Störungen der Hypothalamus-HypophysenNebennierenrinden-Achse (HHNA) Biopsychologie Vertiefung SS 2007 körperlich psychisch Stressor "Stress" Person x Umwelt Biopsychologie Vertiefung SS 2007 Stressreaktion Stressfolgen GesundheitKrankheit Die akute Stressreaktion: 2 Hauptsysteme Gehirn Hypothalamus NA Locus Coeruleus Sympathisches Nervensystem Hypophyse Mark Cortisol Biopsychologie Vertiefung SS 2007 Nebenniere Adrenalin/NA Übersicht • Pathophysiologie der Nebennierenrinde – Überfunktion (Cushing Syndrom, Adrenogenitales Syndrom) – Unterfunktion (Morbus Addison) • Dysregulation des Stresssystems und die Entwicklung stressbezogener Erkrankungen • Hypercortisolismus – Depression – Metabolisches Syndrom • Hypocortisolismus – Schmerzempfindlichkeit (Fibromyalgie) – Müdigkeit (Chronic Fatigue Syndrom, Burnout) – Stressintoleranz (Posttraumatische Belastungsstörung) • News & Views Biopsychologie Vertiefung SS 2007 Pathophysiologie der Nebennierenrinde Biopsychologie Vertiefung SS 2007 Regulierung der Hypothalamus-HypophysenNebennierenrinden-Achse (HHNA) Hippocampus Hypothalamus CRH + Hypophyse ACTH + Nebennierenrinde Biopsychologie Vertiefung SS 2007 Cortisol + Rekurs: die Nebennierenrinde Biopsychologie Vertiefung SS 2007 Mineralkortikoide: Aldosteron • Biologische Wirkungen: – Regelt zusammen mit dem Renin-Angiotensin-System den Natrium- und Kalium-Haushalt und ist an der Steuerung des Flüssigkeits- und Elektrolythaushaltes beteiligt. – Seine Hauptwirkung besteht in einer verstärkten Resorption von Na+-Ionen im distalen Tubulus (Austausch von Ka+- und H+-Ionen gegen Na+-Ionen) und im Sammelrohr der Niere, womit osmotisch bedingt auch eine Wasserresorption verbunden ist. – Ähnliche Wirkung auf den Ionen- und Wassertransport im Kolon sowie den Ausführungsgängen der Speichel- und Schweißdrüsen • Stimulierung: – v.a. durch das Renin-Angiotensin-System – vermehrt bei Hypovolämie, Blutdruckabfall, renaler Mangeldurchblutung, Hyponatriämie und Hyperkaliämie Biopsychologie Vertiefung SS 2007 Wirkungen von Aldosteron Biopsychologie Vertiefung SS 2007 G. Thews, E. Mutschler & P. Vaupel: Anatomie Physiologie Pathophysiologie des Menschen, 5. Auflage (1999). Glucocorticoide: Cortisol • Metabolische Wirkungen: schnelle Bereitstellung von Energieträgern (v.a. Glucose) an Gehirn und Herz in Notfallsituationen – Förderung der Gluconeogenese aus Aminosäuren und der Glykogensynthese in der Leber à anabole Wirkung – Hemmung des Glukosetransports und –utilisation in Muskel- und Fettgewebe, Abbau der Proteine in Muskulatur, im lymphatischen Gewebe, in der Haut und im Knochen (Proteolyse) à katabole Wirkung – Mobilisierung von freien Fettsäuren aus dem Fettgewebe (Lipolyse) – Wirkt in die gleiche Richtung wie Glukagon und ist insoweit auch ein Gegenspieler des Insulins • Immunsuppressive Wirkungen: – Unspezifische Abwehr ↓ (Hemmung der Freisetzung proteolytischer Enzyme, Leukozytendiapedese...) – Spezifischen Abwehr ↓ (Hemmung der Zytokin-Bildung und der Freisetzung von Histaminen) – Unterdrückung der Fibroblastenbildung und Kollagensynthese (anti-proliferative Wirkung) • Organspezifische Wirkungen: – Gehirn: Steigerung der Erregbarkeit gegenüber sensorischen Reizen, euphorisierende oder depressionsauslösende Wirkung, Beeinträchtigung von deklarativen Gedächtnisfunktionen – Niere: Retention von Na+-Ionen