Reaktionstypen und Reaktionsmechanismen 1.Teil • • • • Einführung Thermodynamik und Kinetik der Reaktionen Substitutionen Eliminationen Mariazell 2006 Lisbeth Berner Inhaltsverzeichnis 1. Einführung 1.1.Trennung von Bindungen 1.2. Induktive, mesomere Effekt 1.3. Sterische Effekt 1.4. Klassifizierung von Reagenzien 1.5. Stabilität von Zwischenprodukten 2. Thermodynamik und Kinetik 2.1. Einführung 2.2. Energiebilanz 2.3. Kinetik von Reaktionen 3. Substitutionen 3.1. Radikalische Substitution 3.1.1. Bildung von Radikalen 3.1.2. Chlorierung von Methan 3.1.3. Chlorierung von höheren Alkanen 3.1.4. Allylbromierung 3.2. Elektrophile Substitution an Aromaten 3.2.1. Halogenierung 3.2.2. Nitrierung 3.2.3. Sulfonierung 3.2.4. Friedel-Crafts-Alkylierung 3.2.5. Friedel-Crafts-Acylierung 3.2.6. Azokupplung 3.2.7. Mehrfachsubstitution 3.3. Nucleophile Substitution an gesättigten C-Atomen 3.3.1. Energieprofile 3.3.2. Stereochemie 3.3.3. Einfluss Struktur Substrat 3.3.4. Einfluss Lösungsmittel 3.3.5. Einfluss eintretende Gruppe 3.3.6. Einfluss Abgangsgruppe 3.3.7. OH-Gruppe 3.3.8. Typische SN-Reaktionen 3.3.9. ß-Dicarbonylverbindungen 3.4. Nucleophile Substitution an Aromaten 4. Eliminationen 4.1. E1-Reaktion 4.2. E1cB-Reaktion 4.3. E2-Reaktion 4.4. Konkurrenz Substitution-Elimination 4.5. Saytzeff-Hofmann -Regel Verwendete Literatur: 1. Vollhardt, Schore, Organische Chemie, 4. Auflage, 2005, WileyVCH 2. Peter Sykes, Reaktionsmechanismen der organischen Chemie, eine Einführung, 8. Auflage, 1982, Verlag Chemie 3. Peter Sykes, Wie funktionieren organischen Reaktionen? Reaktionsmechanismen für Einsteiger, 2. Auflage, 2001, WileyVCH 4. Bülle, Hüttermann, Das Basiswissen der organischen Chemie, 2000, Thieme Verlag 5. Kaufmann, Hädener, Grundlagen der organischen Chemie, 10. Auflage, Birkhäuser Verlag 6. Latscha, Kazmaier, Klein, Organische Chemie, Chemie-Basiswissen II, 5. Auflage, Springer Verlag 1. Einführung 1.1. Trennung von Bindungen R:X R. + .X homolytische Spaltung, 2 Radikale R:X R:- + X+ heterolytische Spaltung, Ionen R:X R+ + :X- heterolytische Spaltung, Ionen Radikalreaktion vorwiegend in der Gasphase und in unpolaren LM, katalysiert durch Licht oder andere Radikale Ionenreaktionen in polaren LM (Energieaufwand für die Ladungstrennung herabgesetzt, Ionenpaare durch Solvation stabilisiert C-Atom mit einem Elektron = C-Radikal C-Atom mit positiver Ladung = Carbenium-Ion C-Atom mit negativer Ladung = Carbanion (Zusätzlich gibt es noch Carbene, Arine) 1.2. Faktoren, die die Elektronendichte in Bindungen und an einzelnen Atomen bestimmen 1.2.1. Induktiver Effekt δ+ δH3C – Cl oder H3CCl schwacher Elektronenunterschuss am C-Atom längere Kette: C-C-CCCl 4 3 2 1 Effekt setzt sich über die Kette fort, nimmt rasch ab (jenseits von C2 kaum feststellbar) Cl und andere Halogene: -I-Effekt (elektronenanziehend) Alkylgruppen: schwacher +I-Effekt (elektronenspendend) 1.2.2. Mesomerer (konjugativer) Effekt: Elektronenverteilung in ungesättigten und konjugierten Systemen z.B: Polarisation in C=O-Bindung durch mesomere Grenzstrukturen angegeben; ist C=O-Gruppe mit einer C=C-Doppelbindung in Konjugation, kann die Polarisation über die π-Elektronen weiter geleitet werden: H + O H H O O Kann sich ein Ion durch Mesomerie stabilisieren, so