Ideale Strömungen

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∆ρ
6 Ideale Strömungen
ρ
≈ Ma 2 ≈ 10 − 3 << 1
Als „Ideale Strömungen“ bezeichnet man Strömungen von inkompressiblen, reibungslosen (Re → ∞) Flüssigkeiten.
(Es gibt allerdings auch kompressible Strömungen mit Ma2 <<1, z.B. bei
Erwärmung der Flüssigkeit).
6.1 Inkompressibilität
6.2 Potentialströmungen
Wann darf man eine Strömung als inkompressibel bezeichnen?
Für eine inkompressible Flüssigkeit gilt
∇⋅v = 0
Wie gross sind die relativen Dichteänderungen im Vergleich zu den
Geschwindigkeits und Druckänderungen?
Ist die Strömung ausserdem auch rotationsfrei,
∇×v = 0
Wir betrachten die Euler-Gleichung (2.1) in der einfachsten Form:
∂v
1
+ ( v ⋅ ∇) v = − ∇p
∂t
ρ
(6.1)
In einer Strömung ändere sich die Geschwindigkeit (über eine gewisse
Distanz D) um ∆v ≅ v und der Druck entsprechend um ∆p.
D
=
1 ∆p
so kann man ein Geschwindigkeitspotential φ definieren, mit
v = ∇φ
∆φ = 0
(6.2)
ρ D
(6.8)
(6.9)
und für dieses gilt (wegen 5.7) die Laplacegleichung
Dann gilt (betragsmässig):
(∆v )2
(6.7)
Beispiele:
φ = Ux
v = (U , 0, 0)
Für eine adiabatische Strömung gilt
∂p
= a2
∂ρ s
(6.3)
∆p ≈ a 2 ∆ρ
(6.4)
(6.10)
(6.11)
a) Parallele Strömung:
mit der Schallgeschwindigkeit a, also
(∆v )2 ≈ a 2 ∆ρ
(6.5)
ρ
∆ρ
ρ
≈
(∆v )2
a2
≈
v2
a2
≈ Ma 2
(6.6)
in Polarkoordinaten:
Eine adiabatische Strömung ist inkompressibel, wenn Ma2 <<1.
φ = Ur cos θ
(6.12)
Für Luft:
v ≈ 10 m/s
(starker Wind)
a ≈ 330 m/s
31
32
b) Linienquelle/senke
6.3 Die Stromfunktion
φ = m ln r
(6.12)
m
v r = , vθ = 0, v z = 0
r
(6.13)
(r in einer geeigneten dimensionslosen Einheit, Zylinderkoordinaten).
Im Ursprung ist die Strömung singulär, dort ist ∇⋅v ≠ 0.
Ein divergenzfreies Feld lässt sich definieren als Rotation eines Vektorpotentials. Dies ist für eine Strömung dann nützlich, wenn sie dank geeigneter Symmetrien nur von 2 Koordinaten abhängig ist: das Vektorpotential hat dann nur eine von Null verschiedene Komponente. Diese bezeichnet man als Stromfunktion ψ.
In rechtwinkligen Koordinaten ist dann:
u=
∂ψ
∂ψ
, v =−
∂y
∂x
(6.15)
Jede so definierte Strömung erfüllt automatisch die Kontinuitätsgleichung
(∇⋅v = 0). Ist die Strömung ausserdem rotationsfrei, so ist
(∇ × v )z = ∂v − ∂u = − ∂ ψ2
2
∂x
∂y
∂x
−
∂ 2ψ
∂y 2
=0
(6.16)
Die Stromfunktion erfüllt also ebenfalls die Laplacegleichung.
Für Linien mit ψ = const. gilt
c) Linienwirbel:
dψ =
φ = Kθ
vθ =
K
r
(6.14)
∂ψ
∂ψ
dx +
dy = 0
∂x
∂y
(6.17)
− v dx + u dy = 0
(6.18)
dy v
=
dx u
(6.19)
Dies ist die Gleichung für die Tangente an eine Stromlinie: Linien mit
konstantem ψ sind Stromlinien.
Andererseitsbeschreibt φ = const. Linien, die senkrecht auf den Stromlinien stehen. Die Linien für φ = const. und ψ = const. sind orthogonal zueinander, φ und ψ sind orthogonale Lösungen der Laplacegleichung.
Durch Integration (bzw. ganz einfache geometrische Überlegungen) bestimmt man leicht die Stromfunktionen für die Beispiele aus dem vorherigen Abschnitt:
a) parallele Strömung:
φ = Ux , ψ = Uy
(Zylinderkoordinaten).
(6.20)
b) Linienquelle oder-senke:
Auch für den Wirbel ist der Ursprung singulär, dort ist ∇ × v ≠ 0.
