeneinheit n aufgeteilt und l auf den Netzebenenabstand
a reduziert wird. Man erhält dann
k
E .
an
Damit ist nun auch der Frequenzfaktor abschätzbar.
Als Beispiel betrachten wir Kupfer:
E = 12,98 . 1010 N/m2
n = 2,16 . 1019 Atome/m2


l = 2,556 . 10-10 m
m = 10,55 . 10-26 kg
K = 23,5 N/m
  2,4.1012 s-1
Auch experimentelle Untersuchungen (z.B. durch inelastische Neutronenstreuung)
zeigen, dass die Atome im Kristallgitter mit Frequenzen von etwa 1012 bis 1013 s-1
schwingen.
Damit kann man festhalten:
Diffusion ist die thermisch aktivierte makroskopisch statistische Bewegung
von Atomen, Ionen oder anderen Gitterbausteinen.
1.1.4. Temperaturabhängigkeit des Diffusionskoeffizienten
Der Diffusionskoeffizient wird mit zunehmender Temperatur entsprechend der
 Q
D  D0  exp 

 RT 
Beziehung
größer.
1
T
Logarithmiert man diese Gleichung,
so erhält man die Geradendarstellung
ln
D
Q 1
 
D0
R T
,
ln D
die als Arrheniusdarstellung bezeichnet wird.
1
T1
1
T2
1
T3
Bild 5 : Arrheniusdarstellung des Diffusionskoeffizienten D
Trägt man also den Logarithmus des Diffusionskoeffizienten über der reziproken
Temperatur auf, so erhält man eine Gerade. Wird der Diffusionskoeffizient bei drei
verschiedenen Temperaturen experimentell bestimmt, so lässt sich aus dem Anstieg
dieser Geradendarstellung die Aktivierungsenergie bestimmen (Bild 5).
1.2.
Die Diffusionsgesetze
Mit dem Diffusionskoeffizienten ist eine Materialgröße für eine Atomsorte in einem
Diffusionssystem gegeben, die eine Aussage über die Beweglichkeit der
diffundierenden Atome liefert.
1.2.1. Das 1. Fick’sche Gesetz
Das 1. Fick’sche Gesetz quantifiziert den Teilchenstrom j durch eine
Beobachtungsfläche A. Dieses Gesetz ist genauso wie das Ohmsche Gesetz
(Elektronen statt Teilchen) linear. Es beschreibt die Proportionalität einer Flussgröße
(Zahl derTeilchen n, Zahl der Elektronen ne jeweils pro Fläche und Zeit) auf der
einen Seite und des örtlichen Gradienten auf der anderen Seite.
1 dn
C
 j  D
A dt
x
entspricht dem Ohm' schen Gesetz
U
dne
A
1
I 
I 

U

R
dt
 l

1 dne
dU
dU


je   
A dt
dl
dx
j
c(x)
x
Bild 6 : Das 1. Fick’sche Gesetz
Beim Ohm’schen Gesetz sei an
R  
l
A
erinnert, wobei  der spezifische
elektrische Widerstand und  die spezifische elektrische Leitfähigkeit bedeutet.
1.2.2. Die Diffusionsgleichung oder das 2. Fick’sche Gesetz
Die Diffusionsgleichung resultiert aus der Masserhaltung und wird aus der
Kontinuitätsgleichung hergeleitet.
Die Konzentrationsänderung
im Inneren eines Gebietes ist
gleich der Differgenz des über
die
Oberfläche
dieses
Gebietes
abfließenden
Diffusionsstromes.