und Wasser – Gefässe: verbesserte Ansprechen der Adrenorezeptoren der glatten Muskulatur auf Katecholamine (permissive Wirkung) – Magenschleimhaut: Hemmung der Schleimsekretion und der Prostaglandinbildung Biopsychologie Vertiefung SS 2007 Glucocorticoide: Cortisol • Stimulierung: – ACTH – Tagesrhythmus – Körperlicher Stress: Infektion, Verletzung, Kälte- / Hitzebelastung, Hypoxie, Narkose, Hypoglykämie, starke Schallreize, Schmerz u.a. – Psychischer Stress: mehrdeutig, neu, unvorhersehbar, unkontrollierbar, EgoInvolvement Biopsychologie Vertiefung SS 2007 G. Thews, E. Mutschler & P. Vaupel: Anatomie Physiologie Pathophysiologie des Menschen, 5. Auflage (1999). Androgene: DHEA (DeHydroEpiAndrosteron) • Biologische Wirkungen: Männliches Geschlechtshormon – Ist bei Männern unter physiologischen Bedingungen aber von untergeordneter Bedeutung à beim Mann werden 1/3 aller Androgene in der NNR gebildet, die übrigen 2/3 im Hoden – Bei Frauen steuert es Wachstum der Achsel- und Schambehaarung à bei der Frau stellt die NNR die wichtigste Androgenquelle dar • Stimulierung: – ACTH Biopsychologie Vertiefung SS 2007 NNR Überfunktion Cushing Syndrom: Krankheitsbild durch ein Überangebot an Glucocorticoiden (Hypercortisolismus). Folge einer erhöhten Cortisolproduktion oder pharmakologischen Cortisolbehandlung. • Zentrales C.-Syndrom (Morbus Cushing): vermehrte ACTHAusschüttung durch Adenome des Hypophysen-VL • Adrenal bedingtes C.-Syndrom: vermehrte Glucocorticoid-, gelegentlich auch Mineralcorticoid-Freisetzung aus NNR-Adenom bzw. –Karzinom • Paraneoplastisches C.-Syndrom: ektope ACTH-Freisetzung aus malignen Tumoren (z.B. Bronchialkarzinom, Pankreaskarzinom) • Episodisches hypothalamisch-hypophysäres C.-Syndrom • Transitorisches/Pseudo-C.-Syndrom (Cushingoid): nur vorübergehende Symptomatik des C.-Syndroms Biopsychologie Vertiefung SS 2007 Cushing Syndrom Klinisches Bild: • Fettsucht mit charakteristischer Fettverteilung (Mondgesicht, Stammfettsucht) • Erhöhter Blutzuckerspiegel (prädiabetogene Stoffwechsellage) • Zuckerausscheidung im Harn • Wasser- und Na+-Retention (Ödembildung) • Hypertonie • Starke Reduktion der Proteinsynthese • Osteoporose (als Folge des Proteinabbaus und Hemmung der intestinalen Ca2+-Resorption und der Osteoblasten) • Striae (Brüche des Coriums und der Subcutis) • Schlechte Wundheilung • Depression • Kognitive Störungen (v.a. Gedächtnis und Konzentration) Biopsychologie Vertiefung SS 2007 Cushing Syndrom F. Krück: Pathophysiologie, Pathobiochemie, 2. Aufl. (1994). Biopsychologie Vertiefung SS 2007 NNR Überfunktion Adrenogenitales Syndrom: Gekennzeichnet durch Störungen der normalen Steroidhormonsynthese in den NNR, das mit einer Überproduktion von Androgenen einhergeht. • Angeborenes AGS: Unzureichende oder fehlende Enzymsynthese (am häufigsten der 21-Hydroxylase), wodurch die Bildung von Cortisol als auch Aldosteron gestört ist. à mangelndes Cortisol-Feedback zu Hypothalamus/Hypophyse à ACTH ↑ à Androgene ↑ • Erworbenes AGS: Tumore der NNR (Adenome, Karzinome) verursachen erhöhte Bildung von Androgenen. Biopsychologie Vertiefung SS 2007 Adrenogenitales Syndrom Klinisches Bild: Mädchen/Frau: • Virilisierungserscheinungen (Vermännlichung der äußeren weiblichen Geschlechtsmerkmale, virile Behaarung, männlicher Körperbau, verstärkte Muskelentwicklung u.a.) • Amenorrhoe