35 Bildgebende Diagnostik in der Neuroradiologie

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Neuroradiologie
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Bildgebende Diagnostik in der Neuroradiologie
Die bildgebende Diagnostik neurologischer, neurochirurgischer und HNO-ärztlicher Krankheitsbilder ist durch die
Etablierung der modernen Schnittbildverfahren revolutioniert worden. Da pathologische Strukturveränderungen nun in
einem sehr frühen Krankheitsstadium erfaßt werden können, ergibt sich ein direkter Zugewinn für den Patienten durch
bessere und frühere Behandlungsmöglichkeiten. Einige Tumoren und Erkrankungen der Schädelbasis und der Halsweichteile
weisen sowohl eine intra- als auch extrakranielle Manifestation auf, was in entsprechend ausgerüsteten Kliniken zur engen
Kooperation zwischen Neuroradiologie, Neurochirurgie und HNO-Chirurgie (C Schädelbasiszentrum) geführt hat. Für die
radiologische Diagnostik entstand die integrative Bildgebung von Erkrankungen des Kopfes und Halses (”Head and neck”).
35.1.
Standardröntgenaufnahmen
Routineaufnahmen in der konventionellen Röntgendiagnostik des Schädels sind Aufnahmen in 2 Ebenen a.p. und
lateral sowie ggf. ergänzend die axiale Aufnahme der Schädelbasis, die Hinterhauptsaufnahme nach Towne, Felsenbeinaufnahmen nach Stenvers, Aufnahmen der äußeren Gehörgänge und des Mastoids nach Schüller und -historisch- Aufnahmen
des Foramen nervus opticus nach Rheese.
Die Wirbelsäule wird mittels Aufnahmen in a.p.- und lateraler Projektion dargestellt. In Ergänzung können im HWSBereich Schrägaufnahmen der Foramina intervertebralia (Foramenstenose, Kongruenz der Interartikularportion) und
Funktionsaufnahmen in Inklination bzw. Reklination zur Frage der discoligamentären Instabilität nach HWS-Trauma
angefertigt werden. Die Funktions- und Schrägaufnahmen der LWS helfen in der Diagnostik einer Spondylolyse/
Spondylolisthese (Wirbelgleiten). Die weiterführende Abklärung von, im Rahmen der Primärdiagnostik erhobenen Befunden erfolgt heute im allgemeinen durch die MRT und Computertomographie, wie z.B. im Bereich der Felsenbeine, der
Schädelbasis oder des Achsenskeletts.
35.2.
Computertomographie
Die kraniale Computertomographie hat seit ihrer Einführung die Diagnostik pathologischer, intrakranieller Prozesse revolutioniert. Durch sie wurden die bis dahin gängigen, den Patienten belastenden und risikoreichen Methoden wie die Ventriculographie, Pneumencephalographie und, eingeschränkt
auch die cerebrale Angiographie, ersetzt. Im Gegensatz zu den konventionellen Kontrastmittelverfahren erlaubt die kontrastmittelgestützte CT des Schädels die detailgenaue Darstellung minimaler Dichtedifferenzen und Störungen der Blut-Hirnschranke innerhalb des Hirngewebes. Als nicht invasive
Untersuchungsmethode wird sie heute vor allem zur diagnostischen Abklärung von Hirninfarkten (Ischämie), Schädelhirntraumen (Ödem, Einklemmung, traumatische ICB), Hirntumoren (C MRT) und intrakraniellen Blutungen (Angio-CT) eingesetzt.
Bei klinischem Verdacht auf einen knöchernen Defekt der Frontobasis
(traumatisch oder kongenital) mit wiederholten Meningitiden oder rezidivieAbb. 35.1 Frontobasis-CT
render Liquorrhoe wird die knöcherne Schädelbasis nach intrathekaler
Nach intrathekaler KM-Gabe Nachweis eiKontrastmittelapplikation (s. a. Kap. 35.4.) in Dünnschichttechnik (0,6 mm
nes Defekts der vorderen Schädelbasis rechts
Schichtdicke/Vergrößerungsreview) dargestellt.
mit KM-Austritt (Pfeile).
Im Bereich des Achsenskeletts eignet sich die CT zur weitgehend überlagerungsfreien Erfassung pathologischer Prozesse im Bereich Wirbelsäule, Spinalkanal und Extraspinalraum. Bei kräftigen
Patienten kann jedoch die Beurteilbarkeit durch Streu- und Aufhärtungsartefakte (Knochen) eingeschränkt sein, hier ist die
MRT v.a zur detaillierten Darstellung des Myelons, der Spinalnerven und postoperativer Veränderungen hilfreich.
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35.3.
Neuroradiologie
Angiographie
Abb. 35.2 DSA der A. carotis interna
Großes Aneurysma der A. cerebri media rechts
als Quelle einer Subarachnoidalblutung.