φ = m ln r
33
, ψ = mθ
(6.21)
34
c) Linienwirbel
φ = Kθ
, ψ = K ln r
(6.22)
Damit lässt sich das Vorgehen umdrehen: Anstatt Lösungen für gegebene Strömungsprobleme mit vorgegebenen Randbedingungen zu suchen,
wählen wir beliebige komplexe Funktionen, bestimmen Geschwindigkeitspotential und Stromfunktion und suchen die dazu passenden Probleme. Jede Stromlinie kann in einer solchen Lösung kann auch als eine
mögliche Grenzfläche betrachtet werden.
Wir wählen also ein komplexes Geschwindigkeitspotential f(z) = φ + iψ
und definieren die komplexe Geschwindigkeit
w ( z) ≡
df ∂φ
∂ψ ∂φ
∂φ
=
+i
=
−i
= u − iv
dz ∂x
∂x ∂x
∂y
(6.26)
Wenn f analytisch ist, beschreibt w eine ideale Strömung.
Beispiele:
a)
Aequipotentiallinien (gestrichelt) und Stromlinien (ψ=const, blau ausgezogen). für die drei
Beispiele. (Figur aus White).
Zweidimensionale Strömungen lassen sich durch Funktionen komplexer
Variablen besonders gut darstellen. Mit
z = x + iy = r e
(6.27)
φ = Ux , ψ = Uy
(6.28)
Dies gibt wieder die parallele Strömung.
6.4 Funktionen komplexer Veränderlicher
iθ
f (z) = U z
(6.23)
b)
f (z) =
m
ln z , (ln z ≡ ln r + iθ )
2π
ergibt die Quelle/Senke, und
lassen sich Strömungen in der zweidimensionalen Ebene sowohl in kartesischen wie auch in Polarkoordinaten gut beschreiben.
c)
Aus der Funktionentheorie weiss man, dass für jede analytische Funktion einer komplexen Variablen
f (z) = −
f ( z ) = f ( x + iy ) = φ ( z ) + iψ ( z )
(6.24)
(6.29)
iΓ
ln z
2π
(6.30)
ergibt den Linienwirbel (mit Zirkulation Γ ).
gilt, dass die beiden Funktionen φ und ψ orthogonale Lösungen der
Laplacegleichung sind.
( Eine analytische Funktion ist eine komplexe Funktion, welche differenzierbar ist. Die Ableitung muss unabhängig vom Grenzprozess sein, dadurch ergeben sich die Cauchy-Riemannschen Differentialgleichungen
∂φ ∂ψ
=
∂x ∂y
,
∂φ
∂ψ
=−
∂y
∂x
(6.25)
und daraus die Laplacegleichungen für φ und ψ).
35
36
c) Parallele Strömung plus Quelle
6.5 Einfache ebene Strömungen
f ( z ) = Uz +
a) Hyperbeln
f ( z) = z 2
, ϕ = x2 − y2
, ψ = 2xy
m
ln z
2π
(6.33)
(6.31)
Umströmung eines Felsens, „Komet (?)“
d) Parallele Strömung mit Quelle und Senke
Jede Stromlinie kann auch eine Grenzfläche eines Körpers sein. Je
nachdem haben wir
•
Strömung um einen Ecke
f ( z ) = Uz +
m
m
ln( z − z0 ) −
ln(z + z0 )
2π
2π
(6.34)
gibt die Umströmung eines Ellipsoids:
• Strömung gegen eine Wand
• kollidierende Ströme
b) Quelle oder Senke und Wirbel
 m iΓ 
f (z) = 
−
 ln z
 2π 2π 
(6.32)
„Badewannenwirbel“ oder „Wirbelsturm“
37
38
e) Dublett
Eine Quelle plus eine Senke im infinitesimalen Abstand ε auf der xAchse ergeben ein „Dublett“ (engl. doublet).
1
(6.35)
v bzw. p
m
 mε
m
f ( z ) = lim 
ln(z − ε ) −
ln( z + ε )  =
2π
ε → 0  2π
 πz
2
f) Strömung um den Zylinder
Eine parallele Strömung plus ein Dublett ergeben die Strömung um einen Zylinder:
0
-1
v/U
2
(p-p0)/(ρU /2)
-2
-3
-4
-3
-2
-1
0
1
2
3
4
x/r0
Geschwindigkeit und Druck für die zentrale Stromlinie. Die Geschwindigkeit wird Null für x = ± r0, sie wird maximal v = 2 U für x = 0. Der Druck
fällt ab bis zum Geschwindigkeitsmaximum, danach steigt er wieder an.


