8. Sphärische Geometrie und das Problem der guten Karten. Im 15. Jahrhundert hatte man in der Seefahrt die Technologie bereit, um von Fahrten entlang von Küsten zu Fahrten über das offene Meer überzugehen. Kopernikus machte sich auf, um einen neuen Weg nach Indien zu finden. Es wurde dabei immer klarer, dass die Erde rund sein musste und dass nun, zumindest in der Seefahrt, die Euklidische Geometrie durch eine andere Geometrie ersetzt werden muß. Diese andere Geometrie ist die sphärische Geometrie, d.h. die Geometrie auf der Kugeloberfläche, und dieser Geometrie wollen wir uns jetzt zuwenden. 1. Ebene und Räumliche Trigonometrie. In der letzten Vorlesung haben wir gesehen, dass man Vektorrechnung gut für das Lösen von gewissen geometrischen Aufgaben einsetzen kann. Wir wollen nun sehen, dass man Vektorrechnung auch gut zur Lösung von trigonometrischen Problemen verwenden kann. • Wir beginnen mit der Trigonometrie der Ebene. Bei allen trigonometrischen Fragen sind trigonometrische Funktionen wichtig, d.h. Funktionen wie sin(x), cos(x), tan(x) usw. sowie ihre Umkehrfunktionen arcsin(x), arccos(x), arctan(x) usw. Um diese trigonometrischen Funktionen einzuführen, betrachte man das folgende rechtwinklige Dreieck im Einheitskreis. R 1 α P Q Zur Einführung der trigometrischen Funktionen Klaus Johannson, Geometrie (L2) 2 . Geometrie (L2) Da die Längen der Strecken P Q und QR nicht fest gegeben sind, sondern vom Winkel α abhängen, muss man diese Längen in der Funktionsschreibweise angeben. Man hat sich darauf geeinigt, hierfür die folgenden Symbole zu verwenden: cos(α) := P Q und sin(α) = QR. Bis hierher ist noch nichts wesentliches passiert, wir haben nur Namen eingeführt. Wir wissen damit nicht mehr über die Strecken P Q und QR als vorher. Um weiterzugehen, braucht man Analysis. In der Analysis wird nämlich gezeigt, dass man für die obigen Funktionen tatsächlich Berechnungsformeln angeben kann. Allerdings sind diese Formeln nicht ganz einfach , denn sie sind unendliche Reihen: sin(α) = α3 α5 α + + + ... 1 2·3 2·3·5 α2 α4 α6 + + + ... 2 2·4 2·4·6 Aber erst mit diesen Formeln sind die Funktionen sin(α) und cos(α) definiert. cos(α) = Bemerkung. Genauso wie ja schon π zunächst nichts weiter als der Name für den Kreisumfang des Einheitskreises ist und erst durch Berechnungsalgorithmen wie wie etwa die Leibnizformel π 1 1 1 1 = 1 − + − + − ... 4 3 5 7 9 zu einer wirklichen Zahl wird. Nachdem nun sin(α) und cos(α) definiert sind, kann man weitere Berechnungsformeln herleiten. Zum Beispiel erhält man aus dem pythagoräischen Lehrsatz sofort die Formel sin2 α + cos2 α = 1 Ein weiteres Beispiel ist der Kosinussatz. Der Kosinussatz ist ein Satz über allgemeine Dreiecke (also nicht mehr unbedingt rechtwinklige Dreiecke) - etwa das Dreieck ∆ABC auf der linken Seite der nächsten Figur. A α c w v-w b β B a γ C D v Klaus Johannson, Geometrie (L2) §8 Sphärische Geometrie 3 Kosinussatz. Sei ∆(A, B, C) ein beliebiges Dreieck in der Ebene. Seien a, b, c die Seiten BC, AC, AB und seien α, β, γ die Winkel 6 BAC, 6 ABC, 6 ACB. Dann gilt c2 = a2 + b2 − 2a · b · cos γ Beweis. Es gibt zwei Beweismethoden - eine mit Vektoren und eine ohne Vektoren. 