Europäisierung südslawischer Sprachen Institut für Slawistik Proseminar zur Synchronie des B/K/S (Was ist Bosnisch/Bosniakisch, Kroatisch und Serbisch?) WS 2006/2007 Leitung: Branko Tošović 1 Europäisierung südslawischer Sprachen Geltungsbereiche Bosnisch, Bulgarisch, Kroatisch, Mazedonisch, Serbisch, Slowenisch B/K/S: Bulgarisch: Slowenisch: Mazedonisch: insges. ca. 19 Mio. Sprecher 9 Mio. Sprecher 2,2 Mio. Sprecher 1,5 Mio. Sprecher 2 Europäisierung südslawischer Sprachen Geltungsbereiche sprachliche Veränderungen, die wenigstens zum Teil auf Einfluss nicht-slawischer Sprachen zurückzuführen sind gesamter südslawischer Bereich bestimmte südslawische Sprachen nur bestimmte Länder – Entwicklungen im System der jeweiligen Sprache selbst 3 Europäisierung südslawischer Sprachen Veränderungen auf Lexikalischer Ebene/im Wortschatz Anglizismen: Einflüsse der englischen Sprache betrifft alle südslawischen Sprachen und mehr oder weniger auch nicht-slawische Sprachen und kann deswegen als Internationalisierung angesehen werden werden im Vergleich besonders schnell aufgenommen 4 Europäisierung südslawischer Sprachen Anglizismen in Bulgarien in Zusammenhang mit der Einschränkung der Rolle des Russischen in den letzten Jahren: nicht mehr obligatorische Fremdsprache an Schulen (nach mehr als 100 Jahren) starker Rückgang von Übersetzungen aus dem Russischen 5 Europäisierung südslawischer Sprachen Anglizismen Veränderungen kommen vor allem aus folgenden Bereichen: Wirtschaft Medizin Politik Technologie Kultureller Bereich, Alltag 6 Europäisierung südslawischer Sprachen Anglizismen und betreffen: Lexik Syntax Morphologie Phonetik und Phonologie 7 Europäisierung südslawischer Sprachen Wirtschaft Schwerpunkt der Veränderungen vor allem auf den Wechsel des Wirtschaftssystems zurückzuführen marketing biznis, biznismen menadžer bankomat lizing sponzor komercijalizacija 8 Europäisierung südslawischer Sprachen Wirtschaft „Verwirtschaftlichung der Sprache“ Tendenz, wirtschaftssprachliche Lexeme im übertragenen Sinn zu verwenden inflacija riječi – Inflation der Wörter devalvacija javnog mnijenja – Devalutation (Wertminderung) der öffentlichen Meinung ekonomizirati s osjećajima – ökonomisch mit Gefühlen umgehen 9 Europäisierung südslawischer Sprachen Medizin auch medizinische Ausdrücke gehen häufiger in Alltagssprache über zurückzuführen auf Aufmerksamkeit, die Medizin in Massenmedien und in Alltagsprache auf sich zieht financijska injekcija – finanzielle Spritze naftni šok – Ölschock kolaps ekonomije – Kollaps der Wirtschaft potroška groznica – Verbraucherfieber 10 Europäisierung südslawischer Sprachen Medizin neuere Entlehnungen: reanimacija – Reanimation metastaze – Metastase bajpas – Bypass banka organa – Organbank bioenergičar – Bioenergetiker pejsmejker – Pacemaker – Schrittmacher 11 Europäisierung südslawischer Sprachen Politik politička elita – politische Elite privatizacija – Privatisierung liberalizacija – Liberalisierung populizam – Populismus 12 Europäisierung südslawischer Sprachen Technologie softver – Software kompjuter – Computer skaner – Scanner faks – Fax(gerät) modem – Modem printer – Drucker, Printer 13 Europäisierung südslawischer Sprachen Kultureller Bereich, Alltag sehr großer Einfluss des Englischen besonders unter Jugendlichen; in der Jugendsprache di-džej – DJ šoping – Shopping vokmen – Walkman džoging – Jogging sleng – Slang tok-šou – Talk-Show slogan – Slogan