Kapitel 6 DIELEKTRIKA 6.1 Dielektrika im elektrischen Feld Ein Leiter ist dadurch ausgezeichnet, dass sich in ihm Ladungen frei bewegen, deshalb herrscht im Inneren eines Leiter kein Feld (jedenfalls solange kein Strom fließt). Dielektrika hingegen sind Isolatoren, Ladungsträger sind nicht frei verschiebbar. Möglich ist aber eine Polarisation mikroskopischer Einheiten des Materials. Mit Polarisation bezeichnet man die Verschiebung der Ladungsschwerpunkte in einem Atom oder Molekül, typischerweise um einen Bruchteil der atomaren Abmessungen. Im Folgenden besprechen wir eine Beobachtung von Faraday: Die an einem Kondensator anliegende Spannung sinkt, wenn ein Isolator in den Kondensator eingebracht wird. Diese Beobachtung macht man auch, wenn ein Leiter eingebracht wird (ohne dass die Kondensatorplatten dabei kurzgeschlossen werden). Für die Kapazität eines Plattenkondensators (Abstand d, Plattenfläche A) gilt C = ✏0 A d (6.1) Die Ladung an jeder Kondensatorplatte ist Q=CU. (6.2) Wenn sich die Ladung auf den Platten beim Einbringen des Isolators nicht verändert hat,1 dann muss die Kapazität steigen, wenn die Spannung sinkt. Da die Spannung sinkt, muss das Wegintegral des elektrischen Feldes U= Z ~ · d~s E (6.3) zwischen den Platten kleiner geworden sein. 1 Wir gehen davon aus, dass keine Ladungsträger von den Kondensatorplatten auf den eingebrachten Gegenstand springen. 49 50 KAPITEL 6. DIELEKTRIKA Im Vakuum gilt für den Kondensator --------------------- Q 1 Q U= = d. C ✏0 A (6.4) Jetzt bringen wir eine metallische Platte der Dicke b in das Kondensatorvolumen ein. Da die Leiteroberfläche eine Äquipotentialfläche ist gilt U= 1 Q (d ✏0 A b) . U + +++++++++++++++++++++ (6.5) --------------------- Die Kapazität dieser Anordnung ist größer, +++++++++++++++++++++ d 1 A C = ✏0 . d 1 b/d - d - b U + --------------------- (6.6) +++++++++++++++++++++ b/d ist der Bruchteil des Kondensatorvolumens, der durch den Leiter ausgefüllt wird. Füllt ein Isolator das Kondensatorvolumen gänzlich aus gilt + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + (6.7) ---------+ + + + + + + + + + ---------+ + + + + + + + + + ---------- Dielektrikum ---------Elektroden A C = ✏ ✏0 . d --------------------- - U + + + + + + + + + + + ---------- ✏ ist eine charakteristische Größe des Isolators. Im allgemeinen gilt ✏ > 1 . +++++++++++++++++++++ Wie wird die Kapazität erhöht? Modellvorstellung dazu : Der Isolator besteht aus kleinen, polarisierbaren Kugeln. Damit entstehen unkompensierte Polarisationsladungen an der Oberfläche des Dielektrikums und ein Feld das dem äußeren Feld entgegengesetzt ist. Die Polarisationsladungen kompensieren einen Teil der Ladung auf den Kondensatorplatten und die feste Spannungsquelle U kann mehr Ladungen auf den Elektroden unterbringen. Der Fluß des Feldes ist proportional zur einge~ ·E ~ = ⇢/✏0 ). Dazu beschlossenen Ladung (r trachten wir die Oberfläche S: Ohne feste Spannungsquelle U , kommt es zu ~ wenn wir das Dielekeiner Reduktion von E trikum einbringen, denn die Nettoladung im Inneren von S ist in Anwesenheit des Isolators kleiner als im Vakuumfall. Da wir die Ladungen auf der Elektrode nicht verändert haben, müssen entgegengesetzte Ladungen an der Oberfläche des Dielektrikums vorliegen. ! "# $ %$ ) * + , - . ! "#$ % ! & ' ( ! "#$ % ! /0 ' (* 1' # "# $ %$ ) * + , - . 