Prozessbegleitende_F_Prammer_Semmler

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Eva Prammer-Semmler/ Ingrid de Verrette
Pädagogische Hochschule Oberösterreich PHOÖ
INHALT DES WORKSHOPS
Förderung ist nicht ausschließlich ein Prozess der
von außen (den Lehrer/innen) initiiert wird.
Ziele, Vorstellungen, Motive und Handlungen von
Schüler/innen wie Mitarbeiter/innen spielen dabei
eine große Rolle.
Warum also, sollten sie in der förderdiagnostischen
Arbeit nicht als Partner/innen kooperieren?
Der WS beschäftigt sich mit dem sich anbahnenden
Paradigmenwechsel in der förderdiagnostischen
Arbeit.
Es werden Umsetzungsmöglichkeiten vorgestellt
und diskutiert.
Ablauf der Präsentation
Bestimmung der Begriffe
 Internationale und nationale Befunde
 Förderdiagnostische Praxis, die
Prozessbegleitung und Partizipation
berücksichtigen
 Überlegungen aus der (Reform)pädagogik
 Zusammenfassung und Überleitung zur
Diskussion

Prozessbegleitung

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KOBI (1977)beschrieb Förderdiagnostik als auf einem
dialogischen Prinzip beruhend und im Gegensatz zur
Statusdiagnostik immer prozessorientiert und als eine
begleitende Diagnostik.
Er definierte Förderdiagnostik als
Lebensraumdiagnostik und empfahl gemeinsam mit
den betroffenen Personen, Lebensperspektiven zu
entwerfen. Damit betonte er den Aspekt der
Förderung, die sich aber auch an Zielen und Motiven
der jeweiligen Personen zu richten hat.
Partizipation
im Sinne von Teilhabe, Teilnahme, Mitwirkung, Mitbestimmung
„State of the art“
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BUNDSCHUH : Kind im Mittelpunkt der Diagnostik, Frage nach Motiven,
Bedürfnissen und Zielen
DAX und MEISTER argumentieren für den Aufbau einer "pädagogischen
Reflexionskultur" innerhalb der Kollegien.
KLEBER stellt die "Sichtweise der Betroffenen im diagnostischen Prozess"
ins Zentrum und betont Besonders seine Forderung nach Partizipation des
Schülers am Beurteilungsprozess.
BOBAN und HINZ stellen das "Diagnostische Mosaik" vor, dessen
Charakteristikum in der Beteiligung möglichst vieler Personen besteht.
HILDESCHMIDT argumentiert für Ökosystemische Diagnostik und
unterstreicht, dass es nicht um Selektion, sondern um Modifikation geht.
ZWACK-STIER und BÖRNER weisen auf die Diagnostiker/innen hin und wie
angreifbar das zugrunde liegende Menschenbild ist.
(vgl. Eberwein, Knauer, 2003)
Gesetzliche Grundlagen
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Richtlinien für die Anwendung von Individuellen Förderplänen“ (BMUKK
6/2009)
Die Arbeit mit individuellen Förderplänen dient der besonderen Förderung
der Schülerinnen und Schüler.
Die Unterrichtsthemen sind mit den in den Individuellen Förderplänen
beschriebenen Methoden zu erarbeiten.
Ziel ist es, das individuelle Entwicklungspotenzial der Schülerinnen und
Schüler auszuschöpfen.
Stichwörter
Einbeziehung von Eltern, prozessbegleitend, Mitwirkung von Lehrerteams –
verantwortlich ist die/der Sonderpädagog/in, fundierte Kind – Umfeld Analyse
Stellungnahmen von Expert/innen
aus 29 Ländern
“Die Zypern-Empfehlungen zum inklusionsorientierten Assessment”
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Die Schüler/innen und Schüler (mit/ohne SPF) sind zur
Mitgestaltung an Assessmentverfahren, denen sie unterzogen
werden, berechtigt.
Alle Schüler/innen haben das Recht, Assessmentverfahren zu
erfahren, die
verlässlich und aussagekräftig sind und den speziellen
Bedürfnissen einzelner angepasst sind.
Alle Assessmentverfahren sollten konsequent und koordiniert
auf das Ziel der Unterstützung von Lernen und Lehren
ausgerichtet sein.
Inklusionsorientiertes Assessment wirkt sich auf den
Unterricht und das Lernen aller Schüler/innen förderlich aus.
...
Internationale Befunde
Schweden
Teamarbeit und Verantwortlichkeit
Zusammenarbeit aller Personen - auch Eltern und Schüler/innen
Dokumentation
Form ist nicht das Entscheidende, sondern Verständlichkeit für alle
Zielsetzung

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Wie sollten Dinge sein, verglichen mit jetzt?
...
Methoden
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Wie werden die Methoden wo angewendet?
...
Evaluation
Alle Personen sollten sich auch an der Evaluation beteiligen.
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Waren Veränderungen? Wenn nicht, warum?