und gestörte Brustentwicklung aufgrund Hemmung der Gonadotropinsekretion Jungen: • Unzureichende Entwicklung der Keimdrüsen (Hypogonadismus) aufgrund Hemmung der Gonadotropinsekretion • Vorzeitige Ausbildung der sekundären Geschlechtsmerkmale (Pseudopubertas praecox) Biopsychologie Vertiefung SS 2007 Adrenogenitales Syndrom Adrenogenitales Syndrom (bei der Frau) Biopsychologie Vertiefung SS 2007 NNR Insuffizienz Morbus Addison: Gekennzeichnet durch ein Mangel an NNR Hormonen. • Primäre Form: Schädigung der NNR durch Autoimmunreaktionen, Infektionen, Infarkte, Blutungen der NNR, Karzinommetastasen u.a. • Sekundäre Form: Ausfall der hypophysären ACTHAusschüttung infolge Zerstörung der ACTHproduzierenden Zellen • Tertiäre Form: Störung im Bereich der hypothalamischen Regulationszentren • Addison-Krise: Auftreten einer zusätzlichen schweren Belastung (meist durch bakterielle oder virale Infekte bedingt) bei einem Patienten mit Morbus Addison, bei denen der Körper vermehrt Cortisol benötigt Biopsychologie Vertiefung SS 2007 Morbus Addison Klinisches Bild: Aldosteronmangel: • Störung der Elektrolythaushaltes (Hyponatriämie, Hypochlorämie, Hyperkaliämie) • Störung des Wasserhaushaltes à hypoosmolare Dehydration, Muskelschwäche, Herzrhythmusstörungen, nicht-respiratorische Azidose Cortisolmangel (Hypocortisolismus): • Anhaltende Erniedrigung des Blut-Glucosespiegels: Angst, cerebrale Störungen, Übelkeit, Schweissausbrüche, Herzklopfen • Störungen des Eiweiß- und Fettstoffwechsels: Gewichtsabnahme, Muskelschwäche • Verstärkte Ausschüttung von POMC (Proopiomelanokortin) à ACTH ↑ und MSH (Melanotropin) ↑ à bronzeartige/graubraune Verfärbung der Haut (Bronzekrankheit) Biopsychologie Vertiefung SS 2007 Übersicht NNR Störungen Biopsychologie Vertiefung SS 2007 G. Thews, E. Mutschler & P. Vaupel: Anatomie Physiologie Pathophysiologie des Menschen, 5. Auflage (1999). Übersicht NNR Insuffizienz Biopsychologie Vertiefung SS 2007 G. Thews, E. Mutschler & P. Vaupel: Anatomie Physiologie Pathophysiologie des Menschen, 5. Auflage (1999). Übersicht NNR Überproduktion Biopsychologie Vertiefung SS 2007 G. Thews, E. Mutschler & P. Vaupel: Anatomie Physiologie Pathophysiologie des Menschen, 5. Auflage (1999). Dysregulation des Stresssystems und die Entwicklung stressbezogener Erkrankungen Biopsychologie Vertiefung SS 2007 Stressbezogene Erkrankungen Fertilitätsstörungen Kardiovaskuläre Störungen Schlafstörungen Metabolisches Syndrom Depression Gastrointestinale Störungen Posttraumatische Belastungsstörung Immunologische Störungen Gereiztheit Rheumathoide Arthritis Konzentrationsschwierigkeiten Burnout Biopsychologie Vertiefung SS 2007 Atopische Dermatitis Chronic Fatigue Fibromyalgie Kosten stressbezogener Gesundheitsprobleme Mrd. Euro Schweiz Belgien Dänemark Deutschland Finnland UK Niederlande Italien Luxemburg Österreich Schweden Spanien Biopsychologie Vertiefung SS 2007 4.9 5.1 3.0 45 3.1 16.8 7.5 28 0.3 2.6 7.2 1.5 Staatssekretariat für Wirtschaft SECO, Schweiz BIP 2.3% 2.3% 2.7% 2.4% 3.8% 2.0% 2.5% 3.2% 2.5% 1.4% 4.0% 3.0% Europäische Agentur für Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz, Bilbao, 1998 (AS1197689DEC) WHO (Fact sheet EURO 03/03) • According to a recent calculation, stress-related conditions count for more than half of all disability in a northern European