Diffusionsgewichtete MR-Bildgebung und Faserbahndarstellungen

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39. DGMP Tagung 2008 in Oldenburg
Diffusionsgewichtete MR-Bildgebung und
Faserbahndarstellungen
Kugel, Harald
Institut für Klinische Radiologie, Universität Münster
Die Diffusion ist neben den klassischen Kontrastparametern T1, T2 und Protonendichte ein weiterer Parameter, der bei der
klinischen MR-Bildgebung zur Gewebecharakterisierung und -differenzierung eingesetzt werden kann.
Das Maß der Diffusion von Protonen (in Wassermolekülen) kann bestimmt werden, indem eine MR-Pulssequenz zur
Bildgebung durch zusätzliche Pulse und Gradientenschaltungen ergänzt wird, die eine Abhängigkeit der Signalintensität von
der Bewegung der Moleküle erzeugt.
Mit der Spin-Echo-Pulsfolge von Stejskal und Tanner wird zwischen Anregung der Spins und Akquisition des
Resonanzsignals ein Paar von räumlichen Gradientenfeldern geschaltet (1). Spinensembles an einem bestimmten Ort werden
dephasiert. Nach einem fokussierendem Inversionspuls werden sie wieder rephasiert, so dass sich bei stationären Spins
wieder das volle Signal aufbaut. Wenn die sich die Spins aber nach der Dephasierung an einen anderen Ort - in Richtung des
Gradienten - bewegt haben, können sie nicht vollständig rephasiert werden, das aufgenommene Signal nimmt ab. Je größer
die Bewegung der Spins von ihrem Ursprungsort weg ist, z.B. durch die Brown'sche Molekularbewegung, desto größer ist
der Signalverlust im Vergleich zu einer Bildgebung ohne Dephasierung/Rephasierung durch Gradienten.
Im Allgemeinen ist die Signalintensität bei der MR-Bildgebung stets von den Gewebeparametern Protonendichte, T1Relaxation und T2-Relaxation abhängig. Bei der Steijskal-Tanner-Pulsfolge liefert die Stärke der Diffusion einen
zusätzlichen Beitrag, dem typischerweise die T2-Wichtung noch überlagert ist (Diffusionsgewichtete Bildgebung, DWI).
Wenn aber mehrere Messungen (mindestens zwei) mit unterschiedlich starken Dephasierungsgradienten – angegeben durch
den b-Faktor - bei sonst gleichen Messparametern vorgenommen werden, kann durch Betrachtung der relativen
Signalintensitäten die Stärke der Protonenbeweglichkeit, d.h. das Maß der Diffusion, von den anderen Einflussgrößen auf die
Signalintensität isoliert werden, so dass der Diffusionskoeffizient (durch Logarithmieren) direkt berechnet werden kann
(Apparenter Diffusionskoeffizient, ADC, Einheit: Fläche pro Zeit) (2).
Klinisch interessant wird die DWI beispielsweise durch die Tatsache, dass nach einem ischämischen Hirninfarkt zunächst ein
zytotoxisches Ödem auftritt. Die wegen Energiemangels eingeschränkte Wirksamkeit von Membranpumpen führt zu einem
Ioneneinstrom in die Zellen des betroffenen Hirngewebes, der erhöhte osmotische Druck führt zum Anschwellen der Zellen
und der Interstitialraum wird kleiner. In dem kleineren Zellzwischenraum ist die Diffusion des Gewebswassers
eingeschränkt, eine DWI zeigt dementsprechend ein erhöhtes Signal (3, 4).
Auf diese Weise kann der Ort eines Infarktes sehr früh dargestellt werden, bevor es nach dem Zelltod zu einer
Volumenminderung des Zellverbandes kommt, wodurch der Interstitialraum größer wird (vasogenes Ödem). Diess
beeinflusst vor allem die T2-Relaxation, so dass Bilder in T2-Wichtung heller werden und den Ort des Infarktes erkennen
lassen. Zu diesem Zeitpunkt ist die Zellschädigung aber bereits irreversibel.
In Verbindung mit weiteren Messungen (z.B. Perfusionsmessungen) kann durch DWI das Risikogewebe ('Tissue at risk')
ermittelt werden, das durch geeignete therapeutische Maßnahmen noch vor dem Untergang bewahrt werden kann.
Daher gehört eine DWI-Messung zum MR-Messprotokoll nach akutem Schlaganfall. Da bei diesen Patienten die Zeit kritisch
ist, werden DWI-Messungen unter Inkaufnahme von Bildverzerrungen mit schnellen Echo-Planar-Pulsfolgen (EPI)
durchgeführt (5). Auch bei anderen Erkrankungen kann die DWI diagnostisch relevante Infomationen liefern.