6.2. DIELEKTRISCHE POLARISATION 6.2 51 Dielektrische Polarisation Damit bezeichnen wir die Trennung der Ladungen q in den Atomen (Molekülen) eines Isolators um eine Distanz z. Liegen N Atome pro Volumseinheit vor, dann ist das Dipolmoment pro Volumseinheit P~ = N q ~z = N p~ [ " ! C ]. m2 " #$ #! #%#& ! Wir beachten, dass der Dipolvektor in Richtung der positiven Ladung zeigt, siehe (5.3). Im Inneren des Isolators schirmen sich die Ladungen der Dipole gegenseitig ab. Damit verbleibt eine Flächenladungsdichte auf jeder Endfläche pol ! " #$ #! #%#& pol Qpol N qzA = = N q z = N · |~ p| = |P~ | A A = [ C ]. m2 (6.8) wobei P~ die vom äußeren Feld induzierte Polarisation angibt. Diese Polarisationsladung ist unabhängig vom Volumen des Dielektrikums. Die Richtung des Polarisationsvektors ist durch p~ festgelegt, der Betrag |P~ | ist gleich der Ladungsdichte an der Oberfläche pol . Bei kleinen Feldstärken reicht der lineare Ansatz, ~ ist und die induzierte Polarisation in dass die Auslenkung ~z proportional zu E 2 ~ die Richtung von E zeigt: C ]. m2 Die dielektrische Suszeptibilität P~ = ~d ✏0 E =N↵ 1 ✏0 [ (6.9) (allgemeiner ist ein Tensor) ist [dimensionslos] , (6.10) ~ wobei ↵ die Polarisierbarkeit eines Atoms (Moleküls) angibt, p~ = ↵ E. In einem Leiter in einem homogenen Feld verschiebt sich die Ladung, bis das Gegenfeld das äußere Feld vollständig kompensiert ist (Influenz). Für einen Isolator kompensieren die Oberflächenladungen nur teilweise das äußere Feld (die Ladungen sind nicht beliebig verschiebbar). Im Inneren des Isolators hingegen kompensieren sich in einem homogenen Feld die Polarisationsladungen. Im Dielektrikum verringert sich Im leeren Kondensator die Feldstärke gilt für die Feldstärke Ev = frei ✏0 Ed = Damit haben wir für das Feld im Dielektrikum ~ ~d = E ~v P = E ~v ~d . E E ✏0 frei + ✏0 pol = frei ✏0 |P | (6.11) 2 Abweichungen zu diesem linearen Ansatz werden in starken Laserfeldern leicht beobachtet und sind Gegenstand der sogenannten Nichtlinearen Optik. 52 KAPITEL 6. DIELEKTRIKA Für die Feldstärke im Vakuum erhalten wir ~ v = (1 + ) E ~d = ✏ E ~d . E (6.12) wobei ✏ = 1 + , die materialspezifische Dielektrizitätskonstante ist. Die Größe ✏ ist dimensionslos und wird auch als relative Permittivität bezeichnet. Manchmal wird diese Zahl als ✏r geschrieben, mit Namen relative Dielektrizitätskonstante.3 Beim Einbringen eines Isolators in einen Kondensator verringert sich (bei konstanter Ladung auf den Kondensatorplatten) die Potentialdi↵erenz am Kondensator um den Faktor ✏ und es gilt Cmit Eohne = = ✏. Cohne Emit (6.13) Typische Größen für ✏ sind in der Tabelle angegeben. Die Kapazität eines Kondensators lässt sich durch Einbringen eines geeigneten Dielektrikums in den Kondensatorspalt gewaltig steigern. Luft H2 O SrTiO3 ✏⇡1 ✏ ⇡ 80 ✏ ⇡ 12000 Liegt die Grenzfläche zwischen Dielektrikum und Vakuum senkrecht zum äußeren Feld, dann macht die elektrische Feldstärke einen Sprung von Ev zu Ed = Ev /✏. Dieser Sprung entspricht gerade der an der Grenzfläche vorliegenden Flächenladungsdichte Ev Ed = Ev Ev pol = . ✏ ✏0 In einem homogenen Feld kompensieren sich die positiven und negativen Polarisationsladungen im Inneren des Isolators. Nur an der Oberfläche des Isolators treten unkompensierte Polarisationsladungen auf. 6.3 Felder an Grenzflächen Eine Grenzfläche trennt Vakuum (✏ = 1) von einem Dielektrikum (✏ > 1). Wir werten das Linienintegral entlang des Weges ABCDA aus, wobei wir die Wege BC und DA gegen Null gehen lassen, I H ~ · d~s = E Z B A E||v dsAB + Z D C E||d dsCD . % !& ! !" !# . % !* / 0 & 1 ~ · d~s = 0 da im statischen Fall r ~ ⇥E ~ = 0 ist. Weil d~sAB = E E||v = E||d . - '( ) & 1 - ! !$ !# '( ) 2 + , + , d~sCD gilt (6.14) Da im Dielektrikum das elektrische Feld um den Betrag ✏ geschwächt ist, gilt v d E? = ✏ E? . 3 In (6.15) diesem Fall wird ✏ als Abkürzung für das Produkt ✏r ✏0 = ✏ verwendet. Dann hat ✏ die Dimension von [✏0 ] = [As/Vm]. 6.4. ELEKTRISCHE VERSCHIEBUNG 53 Brechungsgesetz: Ein elektrisches Feld tri↵t unter dem Winkel ↵ auf die Grenzfläche vom Vakuum kommend auf das Dielektrikum. Im Dielektrikum beträgt der Winkel mit der Grenzflächennormalen . Aus den Beziehungen tan↵ = tan = v E||v /E? d E||d /E? ergibt sich mit den Gleichungen 6.14 und 6.15 als Gesetzmäßigkeit zwischen Einfallswinkel und Ausfallswinkel tan = ✏ tan↵ . + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + 6.4 - - + - + - - + + - + - + + !. , ! !" !# (6.16) - - &' ( % &' ( " , !-* + , # $ , ! !$ !# , ! ! . &' ( !-*+ ) * + - * + Das Bild zeigt Feld- (rot) und Äquipotentiallinien (schwarz) um und an einem leitenden Zylinder, der in ein homogenes äusseres Feld gebracht wird. Im leitenden Zylinder verschieben sich die freien Ladungen solange bis das Feld im Inneren verschwindet. Die Feldlinien münden senkrecht auf die Leiteroberfläche. Im Vergleich dazu ein Dielektrikum. Hier entstehen an der Oberfläche Polarisationsladungen. Das E-Feld im Inneren wird geschwächt, aber wegen der begrenzten Polarisierbarkeit des Materials (hier ✏ = 1.6) wird es nicht Null. Die Feldlinien müssen nicht senkrecht zur Oberfläche liegen.4 Elektrische Verschiebung Im allgemeinen Fall sind das äußere Feld und damit die Polarisation im Dielektrikum nicht räumlich homogen. Für ein inhomogenes Feld ändert sich die Polarisation P~ im Inneren des Dielektrikums. In diesem Fall verbleibt in einem Volumen V (über das sich die Polarisation ändert) eine Überschussladung Qpol . Diese Überschussladung beschreiben wir durch eine räumliche Dichte von Polarisationsladungen ⇢pol . ~ sei ein Oberflächenelement innerhalb des ! " dS Dielektrikums. Wieviel Polarisationsladung # ~ (wie viel Polarisationsladung tritt durch dS ~ verschoben)? Diese Ladung ist wird durch dS ~ gleich der Normalkomponente, P~ · dS. H ~ Aus einem geschlossenen Volumen V entkommt so die Ladungsmenge P~ · dS. 4 Berechnung mit dem Formalismus, den M. Zahn in seinem Buch angibt, Electromagnetic Field Theory: A Problem Solving Approach, MIT OpenCourseWare, Seite 273-297. 