Wir beginnen mit der Besprechung eines BMF

Werbung
AStW 2011/01
Steuervereinfachungsgesetz – Auswirkung auf die Steuererklärung 2011 ...................................... 2
§ 3b EStG – Kein Ansatz bei Gefahrenzulage .............................................................................. 5
§§ 4, 4a EStG – Bilanzberichtigung bei abweichendem Wirtschaftsjahr .......................................... 7
§§ 4, 9 EStG – Bezug der Erstausbildung zum angestrebten künftigen Beruf .................................. 8
§§ 4, 9 EStG – Kostenabzug für gemischt genutzten Raum in der Privatwohnung? ........................ 10
§§ 4, 9 EStG – Außendienstler kann Tätigkeitsmittelpunkt im Arbeitszimmer haben ...................... 11
§ 5 EStG – Verbindlichkeit für Rückerwerb verkaufter Ware ist zu passivieren ............................. 13
§ 6 EStG – Rückstellung für Nachbetreuung von Versicherungsverträgen ist möglich ..................... 15
§ 8 EStG – Verbilligte Miete muss nicht stets steuerpflichtiger Sachbezug sein ............................. 17
§ 9 EStG – Doppelter Mietaufwand kann als beruflich veranlasst gelten ....................................... 19
§ 9 EStG – Fahrtkosten bei berufsbegleitendem Studium ........................................................... 20
§ 9 EStG – Abzug von Anwaltskosten im Zusammenhang mit einem Strafverfahren ...................... 22
§ 9 EStG – Pauschaler Kilometersatz bei Auswärtstätigkeit ........................................................ 23
§ 15 EStG – Steuerliche Einordnung von Private Equity-Fonds .................................................... 24
§ 15b EStG – Einschränkung beim Steuersparmodell ist verfassungsgemäß ................................. 25
§§ 16, 34 EStG – Vermietetes Grundstück als Veräußerung eines Teilbetriebs .............................. 27
§ 18 EStG – Vergütungsvorschüsse bei Insolvenzverwaltern ...................................................... 29
§ 18 EStG – Aufgabe der Vervielfältigungstheorie bei selbstständiger Tätigkeit ............................. 30
§ 20 EStG – Anschaffungskosten beim Erwerb gebrauchter Lebensversicherungen ........................ 32
§ 21 EStG – Nachträglicher Schuldzinsenabzug nach dem Hausverkauf ....................................... 34
§ 23 EStG – Veräußerung eines auch im Betriebsvermögen gehaltenen Grundstücks..................... 35
§ 32 EStG – Kindergeldanspruch für ein behindertes Kind .......................................................... 36
§ 1 UStG – Grundsätze des EuGH zur steuerfreien Geschäftsveräußerung im Ganzen .................... 38
§ 4 UStG – Steuerpflicht bei Festvergütung für Geschäftsführung und Haftung ............................. 39
§ 10 UStG – Mindestbemessungsgrundlage bei verbilligtem Zeitungsbezug .................................. 40
§ 15 UStG – Vorsteuerabzug bei Solaranlagen an Privatgebäuden ............................................... 42
ErbStG – Zweifel an Verfassungsmäßigkeit .............................................................................. 44
BewG – Sachwertverfahren für besonders ausgestattetes Mietwohngrundstück ............................ 46
§ 9 AO – Berechnung der Sechsmonatsfrist beim gewöhnlichen Aufenthalt .................................. 48
§ 173 AO – Grobes Verschulden bei Fehlern in der Steuersoftware .............................................. 49
InvZulG – Zulage für leer stehende Wohnung ........................................................................... 51
Steuern kompakt .................................................................................................................. 52
§ 3 EStG – Steuerfreier Lohn beim Bundesfreiwilligendienst ............................................... 52
§ 5 EStG – RAP bei Darlehen mit fallenden Zinssätzen ....................................................... 52
§ 36 EStG – Lohnsteuerbescheinigung hat keine Bindungswirkung ...................................... 52
§ 4 UStG – Verkehrstherapien sind nicht steuerfrei............................................................ 52
§ 10 UStG – Zulassungssteuer erhöht die Bemessungsgrundlage ........................................ 53
§ 12 UStG – Ermäßigte Besteuerung von Stadtrundfahrten ................................................ 53
§ 13b UStG – Ansässigkeit im Ausland ............................................................................. 53
§ 14 UStG – Korrektur bei Geschäftsveräußerung wirkt nicht zurück.................................... 54
§ 25a UStG – Differenzbesteuerung beim Verkauf von Anlagevermögen .............................. 54
§ 14 BewG – Aktualisierte Sterbetabelle für den Kapitalwert ............................................... 54
§ 240 AO – Säumniszuschlag bleibt bei geändertem Steuerbescheid.................................... 54
Berufsrecht – Tätigkeit als angestellter Syndikus-Steuerberater .......................................... 55
Limited – Für internen Streit sind englische Gerichte zuständig ........................................... 55
AStW 2011/02
Steuervereinfachungsgesetz –
Auswirkung auf die
Steuererklärung 2011
Am 4.11.2011 ist das Steuervereinfachungsgesetz im Bundesgesetzblatt
verkündet worden. Eine Reihe von Änderungen gilt bereits ab dem
5.11.2011 und somit noch für den Jahresabschluss und die Steuererklärung 2011. Diese für 2011 noch relevanten Änderungen werden nachfolgend in Kurzform aufgelistet.

In § 3 EStG ist geregelt, welche grundsätzlichen Steuerbefreiungen im
EStG zu beachten sind. Aufgrund der Tatsache, dass einigen dieser
Steuerbefreiungen inzwischen keine praktische Bedeutung mehr zukommt, wurde der Katalog um insgesamt sechs Befreiungstatbestände gekürzt. Konkret handelt es sich dabei um die folgenden Steuerbefreiungen, die ab dem 5.11.2011 ersatzlos wegfallen:

§ 3 Nr. 19 EStG: Entschädigungen an ehemalige deutsche Kriegsgefangene,

§ 3 Nr. 21 EStG: Zinsen aus Schuldbuchforderungen,

§ 3 Nr. 22 EStG: Ehrensold,

§ 3 Nr. 37 EStG: Beiträge nach dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz,

§ 3 Nr. 46 EStG: Bergmannsprämien und

§ 3 Nr. 49 EStG: Zuwendungen ehemaliger alliierter Besatzungssoldaten an ihre Ehefrauen.

Es kommt in den Fällen der Betriebsverpachtung und -unterbrechung
ab dem 5.11.2011 zur Einführung einer gesetzlichen Betriebsfortführungsfiktion (§ 16 Abs. 3b EStG n.F.). Das Unternehmen gilt danach
bis zu einer ausdrücklichen Betriebsaufgabeerklärung als fortgeführt.

Der Nachweis der Zwangsläufigkeit von Aufwendungen im Krankheitsfall für den steuerlichen Abzug als außergewöhnliche Belastungen wird
als Reaktion auf die geänderte BFH-Rechtsprechung nunmehr in allen
offenen Fällen gesetzlich definiert und löst die bisherigen Verwaltungsregelungen ab. Zum Nachweis der Zwangsläufigkeit von Aufwendun-
AStW 2011/03
gen im Krankheitsfall hat der Steuerpflichtige unter bestimmten Bedingungen (§ 64 EStDV n.F.) kein amtsärztliches Attest vorzulegen.

Es gelten erleichterte Nachweisanforderungen für Spenden in Katastrophenfällen.

Für Anträge auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft, die ab dem
5.11.2011 gestellt werden, ist eine Bagatellgrenze verabschiedet worden. Die Gebührenpflicht wird danach auf wesentliche und aufwendige
Fälle beschränkt. Der Gegenstandswert, bis zu dem keine Gebühren
fällig werden, beträgt 9.999 EUR und 200 EUR für die Zeitgebühr bei
der Gebührenpflicht (§ 89 AO n.F.)

Meldung von Auslandssachverhalten bei Personengesellschaften sind
nicht mehr binnen eines Monats, sondern erst innerhalb von fünf Monaten nach Ablauf des Kalenderjahres zu melden, in dem das meldepflichtige Ereignis eingetreten ist.

Bei der Grunderwerbsteuer besteht nunmehr die Möglichkeit zur elektronischen Übermittlung der Veräußerungsanzeigen.

Für Land- und Forstwirte erfolgt aus Harmonisierungsgründen eine
Anpassung der besonderen 3-monatigen Steuererklärungsfrist an die
Regelabgabefrist von 5 Monaten (siehe dazu § 149 Abs. 2 Satz 2 AO
n.F.).
Darüber hinaus gelten folgende Änderungen bereits noch früher:

Die
Anhebung
des
jährlichen
Arbeitnehmer-Pauschbetrags
von
920 EUR auf 1.000 EUR wird zum 1.1.2011 rückwirkend in Kraft treten.

Für seit dem 1.7.2011 ausgestellte Rechnungen für Umsätze nach
dem 30.6.2011 gelten Erleichterungen bei der elektronischen Rechnungsstellung. Sie berechtigen zum Vorsteuerabzug, ohne dass es einer Signatur bedarf.

Für Bewertungsstichtage ab dem 1.7.2011 werden Erbbauberechtigter
und -verpflichteter im Besteuerungsverfahren des jeweils anderen er-
AStW 2011/04
klärungspflichtig und damit auch Beteiligte. Für begünstigtes Betriebsvermögen nach § 13a Abs. 1 ErbStG werden Ausgangslohnsumme
und Anzahl der Beschäftigten sowie das Verwaltungsvermögen gesondert festgestellt.

Für 2011 gilt wegen des erhöhten Arbeitnehmer-Pauschbetrags eine
Übergangsregelung beim Elterngeld.

