Eine Stundengestaltung von Stefanie Kilian und Katharina Benning FSU Jena Fakultät für Sozial- und Verhaltenswissenschaften Institut für Erziehungswissenschaft Seminar: „Besonders schwierige Kinder und Jugendliche“: Auffälligkeiten und Beeinträchtigungen im Blickfeld Heimerziehung Dozent: Kristin Georgy, M.A. WAS VERBINDET IHR MIT DEM BEGRIFF BINDUNG? WAS FÄLLT EUCH ZUM THEMA BINDUNG EIN? 1. Bindung – Eine Einführung 1.1Begriffsklärung 1.2 Grundannahmen der Bindungstheorie 1.3 Bindungsentwicklung 1.4 Allgemeine Fakten zur Bindung 1.5 Mütterliche Sensitivität 2. FST und Bindungstypen 3. Innere Arbeitsmodelle 4. AAI und Bindungsrepräsentationen 5. Intergenerationale Transmission 6. Bindung im Jugendalter 6.1 Bindung in Peer- / Liebesbeziehungen 8. Der Einfluss der frühen Bindungsbeziehung auf die sozial-kognitive Entwicklung 8.1 Bindungsstörungen 8.2 Bindung und Psychopathologie 9. Exkurs: 10. Bindung und Heim Korrigierende Bindungserfahrungen im Heim Bindungstheoretische Stabilisierung Anforderungen an die Qualifikation der HeimerzieherInnen Bindung: besondere Beziehung eines Kindes zu seinen Eltern oder einer Bezugsperson (Ainsworth) lang andauernde, gefühlsbetonte Beziehung zu einem bestimmten Menschen (Bindungsperson), von der Schutz und Unterstützung erwartet wird völlig normaler, natürlicher und biologisch sinnvoller Sachverhalt, da durch sie das Überleben gesichert wird Bindungstheorie: umfassendes Konzept für Persönlichkeitsentwicklung des Menschen als Folge seiner sozialen Erfahrungen (Ainsworth & Bowlby 2003) Erklärung für negative Emotionen und Persönlichkeitsstörungen anhand elterlicher Zurückweisung/Trennung und Verlust von Bindungsperson Fehlentwicklungen als Folgen von Mängeln an Schutz und Fürsorge in angemessenem Umfang kontinuierliche und feinfühlige Fürsorge hat eine herausragende Bedeutung für die seelische Gesundheit des Kindes es existiert die biologische Notwendigkeit mindestens eine sichere Bindung einzugehen, um Sicherheit zu finden und Stress zu vermindern Unterschied Bindungsverhalten im Vgl. zu anderem Verhalten: bei Angst wird Bindungsperson aufgesucht und Explorationsverhalten sinkt, bei Sicherheit steigt das Explorationsverhalten an und die Nähe wird weniger gesucht Bindungsqualität ist abhängig vom Ausmaß der Sicherheitsvermittlung man bindet sich an ältere, erwachsene und damit vermeintlich weisere Person Bindung entwickelt sich im Laufe des ersten Lebensjahres Bindung entwickelt sich typischerweise in 4 Phasen: 1. Phase der unspezifischen sozialen Reaktionen erste 2 Monate soziale Reaktionsweisen (z.B. Horchen, Schreien) noch nicht an eine spezifische Person gerichtet, aber von Müttern als solches empfunden noch keine Vorliebe für bestimmte Person 2. Phase der unterschiedlichen sozialen Reaktionsbereitschaft bis etwa 6. Monat soziale Äußerungen hauptsächlich an Mutter gerichtet, z.B. sich nur ihr entgegenstrecken bessere und schnellere Reaktionen des Säuglings auf Äußerungen und Verhaltensweisen der Mutter und anderer vertrauter Personen 3. Phase des aktiven und initiierten zielkorrigierten Bindungsverhaltens etwa 2. Halbjahr des 1. Lebensjahres 6.-12. Monat Säugling durch Krabbeln mobiler aktivere Bestimmung der Nähe zur Bindungsperson BP= Zentrum der Säuglingswelt „sicherer Hafen“ bei Unwohlsein und „sichere Basis“, die gestattet zum Zweck der Exploration verlassen zu werden während Exploration: regelmäßige Rückversicherung mit Basis 4.