C
t
div j
Bild 7 : Zum Verständnis der Kontinuitätsgleichung
Aus dieser Kontinuitätsgleichung
C
C
 div j  0 und dem 1. Fick ' schen Gesetz j   D
t
t
folgt das 2. Fick’sche Gesetz :
C
 div ( D grad C )
t
und für D=konstant:
  2C  2C  2C 
C
 D  2  2  2 
t
y
z 
 x
oder eindimensional:
C
 2C
D 2 .
t
x
1.2.3. Lösungen der Diffusionsgleichung und ihre Bedeutung
Wo immer man in der Werkstofftechnik auf Verbunde trifft oder mit an Stofftransport
gebundenen Prozessen wie
Thermochemische Behandlungen (Nitrieren, Borieren, Aufkohlen)
Homogenisieren, Altern, Sintern, Phasenbildung, Ausscheidungswachstum
Oxidation, Innere Oxidation
mechanische Kontaktierungen (Oberflächenbeschichtung, Plattierung,
Löten, Schweißen)
zu tun hat, so findet man als Phänomen immer ein C(x)-Profil. Dieses experimentell
bestimmbare C(x)-Profil entsteht durch Diffusionsprozesse. Deshalb muss das C(x)Profil eine Lösung der Diffusionsgleichung sein.
Ist die Lösung bekannt, lässt sich aus dem experimentell ermittelten C(x)-Profil der
Diffusionskoeffizient bestimmen.
Ist der Diffusionskoeffizient bekannt, kann mit der Temperatur und der
Wirkungsdauer das C(x)-Profil vorausberechnet werden.
Die Lösung der Diffusionsgleichung ist ein rein mathematisches Problem und leider
muss man feststellen: Es gibt keine „einfachen Lösungen“ des 2. Fick’schen
Gesetzes. Die Lösungen basieren auf statistischen Verteilungsfunktionen wie
beispielsweise der Gausschen Fehlerfunktion
erf ( x) 
wickelt werden kann:
2

x
  e t dt ,
2
die leicht in eine Reihe ent-
0
2 
x3
x5
x7

erf ( x) 


 ... .
x
  1!3 2!5 3!7

Damit lässt sich für den einfachen Fall, das zwei unterschiedliche Metalle mit der
Ausgangskonzentration c0 gegeneinander plattiert sind, die Lösung als
C x 
c0
2

 x 
1

erf



 2 Dt 

angeben.
Unter den speziellen Randbedingungen, wie sie beispielsweise dünne Tracerschichten liefern (siehe Bild 22), dh. die Schichtdicke h muss kleiner als 0,2 Dt
sein, ist folgende e-Funktion Lösung der Diffusionsgleichung:
2
c0  h
 x 
C ( x, t ) 
 exp 

Dt
 4 Dt 
Das lässt sich leicht durch Differenzieren nachprüfen. Wenn man diese
mathematische Lösung zweimal nach x differenziert und die 2. Ableitung Null setzt,
 2C
1
4x 2


