Der Vertrag von Lissabon

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Der Vertrag von Lissabon
Jochen Kubosch
Leiter des Informationsbüros München
des Europäischen Parlaments
EUROPÄISCHES PARLAMENT ● Informationsbüro München ● www.europarl.de
Gliederung
• Warum ein neuer Vertrag?
• Wichtigste Unterschiede zum
Verfassungsvertrag
• Wichtigste Verbesserungen im
Vergleich zum Vertrag von Nizza
Warum ein neuer Vertrag?
Europäischer Rat in Laeken (15.12.2001):
Die EU braucht:
• Klarere Aufteilung der Zuständigkeiten
• Vereinfachung der Instrumente
• Mehr Demokratie, Transparenz, Effizienz
• Weg zu einer europäischen Verfassung
(Vereinfachung und Zusammenfassung der Verträge,
Status der Charta der Grundrechte)
Wichtigste Unterschiede zum
Verfassungsvertrag
• Keine Symbole
(„Verfassung“, Hymne, Fahne, Motto, „Hoher Vertreter“
statt Außenminister, Terminologie)
• Alle Änderungen werden in bestehende
Verträge eingefügt (EGV wird „AEUV“)
• Charta der Grundrechte nur im Anhang,
aber verbindlich (außer UK und Polen)
• „freier und unverfälschter Wettbewerb“
aus den Zielen (nur dort !) gestrichen
Ursprünglicher Zeitplan
• Juli 2007: Regierungskonferenz eröffnet
• Dezember 2007: Regierungskonferenz
abgeschlossen
• 2008: Ratifizierung durch alle 27 Staaten
• 2009: Vertrag in Kraft
• Juni 2009: EP-Wahl
• Herbst 2009: EP wählt die neue Kommission
nach neuem Verfahren
Tatsächlicher Ablauf
• Juli 2007: Regierungskonferenz eröffnet
• Dezember 2007: Vertragsunterzeichung in Lissabon
• Ab 2008: Ratifizierung durch alle 27 Staaten
• Juni 2009: EP-Wahl nach Vertrag von Nizza
• 1.12.2009: Alle 27 haben ratifiziert: Vertrag in Kraft
• Januar 2010: EP entscheidet über neue Kommission
nach neuem Verfahren
Wichtigste Vorteile
• Handlungsfähigkeit der EU gestärkt
• Mehr Bürgernähe
• Mehr Rechte für Parlamente, mehr
Demokratie
• EU erhält Rechtspersönlichkeit
Stärkung der Handlungsfähigkeit
der Europäischen Union (I)
• Mehr Entscheidungen mit qualifizierter
Mehrheit (vor allem Inneres und Justiz)
• Ab 2014
Entscheidung mit „doppelter Mehrheit“
• Präsident des Europäischen Rates
für 2 ½ Jahre
Stärkung der Handlungsfähigkeit
der Europäischen Union (II)
• „Teampräsidentschaften“
• „Hohe/r Vertreter/in für Außen- und
Sicherheitspolitik“
und Diplomatischer Dienst
• Verstärkte Zusammenarbeit erleichtert
Neue Mehrheitsregel bei
Abstimmungen im Rat
Prinzip der doppelten Mehrheit bei Beschlüssen mit
qualifizierter Mehrheit. In besonderen Fällen (Entscheidung
ohne Vorschlag der Kommission oder ohne Initiative des
Außenministers): superqualifizierte Mehrheit.
Doppelte
Mehrheit
Superqualifizierte
Mehrheit
55 % der Ratsmitglieder
Mindestens 15 Mitgliedstaaten
72 % der Ratsmitglieder
 65 % der Bevölkerung
 65 % der Bevölkerung
Mehr Bürgernähe
• Art. 2 und 3: Ziele und Werte klar
herausgestellt
• Grundrechte-Charta wird rechtsverbindlich
• Unionsbürgerschaft
• Europäisches Bürgerbegehren
• Mehr Transparenz
(z.B. öffentliche Ratssitzungen)
Mehr Rechte für Parlamente
• EP entscheidet über mit absoluter Mehrheit
über den Kommissionspräsidenten
• EP im Regelfall Mitgesetzgeber
• Neuer Artikel stärkt nationale Parlamente:
– Sie kontrollieren die Einhaltung des
Subsidiaritätsprinzips
– Sie können Gesetzesvorschlag an Kommission
zurück verweisen
– Aber kein Vetorecht einzelner Parlamente
Subsidiaritätsprüfung
Das geänderte Protokoll zu Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit enthält folgende Regelungen:
• Jedes EU-Organ ist für Einhaltung der Grundsätze von Subsidiarität und
Verhältnismäßigkeit verantwortlich.
