Friedrich U. Mathiak Baudynamik Einführung und Grundlagen Baudynamik Einführung und Grundlagen © Friedrich U. Mathiak Das Werk, einschließlich aller seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Autors unzulässig und strafbar. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. 1. Auflage Neubrandenburg 2002 Fachhochschule Neubrandenburg Prof. Dr.-Ing. Friedrich U. Mathiak Fachbereich: Bauingenieur- und Vermessungswesen Postanschrift: Fachhochschule Neubrandenburg Sekretariat BV Brodaer Straße 2 D-17009 Neubrandenburg Tel.: (0395) 5693-(0)-312 INHALTSVERZEICHNIS I INHALTSVERZEICHNIS LITERATURVERZEICHNIS 1 1.1 1.1.1 1.1.2 1.1.3 1.1.4 EINLEITUNG Lasten im Bauingenieurwesen Harmonische Lasten Periodische Lasten Transiente Lasten Impulsförmige Belastungen 1-1 1-2 1-3 1-3 1-3 1-3 2 2.1 2.2 2.3 2.4 2.5 2.5.1 2.5.2 2.5.3 2.5.4 2.6 2.6.1 2.6.2 2.6.3 2.6.4 2.6.5 2.6.6 2.7 2.8 2.8.1 2.8.2 2.8.3 2.8.4 2.8.5 2.8.6 2.9 DIE KINEMATIK DES PUNKTES Allgemeines Die Geschwindigkeit Die Bogenlänge Die Beschleunigung Geschwindigkeit und Beschleunigung eines Punktes in verschiedenen Koordinatensystemen Zeitabhängige Basissysteme Kartesische Koordinaten Zylinderkoordinaten Natürliche Koordinaten (Begleitendes Dreibein) Freiheitsgrade Definition Der frei im Raum bewegliche Punkt Der auf einer Fläche bewegliche Punkt Der auf einer Kurve bewegliche Punkt Der starre Körper Der deformierbare Körper Die Bewegung des starren Körpers Ebene Bewegungen Definition Kreisbewegung eines Punktes Rotation eines starren Körpers um eine feste Achse Translation eines starren Körpers Allgemeine ebene Bewegung eines starren Körpers Satz vom Momentanzentrum Die Kinematik der Relativbewegung eines Punktes 2-1 2-1 2-2 2-3 2-6 2-7 2-7 2-8 2-9 2-11 2-14 2-14 2-15 2-15 2-16 2-16 2-18 2-18 2-21 2-21 2-22 2-24 2-24 2-25 2-27 2-30 3 3.1 3.2 3.3 3.3.1 3.3.2 3.3.3 3.4 3.5 3.6 3.6.1 3.6.2 3.6.3 3.6.4 3.6.5 3.6.6 3.6.7 3.6.8 GRUNDLAGEN DER KINETIK Allgemeines Newtons Gesetze Massenmomente 2.ten Grades Transformation hinsichtlich paralleler Achsen (Satz von Steiner) Transformation hinsichtlich gedrehter Achsen Beispiele zur Berechnung von Massenträgheitsmomenten Der Impuls Der Drehimpuls oder Drall Der Arbeits- und Energiebegriff Allgemeines Die Arbeit einer Kraft Die Arbeit eines Kräftepaares mit dem Moment M Das Potential einer Kraft Das Potential einer Gewichtskraft Das Potential einer Federkraft Kinetische Energie Leistung 3-1 3-1 3-1 3-3 3-5 3-6 3-7 3-8 3-9 3-11 3-11 3-12 3-13 3-14 3-16 3-17 3-19 3-23 4 4.1 4.2 4.3 KINETIK DER STARREN KÖRPER Allgemeines Der Schwerpunktsatz Drallsatz 4-1 4-1 4-2 4-3 II INHALTSVERZEICHNIS 5 5.1 Der ARBEITSSATZ FÜR STARRE KÖRPER Energiesatz für Schwerekräfte 5-1 5-2 6 Die LAGRANGESCHEN BEWEGUNGSGLEICHUNGEN 6-2 7 7.1 7.2 7.2.1 7.2.2 7.3 7.4 7.5 7.6 SCHWINGUNGEN Definitionen Darstellung von Schwingungsvorgängen Das Ausschlag-Zeit-Diagramm Phasenkurven und Phasenporträt Einteilung der Schwingungen Harmonische Schwingungen Überlagerung harmonischer Schwingungen Modulierte Schwingungen 7-1 7-1 7-3 7-3 7-4 7-5 7-5 7-7 7-12 8 8.1 8.1.1 8.1.2 8.1.3 8.1.4 8.2 FREIE SCHWINGUNGEN MIT EINEM FREIHEITSGRAD Der ungedämpfte Einmassenschwinger Angenäherte Berücksichtigung der Federmasse Darstellung der Lösung in der Phasenebene Energiebeziehungen Kontinuierliche Systeme und ihre äquivalenten Einmassenschwinger Der gedämpfte Einmassenschwinger 8-1 8-1 8-4 8-6 8-9 8-14 8-15 9 9.1 9.1.1 9.2 ERZWUNGENE SCHWINGUNGEN MIT EINEM FREIHEITSGRAD Erzwungene ungedämpfte Schwingungen Die Vergrößerungsfunktion Erzwungene gedämpfte Schwingungen 9-1 9-1 9-6 9-12 10 10.1 10.2 10.3 10.4 10.5 10.6 SPEZIELLE SYSTEM-ERREGUNGEN Randerregung einer Masse über Feder und Dämpfer Randerregung einer Masse über den Fußpunkt von Feder und Dämpfer, Fußpunkterregung Felderregung von Feder und Dämpfer durch eine Unwucht Erregung durch eine Sprungfunktion