Welche neuen Bedürfnisse, Wünsche und Möglichkeiten gibt es jetzt?

...
(vgl. Feyerer/Hauer,2006)
Internationale Befunde
Kanada
 Zusammensetzung
eines
Förderplanteams
 Sammeln und Sichten von Informationen
 Entwickeln und Schreiben
 Implementieren und Evaluieren
Internationale Befunde
Schweiz – Schulische Standortgespräche
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Orientierung an Teilbereichen der ICF: phänomenologische
Beschreibungen entlang der Lebensbereiche der ICFKomponente «Aktivitäten und Partizipation»
gleichberechtigter Einbezug der Beteiligten
Förderorientierung mit klar formulierten Zielsetzungen: Es wird
nicht in erster Linie eine besondere sonderpädagogische
Maßnahme definiert, sondern Förderziele, zu denen möglichst
alle der Beteiligten das Ihre beizutragen haben.
Systematische Überprüfung: Die vereinbarten Ziele werden –
wiederum unter Einbezug aller wesentlichen Beteiligten –
periodisch überprüft und gegebenenfalls angepasst.
Vgl. Gschwend,Lienhard, Steppacher, 2006
Nationale Befunde
Textanalyse von 50 Förderplänen
Exemplarische Schülerleistungen: nie
 Elternmeinungen: nie
 Meinungen der MitschülerInnen: nie
 Stärken der/des S: 4 von 50 Plänen
 Analyse des Lernfeldes: nie
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Vgl. Feyerer/Hauer, 2006
Ist der Paradigmenwechsel in der Praxis angekommen?
Nationale Befunde - Empfehlungen
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Formale Kriterien: Elemente eines Förderplans, zeitliche Abläufe,
Umfang von Förderplänen, Verhältnis des Förderplans zur
Unterrichtsvorbereitung, Evaluation
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Partizipation, Kooperation
Vernetzung individueller Förderung und Klassenunterricht
Kooperation
Qualitätssicherung
Richtlinien vs. Freiräume
Datenschutzproblematik
Mehrwert vs. Mehrbelastung
Persönliche Conclusio
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Defizite stehen im Vordergrund
(Sprachkompetenz: Thomas vermeidet es zu sprechen, so gut er nur kann.)
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Diagnostische Befunde hängen sehr stark von den
Einstellungen und dem Wissen einzelner Diagnostiker/innen
ab. (z.B. Teilleistungsschwächen)
Förderung findet oft getrennt von Unterricht statt.
Partizipation und Kooperation sind kaum vorhanden.
Kind–Umfeld–Analyse bezieht sich – wenn – dann auf das
Elternhaus. (Sein Vater schaltet sich nur dann ins Schulgeschehen ein, wenn er sich beschweren will.)
Probleme: Individuelle Förderung und Jahresziele
Schwerpunkt Produkt und nicht Prozess
Gängige f.d. Konzepte, die Prozesshaftigkeit und
Partizipation berücksichtigen
ÜBERBLICK
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Einbeziehung von Sichtweisen von Eltern (Senckel)
Peer Counseling & Persönliche Zukunftsplanung (van Kan
&Doose)
Persönliche Zukunftskonferenz (Circles, MAPs & PATHs
(Boban/Hinz)
Berücksichtigung von Lernmotiven (Kretschmer)
Dialogische Entwicklung (Bensch/Klicpera)
I – E – P (Eggert)
Kind–Umfeld–Analyse (Sander)
Unterstützte Kommunikation (Kristen)
Peer Counseling & Persönliche Zukunftsplanung
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Paradigmenwechsel von der „Theorie der
Andersartigkeit“ zu einer „Theorie der Dialektik von
Gleichheit und Verschiedenheit“
Persönliche Zukunftsplanung bietet sich immer dann
besonders an, wenn sich die Lebenssituation
verändert oder diese verändern soll: z.B.
- Eintritt in die Schule
- Übertritt von GS in SEK
- Übergang von der Schule ins Berufsleben
Peer Counseling & Persönliche Zukunftsplanung
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Suche nach Fähigkeiten und Stärken
Ziel: Erweiterung der Lebensqualität (Bildungsqualität)
Hilfeplanung gestaltet von der betroffenen Person, Familie,
Freunde und Fachleuten
"Geschichten", Episoden von Menschen, die die Person gut
kennen
sieht die Person im Kontext des regulären Lebens in der Region
(neuen Schule)
Verfahrensweise nicht vorgeschrieben - kontextabhängig
betroffene Person steuert den Plan und die Aktivitäten
Zielrichtung: Stärkung und Verwirklichung der Ziele des
Planenden durch das Angebot geeigneter individueller
Maßnahmen, lernende Organisation
Circles, MAPs & PATHs
1. Menschen, mit denen die
Person am vertrautesten ist.
2. Menschen, die ihr nahe
stehen.
3. Menschen, mit denen die
Person über Arbeits- und
Interessenszusammenhänge
verbunden ist.
4. Menschen, die für eine
Rolle im Leben der Person
bezahlt werden.
Circles, MAPs & PATHs
unsere
Ziele beschreiben
unsere Visionen beschreiben
die Gegenwart beschreiben
Bündnispartner suchen:
Wege erkennen, sich zu
stärken
Aktionsplan für die nächsten
Monate
Aktionsplan für den nächsten
Monat
der nächste Schritt
Dialogische Entwicklungsplanung
Grundlage der Planung:
Bedürfnisse und Interessen der Menschen mit
Behinderung und deren Lebensstil
maximale Einbeziehung der betroffenen Person
sie bestimmt selbst die Ziele für die
Entwicklungsplanung
Rolle der Mitarbeiter/innen:
Klient/innen bei der Auswahl der Ziele und bei der
Durchführung der erforderlichen Maßnahmen
unterstützen
Unterstützte Kommunikation
geht von den Kompetenzen
von Kindern aus
 macht persönliche
Kommunikationsstile allgemein
verständlich
 orientiert sich an alltäglichen
Interessen und Lebensbezügen
orientiert sich an
kommunikativen Interessen von
Peergroups

