Qualitätssicherung in der Schulverpflegung Prof. Ulrike Arens

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DGE-Symposium
“Schlauer essen. Besser lernen –
Qualitätsstandards für die Schulverpflegung”
Berlin, 20. September 2007
Qualitätssicherung in der Schulverpflegung
Prof. Ulrike Arens-Azevêdo, Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg
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Die Ausgangslage
Im Mai 2005 wurden in Berlin die Rahmenkriterien für das Verpflegungsangebot in Schulen
vorgestellt. Beteiligt waren die Deutsche Gesellschaft für Ernährung e. V. (DGE), der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) sowie der ökologische Großküchenservice (ÖGS).
Mit den Rahmenkriterien wurden erste Schritte in Richtung Qualitätssicherung in der Schulverpflegung getan. Mit den nun vorliegenden Qualitätsstandards für die Schulverpflegung –
herausgegeben von der DGE – werden die Anforderungen präzisiert und damit überprüfbar
und es wird die Verknüpfung zur Ernährungsbildung hergestellt. Die Standards sind in
Zusammenarbeit mit den Mitgliedern des DGE-Arbeitskreises Schule - Ernährung - Bildung
und in Abstimmung mit den Vertreterinnen und Vertretern der zuständigen Landesministerien
im Rahmen des Projekts „Schule + Essen = Note 1“erarbeitet worden.
Der Kinder- und Jugendgesundheitssurvey (KiGGS) hat inzwischen den Handlungsbedarf
deutlich gemacht. So weisen die für Deutschland repräsentativen Daten Übergewicht bei
Kindern und Jugendlichen in der Größenordnung von 15 % aus, die Häufigkeit von Adipositas liegt bei 6,3 %. Dabei ist in der Altersklasse der 11- bis 13-Jährigen Übergewicht mit
18 % bei den Jungen und 19 % bei den Mädchen am häufigsten. In Bezug auf Adipositas
sind Jugendliche im Alter von 14 bis 17 Jahren am häufigsten betroffen mit 8,2 % bei den
Jungen und 8,9 % bei den Mädchen. Essstörungen nehmen ebenfalls einen vergleichsweise
hohen Prozentsatz ein. So wurde bei 28,9 % der Mädchen und 15,2 % der Jungen im Alter
von 11 bis 17 Jahren ein auffälliges Essverhalten festgestellt.
Besonders problematisch ist die Tatsache, dass sowohl Übergewicht bzw. Adipositas als
auch die Essstörungen eng mit der sozialen Schicht korrelieren: je niedriger der sozioökonomische Status, desto höher die Prävalenz.
Die Ganztagsschulen bieten eine gute Möglichkeit, einen Einfluss auf die Ernährungssituation von Kindern und Jugendlichen zu nehmen. Dies umso mehr, je besser es gelingt,
die Verhältnisse durch ein entsprechendes Verpflegungsangebot und das Verhalten durch
eine sinnvolle Ernährungserziehung in Einklang zu bringen.
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Qualitätsmanagement in der Schulverpflegung
Eine regelmäßige Qualitätssicherung erleichtert die Herstellung und Ausgabe gesundheitsförderlicher Speisen. Sie sollte Teil eines Qualitätsmanagements sein, das alle Tätigkeiten
umfasst und alle Hierarchieebenen einbezieht. Dabei sollten möglichst alle Teilqualitäten und
alle Dimensionen berücksichtigt werden. Die Teilqualitäten erstrecken sich auf Strukturen,
Prozesse und Ergebnisse. Zu den Strukturen in der Schulverpflegung zählen das Personal,
die technische Ausstattung, die Organisationsform, aber auch die Kommunikation mit
Schülerinnen und Schülern und Lehrkräften. Bei den Prozessen ist es zum Beispiel wichtig,
auf reibungslose Abläufe zu achten, Standzeiten bei der Speisenherstellung zu vermeiden
und chargenweise zu garen. Für die Ergebnisqualität spielt die ernährungsphysiologische
Zusammensetzung eine wesentliche Rolle, auch eine einwandfreie und ansprechende
Sensorik sowie der Ausschluss jeglicher Gesundheitsgefährdung sind von Bedeutung.
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2.1
Die Bedeutung von Standards
Die Entwicklung von Standards ist ein Teilbereich des Qualitätsmanagements und eine
wesentliche Aufgabe der Qualitätsplanung. Mit Standards werden die konkreten Anforderungen an die Qualität einer Dienstleistung oder eines Produktes festgelegt. Sie sind gewissermaßen die Meßlatte, an der sich die Leistung orientieren muss. Standards sollten alle
Dimensionen der Schulverpflegung erfassen. Zu diesen Dimensionen zählen Ernährungsphysiologie, Sensorik und Hygiene genau so wie Kommunikation und Service.