country. • Life expectancy has in one decade decreased by 10 years in some Member States, much due to stress and conditions related to mental ill health. • Mental health problems account for up to 30% of consultations with general practitioners in Europe. • Some 33.4 million people in the WHO European Region suffer from major depression in any given year. • One in four European adolescents shows one or more mental symptoms. Biopsychologie Vertiefung SS 2007 Stressreaktion – adaptiv vs maladaptiv • Der Körper ist bemüht, ein konstantes inneres Gleichgewicht aufrechtzuerhalten: Homöostase (komplexes dynamisches Equilibrium) • Die Aufrechterhaltung der Homöstase wird permanent durch Stressoren (intrinsische oder extrinsische, reale oder wahrgenommene negative Einflüsse) gestört. • Aktivierung stresssensitiver Systeme führt zu physiologischen Veränderungen und Verhaltensmodifikationen zur Bewältigung von Stressoren. Diese Veränderungen sind adaptiv, zeitlich begrenzt und erhöhen die Wahrscheinlichkeit des Überlebens für das Individuum. • Inadäquate, überhöhte, zu lang anhaltende und/oder gehäufte Stressreaktionen ("Allostatic Load") können negative Konsequenzen auf Verhalten und physiologische Funktionen ergeben, die letztlich in Krankheitsprozessen resultieren. Biopsychologie Vertiefung SS 2007 Stressreaktion – adaptiv vs maladaptiv • Während der Stressreaktion werden im Körper auch gegensteuernde Maßnahmen aktiviert, die einer Überreaktion der zentralen und peripheren Komponenten des Stresssystems entgegenwirken (negatives Feedback) • Diese gegensteuernden Maßnahmen sind für eine gelungene Anpassungsreaktion essentiell • Ist die Gegensteuerung überschießend oder nicht ausreichend, werden die adaptiven Veränderungen dauerhaft maladaptiv (überhöht oder unzureichend) Dysregulation des Stresssystems à krankheitsauslösende/ aufrechterhaltende Prozesse Biopsychologie Vertiefung SS 2007 Ebenen der HHNA Dysregulation Dysregulationen der HHNA können sich auf allen Regulationsebenen, sowohl zentral als auch peripher, ergeben. GR Hippocampus Hypothalamus Up- oder Down-Regulation GR - CRH CRHRezeptor Hypophyse GR - Dysregulation ACTH ACTHRezeptor Nebennierenrinde Cortisol Biopsychologie Vertiefung SS 2007 Verminderte / Erhöhte Synthese Dexamethason-Suppressions-Test GR Hippocampus 4. CRF ↑↑ Dexamethason 1. hemmt 1.a) hemmt wenig 1.b) hemmt viel Hypothalamus GR - CRH CRHRezeptor GR - a) Down-Regulation GR Hypophyse 2.a) ACTH ↓ b) Up-Regulation GR ACTH ACTHRezeptor 2. ACTH ↓↓ 2.b) ACTH ↓↓↓ Nebennierenrinde Biopsychologie Vertiefung SS 2007 3. Cortisol ↓↓ Cortisol 3.a) Cortisol ↓ Non-Suppression 3.b) Cortisol ↓↓↓ Super-Suppression Unterschiede in der Stressreaktivität → Individuelle Variabilität der Responsitivität aus Stressoren Aktivität des Stresssystems → Hohe versus niedrige Stresssensitivität hyper-reaktiv normal hypo-reaktiv Stärke des Stressors Disposition oder Folge? Biopsychologie Vertiefung SS 2007 Stressreaktivität und Vulnerabilität Pränatale Einflüsse Genetische Prädisposition Frühe aversive Erfahrung Charakteristische Veränderungen auf • Neuronaler • Neuroendokriner Genetische Polymorphismen spielen bei der beobachteten interindividuellen Variabilität stressreaktiver Systeme eine große Rolle • Verhaltensebene Stressreaktion Vulnerabilität/ Protektion Biopsychologie Vertiefung SS 