Erregung durch eine Stoßfunktion Der ideale Rechteckstoß 10-1 10-1 10-6 10-10 10-13 10-18 10-22 11 ERREGUNG DURCH NICHTHARMONISCHE PERIODISCHE KRÄFTE 11-1 12 12.1 12.2 NICHTPERIODISCHE ERREGERKRÄFTE Darstellung des Stoßes durch die Diracsche δ- Funktion Allgemeine Erregerfunktionen 12-1 12-1 12-4 13 13.1 13.2 13.3 SCHWINGUNGSISOLIERUNG VON GEBÄUDEN UND MASCHINEN Aktive Entstörung Passive Entstörung Isolierung von Stößen 13-1 13-2 13-6 13-8 14 14.1 GEKOPPELTE SCHWINGUNGEN MIT SPEZIELL ZWEI FREIHEITSGRADEN Freie ungedämpfte Schwingungen 14-1 14-1 15 15.1 15.2 15.3 15.4 15.5 GEKOPPELTE SCHWINGUNGEN MIT N FREIHEITSGRADEN Allgemeines Freie ungedämpfte Schwingungen Entkopplung der Bewegungsgleichungen Das spezielle Eigenwertproblem Erzwungene ungedämpfte Schwingungen 15-1 15-1 15-1 15-7 15-9 15-16 16 16.1 16.2 16.3 DAS TRANSVERSAL SCHWINGENDE SEIL Die Bewegungsgleichung des Seils Die d'Alembertsche Lösung des transversal schwingenden Seils Die Produktlösung des transversal schwingenden Seils 16-1 16-1 16-3 16-11 INHALTSVERZEICHNIS III 17 17.1 17.2 LONGITUDINALSCHWINGUNGEN VON STÄBEN Die d'Alembertsche Lösung des longitudinal schwingenden Stabes Die Produktlösung der Bewegungsgleichung 17-1 17-4 17-6 18 18.1 DER TRANSVERSAL SCHWINGENDE BALKEN Die Produktlösung der Bewegungsgleichung 18-1 18-4 MATHEMATISCHER ANHANG A A.1 A.2 A.3 B B.1 B.2 C D E E.1 E.2 E.2.1 KOMPLEXE ZAHLEN Addition komplexer Zahlen Multiplikation komplexer Zahlen Division komplexer Zahlen RECHENREGELN FÜR MATRIZEN Die inverse Matrix Determinanten LINEARE GLEICHUNGSSYSTEME FOURIERREIHEN INTEGRALTRANSFORMATIONEN Die Fourier-Transformation Die Laplace-Transformation Laplace-Transformationen von Ableitungen INDEX DEUTSCH-ENGLISCH; ENGLISCH-DEUTSCH 2 3 3 4 9 15 19 23 30 33 34 36 40 8-1 8 Freie Schwingungen mit einem Freiheitsgrad 8.1 Der ungedämpfte Einmassenschwinger Wir betrachten das in Abb. 8-1 skizzierte schwingungsfähige System, das aus einer linearen Feder mit der Federsteifigkeit c und einer Masse m besteht, von der wir annehmen, daß sie reibungsfrei gelagert ist (µ = 0). Die Lagekoordinate xs beschreibt die horizontale Auslenkung des Schwerpunktes der Masse m. Für xs = 0 sei die Feder entspannt. Das System besitzt nur einen Freiheitsgrad, die Koordinate xs. Abb. 8-1 Der ungedämpfte Einmassenschwinger Um den Schwerpunktsatz anwenden zu können, muß die Masse m komplett freigeschnitten werden. Der Schwerpunktsatz in x- Richtung liefert: m&x& S = − F = −cx S m&x& S + cx S = 0 &x& S + und mit der Abkürzung c xS = 0 m 8-2 8 Freie Schwingungen mit einem Freiheitsgrad ω2 = c m Gl. 8-1 folgt &x& S + ω 2 x S = 0 Gl. 8-2 In Gl. 8-1 heißt ω Eigenkreisfrequenz des ungedämpften Systems. Gl. 8-2 entspricht einer linearen gewöhnlichen homogenen Differentialgleichung 2. Ordnung mit konstanten Koeffizienten. Für diesen Typ existiert in der Mathematik eine abgeschlossene Theorie. Im Zusammenhang mit linearen Differentialgleichungen gilt das Superpositionsprinzip, welches besagt, daß bei Kenntnis zweier linear unabhängiger Lösungen (xs,1 und xs,2) der Differentialgleichung auch jede Linearkombination x s = C1 x s ,1 + C 2 x s , 2 mit beliebigen Konstanten (hier C1, C2) Lösung von Gl. 8-2 ist. Wie durch Differentiation leicht nachgewiesen werden kann, ist x S ( t ) = C1 sin ωt + C 2 cos ωt = A cos(ωt − ϕ) Gl. 8-3 Lösung von Gl. 8-2. Einmalige Differentiation von Gl. 8-3 nach t liefert die Geschwindigkeit x& S ( t ) = C1 ω cos ωt − C 2 ω sin ωt = − Aω sin(ωt − ϕ) Gl. 8-4 Die beiden noch freien Konstanten C1, C2 (oder A, ϕ) werden aus den Anfangswerten des Systems bestimmt. Wir lösen also ein Anfangswertproblem (AWP). Es sei: x S ( t = 0) = x 0 → C2 = x 0 x& S ( t = 0) = v 0 → C1 = v0 ω Damit erhalten wir die vollständige Lösung unseres Problems: v0 sin ωt + x 0 cos ωt ω x& S ( t ) = v 0 cos ωt − x 0 ω sin ωt x S (t ) = Gl. 8-5 Die Auswertung der Bewegungsgleichung für die Auslenkung x s = A cos(ωt − ϕ) und die Geschwindigkeit x& s = − Aω sin(ωt − ϕ) mit A = 1.5cm , ω = 2s −1 und ϕ = π / 4 zeigt Abb. 8-2. 