-6. Monat Trauer bei Trennung 4. Phase der zielkorrigierten Partnerschaft 2.-3. LJ Festigung der Bindung, bestehen spezifischer Bindungsbeziehungen fremdeln mit anderen, andere Bindungsverhaltensweisen, z.B. Hinterherlaufen ab 3. LJ empathisches Wissen wird eingesetzt, um Erfolgswahrscheinlichkeit des Bindungsverhaltens zu erhöhen bedingt Sprachvermögen des Kindes und das Verständnis der mütterlichen Aussagen man kann mehrere Bindungspersonen haben, unter denen eine Hierarchie besteht je schlechter es dem Kind geht, desto mehr hat es Verlangen nach seiner primären Bindungsperson Unterscheidung (1) Bindung und (2) Bindungsverhalten: (1) besteht kontinuierlich über Raum und Zeit hinweg (2) wird nur unter Belastung gezeigt Situationen in denen Bindungsverhalten gezeigt werden sollte, da es das Kind schützt: • Kind ist müde, krank, hungrig, verletzt, bedroht, angegriffen, in fremder Umgebung alleine gelassen, ihm kommen fremde Menschen zu nahe wird keine Reaktion gezeigt, so ist die anwesende Person nicht die Bindungsperson, oder es liegen schlechte Bindungserfahrungen vor Bedürfnis nach Bindung existiert neben Bedürfnis nach Nahrung, Erkundung, Sexualität und Fürsorge des Nachwuchses wichtiger Faktor bei Entwicklung einer sicheren Bindung mütterliche Feinfühligkeit ist die Genauigkeit der primären Bezugsperson in Wahrnehmung und Interpretation der kindlichen Botschaften, sowie in der Fähigkeit angemessen, kontingent und prompt darauf zu reagieren Annahme: Mutter(Eltern)-Kind-Interaktion ist der Ursprung des Verständnisses von Intentionen und sozialen Kognitionen, Verstehen mentaler Zustände, denn die in dieser Interaktion erfahrenen Interaktionsmuster führen dazu, dass Kind Repräsentation zukünftiger Zustände entwickelt sind in Lage, Verhalten und Handlungen anderer Personen zu verstehen und zu erklären FST ist ein strukturiertes Beobachtungsverfahren von Mary Ainsworth, um Bindungsverhalten von Kindern im Alter von 12-15 Monaten zu untersuchen Kindesverhalten wird in verschiedenen Situationen beurteilt, um so auf den Bindungstyp schließen zu können Ablauf: 1. Mutter und Kind mit fremder Person bekannt gemacht 2. Mutter und Kind alleine im Untersuchungsraum 3. fremde Person kommt dazu 4. Mutter verlässt Raum 5. Mutter zurück, fremde Person verlässt Raum 6. Mutter verlässt auch den Raum Kind alleine 7. fremde Person betritt den Raum wieder 8. Mutter kehrt zurück, fremde Person verlässt Raum Verhalten des Kindes wird nach bestimmten Kriterien beurteilt: Welches Bindungsverhalten wird gezeigt? Wird der Kontakt zur Mutter gesucht? Besteht Kontakt: Wie lange wird dieser versucht aufrechtzuerhalten? Wie hoch ist die Dauer/Intensität der Nähe-Suche? Zeigt das Kind Abwehrverhaltensweisen?, z.B. Kontaktvermeidung Reaktionen des Kindes in den Episoden (5) und (8) sind besonders wichtig für die Bestimmung des Bindungsmusters, da hier die Wiedervereinigung von Mutter und Kind stattfindet Sichere Bindung/B-Typ: ausgewogene Balance zwischen Neugier und Bindungsverhalten bei Kummer Aufsuchen der Bindungsperson, Sicherheit durch Anwesenheit der BP genügend Sicherheit Explorationsverhalten bei Rückkehr der Mutter große Freude, aktives