C. Anspruch aus §§ 985, 986 Abs. 1 S. 1 BGB - ba

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Universität Hamburg - Fakultät WiSo
Lösungen zum
Fallscript für das
Tutorium des Kurses:
Grundlagen Zivilrecht
WS 2011/2012
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Prof Dr. Udo Reifner
28.10.2011
Fallscript zum Tutorium
WS 2011/2012
Prof. Dr. Udo Reifner
Inhalt
Fall 1: Die zerstörte Vase- Schadensersatz statt Leistung .............. Error! Bookmark not defined.
Fall 2: Am Ende wird aufgerechnet- Aufrechnungsrecht ................................................................ 3
Fall 3: Gebrauchter Porsche ............................................................................................................. 12
Fall 6: Der eifrige Meier- Vertretung ................................................................................................ 27
Fall 7: Der Konzertflügel .................................................................................................................... 35
Fall 8: Das Sektenmitglied- Arbeitsvertrag ..................................................................................... 36
Fall 9: Versprechen ins Blaue ........................................................................................................... 37
Fall 10:Schlechte Konjunktur ............................................................................................................ 38
Fall 11: Die Bürgschaft....................................................................................................................... 39
Fall 12:Freie Preisbildung .................................................................................................................. 40
Fall 13: Die falsche Handtasche....................................................................................................... 41
Fall 14: Die falschen Schuhe ............................................................................................................ 42
Fall 15: Advent Advent ....................................................................................................................... 43
Fall 16: Abgebrannt ............................................................................................................................ 44
Fall 17: Die Wochenendfahrt ............................................................................................................ 45
Fall 18: Kurzfristiger Lokführerstreik ................................................................................................ 46
Fall 19: Die Bananenschale .............................................................................................................. 47
Fall 20: Das Sonnenverdeck ............................................................................................................. 48
Fall 21: Versprechen ins Blaue II (2) ............................................................................................... 49
Fall 22: .................................................................................................................................................. 50
Fall 23: iPod- Minderjährigenrecht/ Geschäftsfähigkeit I .............................................................. 51
Fall 24: Die Vespa- Minderjährigenrecht/ Geschäftsfähigkeit II .................................................. 52
Fall 25: Minderjährigenrecht/Geschäftsfähigkeit III ....................................................................... 53
Fall 26: Minderjährigenrecht/ Geschäftsfähigkeit IV ...................................................................... 54
Fall 27: Das Arbeitsverhältnis des Minderjährigen ........................................................................ 55
Fall 28:Minderjährigenrecht/ Empfangszuständigkeit ................................................................... 56
Fall 29: Sittenwidrigkeit ...................................................................................................................... 57
Fall 30: Irrtumsanfechtung I .............................................................................................................. 58
Fall 31: Irrtumsanfechtung II ............................................................................................................. 59
Fall 32: Irrtumsanfechtung III ............................................................................................................ 60
Fall 33: Irrtumsanfechtung IV ............................................................................................................ 61
Fall 34: Anfechtung I .......................................................................................................................... 62
Fall 35: Anfechtung II ......................................................................................................................... 63
Fall 36:Anfechtung III ......................................................................................................................... 64
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Fall 37: Widerrufsrecht ....................................................................................................................... 65
Fallscript zum Tutorium
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Lösungen zum Fall 1-Übersicht:
Anspruch auf Kaufpreiszahlung:
1. Kaufvertrag zwischen V und K (+)
 Verpflichtung zur Kaufpreiszahlung
2. Erlöschen des Anspruchs wg. Unmöglichkeit (-)
 Gefahrübergang; Ware wurde bereits übergeben
3. Ergebnis: V steht ein Anspruch gegen K auf Kaufpreiszahlung in Höhe von 100,- €
gemäß § 433 Abs. 2 BGB zu
Schadenersatz gem. § 823 Abs. 1 BGB
1. Verletzung eines Rechtsgutes Vase
(+)
2. Verletzungshandlung Anrempelung
(+)
3. Haftungsbegründende Kausalität;
Verknüpfung Handlung und Rechtsgutverletzung (+)
4. Rechtwidrigkeit; keine Rechtfertigungsgründe
(+)
5. Verschulden des D; Fahrlässigkeit
(+)
6. Schaden; unfreiwillige Vermögensverringerung
(+)
7. Haftungsausfüllenden Kausalität;
Verknüpfung Rechtsgutverletzung und Schaden (+)
8. Kein Mitverschulden
(-)
9. Fristsetzung, ggf. Entbehrlichkeit (+)
10. Ergebnis: D hat dem K gemäß §§ 249 Abs. 1, 251 Abs. 1 BGB Schadensersatz in
Höhe von 5.000,- € zu leisten.
I. Anspruch des V gegen K auf Kaufpreiszahlung aus Kaufvertrag gemäß § 433 Abs. 2 BGB
Zu prüfen ist, ob gemäß § 433 Abs. 2 BGB ein Anspruch des V gegen K auf Zahlung des Kaufpreises in
Höhe von 100,- € besteht.
1. Anspruch entstanden?
Es muss zunächst untersucht werden, ob der Anspruch auf Kaufpreiszahlung entstanden ist.
Dazu müsste ein Kaufvertrag gemäß § 433 BGB zwischen K und V zustande gekommen sein. Ein
Vertrag ist zumeist ein zweiseitiges Rechtsgeschäft, bei dem durch mindestens zwei
übereinstimmende Willenserklärungen ein bestimmter rechtlicher Erfolg erzielt werden soll (so
genannter Vertragswille). Der Vertrag kommt demnach grundsätzlich durch den Antrag (auch
Angebot genannt) der einen Vertragspartei und durch die vorbehaltlose Annahme dieses Antrags
durch die andere Vertragspartei zustande.
Fallscript zum Tutorium
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Am 1. Oktober 2007 bot der V dem K die Vase zum Preis von 100,- € an; der K erklärte sich mit dem
von V verlangten Kaufpreis einverstanden. Hierin liegen zwei übereinstimmende Willenserklärungen
(Angebot und Annahme) vor und der Kaufvertrag ist zustande gekommen. Durch den zustande
gekommenen Vertrag hat V - als Verkäufer - sich gemäß § 433 Abs. 1 BGB verpflichtet dem K das
Eigentum an der Sache zu verschaffen. Dieser Verpflichtung kam V zu dem Zeitpunkt nach, als er dem
K die verpackte Vase übergab.1
Gemäß § 433 Abs. 2 hat sich K - als Käufer - durch den geschlossenen Kaufvertrag verpflichtet den
Kaufpreis zu zahlen.
Gemäß § 433 Abs. 2 BGB ist somit ein Anspruch auf Kaufpreiszahlung in Höhe vom 100,- €
entstanden.
2. Anspruch erloschen?
Der Anspruch auf Kaufpreiszahlung könnte allerdings gemäß § 326 Abs. 1 BGB erloschen sein.
Dies setzt einen gegenseitigen Vertrag voraus, bei dem die Gegenleistung gemäß § 275 BGB
unmöglich geworden ist. Unmöglichkeit bedeutet, dass die Leistungserbringung nicht möglich ist.
Sofern der Schuldner die Leistungserbringung wegen Unmöglichkeit verweigern kann, entfällt auch
der Anspruch auf Gegenleistung für ihn. Dies würde für den vorliegenden Sachverhalt bedeuten, dass
aufgrund der zerstörten Vase (der Verkäufer konnte keine mangelfreie Sache liefern) auch kein
Anspruch auf Kaufpreiszahlung für den V besteht.
Ein solcher Anspruch ist jedoch ausgeschlossen, wenn gemäß § 446 S. 1 BGB die Sache schon
übergeben wurde. Mit Übergabe geht beim Kaufvertrag über eine Sache die Preisgefahr2 auf den
Käufer über, § 446 BGB. Dem Käufer wird das Risiko des zufälligen Untergangs auferlegt, weil der
Verkäufer sich mangels Sachherrschaft nach der Übergabe nicht mehr gegen dieses Risiko schützen
kann. Übergabe bedeutet daher grundsätzlich die Verschaffung des unmittelbaren Besitzes gemäß §
854 BGB an der Kaufsache.
Mit Überreichen der verpackten Vase ging die Gefahr des zufälligen Untergangs auf K über. Erst
nachdem die Vase übergeben wurde und zeitgleich der Gefahrübergang erfolgt ist, wurde die Vase
zerstört.
Somit ist der Anspruch auf Kaufpreiszahlung nicht nach § 326 Abs. 1 BGB erloschen.
3. Ergebnis
Dem V steht ein Anspruch gegen K auf Kaufpreiszahlung in Höhe von 100,- € gemäß § 433 Abs. 2 BGB
zu.
II. Schadensersatzanspruch des K gegen D gemäß § 823 Abs. 1 BGB
1
Ein möglicher Eigentumsvorbehalt ist dem Sachverhalt nicht zu entnehmen. (Solch ein Vorbehalt würde den
Eigentumsübergang in dem Moment bewirken, in dem der Kaufpreis bezahlt wäre. Dann wäre K bis zur
vollständigen Bezahlung lediglich unmittelbarer Besitzer der Vase.)
2
Preisgefahr bedeutet, dass trotz Untergang der Sache der Käufer den Kaufpreis zahlen muss. Er trägt also die
Gefahr.
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K könnte von D Schadenersatzersatz wegen des an seinem Eigentum entstandenen Schadens gemäß
§ 823 Abs. 1 BGB verlangen. Erforderlich hierfür wäre eine Verletzungshandlung, durch die ein
Rechtsgut verletzt wurde.
1. Verletzung eines Rechtguts
Gemäß § 823 BGB stellt die Verletzung des Eigentums eine Rechtsgutsverletzung dar.
Mit Übergabe der Vase durch V an K ging diese in das Eigentum des K über. Diese Vase wurde
anschließend zerstört, was eine Verletzung des Eigentums von K zur Folge hatte.
2. Verletzungshandlung
Die erforderliche Verletzungshandlung, durch die ein Rechtsgut verletzt wurde, müsste ebenfalls
vorliegen.
Es müsste eine deliktische Handlung vorliegen. „Handlung“ bedeutet ein menschliches Verhalten, das
der Bewusstseinskontrolle und Willenslenkung unterliegt und somit beherrschbar ist. Das mit dem
Zurückgehen verbundene Anrempeln des K durch D betraf ein Verhalten, das vom D steuerbar war.
Somit liegt eine Handlung i. S. d. § 823 BGB vor.
3. Haftungsbegründende Kausalität
Grundlage einer gesetzlichen Haftung auf Schadensersatz ist eine Handlung (Tun oder Unterlassen)
des Schuldners, die zu einem Verletzungserfolg geführt und einen Schaden nach sich gezogen hat.
Dies wurde wie oben beschrieben geprüft und für den vorliegenden Sachverhalt bejaht.
Die notwendige Verknüpfung zwischen dem schädigenden Ereignis und dem eingetretenen Schaden
nennt man Kausalität (Ursächlichkeit).
Haftungsbegründende Kausalität ist die Verknüpfung zwischen einer Handlung und dem Erfolg (der
Rechtsgutverletzung). Hierbei muss diese Handlung auch im Allgemeinen und nicht nur unter
besonders eigenartigen, unwahrscheinlichen und nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge außer
Betracht zu lassenden Umständen geeignet sein, einen Erfolg der eingetretenen Art herbeizuführen.
Aufgrund des Anrempelns des D im Zurückgehen zerbrach die Vase. Diese Handlung stellt das
schädigende Ereignis dar, infolge dessen die Vase zerbrach. Der Schaden hieraus ist somit kausal zu
der Handlung.
Es ist weiter auch nicht ungewöhnlich, dass bei einem solchen Zusammenstoß Gegenstände zu Bruch
gehen. Daher war die Handlung adäquat kausal für die Rechtsgutverletzung. Die
haftungsbegründende Kausalität ist gegeben.
4. Rechtswidrigkeit
Mangels Vorliegen von Rechtfertigungsgründen war das Handeln des D rechtswidrig.
5. Verschulden
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Den D müsste Verschulden treffen. Er haftet für Vorsatz und Fahrlässigkeit. Fahrlässig handelt gemäß
§ 276 Abs. 2 BGB, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt. D hätte nicht
zurücktreten dürfen ohne sich zu vergewissern, dass er durch diese Handlung einen Dritten bzw.
dessen Rechtsgut verletzt. Aufgrund dieser Unaufmerksamkeit hat er damit zumindest leicht
fahrlässig gehandelt. Ein Verschulden des D liegt also vor.
6. Schaden
Es müsste ein Schaden eingetreten sein. Hierunter ist ein unfreiwilliges Vermögensopfer zu
verstehen. Nach der Differenzhypothese wird das Vermögen in seinem Zustand nach dem
schädigenden Ereignis mit der (hypothetischen) Vermögenslage verglichen, wie sie bestanden hätte,
wenn das die Schadensersatzpflicht begründende Ereignis nicht eingetreten wäre. Ohne die
Zerstörung der Vase wäre K Eigentümer eines Gegenstands im Wert von 100,- €, unter bestimmten
Umständen im Werte von 5.000,- €, gewesen.
Sofern der tatsächlich objektive Wert der Vase über dem Kaufpreis liegt, wäre der Schaden höher
anzunehmen. Der K glaubt das die Vase ein besonders wertvolles Exemplar darstellt, deren Wert
mindestens 5.000,- € beträgt. Insofern wäre sein Eigentum nicht nur um 100,- € durch den Erwerb
erhöht worden, sondern tatsächlich um 5.000,- € (abzüglich des zu zahlenden Kaufpreises). Insofern
wäre D gemäß § 252 BGB auch zum Ersatz des nichterzielten Gewinnes verpflichtet.
Demnach hat der K einen Schaden in eben dieser Höhe erlitten.
7. Haftungsausfüllende Kausalität
Anders als bei der haftungsbegründenden Kausalität, die die Verknüpfung zwischen
Rechtsgutverletzung und Handlung beinhaltet, ist für die haftungsausfüllende Kausalität der
Zusammenhang zwischen der Rechtsgutverletzung und dem hieraus entstandenen Schaden
entscheidend.
Für die Kausalität gelten die oben genannten Kriterien. Der Wertverlust in Höhe von 100,- € war eine
unmittelbare Folge der Zerstörung des Eigentums. Daher liegt auch die haftungsausfüllende
Kausalität vor.
8. Kein Mitverschulden
Ein Schadensersatzanspruch kann eingeschränkt werden, wenn der Geschädigte sich ein
Mitverschulden an der Schadensverursachung anrechnen lassen muss. Dies bedeutet für den
Geschädigten, dass er sich unter Umständen immer dann einen Teil des Schadens zurechnen lassen
muss, wenn er nicht die übliche Sorgfalt angewendet hat, die ein ordentlicher und verständiger
Mensch in dieser Situation beachtet hätte. Gemäß § 254 BGB sind hierbei 3 Tatbestände zu
unterscheiden:



Mitwirken des Verletzten bei der Rechtsgutverletzung
Unterlassung der Wahrung durch den Geschädigten
Unterlassung einer Schadensabwendung oder -minderung.
Einer dieser Tatbestände oder weitere Anhaltspunkte die ein Mitverschulden des K gemäß § 254
BGB begründen könnten sind nicht ersichtlich.
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9. Fristsetzung gem. § 251 I BGB
Grundsätzlich besteht beim Schadenersatz Anspruch auf Naturalrestitution, d. h. auf
Wiederherstellung in den ursprünglichen Zustand (§ 249 BGB). Ist dies nicht möglich, oder für den
Geschädigten nicht ausreichend, so muss der Schaden in Geld ausgeglichen werden.
In den Fällen, in denen eine Naturalrestitution nicht möglich ist, kann der Geschädigte gem. § 251 I
BGB ohne eine Fristsetzung Schadenersatz in Geld fordern.
In dem vorliegenden Fall wurde die Vase zerstört. Eine Wiederherstellung in den ursprünglichen
Zustand ist bei solchen Schäden aufgrund der Beschaffenheit der Vase nicht möglich. Insofern kann K
von D Ersatz des Schadens in Geld ohne eine weitere Fristsetzung verlangen.
10. Ergebnis
Die Voraussetzungen des § 823 Abs. 1 BGB sind gegeben. Folglich hat der D dem K gemäß §§ 249
Abs. 1, 251 Abs. 1 BGB Schadensersatz in Höhe von 5.000,- € zu leisten.
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Lösung zu Fall 2 Übersicht:
Anspruch auf Darlehensrückzahlung
1. Wirksamer Darlehensvertrag
(+)
 Darlehensforderung (+)
2. Anspruch erloschen wg. Aufrechnung
a. Gegenseitige Forderungen
b. Gleichartige Forderungen
c. Fällig und durchsetzbar
d. Aufrechnungserklärung
3. Ergebnis: Der Insolvenzverwalter hat einen Rückzahlungsanspruch in Höhe von 6.000,- € zzgl.
Zinsen gegen Hilbert.
Anspruch auf Zinszahlung
1. Restforderung aus Darlehensvertrag
 5 % Zinsen von 6.000,- € für ein Jahr
 5 % Zinsen von 6.000,- € für Zeitraum
Darlehensgewährung und Aufrechnung
2. Ergebnis: Der Insolvenzverwalter hat am 01. Oktober 2007 einen Anspruch gegen Hilbert auf
Zahlung von insgesamt 6.450,- € (Darlehen zzgl. Zinsen).
I.
Anspruch des Insolvenzverwalters gegen Hilbert gem. § 488 Abs. 1 S.2 BGB
Der Insolvenzverwalter könnte einen Anspruch auf Rückzahlung des Darlehens in Höhe von
12.000,- € gegen Hilbert haben. Als Anspruchsgrundlage kommt § 488 Abs. 1 S. 2 BGB in
Betracht.
1.
Zwischen Hilbert und der Bau-Fix GmbH, gemäß § 35 Abs. 1 GmbHG vertreten durch
ihren Geschäftsführer Gnau, wurde ein Darlehensvertrag über 12.000,- € zu einem
Zinssatz von 5 % vereinbart. Mit Ablauf eines Jahres war das Darlehen am 1. Oktober
2007 zurückzuerstatten. Eine Darlehensforderung in Höhe von 12.000,- € zzgl. Zinsen
ist somit entstanden.