Einbeziehung von Sichtweisen von Eltern
Umgang mit Kindern – Lehrermeinung
Thomas kann kaum Prozesse mit den Kindern gestalten. Sie „erziehen“ ihn
und machen ihm sehr vehemente Angebote von dem, was sie meinen, dass ihm
gefallen könnte. Er muss eigentlich immer das Gefühl haben, etwas tun zu müssen,
wenig beeinflussen zu können, außer er greift auf seine alten „Muster“ zurück. Es
braucht also Angebote, die er mitgestalten kann!
Umgang mit Kindern – Elternmeinung
Kinder erscheinen sehr einfühlsam und akzeptieren ihn so wie er ist.
Empfinden ihn als lustiges Kind, das jedoch viel Pflege und Zuwendung braucht.
Was macht ihr gerne mit Thomas? Kindermeinung
herumtollen, Unfug, füttern, davonlaufen, turnen, Grashalm bringen ….
Auszug aus Lernausgangslage, 4. VS - Klasse
Berücksichtigung von Lernmotiven und
Einstellung (Kretschmer, Weilburg, 23.9.2009)
I-E-P nach Eggert
Zu: Einschätzung der eigenen Person sowie Sichtweise der Situation und der
Förderbedürfnisse aus dem Blickwinkel des Kindes/Jugendlichen
 Selbstkonzept
 Einschätzen der eigenen Leistungen
 Erfolgs- od. Misserfolgserwartung
 Motivation
 Sicherheit in sozialen Situationen
 Selbstbild
 Vorstellung von der eigenen handelnden Person
 verbale Selbstdarstellung
 Schilderung des Körpererlebens
 Fremdbild
 wie meint das Kind, dass andere es sehen
 Wirkung auf andere
I-E-P nach Eggert
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Welche Gefühle hat bzw. äußert das Kind/der Jugendliche?
 allgemeine Lebensgefühle und Stimmungen
 Einstellungen zur Schule , zur Klasse, zur Förderung, zur
Lehrerin, …
Welche Bedeutung hat das gegenwärtige Problem?
Selbstzeugnis schreiben lassen
Welche individuellen Förderbedürfnisse sieht das Kind/der
Jugendliche für sich?
 in welchen Bereichen sich das Kind/der Jugendliche
verbessern möchte
 ob es/er seine eigenen Schwierigkeiten erkennen und
benennen kann
Welche Bedeutung hat das Gespräch?
Kind-Umfeld-Diagnose (SANDER)
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möglichst umfassender Einbezug von pädagogischen
Bedürfnissen und Ressourcen des Kindes und seines
Umfeldes
Erfüllung (sonder)pädagogischer Bedürfnisse
ökosystemischen Ansatz: Selbstorganisation,
Ausnutzen der bestehenden Ressourcen
Themenbereiche: Wünsche, Zielvorstellungen,
Vorgeschichte, derzeitige Lebenssituation des Kindes,
Selbstorganisation (Kind und Umfeld), Ressourcen,
Umsetzung ,der nächste Schritt
Ansätze aus der (Reform)Pädagogik
“Unübliche diagnostische Inventarien?”
 Zielvereinbarungen im Rahmen der
alternativen Leistungsrückmeldung
 Portfolio im Rahmen der alternativen
Leistungsrückmeldung
 Gesprächskultur, Konfliktlösung, Klassenrat
 Bildungsstandards
...
Bildungsstandards

