2 Bewegungen in einer Dimension • Eigenschaften der Wellenfunktion d 2ψ ( x ) dx 2 = 2m {V ( x ) − E}ψ ( x ) =2 Für die Lösung ψ (x) einer linearen Differentialgleichung 2. Ordnung muß gelten: – ψ ist stetig. – ψ ' ist stetig, wenn das Potential V stetig ist oder sich höchstens um einen endlichen Betrag an endlich vielen Sprungstellen ändert. ψ ' ändert sich sprunghaft an Stellen, an denen V nicht wohldefiniert ist, etwa wenn sein Wert von 0 auf ∞ springt (z. B. beim Teilchen im Kasten mit "unendlich" hohen Wänden). Achtung: Potentiale mit Sprungstellen sind nur Modelle für abrupte Änderungen in der Natur. Wegen der Wahrscheinlichkeitsinterpretation muß gelten: – ψ ∗ψ ist wohldefiniert (eindeutig). Normalerweise impliziert das, daß auch ψ eindeutig ist. Doch gilt dies nur für den Betrag der Wellenfunktion; denn die Phase (bzw. das Vorzeichen) kann mehrdeutig sein, etwa bei Spinsystemen. © 2004, N. Rösch, Theoretische Chemie, TU München EQM 45 Krümmung der Wellenfunktion • Die zweite Ableitung bestimmt die Krümmung der Wellenfunktion: d2ψ > 0 ⇒ψ dx2 d 2ψ dx 2 = 2m =2 von oben konkav, d2ψ dx2 < 0 ⇒ψ von oben konvex (V − E )ψ ⇒ ψ ′′ (bzw. Krümmung) wächst mit ψ und V − E ⇐ Für E < V an einer Stelle x': Änderung der Krümmung von ψ mit abnehmendem Funktionswert ψ . x' ⇒ Krümmung der Wellenfunktion in Abhängigkeit vom Vorzeichen der Wellenfunktion sowie der relativen Lage von Energie und Potential © 2004, N. Rösch, Theoretische Chemie, TU München EQM 46 Qualitative Lösungen x < x1 ⇒V < E, x > x1 ⇒V > E Annahme ! A: x2 < x1 ψ A ( x2 ) > 0 ψ A′′ ( x2 ) < 0 ⇒ψ A ( x2 ) >ψ A ( x1 ) > 0 ⇒ x > x1 ψ A′′ ( x ) > 0 ,ψ A ( x ) > 0 ⇒ψ A ( x ) → ∞ für x → ∞ ψ A keine Wellenfunktion (Born) B: ψ B ( x2 ) =ψ A ( x2 ) > 0, ψ B′ ( x2 ) <ψ A′ ( x2 ) Annahme ! ⇒ψ A ( x′) >ψ B ( x′) > 0 x′ < x0 ψ B ( x0 ) = 0 ⇒ x > x0 ψ B′′ ( x ) < 0 x2 x1 x0 ⇒ψ B ( x ) → −∞ für x → ∞ ψ B keine Wellenfunktion (Born) geeignet wählen C: ψC ( x2 ) =ψ A ( x2 ) > 0, ψ B′ ( x2 ) <ψC′ ( x2 ) <ψ A′ ( x2 ) Klassisch: Ein Teilchen der Energie E, das von x2 nach rechts läuft, wird bei x1 vom Potential reflektiert (Umkehrpunkt). ⇒ψ A ( x′) > ψC ( x′) > ψ B ( x′) > 0 und ψC ( x ) → 0 für x → ∞ 9 ψC Wellenfunktion © 2004, N. Rösch, Theoretische Chemie, TU München EQM 47 Quantisierung der Energie • • • • • • Potentialtopf: V(x) < E für ein beschränktes Intervall ψC akzeptabel als Wellenfunktion für x → ∞, aber nicht bei Fortsetzung nach "links", x → – ∞, da nicht beschränkt. Nur für ausgewählte Energien, z. B. für E' , erfüllt die Lösung ψD der Diff.gleichung die Randbedingungen gemäß der Born-Interpretation auf beiden Seiten, x → – ∞ und x → ∞. Daher hat die Schrödingergleichung bei einem Potentialtopf nur für ausgewählte Energien Lösungen, die mit der Born-Interpretation verträglich sind. Anders ausgedrückt: Randbedingungen erzwingen die Quantisierung der Energie.