8-3 Abb. 8-2 Der ungedämpfte Einmassenschwinger Schwingungsdauer T: T= 2π m = 2π ω c Gl. 8-6 f= 1 1 c = T 2π m Gl. 8-7 Eigenfrequenz f: Amplitude A: 2 2 2 v 1 + 0 ωx 0 v C1 = 0 C2 x 0 ω → ϕ = arctan A = C + C = x0 2 1 Gl. 8-8 Nullphasenwinkel ϕ: tan ϕ = v0 x0ω Gl. 8-9 Die Schwingungsdauer T und die Frequenz f hängen nur von den Systemwerten, nicht aber von den Anfangsbedingungen ab. Aus diesem Grunde wird f auch Eigenfrequenz genannt. Steht die Masse m unter Eigengewicht, dann ist wie folgt zu verfahren. Wir betrachten dazu den Einmassenschwinger nach Abb. 8-3 mit einer masselosen Feder in vertikaler Lage. Die 8-4 8 Freie Schwingungen mit einem Freiheitsgrad Feder sei bei x = 0 entspannt. Die Endmasse m mit der Gewichtskraft G = mg führt bei quasistatischer Aufbringung der Last zu der ausgelenkten Gleichgewichtslage x st = G mg = c c Gl. 8-10 Abb. 8-3 Feder-Masse-System unter Eigengewicht Um den Schwerpunktsatz anwenden zu können, muß freigeschnitten werden. m&x& = − F + G = −cx + mg m&x& + cx = mg c &x& + x = g m und mit ω 2 = c erhalten wir zunächst m &x& + ω2 x = g Gl. 8-11 Diese inhomogene DGL versuchen wir durch die Koordinatentransformation x = x st + x̂ Gl. 8-12 in eine homogene DGL entsprechend Gl. 8-2 zu überführen. Unter Beachtung von x& = x̂& und &x& = &x̂& folgt aus Gl. 8-11 mit Gl. 8-12 8-5 &x̂& + ω 2 ( x + x̂ ) = g st → &x̂& + ω 2 x̂ = g − ω 2 x st = g − c mg m c und damit &x̂& + ω 2 x̂ = 0 Gl. 8-13 was Gl. 8-2 entspricht. Damit erhalten wir folgenden Satz: Bei Bezugnahme der Schwingung auf die statische Ruhelage entfällt der Einfluß des Eigengewichtes. Abb. 8-4 Harmonische Schwingung um die statische Ruhelage Mit x̂ ( t ) = C 1 sin ωt + C 2 cos ωt x̂& ( t ) = C ω cos ωt − C ω sin ωt 1 2 führt die Masse m Schwingungen um die statische Ruhelage xst aus. Die Konstanten errechnen sich wieder aus den Anfangsbedingungen. Von besonderem Interesse ist noch die Federkraft F( t ) = cx ( t ) = c[x st + x̂ ( t )] = c[x st + C1 sin ωt + C 2 cos ωt ] Gl. 8-14 Sie nimmt an den Umkehrpunkten von x̂ ( t ) extremale Werte an. Wird z.B. die Masse m bei entspannter Feder (x = 0) ohne Anfangsgeschwindigkeit (v0 = 0) losgelassen, so gelten die Anfangsbedingungen 8-6 8 Freie Schwingungen mit einem Freiheitsgrad x̂ (0) = − x st x̂& (0) = 0 → C 2 = − x st → C1 = 0 und damit nach Gl. 8-14 F( t ) = c[x st + x̂ ( t )] = c[x st − x st cos ωt ] = cx st [1 − cos ωt ] = G[1 − cos ωt ] Hinweis: Die Federkräfte schwanken also zwischen den Werten 0 ≤ F( t ) ≤ 2cx st = 2G . Sie wachsen damit im dynamischen Fall auf den doppelten Wert der statischen Belastung. An dieser Stelle zeigt sich besonders deutlich der Unterschied zwischen statischer und dynamischer Beanspruchung. Wir wollen noch eine für praktische Anwendungen wichtige Näherungsformel herleiten. Dazu wird Gl. 8-10 mit Gl. 8-1 umformt x st = mg g = 2 c ω und damit ω= g x st →f = ω 1 g = 2π 2π x st Abb. 8-5 Eigenfrequenz in Abhängigkeit von der statischen Auslenkung Gl. 8-15 8-7 Damit haben wir eine einfache Abschätzung für die erste Eigenfrequenz eines Einmassenschwingers bei Kenntnis der statischen Durchsenkung gewonnen, wenn die Schwingung in Kraftrichtung erfolgt. Aus Gl. 8-15 folgt weiter mit g = 981 cm s-2 und xst in [cm] f= 1 g ≈ 2π x st 5 x st [s-1] Gl. 8-16 Beispiel: 8-1 Für den beidseitig drehbar gelagerte Stahlträger IPE 360 mit der Einzelmasse m in Balkenmitte wird näherungsweise die 1. Eigenfrequenz gesucht. Geg.: E = 210000 N/mm2, Iyy = 16270 cm4, l = 5,0 m , m = 5000 kg Lösung: Die statische Auslenkung ist: x st = w (l 2) = Gl 3 5000 ⋅ 981 ⋅ 500 3 = = 0,37cm 48EI yy 48 ⋅ 2,10 ⋅ 10 9 ⋅ 16270 Aus Gl. 8-16 oder Abb. 8-5 folgt: f ≈ 5 0.37 = 8,18 s −1 Abb. 8-6 Träger auf zwei Stützen mit