54 KAPITEL 6. DIELEKTRIKA Die aus diesem Volumen verschobene Ladungsmenge bewirkt im Volumen einen Ladungsüberschuss entgegengesetzten Vorzeichens: Z I ~ Qpol = ⇢pol · dV = P~ · dS (6.17) V Neben diesen Polarisationsladungen gibt es aber grundsätzlich auch die Möglichkeit, dass im Dielektrikum freie Ladungen existieren. Diese Ladungsdichte charakterisieren wir mit ⇢frei . Insgesamt gibt es also die Ladungsdichte ⇢ = ⇢frei + ⇢pol (6.18) Für diese Dichte aller Ladungen beschreibt die 1. Maxwell Gleichung die elektrische Feldstärke im Dielektrikum als ~ ·E ~ d = ⇢ = 1 (⇢frei + ⇢pol ) . (6.19) r ✏0 ✏0 Mit dem Gauß’schen Satz beschreiben wir die Feldstärke als I Z Z 1 1 ~ ~ Ed · d S = ⇢frei dV + ⇢pol dV ✏0 V ✏0 V Z I 1 1 ~ = ⇢frei dV P~ · dS ✏0 V ✏0 Wir multiplizieren mit ✏0 und bringen den Polarisationsterm auf die linke Seite I ⇣ Z ⌘ ~ ~ ~ ✏ 0 Ed + P · d S = ⇢frei dV (6.20) V ~ Mit der Definition einer neuen Größe, der elektrischen Verschiebung D ~ = ✏0 E ~ d + P~ = (1 + ) ✏0 E ~d D ~d = ✏ ✏0 E (6.21) erhalten wir einen Zusammenhang zwischen der Verschiebung und der freien Ladungsträgerdichte als I Z ~ · dS ~= D ⇢frei dV (6.22) V bzw. die 1. Maxwell Gleichung in allgemeiner Form5 ~ ·D ~ = ⇢frei r (6.23) Zuzüglich gilt in der Elektrostatik für jede geschlossene Kurve C die Wirbelfreiheit der elektrischen Feldstärke (sowohl im Dielektrikum als auch im Vakuum) ~ ⇥E ~ =0 r (6.24) ~ und D ~ nicht parallel, da In Materie sind im Allgemeinen die Richtungen von E ~ ist gleich der die Suszeptibilität Tensorcharakter hat. Die Dimension von D einer Ladungsdichte D = ✏✏0 E [ As V As C ] = [ 2] = [ 2]. Vm m m m 5 Die elektrische Verschiebung D wird in manchen Lehrbüchern als elektrische Flussdichte, elektrische Erregung oder Verschiebungsdichte bezeichnet, im Englischen electric displacement field. 6.5. DIMENSIONSBETRACHUNGEN 6.5 55 Dimensionsbetrachungen Das Dipolmoment pro Volumseinheit (die sogenannte Polarisation) Cm C ] = [ 2] m3 m ist dem Betrag nach gleich der Flächenladungsdichte P~ = N q ~z = N p~ [ pol Qpol C = N q z = N · |~ p| [ 2] A m und hat auch die gleiche Dimension wie die mit der allgemeinen Dielektrizittskonstante multiplizierten elektrischen Feldstärke pol = ~ ✏0 E [ As V C ] = [ 2] Vm m m wobei ✏0 die Dielektrizitätskonstante des Vakuums ist (auch Permittivität des Vakuums genannt). Das in einem einzelnen Atom (oder Molekül) durch ein äußeres elektrisches Feld induzierte Dipolmoment p~ beschreibt man mit dem Ansatz ~ p~ = ↵E [C m] wobei ↵ die Polarisierbarkeit ist mit der