Fact Sheet Prostatakrebs: Therapie Allgemeine Therapieüberlegungen Ist ein Prostatakarzinom festgestellt und eine Therapie vereinbart worden, muss das Krebsgewebe vollständig entfernt werden, um ein Wiederaufflammen der Erkrankung bzw. eine weitere Verbreitung der Krebszellen im Körper zu vermeiden. Allgemein gilt, dass die Therapiechancen bei einem lokal begrenzten Prostatakarzinom sehr gut sind, wenn also die Metastasierung in den Körper noch nicht erfolgt ist. Für die Therapie des Prostatakarzinoms stehen verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung, die gegebenenfalls miteinander kombiniert werden können: Aktive Überwachung Operative Techniken (siehe 6.) Strahlungstherapien (siehe 7.) HIFU-Therapie (Behandlung mit hoch intensiviertem fokussierten Ultraschall) Hormontherapie (meist medikamentöse Unterdrückung der Testosteron-Produktion) Chemotherapie (Zerstörung schnell wachsender bzw. sich teilender Zellen durch bestimmte Medikamente, sogenannte Zytostatika) Bei etwa 50 % der Patienten mit neu diagnostiziertem Prostatakarzinom liegt eine frühe Form des Tumors vor, die nicht notwendigerweise direkt behandelt werden muss, um den Patient nicht unnötig den Nebenwirkungen der Therapie auszusetzen. Bei diesen Patienten mit niedrigem Risiko erfolgt eine regelmäßige und engmaschige, klinische Kontrolle (z. B. mit dem PSA-Test und Folgebiopsien), die erst dann ein Eingreifen erfordert, wenn eine deutliche Veränderung der Messwerte auftritt. Dieses Konzept der Aktiven Überwachung war in wissenschaftlichen Studien ebenso erfolgreich wie eine sofortige Operation der Tumore bei Patienten mit niedrigem Risiko (in beiden Fällen nahezu 100 % Überlebensrate). Operative Therapien Nach Hochrechnungen auf Basis der Barmer GEK Daten wurden 2011 bei der Hälfte aller Krankenhauseinweisungen aufgrund eines Prostatakarzinoms eine operative Entfernung der gesamten Prostata durchgeführt (Prostatektomie): Rund 31.000 offene radikale Prostatektomien sowie 10.000 minimal-invasive Operationen ( „Schlüsselloch-OPs“ genannt). Heidelberg, 21.1.2013: State of the art: Interdisziplinäre urologische Krebstherapie und -diagnostik in Heidelberg 1 Die Entscheidung für eine Operation hängt stark vom Alter des Patienten ab: Je jünger der Patient, desto wahrscheinlicher ist die Entscheidung für eine Prostatektomie, um die Wiederkehr von Tumorzellen bestmöglich zu verhindern. Bei der Durchführung der radikalen, d. h. vollständigen Prostataentfernung wählt der Operateur zwischen verschiedenen Operationsverfahren bzw. –zugängen aus: retropubisch, wobei der Zugang über den Unterbauch erfolgt perineal, indem der Zugang über den Damm (zwischen Hodensack und After) erfolgt minimal-invasiv laparoskopisch, über kleine Öffnungen der Bauchdecke. Dabei werden nicht nur die chirurgischen Instrumente eingeführt, sondern auch optische Geräte (Endoskope), mit denen der Operateur die Vorgänge am Organ auch ohne direkten Sichtkontakt beobachten kann. Bei der laparoskopischen Technik kann auch ein Roboter eingesetzt werden (roboterassistiertes Verfahren). Der Roboter wird dabei vom Operateur mittels einer speziellen Konsole fernbedient und führt keine eigenständigen Bewegungen aus. Für welches Verfahren sich der Operateur entscheidet, hängt neben der Geräteverfügbarkeit auch von den jeweiligen Risiken und Nebenwirkungen der Methode ab. Aufgrund der kleineren Zugänge ist der Blutverlust bei einer laparoskopischen Operation geringer. Weitere