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Radialsymmetrische Probleme und Legendrepolynome
Vortrag am 15.07. im Hauptseminar theoretische Physik, SS 2011, Uni Würzburg
von Felix Brosowsky ([email protected])
Abstract
In diesem Vortrag werden radialsymmetrische Probleme, die allgemeine Lösung der Laplacegleichung in
Kugelkoordinaten und die in der Lösung auftretenden Legendrepolynome und Kugelflächenfunktionen behandelt. Zur Visualisierung und Berechnung ausgewählter Beispiele wird Mathematica verwendet.
Einleitung
In der Elektrodynamik und der Quantenmechanik werden aufgrund der Geometrie der Potentiale, die in vielen
Problemstellungen vorkommen, oft Symmetrien ausgenutzt, um diese Probleme zu lösen. Bei der Lösung von
Problemen mit radialer Symmetrie und azimutaler Symmetrie spielen die Legendrepolynome bzw. die Kugelflächenfunktionen eine elementare Rolle. Im Folgenden werden die theoretischen Grundlagen hierzu erläutert.
Orthogonale Polynome
Ein System von Polynomen fn (x) vom Grad [fn (x)] = n heißt orthogonal auf dem Intervall a ≤ x ≤ b unter
Berücksichtigung einer vorgegebenen Gewichtsfunktion w(x), falls
Z
b
dx w(x)fn∗ (x)fm (x) = 0
für (n 6= m; n, m = 0, 1, 2 . . .) .
(1a)
a
Die Gewichtsfunktion w(x) ≥ 0 legt mit dem Intervall [a, b] die Funktionen fn (x) bis auf einen konstanten Faktor
eindeutig fest. Ist dieser Faktor derart gewählt, dass (1a) in (1b) übergeht, heißen die Polynome orthonormal :
Z
b
dx w(x)fn∗ (x)fm (x) = δnm
für (n, m = 0, 1, 2 . . .) .
(1b)
a
Jedes dieser orthonormalen Systeme folgt einigen elementaren Beziehungen der gleichen grundsätzlichen Form,
der Kürze halber werden hier nur zwei erwähnt:
00
0
g2 (x)fn + g1 (x)fn + an fn = 0
Differentialgleichung,
(2a)
Rodriguez-Formel,
(2b)
n
fn =
d
1
en w(x) dxn
w(x)[g(x)]n
wobei g1 (x), g2 (x) und g(x) Polynome unabhängig von n, an eine Konstante und en ein Normalisierungsfaktor
abhängig von n sind.
Orthogonale Polynome können bei gegebener Gewichtsfunktion w(x) und gegebenem Intervall [a, b] stets mit
dem Gram-Schmidt’schen Orthogonalisierungsverfahren konstruiert werden (vgl. [2] S. 596 ff. oder [7] S. 44 ff.),
hierzu ist aus Platzgründen lediglich auf weiterführende Literatur verwiesen.
Legendrepolynome
Für die Werte w(x) = 1 und [a, b] = [−1, 1] ergeben sich die Legendre’schen Polynome erster Art Pl (x), die
folgende Vollständigkeitsrelation erfüllen:
∞
X
2l + 1
l=0
2
0
0
Pl (x )Pl (x) = δ(x − x ) .
(3)
1
Mit bestimmten Werten für die in (2) genannten Variablen wird (2a) zur Legendre’schen Differentialgleichung:
i
0
00
0
d h
(1 − x2 )Pl (x) + l(l + 1)Pl (x) = (1 − x2 )Pl (x) − 2xPl (x) + l(l + 1)Pl (x) = 0 ,
dx
(4a)
während (2b) die zugehörige Rodriguez-Formel liefert:
Pl (x) =
1 dl 2
(x − 1)l .
2l l! dxl
(4b)
Es gibt auch Legendre’sche Polynome zweiter Art, die (4a) lösen und deshalb auch Legendrefunktionen heißen;
diese sind jedoch keine Polynome (die Namensgebung ist historisch bedingt) und sind hier nicht von Bedeutung.