Dimension Cm2 ] V Als Polarisierbarkeit bezeichnet man häufig auch die Größe [↵] = [ [ ↵ Vm Cm2 ] = [ ] = [m3 ] ✏0 As V mit der Einheit eines Volumens. Typisch liegen Polarisierbarkeiten von Atomen im Bereich von einigen Kubik-Angström, Å3 , (1 Å3 = 10 24 cm3 = 10 30 m3 ). Als Einheit für das atomare Dipolment hat man früher (im CGS Masssystem) die Einheit Debye geführt. Die Umrechnung ist 1 [Debye] = 3.33 ⇥ 10 30 [C m] . Dies entspricht einem Dipol, gebildet aus zwei entgegengesetzten Elementarladungen ( q = 1.6 ⇥ 10 19 C ) im Abstand von 20 pm. Multipliziert man die Polarisierbarkeit mit der Atomdichte erhält man die dimensionslose Zahl , die Suszeptibilität genannt wird, ↵ =N . ✏0 Die materialspezifische Dielektrizitätskonstante, ✏, auch unter dem Namen relative Permittivität bekannt, ist ✏=1+ . Die elektrische Verschiebung hat die Dimension von ~ oder ✏0 E, ~ pol , P C ], m2 ~ =E ~ v bedeutet und für ✏ 6= 1 (Materie) E ~ =E ~ d. wobei für ✏ = 1 (Vakuum) E ~ = ✏ ✏0 E ~ D [ 56 6.6 KAPITEL 6. DIELEKTRIKA Elektrostatik in Natur und Technik Kraftwirkung auf Papierschnitzel in der Nähe eines geladenen Stabes Das Papierschnitzel ist vorher neutral und trägt keine Nettoladung. Eine Kraftwirkung ist nur beobachtbar, wenn das elektrische Feld inhomogen ist. Die induzierten Polarisationsladungen am Papier sind proportional zur lokalen Feldstärke. Die lokale Kraftwirkung auf die Polarisationsladun! gen ist proportional zu diesem Feld. Wenn sich das Feld über die Größe des Objektes ändert, dann folgt aus den unterschiedlichen Polarisationsladungen, dass eine Nettokraft in Richtung des geladenenen Stabes resultiert. Die elektrostatische Kraft ist proportional zum Gradienten des elektrische Feldes. Reibungselektrizität Elektronen gehen bei Berührung von einem Matrial auf das andere über. Die Richtung hängt von der relativen Elektronenaffinität ab. (Extremer Wert der Elektronenaffinität: F 3.8 eV, extreme Werte der Austrittsarbeit: Cs 2.0 eV, Pt 5.6 eV). Auch stark von Oberflächenbescha↵enheit und Reinheit abhängig. Das positive Ende der triboelektrischen Reihe gibt an dass das Material bevorzugt Elektronen abgibt. Positives Ende der Reihe : Glas, Nylon, Wolle, Blei, Alu, Papier, Gummi, Kupfer, Polyethylen, Teflon : negatives Ende der Reihe. Zur Vermeidung elektrostatischer Aufladung verwendet man antistatische Verpackungen (schwach leitfähige Materialien). Elektrischer Durchbruch (Breakdown) Eine Oberfläche mit einem spitzen Ende führt nach Aufladung bevorzugt zur Funkenentladung. Näherung: Eine große Kugel (Radius R) und eine kleine(Radius r) werden mit einem Draht verbunden. Damit liegen beide Kugeln auf gleichem Potential, tragen aber unterschiedlich große Ladungen (Q und q). Die Potentiale sind r = fc q r und R = fc ! " #$" % Q R Wegen r = R ist Q/q = R/r. Das Feld ist in der Umgebung der Kugeloberfläche ist proportional zur lokalen Oberflächenladungsdichte E/ ✏0 . Damit sind die Felder invers proportional zu den Radien