Nähesuchen und Beruhigung bei Körperkontakt zeigen offen Leiden unter Trennung, weinen/schreien, rennen Mutter hinterher Unsicher-vermeidende Bindung/A-Typ: Schwierigkeit mit Zeigen von negativen Gefühlen Rückkehr der Mutter Vermeidung von aktivem Kontakt weniger freies Spiel und Anspannung, wenn alleine Kind fühlt sich durch Bindungsbedürfnisse der Mutter eher bedrängt Kind erwartet kommende Enttäuschung Vermeidung vom Zeigen von Bindungswünschen, obwohl Bindungssystem aktiviert ist bereits gelernt BV nicht zu offenbaren zum Teil fremde Person vor Mutter bevorzugt Unsicher-ambivalente Bindung/C-Typ: wollen viel Aufmerksamkeit Rückkehr der Mutter ambivalentes Verhalten, d.h. sucht Nähe und wehrt sich gelichzeitig gegen diese, ärgerliches Verhalten Schwierigkeiten sich zu beruhigen Bindungsverhalten der Mutter ist durch Kind nicht einschätzbar, da sie im Verhalten sprunghaft ist Bindungssystem die ganze Zeit aktiviert und Exploration runter geschraubt, suchen ständig Nähe zur Mutter, nur warten auf sie deutlicher Ausdruck des Bindungsstresses bei Trennung, unentwegt weinen Desorganisierte Bindung/D-Typ: desorganisiertes Verhalten Phasen der Starrheit stereotype Verhaltensweisen erst hin zu Mutter, dann wieder abwenden ängstlich und verwirrt widersprüchliches BV zeigen misshandelte Kinder, Kinder depressiver oder traumatisierter Mütter (denn ihr eigenes Bindungssystem wird aktiviert, deshalb Pflegesystem bricht weg) oder Ursache ist ein generelles Defizit in Verhaltensorganisation, chronischer Stress, angsterregendes Verhalten der Eltern Erfahrungen mit BP werden zunehmend verinnerlicht und in ein Gesamtbild integriert und zu repräsentationalen Systemen zusammengefasst sind generalisierte Erwartungsstrukturen zur Hilfe der Verarbeitung der Erfahrungen mit Bindungsperson sind Annahmen der Kinder, wie die Bindungsperson(en) auf Bindungswünsche höchstwahrscheinlich reagieren wird/werden kümmert Mutter sich Arbeitsmodell= Mutter steht zur Verfügung, man kann ihr Vertrauen; kümmert sie sich nicht AM= man muss mit Kummer alleine umgehen halbstrukturiertes Interview zur Erfassung der Bindungsorganisation auf der Repräsentationsebene dient der Einschätzung des inneren Arbeitsmodells es wird auf narrative Kohärenz, Schlüssigkeit, Nachvollziehbarkeit der Antworten auf Fragen der nachträglichen Einschätzung der Bindungsbeziehung geachtet erfasst wird mentaler Verarbeitungszustand der Bindung Sicher/autonom F: Bindungsbeziehungen wird hoher Wert beigemessen Antworten sind nachvollziehbar, geäußerte Gefühle glaubhaft Bindungserfahrungen werden mit jeweiliger Situation, Gefühlen und eigenem Verhalten in Verbindung gebracht leidvolle Erfahrungen sind angemessen in Lebensgeschichte integriert emotionale und kognitive Anteile sind in ausführlicher Darstellung ausgewogen vorhanden entspricht dem sicheren Bindungstyp 55% Häufigkeit in Normalpopulation Unsicher-distanzierend Ds: zumeist knappe Antworten Gefühle runter gespielt großer Wert auf eigene Unabhängigkeit gelegt oder übertrieben positive Darstellung der Beziehung zu Bindungsperson Eltern als wenig verfügbar und zurückweisend (in offener oder verdeckter Art und Weise) empfunden entspricht dem unsicher-vermeidenden Bindungstyp 16% Häufigkeit in Normalpopulation Unsicher-verstrickt E: Antworten weisen auf