¶ Quantenmechanik: Wellenfunktion im klassisch verbotenen Bereich, V(x) > E (also bei negativer kinetischer Energie) endlich, d.h. das Teilchen kann dort mit einer gewissen (wenn auch geringen) Wahrscheinlichkeit gefunden werden. ⇒ Tunneleffekt ¶ © 2004, N. Rösch, Theoretische Chemie, TU München MfC, S. 441 EQM 48 Gebundene Zustände, Streuzustände • Gebundene Zustände mit diskreten Energien nur dann, wenn das System klassisch auf einen endlichen Raumbereich beschränkt ist. – Im Beispiel: E < E' • Für E' < E < E'' kann das Teilchen nach rechts (x → ∞) entweichen. – Eine "Randbedingung" alleine (im Beispiel: links) erzwingt keine Energiequantisierung. – Jede Energie ist zugelassen: die möglichen Energien bilden ein Kontinuum. • • Für E > E'' kann das Teilchen nach beiden Seiten laufen, (x → ∞ und x → ∞) ⇒ Kontinuum Die Zustände für E > E' beschreiben ungebundene Bewegungen: es handelt sich um Streuzustände. © 2004, N. Rösch, Theoretische Chemie, TU München EQM 49 Freies Teilchen in einer Dimension • • Die potenielle Energie sei eine Konstante, die wir zu Null wählen. =2 d 2 H =− 2m d 2 x Die zeitunabhängige Schrödingergleichung Hψ = Eψ mit E > 0 lautet: − • d 2ψ = 2 d 2ψ oder = − k 2ψ E = ψ 2 2 2m d x d x mit k 2 = 1/ 2 ( 2mE ) 2mE bzw. k = = =2 Diese lineare Differentialgleichung zweiter Ordnung mit konstanten Koeffizienten hat folgende Lösungen:¶ ψ ( x ) = Aeikx + Be−ikx oder wegen# eikx = cos ( kx ) + isin ( kx ) : ψ ( x ) = C cos ( kx ) + D sin ( kx ) • Es gibt eine Lösung für jede Energie E > 0. Die Konstanten A, B bzw. C, D müssen durch geeignete Wahl der Randbedingungen festgelegt werden. • Achtung: Diese Lösungen sind nicht quadratintegrabel. – Bei der Interpretation sind spezielle Maßnahmen erforderlich. – Beschreibung eines lokalisierten Teilchens durch geeignete Linearkombinationen derartiger Lösungen (Wellenpakete → Seite 53, Fourier-Theorie) © 2004, N. Rösch, Theoretische Chemie, TU München ¶ # MfC, S. 427 S. 87 EQM 50 Energie und Impuls eines freies Teilchens 1 • Angenommen, B = 0 . Dann gilt: pˆψ = = dψ = = Aeikx ' = =kAeikx = =kψ i dx i ( ) Diese Wellenfunktion ist eine Eigenfunktion des Impulsoperators zum Eigenwert =k . • Analog folgt im Fall A = 0: = dψ = pˆψ = = Be −ikx ' = − =kBe −ikx = − =kψ i dx i ( ) ⇒ Eigenfunktion des Impulsoperators zum Eigenwert –=k . • Die beiden Wellenfunktionen beschreiben Zustände eines freien Teilchens, das mit einem Impuls vom Betrag p = =k nach rechts bzw. links läuft. • Die cos- bzw. sin-Formen der Wellenfunktion sind keine Eigenfunktionen des Impuls-operators. So gilt etwa im Fall D = 0 : pˆψ = = d C cos ( kx ) = i=kC sin ( kx ) i dx © 2004, N. Rösch, Theoretische Chemie, TU München EQM 51 Energie und Impuls eines freies Teilchens 2 • Mit Hilfe der Eulerschen Formel sehen wir, daß cos- und sin-artige Zustände Überlagerungen von zwei Impulseigenfunktionen mit gleichen Gewichten sind : 1 2 1 2 C cos ( kx ) = C exp ( ikx ) + C exp ( −ikx ) 1 2 1 2 i D exp ( ikx ) + iD exp ( −ikx ) D sin ( kx ) = − Bei einer Messung des Impulses wird man in der einen Hälfte der Fälle +=k messen, in der anderen den Wert –=k . Der Erwartungswert des Impulses einer cos- oder sin-Wellenfunktion ist daher null; diese Funktionen beschreiben "stehende Wellen". • Alle