1. Beweis (ohne Vektoren). Man ziehe die beiden gestrichelten Hilfslinien, um ein rechtwinkliges Dreieck ∆ABD zu erzeugen. Wenn wir berücksichtigen, dass cos(π − γ) = − cos γ und sin(π − γ) = sin γ dann erhalten wir AD = b sin γ und CD = −b cos γ Also gilt nach dem Satz von Pythagoras c2 = (a − b cos γ)2 + (b sin γ)2 = a2 − 2ab cos γ + b2 cos2 γ + b2 sin2 γ = a2 − 2ab cos γ + b2 (cos2 γ + sin2 γ) = a2 + b2 − 2ab cos γ und dies ist der Kosinussatz. Damit ist aber der Satz noch nicht bewiesen, denn man muss noch die Fälle betrachten wo die Lote auf die Seite a bzw links von der Seite a auftreffen. Dies ersparen wir uns aber und gehen zur zweiten Beweismethode über. 2. Beweis (mit Vektoren). Man betrachte das Dreieck auf der rechten Seite. Man sieht schon sofort, dass man offenbar mit viel weniger Bezeichnungen auskommt. Es gilt v = w + (v − w) v2 = w2 + 2w · (v − w) + (v − w)2 v2 = w2 + (v − w)2 + 2w · v − 2w2 v2 = −w2 + (v − w)2 + 2w · v v2 = −w2 + (v − w)2 + 2|v||w| cos 6 (v, w) Somit haben wir (v − w)2 = v2 + w2 − 2|v||w| cos 6 (v, w) Damit ist der Beweis fertig. Weitere Fallunterscheidungen (wie oben) gibt es in dem Vektorbeweis nicht. ♦ Klaus Johannson, Geometrie (L2) 4 . Geometrie (L2) • Wir kommen nun zur Trigonometrie des Raumes. Drei generisch gewählte Vektoren u, v, w ∈ R3 bilden paarweise Winkel a, b, c und erzeugen paarweise Ebenen. Diese Ebenen schneiden sich in Geraden und treffen sich paarweise in jeweils drei Winkeln α, β, γ. Alle diese Winkel stehen in folgendem bemerkenswerten Verhältnis zueinander stehen. C w A v b a α c u B Satz. Seien die drei Vektoren u, v, w gegeben und seien a, b, c und α, β, γ die im vorstehenden Diagramm gegebenen Winkel. Dann gilt: cos a = cos b · cos c + sin b · sin c · cos α Beweis. Als erstes bestimmen wir den Winkel α, d.h. den Winkel in dem sich die beiden Ebenen schneiden, die jeweils von v, w und v, u erzeugt werden. Dieser Winkel ist gleich ¯ dem Winkel zweier Vektoren die in diesen Ebenen liegen und senkrecht auf der Schnittlinie dieser Ebenen stehen. Solche Vektoren sind z.B. die Lotvektoren der Vektoren u und w auf den Vektor v. Diese Lotvektoren sind nun durch die folgende Formel gegeben u − (cos c)v bzw. w − (cos b)v (hier nehmen wir o.B.d.A. an, dass |u| = |v| = |w| = 1). Also gilt für den Winkel α: cos α = (u − cos c)v) · (w − (cos b)v) |u − (cos c)v| · |w − (cos b)v| und so (u − cos c)v) · (w − (cos b)v) = |u − (cos c)v| · |w − (cos b)v| · cos α u · w − (cos b)(u · v) − (cos c)(v · w) + cos c cos b = |u − (cos c)(v| · |w − (cos b)v| · cos α cos a − cos b cos c − cos c cos b + cos c cos b = |u − (cos c)(v| · |w − (cos b)v| · cos α Klaus Johannson, Geometrie (L2) §8 Sphärische Geometrie 5 Also haben wir (cos a − cos b· cos c)2 = (u − (cos c)v)2 · (w − (cos b)v)2 · cos2 α = (1 − 2(cos c)(u · v) + (cos2 c)) · (1 − 2(cos b)(w · v) + cos2 b) · cos2 α = (1 − 2 cos c · cos c + cos2 c) · (1 − 2 cos b · cos b + cos2 b) · cos2 α = (1 − cos2 c)(1 − cos2 b) cos2 α = sin2 c · sin2 b · cos2 α Hieraus folgt cos a = cos b · cos c + sin c · sin b · cos α. ♦ Klaus Johannson, Geometrie (L2) 6 . Geometrie (L2) 2. Sphärische Grundobjekte und Sphärische Grundgrössen. Der Grundraum der sphärischen Geometrie ist gegeben durch Grundraum := S 2 := { v ∈ R3 | |v| = 1} ⊂ R3 , d.h. durch die Einheitssphäre im 3-dimensionalen Raum. Die Grundobjekte jeder 2-dimensionalen Geometrie sind Punkte und Geraden (= Geodätische) und Kreise im Grundraum. • In der sphärischen Geometrie sind die Grundobjekte wie folgt definiert: Punkt : = Vektor v ∈ R3 mit |v| = 1, = Schnitt von S 2 mit einem 1-dim. Halbraum von R3 , Geodätische : = Schnitt von S 2 mit einem 2-dim. Unterraum von R3 . Bemerkung. Die Geodätischen haben alle eine endliche Länge und sie sind alle gleich lang. Wir sind frei die Länge der Geodätischen irgendwie festzusetzen (zu normieren) und wir definieren die Länge einer Geodätischen als die Zahl 2π (= Umfang des Einheitskreises). • Der Abstand d(P, Q) von zwei Punkten P, Q auf der Einheitssphäre ist demnach gegeben durch d(P, Q) =der Winkel zwischen den beiden Radien der Einheitsspäre mit Endpunkten in P und Q (gemessen im Bogenmaß). • Der Winkel zwischen zwei Geodätischen ist der Euklidische Winkel den beiden Tangenten der beiden Geodätischen im Scheitelpunkt des Winkels bilden. Satz. Der sphärische Abstand zwischen den sphärischen Punkten v1 , v2 ∈ S 2 is gegeben durch cos d(v1 , v2 ) = v1 · v2 wobei v1 · v2 das Skalarprodukt der Vektoren v1 , v2 bezeichnet. Beweis. Sei k der Grosskreis, der die beiden Punkte v1 , v2 enthält. Der Abstand d(v1 , v2 ) gleich der Länge des Abschnitts auf dem Kreis der von v1 , v2 begrenzt wird (man wählt den kürzeren der beiden Abschniite). Da der Kreis aber der Einheitskreis ist, ist diese Länge gleich dem Winkel 6 (v1 , v2 ) im Bogenmass gemessen. Da v1 , v2 die LÄnge 1 haben, gilt für diesen Winkel cos(α) = v1 · v2 Somit ist der Abstand durch cos d(v1 , v2 ) = v1 · v2 . ♦ Klaus Johannson, Geometrie (L2) §8 Sphärische Geometrie 7 3. Sphärische Transformationen. Definition. Eine sphärische Transformation ist eine lineare Abbildung L : S2 → S2 der Einheitssphäre auf sich, die sowohl längen- als auch winkeltreu ist. Bemerkung. Damit ist gemeint, dass L : S 2 → S 2 die Einschränkung einer Matrix Transformation A : R3 → R3 ist. Die folgenden sog. Drehmatrizen sind hier für uns wichtig (ϕ gibt den Drehwinkel an): sin(ϕ) cos(ϕ) 0 Dz (ϕ) := − cos(ϕ) sin(ϕ) 0 = Drehung um die z-Achse 0 0 1 sin(ϕ) 0 cos(ϕ) Dy (ϕ) := 0 1 0 = Drehung um die y-Achse − cos(ϕ) 0 sin(ϕ) 1 0 0 sin(ϕ) cos(ϕ) = Drehung um die x-Achse Dx (ϕ) := 0 0 − cos(ϕ) sin(ϕ) An dieser Stelle bemerke man, dass sich die obige Gestalt der Drehmatrizen ändert, wenn man ein anderes Koordinatensystem wählt. Die geometrischen Eigenschaften der Drehmatrizen (wie Existenz von Drehachsen und Grössen der Drehwinkels) ändern sich dagegen aber nicht. Weiter ist das Produkt zweier Drehmatrizen (wie wir gleich sehen werden) wieder eine Drehung (aber im allgemeinen keine Drehmatrix im obigen Sinne) mehr. Wir suchen deshalb nach Eigenschaften für Matrizen, die sie als Drehungen kennzeichnen. Das Ergebnis sind die sog. ”orthogonalen Matrizen”. Definition. Eine Matrix A ∈ Mat3 R heisst orthogonal, wenn (bzgl. des Skalarprodukts) Av · Aw = v · w für alle Vektoren v, w gilt. Bemerkung. Da sphärische Länge und Winkel allein vom Skalarprodukt abhängen, heißt dies das die orthogonalen Abbildungen genau die sphärischen Abbildungen sind. Hier