trägt dies wesentlich dazu bei, dass es sich überhaupt bildet. z.B. beim Phenolat-Ion O O O O - - - 1.2.3. Hyperkonjugation Reihenfolge der I-Effekte von Alkylgruppen: tert.Butyl > Isopropyl > Ethyl > Methyl (wie erwartet) Alkylgruppen an C=C-Bindung gebunden: Elektronendonor-Fähigkeit „umgekehrt“: Methyl > Ethyl > Isopropyl > tert.Butyl (das H+ -Atom wird aber nicht wirklich freigesetzt) H H C H+ H CH2 CH H C CH CH2- H CH3 bei H3C C CH CH2 nicht möglich CH3 Auf Hyperkonjugation von C-H-Bindungen ist auch die erhöhte Stabilität von Alkenen mit nicht-endständigen Doppelbindungen gegenüber ihren Isomeren mit endständigen Doppelbindungen zurück zu führen: (CH3)2C=CH-CH3 (9 α-ständige H zur C=C) H2C=C(CH3)-CH2-CH3 (5 α-ständige H zur C=C), daher weniger stabil 1.3. Sterische Effekte (werden bei den jeweiligen Reaktionen besprochen) 1.4. Klassifizierung von Reagenzien Elektrophile Reagenzien greifen Substrate mit hoher Elektronendichte an entsprechen Lewis-Säuren (Elektronenpaar-Akzeptoren) z.B.: H+, H3O+, NO2+, NO+, PhN2+, R3C+, SO3, CO2, BF3, AlCl3, ICl, Br2, O3. Nucleophile Reagenzien greifen Zentren mit Elektronenmangel an entsprechen Lewis-Basen (Elektronenpaar-Donatoren) z.B. H-, BH4-, HSO3-, OH-, OR-, SR-, CN-, RCOO-, RC≡C-, -:CH(COOC H ) , -O-, -S-, ≡N:, RMgX, RLi 2 5 2 1.5. Stabilität der Zwischenprodukte: •Radikale Allyl>Benzyl>tert.>sek.>prim,>Methyl •Carbeniumionen Benzyl = tert.>Allyl =sek.>prim.>Methyl Allyl- und Benzyl-Kationen bzw. –Radikale sind wegen der Mesomerieeffekte besonders stabil •Carbanionen Alkylgruppen destabilisieren prim.>sek.>tert. Nicht konjugierte Carbanionen haben pyramidale Form, d.h. das freie e-Paar besetzt ein sp3-Orbital, die pyramidale Form unterliegt einer sehr schnellen Inversion. Stabilität stark abhängig von Mesomerieeffekten 2. Kinetik und Thermodynamik einfacher Reaktionen 2.1. Einführung: Einfache chemische Reaktionen werden durch zwei grundlegende Prinzipien bestimmt: a) chem. Thermodynamik: befasst sich mit Energieänderungen bei der Reaktion, ein Maß dafür, wo sich ein chem. Gleichgewicht einpendelt b) chem. Kinetik: betrachtet die Geschwindigkeit, mit der sich die Konzentrationen der Reaktanten bzw. Produkte ändern, also die Schnelligkeit, mit der die Reaktion abläuft. Beide Aspekte stehen oft in Beziehung zueinander – manchmal verlaufen Reaktionen schneller als andere, obwohl sie zu thermodynamisch weniger stabilen Produkten führen (und umgekehrt) Thermodynamisch kontrollierte Reaktionen = Reaktionen, bei denen die Produkte mit der geringsten Energie entstehen. Kinetisch kontrollierte Reaktionen = Reaktionen, deren Aktivierungsenergie niedrig ist, es bilden sich thermodynamisch weniger stabile Produkte. z.B. SO3H SO3H H2SO4,160o 80 % 20 % thermodyn. kontrolliert entsteht langsam H2SO4,80o fast 100% kinetisch kontrolliert thermodyn. weniger stabil Beweis: Erhitzt man reines α-Isomeres oder ß-Isomeres mit H2SO4 bei 160o, entsteht 80% ß-Isomeres und 20% α-Isomeres. 