Ab 2011 kommt es wegen des Arbeitnehmer-Pauschbetrags zu einer
Änderung im Bundesversorgungsgesetz.
Fundstelle:
Steuervereinfachungsgesetz
2011,
www.iww.de, Abruf-Nr. 113777
BGBl
I,
2131,
4.11.11,
unter
AStW 2011/05
§ 3b EStG – Kein Ansatz bei
Gefahrenzulage
Nach Auffassung des BFH ist es verfassungsrechtlich nicht geboten, die
Steuerbefreiung auf Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit
auch auf Gefahrenzulagen auszudehnen. § 3b Abs. 1 EStG selbst begründet keinen Rechtsanspruch von Arbeitnehmern darauf, bezogene Zuschläge für Tätigkeiten im Bombenentschärfungs- und Kampfmittelräumdienst steuerfrei zu belassen. Die Begünstigung erfasst ausschließlich Zuschläge für tatsächlich geleistete Arbeit an unüblichen Zeiten und ist nicht
über den Wortlaut hinaus auszulegen. Daher lässt die Norm keinen Raum
für eine Ausdehnung auf überwiegend pauschale Zuschläge für andere
Tätigkeiten, auch wenn sie aus sonstigen Gründen subventionswürdig
sein könnten. Dies lässt sich weder aus der Entstehungsgeschichte noch
dem Sinn und Zweck entnehmen.
Der Gesetzgeber ist auch nicht aus Gründen der Gleichbehandlung verpflichtet, Gefahrenzulagen steuerfrei zu stellen, denn § 3b EStG erfüllt
nicht den Zweck, sämtliche für die Gesellschaft nützlichen Tätigkeiten von
der Einkommensteuer zu befreien. Zwar ist die Kampfmittelräumung im
öffentlichen Interesse unverzichtbar. Doch daraus folgt keine Gleichbehandlung. Eine Steuervergünstigung darf auch nur unter wirtschaftspolitischen Aspekten erfolgen, indem es eine sachgerechte Abgrenzung des
Kreises der Begünstigten gibt. Hierbei steht dem Gesetzgeber ein weiter
Beurteilungs- und Gestaltungsspielraum zu, ohne dass dabei die zweckmäßigste oder gerechteste Lösung gefunden wird.
Nach der Rechtsprechung des BVerfG begründet die Steuervergünstigung
für eine Gruppe keinen Anspruch einer anderen auf eine vergleichbare
steuerliche Entlastung. Daher können Tätigkeiten gemeindienlich sein,
ohne dass Zuschläge steuerbefreit sind.
Fundstellen:
BFH 15.9.11, VI R 6/09, unter www.iww.de, Abruf-Nr. 113624
BFH 17.6.10, VI R 50/09, BStBl II 11, 43
AStW 2011/06
BVerfG 20.4.04, 1 BvR 1748/99, 1 BvR 905/00; 1 BvR 610/00, HFR04,
696
AStW 2011/07
§§ 4, 4a EStG – Bilanzberichtigung bei
abweichendem Wirtschaftsjahr
Eine Bilanzberichtigung ist nach § 4 Abs. 2 EStG nicht zulässig, wenn sie
einer nicht mehr änderbaren, bestandskräftigen Steuerfestsetzung zugrunde liegt. Dies wurde mit dem Jahressteuergesetz 2007 eingeführt.
Zuvor konnte ein fehlerhafter Bilanzansatz in der ersten noch offenen
Bilanz richtig gestellt werden, auch wenn aufgrund bestandskräftiger Bescheide eine vorherige Gewinnauswirkung nicht berücksichtigt werden
kann. Der Zweck dieser Änderung bestand darin, sicherzustellen, dass
Land- und Forstwirte mit abweichendem Wirtschaftsjahr und zeitanteiliger Gewinnaufteilung auf zwei Jahre eine Bilanzberichtigung nur noch
vornehmen dürfen, wenn beide Veranlagungen noch geändert werden
können. Zuvor war die richtige Erfassung des Totalgewinns kein Grund
dafür, eine Berichtigung nicht vorzunehmen.
Die Änderung ab dem Veranlagungszeitraum 2007 betrifft sowohl das
kalendergleiche als auch das abweichende Wirtschaftsjahr. Werden nun
wie in einem vom BFH entschiedenen Fall aufgrund einer Außenprüfung
deutlich höhere Anschaffungs- oder Herstellungskosten angesetzt, führt
dies zu einer Gewinnerhöhung bei der geänderten Bilanz, auch wenn das
fehlerhafte Ursprungsjahr nicht mehr änderbar ist.
Die Neuregelung in § 4 Abs. 2 EStG war erstmals für 2007 anzuwenden.
Damit sind geänderte Gewinnermittlungen in der Bilanz und in der Einkommensteuerfestsetzung für 2007 nur möglich, wenn hier die fehlerhafte Erfassung erfolgt. Auf den Zeitpunkt der Vornahme der Bilanzberichtigung kommt es dagegen nicht an.
Praxishinweis: Der Tenor des Urteils entspricht nicht der Verwaltungsauffassung.
Fundstellen:
BFH 19.7.11, IV R 53/09, unter www.iww.de, Abruf-Nr. 113778
OFD Hannover 4.6.07; S 2141 - 17 - StO 221/StO 222
OFD Münster 6.6.07, Kurzinformation Einkommensteuer Nr. 015/2007
AStW 2011/08
§§ 4, 9 EStG – Bezug der Erstausbildung
zum angestrebten künftigen Beruf
Der BFH hatte bereits entschieden, dass Aufwendungen für ein nach dem
Abitur aufgenommenes Erststudium oder eine erstmalige Berufsausbildung nach dem absolvierten Schulabschluss grundsätzlich als vorweggenommene Werbungskosten oder Betriebsausgaben und nicht mehr nur
als begrenzt abzugsfähige Sonderausgaben berücksichtigt werden können. Diese Auffassung konkretisiert der BFH nun in einem weiteren Urteil
hinsichtlich der Frage, wann der notwendige Veranlassungszusammenhang zwischen Ausbildung und späterer Berufstätigkeit vorliegt.
Im Urteilsfall ging es um ein Fachhochschulstudium zur Betriebswirtschaft
mit Schwerpunkt europäische Unternehmensführung und den angestrebten Abschluss Diplomkaufmann. Der BFH nahm einen hinreichenden konkreten Veranlassungszusammenhang an. Dieser ist nämlich regelmäßig
schon dann gegeben, wenn das Studium Berufswissen vermittelt und
damit auf die Erzielung von Einnahmen gerichtet ist. Ausbildungskosten
müssen lediglich subjektiv für den angestrebten Beruf geleistet werden
und den angehenden Arbeitnehmer oder Selbstständigen im weitesten
Sinne fördern.
Praxishinweis:
Über
das
Beitreibungsrichtlinie-Umsetzungsgesetz
(BeitrRUmsG) wurde rückwirkend ab 2004 klargestellt, dass Aufwendungen für eine erstmalige Berufsausbildung oder für ein Erststudium
vom Abzug als Betriebsausgaben oder Werbungskosten ausgeschlossen sind. Sie bleiben daher Sonderausgaben. Aufgrund der hierzu zu
erwartenden Gerichtsverfahren bleibt es jedoch relevant, inwieweit die
Erstausbildung einen ausreichenden Bezug zum Beruf hat.
Fundstellen:
Keine Sonderausgaben: BFH 28.7.11, VI R 59/09, unter www.iww.de,
Abruf-Nr. 113779
BFH 28.7.11, VI R 38/10; VI R 7/10; 15.9.11, VI R 15/11, VI R 22/09
AStW 2011/09
Veranlassungszusammenhang: BFH 20.6.06, VI R 26/05, BStBl II 06,
764; 18.6.09, VI R 14/07, BStBl II 10, 816; VI R 31/07, BFH/NV 09,
1797
AStW 2011/010
§§ 4, 9 EStG – Kostenabzug für gemischt
genutzten Raum in der Privatwohnung?
Aufwendungen lassen sich sowohl aus beruflichem als auch aus privatem
Anlass in abziehbare Betriebsausgaben oder Werbungskosten und nicht
abziehbare Lebenshaltungskosten aufteilen. Dieser Grundsatz ist für alle
Gewinn-
und
Überschuss-Einkunftsarten
anwendbar.
Seitdem
dies
höchstrichterlich beschlossen wurde, dreht sich die Frage zunehmend darum, auf welche Sachverhalte sich dieser Grundsatz neben gemischten
Reisen als Hauptanwendungsfall übertragen lässt. Das FG Köln hatte dies
auf die berufliche Nutzung eines Raumes in der Privatwohnung bejaht
und die von der Verwaltung übernommene BFH-Rechtsprechung auf die
Aufteilung der Raumkosten übertragen.
Das FG Hamburg kommt allerdings bei einem selbstständigen Unternehmensberater zu einem anderen Ergebnis. Dieser hatte seine Arbeiten
vom Essbereich im Wohnzimmer aus erledigt. Nach Auffassung des Gerichts handelt es sich weder aufgrund von Lage und Ausstattung um ein
häusliches Arbeitszimmer noch sind die Kosten anteilig beruflich veranlasst. Die Bereiche Wohnen und Arbeiten greifen so ineinander, dass keine Trennung möglich ist. Es fehlt hierzu an objektivierbaren Kriterien.
Quadratmeter geben Nutzungsverhältnisse nicht zutreffend wieder. Zusätzlich wäre eine zeitliche Nutzungskomponente zu berücksichtigen,
wozu es jedoch an einem klar erkennbaren, nachvollziehbaren Maßstab
fehlt. Eine Trennung zwischen privat und betrieblich wäre letztlich willkürlich und ist daher nicht möglich.
Ähnlich sieht dies das FG Baden-Württemberg, weil keine klare Abgrenzung
der Aufwendungen gegeben ist. Aufgrund anhängiger Revisionen können
Steuerbescheide über einen ruhenden Einspruch offengehalten werden.
Fundstellen:
FG Hamburg 8.6.11, 6 K 121/10, unter www.iww.de, Abruf-Nr. 113780
FG Köln 19.5.11, 10 K 4126/09, Revision unter X R 32/11
FG Rheinland-Pfalz 25.8.10, 2 K 2331/09, Revision unter III R 62/11
FG Baden-Württemberg 2.2.11, 7 K 2005/08
AStW 2011/011
§§ 4, 9 EStG – Außendienstler kann
Tätigkeitsmittelpunkt im Arbeitszimmer
haben
Der Schwerpunkt der Berufstätigkeit eines als Außendienstmitarbeiter
und Verkaufsbetreuer tätigen Diplom-Bauingenieurs kann im heimischen
Büro liegen, sodass die anfallenden Kosten in voller Höhe absetzbar sind.
Das gilt nach Auffassung des FG Düsseldorf jedenfalls dann, wenn zwar
auch Beratungsgespräche bei Kunden vor Ort durchzuführen sind, aber
die überwiegende Arbeitszeit am häuslichen Arbeitsplatz ausgeübt wird,
etwa mit der Begleitung von Ausschreibungen. Dem zeitlichen Umfang
der Nutzung kommt lediglich eine indizielle Bedeutung zu. Entscheidend
ist vielmehr, ob im häuslichen Büro diejenigen Handlungen vorgenommen
oder Leistungen erbracht werden, die für den konkret ausgeübten Beruf
wesentlich und prägend sind.
Die Betreuung von Auftraggebern und Kunden vor Ort ist zwar als Kerntätigkeit eines Außendienstmitarbeiters anzusehen und im Regelfall bei
Handelsvertretern prägend für das Berufsbild. Daher führen typische
Auswärtstätigkeiten wegen eines fehlenden anderen Arbeitsplatzes nur
zum beschränkten Abzug der Arbeitszimmerkosten. Anders sieht es aber
aus, wenn kein klassischer Außendienst vorliegt, weil die Tätigkeit über
die
eines
Verkäufers
hinausgeht.
Werden
Projektplanung
und
-
nachbereitung im Arbeitszimmer ausgeübt, kommt dem in qualitativer
Hinsicht ein größeres Gewicht zu, als der Präsenz beim Kunden vor Ort.
Das gilt insbesondere dann, wenn einem Großteil der Aufträge überhaupt
keine Kundengespräche vor Ort vorausgehen, sondern ein bloßer E-Mailoder Telefonkontakt stattfindet.
Der BFH hat bereits entschieden, dass ein Ingenieur, dessen Tätigkeit
wesentlich durch die Erarbeitung theoretischer komplexer Problemlösungen im häuslichen Arbeitszimmer geprägt ist, den Mittelpunkt der Betätigung im heimischen Büro hat, auch wenn er Kunden im Außendienst betreut.
AStW 2011/012
Fundstellen:
FG Düsseldorf 5.5.11, 11 K 2591/09 E, unter www.iww.de, Abruf-Nr.
113781
BFH 13.11.02, VI R 28/02, BStBl II 04, 59
AStW 2011/013
§ 5 EStG – Verbindlichkeit für
Rückerwerb verkaufter Ware ist zu
passivieren
Verpflichtet sich ein Händler, verkaufte Ware wie beispielsweise ein Kfz
auf Verlangen seines Kunden später wieder zurückzukaufen, hat er laut
BFH hierfür eine Verbindlichkeit in Höhe des dafür gesondert vereinnahmten Entgelts auszuweisen (s. AStW 11, 221). Das BMF hat sich der Auffassung des BFH jetzt angeschlossen. Danach liegt nunmehr in allen offenen Fällen insoweit kein Drohverlust mehr vor. Das hat folgende bilanzielle Auswirkungen:

Der Händler hat eine Verbindlichkeit mit dem für die Rückkaufsoption
erhaltenen Wert zu passivieren. Insoweit kommt es also zunächst zu
keiner gewinnerhöhenden Betriebseinnahme. Dieser Teilbetrag kann
aus dem Gesamtverkaufspreis im Schätzungswege abgespalten werden. Möglich ist auch der Ansatz der Differenz, die sich aus dem Preis
bei Einräumung und Nichtgewährung ergibt.

Kommt es zur Ausbuchung oder verfällt die Option, hat der Händler
die Verbindlichkeit zu diesem Zeitpunkt erfolgswirksam auszubuchen.

Ein auf das Risiko des Preisverfalls während des Optionszeitraums entfallender Betrag – etwa bei einem Gebrauchtwagen – stellt einen nicht
passivierungsfähigen drohenden Verlust aus einem schwebenden Geschäft dar.

Der Käufer hat die beim Händler passivierte Verbindlichkeit deckungsgleich für die vereinbarte Rückverkaufsoption als nichtabnutzbares
immaterielles Wirtschaftsgut zu aktivieren. Gleichzeitig mindern sich
insoweit seine Anschaffungskosten für das erworbene Wirtschaftsgut.

Die eingekaufte Ware wird entsprechend mit einem unter dem Kaufpreis liegenden Betrag aktiviert.

