Wortarten Wortarten Wortarten als grammatische Größen sind durch morphologische und syntaktische Eigenschaften bestimmt: Meine Damen und Herren, das Entscheidende ist, Hypothesen aufzustellen. Es gibt keine Tätigkeit, die edler, keine, die menschenwürdiger wäre. Zunächst, gleich unter welchen Umständen, pausenlos Hypothesen erarbeiten; diese dann mit Dokumenten, Indizien, Argumenten, Phänomenen, Epiphänomenen usw. absichern. Hypothesieren ist gesund und entspannt. Als Freizeitbeschäftigung wirkt es ausgesprochen euphorisierend; wie etwas das Ernennen von Generälen, das Stiften von Religionen oder eine Frühstück mit Blutsverwandten. […] Eine korrekt formulierte Hypothese erlaubt uns, einen einsamen Hasen zu fangen, der sich aus den Unterschlüpfen der Zukunft herausgewagt hat. Flexion: für die Wortart typische Flexionsparadigmen (z. B. starke / schwache Konjugation bei Verben) Wortbildung: Wortbildungsmuster sind gewöhnlich kennzeichnend für eine Wortart (z. B. be- als Verbalpräfix) Grammatische Kategorien: Jede Wortart ist durch eine Menge grammatischer Kategorien gekennzeichnet (z. B. Tempus, Modus, etc. für Verben) Syntax: Jede Wortart ist durch eine bestimmte syntaktische Distribution gekennzeichnet (z. B. Verben in der rechten Satzklammer im finiten Nebensatz) (aus: Giorgio Manganelli: Hyperhypothesis) Bestimmen Sie die Wortart der unterstrichenen Wörter! HS „Syntax und Lexikon“, FS 2008, Uni Mannheim, Stefan Engelberg & Svenja König, 2. Sitzung, Folie 1. HS „Syntax und Lexikon“, FS 2008, Uni Mannheim, Stefan Engelberg & Svenja König, 2. Sitzung, Folie 2. Wortarten Wortarten Werden solche Farbadjektive tatsächlich nie flektiert? Attributiv verwendete Adjektive werden in der Regel flektiert. Bei einigen Farbadjektiven entfällt die Flexion jedoch. a. a. Ein lila Auto ist sehr verdächtig. b. Am Nierentisch wurde alles im rosa Milchshake zu einem Zeitgefühl gemixt. c. An den runden Tischen neben dem Buffet sitzt derweil die siebzigjährige Dame mit den fön-getrockneten Wellen und frühstückt genüßlich im flotten lila Zweit-Badeanzug. lila und rosa 3907 bzw. 10600 Mal im Korpus, davon mehrheitlich in attributiver Verwendung. HS „Syntax und Lexikon“, FS 2008, Uni Mannheim, Stefan Engelberg & Svenja König, 2. Sitzung, Folie 3. Ein Smart fuhr hinter dem Festzelt auf der Rheinwiese vor, und Lieblichkeit erschien in lilanem Kleid und Diadem. b. Die frühen Farbfilme sind eine denkbar rosane Angelegenheit. c. Und hast du, fragt mich mein Weib, nicht auch gesehen lila Mäuse und rosa Elephanten, und ich hab gesagt, hab ich, nur die Mäuse sind wieder verschwunden, die lilanen, und auch die rosa Elephanten, aber die grünen Männerchen bleiben. Flektierte Formen dieser Adjektive treten im Korpus nur 16 bzw. 33 Mal auf. HS „Syntax und Lexikon“, FS 2008, Uni Mannheim, Stefan Engelberg & Svenja König, 2. Sitzung, Folie 4. 1 Wortarten Häufiger als die Verwendung der flektierten Form ist eine Erweiterung des Adjektivs durch Wortbildungsmittel. a. In anderen Ecken ist auch lilafarbener, hellblauer und roter Blumenschmuck erhältlich. b. Maria Lourdes, in Jeans und Bluse, dennoch damenhaft geschminkt, steht inmitten eines rosafarbenen Chaos. Wortarten a. Danach sollen die drei Kripobeamten während des Kuseler Hutmacherfestes mehrere Passanten zum Teil krankenhausreif geschlagen haben. b. Über Funk sei dem Piloten suggeriert worden, er fliege Maputo an, während er in Wirklichkeit bergiges Gelände im Grenzgebiet ansteuerte. c. Denn während er vollmundig davon spricht, Andalusien in das Kalifornien Europas zu verwandeln, werden die Arbeits-, und damit die Verdienstmöglichkeiten für die 280.000 Landarbeiter in Andalusien immer weniger. d. Praktisch nur noch während dem Essenfassen konnte Stefan andere Gefangene sehen. Wortformen zu lilafarben und rosafarben finden sich insgesamt 567 bzw. 1.713 Mal in den COSMAS-Korpora. Welcher Wortart ist