 0
2
x 2
2 Dt 4 Dt 
dann ergibt sich die zeitliche Abhängigkeit des Ortes dieses Wendepunktes :
x  2 Dt .
Diese Beziehung wird als t -Gesetz, parabolisches Wachstumsgesetz oder
Gesetz des mittleren Verschiebungsquadrates bezeichnet. Mit der zeitlichen
Wanderung des Wendepunktes lässt sich somit das Fortschreiten einer
diffusionsgesteuerten Reaktionsfront in Abhängigkeit von der Behandlungsdauer
beschreiben oder zurückgelegte Diffusionswege abschätzen.
1.3.
Selbstdiffusion, Fremddiffusion und chemische Diffusion
Man unterscheidet nach der Art der diffundierenden Atome und der
Zusammensetzung der Gittermatrix zwischen Selbstdiffusion, Fremddiffusion und
chemischer Diffusion. Dabei kennzeichnen die Indizes mit Stern im Falle der
Selbstdiffusion das diffundierende Element, die Indizes ohne Stern sind der Matrix
zugeordnet.
Selbstdiffusion: Thermisch aktivierte Bewegung von A-Atomen im reinen Element A
bzw. in einer homogenen, das Element A enthaltenden Phase AB
Die Selbstdiffusion einer Atomsorte A in der arteigenen Matrix wird durch den
Selbstdiffusionskoeffizienten DA* beschrieben.
Bild 8: Illustration zur Selbstdiffusion
Fremddiffusion: Thermisch aktivierte Bewegung von Fremdatomen B in einer Matrix
A oder einer das Element B nicht enthaltenden Legierung ACD..., ohne gegenseitige
Beeinflussung der B-Atome untereinander (praktisch unendliche Verdünnung). Für
die Bewegung der Fremdatome A in einer Matrix von Atomen der Sorte B gilt der
Fremddiffusionskoeffizient DAB .
Bild 9: Illustration zur Fremddiffusion
Chemische Diffusion: Unter dem Einfluss eines chemischen Potenzials (Konzentrationsunterschied) wird der thermischen makroskopisch statistischen Bewegung
eine Driftbewegung überlagert, die in Richtung der an den Atomen angreifenden
Kraft erfolgt (Richtung des Konzentrationsgefälles). Dabei wird der chemische
Diffusionskoeffizent DCh(AB) für eine Zusammensetzung AB zur Beschreibung der
Gesamterscheinung verwendet.
Bild 10: Illustration zur Chemischen Diffusion
Neben dem chemischen Potenzial können weitere Triebkräfte den gerichteten
Atomtransport auslösen:
 elektrische Felder = Elektrotransport (Elektromigration, spielt eine wesentliche Rolle als Schädigungsmechanismus in den Leiterbahnen mikroelektronischer Bauelemente)
 Temperaturgradient = Thermotransport (Energieübertragung durch ungeordnete „Stöße“ zwischen atomaren Gebilden)
 elastische Spannungsfelder (elastische Verzerrungsfelder von Versetzungen).
A
B
C
DCh
x
DB*
DA
DAB
DBA
DA*
DB
0
0,5
1
NB
Bild 11: Diffusionskoeffizienten in Abhängigkeit von der Konzentration in einer
binäreren Legierung mit lückenloser Mischbarkeit (DA, DB –partielle
Diffusionskoeffizienten DAB, DBA –Fremddiffusionskoeffizienten, DA*, DB* Selbstdiffusionskoeffizienten, DCh-Chemischer Diffusionskoeffizient)
Bild 11 zeigt den Zusammenhang zwischen diesen Diffusionskoeffizienten in binären
Legierungen.Aus dieser Darstellung kann man ablesen, dass sich der partielle
Diffusionskoeffizient DA, DB einer Komponente ausgehend vom Wert des
Selbstdiffusionskoeffizienten durch zunehmende Verdünnung dem Wert des
Fremddiffusionskoeffizienten annähert. Der chemische Diffusionskoeffizient ändert
sich
mit
zunehmender
Konzentration
der
Komponente
B
vom
Fremddiffusionskoeffizienten der Komponente B zum Fremddiffusionskoeffizienten
der Komponente A.
1.3.
Kirkendall-Effekt und die Theorie von Darken
Plattiert man in einer einfachen experimentellen Anordnung zwei Metalle A und B, die
miteinander einen lückenlosen Mischkristall bilden und glüht die Probe anschließend,
dann erfolgt meist eine Verschiebung der ursprünglichen Schweißebene relativ zu
den Probenenden in Richtung auf die Probenhälfte der schneller diffundierenden
Komponente. Diese Verschiebung läßt sich gut am Querschliff beobachten, wenn
man dünne Drähtchen als inerte Markierungen vor der Glühung einbringt.
Dieser sog. Kirkendall-Effekt wurde 1948 durch folgendes Experiment entdeckt:
Ein Messingblöckchen wird mit Mo-Drähten Ø 5..10µm so umwickelt, daß im
gezeigten Schnitt ein Markierungsabstand von l entsteht. Hierauf befindet sich eine
elektrolytisch abgeschiedene Kupferschicht. Nach der Diffusionsglühung verringert
sich der Markierungsabstand um t1/2
Mo-Drähte
Messing
l
Kupfer
Bild 12: Experimentelle Anordnung zu Kirkendalleffekt
Für den Kirkendal-Effekt sind 3 Erscheinungen charakteristisch:
1. Wanderung von Leerstellen
2. Lochbildung in der Nähe der Schweißebene