Das immaterielle Wirtschaftsgut „Option“ bucht der Käufer zum Zeitpunkt der Rückgabe des Gegenstands oder des Rechtsverfalls erfolgswirksam aus.
AStW 2011/014
Fundstellen:
BMF 12.10.11, IV C 6 - S 2137/09/10003, unter www.iww.de, Abruf-Nr.
113421
Aufgehoben: BMF 12.8.09, IV C 6 - S 2137/09/10003, BStBl I 09, 890
BFH 17.11.10, I R 83/09
AStW 2011/015
§ 6 EStG – Rückstellung für Nachbetreuung von Versicherungsverträgen
ist möglich
Ein Versicherungsvertreter hat Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten wegen Erfüllungsrückstands für die Verpflichtung zur Nachbetreuung und für die Bestandspflege von Versicherungsverträgen zu passivieren. Der BFH hält die Rückstellungsbildung in einer aktuellen Entscheidung grundsätzlich für geboten, wenn der Versicherungsvertreter die Abschlussprovision nicht nur für die Vermittlung, sondern auch für die Verpflichtung zur weiteren Nachbetreuung erhält. Nach den Grundsätzen
ordnungsmäßiger Buchführung und den Regelungen im EStG lässt sich
keine Beschränkung der Pflicht auf wesentliche Verpflichtungen entnehmen.
Für die Höhe der Rückstellung muss der Versicherungsvertreter aufgrund
der ihm obliegenden objektiven Beweislast konkrete Aufzeichnungen
vertragsbezogen führen. Diese dienen der Grundlage für eine angemessene Schätzung der zu erwartenden Betreuungsaufwendungen. Dabei ist
auf die im Unternehmen künftig insgesamt anfallenden Kosten abzustellen. Die Nachbetreuungsverpflichtung als Sachleistungsverpflichtung ist
nach § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchstabe b EStG mit den Einzel- und Gemeinkosten zu bewerten und abzuzinsen. Einzubeziehen sind nur bereits abgeschlossene Verträge mit dem jeweiligen zeitlichen Betreuungsaufwand
pro Vertrag und Jahr, soweit die Leistungen von entscheidender Bedeutung sind. Werbeleistungen mit dem Ziel, Neu- und Bestandskunden zu
neuen Vertragsabschlüssen zu veranlassen, sind hingegen nicht rückstellbar.
Die Verwaltung hat die Rückstellung bislang mit der Begründung abgelehnt, die Nachbetreuung stelle für den Vertreter keine wirtschaftlich wesentlich belastende Verpflichtung dar, weil Leistungen nur in Ausnahmefällen zu erwarten seien und Beiträge ohne Aufwand per Lastschrift bezahlt werden. Es bleibt abzuwarten, ob die Verwaltung die aktuelle
Rechtsprechung anwendet.
AStW 2011/016
Fundstellen:
BFH 19.7.11, X R 26/10, unter www.iww.de, Abruf-Nr. 113419
BFH 19.7.11, X R 8/10; X R 9/10; X R 48/08; 9.12.09, X R 41/07,
BFH/NV 10, 860
BMF 28.11.06, IV B 2 -S 2137- 73/06, BStBl I 06, 765
AStW 2011/017
§ 8 EStG – Verbilligte Miete muss nicht
stets steuerpflichtiger Sachbezug sein
Überlässt ein Arbeitgeber seiner Belegschaft verbilligt Wohnungen und
verlangt er keine Nebenkosten, liegt ein lohnsteuerpflichtiger Sachbezug
gemäß § 8 Abs. 2 EStG nur dann vor, wenn dies durch das Arbeitsverhältnis des jeweiligen Arbeitnehmers veranlasst ist. Voraussetzung ist
also, dass die tatsächlich verlangte Miete plus abgerechneter Nebenkosten die ortsübliche Kaltmiete inklusive umlagefähiger Nebenkosten unterschreitet. Dabei kann nach einem aktuellen Urteil des BFH als Referenzmietwert der Mietspiegel als Basis genommen werden, wenn dieser eine
Spanne zwischen mehreren Mietwerten für vergleichbare Wohnungen
ausweist.
Die verbilligte Überlassung kann aber auch steuerfrei sein, wenn die Vorteile aus der Wohnraumüberlassung nicht für die Beschäftigung gewährt
werden, sondern auf einem anderen Rechtsgrund oder einer sonstigen
Beziehung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber beruhen, die nicht aus
dem Dienstverhältnis resultieren. Denkbar ist auch eine notwendige Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzungen. Zunächst ist aber
festzustellen, ob die Wohnungen überhaupt verbilligt überlassen worden
sind. So könnte der Betrieb vergleichbare Wohnungen auch an fremde
Dritte zu einem niedrigeren als dem üblichen Mietzins vermieten. Nach R
8.1 Abs. 6 Satz 6 LStR muss in nicht unerheblichem Umfang an fremde
Dritte zu einem niedrigeren Wert vermietet werden.
Praxishinweis: Bei einer steuerpflichtigen verbilligten Wohnungsüberlassung ist als Sachbezug die Freigrenze von 44 EUR nutzbar. Zudem kommt der Rabattfreibetrag von 1.044 EUR nach § 8 Abs. 3 EStG
zum Abzug, wenn der Arbeitgeber Wohnungen mindestens in gleichem
Umfang am Markt wie an Arbeitnehmer anbietet. Dies scheidet jedoch
aus, wenn ein Antrag auf Pauschalierung nach § 40 EStG gestellt wurde.
Fundstellen:
BFH 11.5.11, VI R 65/09, unter www.iww.de, Abruf-Nr. 113271
AStW 2011/018
BFH 28.6.07, VI B 23/07; 17.8.05, IX R 10/05
AStW 2011/019
§ 9 EStG – Doppelter Mietaufwand kann
als beruflich veranlasst gelten
Doppelte Mietzahlungen für eine neue Familienwohnung, die am Beschäftigungsort von einem Ehegatten bereits genutzt wird, können beim Nachzug der Familie beruflich veranlasst und deshalb in voller Höhe als Werbungskosten abziehbar sein, wenn der Umzug nahezu ausschließlich beruflich veranlasst ist. Voraussetzung ist, dass private Gründe eine allenfalls untergeordnete Rolle spielen. Davon ist auszugehen, wenn der Arbeitnehmer wegen eines Arbeitsplatzwechsels seine bisherige Wohnung
aufgibt und deshalb umzieht, weil sich dadurch die Zeitspanne für die
Fahrten zur Arbeit verringert.
Die Zweifachberücksichtigung gilt laut BFH jedoch nur zeitanteilig – für
die neue Familienwohnung bis zum Umzugstag und für die bisherige
Wohnung ab dem Umzugstag, längstens bis zum Ablauf der Kündigungsfrist des bisherigen Mietverhältnisses. Darüber hinaus ist der Werbungskostenabzug umzugsbedingt geleisteter Doppelzahlungen auf den Zeitlauf
der ordentlichen Kündigungsfrist des bisherigen Mietverhältnisses begrenzt. Nur solange gründet der Aufwand für zwei Wohnungen nämlich
auf dem beabsichtigten Familienumzug.
Der unbeschränkte Abzug der Aufwendungen für die neue Familienwohnung gilt ungeachtet dessen, dass diese zuvor im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung genutzt wurde. Dann sind nämlich nicht die Spezialnorm des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG, sondern die Regeln für den allgemeinen Werbungskostenabzug maßgebend. Die Unterhaltung zweier
Wohnungen dient anders als bei der doppelten Haushaltsführung allein
dem Zweck der Familienzusammenführung. Kosten während der Umzugsphase sind damit abziehbar. Dies richtet sich nicht nach dem Bundesumzugskostengesetz, sondern allein nach dem allgemeinen Werbungskostenbegriff.
Fundstellen:
BFH 13.7.11, VI R 2/11, unter www.iww.de, Abruf-Nr. 113270
BFH 23.5.06, VI R 56/02, BFH/NV 06, 1650
AStW 2011/020
§ 9 EStG – Fahrtkosten bei berufsbegleitendem Studium
Grundsätzlich wird zur Abgeltung der Aufwendungen eines Arbeitnehmers
für Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte eine Entfernungspauschale von 30 Cent je Entfernungskilometer gewährt. Dagegen können für Fahrten zu einem Tätigkeitsort, der nicht regelmäßig aufgesucht wird, 30 Cent je gefahrenem Kilometer bzw. die tatsächlich
nachgewiesenen Kosten angesetzt werden.
Hinsichtlich der Frage, ob eine regelmäßige Arbeitsstätte vorliegt oder
nicht, gibt es immer wieder Streit mit dem Finanzamt. Zuletzt hat sich
das FG Köln dieser Frage annehmen müssen. In dem aktuellen Urteil ging
es um die Frage, wie ein Arbeitnehmer, der 28 Wochenstunden als Steuerfachangestellter tätig ist und an zwei bis drei Terminen je Woche (auch
samstags) eine Fachhochschule besucht, seine Fahrtkosten zum Studienort steuerlich geltend machen kann.
Das Finanzgericht Köln hält in seiner aktuellen Entscheidung lediglich die
Entfernungspauschale von 30 Cent pro Entfernungskilometer für angemessen. Ein Studium von 7 Semestern, so die Auffassung des Finanzgerichts, sei allein aufgrund der Dauer als nicht mehr bloß vorübergehend
anzusehen. Dies steht jedoch im deutlichen Widerspruch zu einer Entscheidung des BFH vom 10.4.2008. Der BFH stellt darauf ab, dass bereits
die zeitliche Begrenzung einer Ausbildung dazu führt, dass die Tätigkeit
nicht auf Dauer angelegt ist.
Praxishinweis: In der täglichen Beratung
bleibt nur der folgende
Weg. Die Kosten sind mit der Kilometerpauschale anzusetzen. Bei Ablehnung durch das Finanzamt ist Einspruch zu erheben und das Ruhen
des Verfahrens im Hinblick auf dieses Verfahren zu beantragen.
Die Finanzverwaltung geht in R 9.4. Abs. 3 Satz 5 LStR seit 2008 davon
aus, dass eine vorübergehende Auswärtstätigkeit an einer anderen betrieblichen Einrichtung nicht zur Arbeitsstätte wird.
AStW 2011/021
Fundstellen:
FG Köln 14.7.11, 10 K 1009/10; Revision zugelassen, unter www.iww.de,
Abruf-Nr. 113782
BFH 10.4.08, VI R 66/05; 2.3.11, III B 106/10; 22.10.09, III R 101/07
FG Nürnberg 11.11.10, 7 K 1081/09, NZB unter III B 6/11
FG Münster 11.3.11, 14 K 4171/09 Kg
AStW 2011/022
§ 9 EStG – Abzug von Anwaltskosten
im Zusammenhang mit einem
Strafverfahren
Strafverteidigungskosten wegen des Vorwurfs der Beihilfe zur Untreue
können als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbstständiger
Arbeit zu berücksichtigen sein. Voraussetzung ist, dass der strafrechtliche
Vorwurf, gegen den sich der Steuerpflichtige zur Wehr setzt, durch sein
berufliches Verhalten veranlasst gewesen ist. Das ist nach Auffassung des
BFH der Fall, wenn die ihm zur Last gelegte Tat in Ausübung der Berufstätigkeit begangen worden ist. Dem Abzug steht insbesondere § 12 Nr. 4
EStG nicht entgegen, weil der Gesetzgeber wie in § 4 Abs. 5 Nr. 8 EStG
bewusst davon abgesehen hat, auch die Verfahrenskosten in das Verbot
einzubeziehen.
Allerdings setzt die Annahme von Erwerbsaufwendungen voraus, dass die
schuldhaften Handlungen noch im Rahmen der beruflichen Aufgabenerfüllung liegen und nicht auf privaten Umständen beruhen. Dies wäre der
Fall, wenn die strafbaren Handlungen mit dem Beruf nur insoweit im Zusammenhang stehen, als dieser eine Gelegenheit zu einer Straftat verschafft. Die erwerbsbezogene Veranlassung wird auch dann aufgehoben,
wenn der Arbeitnehmer den Betrieb bewusst schädigen will oder sich bereichert hat. Zum Ausschluss des Werbungskostenabzugs reicht allerdings der Tatvorwurf der Untreue allein nicht aus.