2007 Niedriges Geburtsgewicht, frühe Missbrauchserfahrung, Vernachlässigung,… Abhängig von der genetischen Ausstattung einerseits und dem Auftreten von frühen Stresserfahrungen andererseits, können sich inadäquate Reaktionsmuster auf Stressoren entwickeln, die letztendlich zur Krankheitsentwicklung führen können Vulnerabilität Genetische Disposition Pränatale Faktoren Traumatische Lebensereignisse Stress Inadäqute Bewältigung Vulnerabler (krankheitsanfälliger) Phänotyp Die Vulnerabilität lässt sich auf drei Ebenen definieren: 1. (Traditioneller) Klinischer Phänotyp (emotionale Reaktivität / Persönlichkeit) Dysfunktionale Denkschemata, negatives Selbstbild, Labilität, Ängstlichkeit, Überbesorgnis... 2. Funktioneller Phänotyp (neuroendokrine Reaktivität auf Stimuli) Hypo-/Hyperreaktivität der HHNA 3. Genotyp (z.B. Polymorphismen in Genen: HHNA-Regulation, monoaminerge bzw. peptiderge Neurotransmission) GR, MR, 5-HT-Rezeptoren... Biopsychologie Vertiefung SS 2007 Störungen mit HHNA-Bezug (Auswahl) Erhöhte HHNA Aktivität: Hypercortisolismus Erniedrigte HHNA Aktivität: Hypocortisolismus • Depression • Atypische Depression • Angststörung • Reizdarm Syndrom • Anorexie • Chronic Fatigue Syndrome • Zwangsstörung • Burnout • Panikstörung • Fibromyalgie • Alkoholismus • Chronische Unterbauchschmerzen • Metabolisches Syndrom • ... • Posttraumatische Belastungsstörung • ... Biopsychologie Vertiefung SS 2007 Hypercortisolismus Biopsychologie Vertiefung SS 2007 Hypercortisolismus Der Begriff "Hypercortisolismus" hat sich in der tierexperimentellen und präklinischen Forschung als Arbeitsbegriff für Störungen etabliert, bei welchen man eine Überaktivität der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse (HHNA) annimmt. Bei keiner der hier genannten hypercortisolämen Störungen ist die Rolle der HHNA aber vollständig geklärt. Dennoch lassen die vorliegenden Befunde eine Konzeptualisierung zu, die klinisch hilfreich sein kann. • Der peripherer Hypercortisolismus ist durch erhöhte Cortisolspiegel gekennzeichnet und kann, muss aber nicht zwangsläufig, mit erhöhten CRHund/ oder ACTH-Werten korrelieren. • Der zentraler Hypercortisolismus bezeichnet den Zustand einer HHNAÜberaktivität bedingt durch à erhöhte CRH-Konzentrationen auf hypothalamischer Ebene à erhöhte ACTH-Konzentrationen auf hypophysärer Ebene. Da es in Reaktion auf die CRH-Hyperaktivität zu einer Rezeptor-Downregulation auf hypophysärer oder adrenaler Ebene kommen kann, müssen beim zentralen Hypercortisolismus nicht zwangsläufig erhöhte ACTH- und Cortisol-Werte vorliegen. Biopsychologie Vertiefung SS 2007 Hypercortisolismus Neben den Projektionen aus dem paraventrikulären Nucleus (PVN) zur Hypophyse gibt es eine Reihe weiterer wichtiger Projektionen in andere Hirnareale: • Amygdala: emotionale Bewertung von Stressoren, Konditionierung von Angst • Hippocampus (inhibitorischer Einfluss auf PVN/CRH System): Lernen, Gedächtnis • Nucleus Arcuatus: POMC • Mesocorticales und mesolimibisches dopaminerges System (präfrontaler Cortex, Nucleus accumbens): Motivation, Verstärkung, Belohnung Biopsychologie Vertiefung SS 2007 Hypercortisolismus - Depression Dysregulierung der generellen Stress Response: Stressreaktion Dysregualtion quantitative / qualitative Veränderungen Depression zeitlich begrenzt / adaptiv überdauernd / maladaptiv Erregung