noch eine andere Charakterisierung: Klaus Johannson, Geometrie (L2) 8 . Geometrie (L2) Satz. Eine Matrix A ∈ Mat3 R ist orthogonal genau dann wenn A · At = I = Einheitsmatrix Bemerkung. Hier bezeichnet At = transponierte Matrix, d.h. die Matrix die aus A durch Spiegelung an der Hauptdiagonale hervorgeht. Satz. Es gilt: (1) Jede Drehmatrix ist orthogonal. (2) Jede orthogonale Matrix, die eine Koordinatenachse festhält, ist eine Drehmatrix. (3) Das Produkt von orthogonalen Matrizen ist eine orthogonale Matrix. (4) Jede orthogonale Matrix hat einen Fixvektor (d.h. einen Vektor v mit Av = v. (5) Jede orthogonale Matrix ist eine Drehung oder gleich −I. (6) Jede orthogonale Matrix ist Produkt von (evtl. mehreren) Drehmatrizen. Beweis. ad (1) Sei A ∈ Mat3 R eine Drehmatrix, etwa A = Dz (ϕ). Wir müssen zeigen, dass Av · Aw = v · w. Es ist 0 sin(ϕ) cos(ϕ) 0 1 sin(ϕ) cos(ϕ) 0 1 0 · cos(ϕ) sin(ϕ) 0 (Ae1 ) · (Ae2 ) = − cos(ϕ) sin(ϕ) 0 0 0 0 1 0 0 0 1 sin(ϕ) cos(ϕ) = − cos(ϕ) · sin(ϕ) = sin(ϕ) cos(ϕ) − cos(ϕ) sin(ϕ) = 0 0 0 Mit einer ebensolchen Rechnung zeigt man für alle Einheitsvektoren e1 , e2 , e3 : Ae1 · Ae2 = Ae1 · A3 = Ae2 · Ae3 = 0 und weiter gilt Ae1 · Ae1 = Ae2 · Ae2 = Ae3 · Ae3 = 1 Die folgende Rechnung gilt für alle Vektoren in der xy-Ebene: Klaus Johannson, Geometrie (L2) §8 Sphärische Geometrie 9 Av · Aw = A(ae1 + be2 ) · A(ce1 + de2 ) = (aAe1 + bAe2 ) · (cAe1 + dAe2 ) = ac (Ae1 ) · (Ae1 ) + ad Ae1 · Ae2 + bc Ae2 · Ae1 + bd Ae2 · Ae2 = ac + bd = [a, b] · [c, d] =v·w Man kann aber diese Rechnung ebenso auf alle Vektoren des Raumes ausdehnen. Dies beweist (1) ad (2) Sei A ∈ Mat3 R eine Matrix, die die z-Matrix festhält. Dann hält sie auch die ganze xy-Ebene fest (denn orthogonale Matrizen erhalten Winkel und so bildet A alle Vektoren orthogonal zur z-Achse auf Vektoren orthogonal zur z-Achse ab). Es folgt, dass A die folgende Form hat: a A= c 0 Aber die Matrix a b c d b d 0 0 0 1 ist eine 2x2-Drehmatrix und so von der Form sin(ϕ) cos(ϕ) a b . = − cos(ϕ) sin(ϕ) c d Damit folgt sofort (2). ad (3) Seien A, B ∈ Mat3 R zwei orthogonale Matrizen. Dann ist (AB)v · (AB)w = A(Bv) · A(Bw) = Bv · Bw = v · w Dies beweist (3) nach vorigem Satz. ad (4) Sei v ∈ R3 irgendein Vektor und setze w = Av. Ist w = v, dann sind wir fertig. Andernfalls sei u ∈ R3 ein Vektor senkrecht zu v und w von der Länge 1. Davon gibt es nur u und −u). Klaus Johannson, Geometrie (L2) 10 . Geometrie (L2) Dann ist Au auch ein Vektor, der senkrecht auf v und w steht und die Länge 1 hat. Somit ist Au = u oder Au = −u. Im ersten Fall sind wir fertig. Der Beweis im zweiten Fall ist aber auch klar (sowie das Aufkommen von −I als Möglichkeit). ad (5) Dies folgt aus (4) ad (6) Sei A ∈ Mat3 R eine orthogonale Matrix. Nach (4) gibt es einen Fixvektor v. Sei D1 die Drehmatrix, die v in die xz-Ebene dreht. Sei D2 die Drehmatrix, die D1 v in die z-Achse dreht. Dann ist o.B.d.A. D2 D1 Av = v Also ist D2 D1 A eine Drehmatrix (wegen (2)), d.h. es gibt eine Drehmatrix D3 so dass D2 D1 A = D3 . Dann ist A = D3 D2−1 D1−1 ein Produkt von Drehmatrizen (denn das Inverse einer Drehmatrix ist natürlich auch eine Drehmatrix). Dies beweist (6). ♦ Klaus Johannson, Geometrie (L2) §8 Sphärische Geometrie 11 4. Sphärische