2.
Der Anspruch auf Zahlung der Darlehensforderung könnte jedoch wegen
Aufrechnung gemäß § 389 BGB erloschen sein. Sofern zwei Personen gegenseitig eine
gleichartige Leistung (insbesondere Geld) schulden, so kann jeder Teil einseitig seine
Forderung gegen die Forderung des anderen Teils aufrechnen, sofern die eigene
Forderung voll wirksam, einredefrei und fällig ist.
Fallscript zum Tutorium
a)
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Zu prüfen ist somit, ob hinsichtlich der Vergütung für ausgeführte
Installationsarbeiten mit Abnahme im März 2007 die Voraussetzungen einer
Aufrechnung in Höhe von 6.000,- € erfüllt sind.
aa)
Haupt- und Gegenforderung standen im Verhältnis der
Gegenseitigkeit, da die Bau-Fix GmbH einen Anspruch gegen Hilbert
auf Rückzahlung des Kredits hatte und Hilbert gegen die Bau-Fix
GmbH gemäß § 631 Abs. 1 BGB ein Anspruch auf Zahlung des
vereinbarten Werklohnes zustand.
bb)
Da es sich jeweils um Geldforderungen handelt, ist die Gleichartigkeit
des Leistungsgegenstands zu bejahen.
cc)
Des Weiteren müsste die Gegenforderung fällig und durchsetzbar
gewesen sein. Durchsetzbarkeit setzt gemäß § 390 BGB voraus, dass
der Gegenforderung keine Einrede entgegenstehen darf. Nach § 641
Abs. 1 S. 1 BGB ist die Vergütung bei Abnahme fällig. Die Abnahme
erfolgte am 31. März 2007. Es gibt keine Anhaltspunkte für die
Geltendmachung einer entgegenstehenden Einrede (Verjährung,
Zurückbehaltungsrecht o. ä.). Damit war die Gegenforderung mit
Abnahme des Werks am 31.03.2007 fällig und durchsetzbar.
dd)
Die Hauptforderung müsste ferner im Zeitpunkt der
Aufrechnungslage erfüllbar gewesen sein. Hilbert war nach der
Darlehensvereinbarung zu jederzeitigen Tilgung berechtigt. Am 31.
März 2007 war daher eine Teilrückzahlung des gewährten Darlehens
möglich. Die Erfüllbarkeit der Hauptforderung war somit gegeben.
ee)
Ein Aufrechnungsverbot besteht nicht.
ff)
Zu untersuchen ist schließlich, ob die Aufrechnung gemäß § 388 BGB
erklärt wurde. Die Aufrechnungserklärung stellt eine einseitige
empfangsbedürftige Willenserklärung dar. Gemäß § 133 ist bei der
Auslegung einer Willenserklärung der wirkliche Wille zu erforschen
und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.
Nach allgemeiner Auffassung kann zudem die Auslegungsregel des
§ 157 BGB, wonach Verträge nach Treu und Glauben mit Rücksicht
auf die Verkehrssitte auszulegen sind, auch auf die einzelne
Willenserklärung angewendet werden. Hilbert weigerte sich unter
Hinweis auf die von ihm erbrachten Handwerkerleistungen zu zahlen.
Zwar verwendete er nicht ausdrücklich den Begriff „Aufrechnung“.
Seine Aussage ist jedoch eindeutig so zu verstehen, dass er wegen
der entgegenstehenden werkvertraglichen Forderungen die gegen
ihn gerichteten Darlehensforderungen als erloschen betrachtet.
Deshalb ist seine Einlassung als Aufrechnungserklärung auszulegen.
b) Fraglich ist aber auch, ob Hilbert bezüglich der Reparaturarbeiten in der
Eigentumswohnung des Gnau ein Aufrechnungsanspruch zusteht.
Diese setzt die Gegenseitigkeit der Forderungen voraus. Das
bedeutet, dass der Aufrechnende Schuldner der Hauptforderung und
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Gläubiger der Gegenforderung sein muss, während sein
Vertragspartner Gläubiger der Hauptforderung und Schuldner der
Gegenforderung ist. Die Hauptforderung in Form der
Darlehensrückzahlung bestand zwischen der Bau-Fix GmbH und
Hilbert. Bei den Reparaturarbeiten handelte es sich um einen Auftrag,
der von Gnau erteilt wurde. Aus den Umständen des
Vertragsschlusses ist nicht ersichtlich, dass Gnau dabei für die Bau-Fix
GmbH handelte. Vielmehr ging es um einen Werkvertrag, bei denen
Leistungen für die Eigentumswohnung des Gnau erbracht werden
sollten. Hieraus ist zu schließen, dass Gnau den Werkvertrag im
eigenen Namen schloss. Also ist die Bau-Fix GmbH nicht Schuldnerin
der vereinbarten Vergütung.
Ein Aufrechnungsanspruch des Hilbert aus dieser Forderung gegen
die Bau-Fix GmbH besteht daher nicht.
c)
3.
II.
Folglich ist aufgrund der Aufrechnung die Forderung auf Rückzahlung des
Darlehens bezüglich eines Betrags von 6.000,- € mit Wirkung zum 31. März
2007 erloschen.
Dies bedeutet im Zwischenergebnis, dass der Insolvenzverwalter
Rückzahlungsanspruch in Höhe von 6.000,- € zzgl. Zinsen gegen Hilbert hat.
einen
Zu klären bleibt weiter, in welchem Umfang die Zinsforderung gemäß § 488 Abs. 1 S. 2 BGB
besteht.
1.
Bezüglich der Restforderung in Höhe von 6.000,- € sind die Zinsen von 5 % für ein
Jahr zu entrichten, was einen Betrag von 300,- € ergibt.
2.
Hinsichtlich der getilgten Forderung in Höhe von ebenfalls 6.000,- € besteht die
Zinsforderung von 5 % nur bis zu dem Zeitpunkt, in dem die Tilgung des Darlehens
erfolgte. Nach § 389 BGB gelten die Forderungen in dem Zeitpunkt als erloschen, in
welchem sie zur Aufrechnung geeignet einander gegenübergetreten sind. Dies war
am 31. März 2007 der Fall. Es müssen somit Zinsen von 5 % für die Monate Oktober
2006 bis März 2007, also für ein halbes Jahr, bezüglich einer Darlehenssumme von
6.000,- € gezahlt werden. Dies entspricht einem Betrag von 150,- €.
3.
Es besteht somit eine Zinsforderung von insgesamt 450,- €.
Ergebnis:
Somit kann der Insolvenzverwalter am 01. Oktober 2007 von Hilbert insgesamt die Zahlung
von 6.450,- € verlangen. (Sofern Hilbert dieser Zahlungsverpflichtung nicht nachkommt,
könnte die Zinshöhe weiter steigen.)
Fall 2: Am Ende wird aufgerechnet- Aufrechnungsrecht
Handwerker Hilbert und das Bauunternehmen Bau-Fix GmbH stehen in langjährigen
Geschäftsbeziehungen. Als Hilbert aus privaten Gründen in finanzielle Schwierigkeiten gerät,
verständigt er sich mit dem Geschäftsführer Gnau der Bau-Fix GmbH darauf, einen günstigen Kredit
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über 12.000,- € zu einem Zinssatz von 5 % von der Bau-Fix GmbH zu bekommen. Hilbert soll die
Kreditsumme innerhalb eines Jahreszurückzahlen, wobei er bei einer Verbesserung seiner
finanziellen Situation jederzeit auch Teilbeträge tilgen darf. Der Betrag wird am 1. Oktober 2006 an
Hilbert gezahlt.
Im Frühjahr führt Hilbert Installationsarbeiten für die Firma Bau-Fix GmbH durch, die am 31. März
2007 von Gnau abgenommen werden. Für diese Arbeiten wurde ein Werklohn in Höhe von 6.000,- €
vereinbart.
Außerdem wird Hilbert von Gnau beauftragt, in seiner Eigentumswohnung Reparaturen auszuführen,
wofür eine Vergütung von 6.600,- € gezahlt werden soll. Die Abnahme der Reparaturarbeiten erfolgt
am 30. April 2007.
Kurze Zeit später muss die Firma Bau-Fix GmbH Insolvenz anmelden. Als der Insolvenzverwalter
Ilbertz am 1. Oktober 2007 die Rückzahlung des Kredits zuzüglich der vereinbarten Zinsen fordert,
weigert sich Hilbert unter Hinweis auf die von ihm erbrachten Handwerkerleistungen zu zahlen.
Welche Forderungen stehen dem Insolvenzverwalter gegen Hilbert zu?
zu?
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Lösung Fall 3 Übersicht:
A. Herausgabe des Porsches
1. Eigentümer
 ursprünglicher Eigentümer
 Eigentumsübergang (2 übereinstimmende WE)
 Übergabe
2. Ergebnis
B. Anspruch auf Übergabe und Übereignung
1. Schuldrechtlicher Vertrag; hier Kaufvertrag
(+)
2. Anspruch erloschen durch Leistung
(-)
3. Zurückbehaltungsrecht b. fehlender
Gegenleistung
(-)
4. Ergebnis: Anspruch auf Übergabe und Übereignung
(+)
Lösung Grundfall:
A. Eigentumslage hinsichtlich des Porsche (für die Prüfung des Eigentums empfiehlt sich die
historische Prüfungsreihenfolge)
Kunze könnte gegen Albrecht einen Anspruch auf Herausgabe des Porsche gemäß §§ 985, 986
Abs. 1 BGB haben.
I.
Eigentümer
Fraglich erscheint allerdings, ob Kunze zum Zeitpunkt des Herausgabeverlangens Eigentümer
war.
1. Ursprünglicher Eigentümer
Mangels weiterer Angaben im Sachverhalt ist davon auszugehen, dass Albrecht zunächst
Eigentümer des Porsche war (zugunsten eines Eigenbesitzers [vgl. § 872 BGB] stellt auch das
BGB in § 1006 Abs. 1 S. 1 BGB diese Vermutung auf).
2. Eigentumsübertragung an Kunze
Albrecht könnte jedoch das Eigentum rechtsgeschäftlich an Kunze übertragen haben. Dies
setzt gemäß § 929 S. 1 BGB die Übergabe des Porsche und die Einigung hinsichtlich des
Eigentumsübergangs voraus.
Die Einigung besteht aus zwei übereinstimmenden Willenserklärungen in Form von Angebot
und Annahme i. S. d. §§ 145 ff. BGB (Die Einigung ist ein dinglicher Vertrag und damit das
sachenrechtliche Äquivalent zum schuldrechtlichen Vertrag, bei dem sich die Parteien
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lediglich verpflichten eine Leistung zu erbringen). Weder eine ausdrückliche noch eine
konkludente Einigung lässt sich dem Sachverhalt entnehmen. Keinesfalls liegt die Einigung im
Abschluss des Kaufvertrages – schuldrechtlicher Vertrag und sachenrechtlicher Vertrag sind
stets getrennt voneinander zu prüfen (Trennungsprinzip).
Schließlich fehlt es auch an einer Übergabe (Übergabesurrogate kommen nicht in Betracht,
da Albrecht weiterhin vollen Besitz behält und Kunze keinerlei Besitzrechte eingeräumt
wurden).
II. Ergebnis
Albrecht ist Eigentümer des Porsche und Kunze hat dementsprechend keinen
Herausgabeanspruch gemäß §§ 985, 986 Abs. 1 BGB.
B. Ansprüche Kunze gegen Albrecht
I.
Anspruch des Kunze gegen Albrecht auf Übergabe und Übereignung des PKW aus § 433
Abs. 1 S. 1 BGB
Kunze könnte einen Anspruch gegen Albrecht auf Übergabe und Übereignung des Porsche
aus § 433 Abs. 1 S. 1 BGB haben.
Den dazu erforderlichen Vertrag haben die Parteien durch übereinstimmende
Willenserklärungen gemäß §§ 145, 147 BGB geschlossen. Dieser ist dem Inhalt nach als
Kaufvertrages gemäß § 433 BGB zu qualifizieren, so dass Kunze gemäß § 433 Abs. 1 S. 1 BGB
von Albrecht Übergabe und Übereignung des Porsche verlangen kann.
II. Rechtsvernichtende Einwendungen
Wie soeben geprüft, wurden weder Besitz (i. S. v. § 854 Abs. 1 BGB) noch das Eigentum an
Kunze übertragen, so dass der Anspruch auch nicht gemäß § 362 Abs. 1 BGB erloschen ist.
III. Einreden
Dem Albrecht könnte ein Zurückbehaltungsrecht an dem Porsche aus § 320 Abs. 1 S. 1 BGB
zustehen. Wie zwischen den Parteien vereinbart, darf der Kunze den Porsche jedoch schon
am 30.10.2007 mitnehmen und muss ihn erst einen Monat später bezahlen. Damit ist
Albrecht zur Vorleistung verpflichtet und kann nicht die Einrede der „Zug-um-Zug“-Erfüllung
geltend machen.
IV. Ergebnis
Kunze hat einen Anspruch gegen Albrecht auf Übergabe und Übereignung des Porsche aus
§ 433 Abs. 1 S. 1 BGB.
Strikte Trennung von Verfügungs- und Verpflichtungsgeschäft!
Das Trennungsprinzip besagt, dass das schuldrechtliche Verpflichtungsgeschäft (zum Beispiel der
o. g. Kaufvertrag), in dem sich jemand einem anderen gegenüber zu etwas verpflichtet, und das
dingliche Verfügungsgeschäft (z. B. eine Übereignung i. S. d. § 929 BGB), mit dem jemand die
Rechtsverhältnisse an einer Sache ändert, zwei gesonderte und daher streng voneinander zu
trennende Rechtsgeschäfte sind.
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Bei dem zwischen den Parteien geschlossenen Kaufvertrag handelt es sich um ein schuldrechtliches
Verpflichtungsgeschäft, aus dem die in den §§ 433 ff. BGB normierten Pflichten der Vertragspartner
folgen. An der sachenrechtlichen (dinglichen) Zuordnung des PKW ändert sich dadurch hingegen
(noch) nichts. Das heißt, trotz eines wirksam geschlossenen Kaufvertrages ist Albrecht noch
Eigentümer des Porsche.
Durch einen Kaufvertrag wird also niemals Eigentum erworben oder verloren. Der
Eigentumsübergang richtet sich stets nach den Vorschriften der §§ 929 ff. BGB und erfordert eine
Einigung über den Eigentumsübergang und die Übergabe der Sache bzw. ein Übergabesurrogat.
Wichtig ist, dass sich sowohl der schuldrechtliche, als auch die dingliche Vertrag i. S. d. §§ 929 ff. BGB
nach den §§ 145 ff. BGB richten.
Das Abstraktionsprinzip schließt sich an diese Trennung von dinglichem Verfügungs- und
schuldrechtlichem Verpflichtungsgeschäft unmittelbar an und besagt:
Ein Fehler auf der einen Ebene (schuldrechtlich oder dinglich) wirkt sich grundsätzlich nicht auf die
andere Ebene (schuldrechtlich bzw. dinglich) aus. Die Verfügung ist unabhängig von der (Un-)
Wirksamkeit der zugrundeliegenden Verpflichtung.
Es wäre beispielsweise denkbar, dass Kunze aufgrund eines Irrtums (§ 119 Abs. 1 BGB) zur
Anfechtung des Kaufvertrages berechtigt ist und anders als im Ausgangsfall nunmehr eine
Übereignung des Porsche stattgefunden hat.
Übt Kunze sein Anfechtungsrecht aus, so ordnet die Vorschrift des § 142 Abs. 1 BGB die Nichtigkeit
des Rechtsgeschäftes an.
Hier setzt nun das Abstraktionsprinzip an: Die Unwirksamkeit des anfechtbaren Kaufvertrages lässt
die dingliche Seite des Rechtsgeschäftes (hier die Übereignung des Wagens) unberührt, mit der
Folge, dass Kunze durch die vorherige Übereignung nach wie vor Eigentümer des Wagens bleibt.
Allerdings entfällt mit dem unwirksamen Vertrag auch die Grundlage für das „Behaltendürfen“ des
Wagens. Dieser ist gemäß §§ 812 ff. BGB zurückzugewähren.
Lösung Abwandlung 1:
[Anspruch des Kunze auf Herausgabe des bezahlten Geldes]
A. Anspruch aus §§ 985, 986 Abs. 1 S. 1 BGB
Kunze könnte von Albrecht die Herausgabe der Geldscheine verlangen. Als Anspruchsgrundlage
kommen §§ 985, 986 Abs. 1 S. 1 BGB in Betracht.3
Der Herausgabeanspruch aus § 985, 986 Abs. 1 S. 1 BGB setzt voraus, dass Kunze zum Zeitpunkt
des Herausgabeverlangens noch Eigentümer der Geldscheine ist, Albrecht dagegen lediglich
Besitzer ohne Recht zum Besitz.
I.
3
Besitz
§ 985 und § 986 BGB sind stets zusammen zu prüfen, da der Eigentümer nur dann vom Besitzer die
Herausgabe verlangen kann, wenn der Besitzer kein Recht zum Besitz hat.
Fallscript zum Tutorium
WS 2011/2012
Prof. Dr. Udo Reifner
Albrecht ist derzeit Besitzer der Geldscheine, da er die tatsächliche Sachherrschaft hierüber
ausübt.
II. Eigentum
Fraglich erscheint allerdings, ob Kunze weiter Eigentümer der Geldscheine4 ist.
1. Ursprüngliches Eigentum an den Geldscheinen
Ursprünglich war Kunze Eigentümer der Geldscheine.
2. Verlust des Eigentums durch Übereignung
Das Eigentum könnte Kunze aber durch wirksame Übereignung gemäß § 929 S. 1 BGB an den
Albrecht verloren haben.
a) Einigung und Übergabe
Voraussetzung wäre einerseits die Übergabe der Scheine, andererseits die Einigung über
den Eigentumsübergang.