Dysphorische Übererregung Vigilanz Hypervigilanz / Insomnia Kognition, Erinnerung und Aufmerksamkeit fokussiert auf stressrelevante Reize Kognition, Erinnerung und Aufmerksamkeit fokussiert auf depressive Inhalte Assertiveness ("Absicherung") Überbesorgnis / Angst Nahrungsaufnahme ↓ (zeitlich begrenzt) Appetitlosigkeit (dauerhaft) Reproduktion ↓ (zeitlich begrenzt) Hypogonadismus / Libido ↓ (dauerhaft) Biopsychologie Vertiefung SS 2007 Hypercortisolismus - Depression Hinweise auf eine Dysregulation der HHNA: • • • • Non-Suppression im Dexamethason Suppressiontests à Down-Regulation der Glucocorticoid-Rezeptor (GR) Funktion als Folge chronisch erhöhter Cortisol Freisetzung Hippocampus Verminderte ACTH Antwort nach CRH-Stimulation à eingeschränkte CRH Rezeptor Funktion als Folge chronisch erhöhter CRH Freisetzung Hypothalamus Klinische Langzeitsstudien: Bei Patienten mit nachgewiesener Dex-Nonsuppression, löst sich die depressive Psychopathologie nach Erlangen einer angemessenen DexSuppression auf. Remittierte Patienten, bei denen HHNA Hyperaktivität zurückkehrt, haben höheres Risiko eines Rückfalls à Normalisierung der HHNA Aktivität scheint Voraussetzung für erfolgreiche Behandlung Gesunde Personen mit hohem familiären Risiko an Depression zu erkranken: Cortisolprofile, die zwischen Kontrollpersonen und depressiven Patienten liegen (Dex/ CRH-Test) Biopsychologie Vertiefung SS 2007 - GR GR CRH CRHRezeptor Hypophyse GR ACTH ACTHRezeptor Nebennierenrinde Cortisol - - Hypercortisolismus - Depression Neuroendokrine Auffälligkeiten: • Erhöhte CRH Spiegel im Liquor bei depressiven Patienten • Erhöhte CRH mRNA Expression (u.a. im PVN) • Verminderung zentraler CRH-Rezeptoren im frontalen Cortex • Erhöhte Cortisolspiegel • Vermindertes Hippocampus Volumen Befunde deuten insgesamt darauf hin, dass eine HHNA Dysregulation einen Risikofaktor für die Entwicklung von Depression darstellt Biopsychologie Vertiefung SS 2007 Hypercortisolismus-Metabolisches Syndrom Glucocorticoide spielen bei der Entwicklung von Fettleibigkeit und der Anhäufung weiterer Risikofaktoren – zusammengefasst als das Metabolische Syndrom – eine entscheidende Rolle. Somit lässt sich Fettleibigkeit bzw. das metabolische Syndrom als stressbezogene Erkrankung konzeptualisieren. Metabolisches Syndrom: • • • • Ansammlung viszeralen Fetts (abdominelles Übergewicht) Insulinresistenz à Diabetes II Dyslipidämie (erhöhte Plasmatriglyceride, "erhöhte Fettwerte") Bluthochdruck à Kardiovaskuläre Erkrankung Vermuteter Mechanismus: • • Eine chronische zellspezifische Erhöhung von Cortisol führt über Einflüsse auf den Lipidmetabolismus zu einer Anreicherung von zentralem Fettgewebe. Behandlungsstrategie: Hemmung von Glucocorticoid-Effekten im Fettgewebe (Hemmung von 11βHSD1) Biopsychologie Vertiefung SS 2007 Hypocortisolismus Biopsychologie Vertiefung SS 2007 Hypocortisolismus Man ging lange Zeit davon aus, dass stressbezogene Reaktionen des Organismus durch einen Hypercortisolismus gekennzeichnet sind. Seit Anfang der 90er Jahre liegen zunehmend Hinweise darauf vor, dass eine kleine Gruppe von Personen (20-25%) bei chronischem Stress oder traumatischen Lebensereignissen einen relativen Hypocortisolismus entwickeln. "Hypocortisolismus" bezeichnet den Zustand im Organismus, in welchem die Hormone Cortisol, ACTH oder CRH nur unzureichend