2.2. Energiebilanz chemischer Reaktionen ΔGo = -RTlnK oder - ΔGo = RTlnK Je größer - ΔGo , desto größer ist K, desto mehr liegt das Gleichgewicht auf der Seite der Produkte ΔGo = 0 K = 1, 50% Umsatz ΔGo = -42 kJ K ~ 107 (298 K), fast völliger Umsatz ΔGo = ΔHo – TΔSo ΔH-Werte sind Differenz der Bindungsenergien von Ausgangsstoffen und Produkten; daher gut abschätzbar: ΔS nicht so gut; abschätzbar: Zunahme der Teilchenzahl Entropiezunahme Cyclisierungen Entropieabnahme TΔS temperaturabhängig! ΔH fast nicht. - TΔS kann Vorzeichen von ΔG verändern. ΔGo < 0 exergonisch, ΔGo > 0 endergonisch 2.3. Kinetik von Reaktionen ΔGo muss negativ sein, damit Reaktion überhaupt abläuft unter den Bedingungen; aber wie schnell? z.B. Oxidation von Cellulose: (C6H10O5)n + 6n O2 6n CO2 + 5n H2O ΔGo ziemlich negativ, aber man kann Zeitung lesen, sogar in O2Atmosphäre bei Raumtemperatur. Umwandlungsgeschwindigkeit sehr, sehr klein (steigt bei hoher T. an!) x Ausgangsstoffe Ausgangsstoffe G G G Go Go Produkte Produkte Reaktionskoordinate (a) Reaktionskoordinate (b) 2.3.1. Reaktionsgeschwindigkeit, freie Aktivierungsenthalpie Im Energieprofil (b) ist die Position x Anordnung höchster Energie, die die Moleküle der Ausgangsstoffe auf dem Weg zu den Produkten durchlaufen müssen = Aktivierungskomplex oder Übergangszustand = rasch durchlaufener instabiler Zustand, kein isolierbares Produkt. z.B. H HO- + H C H H Br HO H H C H Br HO + Br- C H H ΔG* in (b).. Freie Aktivierungsenthalpie (je größer, desto langsamer die Reaktion) setzt sich zusammen aus ΔH* - TΔS*. ΔH* ist die Aktivierungsenthalpie = Energie, die zur Dehnung bzw. zur Lösung der Bindungen erforderlich ist. Temperaturerhöhung mehr Moleküle haben diese Mindestenergie Reaktion wird schneller. ΔH* steht in enger Beziehung zur Aktivierungsenergie EA aus der Arrhenius-Gleichung k = A. e –EA/RT bzw. ln k = -EA/RT + ln A EA graphisch ermitteln, ln k auftragen gegen 1/T oder rechnerisch: ln k1/k2 = - EA/T (1/T1 – 1/T2) ΔS* = Aktivierungsentropie, ist mit der Wahrscheinlichkeit verknüpft ( ist der Aufbau des Übergangszustandes mit einem hohen Maß von Ordnung verbunden, ist mit einem großen Entropieverlust zu rechnen, d.h. die Wahrscheinlichkeit der Bildung des Übergangszustandes ist entsprechend gering. 2.3.2. Kinetik und geschwindigkeitsbestimmender Schritt Reaktionsgeschwindigkeiten experimentell messen (wie rasch Ausgangsstoffe und/oder Produkte entstehen, bei const. T) (titrimetrisch, spektrometrisch etc.) Man findet z.B. für CH3Br + OH- CH3OH + Brv = k.[CH3Br] [OH-] 2.Ordnung; je 1.Ordnung für CH3Br und OH- aber für die basenkatalysierte Bromierung von Aceton v= k.[CH3COCH3] [OH-]; Br2 kommt gar nicht vor! d.h. Br2 kommt in keinem geschwindigkeitsbestimmenden Schritt vor. Die meisten Reaktionen laufen nicht so einfach wie in Energieprofil (b) ab, sondern sind eine Folge mehr oder weniger komplexer Folgeschritten – gewöhnlich Zweiteilchen-Kollisionen Wir messen den langsamsten Schritt = geschwindigkeitsbestimmenden Schritt („Flaschenhals“) x1 x2 G Ausg. stoffe G2 * G1 * Zwischenprodukt Produkte G Reaktionskoordinate Ausgangsstoffe werden über den Übergangszustand x1 in ein Zwischenprodukt umgewandelt, das dann rasch über den 2. Übergangszustand x2 in die Produkte übergeht. ΔG1* > ΔG2* 1. Schritt geschwindigkeitsbestimmend Für die Bromierung von Aceton wurde gefunden: OH- O OH- H O Br-Br - langsam Br2 O Br + Br- schnell + H2O Stereochemische Kriterien sind oft wertvolle Hinweise auf Reaktionsmechanismen: z.B. wenn aus einem Enantiomeren nach der Reaktion ein racemisches Gemisch entsteht, muss eine planare Zwischenstufe (Carbeniumion oder Carbanion) durchlaufen werden. Die Addition von Br2 an Cyclopenten liefert ein trans-Dibromid, was einen 2-Stufenmechanismus nahe legt. Katalysierte Reaktionen: Es werden neue, energieärmere Zwischenstufen durchlaufen; z.B. Addition von H2O an Alkene sehr langsam; saure Katalyse: Protonierung zum Carbeniumion, Addition von H2O erfolgt sehr rasch, H+ wird wieder frei zur erneuten Katalyse. 