In der Nähe der Schweißebene entsteht auf der Seite der schneller diffundierenden
Komponente eine Zone mit Lochbildung, die sich proportional zu Wurzel t verschiebt.
Die Lochbildung zeigt, daß mit der Markierungswanderung ein Materialtransport
erfolgen muß.
3. Wulstbildung und Einschnürung
An Plattierungsproben mit dünnem Querschnitt ist auf der Seite der schneller
diffundierenden Komponente (wo Lochbildung stattfindet) eine Einschnürung zu
beobachten. Auf der anderen Seite ist in der Nähe der Schweißfläche eine
Wulstbildung zu erkennen. Diese Erscheinung ist keine Verdampfung und
Kondensation, sondern Stofftransport durch Diffusion.
Die grundsätzliche Interpretation des Kirkendall-Effektes lieferte DARKEN 1948.
Seine Theorie beschreibt den Zusammenhang zwischen den sog. "partiellen" (engl.
intrinsic) Diffusionskoeffizienten DA und D B der beiden Atomarten A und B und den
experimentell zugänglichen Größen: Chemischer Diffusionskoeffizient
und
Markergeschwindigkeit v= l/2t ( l ist die Änderung des Abstandes der
Markierungen in einer Probe A/B/A nach der Glühzeit t).
Plattierungsebene
A
t=0
jA
B
jB
Marker-Drähte
Kirkendallverschiebung l
ursprüngliche Lage der Plattierungsebene
Diffusionszone
A
t>t0
B
Konzentration
cA
Matano-Ebene
t>t0
0
x
Bild 13: Kirkendalleffekt an einer Plattierungsprobe
Der Zusammenhang zwischen dem chemischen Diffusionskoffizienten und den
partiellen Diffusionskoeffizienten sowie den Selbstdiffusionskoeffizienten (s. Bild 11)
wird nach DARKEN über die Atomkonzentrationen NA und NB vermittelt:
N B  DA  N A  DB  DCh  N B  DA  N A  DB*  m  s
*
Dabei ist der thermodynamische Faktor m und der Lerrstellenflussfaktor s zu
berücksichtigen.
Praktikum zur Vorlesung
„Grundlagen der Werkstoffwissenschaft“
Praktikum Diffusion I
2. Zur Temperaturabhängigkeit der Diffusion
2.1.
Aufgabe
An aufgekohlten Eisenproben ist ein dem effektiven
Diffusionskoeffizienten
analoger
mittlerer
Eindringkoeffizient k zu ermitteln. Die Dicke x der
Aufkohlungsschicht wächst bei konstanter Temperatur
mit zunehmender Glühzeit parabolisch nach dem
sogenannten “Wurzel-t-Gesetz” (Gesetz des mittleren
Verschiebungsquadrates). Aus dem Anstieg der
graphischen Darstellung dieser Beziehung werden die
k-Werte für die vier Temperaturen bestimmt. Mit den
ermittelten
k-Werten
und
den
zugehörigen
Glühtemperaturen kann die für die chemische Diffusion
von C in -Fe erforderliche Aktivierungsenergie
ermittelt werden.
Bild 14
2.2. Probenherstellung und Messung
Proben aus ARMCO-Eisen und Stahl C10 wurden in einem Gemisch aus 60 Vol.-%
Holzkohle und 40 Vol.-% BaCO3 bei 900, 950, 1000 und 1050°C unterschiedlich
lange geglüht. Die Dicke x der Aufkohlungsschicht wird lichtmikroskopisch an
metallographischen Schliffen aus 10 Einzelmessungen gemittelt (Neophot 30 mit
Bildverarbeitungssoftware ImageC).
T=900°C=1173K
t in
h
x in
µm
x2 in
104
µm2
T=950°C=1223K
t
in
h
x in
µm
x2 in
104
µm2
T=1000°C=1273K
t
in
h
x in
µm
T=1050°C=1323K
x2 in
104
µm2
t in x in
h
µm
.
1
1
1
1
2
2
2
2
3
3
4
4
4
5
5
5
3
4
6
6
7
8
8
x2 in
104
µm2
10
10
12
2.3. Ergebnisdarstellung und Auswertung
Der Transport der Kohlenstoffatome in das Probeninnere beruht auf den Gesetzmäßigkeiten
von Diffusionsvorgängen. Deshalb ist ein linearer Zusammenhang zwischen dem Quadrat
der am Querschliff bestimmten Eindringtiefe x und der Glühzeit t bei konstanter Temperatur
T zu erwarten (parabolisches Wachstumsges etz):
300
x² in 10-8 . m²
250
950°C
200
150
100
50
900°C
0
0
2
4
6
8
10
12
Gluehzeit in h
x2 = ß . D . t
ß - Proportionalitätsfaktor
D - Diffusionskoeffizient
Das Produkt ß.D soll als Eindringkoeffizient k bezeichnet werden.
300
250
x² in 10
-8 .
m²
1050°C
200
150
100
1000°C
50
0
0
1
2
3
4
5
6
Gluehzeit in h
Bild 15
Aus dem Anstieg der Geraden läßt sich für jede Glühtemperatur die Wachstumskonstante
k(T) ermitteln:
x 2
k
t
Der Diffusionskoeffizient ist temperaturabhängig gemäß
k
Q 1
 Q 
 Q 
D  D0 exp 
, da k  ßD und k0  ßD0 ist , gilt : k  k0 exp 
 und ln    
R T
 RT 
 RT 
 k0 
Die graphische Darstellung von ln k über 1/T ergibt also eine Gerade, aus deren Anstieg sich
die Aktivierungsenergie Q bestimmen läßt. In Auswertung unserer experimentellen
Ergebnisse erhält man:
T in °C
900
950
1000
1050
T in K
1/T in K-1
( x)2 in m2
t in s (9h)
k in m2s-1
0,00074
-22,4
0,00076
0,00078
0,0008
0,00082
0,00084
-22,6
ln(k *s/m²)
-22,8
-23
-23,2
-23,4
-23,6
-23,8
-24
1/T in 1/K
ln(k.s.m-2)
Bild 16
 ln k
.................

