Das Delta-Potential Quantenmechanik Projekt 2 Gruppe PLANCK Anton Hörl Thomas Kloiber Bernd Kollmann Miriam Mutici Jakob Schwarz Max Planck (1858 – 1947) 4.4 Delta-Potential Ist die räumliche Ausdehnung eines Potentials möglicherweise durch ein Delta-Potential der Form klein, V ( x) = V0δ ( x − x0 ) kann es (4.4.1) ersetzt werden. 4.4.1 Mathematische Grundlagen Definition: Funktional Eine Abbildung aus einem Funktionenraum in die komplexen Zahlen wird Funktional genannt. Φ : f ∈ a Φ[ f ] ∈ (4.4.2) Ein Beispiel hierfür ist z. B. das Skalarprodukt, welches zwei Vektoren eine Zahl zuordnet. Definition: Distribution Ein stetiges, lineares Funktional auf dem Testfunktionenraum wird Distribution genannt. (Testfunktionenraum: z. B. C 0∞ (Ω) ) Die Delta-Distribution (auch Dirac-Delta genannt) entspricht solch einem Konstrukt ∫ δ x [ f ] = dx f ( x)δ ( x − x0 ) = f ( x0 ) 0 (4.4.3) Formal wird sie wie folgt definiert: b f ( x0 ) dx f ( x)δ ( x − x0 ) ≡ 0 a ∫ a < x0 < b sonst (4.4.4) Vorstellbar ist die Delta-Distribution als Grenzfall einer Funktionenfolge deren Integral über die gesamte reelle Achse gleich bleibt, obwohl eine Spitze immer ausgeprägter wird. -2- Ein Beispiel für solch eine Funktionenfolge ist x2 exp − für ε → 0 επ ε 1 f ε ( x) = (4.4.5) Das Integral über f ε (x) ist unabhängig von ε immer 1 . 0.5 5 1.5 0.4 4 1.0 0.3 3 0.2 2 0.5 0.1 -3 -2 1 -1 1 Abb. 4.4.1: 2 3 -3 -2 -1 1 2 3 -3 -2 -1 1 2 3 f ε ( x) für drei verschiedene Werte von ε (1, 1/10 und 1/100). Für ε → 0 wird die Spitze unendlich hoch und beliebig schmal, bei konstantem Wert des Integrals von 1. In Abbildung 4.4.1 ist dargestellt, wie die Delta-Distribution als lim f ε ( x) ε →0 definiert ist. Weiterführende Informationen zu Funktionalen, Distributionen und der Delta-Distribution siehe [2]. 4.4.2 Behandlung in der Schrödingergleichung Um die Wellenfunktionen eines Teilchens in einem Potential mit einer bzw. mehreren Delta-Distributionen zu finden, muss die Schrödingergleichung gelöst werden. (Allgemeines zur Schrödingergleichung siehe [4] bzw. Kapitel 3.1 und 3.2) Die eindimensionale, stationäre Schrödingergleichung hat im Fall eines Delta-Potentials die Form h2 d 2 − + V0δ ( x − x0 ) ϕ ( x) = Eϕ ( x) 2 2m dx (4.4.6) Da die Delta-Distribution formal nur unter dem Integral definiert ist, wird die gesamte Schrödingergleichung über einen kleinen Bereich von − ε bis ε integriert (mathematisch exakter lassen sich die folgenden Bedingungen aus dem Hauptsatz der Differential- und Integralrechnung herleiten). -3- Hierzu wird x0 = 0 gesetzt. (Die Verallgemeinerung auf beliebiges x0 ist trivial; x0 muss sich zwischen − ε und ε befinden.) ε h2 d 2 lim dx − + V0δ ( x) ϕ ( x) = Eϕ ( x) 2 ε →0 2m dx −ε ∫ (4.4.7) Die rechte Seite ergibt ε ε ∫ ∫ lim dx Eϕ ( x) = lim E dx ϕ ( x) ≈ lim 2 Eεϕ ( x = 0) = 0 ε →0 ε →0 −ε ε →0 −ε (4.4.8) Die durchgeführte Näherung ist umso besser je kleiner ε ist. Im hier betrachteten Grenzfall ε → 0 erhält man 0. Die linke Seite ergibt ε h2 ( ϕ ′(ε ) − ϕ ′(−ε ) ) + V0 dx δ ( x)ϕ ( x) = lim − ε →0 2 m −ε h2 ϕ ′(ε ) − ϕ ′(−ε ) ) + V0ϕ (0) = = lim − ( ε →0 2m ∫ =− ( (4.4.9) ) h2 ϕ ′(0 + ) − ϕ ′(0 − ) + V0ϕ (0) 2m wobei 0 + bzw. 0 − rechts- bzw. linksseitiger Grenzwert an der Stelle x = 0 bedeutet. Somit ergibt sich ( ) (4.4.10) 2m V0ϕ (0) h2 (4.4.11) h2 − ϕ ′(0 + ) − ϕ ′(0 − ) + V0ϕ (0) = 0 2m bzw. ϕ ′(0 + ) = ϕ ′(0 − ) + ϕ ′ hat also einen Sprung an der Stelle x0 . Dieser Sprung führt zu einer Delta-Distribution in ϕ ′′ , welche gerade diejenige des Potentials in (4.4.6) kompensiert. Weiters bedeutet ein Sprung in ϕ ′ , dass ϕ stetig ist, -4- ϕ (0 + ) = ϕ (0 − ) (4.4.12) was ja eine Bedingung an ϕ ist. Die Gleichungen (4.4.11) und (4.4.12) stellen die Übergangsbedingungen für die Wellenfunktion bzw. deren Ableitung an der Stelle der DeltaDistribution dar. Somit sind nun alle Informationen bekannt, um Potentiale mit Delta-Distributionen zu behandeln. 