3. Substitutionen 3.1. Radikalische Substitution SR 3.1.1. Bildung von Radikalen: a) Photolyse: b) Thermolyse: Licht 2 Cl . Cl2 Wärme RO-OR c) Redox-Reaktionen: 2 RO . H2O2 + Fe2+ HO . + OH- + Fe3+ ArN2+ + Cu+ Ar . + N2 + Cu2+ 3.1.2. Chlorierung von Methan: Licht Startreaktion: Kettenreaktionen: 2 Cl . (1) CH3 . + HCl (2) CH3 . + Cl2 CH3Cl + Cl . (3) CH4 + Cl2 CH3Cl + HCl (4) = (2) + (3) Cl2 CH4 + Cl . Kettenabbruch: 2 Cl . 2 CH3 . Cl2 CH3-CH3 CH3 . + Cl . CH3Cl Enthalpiewerte (kJ/mol) für Reaktionen (1) – (3) und (4) F Cl Br I (1) +159 +243 +193 +151 (2) -125 +8 +75 +142 (3) -306 -113 -105 -88 (4) -431 -105 -30 +54 Reaktion (1) erfordert die meiste Energie für Cl2 Relative Reaktivität von X. bei der Wasserstoffabspaltung: F. > Cl. > Br. > I. Aus den Werten von (4) sieht man: Fluorierung sehr stark exotherm, explosionsartig; Íodierung endotherm, geht nicht Synthetisch interessant Chlorierung und Bromierung. 3.1.3. Chlorierung höherer Alkane Cl Cl Cl2 + + 6 primäre C-Atome, 2 sekundäre C-Atome 1- Chlorpropan 2-Chlorpropan 2 : erwartetes Verhältnis: 6 1 : 3 experimentelles Verhältnis (bei 25oC): 43:57; daraus errechnet sich die relative Reaktivität pro H-Atom: 6 prim. H-Atome: 43:6=7,2% für jedes primäre H-Atom 2 sek. H-Atome: 57:2=28,5% für jedes sekundäre H-Atom; Relatives Reaktivitätsverhältnis: 7,2: 28,5~ 1:4. d.h. sekundäre H-Atome bei Chlorierung 4x reaktiver. ebenso ergibt sich: tertiäre H-Atome bei Chlorierung 5x reaktiver als primäre. Bei Chlorierung rel. Reaktivität bei 25o: tert: sek: prim = 5:4:1 Bei Bromierung rel. Reaktivität bei 98o: tert: sek: prim = 6300:250:1. Br ist viel selektiver als Cl, Br ist sehr regioselektiv Regioselektivität = Bevorzugung einer bestimmten Position; sie zeigt sich im Isomerenverhältnis, das sich vom statistischen unterscheidet. allgemein gilt: je weniger reaktiv ein Reagenz , desto selektiver ist es. Aufgabe 1: Wie viele und welche Produkte entstehen bei der Chlorierung von 2-Methylbutan? Schätzen Sie die Ausbeuten der verschiedenen Produkte. Cl Cl Cl Cl 1-Chlor-2-methylbutan 1-Chlor-3-methylbutan 2-Chlor-3-methylbuten 2-Chlor-2-methylbutan 6 prim. H Berechnung: 3 prim. H 2 sek. H 6 x 1 = 6; 3 x 1 = 3; 2 x 4 = 8; 1 x 5 = 5 < 1% 27% Ausbeuten: 6/22 = 0,27 3/22 = 0,14 14% 8/22 = 0,36 36% 5/22 = 0,22 22% 1 tert. H Summe 22; Aufgabe 2: In welchem Verhältnis stehen die Ausbeuten bei der Chlorierung bzw. Bromierung von 2-Methylpropan? 