• Die Kommission muss ihre Vorschläge im Hinblick auf die Einhaltung der
Prinzipien begründen.
• Jedes nationale Parlament kann Rechtsetzungsvorschläge wegen Verstoßes
gegen das Subsidiaritätsprinzip rügen. Hierbei können auch regionale
Parlamente mit Gesetzgebungsbefugnissen konsultiert werden. Wird von mehr
als einem Drittel der Parlamente Kritik geäußert, muss die Kommission ihren
Vorschlag überprüfen. Bei Justiz und Inneres reicht bereits ein Viertel der
Stimmen.
• Nationale Parlamente (in Deutschland auch Bundesrat) können wegen
Subsidiaritätsverstoßes vor dem EuGH klagen.
• Auch AdR hat Klagerecht
• Kommission muss jährlich Bericht über Anwendungen der Prinzipien vorlegen.
Überblick über die Zuständigkeiten
• Ausschließliche Zuständigkeiten
Nur die EU wird gesetzgeberisch tätig
• Geteilte Zuständigkeiten
EU oder Mitgliedstaat wird
gesetzgeberisch tätig
• Unterstützungs-, Koordinierungsoder Ergänzungsmaßnahmen
Die EU hat keine
Harmonisierungsbefugnisse
• Koordinierung der Wirtschaftsund Beschäftigungspolitik
• Gemeinsame Außen- und
Sicherheitspolitik
Die neuen Kompetenzkategorien
Ausschließlich:
Geteilt:
z. B.:
z. B.:
- Währungspolitik
für Eurozone,
- Handelspolitik,
- Zollpolitik,
- Wettbewerbspolitik
- Binnenmarkt ohne
Wettbewerbspolitik,
- Außen- und Sicherheitspolitik
- Landwirtschaft,
- Verbraucherschutz,
- Verkehr,
- Umwelt,
- Energie,
- Bereiche der Sozialpolitik,
- wirtschaftl., sozialer u.
territorialer
Zusammenhalt
Unterstützung,
Koordinierung und
Ergänzung:
z. B. in den Bereichen:
- Wirtschaft,
- Beschäftigung,
- Verwaltungszusammenarbeit,
- Gesundheit,
- Bildung,
- Jugend und Sport,
- Kultur,
- Zivilschutz
Die 3 Führungspersönlichkeiten
der Europäischen Union
Präsident der
Europäischen
Kommission
Vorschlag durch
Europäischen Rat unter
Berücksichtigung der
Wahlen zum
Europäischen Parlament
mit qualifizierter Mehrheit
Wahl durch Europäisches
Parlament mit Mehrheit
der Mitglieder
Amtsdauer: 5 Jahre
Hohe/r Vertreter/in
für Außen- und
Sicherheitspolitik
Ernennung durch
Europäischen Rat mit
qualifizierter Mehrheit mit
Zustimmung des
Kommissionspräsidenten
Vizepräsident der
Kommission
Vorsitz im Rat
„Auswärtige
Angelegenheiten“
Amtsdauer: 5 Jahre
Präsident des
Europäischen
Rates
Wahl durch Europäischen
Rat mit qualifizierter
Mehrheit
Vorsitz im Europäischen Rat,
Sicherung der Kontinuität
Außensteuerung der EU
(zusammen mit
Außenminister)
Amtsdauer: 2 ½ Jahre, darf
kein nationales Mandat inne
haben
Europäischer Rat
WAHL DES RATSPRÄSIDENTEN FÜR 2,5 JAHRE,
einmalige Wiederwahl möglich
Qualifizierte Mehrheit
Er darf kein einzelstaatliches Amt innehaben
Er nimmt unbeschadet
der Zuständigkeiten des
Außenministers die
Vertretung der Union
in Angelegenheiten
der GASP wahr.
Er sorgt in Zusammenarbeit mit
dem Präsidenten der Kommission
auf der Grundlage der Arbeiten
des Rates „Allgemeine Angelegenheiten“ für die angemessene
Vorbereitung und Kontinuität
der Beratungen des Europäischen
Rates.
Er wirkt darauf hin, dass Zusammenhalt und Konsens im Europäischen Rat gefördert werden.
Er legt dem EP
im Anschluss an
jede Tagung
einen Bericht vor.
Außen- und Sicherheitspolitik
(GASP)
Die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik ist den geteilten
Kompetenzen zugeordnet. Angesprochen werden:
• Alle Bereiche der Außenpolitik
• Sämtliche Fragen im Zusammenhang mit der Sicherheit der Union
• Schrittweise Festlegung einer gemeinsamen Verteidigungspolitik
• Verpflichtung der Mitgliedstaaten die Außen- und Sicherheitspolitik der
Union aktiv und vorbehaltlos im Geiste der Loyalität und der gegenseitigen Solidarität zu unterstützen und die Rechtsakte der Union zu achten.