verfügbar sind bzw. ihre Wirkung nicht ausreichend entfalten können. Wahrscheinlich zeigen auch Personen mit entsprechender Disposition bei physischem oder psychischem Stress (Trauma, Infektionserkrankung, etc.) zunächst eine Aktivierung der HHNA. à "Over-Adjustment" der HHNA: Nach Abklingen der Aktivierung sinken die Cortisolwerte dann dauerhaft ab à Erst dann scheinen auch die charakteristischen Symptome aufzutreten hyper Normalniveau Stress hypo Symptome Biopsychologie Vertiefung SS 2007 Hypocortisolismus Mögliche Ursachen der Glucocorticoidinsuffizienz: • • • • • Reduzierte Biosynthese oder Freisetzung von CRH, ACTH oder Cortisol Eine Hypersekretion eines der Hormone mit anschließender Down-Regulation der Zielrezeptoren Eine erhöhte Sensitivität des negativen Feedbacks Erniedrigte Verfügbarkeit von freiem Cortisol Cortisol Resistenz an den Zielzellen Ein Hypocortisolismus kann eintreten in Folge von: • • • • Chronischem psychischen Stress Intensivem physischem Stress (z.B. Infektionserkrankung) Psychischem Trauma (z.B. Missbrauch, Holocaustüberlebende, Vietnamveteranen) Physischem Trauma (z.B. Verkehrsunfall) à Da Cortisol zahlreiche Organfunktionen beeinflusst, kann schon ein geringer Mangel zu deutlichen Funktionsstörungen und Beschwerden führen. Biopsychologie Vertiefung SS 2007 Hypocortisolismus Symptomtriade: Schmerzempfindlichkeit (Fibromyalgie) 1 HypocortisolismusTriade Stressintoleranz 3 (PTSD) 2 Müdigkeit (CFS, Burnout) à Beträchtliche Überlappungen zwischen diesen Störungen lassen eine gemeinsame zugrundeliegende Pathologie vermuten. Biopsychologie Vertiefung SS 2007 Schmerzempfindlichkeit (v.a. Fibromyalgie) • Cortisol hemmt die Prostaglandinsynthese à Disinhibition der Prostaglandine • Prostaglandine sind bedeutsame Mediatoren der Schmerzwahrnehmung à Systemische Senkung der Schmerzschwelle, so dass Schmerzsymptome "wandern" • Bei chronischen Schmerzen kann der Hypocortisolismus auch entzündliche Vorgänge auch Rückenmarksebene fördern, welche dazu beitragen können, dass sich Schmerzen chronifizieren Biopsychologie Vertiefung SS 2007 Müdigkeit (v.a. Chronic Fatigue Syndrom, Burnout) • Cortisol übt einen hemmenden Einfluss auf das Immunsystem aus, um eine überschießende Immunantwort zu verhindern ("Wasserschaden durch die Feuerwehr vorbeugen") à Disinhibition der Immunfunktion, die eine Entwicklung von Autoimmunerkrankungen, chronisch entzündlichen Prozessen und Allergien nach sich ziehen kann • Durch die fehlende Hemmung von Zytokinen wie Interleukin 1 und 6, kann – wie bei Fieber – mittelbar das sog. "Sickness-Behavior" ausgelöst werden: – Abgeschlagenheit – Initiativlosigkeit – Müdigkeit Biopsychologie Vertiefung SS 2007 Stressintoleranz (v.a. PTSD) • Cortisol übt einen inhibitorischen Einfluss auf den Locus Coeruleus und die NA-Ausschüttung im ZNS aus à ist diese Hemmung eingeschränkt, fehlt dem Patienten eine wichtige "Stressbremse" • Möglicherweise Erklärung für Stressintoleranz, Reizbarkeit, Sensibilität auf sensorische Reize (Lärm, etc.) bei Patienten mit Hypocortisolismus à Es wird diskutiert, ob diese Mechanismen an Intrusionen beteiligt sind, wie sie bei PTSD beobachtet werden Biopsychologie Vertiefung SS 2007 Hypocortisolismus: protektive Effekte? Hinweise auf protektive Konsequenzen des Hypocortisolismus: • Schwangere mit hohem täglichen Stress