konfliktreiche Beziehungen zu BP hin widersprüchliche Gefühle von Angst und Wut gegenüber BP noch keinen Frieden mit ihnen gemacht Erzählungen zu ausführlich, zu wenig distanziert zu Vergangenheit versuchen mit bzw. in Erzählungen eine gute Bindungsbeziehung zu BP herzustellen entspricht dem unsicher-ambivalenten Bindungstyp 9% Häufigkeit in Normalpopulation höherer Anteil in klinischen Stichproben Unverarbeiteter Bindungsstatus U: Personen, die traumatische Erlebnisse aus Kindheit nicht verarbeitet haben Nicht-Verarbeitung traumatischer Ereignisse zeigen sich in sprachlichen Desorganisation, z.B. wird etwas über BP an nicht gefragten Stellen erzählt nicht-klassifizierbar CC: im Interview Hinweise auf mehrere Bindungsrepräsentationen keine einheitliche vorhanden 7-10% Häufigkeit in Normalpopulation innere Arbeitsmodelle Repräsentationen eigener kindlicher Bindungserfahrungen im Erwachsenenalter beeinflusst Ausmaß an Feinfühligkeit, mit dem Eltern auf Bindungsbedürfnisse der Kinder reagieren Einstellung der Eltern gegenüber Bindung bzw. der Wert, dem sie Bindung beimessen beeinflusst Erziehungsverhalten nachhaltig Bindungstyp des Kindes ist abhängig von der Bindungsrepräsentation der Eltern durch Erfahrungen mit Bindungstypen/ Bindungsrepräsentationen? Allgemeines: soziale Kompetenz in der Adoleszenz besonders wichtig Bindungsbeziehungen zu den Eltern werden gelockert die Qualität persönlich bedeutsamer, intimer Beziehungen weist einen Zusammenhang auf zu der Qualität der Bindungsbeziehungen zu den Eltern Eltern-Kind-Interaktion: Demonstration der Unabhängigkeit im Jugendalter riskante oder gefährliche Situationen bieten Gelegenheit, sich und anderen zu beweisen, dass man auf den elterlichen Schutz nicht mehr angewiesen ist Risikohandeln Balance zwischen Exploration und Bindung vs. Autonomiebedürfnisse (notwendige Unterstützung der Eltern bei sicherer Bindung) Jugendlichen kognitiv gereift können Beziehung zu Eltern kritisch reflektieren und bewerten durch offene Beziehung kann Jugendlicher kritisch, flexibel und objektiv bewerten Voraussetzung für die Beziehung zu Gleichaltrigen Sicher gebundene Jugendliche: Bindungen haben hohen Stellenwert; sie können negative Erfahrungen mit ihren Eltern bei einer positiven Grundhaltung integrieren und Konflikte produktiv lösen Unsicher gebundene Jugendliche: zeigen wenig Autonomie und geringe Verbundenheit den Eltern gegenüber stellen sich als besonders unabhängig dar (neigen zur Idealisierung der Eltern und haben Schwierigkeiten, negative Affekte bei sich und anderen wahrzunehmen) Unsicher-verwickelt gebundene Jugendliche: neigen eher zu einem erhöhten und unproduktiven Engagement ggü. den Eltern Bindungssystem bleibt ständig aktiviert Peer- und Liebesbeziehungen: Gleichaltrige haben die Funktion von Bindungspersonen inne Einfluss auf das seelische Wohlbefinden Suchen von Nähe zum Objekt der Liebe, Nutzung des anderen als „sichere Basis“, Protest bei Trennung eigene Befindlichkeit abhängig vom Verhalten der Bindungsperson aber: Wahl aus freien Stücken, nicht bei Geburt vorgegeben Peer- und Liebesbeziehungen: Liebesbeziehungen: symmetrisch angelegt: sexuelles System zusätzlich zum Bindungssystem aktiviert sexuelles Interesse gibt Anlass zum Aufnehmen einer Bindungsbeziehung Bindungsrepräsentation beeinflusst