9 prim. H, 1 tert. H Chlorierung: 9 x 1 = 9; 1 x 5 = 5; Summe 14. Ausbeuten: 9/14 = 0,64 (64%), 5/14 = 0,36 (36%) X X Bromierung: 9 x 1 = 9; 1 x 6300 = 6300; Summe 6309 Ausbeuten: 9/6309 = 0,0014 ( < 1%), 6300/6309 = 0,998 (> 99%) 3.1.4. Bromierung in Allyl- bzw. Benzylstellung Allylische und benzylische H-Atome werden besonders leicht substituiert, weil die entstehenden Radikale durch Mesomerie stabilisiert werden. NBS = N-Bromsuccinimid (=N-Brombutanimid) dient als Quelle für geringe Mengen Br2, welches aus Spuren HBr und NBS (suspendiert in CCl4) entsteht. Start der Reaktion mit einem Initiator, Licht oder Peroxide: Br2 + Initiator 2 Br . . + Br . + HBr O O NBr + HBr NH O O Br-Br Br Br . + + Br2 3.2. Elektrophile Substitution an Aromaten SE Elektrophiles Reagenz substituiert H-Atom im Aromaten. 1. Annäherung des Elektrophils (E) an π-System π-Komplex 2. Übertragung von 2 Elektronen σ-Komplex 3. Regeneration des π-Systems durch Abspaltung von H+ Energieprofil zeigt, dass der 1. Schritt geschwindigkeitsbestimmend ist, die Abspaltung von H+ erfolgt rasch (kein Isotopeneffekt, wenn man Hexadeuteriobenzen substituiert) Elektrophil muss reaktiver sein als für Addition Lewis-Säuren oder Brönsted-Säuren zur Erhöhung der positiven Partialladung nötig. Elektrophile: X+(X2, AlX3 oder FeX3); NO2+(HNO3+H2SO4); SO3(H2SO4); R+(RX, AlX3); R-C=O+(RCOCl, AlCl3, Anhydride); PhN2+ Azokupplung. 3.2.1. Halogenierung: Cl Cl + AlCl3 Cl Cl H Cl Cl AlCl3 Cl + + AlCl4- 3.2.2. Nitrierung: H+ HNO3 NO2+ + H2O NO2 -H+ + NO2+ AlCl3 - H+ Cl 3.2.3. Sulfonierung: + SO3 H H SO3- + SO3 3.2.4. Friedel-Crafts-Alkylierung: + H +R Cl -H+ R R AlCl3 + AlCl4- Einschränkungen bei Alkylierungen: • nur Alkylhalogenide, Aryl- und Vinylhalogenide reagieren nicht •oft Mehrfachsubstitution •Aromaten mit stark e-ziehenden Gruppen reagieren nicht •oft Umlagerungen der angreifenden Carbokationen AlCl3 + Cl nicht 3.2.5. Friedel-Crafts-Acylierung: O O R Cl + AlCl3 Acylium-Ion (auch aus Anhydriden mit Lewis-Säuren) C+ R O + O H R C+ R AlCl4- R O •keine Mehrfachsustitutionen •keine Umlagerungen •keine Reaktion bei e-anziehenden Gruppen im Ring •CO-Gruppen reduzierbar zu Alkylgruppen mit Zn/Hg und HCl (Clemmensen-Reduktion) oder H2NNH2/NaOH (Wolff-KischnerReduktion) •äquimolare Mengen Lewis-Säure erforderlich, weil gebildetes Keton über die CO-Gruppe die Lewis-Säure komplexieren kann. 3.2.6. Azokupplung: Das Diazonium-Kation (ArN2+, entsteht aus aromatischen Aminen mit salpetriger Säure im sauren Milieu) ist das Elektrophil, aber es ist schwach und reagiert daher nur mit aktivierten Aromaten wie z.B. Phenolaten oder Aminen O O O -H+ + N N Ar H NR2 N=N-Ar N=N-Ar NR2 NR2+ -H+ + N N Ar H N=N-Ar N=N-Ar 3.2.7. Mehrfachsubstitutionen bei SE-Reaktionen: Reaktionsgeschwindigkei Regiochemie stark aktivierend NH2 OH OCH3 H N CH3 CH3 o- und p-dirigierend O H F Br Cl I CHO SO3H NO2 stark desaktivierend COOR COOH CN NR3+ COR m-dirigierend Aktivierende Gruppen haben +I-Effekt bzw. +M-Effekt, d.h. „schicken“ Elektronen in den Aromaten, erhöhen die Reaktionsgeschwindigkeit. Substitution erfolgt in o- und p-Stellung: OMe OMe+ OMe+ OMe+ - - - m-dirigierende Gruppen desaktivieren alle Positionen außer die m-Position für einen elektrophilen Angriff, sie haben –I-Effekte bzw. –M-Effekte. O O + N O O + O O O N N N + + + O + + Halogene haben starken –I-Effekt (reagieren langsamer als Benzen, sind desaktivierend), der schwächere +M-Effekt erhöht aber die e-Dichte in o-bzw. p-Stellung durch Resonanz: Cl Cl Cl Cl - - - Bei Mehrfachsubstitutionen addieren sich die Effekte oder der am stärksten aktivierende Substituent bestimmt die Regiochemie Aufgabe 