Snapshot 05_Text_fin - Schweizerischer Erdbebendienst (SED)

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Snapshot 05: Understanding
Earthquakes and the Alps
100 Years SED
Erdbeben in den Alpen
Teaser Intro: Erdbeben in den Alpen
Haben Sie gewusst, dass ein Blick in die Tiefenstruktur der Alpen vieles über die Verteilung der Erdbeben in
der Schweiz verrät? Snapshot 05 erklärt, weshalb es in der Schweiz durchschnittlich zweimal pro Tag bebt
und welche Rolle dabei die Alpenbildung spielt. Dafür wirft er einen Blick in die geologische Geschichte der
Alpen und berichtet über die grössten historischen Erdbeben im Alpenraum. Seismische Methoden
erlauben es, in und tief unter die Alpen zu schauen und so den tektonischen Kräften auf die Spur zu
kommen, welche das Gebirge bilden und Erdbeben verursachen.
Einführung Hauptseite: Erdbeben in den Alpen
Die Erdbebenaktivität in der Schweiz und die Bildung der Alpen sind eng miteinander verknüpft. Snapshot
05 beleuchtet diesen spannenden und auch in der Forschung aktuellen Zusammenhang.
Wo Erdbeben in der Schweiz auftreten
Der Schweizerische Erdbebendienst (SED) betreibt seit 1975 ein digitales Netz seismischer Messstationen.
Dieses registriert und lokalisiert Erdbeben in der Schweiz und im benachbarten Ausland. Im Schnitt zeichnet
der SED mittlerweile 500 bis 800 Erdbeben pro Jahr auf, nur die wenigsten dieser Beben werden allerdings
von der Bevölkerung verspürt. Der Grossteil der registrierten Beben ereignet sich in den Schweizer Alpen,
vor allem im Wallis und in Graubünden (Abbildung 1). Aber auch das nördlichen Alpenvorland, die
Zentralschweiz, der Jura und die Region Basel sind seismisch besonders aktiv.
Die Verteilung der Erdbeben unterscheidet sich (siehe Abbildung 2 in der Bildgalerie) mit der Tiefe in den
Alpen markant von der in der Nordschweiz und dem Alpenvorland. Erdbeben im nördlichen Vorland treten
in der gesamten Erdkruste bis hinab zur sogenannten Moho auf, der Grenze zwischen der Erdkruste und
dem Erdmantel in 30 – 50 Kilometer Tiefe. Unter den Alpen beschränkt sich dagegen die seismische
Aktivität auf den oberen Teil der Erdkruste, Beben treten nur bis in etwa 15 - 20 km Tiefe auf.
Was die Alpen und Erdbeben verbindet oder weshalb in der Schweiz die Erde bebt
Die Alpen sind das Resultat der komplexen geologischen Geschichte zweier grossen Lithosphärenplatten:
Europa und Afrika. Als Lithosphäre bezeichnet man die äusserste feste Erdschale. Sie ist ungefähr 100 km
dick und besteht aus zwei Schichten, oben die Erdkruste und darunter die Mantellithosphäre. Die
Lithosphäre ist weltweit in zahlreiche grosse und kleine Platten zerbrochen, die sich auf dem zähflüssigen
Erdmantel in verschiedene Richtungen bewegen und sich dabei aneinander reiben oder kollidieren. Die
Gesamtheit dieser Prozesse bezeichnet man als Plattentektonik.
Auf Grund ihrer Zusammensetzung unterscheidet man zwei Arten von Lithosphäre, kontinentale und
ozeanische. Die ozeanische Lithosphäre ist dichter als der darunterliegende zähflüssige Erdmantel und kann
deshalb versinken. Die kontinentale Lithosphäre ist weniger dicht als der Erdmantel und schwimmt deshalb
obenauf. Wenn bei einem Zusammenstoss von zwei Platten ozeanische Lithosphäre auf kontinentale trifft,
dann taucht erstere in den darunterliegenden zähflüssigen Mantel ab, ein Prozess den man Subduktion
nennt und der normalerweise mit grossen Erdbeben und mit Vulkanismus verbunden ist. Treffen zwei
kontinentale Lithosphärenplatten aufeinander, so entsteht entlang der Plattengrenze ein Gebirge.