Eigenfuntionen eines freien Teilchens sind periodisch in der x-Koordinate mit der Wellenlänge λ = 2π / k . Mit dem Betrag des Impulses p = =k folgt die de-Broglie-Beziehung: 2π h p = =k = = = λ • λ Die Lösung der zeitabhängigen Schrödingergleichung eines freien Teilchens mit dem Impuls =k lautet: Ψk ( x, t ) = Aexp ( ikx ) exp ( −iEk t / =) = Aexp ( ikx − iEk t / =) © 2004, N. Rösch, Theoretische Chemie, TU München EQM 52 Wellenpakete • Wenn wir eine Linearkombination aus Eigenzuständen Ψ k ( x, t ) eines freien Teilchens mit unterschiedlicher Energie bilden, dann können wir lokalisierte Zustände beschreiben. Derartige Überlagerungen heißen Wellenpakete: Ψ ( x, t ) = ∫ g ( k ) Ψk ( x, t ) dk = ∫ g ( k ) exp ( ikx − iEk t / =) dk • Wegen der Heisenbergschen Unbestimmtheitsrelation zieht eine Lokalisierung des Teilchens eine "Unbestimmtheit" seines Impulses nach sich. • Weil die zeitabhängigen Faktoren die Phasenbeziehungen der einzelnen Wellen verändern, wandert der Ort des Maximums (positive Interferenz) mit der Zeit. Die Lokalisierung ändert sich in der Zeit. © 2004, N. Rösch, Theoretische Chemie, TU München EQM 53 Flußdichte • Als Maß für einen Strom von Teilchen definieren wir die Flußdichte. Für deren Komponente in x-Richtung gilt: = * ∂Ψ ∂Ψ* Jx = −Ψ Ψ 2mi ∂x ∂x • • Wir betrachten einen stationären Zustand Ψ (x,t)= ψ (x) exp(–iEt /= ) für eine Bewegung in einer Dimension: = * dψ dψ * − Jx = ψ ψ 2mi dx dx Für eine Impulseigenfunktionen ψ (x) = Aexp(ikx) gilt: = =k 2 Jx = A* exp ( −ikx ) ikA exp ( ikx ) − A exp ( ikx )( −ik ) A* exp ( −ikx ) = A 2mi m =k 2 B Analog folgt für ψ (x) = Bexp(–ikx): J x = − m { • • } Die Teilchengeschwindigkeit in diesen Zuständen ist vx = ±=k / m Die Flußdichte entspricht also der Größe Geschwindigkeit × Wahrscheinlichkeit(sdichte) © 2004, N. Rösch, Theoretische Chemie, TU München EQM 54 Tunneln in eine Potentialbarriere 1 • Halbunendliche Barriere der Höhe V > 0 für x > 0 : Hamiltonoperator bzw. die Schrödingergleichung in jeder der beiden Zonen : =2 d 2 Zone I ( x < 0 ) : H = − 2m dx 2 Zone II ( x > 0 ) : H = − =2 d 2 +V 2 m dx 2 = 2 d 2ψ − = Eψ 2m d 2 x − = 2 d 2ψ = ( E − V )ψ 2m d 2 x • In jeder Zone hat die Schrödingergleichung die Form wie bei der Bewegung eines freien Teilchens. In Zone II: E → E – V • Allgemeine Lösung: 1/ 2 Zone I : ψ = A exp ( ikx ) + B exp ( −ikx ) =k = ( 2mE ) 1/ 2 Zone II : ψ = A′ exp ( ik ′x ) + B′ exp ( −ik ′x ) =k ′ = {2m ( E − V )} © 2004, N. Rösch, Theoretische Chemie, TU München EQM 55 Tunneln in eine Potentialbarriere 2 • • Wir betrachten den Spezialfall 0 < E < V Klassisch: Ein von "links" kommendes Teilchen wird bei x = 0 an der Barriere reflektiert. 