3: Welche Produkte erwarten Sie bei der Nitrierung von 4-Nitrotoluen bzw. der Bromierung von 4-Methoxytoluen? CH3 CH3 CH3 NO2 HNO3 CH3 Br2/FeBr3 bzw Br NO2 NO2 OMe OMe 3.3 Nucleophile Substitution (am gesättigten C-Atom) SN HO- + C Br C OH + Br- vergleichbar mit einer Säure-Base-Reaktion nucleophile Substitution Es zeigt sich, dass die Reaktion von CH3Br mit OH- einem Geschwindigkeitsgesetz 2. Ordnung gehorcht: v = k [CH3Br] [OH-] SN2-Reaktion Vergleich von Geschwindigkeiten für verscheidene R: v= CH3Br 1 CH3CH2Br 0,079 (CH3)2CHBr 0,014 (CH3)3CBr 47,2 !! Zusätzliche Methylgruppen verlangsamen die Reaktion (Angriff sterisch gehindert), das tertiäre Alkylhalogenid reagiert aber viel schneller anderes Geschwindigkeitsgesetz: v = k [(CH3)3CBr] SN1-Reaktion Konzentration von OH- beeinflusst die Reaktion nicht! 3.3.1. Energieprofile: SN2 SN1 3.3.2. Stereochemie der SN-Reaktionen: a) SN2: H H C I- I Br H3C CH3CH2 C H3C chiral, opt.aktiv H Br I C CH2CH3 Rückseitenangriff b)SN1 CH3 CH2CH3 + Br- chiral, opt.aktiv Inversion OH + H3C C3 H7 C Br C2 H5 (R)-3-Brom3-methylhexan Br- + H3C H2O C3 H7 C -HBr C C2 H5 planar, achiral -HBr C3 H7 C2 H5 H3C (R)-3-Methyl3-hexanol H 2O + Racemat C2 H5 H3C C C3 H7 OH (S)-3-Methyl3-hexanol 3.3.3. Einfluss der Struktur des Substrates: Primäre und sekundäre Alkylderivate reagieren nach SN2 (sekundäre langsamer als primäre, s.o.), tertiäre Alkylderivate nach SN1. Je stabiler das gebildete Carbeniumion, desto eher SN1. 3.3.4. Einfluss des Lösungsmittels: Cl- + CH3-I Cl-CH3 + I- läuft in DMF 106 x schneller als in MeOH MeOH solvatisiert Cl- gut, bevor Cl- reagieren kann, muss die Solvathülle entfernt werden, benötigt Energie. SN2 läuft besser in unpolaren, aprotischen LM (CH3)3C-Br (CH3)3C+ + Br- in EtOH/H2O(1:1) viel schneller als in reinem EtOH; polare LM bilden mit beiden Ionenpaaren Solvathüllen, stabilisieren die Ionen. SN1 läuft besser in polaren LM 3.3.5. Einfluss der eintretenden Gruppe: Nucleophilie Basizität a) proportional: EtO- > C6H5O- > CH3COO- > NO3- (hier ist immer O an der nucleophilen bzw. basischen Reaktion beteiligt) b) nicht proportional: Basenstärke: EtO- > EtS-; F->Cl->Br->INucleophilie: EtS- > EtO-; I->Br->Cl->F(Erklärung: je größer ein Atom, desto leichter polarisierbar desto größer nucleophile Kraft) c) Negative Ladung erhöht Nucleophilie: NH2- > NH3 d) Nucleophilie nimmt im PSE nach „rechts“ ab: H2O < NH3 e) Nucleophilie nimmt im PSE nach „unten“ zu: EtS- > EtO- f) Sterisch gehinderte Nucleophile (CH3)3CO- < CH3O- reagieren langsamer: In SN1-Reaktionen spielt Nucleophilie keine Rolle;Nucleophil am geschwindigkeitsbestimmenden Schritt nicht beteiligt. 3.3.6. Einfluss der Abgangsgruppen: •Gute Abgangsgruppen stabilisieren negative Ladungen gut •Gute Abgangsgruppen sind (meist) schwache Basen •Bei Halogenen: I- > Br- > Cl- > F- •Schwefelderivate: ROSO3Alkylsulfate RSO3Alkylsulfonate od. Arylsulfonate O O O H3C S F3 C O S O - H3C S O O Methansulfonat-Ion (Mesylat-Ion, -OMes) O Trifluormethansulfonat-Ion (Triflat-Ion, -OTfl) Toluensulfonat-Ion (Tosylat-Ion, -OTos) Dimethylsulfat als Methylierungsreagenz: O O CH3CH2O- + MeO S O OMe O CH3CH2OCH3 + O S O OMe 3.3.7. Reaktionen der schlechten Abgangsgruppe –OH: •Protonierung: H R-OH + HBr R-O + Br- R-Br + H2O H