Das eigene Denken und Lernen zum Thema
machen:
AK 3 KOMMUNIZIEREN
Math. Sachverhalte in
unterschiedliche
Repräsentationsformen
darstellen .
Math. Sachverhalte
verbalisieren und
begründen können
Aufgaben in
eigener Sprache
wiedergeben
Aufbau eines math.
Wortschatzes.
Kommunizieren
Argumentieren
Handlungsweisen
begründen und
überprüfen
Strategien
austauschen
Lernen nach math.
Aspekten zu fragen.
Gedanken und Lösungswege verbalisieren /
protokollieren
Bildungsstandards Seminarunterlagen Heidemarie Schoeller März 2009
Zielvereinbarungen im Rahmen der alternativen
Leistungsrückmeldung
Portfolio im Rahmen der alternativen
Leistungsrückmeldung
“Ich möchte in der Klasse
mehr laut reden. Ich trau
mich nicht.” (Laura, 10)
Maßnahmen:
Sprechunterstützung durch
PPT, Moderationskarten…
 Eintrag im Portfolio: “Die PPT
war super. Ich habe allen
etwas von den Fröschen
erzählt.”

So schaue ich
aus
Verschließbare Nasenlöher
klebrige, ausklappbare Zunge
–
Trommelfell (hören)
Vorderfuß mit Fingern
Hinterfuß mit Schwimmhäuten
Gesprächskultur, Konfliktlösung, Klassenrat
Klassenrat, 23. JÄN. 04
Antrag - LL: Was wollt ihr? Eislaufen
oder Schifahren?
Es wurde abgestimmt. Mehr als die
Hälfte waren fürs Eislaufen.
Anfrage – S: Wie wissen wir, was der
Thomas (nicht lautsprachlich komm.)
will?
Antrag – SS: Wir machen beides und
schauen einmal, was ihm gefällt.
Auszug aus dem Protokollbuch, 1.HS
Miteinbeziehung von
Mitschüler/innen
Abschließende Bemerkungen
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Kind–Umfeld–Diagnose meint auch Unterricht
von der pathogenetischen Diagnostik zur
salutogenetischen
von der Risikoanalyse zur Schutzfaktorenanalyse
Akzentuierung von Diagnostik und
Unterrichtsmethodik
Miteinbeziehung von Beteiligten
Förderteams
begünstigende Rahmenbedingungen
arbeitsverträgliche Gewichtung von Prozess und
Produkt
Literatur
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EBERWEIN, H., KNAUER S. (Hrsg.) (2003). Handbuch Lernprozesse verstehen. Wege einer
neuen (sonder-)pädagogischen Didaktik. Beltz Verlag, Weinheim und Basel
HAUER, K. & FEYERER, E. (2006). Individuelle Förderpläne für Schüler/innen mit ASO-Lehrplan.
Eine Bestandsaufnahme der Situation in Österreich (2005/06) und internationale Aspekte.
http://www.cisonline.at/publikationen/individuelle-foerderung-publikationen/individuellefoerderplaene-fuer-schuelerinnen-mit-aso-lehrplan.html [Stand 2007-02-12]
KRETSCHMANN, R. (2009): Pädagogische Diagnostik als Grundlage für die Begleitung von
Lernprozessen. Weilburg, 23.9.09
FALVEY,M.et all (2000): All my Life‘s a Circle. Using the Tools: Circles, MAPS & PATHS. Toronto:
Inclusion Press
SANDER, A. (1993): Kind-Umfeld-Diagnose: Ökologischer Ansatz in der Diagnostik, in: Hofmann,
R./u.a.: Kinder mit Förderbedarf - Neue Wege in der sonderpädagogischen Diagnostik,
Brandenburg
EGGERT, D. (2000 u. 2007): Von den Stärken ausgehen... Individuelle Entwicklungspläne (IEP)
in der Lernförderungsdiagnostik. Borgmann, Dortmund
VAN KAN P., DOOSE ST. (1999): Zukunftsweisend: Peer Counseling & Persönliche
Zukunftsplanung. Bildungs- u. Forschungsinstitut z. selbstbestimmten Leben Behinderter
BENSCH C., KLICPERA CH. (2000): Dialogische Entwicklungsplanung. Edition S, Heidelberg
KRISTEN, U. (2004): Handbuch der Unterstützten Kommunikation, 12
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