Load zeigen niedrigere Cortisol Morgenspiegel als Schwangere mit normalem oder niedrigem Stress Load à möglicherweise Prävention von schädlichen stimulierenden Effekte des mütterlichen Cortisol auf das plazentäre CRH (Hauptrolle bei der Einleitung der Entbindung) • Mehrere Studien fanden eine höhere Prävalenz von Infektionskrankheiten bei Patienten mit FMS oder CFS à Möglicherweise Prädisposition zu einer reduzierten HHNA Reaktion ausgelöst durch eine anhaltende oder wiederholte Infektions-Exposition - um den hemmenden Einfluss auf die Immunreaktion (angesichts der anhaltenden Bedrohung durch Infektionen) zu unterbinden à Atypische Depression/chronische Müdigkeit Folgen einer Reorganisation des Organismus, um mit infektiösen Pathogenen fertig zu werden? Erniedrigung des Energiekonsums während Perioden von Krankheit/Verletzung, um nachfolgende Erholung zu unterstützen? • Ein "High Allostatic Load" resultiert, wenn die HHNA überarbeitet ist oder nach Abklingen des Stress Events nicht mehr abschalten kann oder nicht adäquat auf Stress reagiert, und in der Folge andere Systeme überreagieren. à Hypocortisolismus als Prävention vor einem erhöhten Mortalitätsrisiko durch den High Allostatic Load? Biopsychologie Vertiefung SS 2007 Fries et al. (2003) News & Views: Notfalltherapie: Albtraum Intensivstation (Gehirn&Geist 3/2007) Biopsychologie Vertiefung SS 2007 1. Nachtrag: Was hat das Sympathische Nervensystem mit den Hirnnerven zu tun? Biopsychologie Vertiefung SS 2007 Hirnnerven und Sympathisches NS • Einige Hirnnerven führen Nervenfasern des parasympathischen NS, dies sind folgende: - N. oculomotorius (III) - N. facialis (VII) - N. glossopharyngeus (IX) - N. vagus (X) • Das parasympathische NS entspringt aus dem Hirnstamm (s.o.) und dem Sakralmark (unterster Teil des Rückenmarks), = kraniosakrale Verteilung • Das sympathische NS hingegen involviert KEINE Hirnnerven, alle Nervenfasern entspringen dem Brust- und Lendenmark (Thorakal-/ Lumbalmark) und ziehen dann in die verschiedenen Körperregionen (= thorakolumbale Verteilung) • Bsp: Auge Dem oberen Thorakalmark entspringende sympathische Nerven ziehen zum Ganglion cervicale superius, werden dort "verschaltet", ziehen schließlich zu den Augenmuskel Im N. oculomotorius gelegene parasympathische Nervenfasern ziehen vom Hirnstamm zum Ganglion ciliare, wo sie "verschaltet" werden und ziehen dann zu den Augenmuskeln Quelle: Trepel, Neuroanatomie Biopsychologie Vertiefung SS 2007 Bsp.: Auge Biopsychologie Vertiefung SS 2007 2. Nachtrag: Werden Hormone immer ins Blut abgegeben? Biopsychologie Vertiefung SS 2007 Hormone immer ins Blut? • Hormone werden in sog. "endokrinen" Drüsen produziert exokrin = mit einem Ausführungsgang (Bsp: Milchdrüse, Speicheldrüse) endokrin = "ins Innere sezernierend" (Bsp. Nebennierenrinde) • Hormondrüsen geben das Hormon aus der Zelle hinaus in den Zellzwischenraum ab; von hier aus gelangt das Hormon i.d.R. über eine nahe gelegene Kapillare in das Blut • Ausnahme (für Fortgeschrittene!): 1. Das Hormon kann auch wieder zurück auf die produzierende Zelle (autokrine Wirkung) oder auf die daneben liegenden Zellen wirken (parakrine Wirkung) 2. Bestimmte Hormonklassen ("Gewebehormone", z.B. Prostaglandine) wirken insb. auf das umgebende Gewebe Biopsychologie Vertiefung SS 2007 Quelle: Birbaumer & Schmidt, S. 64/65