Die Einigung i. S. v. § 929 S. 1 BGB erfordert einen dinglichen Vertrag, der auf die
Übertragung des Eigentums gerichtet ist, d. h. Angebot auf Übereignung durch den
Eigentümer (oder einen sonst Berechtigten) und dessen Annahme durch den Erwerber
(§§ 145, 147 BGB). Dieser Vertrag kann auch durch schlüssiges Verhalten (konkludent)
geschlossen werden, meist bei Gelegenheit der Übergabe.
Vorliegend wurden die Geldscheine von Kunze an Albrecht übergeben. Gleichzeitig
gingen beide Parteien davon aus, dass der Albrecht Eigentum daran erwerben sollte, so
dass konkludent die Einigung über den Eigentumsübergang geschlossen wurde. (Indiz
hierfür ist, dass Kunze mit der Übergabe seine Pflicht aus § 433 Abs. 2 BGB erfüllen
wollte).
Einigung und Übergabe liegen somit vor.
b. Wirksamkeit der Einigung
Die Übereignung könnte aber gemäß § 138 Abs. 2 BGB die Verfügung eines
„Bewucherten“ darstellen und damit nichtig sein.
[HINWEIS: Bei § 138 Abs. 2 BGB ist neben dem Verpflichtungsgeschäft auch das
Verfügungsgeschäft des Bewucherten nichtig; vgl. Wortlaut „versprechen und gewähren
lässt“. Dies ist eine der wenigen Ausnahmen zum Abstraktionsprinzip. Das
Verfügungsgeschäft des „Wucherers“ ist hingegen wirksam.]
Ein auffälliges Missverhältnis ist anzunehmen, wenn der Wert der Leistung den der
Gegenleistung um 100 % übersteigt. Dies ist vorliegend gegeben.
Zudem müsste Albrecht unter Ausbeutung einer Zwangslage, der Unerfahrenheit, des
Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche des Kunze
gehandelt haben. Ausbeutung setzt voraus, dass sich der Albrecht die Unerfahrenheit
usw. bewusst zunutze gemacht hat. Nach dem Sachverhalt hat Albrecht sich den
4
Geldscheine sind Sachen i. S. d. § 90 BGB und die Eigentumsübertragung richtet sich folglich nach den
§§ 929 ff. BGB – die Eigentumslage wird historisch geprüft.
Fallscript zum Tutorium
WS 2011/2012
Prof. Dr. Udo Reifner
Reichtum des Kunze zunutze gemacht, von Unerfahrenheit ist keine Rede.5 Eine
Nichtigkeit nach § 138 Abs. 2 BGB scheidet damit aus.
[HINWEIS: § 138 Abs. 1 BGB erfasst lediglich den schuldrechtlichen Vertrag und ist daher
nicht i. R. d. Eigentumsverhältnisse zu prüfen. Es gilt das Abstraktionsprinzip!]
III. Ergebnis
Albrecht hat wirksam Eigentum an den Geldscheinen erworben, Kunze ist nicht mehr
Eigentümer und kann aus §§ 985, 986 Abs. 1 S. 1 BGB nicht Herausgabe verlangen.
B. Anspruch aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB – Leistungskondiktion
Kunze könnte aber einen Anspruch aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB auf Herausgabe von Eigentum
und Besitz an den Geldscheinen gegen Albrecht haben.
I.
Etwas erlangt
Albrecht hat Eigentum (s. o) und Besitz (in Form der tatsächlichen Sachherrschaft) an den
Geldscheinen erlangt.
II. Durch Leistung
Das Eigentum und den Besitz an den Geldscheinen müsste Albrecht durch Leistung des Kunze
erlangt haben. Leistung ist die bewusste und zweckgerichtete Mehrung fremden Vermögens.
Kunze hat das Vermögen des Albrecht in der Annahme gemehrt, seine Kaufpreisschuld zu
tilgen, worin eine Leistungshandlung zu sehen ist.
III. Ohne rechtlichen Grund
Die Leistung müsste ohne rechtlichen Grund erfolgt sein. Hier kommt als rechtlicher Grund
der zwischen Albrecht und Kunze geschlossene Kaufvertrag in Betracht. Dieser könnte jedoch
wegen Sittenwidrigkeit gemäß § 138 Abs. 1 BGB nichtig sein.
[HINWEIS: Das „Rechtsgeschäft“, welches in § 138 Abs. 1 BGB „nichtig“ ist, ist lediglich der
schuldrechtliche Vertrag. Es gilt das Abstraktionsprinzip, so dass der dingliche Vertrag hiervon
nicht betroffen wird. Dies ist der große Unterschied zwischen Abs. 1 und Abs. 2 des § 138
BGB. In seinem Tatbestand ist Abs. 2 enger als Abs. 1, so dass trotz fehlender Nichtigkeit
wegen Wuchers Nichtigkeit nach § 138 Abs. 1 BGB vorliegen kann.]
Ein Rechtsgeschäft ist sittenwidrig, wenn es gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht
Denkenden verstößt. Diese Generalklausel wurde von der Rechtsprechung konkretisiert.
Besonders wichtig ist die Fallgruppe des besonders groben Missverhältnisses. In diesem Fall
besteht eine tatsächliche Vermutung für ein Handeln aus verwerflicher Gesinnung, so dass
i. d. R. eine weitere Prüfung der subjektiven Voraussetzungen entfällt.6
5
Bei entsprechender Begründung wäre es vertretbar, hier auch zu einem anderen Ergebnis zu gelangen.
Anders ist die Situation, wenn der Benachteiligte Kaufmann ist. Dann kann aus dem besonders groben
Missverhältnis nicht auf eine verwerfliche Gesinnung geschlossen werden [BGH NJW 2003, S. :2230, 2231: Die
Vollkaufmann-Eigenschaft des Benachteiligten begründet in aller Regel die widerlegliche Vermutung, dass der
Begünstigte nicht in verwerflicher Weise eine persönliche oder geschäftliche Unterlegenheit des Benachteiligten
ausgenutzt hat].
6
Fallscript zum Tutorium
WS 2011/2012
Prof. Dr. Udo Reifner
Soweit der Wert der Leistung „knapp“ doppelt so hoch ist wie die Gegenleistung, liegt nach
dem BGH ein besonders grobes Missverhältnis vor, so dass ein solches auch im vorliegenden
Fall anzunehmen ist.
Mangels Kaufvertrags bestand folglich kein Rechtsgrund für die Leistung des Kunze.
IV. Herausgabeumfang
Soweit die konkreten Geldscheine noch unterscheidbar im Vermögen des Albrecht
vorhanden sind, muss er diese herausgeben. Soweit er diese Geldscheine ausgegeben hat, ist
der Wert der Geldscheine zu ersetzen, § 818 Abs. 2 BGB. Die Berufung auf Entreicherung
gemäß § 818 Abs. 3 BGB ist dem Albrecht versperrt, da er die Nichtigkeit des Kaufvertrages
von Anfang an kannte (=bösgläubig war) und damit gemäß §§ 819 Abs. 1, 818 Abs. 4 BGB
verschärft haftet. Dieser Verweis auf die Haftung nach „den allgemeinen Vorschriften“
bedeutet in concreto, dass Albrecht die Geldsumme ab Empfang mit 5 Prozentpunkten über
dem Basiszinssatz (d. h. derzeit insgesamt 8,19% p. a.) zu verzinsen hat, §§ 291, 288 Abs. 1
S. 2 BGB.7
V. Ergebnis
Kunze hat Anspruch auf Übereignung und Übergabe der Geldscheine (bzw. Wertersatz) aus
§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB.
[Anspruch des Albrecht auf Herausgabe des Porsche]
C. Anspruch aus §§ 985, 986 Abs. 1 S. 1 BGB
Albrecht könnte von Kunze Herausgabe des Porsche gemäß §§ 985, 986 Abs. 1 S. 1 BGB fordern.
Der Anspruch aus § 985 setzt voraus, dass Albrecht noch Eigentümer, und Kunze Besitzer ohne
Besitzrecht am Porsche ist.
I.
Besitz
Kunze ist derzeit Besitzer des Porsche, da er die tatsächliche Sachherrschaft hierüber ausübt.
II. Eigentum
Fraglich erscheint allerdings, ob Albrecht weiter Eigentümer des Porsche ist.
1. Ursprüngliches Eigentum am Porsche
Ursprünglich war Albrecht Eigentümer des Porsche.
2. Verlust des Eigentums durch Übereignung
Das Eigentum könnte Albrecht aber durch wirksame Übereignung (§ 929 S. 1 BGB) an den
Kunze verloren haben. Voraussetzung wäre einerseits die Übergabe des Autos, andererseits
die Einigung über den Eigentumsübergang. Vorliegend wurde das Fahrzeug übergeben,
wobei beide Parteien davon ausgingen, dass der Kunze Eigentum erwerben sollte. Hierauf
deutet nicht nur hin, dass die Übergabe zum Zweck der Erfüllung eines Kaufvertrags erfolgen
sollte (aus dem der Verkäufer nach § 433 Abs. 1 BGB die Eigentumsverschaffung schuldet),
7
Da Kunze der Übervorteilte eines wucherähnlichen Geschäftes gemäß § 138 Abs. 1 BGB ist, ist die
Saldotheorie zu seinen Lasten vorliegend nicht anwendbar. Es gilt insoweit die Zweikondiktionentheorie.
Fallscript zum Tutorium
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sondern auch die Übergabe des Fahrzeugbriefs, der typischerweise nur ausgehändigt wird,
wenn man das Eigentum übertragen will.
Der dingliche Vertrag ist auch wirksam. Der Sittenverstoß, der nach § 138 Abs. 1 BGB zur
Nichtigkeit eines Rechtsgeschäfts führen kann, betrifft lediglich den schuldrechtlichen
Vertrag, während der dingliche Vertrag – der nichts mit dem Austauschverhältnis zu tun hat –
hiervon nicht betroffen wird.
Somit hat Kunze wirksam Eigentum an dem Porsche erworben.
III. Ergebnis
Albrecht ist nicht mehr Eigentümer und kann daher nicht aus §§ 985, 986 Abs. 1 S. 1
Herausgabe verlangen.
D. Anspruch aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB (Leistungskondiktion)
Albrecht könnte einen Anspruch aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB gegen Kunze auf Herausgabe des
Eigentums und Besitzes am Porsche haben.
I.
Etwas erlangt
Kunze erlangte das Eigentum an dem Fahrzeug.
II. Durch Leistung
Mit dem Eigentum und dem Besitz am Porsche hat Albrecht bewusst und zweckgerichtet das
Vermögen des Kunze gemehrt, indem er den Zweck verfolgte, die einem Kaufvertrag
grundsätzlich entspringende Verpflichtung zu erfüllen (§ 433 Abs. 1 S. 1 BGB).
III. Ohne rechtlichen Grund
Der allein als rechtlicher Grund in Betracht kommende Kaufvertrag zwischen Albrecht und
Kunze ist wegen überhöhten Kaufpreises gemäß § 138 Abs. 1 BGB nichtig. Somit ist der Kunze
grundsätzlich zur Herausgabe des rechtsgrundlos Erlangten verpflichtet.
Der Anspruch könnte jedoch gemäß § 814 Fall 1 BGB ausgeschlossen sein, da Albrecht die
Umstände kannte, die zur Sittenwidrigkeit des Vertrages führten. Als Ausnahmevorschrift ist
§ 814 Fall 1 BGB jedoch eng auszulegen, so dass die bloße Kenntnis der Tatsachen nicht
genügt; vielmehr muss der Leistende auf Grund der „Parallelwertung in der Laiensphäre“
positiv wissen, dass er nach der Rechtslage nichts schuldet. Davon ist bei Albrecht nicht
auszugehen.
IV. Ergebnis
Demnach hat Kunze dem Albrecht den Porsche zurückzugeben und das Eigentum durch
Abschluss eines weiteren dinglichen Vertrags nach § 929 S. 1 BGB wieder zurück zu
übertragen. Soweit der Porsche in natura nicht mehr herausgegeben werden kann (z. B. weil
dieser zwischenzeitlich bei einem Unfall zerstört worden ist), müsste Kunze nach § 818 Abs. 2
BGB grundsätzlich Wertersatz leisten; da er jedoch gutgläubig ist, stünde dem vorliegend
§ 818 Abs. 3 BGB entgegen und er wäre von einer Haftung befreit.
Fallscript zum Tutorium
WS 2011/2012
Prof. Dr. Udo Reifner
[Grundsätzlich müsste Kunze auch gezogene Nutzungen gemäß § 818 Abs. 1 BGB ersetzen,
die dann gemäß § 818 Abs. 2 BGB durch Wertersatz abgegolten werden. Aber auch hier greift
zugunsten des gutgläubigen Kunze § 818 Abs. 3 BGB ein.]
Zulasten des „Wucherers“ gilt hier zudem die Saldotheorie, die als logische Folge des
Synallagmas beim gegenseitigen Vertrag gilt. Trotz Rechtsgrundlosigkeit bleiben danach die
beiderseitigen Leistungen durch den Austauschzweck auch i. R. d. Bereicherungsausgleichs
miteinander verknüpft. Soweit es sich – wie vorliegend – um ungleichartige Ansprüche
handelt, kann jedoch keine Saldierung im eigentlichen Sinne erfolgen. Die Herausgabe des
Porsche kann allerdings von vornherein nur Zug-um-Zug gegen Herausgabe des Geldes
geltend gemacht werden, ohne dass dazu die Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts
erforderlich wäre.
Lösung Abwandlung 2:
A. Ansprüche des Albrecht
I.
Anspruch des Albrecht auf Herausgabe des Kfz nach §§ 985, 986 Abs. 1 S. 1 BGB
Für den Anspruch aus §§ 985, 986 Abs. 1 S. 1 BGB müsste der Albrecht Eigentümer und Kunze
der Besitzer des Porsche ohne Recht zum Besitz sein.
1. Eigentum am Porsche
Albrecht war ursprünglich Eigentümer des Porsche, könnte das Eigentum aber durch
Übereignung (Einigung und Übergabe, § 929 S. 1 BGB) an den Kunze verloren haben.
Vorliegend fehlt es indes an einer wirksamen Einigung über den Eigentumsübergang, da
der Kunze unerkannt geisteskrank und seine Willenserklärung unwirksam war, §§ 104
Nr. 2, 105 Abs. 1 BGB. Diese Vorschrift des Allgemeinen Teils des BGB gilt nicht nur für
schuldrechtliche, sondern ebenso für dingliche Verträge. Daraus folgt, dass der Albrecht
noch immer Eigentümer des Porsche ist, da er es trotz Übergabe auch des
Fahrzeugbriefes (Ergänzung: Der Eigentümer eines Fahrzeugbriefes ist nicht zugleich
auch Eigentümer des PKW´s) mangels Einigung nicht an den Kunze verloren hat. Auch
eine Eintragung im Fahrzeugbrief ändert an dieser Rechtslage nichts.8
2. Besitz ohne Recht zum Besitz
Auch der geisteskranke Kunze kann die tatsächliche Herrschaft über eine Sache ausüben
und damit Besitzer des Porsche sein. Die Willenserklärung des Kunze im Rahmen des
Kaufvertrags ist ebenfalls gemäß §§ 104 Nr. 2, 105 Abs. 1 BGB nichtig, so dass er hieraus
kein Recht zum Besitz abzuleiten vermag.
3. Ergebnis
Albrecht kann als Eigentümer von Kunze Herausgabe des Besitzes am Porsche nach §§ 985,
986 Abs. 1 S. 1 BGB verlangen.
8
Der Kfz-Brief ist nur ein Hilfspapier. Die Rechtsprechung hat allerdings das sachenrechtliche Schicksal von Fahrzeug und Papier als derart
miteinander verbunden gesehen, dass § 952 BGB entsprechend anwendbar ist (Palandt – Bassenge § 952 Rn 7). Hier gilt der Grundsatz:
„Das Recht am Papier folgt dem Recht aus dem Papier.“ Das bedeutet, dass derjenige, der tatsächlich Eigentümer des Kfz ist, ein Recht am
Kfz-Brief hat. Der Erwerber hat ein Recht auf Übergabe des Kfz-Briefes und Eintragung seiner Person im Brief. Er hat daher den Anspruch
auf Herausgabe des Fahrzeugbriefs gemäß § 985 BGB gegen den Besitzer des Briefes. Derjenige, der im Kfz-Brief steht, hat jedoch kein
Eigentumsrecht am Kfz.
Fallscript zum Tutorium
WS 2011/2012
Prof. Dr. Udo Reifner
II. Anspruch auf Herausgabe des Besitzes nach § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB
Albrecht könnte auch einen Anspruch aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB haben, da er durch die
Übergabe im Hinblick auf den Besitz am Fahrzeug das Vermögen des Kunze bewusst und
zweckgerichtet gemehrt hat. Wegen der Nichtigkeit des Kaufvertrags fehlte es insoweit an
einem Rechtsgrund. Kunze hat demzufolge den Besitz herauszugeben. (Dem
Wertersatzanspruch auf Entschädigung für gezogene Nutzungen gemäß § 818 Abs. 1, Abs. 2
BGB, steht zugunsten des gutgläubigen Kunze die Geltendmachung von Entreicherung gemäß
§ 818 Abs. 3 BGB entgegen.)
B. Ansprüche des Kunze
Für die Ansprüche des Kunze wegen des gezahlten Kaufpreises gelten grundsätzlich dieselben
Grundsätze. Da auch insoweit die Übereignung unwirksam ist (§§ 104 Nr. 2, 105 Abs. 1 BGB), hat
Kunze das Eigentum an den Geldscheinen nicht verloren und kann diese nach § 985, 986 Abs. 1
S. 1 BGB herausverlangen. Ebenso kann die Herausgabe nach § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB aus
Leistungskondiktion verlangt werden, da auch der schuldrechtliche Vertrag unwirksam ist. (Hier
haftet Albrecht nicht verschärft, da Kunze ja gerade unerkannt geisteskrank war.)
Da der Nichtigkeitsgrund in der vorliegenden Konstellation sowohl das schuldrechtliche als auch
das dingliche Rechtsgeschäft erfasst, spricht man von einem Doppelmangel.
Aus didaktischen Gründen sind in den Fallvarianten einige Ausnahmen vom Abstraktionsprinzip
dargestellt, um das Prinzip zu erläutern. Bitte beachten Sie, dass es sich hierbei um Ausnahmen
handelt und das Abstraktionsprinzip den Grundsatz enthält.