Anwaltskosten sind erwerbsbezogen, wenn die zugrunde liegenden Einnahmen erfasst sind. Diese Beträge sind durch die Dienst- und nicht wegen einer anderen Rechtsbeziehung veranlasst, was dann in gleicher Weise für die Aufwendungen gilt. Eine unterschiedliche Zuordnung der Einnahmen und entsprechenden Aufwendungen würde gegen das objektive
Nettoprinzip verstoßen.
Fundstellen:
BFH 17.8.11, VI R 75/10, unter www.iww.de, Abruf-Nr. 113783
BFH 15.1.09, VI R 37/06; 18.10.07, VI R 42/04
AStW 2011/023
§ 9 EStG – Pauschaler Kilometersatz bei
Auswärtstätigkeit
Das FG Baden-Württemberg hatte jüngst entschieden, dass die Höhe des
pauschalen Kilometersatzes von 30 Cent pro Kilometer für Dienstreisen
verfassungsgemäß ist. Die aus den öffentlichen Kassen gezahlten Vergütungen, die nach den Reisekostengesetzen einzelner Bundesländer wie
etwa Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz eine pauschale Wegstreckenentschädigung von 35 Cent pro Kilometer vorsehen, sind nicht
bei der Berechnung der pauschalen dienstlichen Fahrtkosten von Arbeitnehmern zu berücksichtigen.
Eine analoge Anwendung dieses nur für die Reisekostenerstattung aus
öffentlichen Kassen geltenden höheren Kilometersatzes beim Werbungskostenabzug ist nicht möglich. Der Gesetzgeber muss nicht von ihm festgelegte Pauschsätze laufend an die allgemeine Kostenentwicklung anpassen. Es gibt keinen aus der Verfassung abzuleitenden Zwang. Zudem haben Arbeitnehmer die Möglichkeit, die tatsächlichen Aufwendungen nachzuweisen.
Der BFH hat dieses Urteil bestätigt. Hiergegen wurde inzwischen Verfassungsbeschwerde eingelegt. Daher können Einsprüche, die sich auf das
Verfahren beim BVerfG berufen, ruhen und Arbeitnehmer ihre Fälle mit
der Option auf einen höheren Werbungskostenabzug bei Dienstreisen offenhalten. Die OFD Koblenz weist darauf hin, dass dies nicht für die Entfernungspauschale bei Fahrten zwischen Wohnungs- und Arbeitsstätte
gilt. In diesen Fällen greift der Hinweis auf die Verfassungsbeschwerde
nicht, weil die zukünftige Entscheidung des BVerfG auf diese Pendelfahrten keine Auswirkungen hat. Da insoweit kein Ruhen des Verfahrens in
Betracht kommt, fordern die Finanzämter in diesem Massenverfahren die
Einspruchsführer zur Rücknahme mangels Erfolgsaussichten auf.
Fundstellen:
OFD Koblenz 10.10.11, S 2353 A - St 32 2
BFH 15.3.11, VI B 145/10, beim BVerfG unter 2 BvR 1008/11
FG Baden-Württemberg 22.10.10, 10 K 1768/10, EFG 11, 225
AStW 2011/024
§ 15 EStG – Steuerliche Einordnung von
Private Equity-Fonds
Bisher gingen deutsche geschlossene Private Equity oder Venture Capital
Fonds von einer Vermögensverwaltung statt einer Gewerblichkeit aus,
sodass Gewinne aus Beteiligungsverkäufen erst unter der Abgeltungsteuer erfasst werden. Diese sehr großzügige Praxis der Finanzverwaltung
aus dem Jahr 2003 wird jetzt vom BFH grundlegend infrage gestellt. Das
gilt insbesondere dann, wenn der Fonds seine Geschäfte über einen Managementvertrag versierten und gewerblich tätigen Personen überträgt
und die Beteiligungen nur wenige Jahre gehalten werden, bevor sie veräußert oder an die Börse gebracht werden. Die Personen handeln auf
fremde Rechnung aktiv im Management der Portfolio-Gesellschaften mit
und nehmen am Marktgeschehen teil. Das ist eher als Finanzunternehmen nach dem Kreditwesengesetz anzusehen und für einen rein vermögensverwaltend tätigen Fonds eher untypisch.
Darüber hinaus stellt der BFH klar, dass nach DBA bei Auslandsfonds das
Besteuerungsrecht für gewerbliche Einkünfte dem Staat zusteht, in dem
der Fonds seine Betriebsstätte hat. Die Gewinne bleiben in Deutschland
selbst dann steuerfrei, wenn er im Ausland über kein eigenes Büro und
kein eigenes Personal verfügt und seine Geschäfte über eine Managementgesellschaft ausüben lässt. Bleiben die Einkünfte dort aufgrund steuerlicher
Subventionen unversteuert, besteht zwar ein Besteuerungsrückfall nach §
50d Abs. 9 Nr. 1 EStG, sofern die Einkünfte anderenfalls unversteuert bleiben. Diese Regelung greift aber nur, wenn dies auf eine unterschiedliche
steuerliche DBA-Auslegung durch beide Staaten und somit einen negativen
Qualifikationskonflikt zurückzuführen ist. Liegt der Grund für die Nichtbesteuerung im ausländischen Steuerrecht, gilt die Rückfallklausel nicht
mehr. Es kommt zur generellen Steuerbefreiung – bei Einkünften aus dem
EU-Raum sogar ohne Ansatz des Progressionsvorbehalts.
Fundstellen:
BFH 24.8.11, I R 46/10, unter www.iww.de, Abruf-Nr. 113557
BMF 16.12.03, IV A 6 – S 2240 – 153/03; 1.4.09, IV C 6 - S
240/08/10008
AStW 2011/025
§ 15b EStG – Einschränkung beim
Steuersparmodell ist verfassungsgemäß
Nach dem Rechtsstaatsprinzip sowie dem Bestimmtheitsgebot hat der
Gesetzgeber Vorschriften so genau zu fassen, dass Betroffene die Rechtslage erkennen und ihr Verhalten danach einrichten können. Nach einem
Urteil vom FG Baden-Württemberg enthält § 15b EStG zur begrenzten
Verlustverrechnung bei Steuerstundungsmodellen zwar immer noch mehrere unbestimmte Begriffe, die in der Praxis vor allem bei geschlossenen
Fonds zu beachten sind. Doch dabei kann nicht mehr von einer Ansammlung gesprochen werden, so wie der BFH dies zur Vorgängervorschrift §
2b EStG festgestellt hatte.
Das FG widerspricht der Literaturmeinung, dass die Norm teilweise verfassungswidrig sei. Auch der BFH hatte in einem vorläufigen Beschluss
Zweifel anklingen lassen. Vielmehr zeigt sich in der bisherigen Praxis,
dass die Anwendungsprobleme der Norm letztlich auf die zweistufige Prüfung einer modellhaften Gestaltung und auf Verluste oberhalb der Quote
von 10 % hinauslaufen. Dies ist angesichts der klar definierten Regeln
aber handhabbar. Erste Zweifelsfragen werden durch die Rechtsprechung
derzeit geklärt.
§ 15b EStG darf Verluste aus Steuerstundungsmodellen anders als herkömmlich nicht zum sofortigen Ausgleich zulassen. Dies führt nur zu einer zeitlichen Verlagerung und es genügt, wenn die Verluste überhaupt
steuerlich berücksichtigt werden. Ein definitiver Untergang von Verlusten
ist bei planmäßigem Verlauf nicht zu befürchten. Wäre bereits nach dem
Beteiligungskonzept damit zu rechnen, dass nicht ausreichend Gewinne
zum Verlustausgleich entstehen werden, wäre die Einkünfteerzielungsabsicht des Anlegers ohnehin zu verneinen.
Fundstellen:
FG Baden-Württemberg 7.7.11, 3 K 4368/09, unter www.iww.de, AbrufNr. 113784
BFH 2.8.07, IX B 92/07, BFH/NV 07, 2270; 8.4.09, I B 223/08, BFH/NV
09, 1437
AStW 2011/026
FG Münster 8.11.10, 5 K 4566/08 F, EFG 11, 438, Revision unter IV R
59/10
AStW 2011/027
§§ 16, 34 EStG – Vermietetes Grundstück als Veräußerung eines Teilbetriebs
Die Tarifbegünstigung der §§ 16, 34 EStG auf Veräußerungsgewinne gilt
auch für einen Teilbetrieb, wenn dieser für sich organisatorisch geschlossen ist und einen mit gewisser Selbstständigkeit ausgestatteten Teil eines
Gesamtbetriebs darstellt. Er muss für sich betrachtet aber alle Merkmale
eines Betriebs aufweisen und als solcher lebensfähig sein. Das ist nach
einem aktuellen Urteil des FG Köln bei einem fremdvermieteten Grundstück zwar nicht von vornherein ausgeschlossen. Die Veräußerung als
ermäßigt besteuerter Teilbetrieb setzt allerdings voraus, dass die Vermietung beim Gesamtbetrieb ein Eigenleben geführt hatte und darüber hinaus die Grundstücksverwaltung auch außerhalb dieses Unternehmens
einen gewerblichen Charakter hätte.
Hierzu muss die Vermietung der verkauften Immobilie zuvor isoliert betrachtet werden, wie etwa bei der Betriebsaufspaltung, die Voraussetzungen eines Gewerbebetriebs erfüllen und sich als gesonderter Verwaltungskomplex aus dem Gesamtunternehmen herausheben. Kein entsprechend separates Objekt stellt dabei einfach nur vermietete oder verpachtete Grundstücke im gewöhnlichen Rahmen dar. In einem derartigen Fall
liegt kein Teilbetrieb vor und die Tarifermäßigung sowie der Veräußerungsfreibetrag kommen nicht in Betracht.
Das gilt auch für den Fall, dass das Unternehmen anschließend eine neue
Immobilie erwirbt und die bisherige Vermietung sowie die gewerbliche
Tätigkeit dadurch nicht aufgegeben sondern fortgesetzt wird. Dieser Umstand führt nicht zur Einordnung als Verkauf eines Teilbetriebs. Hierfür
müsste der Betrieb nämlich durch den Verkauf endgültig eingestellt sein,
indem die Immobilie als wesentliche Betriebsgrundlage in einem einheitlichen Vorgang veräußert oder entnommen wurde. Daran fehlt es, wenn die
verbleibenden Betriebsteile weiterhin gleichartige Leistungen erbringen.
Fundstellen:
FG Köln 15.6.11, 7 K 3773/08, unter www.iww.de, Abruf-Nr. 113785
BFH 9.12.09, X R 4/07, BFH/NV 10, 888
AStW 2011/028
AStW 2011/029
§ 18 EStG – Vergütungsvorschüsse bei
Insolvenzverwaltern
Die Vergütung des Insolvenzverwalters für die Geschäftsführung wird
grundsätzlich erst mit Verfahrensbeendigung fällig. Er kann aber aus der
Insolvenzmasse einen Vorschuss hierauf entnehmen, wenn das Insolvenzgericht zustimmt. Hierbei wird vorab das vergütet, was bislang an
Verwalterleistung erbracht worden ist. Die OFD Münster weist darauf hin,
dass der Vorschuss sowohl bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3
EStG als auch in der Bilanz mit der Entnahme aus der Insolvenzmasse
erfolgswirksam zu erfassen ist und insoweit keine Passivierung als erhaltene Anzahlung in Betracht kommt. Die Zustimmung des Gerichts hat nur
deklaratorische Bedeutung und konkretisiert den bereits mit der Arbeitsleistung entstandenen Anspruch in der Höhe.
Der Vorschuss als Teilvergütung ist keine Abschlagszahlung, er bewirkt
eine Teilerfüllung und ist endgültig. Sollte sich später die Unzulänglichkeit
der Masse herausstellen, entsteht kein Rückzahlungsanspruch. Dies gilt
auch für den vorläufigen Insolvenzverwalter, wenn sein Anspruch grundsätzlich erst mit der Beendigung der vorläufigen Verwaltung fällig wird. In
beiden Fällen tritt Gewinnrealisierung in dem Zeitpunkt ein, in dem eine
Verpflichtung wirtschaftlich erfüllt wird. Das beendet den Schwebezustand des zugrunde liegenden Geschäfts und führt unabhängig davon zur
Gewinnrealisierung, ob die Rechnung bereits erteilt ist, die Ansprüche
noch abgerechnet werden müssen oder die Forderung erst nach dem
Bilanzstichtag fällig wird. Die bisher erbrachten Teilleistungen sind bereits
nutzbar und der Anspruch auf Vergütung besteht.
Nach diesen Grundsätzen sind auch für die bis zum Bilanzstichtag erbrachten Tätigkeiten des Insolvenzverwalters – unabhängig von der tatsächlichen Entnahme von Vorschüssen – separat zu ermittelnde Vergütungsforderungen ertragswirksam zu aktivieren, wenn das Gericht der