Einzelmasse m in Feldmitte 8.1.1 Energiebeziehungen Für die ungedämpften freien Schwingungen gilt der Satz von der Erhaltung der mechanischen Energie: E + U = konst, da während des Bewegungsvorganges dem System weder Energie zugeführt noch entzogen wird. Für das Feder-Masse-System gilt: E= Unter Beachtung von 1 m x& 2 2 U= 1 2 cx 2 Gl. 8-17 8-8 8 Freie Schwingungen mit einem Freiheitsgrad x ( t ) = A cos(ωt − ϕ) x& ( t ) = − Aω sin(ωt − ϕ) folgt dann 1 1 mA 2 ω 2 sin 2 (ωt − ϕ) = cA 2 sin 2 (ωt − ϕ) 2 2 1 U = cA 2 cos 2 (ωt − ϕ) 2 E= Gl. 8-18 und damit E+U= 1 2 cA = E 0 = konst. 2 Gl. 8-19 Die obige Gleichung läßt sich anschaulich darstellen (Abb. 8-7), wenn wir die potentielle Energie U als Funktion von x auftragen. Das ist eine quadratische Parabel mit dem Scheitelpunkt bei x = 0. Die Schnittpunkte der Parabel mit der Parallelen zur x-Achse im Abstand E0 liefern die Werte für die Amplitude A, die aus den Anfangsbedingungen zu ermitteln ist. Die Auslenkungen bewegen sich im Bereich − A ≤ x ≤ A . Aus dieser Darstellung lassen sich zu jedem x-Wert die Werte für die potentielle und die kinetische Energie ablesen. Abb. 8-7: Energiehaushalt eines Einmassenschwinger Übrigens hätten wir die Bewegungsgleichung des ungedämpften Einmassenschwingers auch mit Hilfe des Energieerhaltungssatzes in der differentiellen Form, also 8-9 & =0 E& + U direkt herleiten können. Dazu ist es nicht erforderlich, das System zu zerschneiden, wie dies bei der Anwendung des Schwerpunktsatzes unabdingbar ist. Unter Beachtung von Gl. 8-19 erhalten wir durch Differentiation nacht der Zeit t E& = m x& &x& & = cxx& U & = m x& &x& + cxx& = x& (m&x& + cx ) = 0 . Mit x& ( t ) ≠ 0 für alle t verbleibt die bereits und damit: E& + U bekannte Differentialgleichung des ungedämpften Einmassenschwingers: m&x& + cx = 0 8.1.2 Angenäherte Berücksichtigung der Federmasse Bei den bisherigen Berechnungen wurde die Federmasse mF gegenüber der Einzelmasse m vernachlässigt. Der Fehler ist dann gering, wenn mF << m ist. In den folgenden Untersuchungen soll näherungsweise der Einfluß der Federmasse auf die Eigenkreisfrequenz ermittelt werden. Abb. 8-8 Berücksichtigung der Federmasse bei der Berechnung der Eigenkreisfrequenz 8-10 8 Freie Schwingungen mit einem Freiheitsgrad Um hier eine Abschätzung im integralen Mittel vorzunehmen, bietet sich die Energiemethode an. Ausgangspunkt für unsere Untersuchungen ist der Energieerhaltungssatz in der Form & =0 E& + U Gl. 8-20 Die Koordinate x(t) bezeichnet die Auslenkung der Masse m aus der entspannten Federlage und da die Masse am Federende befestigt ist demnach auch die Auslenkung des Federendpunktes. Für die Auslenkung u(ξ,t) des Massenelementes dmF der Feder ist ein geeigneter Verschiebungsansatz zu wählen, der nicht nur von der betrachteten Stelle ξ, sondern auch noch von der Zeit t abhängt. Wird hierfür der Näherungsansatz in Produktform u (ξ, t ) = x ( t ) h (ξ) → u& ( t , ξ) = x& ( t ) h (ξ) Gl. 8-21 gemacht, dann kann über die Verteilungsfunktion h(ξ) noch verfügt werden. Die kinetische Energie des Systems setzt sich aus kinetischer Energie der Masse m und kinetischer Energie der Feder mit den Massenelementen dmF zusammen. 1 E = [mx& 2 + ∫ dm F u& 2 ] 2 (mF ) Gl. 8-22 Berücksichtigung von Gl. 8-21 liefert E= x& 2 [m + ∫ dm F h 2 (ξ)] 2 (mF ) Gl. 8-23 Das Potential U wird aus dem Potential der Federkraft und dem Potential der Gewichtskraft gebildet U = UF + UG = 1 2 cx − mgx 2 Aus dem Energieerhaltungsatz folgt dann & = x& &x& m + dm h 2 (ξ ) + cxx& − mgx& = 0 E& + U ∫ F (m F ) oder umgeordnet Gl. 8-24 8-11 x& [(m + ∫ dm F h 2 (ξ))&x& + cx − mg] = 0 (mF ) Da im allgemeinen für alle Zeiten t x& ≠ 0 gefordert werden muß, gilt m + dm F h 2 (ξ) &x& + cx − mg = 0 ∫ (mF ) Gl. 8-25 Das ist formal dieselbe Bewegungsgleichung wie Gl. 8-11, allerdings mit ω= c ; m + κ mF κ= 1 mF ∫ dm F h 2 (ξ) Gl. 8-26 (mF ) Um