Übergeordnete Ziele der Verpflegung in Schulen sind zum Beispiel
• die Förderung der geistigen und körperlichen Leistungsfähigkeit von Kindern und
Jugendlichen durch eine hohe ernährungsphysiologische Qualität,
• die Sicherstellung von Abwechslungsreichtum und Vielfalt im Angebot,
• das Kennen lernen neuer Gerichte und Lebensmittel und damit das Kennen lernen
von Ess- und Tischkulturen, sowie
• das Erreichen einer hohen Akzeptanz durch eine optimale Sensorik von Speisen und
Getränken.
Für die Umsetzung in den Schulen ist der Grad der Präzisierung der Standards von hoher
Bedeutung. Es wurde ein mittlerer Präzisionsgrad gewählt. Das heißt: die Anbieter sind frei
bei der Auswahl der Speisen, solange die D-A-CH-Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr der
entsprechenden Altersgruppe und deren Umsetzung durch die Empfehlungen des Forschungsinstituts für Kinderernährung (FKE) in Bezug auf optimiX erfüllt werden.
Bei einzelnen Lebensmitteln werden darüber hinaus klare Festlegungen getroffen. Dies gilt
zum Beispiel für die vorzugsweise Verwendung von Rapsöl oder auch für die Verwendung
fettarmer Milch und Milchprodukte.
Die Qualität von Schulverpflegung ist in hohem Maße davon abhängig, wie die Speisen an
Kinder und Jugendliche herangetragen werden. Deshalb finden sich in den Standards auch
Aussagen zu den Räumlichkeiten, in denen die Mahlzeiten eingenommen werden. Die
Standards in diesem Bereich definieren die Strukturqualität. Sie sind ebenso unverzichtbar
wie die Anforderungen an den Service oder die Unterstützung einer angenehmen
Atmosphäre beim Essen.
Die Standards lassen einen stufenweisen Einstieg zu. So können zunächst die qualitativen
Anforderungen umgesetzt werden. Nach einer gewissen Routine bietet sich die Ergänzung
durch die quantitativen Aspekte an. Die quantitativen Ziele setzen die Berechnung von
Rezepturen voraus.
Sensorik
Die Standards haben nur dann eine Chance, wenn die Mahlzeiten gut bei der Zielgruppe
ankommen. Dies bedeutet: Aussehen, Geruch und Geschmack müssen zum Essen anregen, es muss Lust machen, in der Schule eine Mahlzeit einzunehmen.
Hier sind die Anbieter in hohem Maße gefragt, die richtige Würzung und Zusammenstellung
zu finden. Dabei ist es von Vorteil, die Vorlieben und Abneigungen der Zielgruppe zu
kennen. Allerdings heißt letzteres nicht, dass diesen Geschmacksvorlieben einfach gefolgt
wird. Wenn die Vorlieben der Jugendlichen Hamburger sind, dann ist es reizvoll, eine
entsprechende Variante zu entwickeln, die den Referenzwerten entgegen kommt. Pizza und
Pasta sind bei Kindern und Jugendlichen sehr beliebt, auch mit diesen lassen sich sehr gute,
ernährungsphysiologisch ausgewogene Rezepturen aufstellen.
Hygiene
Die hygienische Qualität ist unverzichtbar, sie wird vom Gesetzgeber gefordert. So müssen
Speisen und Getränke sicher sein, eine gesundheitliche Beeinträchtigung ist unbedingt
auszuschließen. Die Standards gehen aus diesem Grunde auf die hygienische Qualität nicht
im Einzelnen ein, sondern verweisen auf die einschlägigen Gesetze und Verordnungen. Der
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erste Schritt sind klare Leitlinien für eine gute Hygienepraxis, die von allen, die mit der
Zubereitung von Speisen und ihrer Verteilung und Ausgabe betraut sind, erfüllt werden
müssen. Ein einfaches, für alle leicht umsetzbares HACCP-Konzept wird vorausgesetzt
(HACCP steht für Hazard Analysis and Critical Control Points).