tajm-aut – Time-Out 14 Europäisierung südslawischer Sprachen Kultureller Bereich, Alltag auf Veränderte Verhältnisse im Alltag, bes. die Zunahme der Gewalt verweisen zB: korupcija – Korruption mafija – Mafia diler – Dealer fiksati se – (sich) fixen, sich Heroin spritzen trip – Trip, LSD 15 Europäisierung südslawischer Sprachen Kultureller Bereich, Alltag manche Veränderungen repräsentieren veränderte Wertvorstellungen und Maßstäbe: imidž – Image trend – Trend europeizacija – Europäisierung koncern – Konzern 16 Europäisierung südslawischer Sprachen Veränderungen in der Syntax kann ebenso als Internationalisierung angesehen werden Dekomposition des prädikativen Verbs Ersetzen des Verbs im Prädikat durch 2 Wörter 17 Europäisierung südslawischer Sprachen Dekomposition des prädikativen Verbs Das Verb im Prädikat wird durch Nomen und Funktionsverb ersetzt antworten – Antwort geben odgovoriti – dati odgovor helfen – Hilfe leisten pomoći – pružiti pomoć analysieren – Analyse durchführen analizirati – vršiti analizu 18 Europäisierung südslawischer Sprachen Nominalisierung Zunahme präpositionaler Syntagmen anstelle eines Nebensatzes am häufigsten in der juristischen und politischen Sprache vor, sowie im wissenschaftlichen Stil 19 Europäisierung südslawischer Sprachen Nominalisierung kausale Bedeutung: Napravio je to jer je bio ljubomoran. Napravio je to iz ljubomore. Er hat das gemacht, weil er eifersüchtig war. Er hat das aus Eifersucht gemacht. Der Nebensatz jer je bio ljubomaran wird durch präpositionales Syntagma iz ljubomore ersetzt. 20 Europäisierung südslawischer Sprachen Nominalisierung temporale Bedeutung: Prije nego što je otputovao potpisao je sve ugovore. Prije putovanja potpisao je sve ugovore. Bevor er abgereist war, hat er alle Verträge unterzeichnet. Vor der Abreise hat er alle Verträge unterzeichnet. 21 Europäisierung südslawischer Sprachen Nominalisierung konditionale Bedeutung: Ta žrtva je bila beznačajna kad se usporedi s dobitkom. Ta žrtva je u usporedbi s dobitkom bila beznačajna. Dieses Opfer war unbedeutend, wenn man es mit dem Gewinn vergleicht. Dieses Opfer war im Vergleich mit dem Gewinn unbedeutend. 22 Europäisierung südslawischer Sprachen Hilfsverben sein und haben „esse- und habere-Sprachen“ Generell können europäische Sprachen typologisch danach aufgeteilt werden, ob sie in bestimmten Konstruktionen dem Verb sein oder dem Verb haben Vorrang geben. Es wird betrachtet, wie EXISTENZ und POSSESSIVITÄT ausgedrückt werden und welches Verb als HILFSVERB verwendet wird. 23 Europäisierung südslawischer Sprachen Possessivität Deutsch: Possessivität wird hauptsächlich durch habere ausgedrückt zB: „Er hat graue Haare.“ Russisch: hauptsächlich esse wortwörtl.: „Bei ihm graue Haare.“ Südslaw. Sprachen: meistens habere „Ima sjeda kosa.“ 24 Europäisierung südslawischer Sprachen Existenz auch in diesem Bereich Besonderheiten in südslavischen Sprachen “es gibt…“ im Russischen: durch esse wiedergegeben im B/K/Sen, Mazedonischen, Bulgarischen: habere “ima…“ 25 Europäisierung südslawischer Sprachen Gebrauch des/der Hilfsverbs/en esse war/ist an sich typisch für alle slawischen Sprachen im Deutschen, Englischen, Französischen: esse und habere im Russischen: ausschließlich esse in manchen Nachbarländern von deutschsprachigen Ländern, zB im Tschechischen, Slowakischen, Polnischen tauchen auch Konstruktionen im Perfekt auf, die habere beinhalten 26 Europäisierung