das Integral in Gl. 8-25 auswerten zu können, setzen wir h (ξ) = ξ lF → u (t , ξ ) = x ( t ) ξ lF (0 ≤ ξ ≤ lF) Gl. 8-27 Damit wird die Verteilung von u(t,ξ) linear veränderlich über die Federlänge l F angenommen (Abb. 8-8). Ist die Massenbelegung der Feder in Längsrichtung konstant, dann können wir näherungsweise m F dm F = lF dξ → dm F = mF dξ lF Gl. 8-28 setzten. Berücksichtigung von Gl. 8-28 und Gl. 8-27 liefert 2 ∫ dm F h (ξ) = (m F ) lF mF 1 2 mF ∫ξ=0 l F l 2F ξ dξ = l 3F lF 1 ∫ ξ dξ = 3 m 2 F Gl. 8-29 ξ= 0 und Gl. 8-25 geht schließlich über in &x& + so daß wir mit m c x+ g=0 1 1 m + mF m + mF 3 3 Gl. 8-30 8-12 8 Freie Schwingungen mit einem Freiheitsgrad ˆ = ω c <ω= 1 m + mF 3 c m Gl. 8-31 eine erste Abschätzung des Einflusses der Federmasse auf die Eigenkreisfrequenz des Einmassenschwingers vornehmen können. Soll also die Federmasse bei Longitudinalschwingungen näherungsweise berücksichtigt werden, dann ist zur Einzelmasse m ein Drittel der Federmasse mF zu addieren. Auch wenn m = 0 ist, können die obigen Beziehungen beibehalten werden, dann schwingt die massebehaftete Feder näherungsweise so, als ob ein Drittel der Federmasse am Ende befestigt wäre. 8.1.3 Darstellung der Lösung in der Phasenebene Die allgemeine Lösung dieses Systems für die Auslenkung x(t) ist nach Gl. 8-3 x ( t ) = As cos(ωt − ϕ); x& ( t ) = v( t ) = − Aω sin(ωt − ϕ) Abb. 8-9 Phasenkurve einer Sinusschwingung Durch Quadrieren und addieren erhalten wir daraus x2 v2 + =1 A 2 (Aω) 2 Gl. 8-32 In der Phasenebene stellt die Schwingung eine Ellipse mit den beiden Halbachsen A und Aω (Abb. 8-9) dar. Bei harmonischen Schwingungen ist die Phasenkurve geschlossen. 8-13 8.2 Federschaltungen elastischer Federn Abb. 8-10 Lineare Feder Unter linear elastischen Federn verstehen wir idealisierte mechanische Gebilde, bei denen eine angreifende Kraft F eine Auslenkung s hervorruft. In der Feder stellt sich eine Federkraft vom Betrag F ein, die der Verlängerung bzw. der Verkürzung proportional ist. Es gilt also: F = cs und wir nennen c= F s Gl. 8-33 die lineare Federkonstante, eine für jede Feder charakteristische Größe. [c] = Masse , ( Zeit ) 2 Einheit kgs −2 = N m Für die Schraubendruckfeder mit Kreisquerschnitt nach (Abb. 8-11) gilt ohne Nachweis für die vertikale bzw. horizontale Federkonstante cz = Gd 4 8 i D3 Gl. 8-34 8-14 8 Freie Schwingungen mit einem Freiheitsgrad Abb. 8-11 Schraubendruckfeder DIN 2089 d D z x L0 L cz cx ηc Fz Fx i G = Drahtdurchmesser = mittlerer Windungsdurchmesser = vertikaler Federweg der Last Fz = Federweg quer zur Federachse in Richtung Fx = freie Höhe der Feder = L0 - z Federhöhe unter der Last Fz = Fz/z vertikale Federkonstante = Fx/x horizontale Federkonstante = kx/kz Verhältnis der Federkonstanten = vertikale Last = horizontale Last = Anzahl der federnden Windungen = Schubmodul Sind mehrere Federn zusammengeschaltet, so ist es von Vorteil, diese Federn zu einer resultierenden Federsteifigkeit zusammenzufassen. Dabei wird zwischen Parallel- und Reihenschaltung unterschieden. 8-15 Abb. 8-12 Parallelschaltung gleichlanger Federn Eine Parallelschaltung von Federn liegt vor, wenn mehrere elastische Federn so zusammengeschaltet werden, daß alle Federn dieselbe Auslenkung s1 = s2 = ... = sn = s erfahren. Dann addieren sich ihre Federkräfte Fi = ci s zur Gesamtkraft n n n F = ∑ Fi = c1s + c 2 s +L+ c n s = ∑ c i s = ∑ c i s = c res s i =1 i =1 i =1 n c res = ∑ c i i =1 Gl. 8-35 Reihenschaltung oder Hintereinanderschaltung bedeutet, daß mehrere Federn so zusammengeschaltet werden, daß sich ihre Längenänderungen addieren. Die Gesamtauslenkung ist wegen der gleichen Längskraft in allen Federn Abb. 8-13 Reihenschaltung s= n F F F 1 F + +L+ = F∑ = c1 c 2 cn c res i =1 c i 8-16 8 Freie Schwingungen mit einem Freiheitsgrad n 1 1 =∑ c res i =1 c i Gl. 8-36 Übungsvorschlag 8-1 Für die skizzierten Systeme sind die