Die Legendrefunktionen erster Art werden deshalb im Folgenden nur als Legendrepolynome bezeichnet. Die
ersten sechs Legendrepolynome lauten explizit:
1
1
(3x2 − 1)
P3 (x) = (5x3 − 3x)
2
2
1
1
4
2
5
3
P4 (x) = (35x − 30x + 3)
P5 (x) = (63x − 70x + 15x) ,
(5)
8
8
p
sie sind in Abb. 1 dargestellt und wurden durch Multiplikation mit dem Faktor (2l + 1)/2 auf 1 normiert:
P0 (x) = 1
Z
P1 (x) = x
1
P2 (x) =
2
δ 0 .
2l + 1 ll
dx Pl (x)Pl0 (x) =
−1
(6)
LegendrePl HxL
2
P0
P1
1
P2
-1.0
0.5
-0.5
1.0
x
P3
P4
-1
P5
-2
Abbildung 1: Die ersten sechs Legendrepolynome (normiert)
Einige Eigenschaften der Legendrepolynome sind:
Pl (1) = 1
Pl (−x) = (−1)l Pl (x)
P2l+1 (0) = 0 .
(7)
Die Legendre’sche Differentialgleichung (4a) lässt sich zur allgemeinen Legendregleichung erweitern:
ih
0
d h
m2 i m
(1 − x2 )Plm (x) l(l + 1) −
P (x) = 0 .
dx
1 − x2 l
(8a)
Mit x = cos θ wird (8a) zu:
1 d
dP m (cos θ) h
m2 i m
sin θ l
+ l(l + 1) −
Pl (cos θ) = 0 .
sin θ dθ
dθ
sin2 θ
2
(8b)
Die Lösungen dieser Gleichung heißen nach der gleichen Konvention wie bei den Legendrepolynomen erster Art
zugeordnete Legendrefunktionen erster und zweiter Art, wobei die Lösungen zweiter Art nicht behandelt werden
und die erster Art im Folgenden als zugeordnete Legendrepolynome Plm (x) bezeichnet werden.1 Auch für sie
lässt sich eine der Rodriguez-Formel ähnliche Bestimmungsgleichung angeben:
m
Plm (x) = (−1)m (1 − x2 ) 2
dm
(−1)m
dl+m 2
2 m
2
P
(x)
=
(x − 1)l .
(1
−
x
)
l
dxm
2l l!
dxl+m
(8c)
Die zugeordneten Legendrepolynome besitzen nur für ganzzahlige m und l nichttriviale Lösungen, die nicht
singulär sind, außerdem ist m eingeschränkt auf −l ≤ m ≤ l. (8) geht für m = 0 genau in (4) über. Der Faktor
(−1)m ist die Condon-Shortley Phase, sie wird in der Quantenmechanik definiert, um das Rechnen mit den
Leiteroperatoren L− und L+ zu vereinfachen, ist aber nicht unbedingt notwendig (vgl. [2], S. 693).
Auch die zugeordneten Legendrepolynome sind orthogonal:
Z 1
2 (l + m)!
dx Plm (x)Plm
δ 0 .
0 (x) =
2l
+ 1 (l − m)! ll
−1
(9)
Laplacegleichung in Kugelkoordinaten, Kugelflächenfunktionen
In Kugelkoordinaten kann der Laplaceoperator geschrieben werden als
1 ∂2
1
1 ∂
∂
1 ∂2
∆=
(r)
+
∆
,
∆
=
sin
θ
+
,
θ,ϕ
θ,ϕ
r ∂r2
r2
sin θ ∂θ
∂θ
sin2 θ ∂ϕ2
(10)
man beachte die Ähnlichkeit zu (8b). Die Laplacegleichung in Kugelkoordinaten kann mit einem Produktansatz
gelöst werden:
∆Φ(r, θ, ϕ) = ∆
U (r)
P (θ)Q(ϕ) = 0 .
r
(11a)
Mittels Division durch Φ und Multiplikation mit r sin2 θ folgt
1 d2 U
1
d
dP
1 d2 Q
2
2
r sin θ
+
sin
θ
+
=0,
U dr2
P r2 sin θ dθ
dθ
Q dϕ2
(11b)
also ist die ϕ-Abhängigkeit isoliert und der letzte Term kann gleich einer beliebigen Konstante gesetzt werden:
1 d2 Q
= −m2
Q dϕ2
→
Q = e±imϕ .