südslawischer Sprachen Gebrauch des/der Hilfsverbs/en Neue Entwicklung im südslawischen Bereich Mazedonisch: Gebrauch von habere im Perfekt stark vorhanden Status als neues Hilfsverb wurde dort anerkannt auch keine Einschränkungen, die für deutsches haben als Hilfsverb gelten 27 Europäisierung südslawischer Sprachen Gebrauch des/der Hilfsverbs/en Neue Entwicklung im südslawischen Bereich Bulgarisch: habere im Perfekt in der Umgangssprache aber noch nicht standardsprachlich zugelassen im Norden also am häufigsten nicht einmal Possissivität durch habere ausgedrückt – auf der anderen Seite Mazedonisch – sowohl Possissivität als auch Existenz werden durch habere ausgedrückt 28 Europäisierung südslawischer Sprachen Verbaler Modus betrifft Bulgarisch und Mazedonisch Indirekte Rede: Hans behauptet, dass er nichts gewusst habe. gewusst habe drückt Konjunktiv aus in den meisten slawischen Sprachen gibt es keinen Konjunktiv als Form der indirekten Rede wird von direkter Rede nicht durch besonderen Modus (wie im Deutschen) unterschieden 29 Europäisierung südslawischer Sprachen Verbaler Modus Bulgarisch hat besondere Formen, um auf Fremdbericht zu verweisen: 1. Renarrativ, Modus relativus spezieller Verbmodus zur Wiedergabe von indirekter Rede oder Vermutungen im Ostbaltischen, Bulgarischen und Mazedonischen wird mit infinitiver Verbform (meist Partizipien) ausgedrückt unterscheidet sich durch das Fehlen des Hilfsverbs 30 Europäisierung südslawischer Sprachen Verbaler Modus Е чел. – Er hat gelesen. Чел. – Er habe gelesen. 31 Europäisierung südslawischer Sprachen Verbaler Modus 2. Inapperzeptiv System von Präteritalformen um direkt über Handlungen zu berichten, die man nicht selbst beobachtet hat wird in normgebenden Grammatik des Bulgarischen häufig gar nicht erwähnt 32 Europäisierung südslawischer Sprachen Verbaler Modus Mazedonisch altes esse-Perfekt wird durch das neue habere-Perfekt ersetzt altes Perfekt entwickelt eine neue Funktion! und zwar die des Konjunktivs der indirekten Rede bzw. die des Renarrativs 33 Europäisierung südslawischer Sprachen Tempora, Ausdruck der Zeitformen Russisch: 3 Tempora B/K/S: 7 Tempora (davon drücken 4 die Vergangenheit aus) Bulgarisch: 9 Tempora 34 Europäisierung südslawischer Sprachen Tempora, Ausdruck der Zeitformen Tendenz, ein einziges Tempus für Vergangenheit zu gebrauchen. übrige drei werden durch Präteritum (= Imperfekt) ausgedrückt außerdem: Aorist und besonders Impferfekt werden stark eingeschränkt 35 Europäisierung südslawischer Sprachen Modal- und Phasenverben Modalverben: dürfen, können, mögen, müssen, sollen, wollen brauchen unbedingt Ergänzung im Deutschen und den meisten slawischen Sprachen in Form des Infinitivs das gleiche gilt für Phasenverben, zB anfangen, aufhören 36 Europäisierung südslawischer Sprachen Modal- und Phasenverben Bulgarisch, Mazedonisch: Infinitiv wurde völlig aufgegeben als verbale Ergänzung wird dort ein Nebensatz verwendet, der durch Konjunktion „dass“ eingeleitet wird und ein Verb im Präsens enthält Slowenisch: Gebrauch von Infinitiv als Ergänzung 37 Europäisierung südslawischer Sprachen Modal- und Phasenverben B/K/S: stellt Überganszone dar Im Süden wird neue Konstruktion (mit Nebensatz) häufiger gebraucht, während im Westen der Infinitiv häufiger gebraucht wird. Moram da radim. – Moram raditi. 