Abgangsgruppe wird nun H2O, eine sehr schwache Base. Auch Ether können durch starke Säuren protoniert werden (Etherspaltung durch Iodwasserstoff). •Reaktionen mit anorganischen Halogenderivaten: z.B. PBr3, PCl5, SOCl2, RSO2Cl RCH2OH + SOCl2 RCH2Cl + HCl •Bildung von Sulfonaten mit Sulfonylchloriden (Methansulfonylchlorid, Tolylsulfonylchlorid, Trifluormethansulfonylchlorid) RCH2OH + CH3SO2Cl RCH2OSO2CH3 + HCl Amine (z.B. Pyridin, Triethylamin) binden das freiwerdende HCl 3.3.8. Typische SN2-Reaktionen: EtR EtN3 EtSH RLi Et-I N3 HS- NH3 NaI PPh3 EtCN CNRCOOEt RC CH3-CH2-X EtPPh3+ X- RS- RCOO- EtSR Br- CNa SCN- RC EtNH2, Et2NH, Et3N, Et4N+ X- - HO- CEt EtBr ROEtOR EtSCN EtOH 3.3.9. Alkylierung von ß-Dicarbonylverbindungen verlaufen auch nach SN2-Mechanismen: •Acetessigestersynthesen: mono- oder dialkylierte Ketone. O O - EtOH O O - Br- OEt O OEt OEt H + H3C-Br + -OEt O CH3 CH3 - CO2 Hitze O O O 2. Alkylierung mit CH3Br NaOH, H2O O OH H3C CH3 CH3 O OEt H3C CH3 •Malonestersynthesen mono- oder dialkylierte Carbonsäuren O EtO O OEt O O R H EtO EtO OEt O O R R OEt NaOH, H2O O R HO R - CO2 Hitze HO O O R R OH Aufgabe 4: Nach welchem Mechanismus verläuft die Reaktion von Na-Ethylat mit Bromethan in Ethanol? Wie wird die Reaktion beeinflusst, wenn man folgende Änderungen durchführt: 1) Verwendung von Fluorethan statt Bromethan? 2) Verwendung von Brommethan statt Bromethan? 3) Verwendung von NaSEt statt NaOEt? 4) Verwendung von DMF statt EtOH als Lösungsmittel? Antwort: SN2; langsamer; schneller; schneller; schneller. 3.4. Nucleophile Substitution am Aromaten 3.4.1. Arene mit stark elektronenanziehenden Gruppen und z.B. einem Halogen als austretende Gruppe können durch starke Nucleophile substituiert werden. F OH NO2 NO2 OH- NO2 NO2 Mechanismus: SN1 nicht möglich, es müsste ein Aryl-Kation entstehen, welches extrem instabil wäre; SN2 auch nicht möglich, weil der Ring den Angriff den Nucleophils behindert. Additions-Eliminations-Mechanismus: F F NO2 OH- - NO2 NO2 -Fschnell langsam NO2 OH OH NO2 NO2 Geschwindigkeitsbestimmend ist nur der 1. Schritt: v = k [Ar-X] [OH-]; d.h. Bindungsstärke Ar-X beeinflusst die Reaktion nicht. 3.4.2. Arin-Mechanismus: Nucleophile aromatische Substitution über EliminationsNH Cl Additions-Mechanismus: 2 NH2- + Cl- -33oC fl. NH3 Beweis: Substitution an 4-Chlortoluen: NH2 NH2- Cl H Cl H - 38% NH3 NH3 CH3 CH3 CH3 CH3 H NH2 ArinZwischenstufe 62% CH3 4. Eliminierungen Sind die wichtigsten Konkurrenzreaktionen der aliphatischen Substitutionen. Meist ß-Eliminierungen (d.h. austretende Gruppen an benachbarten C-Atomen); aus gesättigten Verbindungen HO OH Alkene. Br ClCl oder oder H2O Hydrolyse Substitution Hydrolyse und Umlagerung oder oder Eliminierung Eliminierung und Umlagerung 3 Mechanismen möglich: 4.1. E1-Reaktion: Bindung C-Ab (=Abgangsgruppe) wird heterolytisch gespalten Carbokation Verlust von H+ π-Bindung - AbH-CH2-CH2-Ab langsam - H+ H-CH2-CH2+ Carbokation schnell CH2=CH2 Monomolekulare Eliminierung, v = k [R-X]; besonders bei tert. Halogenalkanen, polare LM begünstigen, ebenso hohe Temp. 4.2. E1cB-Reaktion (cB = “conjugate base”) Zuerst wird das H+ entfernt, es entsteht die “conjugate base”, dann wird die Abgangsgruppe abgespalten: - H+ H-CH2-CH2-Ab schnell - CH2-CH2-Ab conjugate