(1 / T ) .................
Q  ............kJ / mol
Q   R
R = 8,31 J /(mol K)
0,00086
Literaturwerte:
C-Diffusion in γ-Eisen: 117......133 kJ/mo
Praktikum zur Vorlesung
„Grundlagen der Werkstoffwissenschaft“
Praktikum Diffusion II
3. Abschätzung des chemischen Diffusionskoeffizienten
3.1. Aufgabe
Der Diffusionskoeeffizient für Nickel im System Cu-Ni ist bei vorgegebener
Temperatur für die nickelreiche Seite und für die kupferreiche Seite nach der
Methode von GRUBE-HALL zu bestimmen.
3.2. Probenherstellung und Messung
Zur experimentelle Bestimmung des chemischen Diffusionskoeffizienten werden eine
Probe aus Nickel (10mmx10mmx1,5mm) und eine gleichgroße Probe aus Kupfer
aneinandergefügt (plattiert) und anschließend einer Diffusionsglühung (T,t)
unterzogen. Von der gelühten Probe wird senkrecht zur Plattierungsebene ein
Querschliff angefertigt und über die Diffusionszone mittels wellenlängendispersiver
Elektronenstrahlmikroanalyse (ESMA)
das Diffusionsprofil gemessen und als
Konzentration C über dem Ort x dargestellt (s.Bild 17).
Ni-Cu 1050°C / 3h
100
Ni, Cu in Ma.-%
75
50
25
Cu
Ni
0
0
50
100
150
200
250
300
Randabstand in µm
Bild 17: C(x) - Profil einer Ni-Cu-Plattierung nach 3h Glühung bei 1050°C
Aus der erhaltenen Konzentrations-Weg-Kurve kann man den Diffusionskoeffizienten
über die Lösung der Diffusionsgleichung bestimmen. Die Glühungen der
Praktikumsproben erfolgten bei 850, 900, 950, 1000 und 1050°C. Dabei wurden
Glühzeiten von 3, 6, 20 und 40h gewählt.
3.3. Ergebnisdarstellung und Auswertung
Ist die Geschwindigkeit der Fremddiffusion der Komponente A annähernd gleich der
Geschwindigkeit der Fremddiffusion der Komponente B, dann wird der chemische
Diffusionskoeffizent unabhängig von der Konzentration sein (s. Bild 11). Die
Diffusionsprofile nach unterschiedlichen Glühzeiten schneiden sich dann in einem
Punkt und die Ebene der Flächensymetrie fällt mit der Plattierungsebene zusammen
(Bild 18). Die Diffusionsgleichung hat dann die einfache Form
C
 2C
D 2
t
x
C
C0
C0
2
x
Bild 18: Diffusionsprofile für konzentrationsunabhängige Diffusionskoeffizienten
Die Auswertung des Messprofiles zur Bestimmung des konzentrationsunabhängigen
Diffusionskoeffizienten erfolgt nach dem Auswerteverfahren von GRUBE-HALL.
Dazu trägt man die gemessene Konzentration aus dem Diffusionsprofil über dem Ort
in ein Wahrscheinlichkeitsnetz auf (s. Bild 19 ).
Bild 19: Bestimmung des konzentrationsunabhängigen Diffusionskoeffizienten
Spiegelt man die Konzentration in dieser Wahrscheinlichkeitsdarstellung bei 10% und
50% an der Geraden auf die x-Achse, erhält man x. Der Diffusionskoeffizient ergibt
sich dann entsprechend der Beziehung
x 2
D
3,28474  t
t  Glühzeit
Die C(x)-Profile der Praktikumsproben im Wahrscheinlichkeitsnetz ergeben für die
Randgebiete des binären Systems Geraden mit unterschiedlichem Anstieg, die im
mittleren Konzentrationsbereich durch einen gekrümmten Abschnitt ineinander
übergehen. In diesem Bereich ist der Diffusionskoeffizient nicht mehr
konzentrationsunabhängig.
Die Diffusionsgleichung nimmt dann folgende Form an:
C  
C 
  D(C )