der Kugeln Er R q/4⇡r2 / = ER Q/4⇡R2 r Überschreitet die Feldstärke einen kritischen Wert, dann werden lokal in der Luft vorhandene Ladungsträger beschleunigt und bilden über Stoßionisation N2 + e ! N2+ + 2e 6.6. ELEKTROSTATIK IN NATUR UND TECHNIK 57 Elektronenlawinen. Die Leuchterscheinung erfolgt, da neben der Ionisation auch elektronische Anregung stattfindet, die in Folge zur Photonenemission führt N2 + e ! N2⇤ + e ,! N2 + h⌫ Feldemissionsmikroskop 6 2$ * 4 ( - 7 ( . - & Eine negativ geladene metallische Spitze mit - + , 84 % 100 nm Radius erzeugt bei 1 kV ein lokales Feld von 108 V/cm. Elektronen werden aus der Spitze heraus gesaugt (Tunnele↵ekt) und bilden das Emissionsvermögen der Spitze am 3 45 ( Phosphorschirm ab. Die Abbildung der kleinen Spitze (Radius r) auf den großen Phos1 2" phorschirm (Radius R = 5 cm) führt zu einer Vergrösserung um den Faktor G = R/r = ! " # $ $ % & ' $ % ' ( 5 ⇥ 105 . Damit entspricht einem Abstand von 1 mm am Bildschirm eine Größe von 2 nm auf 0& ) * + , - ' " . . $ . / der Spitze. Wegen Beugung und der breiten Verteilung der Startgeschwindigkeit der Elektronen wird aber keine atomare Aufösung erreicht. Dies erreicht man nach Umpolen und einer Füllung mit Helium: Ein He Atom kommt zufällig in die Nähe der Spitze, die Spitze zieht dem He Atom ein Elektron heraus. He+ fliegt auf den Phosphorschirm. Beugungseffekte und Verschmierung durch die Anfangsverteilung sind beim vergleichsweise schweren He-Atom kleiner als bei Elektronen. Man erreicht atomare Auflösung. Das Bild am Phosphorschirm zeigt die räumliche Verteilung der Wahrscheinlichkeit, mit der dem Heliumatom in der Umgebung der Spitze ein Elektron entrissen wird. Aufgedampfte Ba-Atomen sind einzeln sichtbar, ebenso deren thermische Bewegung. Rastertunnelmikroskop Wie im Feldemissionsmikroskop spielt auch hier der quantenmechanische Tunnele↵ekt die wesentliche Rolle. Bei genügender Annäherung zwischen einer Metallspitze und einer leitenden Oberfläche kommt im Falle einer Potentialdi↵erenz zwischen beiden ein Stromfluss zustande, ohne dass sich die Leiter berühren. Der Strom steigt bei Annäherung exponentiell an und ist ein Maß für den Abstand von der Oberfläche. Rastern der Tunnelspitze parallel zur Oberfläche führt je nach Oberflächenbescha↵eneheit zu einer Änderung des Tunnelstroms. Fährt man piezomechanisch den Abstand nach um konstanten Strom zu einzustellen, erhält man aus dem Piezosignal ein Abbild der Oberfläche. Damit ist atomare Ortsauflösung erreichbar. 58 KAPITEL 6. DIELEKTRIKA Flüssig-Metallionenquelle Ein kleiner flüssiger Metalltropfen wird einem Feld der Grössenorndung von 103 V /cm ausgesetzt. Das Gleichgewicht zwischen Oberflächenspannung und elektrostatischer Anziehung führt zur Bildung eines Konus auf der Tropfenoberfläche mit einem Krümmungsradius im Bereich von 100 Å. Auf Grund der hohen lokalen Feldstärke kommt es zur Feldemission von Ionen. Tech/ ) 0 nische Anwendung zur Feinsteuerung von Satelliten (gezielter elektrisch kontrollierbarer Schub). Anwendung in der Ionenlithographie, da dieser Ionenstrahl auf Grund der sehr klei!"