Allerdings werden auch künftig Beschlüsse im Europäischen Rat und im
Ministerrat einstimmig gefasst. Deshalb Gefahr der Blockade. Positive
Impulse durch die Schaffung des Amtes des europäischen
Außenministers.
Neuerungen für Länder/
Regionen und Kommunen
Kompetenz/
Transparenz
Sicherung der Kompetenzen durch klar
definierte Kompetenzkategorien
Unveränderte Übernahme des Protokolls zum
öffentlich-rechtlichen Rundfunk
Klagerecht der Länder über den Bundesrat bei
Verletzungen des Subsidiaritätsprinzips
Subsidiarität
Klagerecht für den AdR bei Verletzung des
Subsidiaritätsprinzips
Verankerung der regionalen/kommunalen
Selbstverwaltung
Klagerecht für einzelne Regionen NICHT erreicht
Art. 3 EUV: Neue soziale Ziele
(„Soziale Querschnittsklausel“)
• Vollbeschäftigung
• Sozialer Fortschritt
• Bekämpfung von sozialer Ausgrenzung und
Diskriminierung
• Förderung von sozialer Gerechtigkeit und
sozialem Schutz
• Gleichstellung von Männern und Frauen
• Solidarität zwischen Generationen
• Schutz von Kinderrechten
Freiheit, Sicherheit und Recht
Visa, Asyl,
Grenzkontrollen
Justizielle Zusammenarbeit in Zivil- u. Strafsachen
Polizeil. Zusammenarbeit
• Nahezu ausnahmslose Anwendung der Gemeinschaftsmethode und der
Abstimmung mit qualifizierter Mehrheit
• Beibehaltung besonderer Bestimmungen für die polizeiliche und justizielle
Zusammenarbeit
• Beibehaltung der Einstimmigkeit in bestimmten Bereichen
• Beibehaltung des Initiativrechts der Staaten
- gemeinsam mit der Kommission - in bestimmten Bereichen
Status von Kirchen/Religionsgemeinschaften, Gottesbezug
Der Inhalt der bisherigen Erklärung zum Status der Kirchen und
weltanschaulichen Gemeinschaften wurde in Artikel 17 AEUV
übernommen:
• Achtung des Status von Kirchen und religiösen Vereinigungen durch
die EU
• Regelmäßiger Dialog der EU mit Kirchen und Gemeinschaften
Kein ausdrücklicher Gottesbezug, aber in der Präambel steht:
„Schöpfend aus dem kulturellen, religiösen und humanistischen
Erbe Europas, aus dem sich die unverletzlichen und
unveräußerlichen Rechte des Menschen sowie Freiheit,
Demokratie, Gleichheit und Rechtsstaatlichkeit als universelle Werte
entwickelt haben…“
Zweites Referendum in Irland
• 2. Referendum am 2. Okt. 2009: 2/3 stimmen zu.
• Irland wurde zugesichert:
Neutralität und Entscheidungsfreiheit im Steuerrecht
und bezüglich Abtreibung bleibt gewahrt (= nur
Klarstellung, der Vertrag respektiert all dies ohnehin)
• Einzige Änderung (auch gegenüber Nizza):
Alle Mitgliedstaaten behalten einen Kommissar.
Erste Erfahrungen mit dem
neuen Vertrag
• Ernennung der Kommission:
– Wie bisher, aber Entscheidung über den Präsidenten mit
absoluter Mehrheit
– Hohe Vertreterin für Außen- und Sicherheitspolitik ist
Vizepräsidentin
– Interinstitutionelle Vereinbarung: EP erkämpft “Indirektes
Intiativrecht”
• Streit mit dem Rat über Swift-Abkommen (am
30.11.09 vom Rat beschlossen)
• Wo wird der auswärtige Dienst angehängt? (Rat,
Kommission, gesondert?)
• Rolle des neuen Ratspräsidenten:
– Verhältnis zur “Ratspräsidentschaft”
– Verhältnis zum EP
Was noch geklärt werden muss
• Wie funktioniert die Bürgerinitiative
– Was ist eine bedeutende Anzahl von
Mitgliedstaaten?
– Wie wird die Zahl der Unterschriften festgestellt?
– Wie, wann muss die Kommission reagieren?
• Verfahren für die Erweiterung des EP auf 754
Abgeordnete
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www.europarl.de
[email protected]
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