Die cerebrale Angiographie wird in der Regel transfemoral (Kathetertechnik
nach Seldinger) vorgenommen. Als sicherer und wenig komplikationsträchtiger
Zugangsweg wird nach Punktion der A. femoralis die Spitze eines Kunststoffkatheters über einen Führungsdraht in dem zu untersuchenden Gefäßsystem
platziert. Spezielle Katheter können u.U. selektiv bis in kleinste Äste z.B. zur
Embolisation (Tumorgefäße) vorgeschoben werden. Die Direktpunktion der
A. carotis communis ist durch die o.g. Technik abgelöst.
Die cerebrale Angiographie dient der Abbildung der Art. carotis externa
(Versorgung des Gesichtsschädels und des Schädeldachs), der A. carotis interna (Darstellung des Gefäßsystems des Großhirns) und der Darstellung des
Gefäßsystems des Kleinhirns über die A. vertebralis (selektiv). Sie ermöglicht
die genaue topographische Zuordnung von intra- oder extracerebralen Gefäßprozessen (Stenosen, Verschlüssen). Bei intrakraniellen Tumoren dient die
cerebrale Angiographie der exakten Darstellung der den Tumor versorgenden
Gefäße, was für die Operationsplanung wichtig ist. Ggf. kann vor einer Operation eines Tumors die Zahl der diesen versorgenden Gefäße mittels selektiver
Embolisation (Verschluß) verringert werden.
Im Rahmen der Notfalldiagnostik können Aneurysmen (Subarachnoidalblutung), akute Gefäßverschlüsse (Thrombose
der A. basilaris, Sinusthrombose) oder Gefäßdissektionen diagnostiziert und gegebenenfalls interventionell (s. a. Kap. 36)
behandelt werden.
Das Risiko einer cerebralen Angiographie steigt für den Patienten mit zunehmendem Lebensalter, es liegt bei ca. 0,24,5%. Häufigste Komplikationen sind Zeichen eines passageren oder persistierenden neurologischen Defizits
(Hemisymptomatik C Halbseitenlähmung). Ursächlich sind intramurale KM-Injektionen (in die Gefäßwand) mit hieraus
resultierender Einengung der Strombahn durch die iatrogen (durch äußerliche Einwirkung) bedingte Gefäßdissektion,
durch Thrombenbildungen, Gefäßspasmen und Ablösung arteriosklerotischer Plaques im Rahmen der Kathetermanipulation
zu nennen. Unter Berücksichtigung der möglichen Komplikationen ist die strenge Indikationsstellung unumgänglich.
35.4.
Myelographie
Die Myelographie bezeichnet die Kontrastdarstellung des spinalen Subarachnoidalraums über die intrathekale Applikation eines wasserlöslichen Kontrastmittels durch eine Lumbalpunktion. Die Kontrastmitteluntersuchung des Spinalkanals
wird zur Abklärung der Art, Lage und Ausdehnung intraspinaler Prozesse durchgeführt. Hierdurch gelingt der Nachweis
raumfordernder Prozesse innerhalb des Spinalkanals mit Kompressionswirkung auf das Rückenmark oder die Nervenwurzeln (Bandscheibenvorfälle, intraspinale, intra- oder extradurale und auf den Spinalkanal übergreifende solitäre oder
multilokuläre Tumoren, Arachnoidalzysten, Meningocelen).
Neuere Kontrastmittel mit geringer Neurotoxizität und Viskosität (z.B. Isovist 300®) haben zu einem deutlichen Rückgang der Nebenwirkungsrate (Kopfschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Parästhesien, Krampfanfälle, kardiovaskuläre NW)
geführt, die Untersuchung ist bei sachgerechter Durchführung weitgehend gefahrlos.
Die röntgenologische Darstellung des lumbalen, thorakalen, cervikalen oder auch cerebralen Subarachnoidalraumes
erfolgt durch Patientenumlagerung und Verlagerung der Kontrastmittelsäule durch entsprechende Einstellung des kippbaren
Untersuchungstisches. Die Kontrastmittelverteilung wird unter Durchleuchtungskontrolle beobachtet und auf Zielaufnahmen dokumentiert. Die lumbale Kontrastmittelapplikation erfolgt unter aseptischen Bedingungen in Seitenlage oder im
Sitzen, idealerweise in Höhe LWK 4/5. Die Wahl der geeigneten Punktionshöhe wird im Einzelfall durch die klinische
Symptomatik und den Befund der Übersichtsaufnahmen der LWS (Torsion, Osteochondrose, Spinalkanalstenose) bestimmt. Die Menge des applizierten KM liegt in Abhängigkeit von der zu untersuchenden Region bei 12-18 ml.
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Neuroradiologie
Abb. 35.3 Myelographie: Intradurale KM-Applikation zur Markierung der
Nervenwurzeltaschen im Verlauf der Foramina intervertebralia, Normalbefund
LWS (links), HWS (mitte).
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Abb. 35.4 BSV (LWK 3/4) mit Amputation der Nervenwurzel L3 (Pfeil),
Duralschlauchkompression.
Die lumbale Myelographie schließt neben einzelnen Zielaufnahmen in Schrägprojektion zur Abbildung der lumbalen Spinalnervenwurzeln die Dokumentation des Conus medullare ein. Funktionsaufnahmen in Ante- und Retroflexion
geben Aufschluß über eine stellungsabhängige Duralschlauch- oder Wurzelkompression.