Fallscript zum Tutorium
WS 2011/2012
Prof. Dr. Udo Reifner
Lösung Fall 4 :Der eifrige Meier
Holzinger könnte gegen Klotzke einen Anspruch auf Zahlung von 6.000,- € gemäß § 433 Abs. 2
BGB haben.
Voraussetzung hierfür wäre Ein rechtsgültig geschlossener Kaufvertrag. Ein Vertrag ist zumeist
ein zweiseitiges Rechtsgeschäft, bei dem durch mindestens zwei übereinstimmende
Willenserklärungen ein bestimmter rechtlicher Erfolg erzielt werden soll (so genannter
Vertragswille). Der Vertrag kommt demnach grundsätzlich durch den Antrag (auch Angebot
genannt) der einen Vertragspartei und durch die vorbehaltlose Annahme dieses Antrags durch
die andere Vertragspartei zustande.
I.
Angebot
Holzinger unterbreitete ein Angebot zum Abschluss eines Kaufvertrags über Bauholz zum
Preis von 6.000,- €.
II. Annahme
Fraglich ist jedoch, ob eine Annahme dieses Angebots durch Klotzke erfolgte.
Dazu müsste Meier den Klotzke gemäß § 164 Abs. 1 BGB wirksam vertreten haben.
1.
Willenserklärung des Meier
Meier erklärte gegenüber Holzinger sein Einverständnis zu einem Kauf in Höhe von
6.000,- €, womit eine Willenserklärung vorliegt.
2.
Zurechnung der Willenserklärung gem. § 164 I BGB

Eigene Willenserklärung
Damit die von Meier abgegebene Willenserklärung wirksam dem Klotzke zugerechnet
werden kann, muss Meier eine eigene Willenserklärung abgegeben haben. Würde er
lediglich die Willenserklärung des Klotzke wiedergeben, würde es sich bei Meier um
einen Boten handeln. Dies bedeutet, dass ein Bote lediglich vorgegebene Parameter
für den Kaufvertrag übermittelt, ein Vertreter aber einen gewissen
Entscheidungsfreiraum zur Bildung seiner Willenserklärung hat und haben muss.
Meier hatte lediglich die Vorgabe eine bestimmte Menge Bauholz zu kaufen, er
besaß also einen Entscheidungsfreiraum und gab daher eine eigene Willenserklärung
ab.

Offenkundigkeitsprinzip
Ferner muss für eine wirksame Stellvertretung das so genannte
Offenkundigkeitsprinzip gewahrt sein. Dies bedeutet, dass der Vertreter gegenüber
der anderen Vertragspartei klar zu erkennen geben muss, für und gegen wen sich
dieses Rechtsgeschäft richtet.
Indem Meier für Rechnung des Klotzke den Kaufvertrag schloss, gab er damit zu
erkennen, dass er als dessen Stellvertreter handelte. Somit ist ein Handeln in
fremden Namen und damit das Offenkundigkeitsprinzip gewahrt.
Fallscript zum Tutorium

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Prof. Dr. Udo Reifner
Zwischenergebnis
Für eine wirksame Vertretung ist die Abgabe einer eigenen Willenserklärung in
fremden Namen notwendig.
Dies ist vorliegend von Meier so geschehen, so dass eine wirksame Vertretung
vorliegt.
3.
Vertretungsmacht
Fraglich bleibt allerdings, ob Meier innerhalb der ihm zustehenden Vertretungsmacht
handelte.
a)
Diese könnte sich aus § 54 Abs. 1 HGB ergeben.
Hierzu müsste der Meier zur Vornahme einzelner zu einem Handelsgewerbe
gehöriger Geschäfte ermächtigt worden sein, ohne dass ihm Prokura erteilt
wurde. Diese Vollmacht kann auch auf ein einziges Rechtsgeschäft
beschränkt werden.
Hinweise, dass Meier als Prokurist im Handelsregister eingetragen ist,
bestehen nicht. Klotzke betreibt als Inhaber einer Baufirma ein
Handelsgewerbe (§ 1 HGB). Indem Klotzke den Meier mit dem Kauf einer
bestimmten Menge Bauholz beauftragte, erteilte er ihm eine Innenvollmacht
zum Abschluss eines entsprechenden Geschäfts. Dieses Geschäft gehörte
zum Handelsgewerbe des Klotzke.
Folglich liegt eine Bevollmächtigung gemäß § 54 Abs. 1 HGB vor.
b)
Zu prüfen ist, ob Meier seine Vertretungsbefugnis überschritt und deswegen
eine wirksame Stellvertretung ausscheidet.
Gemäß § 54 Abs. 3 HGB wirkt eine Überschreitung der Vertretungsmacht nur
im Innenverhältnis, soweit der Vertragspartner die Begrenzung der Vollmacht
nicht kannte oder kennen musste.
Mitarbeiter Meier überschritt seine Vertretungsbefugnis, indem er die Ware
zu einem höheren Preis, als ihm von Klotzke vorgegeben war, kaufte. Es
liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass Holzinger diese Vorgabe von
Klotzke kannte oder er sie hätte kennen müssen.
Dementsprechend wirkt die Überschreitung der Vertretungsbefugnis von
Meier nicht im Außenverhältnis zu Holzinger.
c)
Also handelte Meier [im maßgeblichen Außenverhältnis] innerhalb der ihm
zustehenden Vertretungsmacht.
Folglich hat Meier in wirksamer Stellvertretung für Klotzke das
Vertragsangebot angenommen.
4. Sittenwidriges Rechtsgeschäft gem. § 138 I BGB
Der zwischen Klotzke und Holzinger geschlossene Kaufvertrag könnte aber gem. § 138 I BGB
nichtig sein, wenn der Abschluss dieses Rechtsgeschäftes gegen die guten Sitten verstoßen
würde. Sofern Meier und Holzinger bewusst zusammengewirkt haben, mit dem Ziel dem Klotzke
Fallscript zum Tutorium
WS 2011/2012
Prof. Dr. Udo Reifner
zu schaden, würde dies gegen die guten Sitten verstoßen und die Nichtigkeit des Kaufvertrages
auslösen.
Ein solches Zusammenwirken ist jedoch nicht zu erkennen.
5. Anspruch erloschen / durchsetzbar
Der Anspruch des Holzinger ist nicht erloschen, jedoch könnte Klotzke gem. § 242 BGB die
Einrede der unzulässigen Rechtsausübung erheben, soweit ein Fall des Missbrauches der
Vertretungsmacht vorliegt.
1. Voraussetzung ist zunächst, dass der Vertreter die Grenzen seines rechtlichen Dürfens
(Innenverhältnis) objektiv in einer solchen Weise überschreitet, dass beim Geschäftspartner
berechtigte Zweifel entstehen müssten, ob das Verhalten des Vertreters ordnungsgemäß ist
(grobe Fahrlässigkeit).
2. Ordnet das Gesetz die Unbeschränkbarkeit der Vertretungsmacht gegenüber Dritten an
(§§ 50, 126 II HGB/ Prokura) so ist nach ständiger Rechtsprechung zusätzlich erforderlich, dass
der Vertreter bewusste(vorsätzlich) seine im Innenverhältnis beschränkbare Vertretungsmacht
überschreitet.
In dem vorliegenden Sachverhalt sind keine Anhaltspunkte gegeben, die zu dem Schluss führen
könnten, dass Holzinger den mit Meier als Vertreter geschlossenen Kaufvertrag für so
außergewöhnlich erachten musste, dass ihm Zweifel an der Vertretungsmacht des Meier hätten
kommen müssen.
Klotzke kann vorliegend nicht die Einrede der unzulässigen Rechtsausübung gem. § 242 BGB
erheben.
III. Ergebnis
Holzinger kann von Klotzke gemäß § 433 Abs. 2 BGB die Zahlung des Kaufpreises in Höhe von
6.000,- € verlangen.
B. Holzinger => Meier, 6.000,- € (= Erfüllung Kaufvertrag!), § 179 Abs. 1 BGB
Fraglich ist, ob Holzinger gemäß § 179 Abs. 1 BGB auch gegen Meier einen Anspruch auf Zahlung
von 6.000,- € hat.
Dazu müsste Meier als Vertreter ohne Vertretungsmacht gehandelt haben.
Die Überschreitung der Vertretungsbefugnis durch Meier im Innenverhältnis zu Klotzke wirkt sich
nicht auf das Außenverhältnis zu Holzinger aus. Bei einer Vertretung ist strikt zwischen einer
Innen- sowie einer Außenvollmacht zu unterscheiden. Beide stehen losgelöst nebeneinander.
Damit handelte Meier (im maßgeblichen Außenverhältnis!) mit Vertretungsmacht, so dass ein
Anspruch aus § 179 Abs. 1 BGB ausscheidet.
Fallscript zum Tutorium
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Prof. Dr. Udo Reifner
C. Gesamtergebnis
Holzinger hat lediglich gegen Klotzke einen Anspruch auf Zahlung von 6.000,- €.
Anspruchsgrundlage hierfür ist § 433 Abs. 2 BGB.
Lösung Abwandlung:
A. Holzinger => Klotzke, 6.000,- €, § 433 Abs. 2 BGB
Holzinger könnte gegen Klotzke einen Anspruch auf Zahlung von 6.000,- € gemäß § 433 Abs. 2
BGB haben.
Voraussetzung hierfür wären zwei sich deckende Willenserklärungen von Holzinger und Klotzke
zum Abschluss eines solchen Kaufvertrags.
I.
Angebot
Holzinger unterbreitete ein Angebot zum Abschluss eines Kaufvertrags über Bauholz zum
Preis von 6.000,- €.
II. Annahme
Fraglich ist jedoch, ob eine Annahme dieses Angebots durch Klotzke erfolgte.
Dazu müsste Meier den Klotzke gemäß § 164 Abs. 1 BGB wirksam vertreten haben.
1.
Willenserklärung des Meier
Meier erklärte gegenüber Holzinger sein Einverständnis zu einem Kauf in Höhe von
6.000,- €, womit eine Willenserklärung vorliegt.
2.
Handeln in fremdem Namen
Diese Willenserklärung müsste von Meier im Namen des Klotzke abgegeben worden
sein. Indem Meier für Rechnung des Klotzke handelte, gab er damit zu erkennen, als
dessen Stellvertreter handeln zu wollen. Ein Handeln in fremden Namen ist folglich
ebenfalls gegeben.
3.
Vertretungsmacht
Fraglich bleibt allerdings, ob Meier innerhalb der ihm zustehenden Vertretungsmacht
handelte.
a)
Indem Klotzke den Meier mit dem Kauf einer bestimmten Menge Bauholz
beauftragte, erteilte er ihm eine Innenvollmacht zum Abschluss eines
entsprechenden Geschäfts. Die Vollmacht bezog sich jedoch nur auf einen
Kauf zu einem Preis von bis zu 5.000,- €. Diese Vorgaben wurden von Meier
nicht beachtet. Also überschritt Meier seine Vertretungsmacht.
b)
Allerdings könnte die Willenserklärung des vollmachtslosen Vertreters
dennoch wirksam werden, wenn diese vom Vertretenen gemäß § 179 Abs. 1
BGB genehmigt wird. Genehmigung bedeutet nach der Legaldefinition des
§ 184 Abs. 1 BGB eine nachträgliche Zustimmung. Indem der Klotzke äußert,
den Vertrag rückgängig machen zu wollen, verweigert er konkludent die
nachträgliche Zustimmung zum Kaufvertrag. Daher liegt keine Genehmigung
vor.
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Prof. Dr. Udo Reifner
III. Ergebnis
Ein Kaufvertrag kam somit nicht zwischen Klotzke und Holzinger zustande. Holzinger kann
folglich nicht von Klotzke gemäß § 433 Abs. 2 BGB die Zahlung des Kaufpreises in Höhe von
6.000,- € verlangen.
B. Holzinger => Meier, 6.000,- € (= Erfüllung Kaufvertrag!), § 179 Abs. 1 BGB
Fraglich ist, ob Holzinger stattdessen gemäß § 179 Abs. 1 BGB einen Anspruch gegen Meier auf
Zahlung von 6.000,- € hat.
I.
Abschluss eines Vertrags als Vertreter ohne Vertretungsmacht
Dazu müsste Meier als Vertreter ohne Vertretungsmacht einen Vertrag geschlossen haben.
Indem Meier auf Rechnung des Klotzke einen Kaufvertrag über Bauholz zum Preis von 6.000,€ schloss, überschritt er seine diesbezügliche Vertretungsmacht. Das erforderliche Handeln
eines vollmachtlosen Vertreters ist somit gegeben.
II. Keine Genehmigung des Vertretenen
Der in seinem Namen geschlossene Kaufvertrag wurde von Klotzke nicht genehmigt.
[Hinweis: Der Kaufvertrag wird dadurch endgültig unwirksam; ebenso wurde kein
Kaufvertrag zwischen Holzinger und Meier geschlossen, da Meier nicht im eigenen Namen
eine entsprechende Willenserklärung abgab.]
III. Ergebnis
Holzinger steht ein Wahlrecht zwischen Erfüllung und Schadensersatz zu. Indem er erklärte,
am Vertrag festhalten zu wollen, entschied er sich für die Erfüllung des Vertrags. Damit hat er
einen Anspruch auf Zahlung von 6.000,- € (Zug-um-Zug gegen Lieferung der Kaufsache an
Meier).
C. Gesamtergebnis
Holzinger hat lediglich gegen Meier einen Anspruch auf Zahlung von 6.000,- €.
Anspruchsgrundlage hierfür ist § 179 Abs. 1 BGB.
Ergänzung:
Überblick zur Abgrenzung Bote – Stellvertreter
Stellvertreter
Begriff
Bote
-Handeln im fremden Namen
- Handeln in fremden Namen
- für fremde Rechnung
- für fremde Rechnung
- durch eigene WE
- durch Übermittelung einer
fremden WE
- mit Vertretungsmacht
- mit Botenmacht
Anforderung an die
mindestens beschränkte
auch ein Geschäftsunfähiger
Fallscript zum Tutorium
Geschäftsfähigkeit
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Prof. Dr. Udo Reifner
Geschäftsfähigkeit
erforderlich, § 165 BGB
kann Bote sein
mit Zugang beim Stellvertreter
sobald mit Weiterleitung an
Geschäftsherren zu rechnen
ist, bzw. wann tatsächlich
zugegangen ist
Auslegung der WE
Empfängerhorizont des
Stellvertreters
Empfängerhorizont des
Geschäftsherrn
Fehler bei der
Willensübermittelung
abzustellen ist auf den
Vertreter, § 166 I BGB
abzustellen ist auf den
Auftraggeber (aber § 120)
Zugang und Wirksamkeit einer
WE
Gut- und Bösgläubigkeit
„Ist das Kindlein noch so klein,
kann es dennoch Bote sein.“
maßgeblich ist Kenntnis bzw.
maßgeblich ist Kenntnis bzw.
Kennenmüssen des Vertreters, Kennenmüssen des
§ 166 I, außer: Vertreter mit
Auftraggebers
gebundener Marschroute, §
166 II
Fallscript zum Tutorium
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Prof. Dr. Udo Reifner
Lösung Fall 5: Der Konzertflügel
Konz
Vollmer
Außenvollmacht
Innenvollmacht
Stark
Übersicht
Anspruch auf Kaufpreiszahlung
I. Kaufvertrag
1. Angebot
a) Eigene Willenserklärung des Vertreters
(+)
b) Handeln im Namen des Vertretenen (+)
c) Im Rahmen der Vertretungsmacht
2. Annahme (§ 147 Abs. 2 BGB)
(+)
(+)
II. Ergebnis
Abwandlung
I. Anspruch auf Kaufpreiszahlung
1. Willenserklärung im Namen des Vertretenen
2. Vollmachtserteilung
3. Erlöschen der Vertretungsmacht
a)Erlöschen durch Kündigung des Arbeitsverhältnisses?
(Vorsicht: Abgrenzung zw. Innen- und Außenvollmacht)
b) Fortbestand der Vertretungsmacht gem. § 170 BGB
c) Fortbestand der Vertretungsmacht gem. § 171 BGB
d) Unanwendbarkeit des § 171 BGB wegen fahrlässiger Nichtkenntnis des Erlöschens
5. Zwischenergebnis
II. Keine Genehmigung gemäß § 177 Abs. 1 BGB
III. Ergebnis
Ausgangsfall
Anspruch von Vollmer gegen Konz aus § 433 Abs. 2 BGB
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Prof. Dr. Udo Reifner
Vollmer könnte gegen Konz einen Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises und Abnahme des
Instruments aus einem Kaufvertrag (§ 433 Abs. 2 BGB) haben.
[Hinweis: Manchmal ist es für den Verkäufer wichtiger, dass die Sache abgeholt wird, als dass er
dafür Geld bekommt. Hier ist zu bedenken, dass die Kosten für den Abtransport eines Flügels
beträchtlich sind.]
I. Kaufvertrag
Dann müsste zwischen Vollmer und Konz ein Kaufvertrag zustande gekommen sein. Ein Kaufvertrag
setzt Angebot und Annahme voraus, §§ 145, 147 BGB.
1. Angebot (§ 145 BGB)
Konz hat Vollmer gegenüber allerdings selbst kein Angebot abgegeben. Fraglich ist daher, ob ihm die
von Stark abgegebene Erklärung nach § 164 Abs. 1 S. 1 BGB zugerechnet werden kann. Das setzt
voraus, dass Stark mit dieser Erklärung eine eigene Willenserklärung im Namen des Konz abgegeben
und dabei mit Vertretungsmacht gehandelt hat.
a) Eigene Willenserklärung des Vertreters
Eine eigene Willenserklärung hat Stark abgegeben, wenn er aus der Sicht eines objektiven Dritten in
der Lage des Vertragspartners Vollmer nicht nur Bote einer Willenserklärung des Konz war. Dabei
kommt es insbesondere darauf an, welchen Entscheidungsspielraum der Stark aus Sicht von Vollmer
hatte. Es ist nicht ausdrücklich geschildert, wie Stark dem Vollmer gegenüber aufgetreten ist. Konz
hat Stark aber gerade wegen seines Geschicks mit den Verhandlungen beauftragt. Deshalb ist nicht
davon auszugehen, dass Stark in einer Weise aufgetreten ist, die ihn nur wie den Überbringer
fremder Willenserklärungen erscheinen lassen musste (insoweit hätte ja auch der Preis schon
feststehen müssen). Auch die Formulierung des Stark, er vertrete die Interessen des Konz, lässt auf
einen eigenen Entscheidungsspielraum schließen. Stark gibt also mit der Einigungserklärung eine
eigene Willenserklärung ab.