Verhalten ggü. Partner in den ersten Liebesbeziehungen Arbeitsmodelle haben hohe Bedeutung auch für die Ausgestaltung der anderen Beziehungen im Leben (Freunde, Liebespartner, eigene Kinder) Existenz einer sicheren Bindung * fundamental für gesunde seelische Entwicklung * Voraussetzung für Explorationsverhalten * Schutzfaktor ggü. möglichen Risiken frühe hochunsichere Bindung korreliert mit späteren Verhaltensproblemen (Aggressivität, depressive Symptomatik, schulische Probleme) insbesonders dann, wenn gleichzeitig Risikofaktoren vorhanden sind (z.B. elterliche Arbeitslosigkeit, Armut, schlechte Wohnsituation, Misshandlung, psychische Störungen der Eltern) sicher gebundene Kinder: Vorsprung im sozialen, emotionalen und kognitiven Bereich Sicher gebundene Kinder: sind im Vorschulalter sozial offener und kompetenter in der Interaktion haben i.d.R. ein besseres Selbstwertgefühl und mehr Selbstvertrauen können ihre Gefühlszustände besser regulieren, empathisch auf andere reagieren und sind anderen Personen ggü. kooperativer haben bessere Konfliktlösestrategien und sind emotional und motivational stabiler verfügen über eine bessere Konzentration und haben eine höhere Frustrationstoleranz und Ausdauer bei neuen Aufgaben keine Unterschiede in der Intelligenz, aber in der Sprachentwicklung Woher kommt der Einfluss auf die kognitive Entwicklung? Eltern in sicher gebundenen Dyaden sind besser in der Lage, ihre Kinder zu unterrichten Kinder sind weniger durch aufgabenirrelevante Aspekte der Interaktion abgelenkt = potentielle Stresssituation sicher gebundene können sich eher auf „Lehrer“ verlassen Lernsituation Explorationsverhalten höher bei sicher gebundenen Kindern Kontakt suchende Bindungsperson Quelle an intellektuellen Anregungen aktiv Bindungsstörungen entstehen dann, wenn keine, auch keine unsichere, Bindung entwickelt werden konnte aber: es gibt auch immer wieder Kinder, deren Verhalten nicht klar klassifizierbar ist für die Entwicklung einer Bindungsstörung besonders gefährdete sind Kinder aus extrem schwierigen psychosozialen Verhältnissen mit Häufig wechselnden Bezugspersonen Reaktionen der Umwelt für sie nicht vorhersehbar; kann kein inneres Arbeitsmodell entwickelt werden F 94.1 Reaktive Bindungsstörung des Kindesalters: Folge von Vernachlässigung, Missbrauch oder schwerer Misshandlung „abnormes“ Beziehungsmuster zu Betreuungspersonen, eingeschränkte Interaktionen, Aggressionen, Furchtsamkeit, Unglücklichsein, Verlust/Mangel an emotionalen Reaktionen u.a. F 94.2 Bindungsstörung des Kindesalters mit Enthemmung nicht-selektives Bindungsverhalten mit wahlloser Freundlichkeit und Distanzlosigkeit, „abnormes“ Beziehungsmuster zu Betreuungspersonen emotionale Auffälligkeiten (z.B. Aggressionen) kommen vor, stehen aber nicht im Vordergrund bei Kindern, denen basale Mütterlichkeit nicht zuteil wurde oder die von Anfang an grob vernachlässigt oder missbraucht wurden, kann sich zwar durchaus eine Bindungsbeziehung entwickeln diese ist aber schon von vornherein als gestört anzusehen solche Kinder zeigen entweder stark klammerndes Verhalten mit geringer Bereitschaft, ihre Umwelt auch nur ansatzweise zu erkunden oder wagemutiges und selbstgefährdendes Verhalten (Bezugsperson stellt keine sichere Basis dar) wichtig für die Jugendhilfe: erneuter