Durch Kopftieflagerung wird ein Übertreten des KM in den thorakalen bzw.
cervikalen Subarachnoidalraum erreicht. In Bauchlage wird, je nach Ausprägung
der BWS-Kyphose, im Scheitelpunkt nur eine niedrige KM-Konzentration erreicht, weshalb alternativ die Kopftieflagerung in Seitenlage erfolgen kann. Die
Cervikalregion wird von dem KM erreicht, wenn der Patient in Kopftieflage bei
rekliniertem Kopf (zur Vermeidung eines KM-Übertritts in die basalen Zisternen)
gelagert wird.
Auch hier werden die Schrägaufnahmen u.U. durch Funktionsaufnahmen Abb. 35.5 Postmyelo-CT der LWS mit
ergänzt. In der Regel erfolgt in Abhängigkeit vom erhobenen, u.U. pathologi- konzentrischer, degenerativ bedingter
schen Befund durch die Myelographie (z.B. Wurzelamputation mit V.a. Band- Spinalkanalstenose (Pfeile).
scheibenvorfall, BSV) eine ergänzende, gezielte computertomographische Untersuchung des entsprechenden Wirbelsäulensegmentes (sog. ”Postmyelo-CT”).
Hierduch wird die Differenzierung zwischen weichen und knöchernen Raumforderungen im Spinalkanal ermöglicht. Dies
ist insofern für die weitere Therapieentscheidung von Bedeutung, da sowohl die Häufigkeit der BSV als auch der degenerativen Wirbelsäulenveränderungen naturgemäß mit dem Alter zunimmt.
Die gezielte Verlagerung des KM in den kranialen Subarachnoidalraum eröffnet über ein anschließendes DünnschichtCT der Schädelbasis die Abklärung potentieller Defekte mit Liquorverlust und der Gefahr rezidivierender Meningitiden.
Zu den Komplikationen der Lumbalpunktion zählen der frustrane Punktionsversuch (bei meningealen Verwachsungen), die Blutung aus epiduralen Venen, die intravenöse, epidurale oder extradurale KM-Injektion und die Ausbildung eines
Infektes.
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35.5.
Neuroradiologie / Computergestützte Chirurgie
Kernspintomographie
Die Kernspintomographie gewinnt im Bereich der neuroradiologischen Diagnostik zunehmend an Bedeutung, was v.a.
auf die immer besser werdende Bildqualität und die kürzeren Untersuchungszeiten zurückzuführen ist. Im Gegensatz zur
Computertomographie ist in vielen Fällen die exakte anatomische Zuordnung und Begrenzung pathologischer Prozesse
möglich. Die Darstellung ischämischer Parenchymareale, insbesondere im Bereich des Hirnstamms (Artefakte bei der CT)
und die Auflösung auch kleiner, z.B. entzündlicher Prozesse (Encephalomyelitis disseminata) des Gehirns und des Myelons
sind beispielhafte Vorteile der MRT. Durch die dynamische, technische Weiterentwicklung mit stärkeren Magnetfeldern ist
in Zukunft mit einem noch breiteren Einsatzgebiet und neuen, schnelleren Aufnahmesequenzen bei noch besserer Detailauflösung für die Kernspintomographie zu rechnen (s. a. Kap. 31).
Abb. 35.6 KM-CT und T1-gewichtetes MRT. In der CT (links) unklare Ventralverlagerung des rechten Temporalhorns (Pfeil).
Die MRT (rechts) zeigt eindrucksvoll multiple, nach zentral verlagerte und verkleinerte Windungen der Hirnoberfläche
(Polymikrogyrie). MR-Myelographie rechts (MIP-Rekonstruktion).
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Navigation - computer- bzw. bildgestützte Chirurgie
36.1.
Bildgestützte Chirurgie am Beispiel der Neuronavigation
Neben dem strahlen- und/oder chemotherapeutischen Behandlungskonzept funktionaler Störungen des Gehirns wie
Tumoren oder Gefäßmißbildungen gehört die Operation mit Entfernung des Tumors zu den gängigen Behandlungsmethoden. Während hierzu bis vor kurzem noch eine relative große Öffnung im Schädel mit einem hohen Verletzungsrisiko für
gesundes Gewebe und kritische Strukturen wie Sehnerven oder Hirnstamm erforderlich war, ist es heute mit Hilfe von
Computern möglich, Tumoren oder andere Veränderungen durch eine kleine Bohrlochtrepanation und mit höherer Präzision zu entfernen. Dieses Verfahren ist als computer- bzw. bildgestützte Chirurgie, als Neuronavigation oder auch Image
Guided Surgery bekannt.
Bildgestützte Operationsverfahren werden in der Neurochirurgie seit Mitte der 90er Jahre eingesetzt. Diese Operationstechnik basiert auf einem leistungsstarken Computersystem, das dem Chirurgen hilft, eine Läsion, d.h. einen Tumor oder eine
arterielle Mißbildung, aus den diagnostischen Bilddaten des Patienten exakt zu lokalisieren und jeden Schritt des Eingriffs
über ein 3D-Modell am Bildschirm im Voraus zu planen. Der Tumor und seine Umgebung können aus verschiedenen
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