38 Europäisierung südslawischer Sprachen Veränderungen in der Morphologie Endungen als morphologische Ausdrucksmittel, Kasus In slawischen Sätzen spielen morphologische Mittel wichtigere Rolle beim Ausdruck von Relationen als in deutschen oder englischen. d.h. zB Subjekt und Objekt werden in slawischen Sprachen durch Endungen gekennzeichnet im Englischen: durch Wortfolge 39 Europäisierung südslawischer Sprachen Veränderungen in der Morphologie Endungen als morphologische Ausdrucksmittel, Kasus Bulgarisch und Mazedonisch: Endungen als Ausdrucksmittel wurden aufgegeben nur ein morphologischer Kasus des Substantivs während andere slawische Sprachen über sechs bzw. sieben Kasus der Substantive verfügen sehr große Veränderung 40 Europäisierung südslawischer Sprachen Veränderungen in der Morphologie Vokativ, Anredeform Tendenz zur Aufgabe des Vokativs durch Veränderungen in Anreden verstärkt im Bulgarischen (als Folge der politischen Wende in den 90er Jahren) Einige sehr häufige Substantive sind aus dem allgemeinen Sprachgebrauch verschwunden. 41 Europäisierung südslawischer Sprachen Vokativ zB die Anreden: Genosse, Genossin – bulg.: drugarju, drugarko: früher: Drugarju ministăr – Genosse Minister heute: Gospodin ministăr – Herr Minister „Herr“ ist dabei gar nicht morphologisch markiert! 42 Europäisierung südslawischer Sprachen Deklination der Kardinalzahlen Anzahl der Kasus ist stabil (7 B/K/S, 6 Slowenisch) Deklinierbarkeit bestimmter Wortgruppen aber nicht betrifft in erster Linie Kardinalzahlen 43 Europäisierung südslawischer Sprachen Deklination der Kardinalzahlen im Deutschen wird nur die Kardinalzahl eins dekliniert im Russischen: fast alle Kardinalzahlen in allen Kasus werden dekliniert Südslawien: Instabilität der Deklination der Kardinalia 44 Europäisierung südslawischer Sprachen Deklination der Kardinalzahlen Slowenisch: fast alle Kardinalzahlen deklinierbar, in gesprochener Sprache ab 5 nicht mehr dekliniert B/K/S: Kardinalzahlen ab 5 sind gar nicht deklinierbar eins, zwei, drei und vier sind zwar deklinierbar, aber in der Praxis wird nur die Zahl eins dekliniert 45 Europäisierung südslawischer Sprachen Deklination der Kardinalzahlen 2, 3, und 4 sowohl in der gesprochener als auch in geschriebener Sprache kaum dekliniert, obwohl Deklination von Norm in Kroatien verlangt wird Norm in Jugoslawien hingegen hat zugegeben, dass diese Zahlen selten dekliniert werden 46 Europäisierung südslawischer Sprachen Zuwachs weiblicher Berufsbezeichnungen weitere Entwicklung in der Europäisierung B/K/S: an sich maskuline Formen noch immer für beide Geschlechter gebräuchlich Äquivalente der deutschen Endung –in werden immer mehr verwendet 47 Europäisierung südslawischer Sprachen Zuwachs weiblicher Berufsbezeichnungen Beispiele: policajka – Polizistin vozačica – Fahrerin profersorica/profesorka – Professorin provoditeljka – Dolmetscherin nobelovka – Nobelpreisträgerin pušačica – Raucherin etc. 48 Europäisierung südslawischer Sprachen Zuwachs weiblicher Berufsbezeichnungen für viele Bezeichnungen gibt es noch keine feminine Markierung: akademik – Akademiker, Mitglied der Akademie vođa – Leiter, Führer ekspert, stručnjak – Experte 49 Europäisierung südslawischer Sprachen Ausdruck der Unpersönlichkeit, Verallgemeinerung im Deutschen durch „man“ ausgedrückt sein Äquivalent in slawischen Sprachen unterliegt zusätzlichen Einschränkungen dadurch man-Sätze viel seltener als im Deutschen im Süden aber Zunahme solcher Sätze im gesprochenen B/K/S in letzter Zeit 50 Europäisierung südslawischer