# $ $ % nen Fläche der Quelle sehr scharf fokussiert & ' () "" , - . werden kann (Satz von Liouville: Das Volumen eines beliebigen Gebietes im Phasenraum * ) + ' " bleibt in der zeitlichen Entwicklung konstant) Elektrisches Feld der Erde An der Erdoberfläche ist das Feld typischerweise im Bereich von 100 V /m, dabei ist die Erdoberfläche negativ geladen. Warum spüren wir das nicht? Körperleitfähigkeit. Die Erde trägt eine mittlere Ladung von Q = 6 · 105 C. Das Feld nimmt mit der Höhe ab, bei 50 km ist das Potential etwa 400000 V relativ zur Erdoberfläche. % & ' ' () % & ' ' () ' () % * ' % * ' ' () ! (, (+ ' ' () -. ' () % + ' % + ' ' () ' ! "# $ ! "# $ Zur Abnahme kommt es wegen eine Ladungsträgerüberschußes von positiven Ladungsträgern in der unteren Atmosphäre. Die positiven Ionen werden auf die Erde beschleunigt. Gewitter bewirken, daß sich die Erde nicht entläd, etwa 100 Blitze pro Sekunde bringen negative Ladungen auf die Erde. Leitfähigkeit der Luft: In Erdnähe liegen typisch 10 Ionenpaare pro cm3 vor. In ⇡70 km Höhe (Ionosphäre) ist die Atmosphäre stark ionisiert durch die Sonnen- und Höhenstrahlung (etwa 105 Ionenpaare pro cm3 ). Erdradius: R = 6 · 105 m Erdfeld: E = 130 V /m Erdkapazität: C = 4⇡✏0 R = 700 µF damit lässt sich die Erdladung bestimmen: E = fc Q/R2 ! Q = 6 · 105 C Erdpotential: = Q/C = 7 · 108 V 6.6. ELEKTROSTATIK IN NATUR UND TECHNIK 59 Mechanismus der Ladungstrennung beim Gewitter: Wassertropfen fällt im Feld von 100 V /m in Richtung Erde. Die Erde ist negativ geladen, die Unterseite des Tropfens ist positiv. Dieses Ende des Tropfens sammelt während des Herunterfallens negative Ionen aus der Atmosphäre ein. Elektrostatische Staubfilter Negativ geladener Draht, Gasentladung, e wandern nach außen und bilden durch Anlagerung (Attachment) negative Ionen. Diese polarisieren Staubteilchen und ziehen sie an. Die Staubteilchen lagern sich an den negativen Ionen an und werden zur Wand abgeführt. Xerokopie Von einem lichtelektrischen Halbeiter (im Dunkeln ist es ein Nichtleiter) wird eine etwa 5 µm dicke Schicht permanent auf eine Walze aufgebracht. Eine positive Koronaentladung 5 kV erzeugt positive Ionen. Die Ionen laden Schicht auf etwa +1 kV auf. Durch Influenz baut sich im Metall der Walze eine gleich große Gegenladung auf. Nach lokaler Belichtung entstehen Ladungsträgerpaare im Halbleiter, die abgelenkt werden und die Oberflächenladung neutralisieren. Das Ladungsbild wird mit negativ geladenem Toner-Staub belegt und positiv geladenes Papier zieht die Toner-Teilchen an. ! " # $ %&' ( " &) * " * + # , + %-# . / + 0 , -, 1 %"* 2 %# %32 4 $ , 5 / '-# . / + 0 A * + , "%, 3-4 $ , + -34 $ %, -, 1 %"32 4 $ , 8 # -9 -, 3%, "2 4 $ 34 $ % 3+ ' -/ , + 6 3, " %, &7 # . / + 0 : , %# --; 2 / 9 2 %"# % <4 = <# = ? # @ 3, " > , -34 $ %/ + 0 . / " 4 $ &? $ * %* , ' ' , 1 % , "6 , / 