häufiger Wechsel der Bezugspersonen sollte verhindert werden Fonagy et al. (1996): Langzeitstudie, die Jugendliche mit und ohne Diagnose untersuchte deutlich höherer Anteil von unsicher gebundenen Bindungsstilen bei Jugendlichen mit psychiatrischer Diagnose zwischen den unsicheren Bindungsstilen konnte zudem bezüglich der Zuordnung zu psychiatrischen Diagnosen unterschieden werden deutliche Verbindung zwischen der Diagnose einer Angststörung und der unverarbeiteten Bindungsklassifikation (U) Rosenstein & Horowitz (1996): 60 Jugendliche mit psychiatrischer Diagnose deutliche ZH zwischen unsicher-distanzierten Bindungsrepräsentation und * Störungen wie Verhaltensauffälligkeit * Störungen im ZH mit psychotropen Substanzen * narzisstischer und antisozialer PSK-Störung Jugendliche mit einer unsicher-präokkupierten Bindungsrepräsentation hatten häufiger affektive oder Zwangsstörungen bzw. histrionische, Borderline oder schizotypische PSK-Störung unsicher gebunden: Wahrscheinlichkeit für psychisch. Störung größer (stabile Beziehungen als protektiver Faktor) unsicher gebundenen Kinder und Jugendliche sind nicht so gut in der Lage, mit Konflikten und Problemlagen umzugehen vulnerabler heutiger Wissensstand: zwei Störungen mit einer hinlänglich gesicherten Beziehung zu den frühen kindlichen Beziehungsmustern * * Angststörung bei unsicher-ambivalenter Bindungsorganisation dissoziative Störungen i.d.R. als Folge desorganisierter Bindungsmuster unsichere Bindung = unspezifischer Risikofaktor Bindungsunsicherheit gilt grundsätzlich selbst nicht als psychiatrische Auffälligkeit kein Krankheitswert, aber bedeutender Risikofaktor – sichere Bindung hingegen wirkt als Schutzfaktor Arbeitsmodelle, die auf unsicheren Bindungen beruhen, führen eher zu unangepasstem Verhalten, Fehleinschätzungen anderer und zu einer mangelhaften Integration und Kohärenz negativer Gefühle im Zusammenhang mit Belastungen insgesamt relativ wenig Forschung; wenn dann meistens nur im Zusammenhang mit den Problemen jüngerer Kinder Bindung hat viel mit Liebe zu tun (Solidarität, Sicherheit) Heim dagegen negativ besetzt (schlecht erzogene und schwer erziehbare Jugendliche) Heime demnach Orte, die es nach Möglichkeit zu vermeiden gilt: „besonders schicksalshafter Eingriff“ in der Praxis letzte Möglichkeit, wenn nicht ganz so eingreifende Maßnahmen oder andere Formen der Unterbringung ausscheiden Hauptthemen der Bindungsforschung spiegeln die wichtigsten Problembereiche von Kindern und Jugendlichen, die in einem Heim leben, wieder Bowlby (1944): „Forty-Four Juvenile Thieves – Their Characters and Home-Life“ Jugendliche, die in ihrer Säuglingszeit länger von der Mutter getrennt waren äußerten nur wenig oder keine Gefühle und zeigten kaum Reaktionen affektarm bei genauem Hinsehen: tiefe Traurigkeit und Verzweiflung erahnbar Bowlby (1951): „Maternal Care and Mental Health“ Heimerziehung beeinträchtigte Entwicklung der Kinder deutlich Beziehungsfähigkeit gestört vermochten nicht tiefe und dauerhafte Beziehungen einzugehen Ursache: Trennung von der Mutter Heimerziehung: schädlich Fehlen einer Person, die Funktion einer Bezugsperson übernehmen kann; im Vordergrund körperliche Gesundheit und Erscheinungsbild, nicht das psychische Wohlbefinden Dührssen (1958): „Heimkinder und Pflegekinder in ihrer