während in den obigen Beispielen zuzuordnen? HS „Syntax und Lexikon“, FS 2008, Uni Mannheim, Stefan Engelberg & Svenja König, 2. Sitzung, Folie 5. Wortarten Und wie sieht es mit als und wie in den folgenden Beispielen aus? a. Meine Beschwerde, bescheidet er mir, als ich mit Nr. 79 an die Reihe komme, sei sowieso hier fehl am Platze. b. Der Effekt dieses "Schonprogramms" ist allerdings geringer als erwartet, die Versprödung schreitet weiter fort. c. Feministinnen diskutieren, wie sie sich zu den Forderungen der Sittlichkeitsapostel verhalten wollen d. Er jedenfalls glaube die "rührselige Geschichte" von Schiesser als dem Retter in der Not nicht. e. Wie wir da zunächst selbst bei unseren eigenen Genossen auf die Schnauze gefallen sind! f. Das Verfahren steht auf der Stelle wie ein "Segelschiff im Kreiselwind." HS „Syntax und Lexikon“, FS 2008, Uni Mannheim, Stefan Engelberg & Svenja König, 2. Sitzung, Folie 7. HS „Syntax und Lexikon“, FS 2008, Uni Mannheim, Stefan Engelberg & Svenja König, 2. Sitzung, Folie 6. Verbtypen (I) Hilfsverben (Auxiliare) (sein, haben, werden, …) zum Ausdruck grammatischer Kategorien (Tempus, Modus, Genus Verbi) zusammen mit einer infiniten Verbform a. sie hat gearbeitet b. er ist gekommen c. sie wird tanzen d. er würde gehen e. sie wird gelobt (II) Kopulaverben (sein, werden, bleiben, …) zum Ausdruck von Zuständen, Zustandsveränderungen zusammen mit NPs, APs, PPs a. sie ist / wird / bleibt krank b. sie ist / wird / bleibt Fallschirmspringerin c. sie ist / bleibt in Elberfeld HS „Syntax und Lexikon“, FS 2008, Uni Mannheim, Stefan Engelberg & Svenja König, 2. Sitzung, Folie 8. 2 Verbtypen (III) Modalverben (können, müssen, dürfen, sollen, wollen, …) sie regieren den reinen Infinitiv und drücken aus: (i) subjektbezogene, deontische Modalität (Verpflichtung, Erlaubnis, Fähigkeit, Möglichkeit) (ii) sprecherbezogene, epistemische Modalität (Wahrscheinlichkeitseinschätzung) (IV) Vollverben (essen, hoffen, kaufen, …) alle anderen Verben; sie können ohne ein anderes Verb ein Prädikat bilden; wenn sie einen Infinitiv regieren, dann den zuInfinitiv Verbtypen a. sie soll studieren b. er muss heute fahren c. sie darf heute fahren a. er muss wohl an der Uni sein b. sie könnte in der Mensa sein c. der kann sonstwo sein a. sie kauft ein Motorrad b. sie hofft, es billig zu bekommen HS „Syntax und Lexikon“, FS 2008, Uni Mannheim, Stefan Engelberg & Svenja König, 2. Sitzung, Folie 9. Die Menschlichkeit der Griechen hatte in ihrer blühenden Freiheit keine blutigen Schauspiele einführen wollen, oder wenn dergleichen in dem ionischen Asien, wie einige glauben, üblich gewesen, so waren sie seit geraumer Zeit wiederum eingestellt. Antichus Epiphanes, König in Syrien, verschrieb Fechter von Rom, und ließ die Griechen Schauspiele dieser unglücklichen Menschen sehen, die ihnen anfänglich ein Abscheu waren: mit der Zeit verlor sich das menschliche Gefühl, und auch diese Schauspiele wurden Schulen der Künstler. Ein Kresilas studierte hier seinen sterbenden Fechter, »an welchem man sehen konnte, wieviel von seiner Seele noch in ihm übrig war. «Diese häufigen Gelegenheiten zur Beobachtung der Natur veranlassten die griechischen Künstler noch weiter zu gehen: sie fingen an, sich gewisse allgemeine Begriffe von Schönheiten sowohl einzelner Teile als ganzer Verhältnisse der Körper zu bilden, die sich über die Natur selbst erheben sollten; ihr Urbild war eine bloß im Verstande entworfene geistige Natur. (aus:Winckelmann: Gedanken über die Nachahmung der griechischen Werke in der Malerei und Bildhauerkunst.) Bestimmen Sie den Typ der unterstrichenen Verben! HS „Syntax und Lexikon“, FS 2008, Uni Mannheim, Stefan Engelberg & Svenja König, 2. Sitzung, Folie 10. Verbtypen und Wortarten „Die Welt ist meine Vorstellung:“ – dies ist die Wahrheit, welche in Beziehung auf jedes lebende und erkennende Wesen gilt; wiewohl der Mensch