0 %, 2 7 # . / + 0 2@ # # " <. = <9 = Durchflusszytometrie, Zellen-Sortierer (cell sorter) Eine Düse die einzelne Tropfen erzeugt, kann mit einer verdünnten Lösung von Zellen oder Chromosomen beschickt werden, so dass im Durchschnitt maximal eine Zelle pro Tropfen auftritt. Die Tropfen fallen dann durch einen Laserstrahl. Sind bestimmte Zelleninhalte mit Farbsto↵molekülen (biomarker) markiert, dann kann ein Photomultiplier und Filter aus der Farbe des Fluoreszenzlichtes erkennen um welche Zelle es sich handelt. Dann kann ein mit dieser Erkenntnis geschaltetes elektrisches Feld den Weg des fallenden Tropfens so verändern, dass dieser in eine vorgeschriebene Küvette fällt. So lassen sich Zellen oder andere biologische Substanzen automatisch sortieren. Zur einfacheren Ablenkung der Tropfen werden diese bei Austritt aus der Düse elektrisch aufgeladen. 60 KAPITEL 6. DIELEKTRIKA Piezoelektrozität Werden Piezoelektrika elastisch verformt dann bilden sich mikroskopische Dipole in den Elementarzellen des Materials. Diese Polarisation führt zu einer Potentialdi↵erenz zwischen den Körperoberflächen (direkter Piezoe↵ekt). Umgekehrt verformen sich piezoelektrische Materialien bei Anlegen einer elektrischen Spannung (Elektrostriktion). Die Kristallsymmetrie ein wesentliches Kriterium für das Auftreten der Piezoelektrizität. Die Elementarzelle darf kein Symmetriezentrum6 aufweisen. Die bekanntesten Materialen die Piezoe↵ekt zeigen sind Quartz (SiO2 ), Bariumtitanat und Blei-Zirkonat-Titanat (PZT7 ). Viele biologische Materialien (darunter auch DNS) zeigen Piezo-Aktivität. Coulomb-Felder zwischen Elementarladungen in Festkörpern liegen im Bereich von 108 109 V/cm. In dieser Größendordnung liegt der inverse Wert des piezoelektrischen Koeffizienten k, der eine Beziehung zwischen Verformung d und Piezospannung U = E d herstellt. Dabei ist d ist die Dicke des Piezos, d/d = k E ! d = kU . (6.25) Für PCT ist k ⇡ 5 ⇥ 10 10 [C/N] = [m/V]. Eine Spannung von 1 Volt führt zu einer Verformung d ⇡ ±5 Å. Das Vorzeichen der Spannung bestimmt ob sich der Piezo ausdehnt oder verkürzt. Wichtige Anwendungen sind • elektrische Schallgeber im Hör- und Ultraschallbereich, akusto-optische Modulatoren, Mikrophone und Tonabnehmer für akustische Instrumente, • Schwingquarze zur Frequenzstabilisierung (z.B. Quarzuhren haben einen elektronischen Quarzoszillator, dessen Frequenz relativ stabil ist), • Beschleunigungs- oder Druck-Sensoren, • Hochspannungsgenerator in Piezofeuerzeugen, Aufschlagzünder in Wa↵en • Aktoren wie elektrisch gesteuerte Einspritzdüsen, Tropfengenerator beim Tintenstrahldrucker, Mikro und Nanopositionierung, Piezomotoren • Angedacht sind auch energieerzeugende Böden in Diskotheken. Materialien mit permanenter Polarisation (in Domänen gleicher Polarisationsrichtung) nennt man Ferroelektrika. 6 Ein 7P Punkt an dem eine Punktspiegelung den Kristall in sich selbst überführt. steht für das lateinische Wort für Blei: plumbum, chemisch Pb.