f (z) = U  z + 


z


r02

φ = Ur cos θ 1 +

r02 

r 2 
 r2 
 r2
v r = U cos θ 1 − 02  , v θ = −U sinθ 1 + 02 
 r 
 r 




(6.36)
Auf der Hinterseite des Körpers muss die Strömung in ein Gebiet höheren Drucks eindringen. eine solche Strömung ist nur für sehr kleine Re
stabil. Für reale Strömungen bildet sich hinter dem Körper ein Nachlauf
(siehe die Figur im Kap. 3.4).
(6.37)
(6.38)
Die Druckverteilung erhält man aus der Bernoulligleichung zu
p − p0
1
2
ρU 2
= 1−
v2
U2
(6.39)
39
Figuren aus Panton. Links : Re = 1.54, rechts : Re = 26
40
g) Strömung um den Zylinder mit Zirkulation
6.6 Konforme Abbildungen: die Joukowski-Transformation
Eine parallele Strömung plus ein Dublett plus ein Linienwirbel ergeben
die Strömung um einen Zylinder mit Zirkulation:
Konforme Abbildungen sind Abbildungen in der komplexen Ebene mittels
analytischer Funktionen.

r 2  iΓ  z 
f (z) = U  z + 0  −
ln 

z  2π  r0 

(6.40)
Gegeben sei eine konforme Abbildung
z = z(ζ ) ,
z = x + iy
, ζ = ξ + iη
(6.41)
Wenn nun f(ζ) eine analytische Funktion in der ζ-Ebene ist, so ist
f ( z(ζ )) ≡ f (ζ )
(6.42)
ebenfalls eine analytische Funktion (eine analytische Funktion einer analytischen Funktion ist wieder analytisch). Real und Imaginärteil der Funktion stellen auch in der z-Ebene Potential und Stromfunktion einer idealen Strömung dar. Die Abbildung bildet also Äquipotentialflächen auf
Äquipotentialflächen und Stromlinien auf Stromlinien ab.
Wir betrachten im folgenden die Joukowski-Transformation
z(ζ ) = ζ +
Für Γ ≠ 0 liegen die Stagnationspunkte nicht mehr auf der x-Achse.
c2
ζ
, c reell
(6.43)
Diese Transformation bildet einen Kreis um den Ursprung auf eine Ellipse ab:
Joukowski-Transformation (Figur aus Panton)
41
42
Besonders interessant ist die Joukowski-Transformation aber, weil sie
einen aus dem Nullpunkt verschobenen Kreis auf eine Tragflügelähnliche Form abbildet:
Mit Hilfe von konformen Abbildungen können geometrisch einfache
Strömungsmuster in eine Vielzahl von komplizierteren Geometrien transformiert werden, so existiert etwa eine Abbildung der oberen komplexen
Halbebene auf jedes konvexe Polygon (Bronstein et al., Taschenbuch
der Mathematik, Kap. 14.1.3)
6.7 Auftrieb und Widerstand
dF
dFA
dl
Joukowski-Transformation (Figur aus Panton)
Mit Hilfe der Joukowski-Transformation können wir also die Umströmung
eines Tragflügelprofils auf die Umströmung eines Zylinders zurückführen. Für die Umströmung eines Zylinders ist die Zirkulation Γ ein freier
Parameter. Damit die Umströmung des Tragflügels physikalisch sinnvoll
ist, muss die Kutta-Bedingung erfüllt sein: Die Stromlinien sollen die Flügelhinterkante glatt umströmen (andernfalls würde dort die Geschwindigkeit unendlich).
dFR
U
Ist die Druckverteilung um einen Körper bekannt, so lassen sich Auftrieb
und Widerstand berechnen. Die Druckkraft, welche auf ein Element der