mögliche Vorteile sind eine kürzere Krankenhausverweilzeit und ein geringerer Schmerzmittelbedarf. Da die Prostata eng mit dem umliegenden Gewebe verbunden ist, wird bei der Operation nicht nur die Vorsteherdrüse entnommen, sondern auch der durch die Prostata ziehende Teil der Harnröhre, ein Teil des Blasenhalses und Gewebe vom Samenleiter und der Samenbläschen. Während der Operation wird zwischen der Blase und der Harnröhre unterhalb der vormaligen Prostata eine neue Verbindung hergestellt (Anastomose). Bevor diese fest verwachsen ist, muss für einige Tage ein Dauerkatheter die Urinausscheidung gewährleisten. Obwohl die Nach- und Nebenwirkungen einer Prostatektomie durch den technischen Fortschritt immer geringer wurden, kann es zu unerwünschten Folgen kommen: Inkontinenz. Wenn der Schließmuskel verletzt wird, liegt ein Harnträufeln nach der Operation häufig vor. Im Rahmen der Heilung bzw. nach Training der beteiligten Schließmuskeln kann die Harnabgabe in den meisten Fällen wieder kontrolliert werden. Studien haben ergeben, dass bei entsprechender Nachsorge nach einem Jahr bis zu 95 % der Patienten wieder kontinent waren. Heidelberg, 21.1.2013: State of the art: Interdisziplinäre urologische Krebstherapie und -diagnostik in Heidelberg 2 Erektionsstörungen. In früheren Zeiten war es eine häufige Begleiterscheinung der Prostataentnahme, dass unmittelbar anliegende Nervenbahnen während des Eingriffs beschädigt oder zerstört wurden, die für die Stimulation der Erektion verantwortlich sind. Inzwischen wurden die Operationstechniken verfeinert, so dass viele Prostataentfernungen nerverhaltend durchgeführt werden können. Wurden 2005 nur 30 % der erkrankten Männer gefäß- und nervenerhaltend operiert, sind es 2011 55 %. Allerdings kann diese vorsichtige Entnahme nur in den Fällen durchgeführt werden, in denen der Tumor noch klein ist und innerhalb der Prostata liegt. Die Gefahr von Erektionsstörungen bzw. Impotenz im Rahmen der Operation ist für die Patienten ein wesentlicher Faktor. Im Rahmen einer Umfrage der Barmer GEK klagten 70 % nach dem Eingriff über Erektionsprobleme, während nur 16 % zum Befragungszeitpunkt inkontinent waren. Insgesamt waren laut der Studie 52 % der Befragten mit dem Behandlungsergebnis uneingeschränkt zufrieden, 41 % eingeschränkt, und 7 % waren unzufrieden. Strahlentherapie Bei der Strahlentherapie nutzt man die Tatsache, dass Tumorzellen durch ionisierende, radioaktive Strahlen stärker geschädigt werden als gesunde Zellen. In beiden Fällen kommt es zu einer Veränderung des Erbgutes der Zelle. Bei gesunden Zellen sind die Reparaturmechanismen auf eine solche Schädigung noch intakt, bei Tumorzellen hingegen nicht. Nach Berechnungen der Barmer GEK Daten wurden 2011 3.000 Patienten mit Brachytherapien behandelt und 1.600 mit perperkutaner Bestrahlung (Beschreibung, siehe unten). Im Vergleich mit der operativen Entfernung der Prostata werden dieser Verfahren seltener eingesetzt. Eine Bestrahlung ist dann sinnvoll, wenn eine Operation etwa aufgrund der zu erwartenden Nebenwirkungen als zu riskant eingeschätzt wird, oder der Gesundheitszustand des Patienten zu schlecht ist (etwa bei sehr alten Patienten). Auch wenn der Tumor bereits neben der Prostata liegendes Gewebe befallen hat, kann der Einsatz einer Strahlentherapie sinnvoll sein. In diesen Fällen bietet sich auch eine Kombination aus Operation und Strahlentherapie an. Heidelberg, 21.1.2013: State of the art: Interdisziplinäre