Sprachen Ausdruck der Unpersönlichkeit, Verallgemeinerung Bedeutung des Äquivalents zu man, im B/K/Sen čovjek, ändert sich: Bedeutung in älteren Wörterbüchern: „erwachsener Mann“ auch in Verallgemeinerungen war čovjek nicht vom männlichen Geschlecht befreit (zumindest in Assoziation) (neues) Wörterbuch von Anić: keine von 4 Bedeutungen enthält Vermerk über Begrenztheit auf männliches Geschlecht 51 Europäisierung südslawischer Sprachen Ausdruck der Unpersönlichkeit, Verallgemeinerung anscheinend also Entwicklung zur Ungebundenheit an das männliche Geschlecht des Wortes čovjek an sich steht čovjek in vollkommen gängigen Sätzen aber für eine „männliche erwachsene Person“ aus dem modernen Gebrauch verschwindet das referentielle čovjek mit der Bedeutung „Ehemann“ 52 Europäisierung südslawischer Sprachen Ausdruck der Un-/Bestimmtheit in südslawischen Sprachen Unbestimmtheit und Bestimmtheit werden im Deutschen, Englischen, Französischen und vielen anderen Sprachen durch den Artikel ausgedrückt. Die Mehrheit der slawischen Sprachen verfügt über keinen Artikel. 53 Europäisierung südslawischer Sprachen Ausdruck der Un-/Bestimmtheit in südslawischen Sprachen Ausnahme: Das Bulgarische und Mazedonische haben aber einen bestimmten Artikel entwickelt stammt von Demonstrativpronomen wird dem Substantiv nachgestellt bzw. als Morphem an das Substantiv angehängt 54 Europäisierung südslawischer Sprachen Ausdruck der Un-/Bestimmtheit in südslawischen Sprachen Zur Kennzeichnung der Unbestimmtheit hingegen verfügen diese Sprachen über keinen Artikel. Allerdings: Tendenz, das Äquvalent der Kardinalzahl eins immer mehr zu verwenden in Positionen, die für den unbestimmten Artikel im Deutsch, etc. typisch sind 55 Europäisierung südslawischer Sprachen Ausdruck der Un-/Bestimmtheit in südslawischen Sprachen B/K/S Unbestimmtheit und Bestimmtheit werden durch kurze und lange Endungen ausgedrückt. (stammt aus dem Urslawischen) 56 Europäisierung südslawischer Sprachen Ausdruck der Un-/Bestimmtheit in südslawischen Sprachen in der Sprachpraxis Tendenz, Unterschied der zwei Adjektivflexionen nur im Nominativ Maskulinum Singular beizubehalten in anderen Fällen und Geschlechtern Tendenz, lange Endungen zu verwenden, ohne Rücksicht auf Bestimmtheit und Unbestimmtheit Norm in Jugoslawien hat diesen Zustand anerkannt Norm in Kroatien will Impuls zum Gebrauch der kurzen Endungen zu geben 57 Europäisierung südslawischer Sprachen Neuer Synkretismus zwischen Genitiv und Akkusativ im B/K/S belebte maskuline Nomina in allen slawischen Sprachen: selbe Endung wie im Genitiv Singular phonologische Veränderungen im Urslawischen führten zum Synkretismus zwischen Nominativ und Akkusativ 58 Europäisierung südslawischer Sprachen Neuer Synkretismus zwischen Genitiv und Akkusativ im B/K/S dieser Synkretismus, d.h. Verwendung der selben Endung im Nom. und im Akk. bedeutete Erschwernis in der Kommunikation – Subjekt unterscheidet sich nicht von Objekt Solchen Sätzen können zwei verschiedene Bedeutungen zugeschrieben werden, je nachdem, welches Nomen als „agens“ (lat. das Tuende) verstanden wird. Vor allem, wenn beide Nomina Lebewesen, insbes. Personen, sind. 59 Europäisierung südslawischer Sprachen Neuer Synkretismus zwischen Genitiv und Akkusativ im B/K/S Diese Zweideutigkeit wurde durch Gebrauch der Genitivform als Akkusativ beseitigt. Wiederherstellung der Unterscheidung zwischen Nom. und Akk. ging also auf Kosten