Workshop Finanzwissenschaft Georg Kreis: Ist übermorgen noch gut, was vorgestern gut war? Der schweizerische Föderalismus aus historischer Sicht Leila Postner ([email protected]) & Stefan Hämmerle ([email protected]) Lehrbeauftragte: Dr. Kersten Kellermann Inhaltsübersicht • • • • • • • • • • Begriffserklärung Geschichte Kantone Vorteile des Kantonalen Föderalismus Abbau oder Ausbau ? Kantonsfusionen Vorteile einer Gebietsreform Probleme einer Gebietsreform Föderalismus als Minderheitenschutz? Schlussfolgerung/ Fazit • Einladung zur Diskussion Außenwirtschaft & Finanzwirtschaft 16.05.2016 2 Föderalismus Föderalismus ist ein Ordnungsgrundsatz für den Aufbau der Gesellschaft und größerer politischer Einheiten. selbstständige („autonome“) kleinere Gemeinschaften schließen sich zu größeren Ordnungen zusammen, ohne ihre Eigenständigkeit und Verschiedenheit zu beseitigen. „Vielfalt in der Einheit“. (Vgl. Pernthaler, Peter (1984): Föderalismus und Bundesstaat. 24 Grundsätze, Innsbruck: Institut für Föderalismusforschung ) Staatliche Gewalt ist aufgeteilt zwischen verschiedenen Ebenen Außenwirtschaft & Finanzwirtschaft 16.05.2016 3 Historie des schweizerischen Föderalismus Vor 1798 war die Schweiz während hunderten von Jahren ein lockerer Bund von Staaten. Hauptsächlich Verteidigungsbündnis mit einer Tagsatzung unter rotierendem Vorsitz Eidgenossenschaft 1798: Einmarsch Napoleons Helvetische Verfassung schaffte Einheitsstaat und degradierte Kantone zu Gliedstaaten Neue Verfassung von 1803 Mediationsakte „Es braucht verschiedene Regierungen in einem so unterschiedlichen Land“ (Napoleon) 1848: Schaffung des Bundesstaats: einheitlicher Staat unter Achtung der Kantone und deren Staatlichkeit Fundamente noch heute vorhanden 1874: Stärkung der Bundeskompetenzen 1999: Totalrevision ohne wesentliche Verschiebungen der Zuständigkeiten zwischen Bund und Kantonen Außenwirtschaft & Finanzwirtschaft 16.05.2016 4 Schweizer Föderalismus Art. 3 Bundesverfassung: „Die Kantone sind souverän, soweit ihre Souveränität nicht durch die Bundesverfassung beschränkt ist; sie üben alle Rechte aus, die nicht dem Bund übertragen sind.“ Jeder der 26 Kantone hat eine eigene Verfassung und eigene gesetzgebende, vollziehende und rechtsprechende Behörden. 20 Kantone haben volle, 6 eine „geteilte Ständestimme“ im Ständerat Die Kantone können auch ihren Gemeinden eine gewisse Autonomie gewähren. Außenwirtschaft & Finanzwirtschaft 16.05.2016 5 Vorteile des kantonalen Föderalismus Der kantonale Föderalismus darf nicht nur als Erschwernis für Innovationen verstanden werden: Föderalismus enthält die Chance, in einem beschränkten Territorium wie in einem „Versuchslabor“ Lösungen zu testen und Erfahrungen zu sammeln. Kanton geht voraus, der Bund folgt nach. Wettbewerbsgemeinschaft: Wer hat die günstigsten Steuerbedingungen, wer die besseren Schulen? Außenwirtschaft & Finanzwirtschaft 16.05.2016 7 Abbau / Ausbau des Föderalismus Immer mehr Kompetenzen gehen von den Kantonen an den Bund: o starke Vereinheitlichung im Rechtswesen o Ruf nach einem gesamtschweizerischen Wirtschaftsraum (vgl. EU) Andererseits lässt die jüngere Geschichte eher einen Trend zum Ausbau erkennen: o 1979 entstand der Kanton Jura nach Abspaltung vom Kanton Bern o Gründung der „Konferenz der Kantonsregierungen“ als neues Gremium zur Interessensvertretung Außenwirtschaft & Finanzwirtschaft 16.05.2016 8 Kantonsfusionen Immer wieder Versuche, historisch gewachsene Gebilde zu Großeinheiten zu verschmelzen Espace Mittelland: koordiniert die wirtschaftliche Zusammenarbeit der Kantone (Bern, Solothurn, Freiburg, Neuenburg) – ähnlich der EU Diskussion um einen Großkanton Zentralschweiz bzw. um die Schaffung der Kantone Ost- und Nordwestschweiz 1999 teilt das Bundesamt für Statistik die Schweiz in 7 Großregionen ein Außenwirtschaft & Finanzwirtschaft 16.05.2016 9 Wichtige Kantonsfusionsversuche Zusammenschluss positiv aber schier unmöglich • 1997 (Waadt und Genf) -> 2002 mit 80% Nein-Stimmen abgelehnt • 1999 umfassende Gebietsreform zur Schaffung eines Kantons Nordwestschweiz -> Klare absagen Vorteile einer Gebietsreform Wirtschaftlichkeit/Effizienz: betriebswirtschaftliche Mindestgrößen (Polizei, Spital-, und Schulwesen usw.); vermeiden von ruinösen Konkurrenzkämpfen Soziale Gerechtigkeit: Steuerharmonisierung, Disparitäten zw. „Stadt & Land“ abbauen Demokratische Mitbestimmung: Mitbestimmungsbereich erweitern; Stärkung des Föderalismus: Stärkung der Gliedstaaten Minderheitenschutz: pol. Kleingruppen haben in größeren Wahlkreisen bessere Chancen in Parlamenten vertreten zu sein Umweltschutz an sich eine großräumige Angelegenheit Statistische Aussagekraft: bessere Vergleichsgrößen (bereits jetzt 7 Großregionen) Außenwirtschaft & Finanzwirtschaft 16.05.2016 11 Probleme einer Gebietsreform Oftmals emotionale Barrieren – Kantone sind historische Einheiten Unterschiede der Verwaltungsstrukturen Kantonale Eigenheiten Probleme der Zusammensetzung: Welche Kantone sollen eine Einheit bilden? Kantönligeist Strukturprobleme durch Partnerschaftsverträge lösen (bei Beibehaltung der jetzigen „Territorien“) Außenwirtschaft & Finanzwirtschaft 16.05.2016 12 Föderalismus als Minderheitenschutz? These: Minderheiten können Interessen (Konfession, Sprache, …) besser vertreten Diese These hat sich grundlegend verändert: Neue Minderheiten ohne politische Rechte Bevölkerungsverdichtung in Ballungsräumen führt zu einer „Differenz der Stimmkraft“: z.B. Stimmkraft von Zürchern zählt weniger, als die der Appenzeller Problem des Ständemehrs: Möglichkeit, dass das Volk mehrheitlich Ja sagt, aber kein Ständemehr zustande kommt Außenwirtschaft & Finanzwirtschaft 16.05.2016 13 Schlussfolgerungen Der Kleinstaat Schweiz ist in (historisch gewachsene) 26 weitere Kleinstaaten unterteilt Unter Umständen sehr kostspielig: Eigenständige kantonale Verwaltung für eine geringe Bevölkerungsanzahl (Extremfall: 15.000 Einwohner im Kanton Appenzell Innerrhoden) Wachstumsprobleme in der Schweiz & weltweiter Trend zu grossräumigen politischen und wirtschaftlichen Strukturen Handlungsbedarf o Reform der föderalen Struktur der Schweiz föderale Struktur, Bürgernähe und innerföderaler Wettbewerb als eine Stärke der Schweiz Außenwirtschaft & Finanzwirtschaft 16.05.2016 14 Fazit • Immer mehr Kooperation der Kantone untereinander Möglichkeit der Zusammenarbeit ohne territoriale Veränderungen • Kein Zusammenschluss aller Kantone aber Zusammenschluss von kleineren Quellenverzeichnis Pernthaler, Peter (1984): Föderalismus und Bundesstaat. 24 Grundsätze (S.3), Innsbruck: Institut für Föderalismusforschung Nohlen, Dieter: Lexikon der Politikwissenschaft. Theorien Methoden Begriffe Bundesamt für Raumplanung (1999): Die sieben Grossregionen der Schweiz. Die Schweiz im europäischen Regionalsystem, http://www.bfs.admin.ch/bfs/portal/de/index/themen/regionale_und_intern ationale/02/blank/medienmitteilungen.Document.23625.pdf (Stand: 17.3.2007). Wikipedia (2007): Föderalismus in der Schweiz, http://de.wikipedia.org/wiki/F%C3%B6deralismus_in_der_Schweiz (Stand: 17.3.2007). Außenwirtschaft & Finanzwirtschaft 16.05.2016 16 Noch Fragen? Einladung zur Diskussion Vielen Dank für eure Aufmerksamkeit!