resultierenden Federsteifigkeiten zu ermitteln 8.2.1 Kontinuierliche Systeme und ihre äquivalenten Einmassenschwinger Auch elastischen Stäben und Balken als kontinuierliche1 Systeme können Federsteifigkeiten zugeordnet werden. Ist die eigene Masse des Balkens gegenüber der abzutragenden Einzelmasse m (Abb. 8-14) vernachlässigbar klein, dann läßt sich ein solches Tragsystem näherungsweise durch einen Einmassenschwinger modellieren. Wir betrachten dazu den Balken in Abb. 8-14. Der Kragträger wird am rechten Rand durch eine Einzelmasse m mit der Gewichtskraft F = gm belastet. Zur Ermittlung der Ersatzsteifigkeit c* benötigen wir die Durchbiegung des Stabendes infolge F. Die Ersatzsteifigkeit ergibt sich dann zu c ∗ = F / f . Beim oben skizzierten Kragträger mit Endbelastung gilt: 1 Bei kontinuierlichen Systemen sind Masse, Steifigkeit und Dämpfung kontinuierlich verteilt. Beispiele sind Saiten, Stäbe, Balken, Platten, Scheiben und Schalen. 8-17 c∗ = F 3E I yy = . l3 f Abb. 8-14 Bildung eines Ersatzsystems beim Biegebalken Für den Dehnstab nach Abb. 8-15 gilt mit f = ∆l = c∗ = N l und der Normalkraft N = F EA F EA = f l Abb. 8-15 Ersatzsteifigkeit für den Dehnstab Übungsvorschlag 8-2: Ermitteln Sie für das skizzierten Systeme die Federsteifigkeit des äquivalenten Einmassenschwingers 8-18 8 Freie Schwingungen mit einem Freiheitsgrad 8.3 Der gedämpfte Einmassenschwinger Bei frei schwingenden Systemen beobachten wir, daß die Schwingungsamplituden mit der Zeit abnehmen. Auch bei erzwungenen Schwingungen ist äußere Arbeit zur Aufrechterhaltung einer konstanten Amplitude erforderlich. Ursache dieser Erscheinung ist die Dissipation mechanischer Arbeit durch Reibung der schwingenden Struktur im umgebenden Medium, durch Reibung in Verbindungen oder Kontaktflächen und durch den Werkstoff (z. B. Stahlbeton) selbst. Bei der Werkstoffdämpfung, wird unterschieden zwischen der Hysterese und der plastischen Verformung des Materials. Diese Form der Dämpfung wird auch als innere Dämpfung bezeichnet. Abb. 8-16 Einteilung der Dämpfung Bewegt sich ein Körper in einer Flüssigkeit oder in einem Gas, so ist die dämpfende Kraft bei hinreichend kleinen Geschwindigkeiten etwa der Geschwindigkeit proportional. An der freigeschnittenen Masse m (Abb. 8-17), die reibungsfrei gelagert sein soll (µ = 0), greift neben der Federkraft FF = cx noch die Dämpferkraft FD = r x& an. Die Proportionalitätskonstante r hängt von der Form des Körpers und der Viskosität des den Körper umgebenden Mediums ab. Als Symbol für die Dämpfung verwenden wir in Anlehnung an den Stoßdämpfer eines Autos 8-19 einen Dämpfertopf. Die Dämpfung hat die Eigenschaft, daß sie dem System während des Bewegungsvorganges ständig Energie entzieht. Abb. 8-17 Viskos gedämpfter Schwinger Nach dem Freischneiden der Masse m liefert der Schwerpunktsatz in x- Richtung: m&x& = −cx − r x& m&x& + r x& + cx = 0 r c &x& + x& + x = 0 m m { { =2δ = ω2 &x& + 2δx& + ω 2 x = 0 Gl. 8-37 &x& + 2Dωx& + ω 2 x = 0 Gl. 8-38 oder ω= c m Eigenkreisfrequenz des ungedämpften Systems δ= r 2m Abklingkonstante D= δ r r = = ω 2mω 2 c m Lehrsches Dämpfungsmaß Hinweis: In der Rheologie wird die Parallelschaltung von Feder und Dämpfer entsprechend Abb. 8-17 auch als Kelvin1- Modell bezeichnet. 1 Thomas, Sir (seit 1866) William Lord Kelvin of Largs, brit. Physiker, 1824-1907 8-20 8 Freie Schwingungen mit einem Freiheitsgrad Zur Ermittlung der Fundamentallösungen von Gl. 8-37 versuchen wir folgenden Ansatz x ( t ) =e αt Gl. 8-39 der zu folgenden Ableitungen führt x& ( t ) = αe αt = α x ( t ); &x&( t ) = α 2 e αt = α 2 x ( t ) Gl. 8-40 Einsetzen von Gl. 8-39 und Gl. 8-40 in Gl. 8-37 liefert (α 2 + 2Dωα + ω 2 )e αt = 0 . Da e αt keine Nullstelle besitzt, muß α 2 + 2δα + ω2 = 0 Gl. 8-41 erfüllt sein. Gl. 8-41 wird charakteristische Gleichung genannt. Sie hat die beiden Lösungen α1, 2 = −δ ± δ 2 − ω2 = −δ ± ω