allein sie in das reflektierbare, abstrakte Bewusstsein bringen kann: und tut er dies wirklich, so ist die philosophische Besonnenheit bei ihm eingetreten. Es wird ihm dann deutlich und gewiss, dass er keine Sonne kennt und keine Erde; sondern immer nur ein Auge, das eine Sonne sieht, eine Hand , die eine Erde fühlt; dass die Welt, welche ihn umgibt, nur als Vorstellung da ist, d. h. durchweg nur in Beziehung auf ein Anderes, das Vorstellende, welches er selbst ist. (aus: Arthur Schopenhauer: Die Welt als Wille und Vorstellung) HS „Syntax und Lexikon“, FS 2008, Uni Mannheim, Stefan Engelberg & Svenja König, 2. Sitzung, Folie 11. Finit / Infinit Finite / Infinite Verbformen: Finite Verbformen sind konjugiert bezüglich der für Verben typischen grammatischen Kategorien (Tempus, Modus, Person, …). Infinite Verbformen sind nicht flektiert (oder sie sind für nominale Kategorien wie Kasus, Genus, etc. flektiert). a. er he b. die the c. die the heil-t-e den Patienten cure-PAST-3SG the patient Wunde ist verheil-t wound AUX heal-PARTII verheil-t-e Wunde heal-PARTII-NOM.SG.FEM wound > finites Verb > infinites Verb > infinites (Verb ?) HS „Syntax und Lexikon“, FS 2008, Uni Mannheim, Stefan Engelberg & Svenja König, 2. Sitzung, Folie 12. 3 Infinite Verbformen (morphologisch betrachtet) Grammatische Kategorien Form Morphologie Funktion Welche grammatischen Kategorien am Verb ausgedrückt werden, ist sprachabhängig. Infinitiv Stamm + (e)n bad-en bemängel-n sink-en Vollverb bei der Futurbildung Vollverb hinter Modalverben in von Vollverben abhängigen Infinitivsätzen (meist mit zu) Je nach dem, ob die Sprache mehr zum isolierenden, flektierenden oder agglutinierenden Typ gehört, ist die Morphologie in unterschiedlichem Maße am Ausdruck grammatischer Kategorien beteiligt. Partizip I Stamm + (e)nd bad-end bemängel-nd sink-end attributiv (die badenden Kinder) adverbial und als Apposition (die Fehler bemängelnd …) Partizip II schwach: (ge) + Stamm + ((e)t) stark: (u.a. abgelautete Formen) ge-bad-et bemängel-t ge-sunk-en LATEIN Vollverb bei der Bildung der Perfekt- und Passivformen attributiv (die gebadeten Kinder) -et SWAHILI a-li-ni-penda ‚(er/sie) liebte (mich)‘ Grammatische Kategorien ‚schreib‘ 3.SG-PRÄS lauda-ba-ris loben-PAST.IND-2SG.PAS ‚(du) wurdest gelobt‘ 3SG.SUBJ-PAST-1SG.OBJ-lieben HS „Syntax und Lexikon“, FS 2008, Uni Mannheim, Stefan Engelberg & Svenja König, 2. Sitzung, Folie 13. a) piš ENGLISCH (they) walk gehen.PRES.3PL ‚(sie) gehen‘ HS „Syntax und Lexikon“, FS 2008, Uni Mannheim, Stefan Engelberg & Svenja König, 2. Sitzung, Folie 14. Grammatische Kategorien (Russisch) knig -u ‚Buch‘ AKK-SG In polysynthetischen Sprachen werden komplexe Wörter gebildet, die als Ein-Wort-Sätze fungieren können. ‚er/sie/es schreibt ein Buch‘ b) nökö -d ‚Freund‘ PL (Mongolisch) -tür AKK fan er essen Mahl -meyŋ -levtə -ərkən groß Kopfschmerzen GERUNDIUM(?) ‚ich habe starke Kopfschmerzen‘ ‚den Freunden‘ c) Tachi tə 1.PERS le (Tschuktschisch) (Mandarin-Chinesisch) das ‚er aß das Mahl‘ Welchem Sprachtyp gehört die jeweilige Sprache an? HS „Syntax und Lexikon“, FS 2008, Uni Mannheim, Stefan Engelberg & Svenja König, 2. Sitzung, Folie 15. HS „Syntax und Lexikon“, FS 2008, Uni Mannheim, Stefan Engelberg & Svenja König, 2. Sitzung, Folie 16. 4 Grammatische Kategorien Unter anderem folgende grammatische Kategorien werden (abhängig von der jeweiligen Sprache) mit Verben ausgedrückt: a) Mit Ereignisbezug Tempus: Präsens, Futur, ..., Perfekt Aspekt: Imperfektiv, Perfektiv, ... b) Mit Wahrheitswertbezug Modus: Indikativ, Imperativ, Konjunktiv, ... Evidentialität: Hörensagen, Wahrgenommen, ... c) Abbildung von Argumenten in die Syntax Genus Verbi: Aktiv, Passiv, ... d) Kongruenz mit dem Subjekt Numerus: Singular, Plural, Dual, ... Person: 1., 2., 3., ... HS „Syntax und Lexikon“, FS 2008, Uni Mannheim, Stefan Engelberg & Svenja König, 2. Sitzung, Folie 17. 5