[Hinweis: Die Abgrenzung zwischen Stellvertreter und Boten ist theoretisch einfach, praktisch aber
manchmal sehr schwierig. Der Bote ist immer nur „Sprachrohr“ des Erklärenden. Mittels Auslegung
(§§ 133, 157 BGB) ist bei Zweifeln zu klären, wie der Empfänger einer Willenserklärung das Verhalten
des Erklärenden verstehen durfte. Das lässt sich bei schriftlichen Erklärungen im Allgemeinen leicht
feststellen, da sich aus der Urkunde selbst ergibt, wer die Willenserklärung formuliert hat.
Schwieriger kann es aber bei mündlichen Erklärungen sein. Nur selten wird sich eine Person so klar
ausgedrückt haben: „Ich erkläre im Namen der X“ (Stellvertreter) oder „Frau X lässt sagen“ (Bote). Als
Kriterien kann man vielfach die soziale Stellung, die Bedeutung des Rechtsgeschäfts, die Kompetenz
und das Alter des Erklärenden heranziehen (vgl. zur Abgrenzung von Stellvertretung und Botenschaft:
Musielak, 10. Auflage, Rn. 808).]
b) Handeln im Namen des Vertretenen
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Stark müsste im Namen des Konz gehandelt haben. Nach diesem sog. Offenkundigkeitsprinzip soll
gewährleistet sein, dass dem Vertragspartner darüber Aufschluss gegeben wird, mit wem er in eine
rechtliche Beziehung tritt. Stark hat im Namen des Konz gehandelt, denn auf Nachfrage von Vollmer
hat Stark erklärt, er vertrete die Interessen von Konz. Hierdurch wurde das Offenkundigkeitsprinzip
(und damit auch die Interessen des Vollmer) gewahrt.
c) Im Rahmen der Vertretungsmacht
Schließlich muss sich Konz die Willenserklärung von Stark nur zurechnen lassen, wenn Stark auch mit
Vertretungsmacht gehandelt hat. Vorliegend kommt eine rechtsgeschäftlich erteilte
Vertretungsmacht (=Vollmacht, vgl. Legaldefinition in § 166 Abs. 2 S. 1 BGB) in Betracht. Eine
Vollmacht kann gemäß § 167 Abs. 1 BGB als Innen- oder Außenvollmacht erteilt werden. Konz hat
seinem Vertreter selbst gegenüber die Bevollmächtigung erklärt und damit eine Innenvollmacht
erteilt, § 167 Abs. 1, 1. Alt. BGB. Diese Vollmacht war unbeschränkt, so dass auch der Kauf gedeckt
war.
[Hinweis: Eine Außenvollmacht gem. § 167 Abs. 1, 2. Alt. BGB liegt dann vor, wenn die
Bevollmächtigung dem späteren Geschäftspartner gegenüber erklärt wird. Sie erlöscht ebenso erst
dann, wenn dies dem Geschäftspartner in der gleichen Form mitgeteilt worden ist.]
Das von Stark abgegebene Angebot wirkt also gemäß § 164 Abs. 1 S. 1 BGB für und gegen Konz. Ein
Angebot des Konz liegt also vor.
2. Annahme (§ 147 Abs. 2 BGB)
Dieses Angebot hat Vollmer auch innerhalb der gesetzten Annahmefrist gemäß § 147 Abs. 2 BGB
angenommen, so dass ein wirksamer Kaufvertrag zwischen Konz und Vollmer zustande gekommen
ist.
II. Ergebnis
Vollmer kann von Konz Zahlung des Kaufpreises und Abnahme des Konzertflügels aus einem
Kaufvertrag (§ 433 Abs. 2 BGB) verlangen.
Abwandlung
Anspruch von Vollmer gegen Konz aus § 433 Abs. 2 BGB
Fraglich ist, ob Vollmer gegen Konz einen Anspruch auf Zahlung aus § 433 Abs. 2 BGB hat. Dazu
müsste zwischen Vollmer und Konz ein Kaufvertrag zustande gekommen sein. Da Konz nicht selbst
den Vertrag geschlossen hat, ist zu prüfen, ob das Angebot zum Abschluss eines Kaufvertrags von
Stark dem Konz gemäß § 164 Abs. 1 BGB als Vertreter zugerechnet werden kann.
1. Willenserklärung im Namen des Vertretenen
Stark hat eine eigene Willenserklärung im Namen von Konz abgegeben.
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2. Vollmachtserteilung
Indem Konz den Stark mit dem Kauf des Flügels beauftragte, hat er ihm eine sog. Innenvollmacht
gem. § 167 Abs. 1, 1. Alt. BGB erteilt.
3. Erlöschen der Vertretungsmacht
Um den Konz wirksam vor Vollmer vertreten zu können, hätte diese Innenvollmacht aber auch noch
in dem Zeitpunkt, in dem Stark den Flügel „für Konz“ erwarb, fortbestehen müssen.
a) Erlöschen durch Kündigung des Arbeitsverhältnisses?
Nach § 168 S. 1 BGB bestimmt sich das Erlöschen der Vollmacht nach dem ihrer Erteilung zugrunde
liegenden Rechtsgeschäft.
Konz hatte noch vor dem Kauf des Flügels durch Stark bei Vollmer das Angestelltenverhältnis des
Stark gem. § 626 BGB fristlos gekündigt. Der Stark war nur deshalb zum Kauf des Flügels von Konz
beauftragt worden, weil er als Angestellter bei Konz gearbeitet hat. Mit Kündigung des zugrunde
liegenden Angestelltenverhältnisses, ist damit an sich auch die Vollmacht des Stark zum Kauf des
Flügels erloschen, § 168 S. 1 BGB.
b) Fortbestand der Vertretungsmacht gem. § 170 BGB
Im Falle der Außenvollmacht bleibt diese gem. § 170 BGB jedoch solange wirksam, bis deren
Erlöschen angezeigt wird. Vorliegend wurde die Vollmacht jedoch dem Vertreter Stark gegenüber
erteilt und lediglich dem Vollmer diese Bevollmächtigung mitgeteilt. Dieser Fall ist nicht von § 170
BGB erfasst. (Merke: Innen- und Außenvollmacht sind insofern unabhängig von einander und stehen
nebeneinander. Durch den Wegfall der Innenvollmacht, wird die wirksame Außenvollmacht nicht
betroffen.)
c) Fortbestand der Vertretungsmacht gem. § 171 BGB
Hat der Vollmachtgeber gegenüber einem Dritten kundgegeben, dass er einen anderen
bevollmächtigt habe, so wird gem. § 171 Abs. 1 BGB das Bestehen der Vertretungsmacht so lange
fingiert, bis die Kundgebung in derselben Weise, wie sie erfolgt ist, widerrufen wird (vgl. § 171 Abs. 2
BGB).
Der Konz hatte dem Vollmer telefonisch mitgeteilt, dass er Stark mit dem Kauf des Flügels beauftragt
habe. Diese Kundgebung des Konz hat dieser bisher auch noch nicht gegenüber Vollmer widerrufen.
Folglich wird das Bestehen der Vollmacht für Stark trotz des Wegfalls des zugrunde liegenden
Arbeitsverhältnisses zwischen ihm und Konz als fortbestehend fingiert.
d) Unanwendbarkeit des § 171 BGB wegen fahrlässiger Nichtkenntnis des Erlöschens
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Allerdings findet die Regelung des § 171 Abs. 2 BGB gemäß § 173 BGB dann keine Anwendung, wenn
der Vertragspartner das Erlöschen der Vertretungsmacht bei Vornahme des Rechtsgeschäfts kannte
oder hätte kennen müssen. Nach der Legaldefinition des § 122 Abs. 2 BGB bedeutet Kennenmüssen
die fahrlässige Unkenntnis des relevanten Umstands. Fahrlässigkeit ist das Außerachtlassen der im
Verkehr erforderlichen Sorgfalt.
Vollmer hatte keine Kenntnis von der Beendigung des Arbeitsverhältnisses und dem damit
verbundenen Erlöschen der Innenvollmacht für Stark. Fraglich ist jedoch, ob er dies hätte erkennen
müssen. Dies ließe sich annehmen, wenn der Vertreter durch sein Verhalten deutliche Hinweise
dafür liefert, dass er nicht mehr mit Vollmacht des Vertretenen handelt. Hierfür spricht, dass Konz
mit Vollmer zuvor bereits – wenn auch beiläufig – besprochen hatte, dass der Flügel um die 10.000,€ Wert sei. Daher musste es sich dem Vollmer aufdrängen, dass der Stark bei einem Kaufpreis von
15.000,- € außerhalb einer ihm erteilten Vollmacht handeln musste. Die Evidenz des
Missverhältnisses hätte den Vollmer dazu veranlassen müssen, sich zu vergewissern, ob Stark
tatsächlich im Rahmen einer erteilten Vollmacht handelte. Indem Vollmer dies unterließ, verletzte er
die im Verkehr erforderliche Sorgfalt. Ihn trifft damit Fahrlässigkeit bezüglich seiner fehlenden
Kenntnis vom Erlöschen der Vollmacht. Folglich findet gemäß § 173 BGB die Vorschrift des § 171
Abs. 2 BGB keine Anwendung.
[Hinweis: Mit guten Gründen ließe sich das gegenteilige Ergebnis begründen, dass Vollmer keine
Kenntnis vom Erlöschen der Vollmacht hatte. Dann wäre die Prüfung wie im unten dargestellten
Hilfsgutachten fortzusetzen.]
5. Zwischenergebnis
Stark handelte außerhalb der ihm zustehenden Vertretungsmacht, da die erteilte Innenvollmacht
durch Beendigung des Arbeitsverhältnisses erloschen ist. Zwar würde die im Telefonat gegenüber
Vollmer kundgegebene Vollmacht nach § 171 Abs. 2 BGB solange weiter bestehen, bis sie ihm
gegenüber widerrufen wird. Da der Vollmer das Erlöschen der Vollmacht jedoch hätte erkennen
müssen, bleibt gemäß § 173 BGB die Vertretungsmacht nicht fortbestehen. Stark gab somit eine
Willenserklärung als vollmachtloser Vertreter ab.
IV. Keine Genehmigung gemäß § 177 Abs. 1 BGB
Der Kauf des Flügels für 15.000,- € wurde auch nicht nachträglich noch von Konz genehmigt (vgl. §
177 Abs. 1 BGB), so dass das Angebot von Stark dem Konz nicht gemäß § 164 Abs. 1 S. 1 BGB
zugerechnet werden kann. Ein Kaufvertrag kam folglich nicht zustande.
V. Ergebnis
Der Vollmer hat damit keinen Anspruch gegen Konz auf Zahlung von 15.000 € aus § 433 Abs. 2 BGB.
Verneint man abweichend von der hier vertretenen Auffassung eine fahrlässige Nichtkenntnis vom
Erlöschen der Vollmacht, so wäre die Vollmacht nicht erloschen. Dennoch gelangt man in diesem Fall
letztlich zum gleichen Ergebnis über folgende
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Hilfsprüfung: (Fortsetzung hinter III. 5.).
IV. Handeln im Rahmen der Vertretungsmacht
Trotz bestehender Vertretungsmacht ist fraglich, welchen Umfang diese hat, was durch Auslegung
(§ 133, 157 BGB) zu ermitteln ist. Bei der reinen Innenvollmacht kommt es auf die
Verständnismöglichkeit des Bevollmächtigten an. In den Fällen der – wie hier – nach außen
kundgegeben Vollmachtserteilung ist aus Gründen des Verkehrsschutzes hingegen auf den
Geschäftsgegner abzustellen. Dem Vollmer wurde lediglich mitgeteilt, dass Stark bevollmächtigt ist,
für Konz zu handeln. Die beiläufige Unterhaltung über den Wert, war aus Sicht von Vollmer nicht als
Beschränkung zu verstehen. Vorliegend wurde dem Stark damit von Konz unbeschränkte Vollmacht
erteilt
und
diese
lediglich
im
Innenverhältnis
auf
10.000,- € beschränkt.
[Hinweis: Diese Unterscheidung ist wichtig, da eine auf 10.000,- € beschränkte Vollmacht den Konz
bei einem Kauf von 15.000,- € nicht verpflichtet hätte.]
V. Missbrauch der Vertretungsmacht
Fraglich ist nunmehr, welchen Einfluss die Verletzung der Pflicht aus dem Innenverhältnis hat, als
Stark den Flügel für 15.000,- € erwarb, obwohl mit Konz ein Maximalpreis von 10.000,- € vereinbart
war.
Im Grundsatz hat die Überschreitung der Beschränkung im Innenverhältnis keinen Einfluss auf die
Wirksamkeit der Vertretung. Das Risiko eines Missbrauchs der Vertretungsmacht trägt damit der
Vertretene, so dass ein Kaufvertrag zwischen Konz und Vollmer über den Flügel zum Preis von
15.000,- € zustande gekommen wäre.
Von diesem Grundsatz gelten aber für zwei Fallgruppen Ausnahmen, die im Folgenden zu prüfen
sind:
1. Ausnahme: Kollusion, § 138 Abs. 1 BGB
Zum einen wird der Vertretene für den Fall der sog. Kollusion nicht durch das abgeschlossene
Geschäft verpflichtet. Dabei wirken der Vertreter und der Vertragspartner bewusst zum Nachteil des
Vertretenen zusammen, so dass der Vertrag gem. § 138 Abs. 1 BGB nichtig ist. Dieser Fall ist
vorliegend nicht gegeben, da Vollmer keine Kenntnis von der Beendigung des Arbeitsverhältnisses
bzw. den Motiven von Stark bei der Vertragsverhandlung hat.
2. Ausnahme: Offensichtlicher Missbrauch, § 242 BGB
Die zweite Ausnahme erfasst den Fall des sog. offensichtlichen Missbrauchs. Danach verstößt die
Inanspruchnahme des Vertretenen gegen § 242 BGB, wenn der Vertreter von seiner
Vertretungsmacht in ersichtlich verdächtiger Weise Gebrauch gemacht hat, so dass sich dem anderen
Teil der begründete Verdacht eines Treueverstoßes aufdrängen musste. Dem Vertragsgegner obliegt
aber keine Prüfungspflicht, erforderlich ist vielmehr eine massive Verdachtsmomente
voraussetzende objektive Evidenz des Missbrauchs.
Fallscript zum Tutorium
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Da Konz mit Vollmer zuvor bereits – wenn auch beiläufig – besprochen hatte, dass der Flügel um die
10.000,- € Wert sei, musste es sich dem Vollmer aufdrängen, dass der Stark bei 15.000,- € außerhalb
einer intern erteilten Beschränkung handeln musste. Der Missbrauch war somit objektiv evident.
[Hinweis: Nur im Falle der gesetzlich unbeschränkten Vertretungsmacht des Handelsrechts, z. B.
Prokura gem. §§ 49, 50 HGB, erfordert die Rechtsprechung des BGH zusätzlich, dass der Vertreter
bewusst zum Nachteil des Vertretenen gehandelt hat. Diese Voraussetzung ist – wie hier – jedoch in
aller Regel erfüllt.]
Es liegt damit ein Fall offensichtlichen Missbrauchs vor, so dass Stark gem. § 177 Abs. 1 BGB als
Vertreter ohne Vertretungsmacht agierte.
VI. Keine Genehmigung gemäß § 177 Abs. 1 BGB
Der Kauf des Flügels für 15.000,- € wurde auch nicht nachträglich noch von Konz genehmigt (vgl. §
177 Abs. 1 BGB), so dass das Angebot von Stark dem Konz nicht gemäß § 164 Abs. 1 S. 1 BGB
zugerechnet werden kann. Ein Kaufvertrag kam folglich nicht zustande.
VII. Ergebnis
Der Vollmer hat damit keinen Anspruch gegen Konz auf Zahlung von 15.000 € aus § 433 Abs. 2 BGB.
[Hinweis: Vollmer kann sich auch nicht gem. § 179 Abs. 1 BGB an Stark halten, wonach derjenige, der
als Vertreter ohne Vertretungsmacht einen Vertrag geschlossen hat, dem anderen zur Erfüllung oder
zum Schadensersatz verpflichtet ist, wenn der Vertretene die Genehmigung verweigert. Denn diese
Ansprüche bestehen dann nicht, wenn der Vertreter den Mangel der Vertretungsmacht nicht
gekannt hat (§ 179 Abs. 2 BGB) – hier nicht einschlägig – oder wenn der Vertragspartner den Mangel
der Vertretungsmacht kannte oder kennen musste (§ 179 Abs. 3 BGB). Letztere Fallgruppe ist
vorliegend gegeben, da ein für den Vertragspartner evidenter Missbrauch vorliegt und damit dieser
den Mangel der Vertretungsmacht jedenfalls auch kennen musste (=grob fahrlässig nicht kannte, vgl.
Legaldefinition in § 122 Abs. 2 a. E. BGB).]
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Prof. Dr. Udo Reifner
Fall 6: Der eifrige Meier- Vertretung
Ausgangsfall:
Kaufmann Klotzke, der Inhaber einer mittelständischen Baufirma ist, bevollmächtigt seinen
Mitarbeiter Meier zum Kauf einer bestimmten Menge Bauholz mit einer Preisgrenze von 5.000.- €.
Meier schließt für Rechnung des Klotzke mit dem Holzhändler Holzinger einen Kaufvertrag über
6.000.- €, da das Preislimit nicht einzuhalten war, Meier aber dachte, es wäre dem Klotzke eilig.
Klotzke möchte den Vertrag rückgängig machen, der Holzinger jedoch daran festhalten.