4.4.3 Beispiel Das Delta-Potential wird nun anhand eines einfachen Beispiels diskutiert. Hierfür wurde, aus weiter unten ersichtlichen Gründen, ein attraktives Delta-Potential gewählt. Attraktives Delta-Potential Sei E < 0 und V ( x) = V0δ ( x) mit V0 < 0 . V (x) x Abb. 4.4.2: Skizze des attraktiven Delta-Potentials an der Stelle x = 0. Die Schrödingergleichung ergibt sich zu h2 d 2 − + V0δ ( x) ϕ ( x) = Eϕ ( x) 2 2m dx (4.4.13) Es folgt eine getrennte Behandlung der Bereiche x < 0 sowie x > 0 und im Anschluss die Anpassung der erhaltenen Lösung an die Übergangsbedingungen an der Stelle x = 0 . In diesen Bereichen lässt sich die Schrödingergleichung mit Hilfe von κ = -5- − 2mE ∈ umschreiben in h2 d2 ϕ ( x) = κϕ ( x) dx 2 (4.4.14) Die Lösungen hierzu lauten A1eκx + B1e −κx κx −κx A2 e + B2 e ϕ ( x) = x<0 x>0 (4.4.15) Wobei wegen der Bedingungen → ±∞ ϕ ( x) x → 0 (4.4.16) die Konstanten A2 und B1 verschwinden müssen. Damit verringert sich das Problem auf A1eκx ϕ ( x) = −κx B2 e x<0 x>0 (4.4.17) Weiters muss die Stetigkeitsbedingung ϕ (0 − ) = ϕ (0 + ) erfüllt sein, wofür A1 = B2 ≡ A gelten muss. Die unter 4.4.2 hergeleitete Bedingung für ϕ ′ an der Stelle x = 0 lautet ϕ ′(0 + ) − ϕ ′(0 − ) = 2m 2m V0 ϕ ( 0 ) = 2 V 0 A 2 h h (4.4.18) Hieraus erhält man mit ϕ −′ (0) = Aκ ϕ +′ (0) = − Aκ (4.4.19) wobei ϕ −′ (0) bzw. ϕ +′ (0) die Wellenfunktionen für x < 0 bzw. für x > 0 jeweils an der Stelle x = 0 bezeichnen, durch Einsetzen in Gleichung (4.4.18) κ =− mV0 >0 h2 (4.4.20) Für physikalische Lösungen muss κ > 0 und damit V0 < 0 (wie es in diesem Beispiel ohnehin der Fall ist) sein. Gebundene Lösungen gibt es daher nur im attraktiven Delta-Potential. Mit der gewählten Substitution für -6- E und Gleichung (4.4.20) erhält man genau eine gebundene Lösung mit dem diskreten Energieeigenwert V m h 2κ 2 =− 0 2 2m 2h 2 E0 = − (4.4.21) Die Normierungsbedingung lautet ∞ ∫ dx ϕ ( x) 2 =1 (4.4.22) −∞ Hieraus erhält man für die Normierungskonstante A= κ = − m V0 mV0 = h2 (4.4.23) h2 Die Eigenfunktion für den gebunden Zustand mit der Energie E 0 (Gleichung (4.4.21)) ergibt sich letztendlich zu ϕ ( x) = m V0 h2 − e m V0 h2 x (4.4.24) 1.0 0.8 0.6 0.4 0.2 -6 -4 -2 2 4 Abb. 4.4.3: Grafische Darstellung der Wellenfunktion (4.4.24) für Zu erkennen ist der Sprung von ϕ ′ an der Stelle x = 0 . -7- 6 κ =1. Bemerkungen • Streulösungen ( E > 0 ) existieren unabhängig vom Vorzeichen von V0 . • • Der Hamiltonoperator mit einem Delta-Potential ist ein Beispiel für einen Operator, der sowohl diskrete, als auch kontinuierliche Eigenwerte (für Streulösungen) hat. Diskrete Lösungen sind lokalisiert, Streulösungen dagegen nicht. Für weitere Beispiele siehe z. B. [4] bzw. [7]. 