Vergütung zugestimmt hat.
Fundstelle:
OFD Münster 27.10.11, akt. Kurzinfo ESt 32/2011
AStW 2011/030
§ 18 EStG – Aufgabe der
Vervielfältigungstheorie bei
selbstständiger Tätigkeit
Der BFH hatte jüngst die Vervielfältigungstheorie bei Freiberuflern aufgegeben, die eine sonstige selbstständige Tätigkeit nach § 18 Abs. 1 Nr. 3
EStG ausüben. Die geänderte Rechtsprechung wendet die Verwaltung
jetzt auf alle offenen Fälle an, nunmehr erfolgt eine allgemeine Abgrenzung entsprechend § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Bislang besagte diese Vervielfältigungstheorie, dass eine freiberufliche Tätigkeit ohne die Mithilfe fachlich vorgebildeter Hilfskräfte ausgeübt werden muss und eine weitergehende Unterstützung zur Gewerblichkeit abfärbt. Daran wird nicht mehr
festgehalten, sodass die Zulässigkeit des Einsatzes fachlich vorgebildeter
Mitarbeiter für freie Berufe jetzt generell in einer nach Art der Tätigkeit
unterschiedlichen Weise beurteilt wird.
Die OFD Koblenz weist darauf hin, dass die Tätigkeit von Insolvenz- oder
Zwangsverwaltern bei der Mitarbeit fachlich Vorgebildeter voraussetzt,
dass der Berufsträger weiterhin leitend und eigenverantwortlich tätig ist.
Diese sogenannte Stempeltheorie wird nur erfüllt, wenn die Berufsausübung über die Festlegung der Grundzüge der Organisation und der
dienstlichen Aufsicht hinaus durch Planung, Überwachung und Kompetenz
zur Entscheidung in Zweifelsfällen gekennzeichnet ist. Das bedeutet, dass
Insolvenz- oder Zwangsverwalter die Entscheidungen über das Vorgehen
bestimmter Schritte im Rahmen des Insolvenzverfahrens treffen müssen.
Dieses üben sie auch dann noch aus, wenn sie in einzelnen Routinefällen
nicht mitarbeiten, dies aber selber entschieden haben. Dabei ist für die
Einstufung in § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG unbeachtlich, ob die Arbeit aus
kaufmännisch-technischer Sicht auf Angestellte oder fremde Dritte übertragen wird. Jedoch entfällt mit der Aufgabe der Vervielfältigungstheorie
nicht die Prüfung, ob ein Freiberufler eine gewerbliche Tätigkeit ausübt
und inwieweit er leitend und eigenverantwortlich bleibt.
Fundstellen:
OFD Koblenz 23.9.11, Kurzinfo ESt Nr. ST 3_2011K111
AStW 2011/031
BFH 15.12.10, VIII R 50/09, BStBl II 11, 506; VIII R 37/09, BFH/NV 11,
1303
AStW 2011/032
§ 20 EStG – Anschaffungskosten
beim Erwerb gebrauchter
Lebensversicherungen
Der vom Erwerber einer gebrauchten Lebensversicherung gezahlte Kaufpreis stellt Anschaffungskosten dar, sodass die bis dahin in der Police
aufgelaufenen rechnerischen Zinsen weder negative Kapitaleinnahmen
noch vorweggenommene Werbungskosten darstellen. Das gilt generell
beim Erwerb von Kapitalanlagen und somit auch für Aufwand im Zusammenhang mit dem Abschluss von Lebensversicherungen, da bei den
Überschusseinkünften Wertveränderungen außer Betracht bleiben und
dies nur über die AfA durchbrochen wird. Damit bestätigt der BFH die
Auffassung der Finanzverwaltung.
Der Erwerber kauft Rechte und Pflichten aus einer vom Verkäufer geschlossenen Police. Zwar lässt sich der Kaufpreis rein rechnerisch in aufgelaufene Zinsen und das Versicherungsstammrecht aufteilen. Gleichwohl
handelt es sich um einen einheitlichen Kaufvertrag. Dies wird auch von
der Finanzverwaltung so gesehen. Eine Berücksichtigung als Stückzinsen
und damit negative Einnahmen beim Kauf festverzinslicher Wertpapiere
kann auf den Fall des Erwerbs einer gebrauchten Police nicht übertragen
werden. Anders als bei Anleihen stellen die Stückzinsen eine von vornherein unbestimmte Größe dar. Es ist nämlich ungewiss, ob und in welcher
Höhe sie bei der späteren Auszahlung entstanden sein werden.
Praxishinweis: Aufwendungen für den Erwerb des Anspruchs auf eine
Versicherungsleistung treten nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 3 EStG an die
Stelle der vor dem Erwerb entrichteten Beiträge und sind bei der Ermittlung des Unterschiedsbetrags bei Fälligkeit, Kündigung oder Weiterverkauf steuermindernd anzusetzen. Auch vor 2005 abgeschlossene gebrauchte Altverträge sind steuerpflichtig.
Fundstellen:
BFH 24.5.11, VIII R 46/09, unter www.iww.de, Abruf-Nr. 113311
BFH 28.10.10, VIII B 90/10, BFH/NV 11, 254
AStW 2011/033
BMF 12.12.05, IV C 1 -S 2252- 337/05, BStBl I 06, 92, Tz. 80; 22.8.02,
IV C 4 -S 2221- 211/02, BStBl I 02, 827, Tz. 6
AStW 2011/034
§ 21 EStG – Nachträglicher Schuldzinsenabzug nach dem Hausverkauf
Das FG Düsseldorf hält es für ernstlich zweifelhaft, dass kein nachträglicher Schuldzinsenabzug für die nach Abzug des Veräußerungserlöses
verbleibenden Darlehen erfolgt. Nach bisheriger Rechtsprechung waren
Kreditaufwendungen nach der Gebäudeveräußerung keine nachträglichen
Werbungskosten zu § 21 EStG mehr, weil sie aufgrund eines nicht steuerbaren Gewinns im privaten Vermögensbereich nicht mehr mit dieser
Einkunftsart in wirtschaftlichem Zusammenhang standen. Aufgrund der
geänderten BFH-Rechtsprechung zu verbleibenden Krediten nach dem
Verkauf von GmbH-Anteilen kann hieran aber nicht mehr festgehalten
werden. Das FG stellt die gesunkene Wesentlichkeitsschwelle in § 17
EStG auf eine Stufe mit der von zwei auf zehn Jahre verlängerten Spekulationsfrist. Dadurch sind nachträgliche Schuldzinsen bei den Überschussund den Gewinneinkünften gleich zu beurteilen. Das Argument der Verwaltung, bei § 21 EStG sei wegen der zeitlich begrenzten Steuerpflicht
keine ähnliche Annäherung der privaten Vermögenssphäre wie bei dauerhaft steuerverstrickten GmbH-Beteiligungen möglich, greift zumindest
dann nicht, wenn der Grundstücksverkauf innerhalb der zehnjährigen
Spekulationsfrist erfolgt und steuerbare Einkünfte erzielt werden. Im Hinblick auf die Steuerverstrickung des Grundbesitzes fehlt jedes stichhaltige
Argument, das eine unterschiedliche Beurteilung der nach Wegfall der
Einkunftsquelle anfallenden Schuldzinsen bei betrieblichen und privaten
Einkünften legitimieren könnte.
Praxishinweis: Der BFH hat in einer anhängigen Revision den Veranlassungszusammenhang bei betrieblichen und privaten Einkünften erneut zu prüfen. Bis dahin sind entsprechende Fälle offenzuhalten.
Fundstellen:
FG Düsseldorf 18.7.11, 11 V 1620/11 A (E), unter www.iww.de, Abruf-Nr.
113786
FG Baden-Württemberg 1.7.11, 3 K 136/07, Revision unter IX R 67/10
BFH 16.3.10, VIII R 20/08, BStBl II 10, 787
AStW 2011/035
§ 23 EStG – Veräußerung eines auch
im Betriebsvermögen gehaltenen
Grundstücks
Wer eine Immobilie innerhalb der zehnjährigen Spekulationsfrist wieder
veräußert, muss die Wertsteigerungen im Privatvermögen seit der Anschaffung versteuern, auch wenn er das Grundstück zeitweise im Betriebsvermögen gehalten hat. Der Gewinn aus dem privaten Veräußerungsgeschäft ist in diesem Fall um den im Betriebsvermögen zu erfassenden Gewinn zu korrigieren. Die zwischenzeitliche Aufteilung in Wohnungseigentum ändert nichts an der wirtschaftlichen Identität von angeschafftem und veräußertem Wirtschaftsgut.
Die Einlage in das Betriebsvermögen und die Entnahme aus dem Betriebsvermögen stellt mangels Rechtsträgerwechsels keine Veräußerung
dar. Nichts anderes gilt dann, wenn der Einlage kein Verkauf aus dem
Betriebsvermögen folgt. Die Einlage zum Teilwert wird der Veräußerung
gleichgestellt, was zu einer Versteuerung der im Betriebsvermögen entstandenen Wertsteigerungen führt. Das heißt aber nicht, dass auch die
vorher im Zeitraum zwischen Anschaffung und Einlage entstandenen Gewinne erfasst werden. Der ursprüngliche tatsächliche Kauf wirkt fort und
die Kosten sind zugrunde zu legen. Nur dies stellt sicher, dass alle zwischen Anschaffung und Veräußerung im Privatvermögen entstandenen
stillen Reserven erfasst werden.
Die Anschaffungs- und Veräußerungsfiktion des § 23 Abs. 1 Satz 2 EStG
erfüllt gerade den Zweck, alle Wertveränderungen im Zeitraum zwischen
tatsächlicher Anschaffung und tatsächlicher Veräußerung unabhängig davon
zu erfassen, wie lange das Wirtschaftsgut zeitweise im Betriebsvermögen
gehalten worden ist. Dabei wird der Gewinn um die im betrieblichen Bereich
erfassten Wertveränderungen korrigiert. Dieser ergibt sich, soweit der Teilwert im Zeitpunkt der Entnahme den bei der Einlage übersteigt.
Fundstellen:
BFH 23.8.11, IX R 66/10, unter www.iww.de, Abruf-Nr. 113765
BMF 5.10.00, IV C 3 - S 2256 - 263/00, BStBl I 00, 1383 Tz. 2, 5, 35
AStW 2011/036
§ 32 EStG – Kindergeldanspruch für ein
behindertes Kind
Nach dem Einkommensteuerrecht besteht für ein volljähriges Kind ein
Anspruch auf Kindergeld, wenn dieses wegen körperlicher, geistiger oder
seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten. Voraussetzung ist nach derzeitiger Rechtslage, dass die Behinderung des
Kindes vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetreten ist.
Nach einem aktuellen Urteil des BFH setzt der Kindergeldanspruch für ein
über 27 (bei Behinderungseintritt nach dem 31.12.2006: über 25) Jahre
altes Kind nicht voraus, dass neben der Behinderung auch die hierdurch
bedingte Unfähigkeit zum Selbstunterhalt vor Vollendung des 27. (bzw.
25.) Lebensjahres vorgelegen hat.
Nach Auffassung des Gerichts muss nur die Behinderung und nicht auch
die dadurch bedingte Unfähigkeit zum Selbstunterhalt vor Erreichen der
maßgeblichen Altersgrenze vorgelegen haben. Anhaltspunkte für diese
Voraussetzungen sind in § 32 Abs. 4 Nr. 3 EStG nicht gegeben und eine
weite Auslegung würde der Entstehungsgeschichte und dem Zweck der
Vorschrift entgegenstehen. Diese soll der verminderten Leistungsfähigkeit
der Eltern Rechnung tragen.
Ein Kind ist außerstande, sich selbst zu unterhalten, wenn es über keine
wirtschaftliche Leistungsfähigkeit verfügt, die zur Bestreitung seines gesamten notwendigen allgemeinen Grundbedarfs und des individuellen
behinderungsbedingten Mehrbedarfs ausreicht. So liegt eine behinderungsbedingte Unfähigkeit zum Selbstunterhalt vor, wenn die Behinderung in erheblichem Umfang die Ursache für Arbeitslosigkeit ist. Darüber
hinaus kommt diese Voraussetzung auch ohne Arbeitslosigkeit in Betracht, wenn die vom behinderten Kind erzielbaren Einkünfte nicht dessen
gesamten Lebensbedarf decken können oder der Nachwuchs behinderungsbedingt nur eine nicht ausreichende Teilzeittätigkeit ausüben kann.