In der grauen Substanz des Hirnes ist die Diffusion weitgehend isotrop, d.h. unabhängig von der Richtung des
Diffusionsgradienten wird der gleiche Betrag gemessen. Tatsächlich wird für eine DWI-Messung die Diffusion in drei
othogonalen Raumrichtungen bestimmt. Ausgewertet wird der isotrope Anteil der Diffusion.
In der weißen Substanz zeigt sich, dass die Diffusion anisotrop ist, d.h. parallel zu den Nervenfasern ist die Beweglichkeit der
Wassermoleküle größer als senkrecht zu ihnen (6, 7). Die Größe des Diffusionskoeffizienten kann durch ein
Rotationsellipsoid beschrieben werden. Dieses Ellipsoid wird durch einen Tensor charakterisiert. Wegen seiner Symmetrie
müssen von seinen 9 Komponenten nur 6 bestimmt werden, d.h. im Prinzip können durch eine diffusionsgewichtete Messung
mit 6 Richtungen des Diffusionsgradienten die lokalen Diffusionsellipsoide in jedem Bildelement bestimmt werden. Damit
kann wiederum in jedem Bildelement das Ausmaß der Anisotropie (ein übliches Maß ist die 'Fraktionelle Anisotropie') und
die Richtung der stärksten Diffusions bedingten Molekülbewegung bestimmt werden (8).
Die Fraktionelle Anisotropie ist ein Skalar, das für verschieden Hirnregionen typische Normalwerte bei Gesunden zeigt.
Degenerative Veränderungen von Faserbahnen lassen sich als Abweichungen von diesen Normalwerten erkennen (9).
Wenn man annimmt, dass die Richtung der stärksten Diffusion mit der Faserrichtung übereinstimmt, kann so die Richtung
von Faserbündeln ermittelt werden (10). Eine übliche Darstellung ist eine Farbkodierung (rot für links-rechts, grün für
anterior-posterior, blau für cranio-caudal). Die so bestimmte Faserintegrität kann Auskunft über Verdrängung oder
Zerstörung von Faserbahnen, z.B. durch Tumoren geben.
Wenn die Richtung des Maximalwerts des Diffusionsellipsoids in jedem Voxel mit der Richtung des entsprechend liegenden
Nachbarvoxels verbunden wird, kann der wahrscheinlichste Verlauf einer Nervenfaser bzw. eines Faserbündels dargestellt
39. DGMP Tagung 2008 in Oldenburg
werden, das von einem (zu wählenden) Startpunkt oder Startvolumen ausgeht. Auf diese Weise können mögliche
Faserverbindungen zwischen Hirnarealen ermittelt werden (Traktographie, 'Fiber tracking')(11,12). Die Information über die
Lage und den Verlauf von Faserbündeln ist eine wichtige Information z.B. bei der Planung neurochirurgischer Eingriffe.
Der umfassende routinemäßige Einsatz dieser Techniken wird noch erschwert durch die Tatsache, dass die Zuverlässigkeit
von quantitativen Werten und genauen Richtungsinformationen durch messtechnische Probleme noch eingeschränkt ist.
Bei der Traktographie mit DTI zeigt sich, dass bei der Verfolgung eines Faserbündels an gewissen Stellen nicht
unterschieden werden kann, ob dort zwei Fasern einander kreuzen, oder ob sie sich nur berühren. Da der Tensor bzw. das
Ellipsoid nur eine Hauptrichtung hat (bzw. im isotropen Fall zwei oder drei gleichgroße Achsen), können nicht zwei oder
mehr Fasern gleichzeitig beschrieben werden. Verfahren zur Lösung dieses Problems modellieren für jedes Voxel zwei oder
mehr Richtungen. Dazu reicht aber die Bestimmung von 6 Diffusionsrichtungen nicht mehr aus, sondern für diese Verfahren
müssen Gradienten in viele Raumrichtungen geschaltet werden (in der Größenordnung von mindestens 20 bis 32, aber auch
höhere Werte). Je mehr Richtungen gemessen werden, desto zuverlässiger sind die Auswertungen, aber die damit verbundene
längere Messzeit steht dem Routineeinsatz entgegen (13, 14, 15).
Ein weiteres Problem liegt in der Verwendung der Echo-Planar-Bildgebung (EPI), um die Daten hinreichend schnell zu
messen. Die Bilder sind wie bei EPI üblich suszeptibilitätsbedingt verzerrt, und in bestimmten Hirnarealen gibt es
Signalauslöschungen. Für eine korrekte anatomische Darstellung und Koregistrierung mit morphologischen Bildern müssen
diese Bilder entzerrt werden. Hinzu kommt, dass durch die Schaltung der Gradienten in unterschiedliche Richtungen die
Verzerrungen durch Suszeptibilitätsgradienten und Wirbelströme für jede Teilmessung unterschiedlich sein können, so dass
die eigentlich am gleichen Ort aufgenommene Diffusionswerte für die verschiedene Gradientenrichtungen in unterschiedliche
Voxel rekonstruiert werden. Diese Fehler müssen vor der Berechnung der Diffusionskoeffizienten korrigiert werden. Derzeit
werden verschiedene Verfahren entwickelt und getestet, die jeweils individuelle Vor- und Nachteile haben (16, 17, 18).
