Absurde Streichungen von Ziffern

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Mal wieder ein Praxisproblem?
Sie fragen – wir antworten!
Wenn in ihrer Praxis ein wenig zufriedenstellend gelöstes – oder
gar ungelöstes – Problem besteht, von dem Sie glauben, dass es in
vielen anderen Praxen ebenso vorkommen könnte, wenden Sie sich
an uns. Wir versuchen, uns kundig zu machen, und werden einen
Lösungsvorschlag publizieren. Selbstverständlich sichern wir jedem
Ratsuchenden auf Wunsch auch Anonymität zu.
Schreiben Sie per E-Mail unter dem Betreff „Praxisprobleme“ an:
[email protected]
Angehörigengespräch immer wieder im Kreuzfeuer
Absurde Streichungen von Ziffern
Das Problem
Verschiedene Kollegen berichten uns,
dass ihre KV nach zum Teil mehrjähriger
Latenz Regressforderungen erhoben habe,
weil die EBM-Ziffer 21216 im Nachhinein
gestrichen worden sei. Ähnliches wird
auch aus dem Bereich der GOÄ-Abrechnung (Nr. 4) vorgebracht. Sowohl von
KVen als auch von Beihilfestellen oder
privaten Krankenversicherungen wird
als Argument für die Streichung behauptet, die EBM-Ziffer 21216 beziehungsweise die GOÄ-Ziffer 4 seien nur bei schwerer körperlicher Kommunikationseinschränkung wie Taubheit abrechenbar.
Problemlösung
Die Legende der EBM-Ziffer 21216 lautet: „Fremdanamnese und/oder Anleitung beziehungsweise Betreuung von Bezugspersonen schwer psychisch erkrankter Patienten mit dadurch gestörter Kommunikationsfähigkeit, je 10 Minuten,
höchstens 5 x im Behandlungsfall.“
Die Legende besagt also eindeutig,
dass es sich nicht um eine gestörte Kommunikationsfähigkeit durch Taubheit
oder Stummheit handeln muss, sondern
dass die Kommunikationsfähigkeit
durch die psychische Erkrankung des
Patienten gestört sein muss, damit die
Einschaltung von Bezugspersonen erforderlich und damit auch abrechenbar
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wird. Mit gestörter Kommunikationsfähigkeit ist natürlich nicht nur das Vollbild einer Demenz gemeint. Vielmehr
können bei zahlreichen psychischen Erkrankungen die Selbst- und Krankheitswahrnehmung oder die Einsichtsfähigkeit in die notwendige Therapie eingeschränkt sein. Beispiele sind resignative
Fehleinschätzungen der Realität, Gefühle der Ausweglosigkeit und Selbstschuldzuweisungen, irrationale Ängste, unabweisliche Zwänge und natürlich Halluzinationen, Wahn und Ich-Störungen.
Was heißt „schwer“ erkrankt?
Erschwert wird die Interpretation durch
den Begriff „schwer psychisch erkrankter
Patienten“. Dieses „schwer psychisch erkrankt“ sollte sich natürlich in der Diag­
nose widerspiegeln. Jedoch ist es bei den
ersten Gesprächen mit psychisch Kranken selbstredend zunächst unklar, ob die
Selbst- und Weltsicht, ob die Darstellung
der Beschwerden den Tatsachen entspricht oder ob er in seiner Krankheitswahrnehmungsfähigkeit eingeschränkt
ist etc. Oft lassen sich erst durch die
Fremdanamnese die Diagnose und auch
der Schweregrad der Erkrankung richtig
einschätzen. Sie ist damit zum Ausschluss einer schweren psychischen Erkrankung (zu Beginn der Behandlung,
aber auch im Verlaufes) meist unentbehr-
lich. Schwere Symptome wie Trugwahrnehmungen, Schuldwahn und Zwänge
ergeben sich oft erst aus der Fremdanamnese. Sie stellt damit eine wesentliche Voraussetzung für eine richtige Diagnose
und damit wirksame Therapie dar. Eine
Streichung der Nr. 21216 deswegen, weil
sich im Verlaufe der Untersuchung und
der Fremdanamnese schließlich herausstellt, dass die Erkrankung nicht so
schwer ist wie befürchtet, ist nicht akzeptabel. Auf andere Fächer übertragen würde dies bedeuten, dass ein Kardiologe, der
einen Patienten mit Herzangst nach allen
Regeln der technischen Medizin untersucht hat, am Ende nichts abrechnen darf,
weil sich durch die Untersuchungen herausgestellt hat, dass keine Störung der
Herzfunktion vorliegt. Eine absurde Situation. Ob ein Untersuchungsschritt in der
Diagnostik erforderlich gewesen ist, stellt
sich eben nicht vor, sondern erst nach der
Untersuchung heraus.
Fremdanamnese wesentlich
Die Legende der GOÄ 4 lautet: „Erhebung der Fremdanamnese über einen
Kranken / Unterweisung und Führung
der Bezugsperson(en) im Zusammenhang
mit der Behandlung eines Kranken …“
Auch hier wird von manchen Beihilfestellen oder privaten Krankenversicherungen argumentiert, die GOÄ-Ziffer 4
NeuroTransmitter 2013; 24 (5)
Angehörigengespräch immer wieder im Kreuzfeuer
Bei psychiatrischen Erkrankungen ist die
Erhebung der
Fremdanamnese und auch die
Leitung und die
Führung der Bezugsperson
sehr häufig erforderlich – und
damit auch abrechenbar.
ob es sich um krankheitsbedingte Fehlinterpretationen handelt.
Dies alles ist Ihnen natürlich bekannt,
nicht jedoch den Mitarbeitern der Krankenkassen und Beihilfestellen. Sie können obige Ausführungen als Argumentationshilfe gegenüber den Kostenträ-
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gelte nur bei körperlichen Behinderungen. Die originale Leistungslegende enthält nichts davon. Sicherlich wäre es nicht
sinnvoll, bei einem einfachen internistischen Krankheitsbild die Fremdanamnese zu erheben und die Bezugsperson zu
unterweisen und zu führen. Völlig anders verhält es sich bei psychiatrischen
Erkrankungen. Hier können irrationale
Ängste oder depressive Störungen die Realität fehl interpretieren lassen, können
Wahrnehmungstäuschungen und Fehlwahrnehmungen sowie Fehlannahmen
über Vorgänge in der Außenwelt vorkommen, die vom Patienten selbst nicht
als solche erkannt werden. Um dies diagnostisch einordnen zu können, ist die
Erhebung der Fremdanamnese und auch
die Leitung und die Führung der Bezugsperson sehr häufig erforderlich. Wir
müssen uns immer vergewissern können,
ob auf Seiten des Patienten realistische
Wahrnehmungen und Annahmen über
seinen Zustand, die Vorgeschichte, die
Umgebungsbedingungen vorliegen, oder
Rund um den Beruf
gern verwenden. Dies führte bisher in
fast allen uns bekannt gewordenen Fällen
zur Anerkennung der Abrechnungen. AUTOR
PD Dr. med. Albert Zacher, Regensburg
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