AStW 2011/037
Praxishinweis: Der BFH betont, dass der fehlende Nachweis der behinderungsbedingten Unfähigkeit zum Selbstunterhalt nach den Regeln der objektiven Beweislast zulasten der Eltern geht. Die Regeln
zur Berücksichtigung volljähriger Kinder wegen Behinderung wurden
durch das Steuervereinfachungsgesetz 2011 nicht geändert.
Fundstellen:
BFH 9.6.11, III R 61/08, unter www.iww.de, Abruf-Nr. 113389
BFH 19.11.08, III R 105/07; 22.10.09, III R 50/07, BStBl II 11, 38
AStW 2011/038
§ 1 UStG – Grundsätze des EuGH zur
steuerfreien Geschäftsveräußerung im
Ganzen
Der EuGH hat die vom BFH vorgelegten Anfragen zu den Voraussetzungen der Geschäftsveräußerung im Ganzen nach § 1 Abs. 1a UStG für ein
Einzelhandelsgeschäft beantwortet. Danach liegt die Umsatzsteuerfreiheit
selbst dann noch vor, wenn die Einrichtung und der Warenbestand eines
Ladenlokals verkauft und die Geschäftsräume vom Verkäufer an den Erwerber auf unbestimmte Zeit vermietet werden, aber der Vertrag kurzfristig kündbar ist. Diese Voraussetzung reicht jedenfalls dann aus, wenn
die übertragenen Gegenstände eine dauerhafte selbstständige wirtschaftliche Tätigkeit des Erwerbers absichern können.
Nach der Mehrwertsteuer-Richtlinie können die Mitgliedstaaten die Übertragung des Gesamt- oder Teilvermögens so behandeln, als ob keine Lieferung von Gegenständen, sondern eine Übertragung an den Rechtsnachfolger vorliegt. Das gilt bei entgeltlichen und unentgeltlichen Übertragungen oder bei der Einbringung in eine Gesellschaft. Da bereits die Übertragung des Warenbestands und der Geschäftsausstattung ausreicht, um die
selbstständige wirtschaftliche Tätigkeit fortführen zu können, ist die
Übertragung der Geschäftsräume für die Einstufung Geschäftsveräußerung im Ganzen für die Frage eines Gesamtvermögens nicht ausschlaggebend. Die Dauer des Mietvertrags ist für die Beurteilung aber mit einzubeziehen. Allein die Möglichkeit, diesen auf unbestimmte Zeit abgeschlossenen Vertrag kurzfristig zu kündigen, lässt nicht die Schlussfolgerung zu, dass der Erwerber beabsichtigt, den übertragenen Geschäftsbetrieb oder Unternehmensteil sofort abzuwickeln. Die Anwendung von § 1
Abs. 1a UStG kann allein aus diesem Grund nicht abgelehnt werden.
Fundstelle:
EuGH 10.11.11, Rs. C-444/10, Schriever, unter www.iww.de, Abruf-Nr.
113787
AStW 2011/039
§ 4 UStG – Steuerpflicht bei Festvergütung für Geschäftsführung und
Haftung
Der BFH hatte jüngst zu einem vermögensverwaltenden geschlossenen
Fonds entschieden, dass die gesondert vereinbarte Festvergütung, die
der geschäftsführungs- und vertretungsberechtigte Komplementär von
seiner KG für die Haftung erhält, umsatzsteuerpflichtig ist und hierfür die
Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 8g UStG nicht in Anspruch genommen werden
kann. Diese Vorschrift gilt nur für die Übernahme von Verbindlichkeiten,
Bürgschaften und anderen Sicherheiten, nicht aber für die persönliche
Haftung.
Diese Grundsätze wendet die Verwaltung in allen offenen Fällen auf das
Verhältnis zwischen KG und Komplementär an, beanstandet aber nicht,
wenn die gegen Sonderentgelt erbrachte Haftungsübernahme vor 2012
als nicht umsatzsteuerbar behandelt wird. Keine Übergangsregel gibt es
für die Fälle, in denen der haftende Gesellschafter gegenüber der KG umsatzsteuerbare Geschäftsführungs- und Vertretungsleistungen erbringt.
Praxishinweis: Die Steuerpflicht betrifft alle Personengesellschaften,
die ihren geschäftsführungs- und vertretungsbefugten Gesellschaftern
gewinnunabhängige Haftungsvergütungen zahlen und die aufgrund
ihrer vermögensverwaltenden Tätigkeit etwa bei einer steuerfreien
Vermietungsleistung ohne Erbringung von umsatzsteuerpflichtigen
Leistungen nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt sind. Folge dieser
Rechtsänderung
ist
im
Umkehrschluss
aber
auch,
dass
der
Komplementär durch die vereinbarten Zahlungen zum Unternehmer
wird und somit zum Vorsteuerabzug berechtigt ist.
Fundstellen:
BMF 14.11.11, IV D 2 - S 7100/07/10028 :003, unter www.iww.de,
Abruf-Nr. 113788
BFH 3.3.11, V R 24/10
EuGH 19.4.07, C-455/05
AStW 2011/040
§ 10 UStG – Mindestbemessungsgrundlage bei verbilligtem Zeitungsbezug
Liefert ein Verlag die produzierten Zeitungen verbilligt an seine Arbeitnehmer nach Hause, liegen umsatzsteuerpflichtige Lieferungen nach § 10
Abs. 5 Nr. 2 UStG vor, so der BFH. Unerheblich sind insoweit die mit der
Zeitungslieferung verfolgten Ziele des Arbeitgebers. Eine Leistung aufgrund des Dienstverhältnisses liegt vor, wenn der Arbeitgeber den privaten Bedarf der Angestellten befriedigt, sofern es sich nicht um Aufmerksamkeiten handelt. Aus der EuGH-Rechtsprechung zur unentgeltlichen
Beförderung des Arbeitnehmers zwischen Wohnung und Arbeitsstätte und
zur unentgeltlichen Lieferung von Mahlzeiten an das Personal ergibt sich,
dass Leistungen an Arbeitnehmer zu privaten Zwecken nur dann nicht
steuerbar sind, wenn deren persönliche Vorteile den Bedürfnissen des
Unternehmers gegenüber nur untergeordnet sind.
Es liegen aber weder besondere Umstände der wirtschaftlichen Verlagstätigkeit vor, die einen Zeitungsbezug nach Hause erfordern würden,
noch sind zwingende betriebliche Belange ersichtlich, die wie die Gesundheitshygiene bei der verbilligten Überlassung von Arbeitskleidung die persönlichen Vorteile der Arbeitnehmer als nur untergeordnet erscheinen
lassen. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass die Zeitungen der Befriedigung des privaten Bedürfnisses an Information dienen. Der Vorteil eines erheblich ermäßigten Bezugs von Tageszeitungen ist gegenüber den
betrieblichen Gründen in Gestalt von Auflagensteigerung, Information der
Arbeitnehmer über das Produkt und Förderung der Corporate Identity
nicht nur als untergeordnet zu betrachten.
Praxishinweis: Der Umsatz wird nach dem regulären Abonnementpreis
im Verhältnis zu den Selbstkosten bemessen. Hierzu gehören alle Posten, mit denen die Kostenrechnung des Unternehmens belastet wird.
Fundstellen:
BFH 19.6.11, XI R 8/09, unter www.iww.de, Abruf-Nr. 113626
BFH 9.12.10, V R 17/10
AStW 2011/041
EuGH 20.1.005, C-412/03, BFH/NV 05, 90; 11.12.08, C-371/07, UR 09,
60
AStW 2011/042
§ 15 UStG – Vorsteuerabzug bei Solaranlagen an Privatgebäuden
Der BFH hat sich in drei Urteilen zu den grundsätzlichen Voraussetzungen
und zum Umfang eines Vorsteuerabzugs im Zusammenhang mit der Installation einer Fotovoltaikanlage geäußert. Danach ist der private Betreiber insoweit als Unternehmer tätig und damit grundsätzlich zum Abzug
der ihm in Rechnung gestellten Umsatzsteuer berechtigt, soweit er den
erzeugten Strom an einen Energieversorger liefert. Es handelt sich dabei
um Aufwendungen, die mit seinen Stromlieferungen in direktem und unmittelbarem Zusammenhang stehen. In den Urteilen ging es um drei verschiedene Sachverhalte:
1. Installation der Solaranlagen auf dem Dach eines ansonsten
nicht genutzten und leerstehenden Schuppens: Der Vorsteuerabzug aus den Herstellungskosten des Schuppens gelingt nur insoweit,
als das gesamte Gebäude für die Stromlieferungen unternehmerisch
genutzt wird und dieser Anteil mindestens 10 % der Gesamtnutzung
beträgt.
2. Die Anlage befindet sich auf dem Dach eines Carports, das zum
Unterstellen eines Privat-Pkw diente: In diesem Fall ermöglicht
diese teilweise unternehmerische und private Nutzung eine volle Zuordnung des Carports zum Unternehmen und bei Bauantrag vor dem
1.1.2011 kann der volle Vorsteuerabzug aus den Herstellungskosten
des Carports geltend gemacht werden. Im Gegenzug ist die private
Verwendung des Carports als unentgeltliche Wertabgabe nach § 3 Abs.
9a Nr. 1 UStG zu versteuern.
3. Das Dach einer vorhandenen und nicht genutzten Scheune
wurde neu eingedeckt und in diesem Zusammenhang erfolgte
die Installation der Fotovoltaikanlage auf dem Dach: Der Vorsteuerabzug aus den Aufwendungen für die Neueindeckung des Daches
besteht nur insoweit, als das gesamte Gebäude für die Stromlieferungen unternehmerisch genutzt wird. Hierbei gilt die 10 %-Grenze nicht,
da es sich statt um Herstellungskosten eines gelieferten Gegenstands
um Erhaltungsaufwendungen in Form von Dienstleistungen handelt.
AStW 2011/043
Der BFH betont, dass der unternehmerische Nutzungsanteil am jeweiligen
Gebäude vom Unternehmer im Wege einer sachgerechten und von der
Finanzverwaltung zu überprüfenden Schätzung zu ermitteln ist. Dabei
kommt ein Umsatzschlüssel in Betracht, da keine andere wirtschaftliche
Zurechnung möglich ist. Hierbei wird fiktiv ein Vermietungsumsatz für
den nichtunternehmerisch privat genutzten inneren Teil des Gebäudes
dem Umsatz für die Vermietung der Dachfläche zum Betrieb einer Solaranlage gegenübergestellt. Die Ermittlung des abziehbaren Vorsteueranteils nach dem Verhältnis der Nutzflächen scheidet aus, weil dies nicht
objektiv widerspiegelt, welcher Teil der Eingangsaufwendungen jedem
der beiden Bereiche wirtschaftlich zuzurechnen ist.
Ab 2011 ist der Vorsteuerabzug nur noch teilweise nach § 15 Abs. 1b
UStG möglich, soweit die Aufwendungen auf die unternehmerische Verwendung eines Gebäudes entfallen, selbst wenn der Gegenstand vollständig dem Unternehmensvermögen zugeordnet wird. Dann ist für private Verwendung aber auch keine unentgeltliche Wertabgabe mehr zu
versteuern. Sind teilweise unternehmerisch genutzte Wirtschaftsgüter wie
im Urteilsfall die Scheune völlig ungenutzt oder stehen sie leer, dienen sie
nicht der privaten Nutzung und eine Zuordnung zum Unternehmensvermögen kommt grundsätzlich nicht in Betracht.
Die Vorsteuer aus dem Aufwand für Kauf und Installation der Fotovoltaikanlage hingegen ist in voller Höhe möglich, auch wenn der erzeugte
Strom teilweise privat verwendet wird. Bei der Anlage als bewegliches
Wirtschaftsgut handelt es sich umsatzsteuerlich nicht um Bestandteile
des Grundstücks oder Gebäudes.
Fundstellen:
BFH 19.7.11, XI R 29/10, unter www.iww.de, Abruf-Nr. 113670
BFH19.7.11, XI R 21/10; XI R 29/09
OFD Niedersachsen 8.7.10, S 7300 - 616 - St 173
OFD Magdeburg 21.7.10, S 7300 - 122 - St 24
AStW 2011/044
ErbStG – Zweifel an
Verfassungsmäßigkeit
Der BFH hat das BMF aufgefordert, dem Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der ab 1.1.2009 geltenden Erbschaftsteuer beizutreten. Im Verfahren muss entscheiden werden,