D 2 − 1 Gl. 8-42 Nach dem Superpositionsprinzip für lineare Differentialgleichungen ist dann x ( t ) = C 1 e α1t + C 2 e α 2 t ( α1 ≠ α 2 ) Gl. 8-43 die vollständige Lösung der Gl. 8-37. Die beiden noch freien Konstanten C1 und C2 werden aus den Anfangsbedingungen ermittelt. Für den Fall, daß die beiden Lösungen der charakteristischen Gleichung zusammenfallen, also δ = ω ist, reicht der Ansatz nach Gl. 8-39 nicht aus, da er nur eine Lösung (Doppelwurzel) liefert. Die vollständige Lösung des homogenen Systems muß aber zwei Fundamentallösungen mit zwei beliebigen Konstanten haben, um diese an die Anfangsbedingungen x(t = t0) und x& ( t = t 0 ) anpassen zu können. Wir bestätigen durch Einsetzen, daß für δ = ω auch x ( t ) = te − δt eine Fundamentallösung von Gl. 8-37 ist. Die vollständige Lösung lautet dann in diesem Fall x ( t ) = (C1 + C 2 t )e − δt Gl. 8-44 Je nachdem, ob die Wurzeln der charakteristischen Gleichung reell oder komplex sind, werden folgende Fälle unterschieden: 8-21 Fall a: Starke Dämpfung D >1 Für D > 1 sind beide Wurzeln α 1,2 in Gl. 8-41 reell und negativ. Die Exponenten in Gl. 8-43 sind also für positive t negativ. Damit nimmt die Auslenkung mit anwachsendem t ab. Für sehr große t geht x(t) → 0. In diesem Fall liegt keine Schwingung vor1, denn x(t) wird nach Gl. 8-43 höchstens einmal Null, und zwar für C 1 e α1t + C 2 e α 2 t = 0 → − C2 = e ( α1 − α 2 ) t = e 2 ω C1 D 2 −1 t Da die rechte Seite mit der Exponentialfunktion stetig wächst, muß >0 C2 < 0 gefordert werden. C1 Die Integrationskonstanten errechnen sich aus den Anfangsbedingungen für t = 0 x ( t = 0) = x 0 = C1 + C 2 x& ( t = 0) = v 0 = C1 α1 + C 2 α 2 also C1 = Der Ausdruck x 0α 2 − v0 v − x 0 α1 ; C2 = 0 α 2 − α1 α 2 − α1 →− C 2 x 0 α1 − v 0 = >0 C1 x 0 α 2 − v 0 v x 0 α1 − v 0 wird für 0 < α 2 positiv, so daß nur für große Beträge negativer x 0α 2 − v0 x0 Anfangsgeschwindigkeiten v0 ein Nulldurchgang von x(t) möglich ist (Abb. 8-18). Der Zeitpunkt des Nulldurchgangs ist t* = 1 x α − v0 1 ln 0 1 α1 − α 2 x 0 α 2 − v 0 Diese Bewegungen werden auch Kriechbewegungen genannt. 8-22 8 Freie Schwingungen mit einem Freiheitsgrad Abb. 8-18 Abklingverhalten bei starker Dämpfung Fall b: Grenzfall D = 1 Mit D = 1 gilt die Lösung Gl. 8-44. Die Bestimmung der Integrationskonstanten erfolgt wieder aus den Anfangsbedingungen x ( t = 0) = x 0 = C1 x& ( t = 0) = v 0 = C 2 − Dω C1 → C 2 = v 0 + Dω x 0 und damit die Lösung x ( t ) = [x 0 + ( v 0 + Dωx 0 )t ] e − Dωt Gl. 8-45 Auch hier geht x(t) für hinreichend große t gegen Null. Die Kurven x(t) haben einen ähnlichen Verlauf, wie die in Abb. 8-18. In der Schwingungslehre haben diese Lösungen keine Bedeutung. Fall c: Schwache Dämpfung D < 1 Für D < 1 hat die charakteristische Gleichung Gl. 8-41 zwei komplexe Wurzeln α 1, 2 = −δ ± iω 1 − D 2 = −δ± iωd Gl. 8-46 In Gl. 8-46 wurde die Eigenkreisfrequenz des gedämpften Schwingers ωd = ω 1 − D 2 > 0 Gl. 8-47 8-23 eingeführt. Im Vergleich zum ungedämpften System führt die Dämpfung u.a. dazu, daß die Eigenfrequenz abnimmt. Einsetzen von Gl. 8-46 in Gl. 8-43 liefert: x ( t ) = D1 exp(− δ + iω d ) t + D 2 exp(−δ − iωd ) t = D1 exp(− δt ) exp(iω d t ) + D 2 exp(−δt ) exp(−iω d t ) = e −δ t [D1 exp(iω d t ) + D 2 exp(−iω d t )] Unter Beachtung der Eulerschen Formel exp(iϕ) = cos ϕ + i sin ϕ folgt x ( t ) = e − δ t [D1 (cos ω d t + i sin ωd t ) + D 2 (cos ω d t − i sin ω d t )] = e −δ t [(D1 + D 2 ) cos ωd t + i(D1 − D 2 ) sin ω d t )] oder mit den neuen Konstanten1 (C1, C2 bzw. A, ϕ) C1 = D1 + D 2 = A cos ϕ C 2 = i(D1 − D 2 ) = A sin ϕ x ( t ) = e − δ t [C1 cos ωd t + C 2 sin ω d t )] Gl. 8-48 = Ae −δ t cos(ω d t − ϕ) Die beiden noch freien Konstanten C1 und C2 bestimmen wir aus den Anfangsbedingungen x ( t = 0) = x 0 = C1 x& ( t = 0) = v 0 = − δC1 + ω d C 2 C1 = x 0 C2 = 1 (v 0 + δx 0 ) ωd so daß wir als Bewegungsgesetz mit v + δx 0 A = C + C = x 0 1 + 0 ωd x 0 v + δx 0 v + δx 0 tan ϕ = 0 → ϕ = arctan 0 ωd x 0 ωd x 0 2 1 schließlich erhalten 2 2 2 Gl. 8-49 8-24 8 Freie Schwingungen mit einem Freiheitsgrad x ( t ) = e −δ t ( x 0 cos ωd t + v 0 + δx 0 sin ωd t ) ωd 2 = x0 v + δx 0 −δ t e cos(ωd t − ϕ) 1 + 0 ωd x 0 Gl. 8-50 Abb. 8-19 Viskos gedämpfte Schwingung Ein Vergleich dieser Lösung mit dem Bewegungsgesetz für die freie ungedämpfte Schwingung zeigt, daß wir Gl. 8-50 als Schwingung auffassen können, deren Amplitude mit dem Exponentialgesetz exp(−δt ) abnimmt. Die vorliegende Bewegung wird auch pseudoperiodisch2 genannt, da im Gegensatz zur periodischen Bewegung x ( t + T ) ≠ x ( t ) ist. Allerdings folgen zwei gleichsinnige Extremwerte nach der Schwingungsdauer (Abb. 8-19) Td = 2π ωd Gl. 8-51 Da die Kreisfrequenz ωd der gedämpften Schwingung kleiner ist als die Kreisfrequenz ω der ungedämpften Schwingung, ist die Schwingungsdauer Td größer als diejenige der ungedämpften Schwingung. Die Zeitpunkte, zu denen das Bewegungsgesetz x(t) Extremwerte annimmt, errechnen wir aus Gl. 8-48 1 2 Damit die Schwingung reell wird, müssen D1 und D2 konjugiert komplex gewählt werden. griech. ψευδος = Betrug, Lüge, Unwahrheit ,Täuschung. 8-25 d x ( t ) = x& = −Ae −δ t [δ cos(ωd t − ϕ) + ωd sin(ωd t − ϕ)] = 0 dt und damit: tan(ωd t − ϕ) = − t = tn = δ . Da der Tangens die Periode π hat, erhalten wir ωd 1 ωd δ ϕ − arctan + nπ ωd (n = 0,1,2,3L) Zwischen zwei aufeinanderfolgenden gleichsinnigen Maxima oder Minima vergeht die Zeit (Periode) t n+2 − t n = 1 ωd 1 δ ϕ − arctan + (n + 2)π − ωd ωd 2π δ ϕ − arctan = Td + nπ = ωd ωd Damit läßt sich das Dämpfungsverhältnis ϑ als Quotient der Beträge zweier aufeinander folgender Maxima oder Minima wie folgt angeben ϑ= cos(ωd t − ϕ) cos(ωd t − ϕ) x (t n ) e −δ t = −δ ( t +Td ) = e δTd = e δTd = konst. x(t n+2 ) e cos[ωd ( t + Td ) − ϕ] cos(ωd t − ϕ) Gl. 8-52 Der natürliche Logarithmus des Dämpfungsverhältnisses ϑ wird nach Gauß1 logarithmisches Dekrement2 genannt. Λ = ln ϑ = ln x ( t n ) 2πδ D rπ δ = = 2π = 2π = x ( t n + 2 ) ωd ω2 − δ 2 1 − D 2 m c m − (r 2m )2 Gl. 8-53 Hinweis: Die Größe Λ kann leicht aus experimentellen Befunden abgeleitet werden. Ist für zwei aufeinanderfolgende Maxima oder Minima das logarithmische Dekrement experimentell ermittelt worden, so läßt sich damit das Lehrsche Dämpfungsmaß D aus δ Λ ≡D= ω 4π 2 + Λ2 Gl. 8-54 berechnen. Wenn für verschiedene Zeiten t dasselbe Dekrement Λ gemessen wird, so ist das ein Zeichen dafür, daß die Dämpfung linear ist. 1 2 Carl Friedrich Gauß, Mathematiker, Astronom und Physiker, 1777-1855 lat. decresco = abnehmen, zurücknehmen, sich vermindern, schwinden. 8-26 8 Freie Schwingungen mit einem Freiheitsgrad Wir können aus Gl. 8-47 noch das Verhältnis der Eigenkreisfrequenzen von gedämpfter und ungedämpfter Schwingung bilden ωd = 1− D2 ω ω → d + D2 = 1 ω 2 Gl. 8-55 Tragen wir das Verhältnis ωd ω über dem Lehrschen Dämpfungsmaß D auf, so erhalten wir einen Viertelkreis mit dem Radius 1. Der Abb. 8-20 entnehmen wir, daß sich bei schwach gedämpften Systemen die Eigenfrequenz ωd von der Eigenfrequenz ω des ungedämpften Systems nur unerheblich unterscheidet. Bei Annäherung an den Grenzfall D = 1 nimmt dieses Verhältnis jedoch sehr stark ab. Abb. 8-20 Zusammenhang zwischen dem Frequenzverhältnis und dem Lehrschen Dämpfungsmaß Bei schwach gedämpften Systemen ist noch folgende Näherung von praktischem Interesse. Mit Gl. 8-53 folgt Λ = ln ϑ = D2 ≈ 2πD ≈ 2πD1 − 2 1 − D2 2πD Gl. 8-56 und damit ϑ= x (t n ) = exp(Λ ) ≈ 1 + Λ ≈ 1 + 2πD x(t n+2 ) Gl. 8-57 1 x (t n ) − x (t n +2 ) 2π x(t n +2 ) Gl. 8-58 bzw. D= 8-27 Baustoff D Λ Stahl Stahlbeton ungerissen gerissen Mauerwerk Holzkonstruktionen 0,003 ...0,016 0,02 ...0,10 0,006...0,032 0,01...0,05 0,020 0,024 0,04...0,20 0,06...0,3 0,12 0,15 Tabelle 8-1 Lehrsches Dämpfungsmaß und logarithmisches Dekrement für einige Baustoffe