base - Ablangsam CH2=CH2 Der 2. Schritt ist geschwindigkeitsbestimmend. Die Bildung von Arin aus Chlorbenzen mit NH2- läuft nach E1cB. 4.3. E2-Reaktion: Base H-CH2-CH2-Ab CH2=CH2 + H-Base + Ab- Konzertierte, bimolekulare Reaktion, H+ und Ab- werden gleichzeitig abgespalten; v = [R-X][Base]; bei primären und sekundären Halogenalkanen. H H CH3 CH3 H H-O H Cl CH3 + H2O + ClH CH3 - E2- Eliminierungen laufen am leichtesten, wenn die austretenden Gruppen zueinander anti-ständig sind, d.h. wenn die H-, Cα-, Cßund X-Atome (=Ab) in einer Ebene liegen („antiperiplanar“): X R R α OH- R ß R Diese Konformation kann von allen offenkettigen, um die Cα-Cß-Bindung frei drehbaren Molekülen eingenommen werden. H Aufgabe 5: Welches Produkt entsteht, wenn man 2-Brombutan mit K-tert.Butylat umsetzt? Br H H CH3 CH3 H3C H H3C -O-C(CH H 3) 3 H Z-But-2-en günstigste Konformation Bei cyclischen Verbindungen anti-Anordnung nur möglich, wenn sowohl das H-Atom als auch das X-Atom axial stehen: H H CH3 H Cl cis-1-Chlor-2-methylcyclohexan B:- H 1-Methylcyclohex-1-en CH3 CH3 H H CH3 Base H Cl trans-1-Chlor-2-methylcyclohexan Base H H H thermodynamisch weniger stabil, weil weniger substituierte Doppelbindung 3-Methylcyclohex-1-en 4.4. Konkurrenz Substitution – Eliminierung 4.4.1. Basenstärke des Nucleophils: schwache Basen starke Basen H2O, ROH, PR3, N3OH-, OR-, H2N-, R2NHalogenide, RCOOwahrscheinlicher Substitution Eliminierung 4.4.2. Sterische Hinderung am Substrat: sterisch ungehindert sterisch gehindert prim. Halogenalkane verzweigte prim., sek., tert. Halogenalkane wahrscheinlicher Substitution Eliminierung 4.4.3. Sterische Hinderung am Nucleophil: sterisch ungehindert sterisch gehindert OH-, CH3O-, H2N(CH3)3CO-, [CH(CH3)2]2NSubstitution möglich Eliminierung bevorzugt Einfache Voraussage: Gewichtung 1-3 ~ gleich SN2 Br + O-Na+ sterische Hinderung am Substrat + NaBr O 15% in EtOH E2 + NaBr + EtOH 85% O SN2 Br O-K+ + sterische Hinderung am Nucleophil in t-BuOH + KBr 15% E2 + HBr 85% O SN2 Br + O-Na+ + NaBr 90% in EtOH + NaBr + EtOH E2 10% Verwendet man Lithiumdiisopropylamid (LDA) [(CH3)2CH]2N-Li+ als Base, tritt nur Eliminierung auf, weil LDA nicht als Nucleophil reagieren kann. 4.5. Saytzeff- und Hofmann-Regel (Regioselektivität) Saytzeff-Regel: Bei den meisten E1- und E2-Reaktionen entsteht bevorzugt das thermodynamisch stabilere Alken, d.h. das Alken mit der höher substituierten Doppelbindung. Br + -Br- -H+ + schnell langsam < 1% 99% oft auch Umlagerungen des Carbenium-Ions: -H+ -Br+ + Br Hofmann-Regel: Es wird das weniger substituierte Alken gebildet – kinetische Kontrolle – meist bei E2-Reaktionen mit sperrigen Basen wie z.B. t-BuO-K+ (CH3)3CO-K+ Br + 70% ( mit OH- Verhältnis 20:80 ) 30% Energieprofile für E2: (Saytzeff-Hofmann-Orientierung): Hofmann fand seine Alkene bei der nach ihm benannten Abbaureaktion: Hofmann Abbau nach erschöpfender Methylierung: quartäre Ammoniumgruppe = schlechte Abgangsgruppe bevorzugt Hofmann-Produkt) CH3I (Überschuss) NH2 Ag2O N+(CH3)3 I- N+(CH3)3 H2O - H2O - N(CH3)3 OHerhitzen E2-Reaktion) Aufgabe 6: Welches Alken entsteht durch wiederholte HofmannEliminierung aus N-Methylazacycloheptan? 1. CH3I 2. Ag2O, H2O 3. erhitzen N CH3 1. CH3I 2. Ag2O, H2O 3. erhitzen N(CH3)2 + N(CH3)3 Hexa-1,5-dien