Entwicklung“ extreme Verarmung an Gefühlszuwendung und Reizeindrücken allgemein extrem häufiger Wechsel der Beziehungspersonen verwirrende (meist negativ getönte) Unklarheiten über die eigene Herkunft und Unsicherheit über die Zukunft eine von der Mutter gesetzte „seelisch-geistige Vernachlässigung“ könne nicht kompensiert werden Rutter / Pickles / Murray & Eaves (2001): große rumänische Adoptivstudie: siehe einführende Literatur festgestellte Entwicklungsverzögerungen verbesserten sich deutlich nach Adoption ZH Dauer des Aufenthalts und Häufigkeit von Bindungsstörungen Schleiffer / Müller (2001): „Die Bindungsrepräsentation von Jugendlichen in Heimerziehung“ Kinderheim der öffentlichen Erziehungshilfe in kirchlicher Trägerschaft; überdurchschnittlicher Lebensstandard; versch. pädagogische Wohngruppen negatives Selbstbild psychiatrische Auffälligkeiten (externalisierend und internalisierend) nur 2 von 72 teilnehmenden Jugendlichen galten als sicher gebunden Heimjugendliche als Eltern zeigten ebenfalls hochunsichere Repräsentationen (Weitergabe einer sicheren Bindungsorganisation im Sinne der intergenerationalen Weitergabe deutlich eingeschränkt) Verteilung der Bindungsrepräsentation der im Heim aufgewachsenen Jugendlichen ähnlich der forensischen Erwachsenen Nowacki (2007): „Aufwachsen in Pflegefamilie oder Heim“ 49 junge Menschen (in Pflegefamilie oder Heim aufgewachsen) im Vergleich mit 20 in ihrer Herkunftsfamilie aufgewachsenen jungen Menschen bei Pflege- und Familienkindern deutlich höherer Anteil mit sicherer Bindungsrepräsentation; bei Heimkindern häufiger unsicher-distanzierte bzw. unsicherpräokkupierte Repräsentation Heim- und Pflegekinder ggü. Familienkindern deutlich höheren Anteil an unverarbeiteten / nicht klassifizierbaren Repräsentationen geben häufiger an, stark psychisch belastet zu sein deutlich höhere Ausprägung an Persönlichkeitsstörungen im Gegensatz zur Psychotherapie: Heimerziehung im Vorteil längere Aufenthaltsdauer; Transfer der therapeutischen Situation in den Alltag gelingt leichter ABER: Kann Heimerzieher Bindungsperson (mit Familie vergleichbar) werden? Möglichkeit besteht, dass Erzieher in ähnlicher Weise wahrgenommen werden wie die Eltern Unsicherheit, Misstrauen, falsches Selbstbild, Verunsicherung durch neue Erfahrungen Gruppenarbeit Bindungsabwertende Kommunikation: Heimerzieher werden von Kindern oft verzerrt wahrgenommen führt zu Konflikten daher: Bindungsbedürfnisse verleugnendes Verhalten aus Angst vor Enttäuschungen (haben Hilfe am nötigsten, sind am wenigsten in der Lage, diese anzunehmen) schwer erreichbar zu wenig Vertrauen Selbstkonzept in Gefahr befürchten weitere Schwächung ihre Selbstvertrauens (bei Hilfebedürftigkeit) es bietet sich an, Erziehungsanspruch zurückzunehmen Art „privater Freizeitbeziehung“ ABER: * konfliktarme Beziehung * keine Erziehung * keine selbstgewählte Beziehung so kann Jugendlicher nicht davon profitieren Bindungsverstrickte Kommunikation: Bindungskonzept geprägt durch unsicher-verstrickte Bindungsstrategien auf den ersten Blick durchaus beziehungsfähig, aber ambivalente Gefühle dominieren „Beziehungskrisen“; Angst, alleine zu sein; Fehler unverzeihlich päd. Beziehung gerät zu Belastung besondere Schwierigkeit: Überversorgung vermeiden Ambivalenz kann sich auch ausdrücken in