4.4.4 Anwendung Anwendung findet die Näherung eines realen Potentials durch ein DeltaPotential z. B. in der Modellierung eines Festkörpers durch das KronigPenney-Modell. Das folgende Kapitel dient in erster Linie der überblicksmäßigen Darstellung einer möglichen Anwendung; es wird nicht näher auf Details eingegangen. Für einen detaillierteren Überblick und insbesondere nähere Informationen zum Bloch’schen Theorem siehe [6]. Kronig-Penney-Modell Beim diesem Modell (nach Ralph Kronig und William Penney) handelt es sich um ein einfaches Modell der Festkörperphysik, das das Verhalten von Valenzelektronen in kristallinen Festkörpern erklärt. Aus ihm ergibt sich eine Bandstruktur der Energie, wie sie ähnlich auch in der Natur auftritt, zum Beispiel bei Metallen und Halbleitern. -2a -a 0 a 2a 3a x Abb. 4.4.4: Potential des Kronig-Penney-Modells mit periodischen Delta-Potentialen. Für ein einzelnes unabhängiges Elektron, welches ein periodisches DeltaPotential an der Position der Atome spürt, kann die zeitunabhängige Schrödingergleichung gelöst werden. Das Potential lautet in diesem Fall -8- ∞ V ( x) = D ∑δ ( x + na) (4.4.25) n = −∞ Wobei das Potential als repulsiv oder attraktiv angenommen werden kann. Analog zum Beispiel unter 4.4.3 spürt das Elektron zwischen den Atomen (hier eben durch Delta-Potentiale angenähert) keine Kraft und die Wellenfunktion kann dort als ϕ ( x + na) = An e ikx + Bn e −ikx mit n ∈ und für 0 < x < a mit k = (4.4.26) 2mE angesetzt werden. h2 Eigentlich wären jetzt unendlich viele Konstanten An und Bn zu bestimmen. Aufgrund des Bloch’schen Theorems weiß man aber, dass man die Eigenfunktionen des Hamiltonoperators nach der Gitterwellenzahl q klassifizieren kann, sodass ϕ ( x + na) = e iqnaϕ ( x) (4.4.27) gilt. In diesen Eigenfunktionen unterscheidet sich somit die Wellenfunktion in jedem Intervall nur um einen bekannten Phasenfaktor von der Wellenfunktion im Intervall 0 < x < a . Deswegen bleiben nur die zwei Konstanten A und B zu bestimmen. Die Stetigkeitsbedingungen z. B. bei x = a reichen dann aus, um die Konstanten in Abhängigkeit von k und q festzulegen. Dies führt zu folgenden Anschlussbedingungen ϕ ( x + a ) | x =0 = ϕ ( x ) | x = a (4.4.28) und ϕ ′( x + a) | x =0 −ϕ ′( x) | x =a = 2m Dϕ ( x + a ) | x =0 h2 (4.4.29) woraus sich folgendes Gleichungssystem ergibt I : Ae ia ( k − q ) + Be − ia ( k + q ) = A + B II : ik ( A − B − Ae ia ( k − q ) + Be −ia ( k + q ) ) = -9- 2m D( A + B) h2 (4.4.30) welches nur dann eine nichttriviale Lösung besitzt, wenn die entsprechende Determinante der Koeffizientenmatrix verschwindet, woraus folgt cos(qa ) − cos(ka) − mD sin(ka ) = 0 kh 2 (4.4.31) woraus wiederum folgende Bedingung für ka und damit für E = k 2h 2 2m gewonnen werden kann cos(ka ) + mD sin( ka) ≤ 1 kh 2 (4.4.32) Es gibt daher erlaubte und verbotene Energiebereiche, so wie in realen Festkörpern. Zu jeder Wellenzahl q gibt es unendlich viele diskrete Lösungen für k . Als Funktion von q haben sie die Form von Energiebändern. cos(qa ) als Funktion von (ka ) 2 ∝ E für Da = 10 . Es sind nur diejenigen Energien möglich, für die cos(qa ) zwischen − 1 und 1 liegt. Als Funktion der Gitterwellenzahl q betrachtet, erhält man so die möglichen Abb. 4.4.5: Energiebänder. - 10 - 4.4.5 Quellen und weiterführende Literatur [1] [2] [3] [4] [5] [6] [7] en.wikipedia.org / de.wikipedia.org Christian B. Lang / Norbert Pucker – Mathematische Methoden in der Physik, 2. Auflage, 2005 Quantenmechanik VO + UE, Vorlesungsmitschrift SS 2008 Torsten Fließbach – Quantenmechanik, Lehrbuch zur Theoretischen Physik III, 4. Auflage, 2005 Claude Cohen-Tannoudji – Quantum Mechanics, Vol. I, 1977 H. G. Evertz / W. von der Linden – Quantenmechanik, 3. Auflage, Vorlesungsskriptum SS 2007, S. 174 ff. (http://itp.tugraz.at/LV/evertz/QM_Skript/qm.html) Yoav Peleg, et. al. – Schaum’s Outlines, Quantum Mechanics, 1998, S. 42 ff. - 11 -