Dreiecke. Aus den sphärischen Grundobjekten kann man sphärische Figuren bilden, wie etwa 2Ecke, 3-Ecke, 4-Ecke usw.: Β a c Χ α b Ein sphärisches 3-Eck Satz. Im sphärischen Dreieck gelten die folgenden Formeln: sin a : sin b : sin c = sin α : sin β : sin γ. (sphärischer Sinussatz) cos a = cos b · cos c + sin b · sin c · cos α. (sphärischer Seitenkosinussaz) cos α = − cos β · cos γ + sin β · sin γ · cos a. (sphärischer Winkelkosinussatz) Beweis. Der sphärische Seitenkosinussatz folgt sofort aus dem vorher bewiesenen Kosinussatz der räumlichen Geometrie. Die anderen beiden Formeln beweisen wir nicht. ♦ Bemerkung. Die obigen Formeln sind sehr wichtig, wenn es darum geht Seiten oder Winkel im sphärischen Dreieck zu berechnen. Jede sphärische Figur lässt sich in sphärische Dreiecke zerlegen. Um also den Flächeninhalt von sphärischen Figuren zu berechnen, genügt es den Flächeninhalt von Dreiecken zu bestimmen: Satz. Der Flächeninhalt F gegeben durch eines sphärischen Dreiecks mit den Winkeln α, β, γ ist F =α+β+γ−π Korollar. Die Winkelsumme im sphärischen Dreieck ist grösser als 2 Rechte. Klaus Johannson, Geometrie (L2) 12 . Geometrie (L2) Beweis. Der Flächeninhalt der Einheitssphäre ist 4π = 2 · 2π. Dies beweist man in der Analysis. Also ist der Inhalt eines sphärischen Zweiecks mit Winkel α gleich 2α (denn 2 · 2π ist der Inhalt der ganzen Sphäre). Zu jedem Winkel des sphärischen Dreiecks gehört ein Paar von sphärischen Zweiecken (zwei Grosskreise schneiden sich in zwei Punkten, bilden also zwei Zweiecke - eins vorne und eins hinten). Die Großkreise die das Dreieck P QR definieren induzieren eine Triangulation der 2-Sphäre aus 8 Dreiecken - 4 in jeder Halbkugel. R Q’ P’ Q R’ P Die Dreiecke PQR und P’Q’R’ haben gleichen Flächeninhalt Wir haben also Paare von sphärischen Zweiecken mit Öffnungswinkel α, β, γ. Also insgesamt 6 Zweiecke. Diese überlappen das Ausgangsdreieck P QR ’dreimal. Sie ”überlappen auch noch ein zweites Dreieck dreimal, nämlich das Dreieck P ′ Q′ R′ gegenüber dem Ausgangsdreieck. Ansonsten überdecken die Zweiecke die ganze Sphäre. Der Inhalt der Sphäre ist also die Summe der Inhalte aller Zweiecke vermindert um die 4 extra Dreiecke von den Überlappungen. Also 4π = 2 · 2α + 2 · 2β + 2 · 2γ − 4F wobei F der Inhalt des sphärischen Dreiecks ist. Also gilt F = α + β + γ − π. ♦ Korollar. Spärische Transformationen sind flächentreu, d.h. sie erhalten den Flächeninhalt. Beweis. Sei G : S 2 → S 2 eine sphärische Transformation. Sei ∆ := ∆(A, B, C) ein sphärisches Dreieck und ∆′ := ∆(A′ , B ′ , C ′ ) das sphärische Dreieck mit den Eckpunkten A′ = G(A), B ′ = G(B), C ′ = G(C). Klaus Johannson, Geometrie (L2) §8 Sphärische Geometrie 13 Dann ist G(∆) = ∆′ , da sphärische Dreiecke Geodätische in Geodätische abbilden (und da je zwei Punkte durch genau einen geodätischen Bogen verbunden werde, wenn sie nicht gegenüberliegend sind). Weiter ist 6 BAC = 6 B ′ A′ C ′ , 6 ABC = 6 A′ B ′ C ′ , 6 ACB = 6 A′ C ′ B ′ , da sphärische Transformationen winkeltreu sind. Nach dem obigen Satz bestimmen die Innenwinkel eines sphärischen Dreiecks dessen Flächeninhalt. Somit haben ∆ und ∆′ = G(∆) den gleichen Flächeninhalt. Alle Polygone kann man in Dreiecke