einer feindseeligen Distanzierung Ausweg kann sein, sich um Psychotherapie zu bemühen aber nur erfolgreich bei Lösung des Transferproblems (Erzieher kann sich Erzieheraufgaben zuwenden) Lebensgeschichte als Thema: hochunsicher gebundene Jugendliche setzen bindungsvermeidende und auch verstrickte Bindungsstrategien an Verhalten unvorhersehbar Unvermögen, der Lebensgeschichte kohärenten und damit erzählbaren Sinn abzugewinnen (aber auch Desinteresse auf Seiten der Erzieher) Unterstützung bei der gemeinsamen Konstruktion einer kohärenten Biografie Kenntnis des Verhaltens befähigt dazu, es ggf. neu zu strukturieren ABER: kann dies von HeimpädagogInnen erwartet werden? sensibles Achten auf bindungsrelevante Situationen um Kinder und Jugendliche mit Verhaltensweisen konfrontieren zu können, die sich abheben von alten Schemata bindungstheoretisches Wissen im Heim sehr wichtig größere Sicherheit im Umgang mit Jugendlichen Hilfe zum besseren Umgang mit Gefühlen und Affektkontrolle auch Umgang mit negativen Gefühlen und Äußerungen der Jugendlichen hohe Verantwortung für die Aufrechterhaltung einer förderlichen Beziehung Bereitschaft zur Auseinandersetzung mit sich selbst kaum Anerkennung für geleistete Tätigkeit von Jugendlichen auch Handlungsleitlinien für Umgang mit den Eltern Elternarbeit ist unabdingbare Aufgabe Heimerziehung kann korrigierende Bindungserfahrung bereitstellen, wenn es gelingt, die Beziehung der Jugendlichen zu ihren Erziehern mit einer ausreichend sicheren Bindungsqualität auszustatten Welche Anforderungen an die HeimerzieherInnen seht ihr? bindungstheoretisches Wissen Probleme verstehen können Erfahrungen im Umgang mit eigenen Problemen auch bindungstheoretisch orientierte Selbsterfahrung Lebenserfahrung von Nutzen Erzieher sollten „alle möglichen zwischenmenschlichen Konfliktkonstellationen wenigstens in Ansätzen erlebt haben“ „Erzieherinnen und Erzieher müssen durch ihre Persönlichkeit, Haltung und Wertmaßstäbe, durch ihr Vorbild und Beispiel das geben, was die elterliche Erziehungskraft nicht vermochte. Dies ist das Fundament, auf dem ihr fachlich-pädagogisches Können wirksam werden kann.“ Gibt es noch Fragen / Anregungen? Bowlby, J. (22010): Bindung als sichere Basis. Grundlage und Anwendung der Bindungstheorie. München: Reinhardt. Bowlby, J. (52005): Frühe Bindung und kindliche Entwicklung. München: Reinhardt. Brisch, K.-H. / Hellbrügge, T. (Hrsg.) (2008): Der Säugling – Bindung, Neurobiologie und Gene. Grundlagen für Prävention, Beratung und Therapie. Stuttgart: Klett-Cotta. Grossmann, K. / Grossmann, K. (32006): Bindungen. Das Gefüge psychischer Sicherheit. Stuttgart: Klett-Cotta. Hopf, C. (2005): Frühe Bindungen und Sozialisation. Eine Einführung. Weinheim und Basel: Juventa. Nowacki, K. (2007): Aufwachsen in Pflegefamilie oder Heim. Bindungsrepräsentation, psychische Belastung und Persönlichkeit bei jungen Erwachsenen. Hamburg: Verlag Dr. Kovac. Schleiffer, R. (32007): Die heimliche Wunsch nach Nähe. Bindungstheorie und Heimerziehung. Weinheim und München: Juventa. Spangler, G.. / Zimmermann, P. (Hrsg.) (52009): Die Bindungstheorie. Grundlagen, Forschung und Anwendung. Stuttgart: Klett-Cotta. http://www.uni-bielefeld.de/paedagogik/ Seminare/moeller02/07bindung2/sub/mary.html Zugriff am 05.02.2011 ..für eure Aufmerksamkeit!