ob die auf Steuerentstehungszeitpunkte im Jahr 2009 beschränkte
Gleichstellung von Personen in den Steuerklassen II und III verfassungsgemäß ist und

ob die Begünstigungsvorschriften der §§ 13a und 13b ErbStG in der
auf den 1.1.2009 zurückwirkenden Fassung des Wachstumsbeschleunigungsgesetzes deshalb gegen den allgemeinen Gleichheitssatz verstoßen, weil sie es ermöglichen, durch bloße Wahl bestimmter Gestaltungen die Steuerfreiheit des Erwerbs von Vermögen gleich welcher
Art und unabhängig von dessen Zusammensetzung und Bedeutung für
das Gemeinwohl zu erreichen.
Bedenken bestehen laut BFH im Hinblick auf die Anforderungen des allgemeinen Gleichheitssatzes an die Ausrichtung der Steuerlast an der finanziellen Leistungsfähigkeit und der Folgerichtigkeit, die Gewährung von
Steuerentlastungen nur bei Vorliegen entsprechend gewichtiger Gründe
des Gemeinwohls, der vollständigen Verschonung bestimmter Gegenstände von der Besteuerung nur im Ausnahmefall sowie die Ausgestaltung von Vergünstigungstatbeständen. Das betrifft insbesondere § 13b
ErbStG, der ausdrücklich auch den Erwerb eines Anteils an einer Gesellschaft in die Vergünstigungen einbezieht.
Der BFH weist darauf hin, dass das BVerfG im Rahmen seiner Entscheidung zur Rechtslage bis 2008 die Möglichkeit von Gewerbetreibenden,
gewillkürtes Betriebsvermögen in weitem Umfang zu bilden, aus verfassungsrechtlicher Sicht kritisch gewürdigt hatte. Sie können so gezielt auf
eine geringere Bemessungsgrundlage der Steuer einwirken. Diese verfassungsrechtliche Problematik besteht im neuen Recht nicht nur fort, sondern hat sich sogar noch verschärft. Die Steuervergünstigungen nach den
§§ 13a und 13b ErbStG knüpfen weiterhin an das ertragsteuerrechtliche
AStW 2011/045
Betriebsvermögen an. Hierbei lässt sich jetzt durch weitere Gestaltungen
die Höhe der Steuerbelastung noch mehr vermindern, indem die Optionen deutlich erweitert worden sind. Während bis 2008 das nach Abzug
des Freibetrags von 225.000 EUR verbleibende begünstigte Betriebsvermögen mit 65 % anzusetzen war, beträgt bereits der Verschonungsabschlag nunmehr entweder 85 % oder sogar 100% des begünstigten Betriebsvermögens.
Vor diesem Hintergrund bittet der BFH das BMF um Mitteilung, ob und
gegebenenfalls welche praktischen Erfahrungen es zu den aufgezeigten
Gestaltungsmöglichkeiten bisher schon gibt. Sollte die Prüfung der beiden
angesprochenen Verfassungsfragen einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1
oder Art. 6 Abs. 1 GG ergeben, müsste der Senat das Verfahren aussetzen und eine Entscheidung des BVerfG einholen.
Praxishinweis: Betroffene Erwerber sollten ihre Fälle über einen ruhenden Einspruch offenhalten. Das betrifft insbesondere Geschwister,
Neffen und Nichten mit Erbschaft oder Schenkung in 2009 sowie Eltern
bei einer Schenkung. Die Verbesserung bei den Steuersätzen wurde
über das Wachstumsbeschleunigungsgesetz erst 2010 eingeführt, während andere Regelungen – wie etwa die Gleichstellung von Lebenspartnern mit Ehegatten – rückwirkend gilt.
Zudem ist bereits eine Verfassungsbeschwerde gegen eine mögliche
Doppelbesteuerung anhängig, die damit begründet wird, dass bis zum
Tod aufgelaufene Zinsen als Erwerb und anschließend als Kapitaleinnahme erfasst werden. Diesbezüglich sind Rechtsbehelfe anzuraten.
Fundstellen:
BFH 5.10.11, II R 9/11, unter www.iww.de, Abruf-Nr. 113760
BFH 17.2.10, II R 23/09, beim BVerfG unter 1 BvR 1432/10
BVerfG 7.11.06, 1 BvL 10/02, BStBl II 07, 192
AStW 2011/046
BewG – Sachwertverfahren für
besonders ausgestattetes Mietwohngrundstück
Der Preis von Mietwohngrundstücken wird grundsätzlich im Ertragswertverfahren ermittelt. Dies setzt voraus, dass innerhalb derselben Region
nach Art, Lage und Ausstattung vergleichbare, vermietete Objekte vorhanden sind. Sind diese nicht in hinreichender Zahl vorhanden, kommt
insbesondere für Ein- und Zweifamilienhäuser, die sich durch besondere
Gestaltung oder Ausstattung wesentlich von Wohnungen abheben, das
Sachwertverfahren zum Ansatz. Dies begründet der BFH damit, dass die
unter Verwendung von wertvollem Material erbauten oder außergewöhnlich gestalteten Häuser nur in Ausnahmefällen vereinzelt vermietet sind
und in der Regel vom Eigentümer selbst bewohnt werden, weil er den
besonderen Aufwand nach seiner Vorstellung trägt.
Dabei greift das Sachwertverfahren bereits dann, wenn die Wohnfläche
größer als 220 m2 ist, ein größeres Schwimmbecken vorhanden ist, die
Gestaltung keine Trennung der Bereiche in mehrere Hauptwohnungen
ermöglicht oder das Grundstück einen ganz besonderen, einmaligen Charakter hat. In solchen und vergleichbaren Fällen kann die übliche Miete
nicht durch einen Zuschlag auf die höchsten im Mietspiegel ausgewiesenen Preise geschätzt werden und das Ertragswertverfahrens wäre eine
mit dem Gleichheitssatz nicht vereinbare Bevorzugung gegenüber herkömmlichen Ein- und Zweifamilienhäusern.
Praxishinweis: Bei Ein-, Zweifamilienhäusern sowie Eigentumswohnungen wird der Preis vorrangig aus Verkäufen vergleichbarer Immobilien nach § 183 BewG herangezogen, sofern solche Vergleichswerte in
genügender Anzahl vorliegen. Das wird wohl vorrangig beim Wohneigentum möglich sein. Anstelle von Verkaufspreisen können auch von
den Gutachterausschüssen ermittelte Vergleichsfaktoren herangezogen
werden. Ansonsten kommen Ertragswerte wie bei Mietwohngrundstücken zum Ansatz. Sofern auch diese Methode nicht anwendbar ist,
greift das Sachwertverfahren nach § 189 BewG.
AStW 2011/047
Das Sachwertverfahren kommt darüber hinaus nach § 182 Abs. 4 BewG
für Geschäfts- und gemischt genutzte Grundstücke ohne übliche Miete in
Betracht. Sonstige besondere wertbeeinflussende Umstände werden im
Rahmen dieser vereinfachten Ermittlung nicht gesondert angesetzt. Die
Berechnung des gemeinen Werts erfolgt aus einer Addition des Bodenrichtwerts und des Gebäudepreises, ausgehend von den gewöhnlichen
Herstellungskosten je Flächeneinheit durch Multiplikation der jeweiligen
Kosten mit den Flächeneinheiten des Gebäudes. Das Ergebnis wird dann
mit der Wertzahl aus Anlage 25 zu § 191 BewG multipliziert.
Maßgebend sind die Summe der Grundflächen aller Grundrissebenen eines Bauwerks sowie aller auf dem Grundstück vorhandenen Anlagen. Bei
einem neuen Einfamilienhaus belaufen sich die Regelherstellungskosten
beispielsweise auf 1.010 EUR je m2. Bei älteren Gebäuden ermäßigt sich
dieser Betrag entsprechend und davon wird eine lineare Alterswertminderung abgezogen. Als Untergrenze sind jedoch mindestens 40 % des Gebäuderegelherstellungswerts
anzusetzen.
Durch
das
EU-Beitrei-
bungsrichtlinie-Umsetzungsgesetz kommt es ab 2012 zu einer Anpassung
der Regelherstellungskosten an den vom Statistischen Bundesamt veröffentlichten Baupreisindex.
Fundstellen:
BFH 6.7.11, II R 35/10, unter www.iww.de, Abruf-Nr. 113789
BFH 30.1.04, II B 105/02, BFH/NV 04, 763
AStW 2011/048
§ 9 AO – Berechnung der Sechsmonatsfrist beim gewöhnlichen Aufenthalt
Ein zusammenhängender Aufenthalt von mehr als sechs Monaten als Voraussetzung für die unbeschränkte deutsche Einkommensteuerpflicht liegt
nach einem Urteil des BFH auch dann vor, wenn innerhalb dieser sechs
Monate kurzfristige Unterbrechungen vorlagen. Grundsätzlich kommt es
dabei auf die objektive Dauer unabhängig von subjektiven Vorstellungen
und Plänen des Steuerpflichtigen an. Die Frist, die bei einer Überschreitung rückwirkend auf den ersten Aufenthaltstag als Anknüpfungspunkt
für die unbeschränkte Steuerpflicht dient, muss nicht innerhalb eines Kalenderjahres überschritten werden, da der 31. Dezember keine Zeitgrenze für den jeweiligen zeitlich zusammenhängenden Aufenthalt darstellt.
Im zugrunde liegenden Fall reiste eine in der Schweiz lebende Person
montags ins Inland, wohnte im Hotel und kehrte donnerstags abends oder freitags in die Schweiz zurück. Zudem hielt er sich rund um die Feiertage und bei arbeitsfreien Wochen nicht in Deutschland auf. Ist insgesamt der Halbjahreszeitraum erreicht, bejaht der BFH das unbeschränkte
Besteuerungsrecht Deutschlands. Als gewöhnlicher Aufenthalt ist nach §
9 Satz 2 AO stets von Beginn an ein zeitlich zusammenhängender Aufenthalt von mehr als sechs Monaten zu sehen, wenn kein privater Besuch
vorliegt. Kurzfristige Unterbrechungen bleiben unberücksichtigt, wenn der
Aufenthalt nach den objektiven Umständen wie etwa der Fortdauer des
Anlasses für den Aufenthalt noch als zusammenhängend angesehen werden kann.
Häufige kurze Unterbrechungen wie übliche Familienheimfahrten und urlaubsbedingte Abwesenheitszeiten stehen einem zusammenhängenden
Aufenthalt nicht entgegen. Bei wöchentlichen Reisen handelt es sich um
ein einheitliches Ganzes. Ob lange Pausen ab eineinhalb Monaten zu einer
Unterbrechung der Aufenthaltsfrist führen, konnte der BFH offenlassen.
Fundstelle:
BFH 22.6.11, I R 26/10, unter www.iww.de, Abruf-Nr. 113790
AStW 2011/049
§ 173 AO – Grobes Verschulden bei
Fehlern in der Steuersoftware
Innerhalb kürzester Zeit haben sich gleich vier FG mit der Frage auseinandergesetzt, inwieweit die Benutzung einer Steuersoftware Auswirkung
auf das Verschulden des Steuerpflichtigen hat und damit zum Ausschluss
der Änderung wegen neuer Tatsachen zugunsten des Nutzers führt. Die
Zunahme der Urteile ist wohl dem Umstand geschuldet, dass immer mehr
Bürger den PC statt den Papierform verwenden.
1. Nach einem Urteil des FG Rheinland-Pfalz muss sich der Steuerpflichtige mögliche Fehler oder unübersichtliche Menü- und Hilfeführung
seiner Steuersoftware wie ein Verschulden seines steuerlichen Beraters zurechnen lassen, sodass eine Änderung wegen neuer Tatsachen
zu seinen Gunsten ausscheidet. Dabei ging es im Streitfall um nachgemeldete Kinderbetreuungskosten. Das Programm hatte nicht gezielt
auf die Absetzbarkeit hingewiesen.
Nach langjähriger Rechtsprechung des BFH handelt derjenige fahrlässig, der es unterlässt, die zur Erklärung gehörige Anleitung im Einzelnen durchzulesen und die enthaltenen Erläuterungen zu beachten.
Dieser Grundsatz wirkt sich auch auf die Verwendung einer Steuersoftware aus. Somit kann sich niemand darauf berufen, das von ihm
verwendete Programm habe keine Hinweise angezeigt und abweichend vom Elster-Formular keine Eingabemöglichkeit hierfür vorgegeben. Das Verschulden seines Steuerberaters bei der Anfertigung der
Steuererklärung ist auf eine andere als die amtlich bereitgestellte
Steuersoftware zu übertragen. Verfügt dieses nicht über den gleichen
Funktionsumfang, so hat der Steuerpflichtige das Risiko einer fehlenden Fragestellung zu tragen.
2. Nach Auffassung des FG Hamburg darf das FA keine überzogenen Anforderungen an die Steuerpflichtigen stellen. Das FA hat zu berücksichtigten, dass es im Elster-Formular deutlich schwieriger ist als beim
Papiervordruck, die auszufüllenden Felder zu überblicken. Es liegt kein
grobes Verschulden an der Unvollständigkeit einer Steuererklärung
vor, wenn sich das Elster-Formular nicht hinreichend deutlich mit der
AStW 2011/050
neuen Tatsache befasst und erst bei genauerer Durchsicht ein Hinweis
gefunden werden kann.
3. Das FG Rheinland-Pfalz hat im Falle eines Übertragungsfehlers in die
elektronische Bildmaske vom Elster-Formular entschieden, dass dies
nicht stets als grobes Verschulden des Steuerpflichtigen gewertet werden kann. Es entspricht nach Meinung des Finanzgerichts allgemeiner Lebenserfahrung, dass solche Fehler trotz großer Sorgfalt bei