Gegen wen besteht eine Forderung des Holzinger?
Abwandlung:
Gegen wen bestünde eine Forderung des Holzinger, wenn Klotzke kein Kaufmann wäre und der
Meier als Freund für ihn handelte?
Gesetzeshinweise:
§ 1 HGB [Istkaufmann]
(1) Kaufmann im Sinne dieses Gesetzbuchs ist, wer ein Handelsgewerbe betreibt.
(2) Handelsgewerbe ist jeder Gewerbebetrieb, es sei denn, dass das Unternehmen nach Art oder
Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb nicht erfordert.
§ 54 HGB [Handlungsvollmacht]
(1) Ist jemand ohne Erteilung der Prokura zum Betrieb eines Handelsgewerbes oder zur Vornahme
einer bestimmten zu einem Handelsgewerbe gehörigen Art von Geschäften oder zur Vornahme
einzelner zu einem Handelsgewerbe gehöriger Geschäfte ermächtigt, so erstreckt sich die Vollmacht
(Handlungsvollmacht) auf alle Geschäfte und Rechtshandlungen, die der Betrieb eines derartigen
Handelsgewerbes oder die Vornahme derartiger Geschäfte gewöhnlich mit sich bringt.
(2) Zur Veräußerung oder Belastung von Grundstücken, zur Eingehung von
Wechselverbindlichkeiten, zur Aufnahme von Darlehen und zur Prozessführung ist der
Handlungsbevollmächtigte nur ermächtigt, wenn ihm eine solche Befugnis besonders erteilt ist.
(3) Sonstige Beschränkungen der Handlungsvollmacht braucht ein Dritter nur dann gegen sich
gelten zu lassen, wenn er sie kannte oder kennen musste.
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Fall 7: Der Konzertflügel
Ausgangsfall:
Konz möchte sein Wohnzimmermobiliar um einen Konzertflügel erweitern. Seines
Verhandlungsgeschicks wegen bittet er den Musikstudenten Stark, mit dem Vollmer Kontakt
aufzunehmen, von dem Konz weiß, dass er sich mit dem Gedanken trägt, sein Instrument zu
veräußern. Er erteilt dem Stark für den Kauf des Flügels eine entsprechende Vollmacht.
Nach längeren Verhandlungen gibt Stark dem Vollmer gegenüber ein Kaufangebot ab. Dem Vollmer,
der mit Recht Zweifel an der Liquidität vonStark hat, erläutert der Stark ebenso glaubhaft wie
zutreffend auf Nachfrage, er wolle das Instrument nicht für sich, sondern vertrete hier nur die
Interessen von Konz, mit dem alles abgesprochen sei. Vollmer habe Zeit, sich die Sache bis nächste
Woche zu überlegen. Vollmer schreibt noch am gleichen Tage an Konz, er nehme dessen Angebot
gerne an. Inzwischen hat Konz allerdings eine Erbschaft angetreten und ist auf diesem Wege zu
einem Instrument gekommen. Als Vollmer von ihm den Kaufpreis und die Abnahme des Flügels
verlangt, erwidert Konz, er denke nicht daran, schließlich habe er Vollmer nie etwas zugesagt.
Welche Ansprüche hat Vollmer?
Abwandlung:
Konz betreibt ein sehr kleines Musikgeschäft und bei ihm arbeitet der Stark als einziger Angestellter.
Um den Flügel durch Stark bei Vollmer zu erwerben, erteilt Konz dem Stark entsprechende
Vollmacht. Bei einem zufälligen Telefonat eröffnet Konz dem Vollmer, dass er denStark zum Kauf
bevollmächtigt habe und dass dieser zu Vollmer kommen und den Flügel erwerben werde. Dabei
wird beiläufig der Wert des Flügels mit „um die 10.000,- €“ besprochen.
Noch am gleichen Tag stellt Konz jedoch fest, dass Stark sich schon seit geraumer Zeit unbefugt aus
der Geschäftskasse bedient, woraufhin der Konz dem Stark fristlos kündigt.
Aus Wut über die Kündigung macht Starksich trotzdem auf den Weg zu Vollmer, der noch nichts von
der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zwischen Konz und Stark weiß. Er erwirbt den Flügel im
Namen des Konz, allerdings nicht, wie zuvor zwischen ihm und Konz besprochen, für maximal
10.000,- €, sondern treibt den Preis bewusst nach oben, um dem Konz einen Nachteil zuzufügen. Der
Preis für den Flügel beträgt schließlich 15.000,- €. Konz verweigert die Zahlung, als er von Vollmer
hierzu aufgefordert wird.
Hat Vollmer einen Anspruch gegen Konz auf Zahlung von 15.000,- €?
Bearbeitungshinweis:
Gehen Sie davon aus, dass der Konz als Kleingewerbetreibender kein Kaufmann i. S. d. § 1 HGB ist.
Fallscript zum Tutorium
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Prof. Dr. Udo Reifner
Fall 8: Das Sektenmitglied- Arbeitsvertrag
Frau Heintze hatte sich auf eine Stellenanzeige eines von der katholischen Kirche betriebenen
Kindergartens (K) gemeldet und wurde als Kindergärtnerin eingestellt. Im Arbeitsvertrag vom 11.
September 2007 ist als Arbeitsbeginn der 1. November 2007 vorgesehen.
Am 29. Oktober erhält K ein anonymes Schreiben, in dem behauptet wird, Frau Heintze gehöre der SSekte an, einer Organisation, die sich öffentlich gegen das Christentum ausspricht. Ein Mitarbeiter
der K ruft noch am selben Tag bei Frau Heintze an und stellt sie zur Rede. Daraufhin räumt Frau
Heintze ihre Mitgliedschaft bei dieser Organisation ein. K sieht die christliche Erziehung gefährdet,
die einen wesentlichen Teil der Betreuung im Kindergarten darstellt. K teilt der Frau Heintze
daraufhin – einen Tag später – schriftlich mit, dass sie bei vorheriger Kenntnis von ihrer
Mitgliedschaft in der S-Sekte niemals eingestellt worden wäre und dass sie gar nicht erst im
Kindergarten zu erscheinen brauche. Der Brief geht am 31. Oktober 2007 bei Frau Heintze ein.
Frau Heintze möchte wissen, ob sie dennoch am 1. November 2007 mit der neuen Arbeit anfangen
kann. Falls dies nicht geht, möchte sie zumindest ihren Lohnausfall für den Monat November
erhalten, da sie so schnell keine neue Arbeit antreten kann.
Fallscript zum Tutorium
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Prof. Dr. Udo Reifner
Fall 9: Versprechen ins Blaue
Ausgangsfall
Der Autoliebhaber Aust und der Gebrauchtwagenhändler Blau verhandeln miteinander über den
Kauf eines gebrauchten Audi A6. Aust ist noch unsicher, da er die „Vorgeschichte“ des Wagens nicht
kennt; insbesondere möchte er gerne wissen, ob der Wagen unfallfrei ist oder nicht. Daraufhin
behauptet Blau„ins Blaue hinein“, der Wagen sei auf jeden Fall unfallfrei, das wisse er ganz sicher
und darauf könne Aust sich verlassen. Tatsächlich hat der Blau jedoch keine Ahnung davon, ob der
Wagen unfallfrei ist oder nicht. Durch die Beteuerungen vonBlau überzeugt, schließen Aust und Blau
am 5.11.2007 den Kaufvertrag über den A6 miteinander ab. Aust soll den Kaufpreis von 10.000,- € bis
zum 15.11.2007 an Blau zahlen.
Bereits nach einer Woche vernimmt der Aust laute Motorengeräusche bei seinem gerade
erstandenen A6 und fährt mit diesem in die nächstgelegene Werkstatt. Während der Motor schnell
repariert ist und es sich auch lediglich um eine üblicherweise auftretende Verschleißerscheinung
handelte, stellt der Mechaniker außerdem fest, dass der Wagen bei einem Unfall einen ganz
erheblichen Heckschaden erlitten haben muss (was tatsächlich der Wahrheit entspricht).
Aust ist erbost und erklärt Blau daraufhin am gleichen Tag schriftlich, dass er sich nicht mehr an den
Kaufvertrag halten und Blau den Kaufpreis für den Wagen nicht bezahlen werde.
Hat Blau einen Anspruch gegen Aust auf Zahlung des Kaufpreises?
Abwandlung
Der Sachverhalt ist im Wesentlichen wie im Ausgangsfall dargestellt. Blau ist jedoch ein neuer
Verkaufsberater im Gebrauchtwagenladen von Claas, der unbedingt schon in seinen ersten Tagen als
„Starverkäufer“ dastehen will. Als er merkt, dass Aust vielleicht vom Kauf Abstand nehmen könnte,
behauptet Blau kurzentschlossen ins Blaue hinein, dass der Wagen ganz sicher keinen Unfallschaden
erlitten habe. Das überzeugt Aust.
Die Verträge selbst werden immer vom Chef Claas selbst abgeschlossen, der sich auf seine
Verkaufsberater verlässt. Claas hat daher keine Kenntnis von den Ausführungen seitensBlau über die
vermeintliche Unfallfreiheit des Wagens, als er mit Aust einen Kaufvertrag über den Audi abschließt.
Das Geschehen nimmt seinen Lauf wie im Ausgangsfall.
Hat Claas einen Anspruch auf Kaufpreiszahlung gegen Aust?
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Prof. Dr. Udo Reifner
Fall 10:Schlechte Konjunktur
Das Bauunternehmen B hat in Erwartung stabiler Auftragslage einen LKW beim Händler H bestellt,
Lieferzeit soll 8 Monate betragen. Mittlerweile bricht die Baukonjunktur unerwartet heftig ein. B ficht
den Vertrag wegen Irrtums über die zukünftige Geschäftslage an. Der Rechtsanwalt des Händlers
besteht auf Abnahme des LKW und meint, dass es keinen Grund für eine Anfechtung geben könne. B
ist dagegen der Auffassung, der Händler könne mit seinen Kundenkontakten viel besser den LKW
weiterverkaufen als er, B; falls der Weiterverkauf mit Verlust geschehe, ließe B mit sich reden.
Hat der Händler Anspruch auf Kaufpreiszahlung (50.000,- €)?
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Fall 11: Die Bürgschaft
Ausgangsfall:
Der Geschäftsmann Volker Geyer nimmt bei der B-Bank einen Geschäftskredit in Höhe von
2 Millionen € auf.
Volker Geyer hat eine 20-jährige Tochter Tina Geyer, die gerade eine Ausbildung zur Arzthelferin
macht. Im Rahmen ihrer Ausbildung erhält Tina Geyer monatlich 600,- €. Über weitere Geldmittel
verfügt sie nicht.
Zur Sicherung des Darlehens bei der Bank fordern die B-Bank und der Volker Geyer die Tina Geyer
auf, eine Bürgschaft in Höhe von 120.000,- € abzugeben. Der zuständige Mitarbeiter der Bank, Herr
Müller, führt zur geforderten Bürgschaftsabgabe aus, dass es sich um eine reine Formsache „nur für
die Akten“ handele. Tina Geyer unterzeichnet daraufhin den Bürgschaftsvertrag.
Das Geschäft des Volker Geyer muss einige Zeit später Insolvenz anmelden.
Kann die B-Bank aus der Bürgschaft gegen Tina Geyer vorgehen?
(ähnlich BGHZ 125, S. 206; vgl. auch BVerfGE 89, S. 214)
Abwandlung:
Tina Geyer ist Teilhaberin an der Firma von Volker Geyer und erhält eine monatliche
Gewinnausschüttung von 1.000,- €. Die B-Bank tritt nicht persönlich in Kontakt zu ihr, sondern schickt
ihr auf Vorschlag von Volker Geyer mit Schreiben vom 22.11.2005 einen Bürgschaftsvertrag zu, der
bereits von zwei Bankmitarbeitern unterzeichnet ist. Tina Geyer unterzeichnet den
Bürgschaftsvertrag und sendet diesen per Fax an die B-Bank. Außerdem schickt sie am 25.11.2005
der B-Bank folgendes, von ihr eigenhändig unterzeichnetes Schreiben:
…
Mit der Übernahme der von Ihnen gewünschten Bürgschaft (Ihr Schreiben vom 22.11.2005)
bin ich voll und ganz einverstanden. Ich habe Ihnen das Dokument per Fax zugesendet. Das
Original behalte ich für meine Unterlagen.
…
Ist die Bürgschaft wirksam zustande gekommen?
Was wäre, wenn die T aufgrund des Bürgschaftsvertrags bereits einen Teilbetrag in Höhe von 1.000,€ an die B-Bank gezahlt hätte?
HINWEIS:
Gehen Sie bei der Falllösung davon aus, dass Tina Geyer stille Gesellschafterin ist und damit nicht
unter den Begriff des „Kaufmanns“ gemäß § 1 HGB fällt.
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Prof. Dr. Udo Reifner
Fall 12:Freie Preisbildung
Firma Flink (F) stellt Türen her und vertreibt sie. Privatmann Paul (P) bestellt in der Filiale von F drei
Kunststofftüren zum Stückpreis von 200.- €. Im Verkaufsraum der F hängt an zentraler Stelle ein
Aushang mit dem Titel „Verkaufs- und Lieferbedingungen (VLB)“. Ziffer 3 dieser Bedingungen lautet:
„Die Preise sind freibleibend. Bei einer zwischenzeitlichen Steigerung der Herstellungskosten
werden die zum Tage der Lieferung geltenden Preise berechnet.“
Die Lieferung verzögert sich und erfolgt erst fünf Monate später. F verlangt bei Lieferung der Türen
von P einen Preis von 220,- € pro Tür, da durch Preiserhöhungen von Lieferanten die
Herstellungskosten gestiegen seien. An anderer Stelle, insbesondere auf dem Bestellvordruck, wird
auf die VLB nicht hingewiesen.
1.
Welchen Anspruch hat F?
2.
Was wäre, wenn auf dem Bestellschein und der Quittung in Fettdruck auf die
Lieferbedingungen hingewiesen wurde?
3.
Wie wäre der Fall zu beurteilen, wenn kein Hinweis auf Bestellschein oder Quittung erfolgte,
der P jedoch Bauunternehmer wäre und schon seit Jahren von F Waren für sein
Bauunternehmen bezieht?
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Prof. Dr. Udo Reifner
Fall 13: Die falsche Handtasche
Kauder, der leidenschaftlicher Handtaschensammler ist, möchte sich beimQ.-Versandhandel (GmbH)
eine Krokodillederhandtasche kaufen, die er zuvor im Prospekt entdeckt hat. Kauder füllt daher einen
Bestellschein aus, wobei ihm ein Versehen unterläuft und er anstatt der Bestellnummer 57221215
für die Handtasche für 1.500,- €, die Bestellnummer 57221251 für eine Schrankwand für ebenfalls
1.500,- € in den Bestellschein einträgt. Kauder bemerkt dabei nicht, dass er sich verschrieben hat und
gibt den Bestellschein am 23.10.2007 in einer Filiale von Q. persönlich bei einem dort angestellten
Mitarbeiter ab.
Zwei Tage später erhält Kauder einen Brief mit einer Auftragsbestätigung von Q. mit dem Hinweis,
dass die gewünschte Bestellung leider erst in 3 ½ Wochen geliefert werden könne. Als Lieferdatum
wird der 19.11.2007 genannt.
Am 19.11.2007 klingelt es an der Tür vonKauder und ein Bote von Q. steht mit der Schrankwand mit
der Bestellnr. 57221251 vor der Tür. Als Kauder daraufhin das Versehen bemerkt, weigert er sich, die
Schrankwand anzunehmen, da es sich ja um die „falsche“ Ware handele. Anschließend teilt Kauder
dem Q. mit, dass er den Vertrag für „null und nichtig“ erkläre, denn er habe schließlich eine
Krokodillederhandtasche und keine Schrankwand gewollt.
Der Transport der Schrankwand zu Kauder kostete Q. 200,- €.
Q. wendet sich nunmehr an Kauder und verlangt die Zahlung des Kaufpreises, zumindest jedoch die
Erstattung der Transportkosten in Höhe von 200,- €.
1.
Hat Q. einen Anspruch gegen Kauder auf Kaufpreiszahlung?
2.
Hat Q. einen Anspruch gegen Kauder auf Erstattung der Transportkosten?
3.
Hat Kauder einen Anspruch gegen Q. auf Lieferung der Krokodillederhandtasche?
4.
Welche Konsequenzen ergeben sich, wenn Kauder den Brief nicht persönlich in der Filiale von
Q. abgegeben hat, sondern per Post an Q. sendete und er zusammen mit der
Auftragsbestätigung eine nicht unterzeichnete, im Übrigen aber umfassende
Widerrufsbelehrung erhält?
Fallscript zum Tutorium
WS 2011/2012
Prof. Dr. Udo Reifner
Fall 14: Die falschen Schuhe
Ausgangsfall:
Frau Alt entdeckt für ihr Sylvester-Outfit ein paar Schuhe bei einem Internet-Versandhandel, der Blitz
OHG. Die Schuhe kosten 39,- € und gefallen Frau Alt sehr gut, weshalb sie sich entschließt, sie via
Internet zu bestellen. Ein paar Tage später werden Frau Alt die Schuhe von Blitz geliefert. In dem
Paket befindet sich außerdem eine Belehrung, dass Frau Alt diesen Vertrag widerrufen kann.
Allerdings enthält das Schreiben keinen Hinweis darauf, wann die Widerrufsfrist zu laufen beginnt
und wann sie wieder endet. Zur Frage der eventuellen Erstattung von Portokosten enthält das
Schreiben ebenso keine Regelung. Frau Alt bezahlt die Schuhe umgehend per Überweisung.
Kurz vor Sylvester schmeißt Frau Alt ihre Pläne plötzlich um und entscheidet sich, nunmehr doch auf
eine Pyjama-Party zu gehen, für die sie leider ihre bei der Blitz OHG neu erworbenen Schuhe
überhaupt nicht gebrauchen kann. Deshalb legt sie die Schuhe originalverpackt in ihren
Schuhschrank und unternimmt zunächst einmal nichts. Als ihr die Schuhe im darauf folgenden
Sommer – sieben Monate nach Erhalt derselben – wieder in die Hand fallen, entschließt sich Frau Alt
diese an die Blitz OHG zurückzuschicken und verlangt, dass diese ihr sowohl den Kaufpreis für die
Schuhe als auch die Portokosten für die Rücksendung der Schuhe erstattet.