Wenn diese Entwicklungen zum Ziel geführt haben, bietet sich an, beispielsweise funktionelle Bildgebung und Traktographie
zu kombinieren. Es wäre dann möglich, z. B. bei Tumorerkrankungen oder Infarkten zu bestimmen, welche
Faserverbindungen zu einem mit fMRI bestimmten aktivierten (z.B. Sprach- oder motorischem) Areal führen (z.B. (19)) und
ob sie durch die Läsion gestört werden. Damit besitzt die Diffusionsbildgebung ein großes Potential für die Untersuchung
von Aufbau und Funktion des normalen Hirns und pathologischer Abweichungen, das zur Zeit für die Klinik noch nicht in
vollem Umfang genutzt werden kann.
Literatur:
1) Stejskal EO, Tanner JE. Spin diffusion measurements: spin echoes in the presence of a time dependent field gradient. J
Chem Phys 1965; 42: 288-292
2) Le Bihan DL, Breton E, Lallemand D, et al. MR Imaging of Intarvoxel Incoherent Motions: Application to Diffusion and
Perfusion in Neurologic Disorders. Radiology 1986, 161: 401-407
3) Moseley ME, Cohen Y, Mintorovitch J. Early detection of regional cerebral ischemic injury in cats: evaluation of
diffusion and T2-weighted MRI and spectroscopy. Magn Reson Med 1990; 14: 330-346
4) Warach S, Chien D, Ronthal M, Edelman RR. Fast magnetic resonance diffusion-weighted imaging of acute human
stroke. Neurology 1992; 42: 1717-1723
5) Sorensen AG, Buonanno FS, Gonzalez RG, et al. Hyperacute stroke: evaluation with combined multislice diffusion
weighted and hemodynamically weighted echo-planar MR imaging. Radiology 1996; 199: 391-401
6) Chevenert TL, Brunberg JA, Pipe JG. Anisotropic Diffusion within human white matter: demonstration with NMR
techniques in vivo. Radiology 1990; 176: 439-446
7) Basser PJ, Mattiello J, Le Bihan D. Estimation of the effective self-diffusion tensor from the NMR spin echo. J Magn
Reson 1994; 103: 247-254
8) Le Bihan D, Breton E, Lallemand D, et al. Diffusion Tensor Imaging: Concepts and Applications. J Magn. Reson
Imaging 2001, 13: 534-546
9) Deppe M, Duning T, Mohammadi S, et al. Diffusion-Tensor Imaging at 3 T. Detection of White Matter Alterations in
Neurological Patients on the Basisi of Normal Values. Invest Radiol 2007, 42: 338-345
10) Douek P, Turner R, Pekar J, et al. MR color mapping of myelin fiber orientation, J Comput Assist Tomogr 1991; 15:
923-929
11) Conturo TE, Lori NF, Cull TS, et al. Trackimg neuronal fiber pathways in the living human brain. Proc Natl Acad Sci
USA 1999; 96: 10422-10427
12) Mori S, Kaufman WE, Pearlson GD, et al. In vivo visualization of human neural pathways by magnetic resonance
imaging. Ann Neurol 2000; 47: 412-414
13) Jones DK, Horsfield MA, Simmons A. Optimal strategies for measuring diffusion in anisotropic systems by magnetic
resonance imaging. Magn Reson Med 1999; 42: 515-525
14) Tuch DS. Q-ball imaging. Magn Reson Med 2004; 52: 1358-1372
15) Perrin M, Poupon C, Rieul B, et al. Validation of q-ball imaging with a diffusion fibre-crossing phantom on a clinical
scanner. Phil Trans R Soc B 2005; 360: 881-891
16) Bai Y, Cook PA, Zhang H, Alexander DC. Motion Correction in Diffusion Magnetic Resonance Imaging. Proc Intl Soc
Magn Reson Med 2006; 14: 1068
17) Andersson JLR, Skare S. A Model-Based Method for Retrospective Correction of Geometric Distortions in DiffusionWeighted EPI. NeuroImage 2002; 16: 177-199
18) Andersson JLR, Skare S, Ashburner J. How to correct susceptibility distortions in spin-echo echo-planar images:
application to diffusion tensor imaging. NeuroImage 2003; 20: 870-888
19) Catani M, Jones DK, ffytche DH. Perisylvian language networks in the human brain. Annals of Neurology. 2005; 57: 816
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