zerlegen. Daraus folgt das Korollar. ♦ Klaus Johannson, Geometrie (L2) 14 . Geometrie (L2) 5. Sphärische Vierecke. Ein 4-Eck und ein nicht-4-Eck Bemerkung. An dieser Stelle beachte man dass die Figur auf der rechten Seite kein 4-Eck der sphärischen Geomtrie ist. Die Figuren der sphärischen Geometrie müssen - wie auch in der euklidischen Geometrie - geradlinig begrenzt sein. Die Seiten von sphärischen Figuren müssen also geodätische Strecken sein und das ist bei der figur auf der rechten Seite nicht der fall. Kommen wir nun zu den Vierecken in der sphärischen Geometrie. Wir erinnern uns noch daran welche Mühe die Griechen hatten, in ihrer Geometrie die Existenz von Quadraten zu beweisen. Ihr Problem war, dass sie nicht messen konnten (oder durften). Sie bewiesen die Existenz von Quadraten indem sie eine Theorie der Parallelen entwickelten. In der sphärischen Geometrie gibt es aber von vornherein keine Parallelen, denn je zwei ”Geraden” (= Geodätische) schneiden sich immer in ganau zwei Punkten (die übrigens immer gegenüber liegen - Warum?). Es stellt sich als das Problem. Gibt es Quadrate in der sphärischen Geometrie?. Um diese Frage zu beantworten müssen wir uns daran erinnern, dass bei den Griechen ein Quadrat definiert war als ein Viereck in dem alle Seiten gleichlang und alle Winkel rechte Winkel sind. Eine solche Konfiguration kann es aber für sphärische Vierecke nicht geben. Man kann ja jedes solche Viereck so drehen, dass eine Seite im Äquator liegt. Dann zeigt das Bild oben links, dass ein solches Viereck kein Quadrat sein kann. Die Antwort zu unserem Problem ist also: Nein. Klaus Johannson, Geometrie (L2) §8 Sphärische Geometrie 15 6. Sphärische Koordinaten. Breite Es mag etwas ungewöhnlich erscheinen, die Punkte der sphärischen Geometrie mit Einheitsvektoren des 3-dimensionalen Raumes zu identifizieren. In der Praxis sieht man alternativ hierzu häufig eine andere Darstellung. Der Grund für diese alternative Darstellung liegt darin, dass man ungern die Idee eines intrinsischen Koordinatensystems für die Sphäre selbst aufgeben möchte. Wir haben ja in der Euklidischen Geometrie gesehen wie nützlich eine solche Idee für Berechnungen ist. Man stellt sich deshalb vor, dass auch die Sphäre mit einem Koordinatensystem versehen ist. Es ist natürlich nicht mehr rechtwinklig. Vielmehr behilft man sich mit der Vorstellung, dass ein rechtwinkliges Koordinatensystem angedeutet auf die Sphäre abgewickelt ist (siehe folgende Zeichnung). Laenge Koordinaten: Längen- und Breitenkreise Die vertikalen Kreise heißen Längenkreise und die horizontalen Kreise heißen Breitenkreise. Wenn man nun noch einen Längenkreis als Standard Längenkreis und einen Breitenkreis als Äqutor auszeichnet, dann kann man jedem Punkt (auf der Sphäre) das Koordinatenpaar (α, β) = (Länge,Breite)i zuordnen, wobei Länge (des Punktes) := Winkel zum Standard Längenkreis, Breite (des Punktes) := Winkel zum Äquator. Bemerkung. Im obigen Bild sind Standard Längenkreis und Äquator fett gezeichnet. Ihre Festlegung ist natürlich willkürlich. Auf der Erdoberfläche ist der Äquator als der Klaus Johannson, Geometrie (L2) 16 . Geometrie (L2) Breitenkreis festgelegt, der vom Nord- und Südpol gleichweit entfernt