An der Entstehungsgeschichte der Alpen waren zusätzlich zur europäischen und afrikanischen Platte
mehrere kleinere Lithosphärenplatten, sogenannte Mikroplatten beteilig. Insbesondere wichtig ist dabei
die adriatische Platte. Durch die vollständige Subduktion der ozeanischen Lithosphäre und damit der
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Earthquakes and the Alps
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Schliessung des ursprünglichen Ozeans (im Fachjargon Alpine Tethys) zwischen Europa und Afrika vor etwa
35 Millionen Jahren, kam es zur Kollision der kontinentalen Teile der europäischen und adriatisch /
afrikanischen Platten und zur Bildung der ersten Alpen. Wie bei einem schwimmenden Eisberg wird die Last
des Gebirges durch den Auftrieb einer mächtigen Krustenwurzel getragen. Mit zunehmender Höhe der
Berge spielen auch die Abtragung bzw. Erosion von Gestein an der Erdoberfläche eine wichtige Rolle. Wird
die Last des Gebirges durch die Erosion verringert, so heben sich die Alpen wieder an, um den isostatischen
Ausgleich zu erhalten. Der gewaltige Abtragungsschutt des Gebirges über die letzten 30 Millionen Jahre hat
sich beidseits der Alpen angesammelt: Als Molassegesteine im Norden und als Sedimente unter der
Poebene im Süden der Alpen. Die Alpen wie wir sie heute kennen sind somit geprägt von den Kräften aus
dem Erdinnern und der Erosion. Die Alpen heben sich auch heute noch um ca. 1mm / Jahr und werden
gleichzeitig durch Erosion abgetragen.
Die Erdbeben, die wir in der Schweiz beobachten (Abbildung 4 und 5), sind also in erster Näherung die
Folge des Aufeinanderprallens der europäischen und der afrikanischen Lithosphärenplatten und spiegeln
die zugrundeliegende Mechanik dieses Prozesses wider. Seismische Wellen durchleuchten den Untergrund
und erlauben es uns, die abgetauchten Plattenteile auch unter den Alpen zu sehen. Ein wichtiges Detail ist
dabei in den letzten Jahren gefunden worden: Nach der vollständigen Subduktion der ozeanischen
Lithosphäre und der anschliessenden Kollision der beiden Kontinente haftet heute noch ein Rest der
ursprünglichen Mantellithosphäre an der europäischen Platte (der sogenannte „Mantel-Slab“). Dieser
„Slab“ biegt die Lithosphäre im nördlichen Alpenvorland nach unten (siehe Abbildung 5 und 6), und bewirkt
dadurch indirekt die weiträumig verteilte Seismizität im Mittelland. Da plattentektonische Prozesse sich in
geologischen Zeiträumen abspielen, ist davon auszugehen, dass die derzeitige Seismizität im Alpenraum
wohl weitere Millionen von Jahren Bestand haben werden.
Die grössten Erdbeben in die Alpen
In der Vergangenheit ereigneten sich als Folge der Plattenkollision in den und rund um die Alpen immer
wieder starke Erdbeben (Abbildung 7). Informationen aus historischen Quellen und modernen
Erdbebenkatalogen belegen, dass es in den letzten 1‘000 Jahren mindestens zwölf Erdbeben mit
Magnituden von 6 oder mehr gegeben hat (siehe Tabelle und orangene Kreise in Abbildung 7). Das letzte
grössere Beben ereignete sich 1976 in Norditalien, ihm folgten eineinhalb und viereinhalb Monate später
zwei Nachbeben ebenfalls mit Magnituden von über 6. Dieses Friaul-Beben forderte 989 Menschenleben
und 2‘400 Verletzte, etwa 45‘000 Menschen waren in der Folge obdachlos. Obwohl sich das
Schadenausmass für historische Ereignisse teils nur schwer abschätzen lässt, ist anzunehmen, dass
mindestens drei der in der Tabelle aufgelisteten Beben mehr als 10‘000 Todesopfer gefordert haben.
Erdbeben lassen sich nicht vorhersagen und treten, wie die Zeitreihe in Abbildung 8 zeigt, auch zeitlich
unregelmässig auf. Wir wissen also nicht, wo und wann das nächste starke Beben auftreten wird.
Typischerweise tritt ein Beben der Magnitude 6 oder grösser alle 50 – 150 Jahre auf, ein Magnitude 7
Beben etwa 10 mal seltener.
1
2
Date
1117.01.03.
1222.12.25.
Latitude (°)
45.309
45.313
Longitude (°)
11.023
10.697
Magnitude source
6.7 a
6.0 a , 6.1 b
3
4
5
6
7
8
9
1295.09.03.
1348.01.25
1356.10.18.
1511.03.26.
1590.09.15.
1690.12.04.
1695.02.25.