(11c)
Jetzt werden P und U analog separiert und für den U -Term die Konstante l(l +1) gewählt, dann folgt für U eine
Lösung der Form U = Arl+1 +Br−1 , die Gleichung für P geht genau in (8b) über. Also ist P (θ) = clm Plm (cos θ),
mit clm = const. Die Eigenfunktionen des Operators ∆θ,ϕ , die sich aus obiger Lösung ergeben
∆θ,ϕ Ylm (θ, ϕ) = −l(l + 1)Ylm (θ, ϕ) ,
(12)
heißen Kugelflächenfunktionen und sind definiert als
s
2l + 1 (l − m)! m
Ylm (θ, ϕ) =
P (cos θ)eimϕ .
4π (l + m)! l
(13)
Sie bilden ein vollständiges Orthonormalsystem auf der Einheitskugel:
Z 2π
Z 1
dϕ
d cos θ Yl∗0 m0 (θ, ϕ)Ylm (θ, ϕ) = δll0 δmm0
Orthonormalität ,
0
∞ X
l
X
(14a)
−1
0
0
0
0
∗
Ylm
(θ , ϕ )Ylm (θ, ϕ) = δ(ϕ − ϕ )δ(θ − θ )
Vollständigkeit
.
(14b)
l=0 m=−l
1 Wie aus (8c) ersichtlich, liefert die Formel nur Polynome für geradzahlige m, dennoch werden auch die zugeordneten Legendrefunktionen erster Art mit ungeradzahligem m als Polynome bezeichnet
3
l = 1, m = 0
l = 2, m = 0
l = 2, m = 1
l = 4, m = 2
Abbildung 2: Kugelflächenfunktion (oben) und zugehöriger Azimutalanteil (unten) für verschiedene Parameter l, m
In Abbildung 2 sind einige Beispiele der Kugelflächenfunktionen visualisiert, oben mit einem ParametricPlot3D
und unten mit einem ParametricPlot. Die wesentlichen Bestandteile der beiden Plots sind gleich,
ParametricPlot3D[ {Cos[p] Sin[t], Sin[p] Sin[t], Cos[t]}
Abs[ Sqrt[(2 l + 1)/(4 Pi)] Sqrt[(l - m)!/(l + m)!] LegendreP[l, m, Cos[t]]],
{p, -Pi, Pi}, {t, 0, Pi} ] ,
der 2D-Plot hat lediglich {Sin[t], Cos[t]} als Koordinaten und keine p-Abhängigkeit.
Fazit
Wie oben gezeigt, lässt sich die Laplacegleichung in Kugelkoordinaten für Funktionen der Form Φ(r, θ, ϕ)
mit Hilfe des Separationsansatzes sehr elegant lösen, wenn man den Laplaceoperator in Kugelkoordinaten
anwendet und das Ergebnis auf die Form der Legendre’schen Differentialgleichung bringt. Mathematica bietet
die Möglichkeit, ohne händischen Rechenaufwand Orthogonalitätsrelationen zu verifizieren, anschaulich die
Zusammenhänge zwischen Kugelflächenfunktionen und zugeordneten Legendrepolynomen zu zeigen oder mit
den geeigneten Befehlen die Laplacegleichung mittels Separation Schritt für Schritt zu lösen.
Literatur/Quellen
[1] Milton Abramowitz and Irene A. Stegun. Handbook of Mathematical Functions with Formulas, Graphs, and Mathematical Tables. Dover, New York, ninth dover printing, tenth gpo printing edition, 1964.
[2] George B. Arfken and Hans J. Weber. Mathematical Methods for Physicists. Harcourt/Academic Press, San Diego,
5. edition, 2001.
[3] Günter Bärwolff. Höhere Mathematik für Naturwissenschaftler und Ingenieure. Spektrum Akademischer Verlag,
Heidelberg, 2. edition, 2006.
[4] John D. Jackson. Classical Electrodynamics. John Wiley and Sons Inc., New York, 3. edition, 1998.
[5] Wolfgang Nolting. Grundkurs theoretische Physik 3: Elektrodynamik. Springer, Heidelberg, 7. edition, 2004.
[6] Robert L. Zimmerman and Fredrick I. Olness. Mathematica for Physics. Addison-Wesley, San Francisco, 2002.
[7] Florian Scheck. Theoretische Physik 2: Nichtrelativistische Quantentheorie. Springer, Heidelberg, 2. edition, 2006.
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