Hat Frau Alt einen Anspruch gegen die Blitz OHG auf Rückzahlung des Kaufpreises? Hat sie einen
Anspruch gegen die Blitz OHG auf Erstattung der Portokosten?
Abwandlung:
Fall wie oben, diesmal enthält die Belehrung allerdings ordnungsgemäße Angaben über den Beginn
und das Ende der Widerrufsfrist, die Frau Alt jedoch übersieht. Als Frau Alt dann sieben Monate nach
Erhalt der Schuhe diese wieder zurückgeben will, möchte sie zuvor noch bei der Blitz OHG anrufen
und erfragen, ob eine Rücksendung überhaupt möglich ist. Da bemerkt sie, dass nirgendwo in ihren
Unterlagen der Name eines Vertretungsberechtigten zu finden ist. Auch zum Zeitpunkt ihrer
Bestellung hatte die Blitz OHG – auch im Internet – nirgendwo den Namen eines
Vertretungsberechtigten hinterlassen. Daraufhin schickt Frau Alt die Schuhe, wiederum sieben
Monate nach Erhalt derselben, zurück an die Blitz OHG.
Hat Frau Alt einen Anspruch gegen die Blitz OHG auf Rückzahlung des Kaufpreises?
Fallscript zum Tutorium
WS 2011/2012
Prof. Dr. Udo Reifner
Fall 15: Advent Advent
Frau P. ist als selbstständige Reinigungskraft für das Juweliergeschäft B. tätig. Nach einer
Weihnachtsfeier, bei der reichlich Alkohol floss, ist sie jedoch so betrunken (BAK: 3,0 %o), dass sie
das Auspusten einer Adventskerze vergisst. Die Feuerwehr kann das Feuer nicht richtig bekämpfen,
da sie wegen der besonderen Sicherungsmaßnahmen nicht an den Brandherd gelangen kann. Der
Juwelierladen brennt völlig aus und es entsteht ein Millionenschaden. P. meint, sie sei nicht
schuldfähig gewesen, so dass sie nicht für den Schaden verantwortlich sei. Muss sie Schadensersatz
leisten?
Fallscript zum Tutorium
WS 2011/2012
Prof. Dr. Udo Reifner
Fall 16: Abgebrannt
Verkäufer Veith und Käufer Kruse schließen am 22. Okt. 2007 einen Kaufvertrag über einen
gebrauchten Pkw der Marke Audi zum Preis von 15.000,- €. Sie vereinbaren, dass die Übergabe und
Übereignung am 5. Nov. 2007 erfolgen soll. Am 30. Okt. 2007 wird der Pkw jedoch durch einen Brand
im Autohaus völlig zerstört. Der Brand ist auf die unsachgemäße Installation einer Lichterkette durch
Veith zurückzuführen.
1.
Kann Kruse weiterhin auf Lieferung bestehen?
2.
Kruse verlangt von Veith Ersatz für die Mehraufwendungen, die er durch die Beschaffung
eines Ersatzfahrzeuges erlitten hat. Zu Recht?
3.
Kann Veith weiterhin den vereinbarten Kaufpreis von Kruse verlangen?
Fallscript zum Tutorium
WS 2011/2012
Prof. Dr. Udo Reifner
Fall 17: Die Wochenendfahrt
Verkäufer Vollmer und Käufer Klose schließen am 22. Oktober 2007 einen Kaufvertrag über einen
Pkw der Marke Alfa Romeo. Sie vereinbaren, dass die Übergabe und Übereignung am 2. November
2007 erfolgen soll. Am 2. November nutzt Vollmer den schönen Tag jedoch lieber für ein verlängertes
Wochenende und liefert den Pkw daher erst am 5. Nov. aus. Klose hatte geplant, den Pkw über das
Wochenende für eine dringende Geschäftsreise zu nutzen und musste sich daher einen Mietwagen
nehmen. Die Kosten für den Mietwagen möchte er nunmehr von Vollmer erstattet haben.
Besteht ein solcher Schadensersatzanspruch?
Fallscript zum Tutorium
WS 2011/2012
Prof. Dr. Udo Reifner
Fall 18: Kurzfristiger Lokführerstreik
Automobilhersteller X produziert „just-in-time“. Jeden Freitag erhält er hierfür vom Produzenten Y
diverse Produktionsteile, die stets per Bahn angeliefert werden. Die für den 16.11.2007 vorgesehene
Anlieferung verspätet sich jedoch aufgrund eines kurzfristig anberaumten Lokführerstreiks im
Güterverkehr, der erst nach Versendung der Waren bekannt gegeben wurde. Sie trifft erst am
Montag, 19.11.2007 bei X ein.
Kann X den durch den Produktionsausfall entstehenden Schaden von 1 Mio. € von Y ersetzt
verlangen?
Hat er ein Recht zum Rücktritt vom Vertrag?
Fallscript zum Tutorium
WS 2011/2012
Prof. Dr. Udo Reifner
Fall 19: Die Bananenschale
Andrea Sorglos möchte an der Fleischtheke eines Lebensmittelgeschäftes ihre Einkäufe tätigen. Als
sie am Obststand vorbeikommt, rutscht sie auf einer heruntergefallenen und inzwischen
breitgetretenenBanane aus, wobei sie sich den Armbricht. Ihre Einkäufe kann Sorglos sodann
selbstverständlich nicht mehr erledigen. Sorglos verlangt von der Supermarktkette O-AG, die den
Lebensmittelmarkt betreibt, Ersatz der Behandlungskosten und Schmerzensgeld. Die O-AG meint, sie
habe den Filialleiter Lohse, der für den Betrieb in dem betreffenden Lebensmittelmarkt zuständig
war, sorgfältig ausgewählt und bei den regelmäßig stattfindenden Besprechungen eindringlich darauf
hingewiesen, dass der Boden wegen Rutschgefahr stets sauber gehalten werden müsse. Die
Einhaltung der Dienstvorschriften sei auch regelmäßig kontrolliert worden, nur eben nicht an diesem
Tag. Der hochverschuldete Lohse ist mittellos.
Welche Ansprüche hat Andrea Sorglos gegen die O-AG?
(angelehnt an BGHZ 66, S. 51)
Fallscript zum Tutorium
WS 2011/2012
Prof. Dr. Udo Reifner
Fall 20: Das Sonnenverdeck
Klose kauft von Veith einen neuen Pkw. Als Klose am Abend des Autokaufs – es handelt sich um eine
lauschige Sommernacht – seiner Freundin stolz den neu erworbenen Wagen präsentieren und als
erstes das Sonnenverdeck öffnen will, stellt er fest, dass der elektronische Ein- und
Ausfahrmechanismus des Sonnenverdecks nicht funktioniert. Das Dach lässt sich überhaupt nicht
öffnen. In der Werkstatt des Veith wird als Ursache des Defekts das Fehlen des entsprechenden, für
das Ein- und Ausfahren des Sonnenverdecks verantwortlichen Elektroteiles festgestellt. Veith hatte
den branchenüblichen Test des Verdecks vor der Auslieferung des Fahrzeugs vergessen.
Veith setzt das fehlende Teil daraufhin ein. In der Hoffnung, dass nun alles funktioniert, fährt Klose
nach Hause und muss am nächsten Tag erneut feststellen, dass das Sonnenverdeck sich immer noch
nicht öffnen lässt. Er fährt wiederum zu Veith, der das Elektroteil austauscht. Klose muss
anschließend jedoch wieder feststellen, dass die Reparatur durch Veith abermals nicht zum Erfolg
geführt hat – Klose kann das Sonnenverdeck immer noch nicht betätigen.
Zwar bietet Veith dem Klose eine dritte Reparatur des Verdecks an, mittlerweile hat Klose das
Vertrauen in Veith jedoch verloren und lässt das Sonnenverdeck nunmehr bei dem befreundeten
Autohändler Flink reparieren. Die Reparatur kostet 500 €, die Klose sofort bei Flink bezahlt.
Hat Klose einen Anspruch gegen Veith auf Zahlung von 500 €?
Fallscript zum Tutorium
WS 2011/2012
Prof. Dr. Udo Reifner
Fall 21: Versprechen ins Blaue II (2)
(Abwandlung / Erweiterung zu Fall 9)
Der Autoliebhaber Aust und der Gebrauchtwagenhändler Blau verhandeln miteinander über den
Kauf eines gebrauchten Audi A6. Aust ist noch unsicher, da er die „Vorgeschichte“ des Wagens nicht
kennt; insbesondere möchte er gerne wissen, ob der Wagen unfallfrei ist oder nicht. Daraufhin
behauptet Blau „ins Blaue hinein“, der Wagen sei auf jeden Fall unfallfrei, das wisse er ganz sicher
und darauf könne Aust sich verlassen. Tatsächlich hat der Blau jedoch keine Ahnung davon, ob der
Wagen unfallfrei ist oder nicht. Durch die Beteuerungen von Blau überzeugt, schließen Aust und Blau
am 5.11.2007 den Kaufvertrag über den A6 miteinander ab. Aust soll den Kaufpreis von 10.000,- € bis
zum 15.11.2007 an Blau zahlen.
Bereits nach einer Woche vernimmt der Aust laute Motorengeräusche bei seinem gerade
erstandenen A6 und fährt mit diesem in die nächstgelegene Werkstatt. Während der Motor schnell
repariert ist und es sich auch lediglich um eine üblicherweise auftretende Verschleißerscheinung
handelte, stellt der Mechaniker außerdem fest, dass der Wagen bei einem Unfall einen ganz
erheblichen Heckschaden erlitten haben muss (was tatsächlich der Wahrheit entspricht).
Aust ist erbost und erklärt Blau daraufhin am gleichen Tag schriftlich, dass er sich nicht mehr an den
Kaufvertrag halten und Blau den Kaufpreis für den Wagen nicht bezahlen werde. Welche
Möglichkeiten hat Aust, wenn er einen vergleichbaren unfallfreien Gebrauchtwagen auf dem Markt
nur zu einem Preis von 11.000,- € bekommt?
Fallscript zum Tutorium
WS 2011/2012
Prof. Dr. Udo Reifner
Fall 22:
Der Gebrauchtwagenhändler A und der Kunde B schließen einen Kaufvertrag über einen gebrauchten
Porsche zum Preis von 30.000,- €.
Die Übergabe des Wagens soll am 30.10.2006 stattfinden. Des Weiteren vereinbaren die Parteien,
dass die Kaufpreiszahlung am 31.10.2006 fällig ist.
Zum vereinbarten Zeitpunkt jedoch übergibt A den Porsche nicht an B.
Was kann B von A verlangen?
Abwandlung: A hat B den Wagen zu einem sittenwidrig überhöhten Preis verkauft. B hat den
Kaufpreis bereits bar bezahlt und dafür den Porsche mit dem dazugehörigen Fahrzeugbrief von A
erhalten. Welche Ansprüche haben A und B gegeneinander?
Wie wäre es, wenn der Kaufpreis marktgerecht, der A aber unerkannt geisteskrank gewesen wäre?
Fallscript zum Tutorium
WS 2011/2012
Prof. Dr. Udo Reifner
Fall 23: iPod- Minderjährigenrecht/ Geschäftsfähigkeit I
Der elfjährige Moritz wünscht sich einen eigenen iPod. Seine Eltern versprachen ihm daraufhin, ein
gebrauchtes Gerät für ihn zu kaufen, sobald sie auf ein günstiges Angebot stoßen würden. Als
Moritzbei seinem besten Freund Ferdinand zu Hause ist, erfährt er, dass dessen 18-jährige Schwester
Sabine ihren alten iPod für einen Schnäppchenpreis verkaufen will. Zusammen gehen die beiden
Freunde zu Sabine und man einigt sich darauf, dass Moritz den iPod für 30,00 € kauft. Sabine lässt
sich schließlich von den beiden Freunden überreden, Moritz den iPod auch gleich zu übergeben. Am
folgenden Nachmittag soll Moritz die 30,00 € mit dem Taschengeld bezahlen, das ihm sein Onkel –
ohne das Wissen der Eltern – versprochen hat.
Gegenüber Sabine erklärt Moritz weiterhin, seine Eltern wüssten Bescheid und seien einverstanden,
was tatsächlich nicht der Fall ist. Als sie noch am Abend des Kaufs davon hören, erklären sie sich
dennoch gegenüber Moritz einverstanden. Sabine bekommt jedoch Zweifel, ob das Geschäft mit dem
kleinen Moritz wirklich wirksam ist. Sie ruft am nächsten Tag mittags die Eltern des Moritz an und
erkundigt sich, ob sie mit dem Geschäft einverstanden sind. Nachdem die Mutter des Moritz in der
Früh einen neuen iPod als Werbegeschenk erhalten hatte, bereut sie ihre Zustimmung vom
Vorabend und verweigert gegenüber Sabine die Zustimmung.
Hat Sabine gegen Moritz einen Anspruch auf Zahlung der € 30,00 €? Welche anderen Ansprüche
könnte Sabine gegen Moritz haben?
Fallscript zum Tutorium
WS 2011/2012
Prof. Dr. Udo Reifner
Fall 24: Die Vespa- Minderjährigenrecht/ Geschäftsfähigkeit II
Die 17-jährige Martina bekommt ein monatliches Taschengeld von 80,- €. Martina möchte sich
endlich einen lang gehegten Wunsch erfüllen und sich eine Vespa kaufen. Daher begibt sie sich am
01.11.2007 zum Vespa-Händler Vesper. Dieser bietet der Martina eine Vespa für 600,- € an. Martina
hat sich spontan in das gute Stück verliebt und stimmt zu. Da Martina jedoch nicht genügend Geld
bei sich hat, vereinbaren Martina und Vesper, dass Martina den Kaufpreis am 08.11.2007 an den
Vesper zahlt. Überglücklich fährt Martina auf der Vespa nach Hause. Am 08.11.2007 erscheint die
Martina nicht bei Vesper, woraufhin dieser bei Martina anruft. Als der Vesper den Eltern der Martina
sein Begehren schildert, zeigen sich diese überaus empört darüber, dass Vesper ihrer minderjährigen
Tochter Martina die Vespa überhaupt verkauft hat. Weder ihre Tochter noch sie selbst würden den
Kaufpreis zahlen.
Kann Vesper Bezahlung, hilfsweise Rückgabe der Vespa verlangen?
Fallscript zum Tutorium
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Prof. Dr. Udo Reifner
Fall 25: Minderjährigenrecht/Geschäftsfähigkeit III
Aus Frust darüber, dass er von seiner Freundin verlassen worden ist, plant M, sich am
Abend besinnungslos zu betrinken. Der Freund des M (F) leistet ihm aus lauter Sympathie
Gesellschaft. Gesagt, getan. Beide trinken so viel, dass sie um ca. 23.00 Uhr eine
Blutalkoholkonzentration von 3,0 Promille haben. Um 23.15 Uhr bietet M dem F sein
Mountainbike zum Kauf an. Dieses Rad wollte F schon immer haben. Da der M meint, für
dieses Mountainbike sei kein Preis zu hoch, vereinbaren sie einen sehr hohen Preis.
F bezahlt sofort, bekommt daraufhin von M das Rad ausgehändigt und fährt damit nach
Hause.
Nachdem F seinen Rausch ausgeschlafen hat, bemerkt er, dass er für das Mountainbike viel
zu viel gezahlt hat.
Kann er von M sein Geld zurück verlangen?
Fallscript zum Tutorium
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Prof. Dr. Udo Reifner
Fall 26: Minderjährigenrecht/ Geschäftsfähigkeit IV
Der 6-jährige M ist ein großer Tiernarr und wünscht sich schon seit eh und je ein Haustier.
Da seine Eltern aber streng gegen Tierhaltung sind, ergreift der M schließlich die Initiative
und kauft ohne das Wissen seiner Eltern einen Hamster bei V, wobei er V wahrheitswidrig
erzählte, seine Eltern seien mit dem Hamsterkauf einverstanden. Mit dem Hamster zu Hause
angekommen, hatte der M seine Eltern dann doch von der überragenden Wichtigkeit dieses
Kaufs überzeugen können, so dass diese sich schließlich damit einverstanden erklärten, das
Tier zu behalten. Der V schickte den Eltern des M sodann ein Fax, in dem er sie aufforderte
zu erklären, ob sie sich mit dem Hamsterkauf ihres Sohnes einverstanden erklärten oder
nicht. Wenige Minuten später schickte der V den Eltern des M ein weiteres Fax, in dem er
ihnen mitteilte, dass er seine Meinung geändert habe und sich nicht mehr an den Vertrag mit
M halten werde (seine eigene Tochter hatte ihm den Hamsterverkauf sehr übel genommen!).
Können die Eltern des M auf die Einhaltung des Vertrages bestehen?
Abwandlung: Der M ist mittlerweile 7 Jahre alt und kauft sich ohne das Wissen seiner Eltern
einen Wellensittich. Der Rest des Geschehens ist identisch mit dem im Ausgangsfall.
Können die Eltern des M auf die Einhaltung des Vertrages bestehen?
Fallscript zum Tutorium
WS 2011/2012
Prof. Dr. Udo Reifner
Fall 27: Das Arbeitsverhältnis des Minderjährigen
Der 16-jährige Schüler M möchte sein Taschengeld aufbessern und arbeitet deshalb am
Nachmittag stundenweise für das Lebensmittelmittelgeschäft REWE (im Folgenden: R).
Seine Eltern freuen sich über den Fleiß ihres Sohnes und befürworten seinen Nebenjob
ausdrücklich. Die Aufgabe des M bei R besteht darin, Ware nachzusortieren. Eines Tages
entdeckt der M einen Aushang des nur eine Straße von seiner jetzigen Arbeitsstelle entfernt
liegenden Lebensmittelgeschäftes EDEKA (im Folgenden: E), auf dem steht, dass für die
gleiche Arbeit, die der M momentan bei R verrichtet, bei E 1 € mehr pro Stunde gezahlt wird.