der Unterscheidung von Gen. und Akk. und führte zu neuem Synkretismus zwischen Gen. und Akk. 60 Europäisierung südslawischer Sprachen Neuer Synkretismus zwischen Genitiv und Akkusativ im B/K/S Veränderung umfasste zuerst maskuline Nomina als Personenbezeichnungen und weitete sich dann auf alle maskulinen Nomina aus, die etwas Belebtes bezeichnen 61 Europäisierung südslawischer Sprachen Neuer Synkretismus zwischen Genitiv und Akkusativ im B/K/S heutige slawische Sprachen: ungleichmäßige Verbreitung dieses Synkretismus: in manchen auf mask. Sg. beschränkt in anderen auch bei übrigen Geschlechtern und Numeri in einigen Sprachen Tendenz, Synkretismus auch auf maskuline Nomina auszuweiten, die nichts Belebtes bezeichnen (zB Ukrainisch, Weißrussisch, Polnisch, Slowakisch) 62 Europäisierung südslawischer Sprachen Neuer Synkretismus zwischen Genitiv und Akkusativ im B/K/S im B/K/S: Tendenz, Genitivform für den Akkusativ des Unbelebten auch am Relativpronomen (koji, etc.; welcher/der, etc.) zu verwenden stark ausgeprägte Abweichung von der Norm Relativpronomen nimmt Genitivform auch dann ein, wenn es bei Substantiven völlig ausgeschlossen ist Neutrum Akkusativ 63 Europäisierung südslawischer Sprachen Neuer Synkretismus zwischen Genitiv und Akkusativ im B/K/S Slawische Sprachen unterscheiden sich in Bezug darauf voneinander, ob possessiver Genitiv des Relativpronomens vor oder nach dem Nomen auftritt. B/K/S, Slowenisch, Polnisch: bewahren ursprüngliche Wortfolge mit Relativpronomen vor dem Nomen 64 Europäisierung südslawischer Sprachen Neuer Synkretismus zwischen Genitiv und Akkusativ im B/K/S gegenwärtiger Sprachgebrauch im B/K/Sen zeigt allerdings Tendenz zur umgekehrten Wortfolge und geht somit zur anderen Gruppe der slavischen Sprachen über (Bulgarisch, Mazedonisch, Russisch, Weißrussusch, Ukrainisch) 65 Europäisierung südslawischer Sprachen Veränderungen in Phonetik, Phonologie 1. Fast alle slawischen und die Mehrheit der nicht-slawischen Sprachen in Europa verfügen über nur einen Akzent. Dagegen 4 Akzente im B/K/S und zusätzlich eine unbetonte Länge. 66 Europäisierung südslawischer Sprachen Veränderungen in Phonetik, Phonologie In der Praxis aber mehr oder weniger phonologisch überflüssig: Unterschied zwischen kurzen Akzenten nicht bemerkbar dasselbe gilt für die unbetonte Länge B/K/S-Akzentsystem vereinfacht sich offensichtlich seitens der Norm aber nicht anerkannt 67 Europäisierung südslawischer Sprachen Veränderungen in Phonetik, Phonologie 2. Unterschiede von č und ć und đ und dž während im Russischen nur ein Phonem im B/K/Sen zwei solche Phoneme, die sich in ihrer Härte voneinander unterscheiden 68 Europäisierung südslawischer Sprachen Veränderungen in Phonetik, Phonologie in der Sprachpraxis wird aber eigentlich nicht zwischen den jeweils zwei Phonemen unterschieden und die Mehrheit der Sprecher kann diesen Unterschied nicht aussprechen bzw. dann in der geschriebener Sprache wiedergeben 69 Europäisierung südslawischer Sprachen Veränderungen in Phonetik, Phonologie in der Sprachpraxis wird aber eigentlich nicht zwischen den jeweils zwei Phonemen unterschieden und die Mehrheit der Sprecher kann diesen Unterschied nicht aussprechen bzw. dann in der geschriebener Sprache wiedergeben 70 Europäisierung südslawischer Sprachen Quellennachweis Snježana Kordić (2000), Aktuelle Europäisierung südslavischer Sprachen, in: Zeitschrift für Balkanologie 36/1, S. 167-177 71