urologische Krebstherapie und -diagnostik in Heidelberg 3 Man unterscheidet zwei Bestrahlungsmethoden: Bei der perkutanen Bestrahlung liegt die Strahlenquelle außerhalb des Körpers, und die Strahlen durchdringen die Haut (perkutan) am Unterleib. Die Bestrahlung wird in mehreren Schritten über ca. 6 Wochen durchgeführt; die einzelne Bestrahlung dauert typischerweise nur wenige Minuten und ist schmerzfrei. Die Methode kann daher ambulant und ohne Betäubung durchgeführt. Jede Therapie besteht dabei aus mehreren Bestrahlungsterminen in einem festen Zeitplan. Demgegenüber werden bei der Brachytherapie (von griechisch. brachy = nah) kleine strahlende Stifte direkt in die Prostata eingesetzt und verbleiben dort. Während dieses Zeitraums geben sie kontinuierlich Radioaktivität in die nächste Umgebung ab. Die Platzierung erfolgt unter (örtlicher) Betäubung in einer kleinen Operation. Auch wenn bei der Bestrahlung kein Gewebe wie bei einem operativen Eingriff beschädigt wird, gibt es doch Nebenwirkungen, da auch intaktes Gewebe betroffen wird. Dabei muss zwischen den akuten Belastungen unterschieden werden, die noch während des Bestrahlungszeitraum auftreten, und den Spätreaktionen. Zu den typischen Beschwerden auf eine Bestrahlung zählen Reizungen oder Entzündungen der Blase, Durchfall und Darmkrämpfe sowie bei der perkutanen Bestrahlung auch Hautreaktionen. Auch bei den Bestrahlungen kann es zu einem Verlust der Potenz bzw. zu Erektionsproblemen kommen. Nachsorge Unter der Nachsorge versteht man die Kontrollphase nach einer Behandlung. Sie hat das Ziel, Begleit- und Folgeerkrankungen festzustellen und zu behandeln Ein erneutes Auftreten der Krebserkrankung (ein sogenanntes Rezidiv) schnellstmöglich zu erkennen und zu therapieren. Die Nachsorge erfolgt typischerweise bei einem niedergelassenen Urologen. In den ersten beiden Jahren nach der Behandlung sollte der Urologe dreimal pro Jahr aufgesucht werden. Im weiteren Verlauf hängt die Anzahl der Arztbesuche vom individuellen Krankheitsverlauf ab. Heidelberg, 21.1.2013: State of the art: Interdisziplinäre urologische Krebstherapie und -diagnostik in Heidelberg 4 Quellen: [1] Interdisziplinäre Leitlinie der Qualität S3 zur Früherkennung, Diagnose und Therapie der verschiedenen Stadien des Prostatakarzinoms (2011). Als PDF downloadbar unter http://www.urologenportal.de/fileadmin/MDB/PDF/S3_LL_PCa_110331_Version1.03.pdf [2] Deutsche Krebshilfe: Blaue Ratgeber 17: Prostatakrebs. Als PDF downloadbar unter http://www.krebshilfe.de/fileadmin/Inhalte/Downloads/PDFs/Blaue_Ratgeber/017_prostata.pdf [3] Barmer GEK Report Krankenhaus 2012. Als PDF downloadbar unter http://presse.barmergek.de/barmer/web/Portale/Presseportal/Subportal/Presseinformationen/Archiv/2012/120724-Report-Krankenhaus2012/PDF-Report-Krankenhaus-2012,property=Data.pdf [4] Barmer GEK Pressemeldung (2012): Report Krankenhaus 2012 – Oft nur eingeschränkte Lebensqualität nach ProstataOP. Im Internet verfügbar unter https://presse.barmer-gek.de/barmer/web/Portale/Presseportal/Subportal/Infothek/Studienund-Reports/Report-Krankenhaus/Krankenhausreport-2012/Content-Krankenhausreport-2012.html [5] Deutsche Krebsgesellschaft: Patientenleitlinie „Prostatakrebs I – Lokal begrenztes Prostatakarzinom“ (2009). Als PDF downloadbar unter http://www.krebsgesellschaft.de/download/2009-pl-pca.pdf Heidelberg, 21.1.2013: State of the art: Interdisziplinäre urologische Krebstherapie und -diagnostik in Heidelberg 5