der Übertragung von Daten immer wieder vorkommen. Dies wird bei
dem Elster-Formular durch die technischen Gegebenheiten einer Vielzahl von Bildmasken und Fenstern begünstigt, die stets nur einen
kleinen Ausschnitt des Gesamtdokuments zeigen. Vor dem Hintergrund, dass ein Übertragungs- oder ein Eingabefehler bei der Erfassung von Steuererklärungsdaten das FA zur Korrektur wegen offenbarer Unrichtigkeit berechtigt, ist dies schon aus Gründen der Gleichbehandlung auf das grobe Verschulden zu übertragen.
4. Strikter ist das FG Sachsen-Anhalt. Hiernach ist der Grundsatz, dass
ein Steuerpflichtiger grob fahrlässig handelt, wenn er es unterlässt,
die Anleitung zur Einkommensteuererklärung, die sich auch im ElsterProgramm befindet, im Einzelnen durchzulesen und die darin enthaltenen Erläuterungen zu beachten, auch auf mithilfe von Elster erstellte
Steuererklärungen zu übertragen.
Praxishinweis: Da zu dieser Streitfrage Revisionen anhängig sind,
kann der BFH die Auswirkungen des groben Verschuldens in Hinblick
auf PC-Programme aktualisieren. Anträge auf Änderung wegen neuer
Tatsachen nach § 173 AO sollten bis zu den Entscheidungen des BFH
offengehalten werden.
Fundstellen:
FG Rheinland-Pfalz 30.8.11, 3 K 2674/10, unter www.iww.de, Abruf-Nr. 113452
FG Rheinland-Pfalz 13.12.10, 5 K 2099/09, Revision unter X R 8/11
FG Hamburg 27.9.11, 1 K 43/11
FG Sachsen-Anhalt 30.6.10, 2 K 742/09, Revision unter VI R 5/11
BFH 23.1.01, XI R 42/00, BStBl II 01, 379
AStW 2011/051
InvZulG – Zulage für leer stehende
Wohnung
Hinsichtlich einer Investitionszulage können Wohnungen auch fremden
Wohnzwecken dienen, wenn sie mehr als ein Jahr leer stehen. Nach dem
Urteil des BFH ist insoweit zwischen Investitionszulage und Sanierungsförderung nach § 7k EStG zu unterscheiden. Die Zulage setzt nicht voraus, dass der Investor das Gebäude zu Wohnzwecken überlässt, ausreichend ist, dass leer stehende Räume Wohnzwecken dienen. Dem steht
nicht entgegen, dass der Inhaber auch bereit war, sie als Anlageobjekte
zu verkaufen. So macht etwa § 7 Abs. 4 EStG die AfA davon abhängig, ob
ein Gebäude Wohnzwecken dient, was während eines Leerstandes erfüllt
ist.
Der BFH hatte bislang entschieden, dass das Tatbestandsmerkmal des
„zu Wohnzwecken dienen“ dem Wortsinn nach eine tatsächliche Nutzung
des Wirtschaftsguts zu bestimmten Zwecken erfordert. Daran hält er
nicht mehr fest. Ein Wirtschaftsgut dient dem Betrieb auch dann, wenn es
gegenwärtig nicht genutzt, aber für eine spätere betriebliche Nutzung
vorgehalten wird. Dies steht im Einklang mit der Verwaltungsauffassung
in R 7.2 Abs. 1 EStR, wonach ein Gebäude bereits dann Wohnzwecken
dient, wenn es dazu bestimmt und geeignet ist, Menschen auf Dauer Aufenthalt und Unterkunft zu ermöglichen.
Das InvZulG strebt die Sanierung des Mietwohnungsbestandes an, was
bereits durch nachträgliche Herstellungs- und Erhaltungsarbeiten erreicht
wird. Die angestrebte Verbesserung des Wohnungsbestandes tritt bereits
mit Abschluss der Arbeiten ein, bevor es zur Vermietung kommt.
Fundstellen:
BFH 7.7.11, III R 91/08, unter www.iww.de, Abruf-Nr. 113621
BFH 24.2.10, III R 69/07
AStW 2011/052
Steuern kompakt
§ 3 EStG – Steuerfreier Lohn beim Bundesfreiwilligendienst
Nach einem Beschluss auf Bund-Länderebene bleibt Bar- und Sachlohn
an Leistende im neuen Bundesfreiwilligendienst bis auf Weiteres vorbehaltlich einer späteren Gesetzesregelung aus Billigkeitsgründen steuerfrei. Dennoch müssen Arbeitgeber sämtliche Arbeitgeberpflichten beachten, insbesondere die Vorlage der Lohnsteuerkarte in 2011, den Abruf der
ELStAM ab 2012, die Abgabe einer Lohnsteueranmeldung als Nullmeldung und die Erteilung der elektronischen Lohnsteuerbescheinigung mit
steuerpflichtigem Lohn von Null (Bayerisches LfSt 24.10.11, S 2331.1.11/9 St32, unter www.iww.de, Abruf-Nr. 113621).
§ 5 EStG – RAP bei Darlehen mit fallenden Zinssätzen
Für Darlehen mit fallenden Zinssätzen ist zu Vertragsbeginn eine aktive
Rechnungsabgrenzung zu bilden, wenn der Kreditnehmer bei vorzeitiger
Kündigung eine Erstattung der gezahlten Überverzinsung verlangen kann
oder das Darlehen nur aus wichtigem Grund gekündigt werden kann und
die Parteien dieser Möglichkeit nur theoretische Bedeutung beimessen.
Wird jedoch bei vorzeitiger Vertragsauflösung der anfänglich überhöhte
Zinssatz nicht ausgeglichen, kommt kein RAP in Betracht (BFH 27.7.11, I
R 77/10, unter www.iww.de, Abruf-Nr. 113558).
§ 36 EStG – Lohnsteuerbescheinigung hat keine Bindungswirkung
Hat ein Arbeitgeber Lohnsteuer in unzutreffender Höhe einbehalten und
angemeldet und stellt er eine unzutreffende Lohnsteuerbescheinigung
aus, ist das FA bei der Veranlagung des Arbeitnehmers nicht verpflichtet,
die ausgewiesene Lohnsteuer als die durch Steuerabzug erhobene Einkommensteuer nach § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG zu berücksichtigen. Die Bescheinigung ergibt lediglich einen widerlegbaren Beweis. Es besteht im
Rahmen der Einkommensteuerveranlagung keine Bindung an ihren Inhalt
(BFH 18.8.11, VII B 9/11, unter www.iww.de, Abruf-Nr. 113791).
§ 4 UStG – Verkehrstherapien sind nicht steuerfrei
Ein
Verkehrspsychologe,
der
Autofahrer
auf
die
medizinisch-
psychologische Untersuchung zur Wiedererlangung der Fahrerlaubnis
AStW 2011/053
vorbereitet, übt keine steuerbefreite Heilbehandlung nach § 4 Nr. 14
UStG aus. Begünstigt sind Behandlungen, die direkt an der Krankheit und
deren Ursachen anknüpfen. Hauptziel der Verkehrstherapie ist in erster
Linie der Wiedererhalt der Fahrerlaubnis. Wenn hierdurch auch die Verbesserung der Lebensverhältnisse der Patienten bezweckt wird, handelt
es sich um Maßnahmen zur Steigerung des allgemeinen Wohlbefindens
und um nichtmedizinische Maßnahmen im Bereich der allgemeinen Lebensführung (FG Münster 9.8.11, 15 K 812/10 U, unter www.iww.de, Abruf-Nr. 113792).
§ 10 UStG – Zulassungssteuer erhöht die Bemessungsgrundlage
Viele EU-Staaten erheben zusätzliche Zulassungssteuern beim Erwerb
von neuen oder auch gebrauchten Kfz. Hierbei handelt es sich um Steuern, Zölle, Abschöpfungen und Abgaben nach der MehrwertsteuerRichtlinie. Diese Zulassungssteuer ist bei der Bemessung der Umsatzsteuer auf die Lieferung des Fahrzeugs mit einzubeziehen (EuGH 28.7.11,
C-106/10, unter www.iww.de, Abruf-Nr. 113793).
§ 12 UStG – Ermäßigte Besteuerung von Stadtrundfahrten
Die Steuerermäßigung des § 12 Abs. 2 Nr. 10 UStG für die Beförderung
von Personen gilt auch für Stadtrundfahrten, die Freizeit oder Tourismus
dienen. Voraussetzung ist nur, dass es sich um einen genehmigten Linienverkehr handelt und die Beförderungsstrecke innerhalb einer Gemeinde liegt oder eine bestimmte Strecke nicht überschreitet. Die Ermäßigung dient nicht nur sozialen Zwecken. Das Entgelt für Führungen ist
aber eine selbstständige Leistung, die nicht ermäßigt besteuert werden
kann (BFH 30.6.11, V R 44/10, unter www.iww.de, Abruf-Nr. 113560).
§ 13b UStG – Ansässigkeit im Ausland
Ein Unternehmer ist für die Beurteilung der Umkehr der Steuerschuldnerschaft nach § 13b Abs. 2 Nr. 1 UStG im Ausland ansässig, wenn er dort
den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit und eine feste Niederlassung
hat. Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthaltsort des Unternehmers sind
nur dann für die Bestimmung des Ortes heranzuziehen, wenn Angaben
zum Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit fehlen, von wo aus die Umsätze
AStW 2011/054
bewirkt worden sind (EuGH 6.10.11, C 421/10, unter www.iww.de, Abruf-Nr. 113651; Vorlage BFH 30.6.10, XI R 5/08).
§ 14 UStG – Korrektur bei Geschäftsveräußerung wirkt nicht zurück
Für die Berichtigung der unberechtigt in einer Rechnung ausgewiesenen
Umsatzsteuer für eine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung im Ganzen
gelten keine Besonderheiten. Nach § 17 UStG ist die Berichtigung für den
Zeitraum vorzunehmen, in dem die Änderung der Bemessungsgrundlage
eingetreten ist. Es kommt nicht zur Rückwirkung auf den Zeitpunkt der
ehemaligen Rechnungserteilung mit Steuer (BFH 28.7.11, V B 115/10,
unter www.iww.de, Abruf-Nr. 113794).
§ 25a UStG – Differenzbesteuerung beim Verkauf von Anlagevermögen
Ein Wiederverkäufer kann die Differenzbesteuerung des § 25a UStG bei
Anlagegütern nur noch dann anwenden, wenn der Wiederverkauf beim
Erwerb zumindest nachrangig beabsichtigt war und dies aufgrund seiner
Häufigkeit zur normalen Tätigkeit des Unternehmers gehört. Bei Verkäufen bis Ende 2011 darf der Unternehmer § 25a UStG unabhängig davon
anwenden, ob er mit diesen Anlagegütern gewerbsmäßig handelt (BMF
11.10.11, IV D 2 - S 7421/07/10002, unter www.iww.de, Abruf-Nr.
113496; BFH 29.6.11, XI R 15/10).
§ 14 BewG – Aktualisierte Sterbetabelle für den Kapitalwert
2009 wurde die Sterbetafel des Statistischen Bundesamts aktualisiert.
Daraus ergeben sich längere Lebenserwartungen und ein ansteigender
Kapitalwert. Die Erhöhung lag 2009 je nach Lebensalter und Geschlecht
zwischen 0,5 und 1,5. Nunmehr hat das BMF die ab dem 1.1.2012 anzuwendende Sterbetabelle 2008/2010 des Statistischen Bundesamtes herausgegeben. Im Vergleich zu 2011 gibt es bei Männern und Frauen nur
geringfügig längere Lebenserwartungen und somit marginal höhere Vervielfältiger
im
Nachkommabereich
(BMF
26.9.11,
IV
C
2
-
S
3104/09/10001, unter www.iww.de, Abruf-Nr. 113795).
§ 240 AO – Säumniszuschlag bleibt bei geändertem Steuerbescheid
Säumniszuschläge sind auch dann zu zahlen, wenn sich die Steuerfestsetzung später als unrechtmäßig herausstellt. Sie sind ein Druckmittel
AStW 2011/055
eigener Art, mit dem der Schuldner zur rechtzeitigen Zahlung angehalten
werden soll und verfolgt den Zweck, eine Gegenleistung für das Hinausschieben der Zahlung fälliger Steuern zu erhalten. Hiermit werden auch
Verwaltungsaufwendungen abgegolten, die durch die nicht fristgemäße
Zahlung fälliger Steuern entstehen. Ein Erlass aus sachlichen Billigkeitsgründen kommt nicht allein deshalb in Betracht, weil die Steuer später
zugunsten des Steuerpflichtigen herabgesetzt wird (FG München 5.4.11,
14 K 1409/09, unter www.iww.de, Abruf-Nr. 113796).
Berufsrecht – Tätigkeit als angestellter Syndikus-Steuerberater
Eine steuerberatende Tätigkeit im Angestelltenverhältnis ist auch bei
Vollzeitbeschäftigung mit dem Beruf des Steuerberaters vereinbar und
steht somit der Bestellung als Steuerberater nicht entgegen. Eine Tätigkeit als selbstständiger Steuerberater in nennenswertem Umfang kann
nicht gefordert werden. Der Syndikus ist ebenso wie der hauptberufliche
Steuerberater an keine Mindestarbeitszeiten gebunden, sondern darf den
Umfang seiner Tätigkeit frei bestimmen. Damit kann der Beruf des Steuerberaters sowohl haupt- als auch nebenberuflich ausgeübt werden (BHF
9.8.11, VII R 2/11, unter www.iww.de, Abruf-Nr. 113562).
Limited – Für internen Streit sind englische Gerichte zuständig
Wo sich der maßgebliche Sitz der Gesellschaft in einem EU-Mitgliedstaat
befindet, bestimmt sich grundsätzlich nach dem Satzungssitz im Herkunftsstaat. Bei einer nach englischem Recht gegründeten Private Limited
Company sind daher für alle Streitigkeiten zwischen Gesellschaftern sowie zwischen Beteiligten und den Organen der Limited britische Gerichte
zuständig, auch wenn der tatsächliche Verwaltungssitz der Gesellschaft in
Deutschland liegt und allein dort Geschäfte betrieben werden (BGH
12.7.11, II ZR 28/10, unter www.iww.de, Abruf-Nr. 113140).
Herunterladen