1/ 2 Zone II : ψ = A′ exp ( ik ′x ) + B′ exp ( −ik ′x ) =k ′ = {2m ( E − V )} 1/ 2 E − V < 0 ⇒ k ′ imaginär ⇒ k ′ = iκ mit =κ = {2m (V − E )} Zone II : ψ = A′ exp ( −κ x ) + B′ exp (κ x ) • • Randbedingung: ψ ( x ) → 0 für x → ∞ ⇒ B′ = 0 • Eindringtiefe λ = 1/κ entspricht Abfall der Amplitude um den Faktor 1/e ~ 0.37 ⇒ Zone II : ψ = A′ exp ( −κ x ) Quantenmechanik Teilchen kann in Zone II gefunden werden, es dringt in die Barriere ein. Beispiel: Elektron, V = 2 eV, E = 1 eV ⇒ λ ~ 200 pm ~ Bindungslänge, Atomdurchmesser Eindringeffekte sind wichtig an Oberflächen sowie grundsätzlich auf der atomaren Skala. © 2004, N. Rösch, Theoretische Chemie, TU München EQM 56 Potentialbarriere mit endlicher Breite 1 Zone I ( x < 0 ) : V ( x) = 0 Zone II ( 0 < x < L ) : V ( x ) = V0 0 Zone III ( x > L ) : • V ( x) = 0 Allgemeine Lösung der zeitunabhängigen Schrödingergleichung: Zone I : ψ = A exp ( ikx ) + B exp ( −ikx ) Zone II : ψ = A′ exp ( ik ′x ) + B′ exp ( −ik ′x ) Zone III: ψ = A′′ exp ( ikx ) + B′′ exp ( −ikx ) • Zone I: A Amplitude der von links einlaufende Teilchen (Impuls p = =k), zum Hindernis B Amplitude der nach links auslaufende Teilchen (p = –=k), weg vom Hindernis • Zone III: A" Amplitude der nach rechts auslaufende Teilchen (p = =k), weg vom Hindernis B" Amplitude der von rechts einlaufende Teilchen (p = –=k), zum Hindernis © 2004, N. Rösch, Theoretische Chemie, TU München EQM 57 Potentialbarriere mit endlicher Breite 2 • • • Wir betrachten den Fall 0 < E < V0 Klassisch: Ein in Zone I von links einlaufendes Teilchen wird an der Barriere reflektiert; es kann Zone III nicht erreichen. Bedingungen: Zone I : ψ = A exp ( ikx ) + B exp ( −ikx ) Zone II : ψ = A′ exp ( −κ x ) + B′ exp (κ x ) Zone III: ψ = A′′ exp ( ikx ) + B′′ exp ( −ikx ) A + B = A′ + B′ – Wellenfunktion stetig bei x = L: A′ exp ( −κ L) + B′ exp (κ L) = A′′ exp ( ikL) + B′′ exp ( −ikL) – Wellenfunktion stetig bei x = 0: ikA − ikB = −κ A′ + κ B′ – Ableitung stetig bei x = 0: – Ableitung stetig bei x = L: −κ A′ exp ( −κ L) + κ B′ exp (κ L) = ikA′′ exp ( ikL) − ikB′′ exp ( −ikL) – Annahme : Teilchen laufen "von links" ein, B′′ = 0 daher nur auslaufende Teilchen in Zone III: – 5 Gleichungen für 6 Unbekannte ⇒ Flußdichte relativ zur Flußdichte |A|2=k / m des "einlaufenden Strahls" • Reflektionswahrscheinlichkeit = rücklaufende Flußdichte/einlaufende Flußdichte { 2 }{ 2 } 2 R = B =k / m / A =k / m = B / A • 2 2 Transmissionswahrscheinlichkeit (Tunneln) : P = 1 − R = A′′ / A © 2004, N. Rösch, Theoretische Chemie, TU München 2 EQM 58 Potentialbarriere mit endlicher Breite 3 • Fall 0 < E < V0 0 1/ 2 =κ = {2mV0 (1 − E / V0 )} E {exp (κ L ) − exp ( −κ L )}2 P = 1 + 16 ( E / V0 )(1 − E / V0 ) • −1 0 Die Tunnelwahrscheinlichkeit P – wächst mit E / V0 – nimmt ab mit wachsender Breite L der Barriere 0 1/ 2 – nimmt ab mit wachsendem Wert von L ( 2 mV0 ) /= © 2004, N. Rösch, Theoretische Chemie, TU München EQM 59 Potentialbarriere mit endlicher Breite 4 • • Fall E > V0 Klassisch kann das Teilchen die Barriere überwinden: P=1 {exp (κ L ) − exp ( −κ L )}2 P = 1 + 16 ( E / V0 )(1 − E / V0 ) −1 1/ 2 =κ = {2mV0 (1 − E / V0 )} 1/ 2 =k ′ = {2mV0 ( E / V0 − 1)} κ → k′ /i = −ik′ sin 2 ( k ′L ) P = 1 + 4 ( E / V0 )( E / V0 − 1) −1 • Streuresonanzen Tunnelwahrscheinlichkeit maximal, P = 1, für sin(k'L) = 0 oder k' = nπ / L . • Nichtklassische Reflexion R > 0 , wenn P < 1 . © 2004, N. Rösch, Theoretische Chemie, TU München 0 0 EQM 60