t x 
x 
Diese Gleichung ist nicht mehr integrierbar. Mit geeigneter Umformung nach
MATANO lässt sich der Diffusionskoeffizient auch für diesen Konzentrationsbereich
bestimmen. Voraussetzung ist allerdings, dass der Ebene der Flächensymetrie
(Matanoebene) der Ort x=0 zugewiesen wird. Das Prinzip ist in Bild 20 links
veranschaulicht. Der Diffusionskoeffizient für die Konzentration C‘ berechnet sich
dann nach der links stehenden Beziehung.
Bild 20: Zur Bestimmung des konzentrationsabhängigen Diffusionskoeffizienten
D(C ' )  
1  dx  C '
   x dC
2t  dc C C ' 0
D( yC ) 
1 1
   A  1  y C   y C ( E  D)
2t dc
dx
(Matano)
( den Broeder)
Um die aufwändige Bestimmung der Matanoebene zu umgehen, hat DEN
BROEDER die Matanoauswertung mathematisch so geschickt umgeformt, dass
nunmehr nur noch die Bestimmmung der Fläche A und der Fläche D+E notwendig ist
(Bild 21, rechts). Der Diffusionskoeffizent für die Konzentration yC berechnet sich
dann nach der rechts stehenden Beziehung.
Literatur
Th. Heumann
Diffusion in Metallen
Springer-Verlag; Berlin 1992
J. Philibert
Atom movements - Diffusion and mass transport in solids
les editions de physique, 1991
R.J. Borg, G.J. Dienes
An Introduction to Solid State Diffusion
Academic Press, London (1988).
J. Crank
The Mathematics of Diffusion
Clarendon Press, Oxford (1993).
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