ist. Der Standard Längenkreis ist definiert als der Längenkreis der durch Greenwich, England geht. Ein Punkt der Sphäre ist demnach entweder gegeben durch das Tripel [x, y, z] von Koordinaten des zugehörigen Vektors oder durch ein Paar (α, β) = (Ln̈ge,Breite). Beide Darstellungen sind gleichberechtigt. Der folgende Satz gibt die Transformationsformel mit der man zwischen diesen Koordinatensystemen wechseln kann. Satz. Sei P = P (α, β) = P (x, y, z) ein Punkt der sphärischen Geometrie wobei (α, β) = (Länge,Breite) und [x, y, z] ∈ R3 der zum Punkt gehörige Vektor ist. Dann gelten die folgenden Transformationsformeln: x cos(β) · cos(α) x 7 (α, β) = ( arctan(y/x), arcsin(z) ). y→ und (α, β) 7→ y = cos(β) · sin(α) z sin(β) z Beweis. Für den Beweis müssen wir nur die trigonometrischen Formeln und etwas räumliches Vorstellungsvermögen einsetzen. Wir betrachten dazu die folgende Figur: z P sin( β ) 1 β α cos(β y ) cos(β ) sin(α ) x cos( β ) cos(α ) Zwei Typen von Koordinaten für Einheitsvektoren In der Figur ist der Breitenkreis eingezeichnet auf dem der Punkt P liegt. Weiter soll die xy-Ebene die Äquatorebene sein. Dann ist β der Winkel für den Breitenkreis und α der Winkel für den Längenkreis die P enthalten. Die Figur zeigt weiter zwei rechtwinklige Dreiecke. Die Hypothenuse des senkrechten Dreicks hat Länge 1 da P auf der Einheitssphäre liegt. Damit hat dann das rechtwinklige Dreieck in der xy-Ebene eine Hypothenuse der Länge cos(β). Die beiden Katheten dieses Dreiecks sind dann gerade die x- und y-Koordinaten von P . Diese können wir mit Hilfe des Winkels α ausrechnen und erhalten x = cos(β) · sin(α) und y = cos(β) · cos(α) Klaus Johannson, Geometrie (L2) §8 Sphärische Geometrie 17 Aus der Figur entnimmt man weiter dass die z–Koordinate von P durch z = sin(β) gegeben. Damit ist die Zuordnung (α, β) 7→ [x, y, z] gezeigt. Die andere Zuordnung zeigt man auf ähnliche Weise (Übung). ♦ Klaus Johannson, Geometrie (L2) 18 . Geometrie (L2) 7. Die Stereographische Projektion. Satz. Die Transformationsformel der stereographischen Projektion (vom xyz-Raum auf die uv-Ebene) lautet: x= u v u2 + v 2 , y = , z = 1 + u2 + v 2 1 + u2 + v 2 1 + u2 + v 2 und u= x y , v= , für alle z 6= 1. 1−z 1−z Beweis. Wir wählen eine 2-Sphäre in R3 mit Durchmesser (nicht Radius!) = 1 l 1-z s P = [x,y,z] [0,0] [x,y] [u,v] Dann haben wir nach dem Satz von Pythagoras s · ℓ = 12 und so 1 1 s = 2 = ℓ ℓ 1 + u2 + v 2 und nach dem Strahlensatz s:ℓ=1−z :1= Demnach gilt p x2 + y 2 : p u2 + v 2 = x : u = y : v. 1 1 x = = u v 1 + u2 + v 2 Klaus Johannson, Geometrie (L2) §8 Sphärische Geometrie 19 und so und hieraus folgt der Satz (wegen der zweiten Relation). ♦ Satz. Die allgemeine Formel des Kreises in der uv−Ebene lautet a(u2 + v 2 ) + bu + cv + d = 0 mit reellen Koeffizienten a, b, c, d die die Bedingung b2 + c2 − 4ad > 0 erfüllen. ♦ Satz. Die stereographische Projektion bildet Großkreise der Sphäre auf Kreise der Ebene ab und umgekehrt. Beweis. ⇒. Ein Kreis der Sphäre ist Schnitt der Sphäre mit einer Ebene und ist somit durch die Sphärengleichung und die allgemeine Gleichung der Ebene bestimmt. Also durch die Gleichung ax + by + cz + d = 0 für die die reellen Koeffizienten die Bedingung a2 + b2 − 4(c + d)d > 0 erfüllt. Ersetzt man hier x, y, z durch die Transformationsformeln so erhalten wir (c + d)/u2 + v 2 ) + au + bv + d = 0 und dies ist die allgemeine Gleichung eines Kreises in der uv-Ebene. ⇐. Wendet man auf die allgemeine Gleichung des Kreises in der uv-Ebene die Transformationsformel der stereographischen Projektion an, dann erhält man a x2 + y 2 y x +c +d=0 +b 2 (1 − z) 1−z 1−z und so, wegen der Gleichung x2 + y 2 + z 2 − z = 0 unserer Sphäre, folgt 1 [az + bx + cy + d(1 − z)] = 0 1−z Klaus Johannson, Geometrie (L2) 20 . Geometrie (L2) und deshalb bx + cy + (a − d)z + d = 0. Diese Ebene hat vom Mittelpunkt [0, 0, 21 ] unserer Sphäre einen Abstand kleiner als 21 und schneidet daher die Sphäre in einem Kreis. Dies ist der Bildkreis unter der stereographischen Projektion. Damit ist der Satz bewiesen. ♦ Klaus Johannson, Geometrie (L2) §8 Sphärische Geometrie 21 8. Die Mercator Projektion. Satz. Die Mercator Projektion bildet Geodätische auf Sinus-Kurven ab. Beweis. Betrachte die folgende Figur z w v y u x Geodätische und Sinus Kurven. Der Vektor v rotiert um den Vektor w auf dem er senkrecht steht. Er beschreibt also eine Bahn, die ganz in der Ebene E (nicht eingezeichnet) liegt, die senkrecht zum Vektor w steht und den Koordinatenursprung des xyz-Koordinatensystems enthält. Die obige Figur hat zwei Bedeutungen, je nachdem wie man die Bahn interpretiert: (1) Diese Bahn kann der Schnitt der Ebene E mit der Einheitssphäre sein. Dann wäre sie ein Großkreis, d.h. eine Geodätische. (2) Diese Bahn kann aber auch der Schnitt der Ebene E mit dem Zylinder Z (nicht eingezeichnet) sein, der senkrecht zur xy-Ebene steht und durch den Einheitskreis der xyEbene geht (und der die Bahnkurve des Vektors v ist). In diesem Fall wäre sie das Bild der obigen Geodätischen unter der Mercator Projektion. In Koordinatenschreibweise lässt sich die zweite Bahn auch so beschreiben: I. ax + by + cz = 0 II. III. x = cos(ϕ) y = sin(ϕ) Bedingung I. besagt, dass die Bahn in der Ebene liegt, die zum Vektor w = [a,b,c] senkrecht steht. Bedingung II. und III. besagt, dass die Projection der Bahn auf die xy-Ebene der Einheitskreis ist. Dies ist äquivalent zu der Aussage, dass die Bahn im Zylinder Z verläuft. Klaus Johannson, Geometrie (L2) 22 . Geometrie (L2) O.B.d.A. können wir annehmen, dass der Vektor w = [a, b, c] in der yz-Ebene liegt, d.h. dass a = 0. Dann ergibt sich aus dem Gleichungssystem I.,II.,III die Bahngleichung b · sin(ϕ) + cz = 0 der Kurve im Zylinder Z uns somit die Gleichung. c z = − · sin(ϕ) b Dies ist die Gleichung einer Sinus-Funktion. Damit ist gezeigt, dass das Bild einer Geodätischen unter der Mercator Projektion eine Sinuskurve. Wenn man den Zylinder Z an einer vertikalen Geraden aufschneidet, kann man das Resultat zu einem ebenen Gebiet abwickeln auf der man dann das übliche Bild einer Sinuskurve sehen kann. ♦ Bemerkung. Übrigens, der obige Satz ist der Grund weswegen man bei Fernsehbildern aus dem NASA-Kontrollraum die Bahn von Satelliten immer als Sinuskurve abgebildet sieht. Geodätische Bild der Mercator Projektion der Geodätischen Literatur. H. Behnke-F.Sommer, Theorie der analytischen Funktionen, Springer 1972 Klaus Johannson, Geometrie (L2)