46.78
46.579
47.47
46.198
48.275
46.633
45.801
9.54
13.540
7.6
13.431
16.014
13.880
11.949
6.2 a, b
7.0 a
6.5 a, 6.6 b
6.9 a
6.1 a
6.6 a
6.5 a
Location
Verona (I)
Basso Bresciano
(I)
Churwalden (CH)
Villach (A)
Basel (CH)
Idrija (SLO)
Neulengbach (A)
Kärnten (A)
Asolano (I)
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10
11
12
1855.07.25.
1873.06.29.
1976.05.06.
Earthquakes and the Alps
46.23
46.16
46.262
7.85
12.383
13.300
6.1 a, 6.2 b
6.3 a
6.5 c, d
100 Years SED
Visp (CH)
Belluno (I)
Friuli (I)
Liste der stärksten alpinen Beben (inklusive Mittelland). Die Magnituden sind den folgenden Quellen
entnommen: a=SHEEC, b=ECOS-09, c=NEIC, d=ISC. Die Magnitudenunsicherheiten (sofern angegeben)
betragen weniger als 0.5.
1. Karte mit allen Erdbeben (rote Kreise) in der Schweiz im Zeitraum von Januar 1975 bis Januar 2014
ab einer Magnitude von 1. Das Wallis und Bündnerland sind Regionen in den Schweizer Alpen, die
eine erhöhte Seismizität aufweisen. Die Grösse der Kreise entspricht der Lokal-Magnitude (ML) der
Erdbeben. Die dicke schwarze Line zeigt die Lage des Tiefenschnitts durch die östliche Schweiz
(siehe Abbildung 2). Lediglich Beben innerhalb des grauen Rechtecks wurden für das Profil in
Abbildung übernommen.
2. Vertikaler Tiefenschnitt mit der Tiefenverteilung von Erdbeben: In den Alpen ist das Auftreten von
Erdbeben auf die oberste Kruste beschränkt, während unter dem nördlichen Vorland der Schweizer
Alpen Erdbeben in der gesamten Kruste auftreten. Die Größe der Kreise entspricht der LokalMagnitude (ML) der Erdbeben. Der Verlauf des Profils zeigt Abbildung 1. (Modifiziert und aufdatiert
basierend auf Deichmann et al. 1999, Eclogae).
3. Geologisches Tiefenprofil durch die östliche Schweiz. Europa von links und Adria von rechts
kollidierten und formen die Alpen wie wir sie heute kennen (Modifiziert und aufdatiert basierend
auf Schmid & Kissling 2000, Tectonics).
4. Querschnitt durch die Lithosphäre mit den verschiedenen Kräften, die in der Tiefe auf die Alpen
einwirken. Der hängende europäische ‘Slab’ (Mantel-Lithosphäre) bewirkt eine nach unten
gerichtete Kraft, während die Unterkruste sich vom Slab löst und Auftrieb erzeugt. (Singer et al.
2014, EPSL).
5. Dreidimensionale Darstellung des hängenden europäischen Mantel-Lithosphärenslabs, der eine der
zentralen Antriebskräfte für die Erdbebenaktivität in den Alpen darstellt. Das rot markierte NW-SO
Profil entspricht Abb. 4. (Singer et al. 2014, EPSL).
6. Dreidimensionale Darstellung der adriatischen Mantel-Lithosphäre, der anderen Hauptantriebskraft
alpiner Seismizität. Die Geometrie der adriatischen Platte ist komplex: sie biegt sich sowohl im
Westen als auch im Osten gegenläufig zum sich ebenfalls biegenden europäischen Slab nach unten.
Auch ihr südliches Ende biegt sich nach unten. Die Überlagerung Europas durch die adriatische
Platte ist rechts unten dargestellt. (Vereinfacht basierend auf Lippitsch et al. 2003, JGR).
7. Karte mit den grössten Erdbeben (Magnitude  6) in und um die Alpen im letzten Jahrtausend. Die
nummerierten orangen Kreise bezeichnen die in der Tabelle aufgeführten Beben in den Alpen und
im Mittelland. Die Kreisgrösse ist proportional zur Magnitude. Die grauen Kreise kennzeichnen
Beben ausserhalb des Alpenraums. Die Nachbeben des Friaul-Bebens von 1976 (Beben Nr. 12) sind
mit ‘a’ und ‘b’ bezeichnet.
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Earthquakes and the Alps
100 Years SED
8. Zeitreihe der grössten Erdbeben des letzten Jahrtausends im Alpenraum. Die Ziffern verweisen auf
die Tabelle, die Buchstaben bezeichnen Nachbeben des Bebens in Friaul.
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