Länge dl wirkt, lässt sich zerlegen in eine Komponente parallel zur Strömung (Widerstand) und eine Komponente senkrecht zur Strömung (Auftrieb). Durch Integration längs der Kontur des Körpers erhält man den
Gesamtauftrieb resp. –Widerstand.
Es gilt
dFR = − p dy
(6.44)
dFA = p dx
(6.45)
Wir bilden einen konjugiert komplexen Vektor
dF = dFR − i dFA = − p dy − i p dx = −i p dz
Die Kutta-Bedingung (Figur aus Panton)
(6.46)
Aus der Bernoulligleichung kennen wir die Druckverteilung:
Damit ist eine Bedingung für die Lage des hinteren Stagnationspunktes
in der Ebene des Zylinders festgelegt, und damit eine Bedingung für den
Wert der Zirkulation. Damit kennt man dann aber auch den Auftrieb (siehe nächster Abschnitt). Zu zeigen bleibt noch, dass die Strömung für
grosse Distanzen und die Zirkulation für beide Geometrien dieselbe ist.
43
ρ
p = p0 − 2 ww = p0 −
ρ
2
df df
dz dz
(6.47)
dF = −i p0dz + i
ρ
2
df
df (6.4
dz
44
Für die Gesamtkraft gilt (der skalare Druck gibt keinen Beitrag bei Integration über eine geschlossene Kontur):
F = FR − iFA = i
ρ
2
∫
df
c dz
df
(6.49)
Die Kontur des Körpers ist eine Stromlinie, längs der die Stromfunktion
konstant ist (dψ = 0), also
df = dφ + i dψ = dφ = df
(6.50)
Folglich ist der Integrand reell:
F =i
ρ
w
2 ∫c
2
dz
(6.51)
Komplexe Konturintegrale lassen sich mit Hilfe des Residuensatzes berechnen:
∫ g dz = 2π i ∑ Rk
Fa = − ρU Γ
Diese Formel ist die „Kutta-Joukowski-Formel“.
6.8 Zusammenfassung
• Für ideale Strömungen stehen sehr potente mathematische Werkzeuge zur Verfügung, insbesondere die Theorie der komplexen Potentiale und der konformen Abbildungen
• Komplexe Potentiale und Stromfunktionen lassen sich nur in zwei
Dimensionen verwenden
Diese Formel heisst Blasius-Theorem.
(6.52)
k
c
Der Realteil der Funktion ist Null: wie zu erwarten war, verschwindet der Strömungswiderstand einer reibungslosen Flüssigkeit. Der Auftrieb ist proportional zur Zirkulation:
Die Residuen bestimmt man aus der Reihenentwichlung der Kurve, R ist
gleich dem Koeffizienten des Terms mit 1/z; und summiert wird über alle
Pole der Funktion, die von der Kontur umschlossen werden.
• In einer idealen Strömung ist der Auftrieb proportional zur Zirkulation
• Für eine ideale Strömung lässt sich der Strömungswiderstand nicht
berechnen
• Die von der Natur realisierten Lösungen sind selten „ideale“ Strömungen, vielfach existieren keine stabilen stationären Lösungen
Für jedes beliebige Umströmungsproblem beginnt die Reihenentwicklung mit
f ( z ) = Uz +
1
(m − i Γ )ln z + O 1 
2π
z
(6.53)
Für einen geschlossenen Körper ist die Summe aller Quell- und
Senkterme innerhalb der Kontur Null, also m = 0,
w ( z) = U − i
Γ
 1
+ O 2 
2πz
z 
(6.54)
w2 = U2 − i
ΓU
 1
+ O 2 
πz
z 
(6.55)
Das Residuum von w2 ist folglich
R=−
i ΓU
π
(6.56)
F = iρU Γ
(6.57)
also
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