Da der M ohnehin der Ansicht ist, seine Arbeit sei hoffnungslos unterbezahlt, entschließt er
sich kurzerhand, zukünftig bei E anstatt bei R zu arbeiten. Gesagt, getan. M arbeitet fortan
bei E. Seine Eltern setzt er von dem Arbeitsplatzwechsel jedoch nicht in Kenntnis.
Als der M nach einem Monat verrichteter Arbeit bei E seinen Lohn erhalten möchte,
verweigert sein Arbeitgeber die Zahlung mit dem Hinweis, der M habe schließlich ohne die
erforderliche Genehmigung seiner Eltern bei E gearbeitet.
Hat M einen Anspruch gegen E auf Zahlung des Lohnes?
Fallscript zum Tutorium
WS 2011/2012
Prof. Dr. Udo Reifner
Fall 28:Minderjährigenrecht/ Empfangszuständigkeit
Der 15-jährige M erhält von seinen Eltern ein monatliches Taschengeld i.H.v. 60 €. Von
diesem Geld kaufte er sich ein Lotterielos in der Hoffnung, auf diese Weise das „schnelle
Geld“ zu machen. Tatsächlich gewann der M mit seinem Los 5.000,- €. Um auch weiterhin
topaktuell ausgestattet zu sein, kaufte sich der M von seinem Lottogewinn die gerade auf
dem Markt erschienene „Playstation 3“ (mit Zubehör) für 2.000,- € bei V. V nimmt das Geld
an und legt es in seine Kasse.
Die Eltern des M hatten von dem Lottogewinn ihres Sohnes keine Kenntnis und verlangen
nun von M, dass er den „Kauf“ rückgängig macht, d.h. das Geld für die „Playstation 3“ von
dem Verkäufer V zurück erhält.
Hat M einen Anspruch gegen V auf Rückgabe des Geldes?Hat V einen Gegenanspruch
gegen M?
Abwandlung:
Fall wie oben.
Die Eltern des M hatten von dem Lottogewinn ihres Sohnes zunächst keine Kenntnis.
Nunmehr möchten sie, dass der Lottogewinn an sie ausgezahlt wird.
Können die Eltern des M die Auszahlung des Lottogewinns von der Lotteriegesellschaft (L)
verlangen?
Anmerkung: Im Hinblick auf die Wirksamkeit des Lotterievertrages ist lediglich die Frage
bezüglich der Minderjährigkeit zu untersuchen.
Fallscript zum Tutorium
WS 2011/2012
Prof. Dr. Udo Reifner
Fall 29: Sittenwidrigkeit
Der Geschäftsmann V nimmt bei der Bank B einen Geschäftskredit in Höhe von 2 Millionen €
auf.
V hat eine 20-jährige Tochter (T), die gerade eine Ausbildung zur Arzthelferin macht. Im
Rahmen ihrer Ausbildung erhält T monatlich 600 €. Über weitere Geldmittel verfügt sie nicht.
Zur Sicherung des Darlehens bei der Bank fordern die B und der V die T auf, eine Bürgschaft
in Höhe von 120.000 € abzugeben. Der zuständige Mitarbeiter der Bank führt zur geforderten
Bürgschaftsabgabe aus, dass es sich um eine reine Formsache „nur für die Akten“ handele.
T unterzeichnet daraufhin den Bürgschaftsvertrag.
Kann die Bank aus der Bürgschaft gegen T vorgehen?
(ähnlich BGHZ 107, 92)
Fallscript zum Tutorium
WS 2011/2012
Prof. Dr. Udo Reifner
Fall 30: Irrtumsanfechtung I
Der G hat im neuen Quelle-Katalog eine Küchenmaschine des Typs 2424 zum Preis von
140,- € entdeckt, die es ihm sofort angetan hatte. G. entscheidet sich, die Maschine zu
bestellen und füllt sodann den Bestellschein aus. Dabei unterläuft ihm leider ein Fehler und
er trägt anstatt der gewünschten Maschine mit der Nummer 2424, die Nummer 2524 ein.
Dabei handelt es sich ebenfalls um eine Küchenmaschine, allerdings verfügt diese über ganz
andere Funktionen als die des Typs 2424 und kostet zudem 179,- €. Als G ein paar Tage
später die Küchenmaschine 2524 erhält, bemerkt er seinen Irrtum sofort und schreibt einen
Brief an Quelle (Q), in dem er Q mitteilt, dass er den Kauf rückgängig machen wolle, da er
sich in der Bestellnummer geirrt habe.
Q verlangt von G die Bezahlung des Kaufpreises, zumindest aber Schadensersatz in Höhe
der Versandkosten sowie Rückgabe der gelieferten Maschine.
Auf der Bestellkarte und auf der Rechnung von Q findet sich der Hinweis, dass die Ware bis
zur vollständigen Bezahlung des Kaufpreises im Eigentumvon Q verbleibt.
Welche Ansprüche hat Q gegen G?
Abwandlung: G hat sich bei Q die Küchenmaschine für 179 € bestellt, weil er nach 20 Jahren
endlich nicht mehr Single ist und meint, eine vernünftige Küchenmaschine sei erforderlich,
um seine neue Freundin regelmäßig adäquat bekochen zu können.
Als die Freundin bereits nach ein paar Tagen merkt, dass der G doch nicht der „Mann von
Welt“ ist, für den sie ihn zunächst gehalten hat, trennt sie sich von ihm.
Da der G für sich allein nicht kochen will und die Küchenmaschine daher nicht mehr benötigt,
möchte er den Kaufvertrag über die Küchenmaschine anfechten. Er schreibt daraufhin
unverzüglich einen Brief an Q, in dem er unter Angabe seiner Gründe mitteilt, dass er sich
nicht mehr an den Kaufvertrag halten werde.
Kann Q von G die Zahlung der Küchenmaschine verlangen?
Anmerkung: Widerrufs- und Rückgaberechte bleiben vorbehalten.
Fallscript zum Tutorium
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Prof. Dr. Udo Reifner
Fall 31: Irrtumsanfechtung II
Urlauber T entdeckt auf Mallorca im Garten seines Ferienhauses ein Rosengewächs,
das ihm sehr gefällt. Er möchte sich für seinenGarten in Deutschland später so ein
Gewächs anschaffen und fragt daher seinen Bekannten U, der Urlaub im
Nachbarhaus macht, ob er ihm sagen könne, wie diesesGewächs genau heiße.
Hobby-Botaniker U gibt die Artbezeichnung mit „superiapalita“ an und fügt hinzu,
man könne diese beim „Pflanzenversand Mediterranée“ (M) für 40 € das Stück
bestellen.
Wieder zuhause schreibt T an M eine Postkarte: „Hiermit bestelle ich eine superiapalita. Mit
freundlichen Grüßen, T.“ Als er die Pflanze von M geliefert bekommt, muss T jedoch zu
seinem Schrecken feststellen, dass es sich bei der „superiapalita“ in Wahrheit um ein
Veilchengewächs handelt. Außerdem kostet es, wie T der beigefügten Rechnung entnimmt,
nach der Preisliste des M (die dem T nicht bekannt war) nicht 60, sondern 80 €.
Kann M von T 80 € oder sonstige Zahlungen verlangen? Hilfsweise möchte er Rückgabe des
Gewächses.
Fallscript zum Tutorium
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Prof. Dr. Udo Reifner
Fall 32: Irrtumsanfechtung III
Helga (H) hatte sich auf eine Stellenanzeige eines von der katholischen Kirche (K)
betriebenen Kindergartens gemeldet und wurde als Kindergärtnerin eingestellt. Im
Arbeitsvertrag vom 11. März ist als Arbeitsbeginn der 1. Mai vorgesehen. Am 01. Mai nimmt
H dann auch verabredungsgemäß ihre Arbeit auf. Nach der ersten Stunde Arbeit im
Kindergarten erkrankt H jedoch bereits (unverschuldet) und geht nach Hause; auch in den
weiteren Tagen bleibt sie der Arbeit fern. Während dieser Zeit der Abwesenheit der H erhält
K ein anonymes Schreiben, in dem behauptet wird, H gehöre der S-Sekte, einer
Organisation, die sich öffentlich gegen das Christentum ausspricht, an. K ruft daraufhin bei H
an und stellt sie zur Rede.Daraufhin räumt H ihre Mitgliedschaft bei dieser Organisation ein.
K sieht die christliche Erziehung, ein wesentlicher Teil der Betreuung im Kindergarten, der ihr
anvertrauten Kinder gefährdet. K teilt der H daraufhin – einen Tag später – schriftlich mit,
dass sie nach ihrer Krankheit gar nicht mehr im Kindergarten zu erscheinen brauche.
Hat H einen Anspruch gegen K auf Vergütung?
Fallscript zum Tutorium
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Prof. Dr. Udo Reifner
Fall 33: Irrtumsanfechtung IV
Der Elektroeinzelhändler Meyer (M) in Hamburg steht mit dem Großhändler Fischer (F) in
Lübeck in Geschäftsverbindung. Meyer benötigt 120 Schreibtischunterlagen.
Er schickt deshalb seinen Auszubildenden zu Fischer mit dem mündlich erteilten Auftrag,
120 Schreibtischunterlagen zu bestellen. Der Auszubildende bestellt jedoch versehentlich
210 Schreibtischunterlagen. F nimmt die Bestellung entgegen und sagt dem
Auszubildenden, es ginge in Ordnung und er werde die Schreibtischunterlagen dann
ausliefern. Als M einen Tag, nachdem F die Schreibtischunterlagen geliefert hat, bemerkt,
dass es ich um 210 und nicht wie von ihm gewollt um 120 Unterlagen handelt, teilt er dem F
schriftlich mit, dass er sich keinesfalls an einen Vertrag über 210 Schreibtischunterlagen
gebunden fühle, sondern vielmehr nur 120 Unterlagen zahlen werde.
Hat F einen Anspruch gegen M auf Zahlung von 210 Schreibtischunterlagen?
Fallscript zum Tutorium
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Prof. Dr. Udo Reifner
Fall 34: Anfechtung I
Der 18-jährige A verkauft dem 17-jährigen B für 50 € ein T-Shirt, das das Markenzeichen der
Firma L (ein kleines aufgenähtes Krokodil) trägt. A hatte dem B erzählt, das Shirt hätte er im
exklusiven L-Geschäft im Hanseviertel für 100 € gekauft, obwohl er es tatsächlich von einem
fliegenden Händler am Strand von Antalya bei seinem letzten Türkeiurlaub für 5 € erworben
hatte. Die 50 € zahlte der B sofort von seinem monatlichen Taschengeld, das er kurz zuvor
von seinen Eltern ausgezahlt bekommen hatte. Die Eltern des B erkennen das Produkt – im
Gegensatz zu ihrem leichtgläubigen Sohn – als Plagiat minderwertiger Qualität und
verlangen daher von A unter Berufung auf die Täuschung unverzüglich die sofortige
Rückzahlung der 50 €. A., der über ein identisches echtes Hemd von hoher Qualität verfügt,
bietet dagegen den Tausch gegen dieses an. Die Eltern des B wollen davon aber nichts
wissen, da sie meinen, ihr Sohn bräuchte keine teure Markenkleidung und solle lieber für
den Führerschein sparen.
Können die Eltern des B von A die Rückzahlung der 50 € verlangen?
Auf § 1629 BGB wird hingewiesen.
Fallscript zum Tutorium
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Prof. Dr. Udo Reifner
Fall 35: Anfechtung II
Der 18-jährige A verkauft dem 17-jährigen B für 50 € ein T-Shirt, das das Markenzeichen der
Firma L (ein kleines aufgenähtes Krokodil) trägt. A hatte dem B erzählt, das Shirt hätte er im
exklusiven L-Geschäft im Hanseviertel für 100 € gekauft, obwohl er es tatsächlich von einem
fliegenden Händler am Strand von Antalya bei seinem letzten Türkeiurlaub für 5 € erworben
hatte. Die 50 € zahlte der B sofort von seinem monatlichen Taschengeld, das er kurz zuvor
von seinen Eltern ausgezahlt bekommen hatte. Die Eltern des B erkennen das Produkt – im
Gegensatz zu ihrem leichtgläubigen Sohn – als Plagiat minderwertiger Qualität und
verlangen daher von A unter Berufung auf die Täuschung unverzüglich die sofortige
Rückzahlung der 50 €. A., der über ein identisches echtes Hemd von hoher Qualität verfügt,
bietet dagegen den Tausch gegen dieses an. Die Eltern des B wollen davon aber nichts
wissen, da sie meinen, ihr Sohn bräuchte keine teure Markenkleidung und solle lieber für
den Führerschein sparen.
Können die Eltern des B von A die Rückzahlung der 50 € verlangen?
Auf § 1629 BGB wird hingewiesen.
Fallscript zum Tutorium
WS 2011/2012
Prof. Dr. Udo Reifner
Fall 36:Anfechtung III
Der Autoliebhaber A und der Gebrauchtwagenhändler B verhandeln miteinander über den
Kauf eines gebrauchten Audi A6. A ist noch unsicher, da er die „Vorgeschichte“ des Wagens
nicht kennt; insbesondere möchte er gerne wissen, ob der Wagen unfallfrei ist oder nicht.
Daraufhin behauptet B ins Blaue hinein, der Wagen sei auf jeden Fall unfallfrei, das wisse er
ganz sicher und darauf könne A sich verlassen. Tatsächlich jedoch hat der B keine Ahnung
davon, ob der Wagen unfallfrei ist oder nicht. Von den Beteuerungen des B überzeugt,
schließen A und B am 04.12. den Kaufvertrag über den A6 miteinander ab. A soll den
Kaufpreis von 10.000,- € bis zum 18.12. an B zahlen. Bereits nach einer Woche vernimmt
der A laute Motorengeräusche bei seinem gerade erstandenen A6 und fährt mit diesem in
die nächstgelegene Werkstatt. Während der Motor schnell repariert ist und es sich auch
lediglich um eine üblicherweise auftretende Verschleißerscheinung handelte, stellt der
Mechaniker außerdem fest, dass der Wagen bei einem Unfall einen ganz erheblichen
Heckschaden erlitten haben muss (was tatsächlich der Wahrheit entspricht).
A ist erbost und erklärt dem B daraufhin sofort schriftlich, dass er sich nicht mehr an den
Kaufvertrag halten und dem B den Kaufpreis für den Wagen nicht bezahlen werde.
Hat B einen Anspruch gegen A auf Zahlung des Kaufpreises?
Abwandlung
Fall wie oben. B ist jedoch ein sich zufällig im Gebrauchtwagenladen des C aufhaltender
Kunde, der sich als Verkäufer des C aufspielen möchte.
Der B behauptet daher ins Blaue hinein, dass der Wagen ganz sicher keinen Unfallschaden
erlitten habe. C hat keine Kenntnis von den Ausführungen des B über die vermeintliche
Unfallfreiheit des Wagens gegenüber A. A und C schließen einen Kaufvertrag über den Audi.
Das Geschehen nimmt seinen Lauf wie im Ausgangsfall.
Hat C einen Anspruch auf Kaufpreiszahlung gegen A?
Abwandlung
Fall wie in der 1. Abwandlung, jedoch steht der C diesmal hinter einem sog. Raumtrenner,
als der B dem A erklärt, der Wagen habe ganz sicher noch keinen Unfall gehabt, und hört
auf diese Weise das ganze Gespräch zwischen dem A und dem B mit an.
Hat C einen Anspruch auf Kaufpreiszahlung gegen A?
Fallscript zum Tutorium
WS 2011/2012
Prof. Dr. Udo Reifner
Fall 37: Widerrufsrecht
Die A entdeckt für ihr Sylvester-Outfit ein paar Schuhe beim Versandhandel B (der als OHG
organisiert ist) im Internet. Die Schuhe kosten 39,- € und gefallen der A sehr gut, weshalb sie
sich entschließt, sie via Internet zu bestellen. Gesagt, getan. Ein paar Tage später werden
der A die Schuhe von B geliefert. In dem Paket befindet sich außerdem eine Belehrung, dass
A diesen Vertrag widerrufen kann. Allerdings enthält das Schreiben keinen Hinweis darauf,
wann die Widerrufsfrist zu laufen beginnt und wann sie wieder endet. Zur Frage der
eventuellen Erstattung von Portokosten enthält das Schreiben ebenso keine Regelung. A
bezahlt die Schuhe per Überweisung umgehend.
Kurz vor Sylvester schmeißt A ihre Pläne plötzlich um und entscheidet sich, nunmehr doch
auf eine Pyjama-Party zu gehen, für die sie leider ihre bei B neu erworbenen Schuhe
überhaupt nicht gebrauchen kann. Da A jedoch etwas schusselig ist vergisst sie, in
irgendeiner Form bei B „tätig zu werden“. Als ihr die Schuhe dann im Sommer – sieben
Monate nach der Erhalt derselben – wieder in die Hand fallen, schickt A sie zurück zu B und
verlangt, dass B ihr sowohl den Kaufpreis für die Schuhe als auch die Portokosten für die
Rücksendung der Schuhe zurückzahlt.
Hat A einen Anspruch gegen B auf Rückzahlung des Kaufpreises? Hat A einen Anspruch
gegen B auf Erstattung der Portokosten?
Abwandlung:
Fall wie oben, diesmal enthält die Belehrung allerdings genaue Angaben über den Beginn
und das Ende der Widerrufsfrist für A, die A jedoch übersieht. Als A dann sieben Monate
nach Erhalt der Schuhe diese wieder zurückgeben will, möchte sie zuvor noch bei B anrufen
und erfragen, ob eine Rücksendung überhaupt möglich ist. Da bemerkt sie, dass nirgendwo
in ihren Unterlagen eine Telefon- oder Faxnummer des B enthalten ist. Auch zum Zeitpunkt
ihrer Bestellung hatte B – auch im Internet – nirgendwo eine Telefon- oder Faxnummer
hinterlassen. Daraufhin schickt A die Schuhe, wiederum sieben Monate nach Erhalt
derselben, zurück an B.
Hat A einen Anspruch gegen B auf Rückzahlung des Kaufpreises?
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