Ernährungserziehung
Ernährungserziehung in der Schule ist für die Veränderung von Ernährungsverhalten von
zentraler Bedeutung. Dabei kommt es in hohem Maße darauf an, in welcher Form die
Ernährungserziehung erfolgt. Werden nur kognitive Ziele angesprochen, so dürfte eine Veränderung schwerlich zu erreichen sein. Handlungsorientierter Unterricht mit der Möglichkeit,
Mahlzeiten auch einmal selbst herzustellen, mit Lebensmitteln praktisch umzugehen, sind
wesentliche Aspekte eines ganzheitlichen Ansatzes. Dabei sollte ein größerer Zusammenhang gewährleistet sein, um den spezifischen Beitrag von Ernährung zur Gesundheitsförderung und -erhaltung deutlich zu machen. Ernährungserziehung kann auch die Akzeptanz der Schulverpflegung erhöhen.
2.2
Die Überprüfung von Qualität – Ausblick
Standards sind als Grundlage für Leistungsverzeichnisse und Ausschreibungen geeignet. So
werden auf diese Weise Angebote überhaupt erst vergleichbar, gleichzeitig erfährt der zukünftige Anbieter, was von ihm konkret erwartet wird.
Sind die Standards richtig formuliert, so bilden sie die Grundlage einer ständigen Überprüfung von Qualität. Hierfür liefern Checklisten, die schnell und unkompliziert einzusetzen
sind, die entsprechende Basis. Die in den Standards veröffentlichten Checklisten wurden in
Berliner Schulen einem Pretest unterworfen und im Hinblick auf ihre Praktikabilität überprüft.
Deutlich zeigte sich, dass eine gewisse Fachkompetenz vorhanden sein muss, damit die
Überprüfung sachgemäß erfolgen kann. In diesem Zusammenhang zeigte sich auch, dass
Schulen dringend eine verantwortliche Person für alle Belange der Schulverpflegung
brauchen. Diese sollte auch für die interne Überprüfung der Qualität zuständig sein, da
Fehler auf diese Weise am schnellsten behoben werden können.
Nach einer Eingewöhnungszeit, in der auch die Standards selbst kritisch hinterfragt werden
müssen, bietet sich eine externe Überprüfung der Qualität der Verpflegung in Schulen an, so
wie dies in Großbritannien von Beginn dieses Jahres an regelmäßig erfolgen wird.
Zu wünschen ist, dass die zuständigen Landesministerien die Verbreitung der Standards
nach Kräften unterstützen. Schulträger, Schulleitungen und Schulgremien, Elternvertretungen und die Anbieter von Schulverpflegung sollten gemeinsame Anstrengungen unternehmen, eine gute Qualität der Verpflegung zu gewährleisten, damit die geistige und körperliche
Leistungsfähigkeit von Kindern und Jugendlichen gefördert und ein günstiges Ernährungsverhalten rechtzeitig geprägt werden kann.
Literatur:
aid, DGE (Hrsg.): Essen und Trinken in Schulen, Bonn 2003
Arens-Azevedo: Verpflegung in Ganztagsschulen. Bewertung geeigneter Systeme – Anforderungen an Räumlichkeiten und Ausstattung. In: Appel, S.; Ludwig, H.; Rother, U.; Rutz, G.: Jahrbuch Ganztagsschule 2004, Schwalbach 2003, S. 112 - 123
Arens-Azevedo: Qualitätsmanagement in der Gemeinschaftsverpflegung. Ernährungsumschau 7/2007, S. 408 417
Department for education and deployment (Hrsg.): Healthy school lunches for pupils in primary schools, London
2005
Department of education, Northern Ireland Government: New nutritional standards for school lunches and other
foods in school. Bangor 2007
Heindl: Schulverpflegung in Europa – Anforderungen an die Praxis. Vortrag anlässlich der IÖW – Tagung vom 20.
Juni 2005 in Berlin
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Her Majestesty`s Inspectors of Schools and Food Standards Agency (Hrsg.): Healthy eating in school. Preliminary
Report, London 2006
Heseker: Gesundheitsfördernde Ernährung als Herausforderung für die offene Ganztagsschule. In:
Lehrerausbildung
und
Schule
in
der
Diskussion.
Universität
Paderborn
und
Paderborner
Lehrerausbildungszentrum (Hrsg.) Heft 10, 2006, S.17 -29
Lülfs , Lüth: Ernährungsalltag in Schulen. Eine theoretische und empirische Analyse der Rahmenbedingungen für
die Mittagsverpflegung in Ganztagsschulen. Abschlussbericht Modul 2 „Ernährung außer Haus“. Materialband Nr.
7, Heidelberg 2006
Lülfs , Spiller: Kunden- (un-)zufriedenheit in der Schulverpflegung: Ergebnisse einer vergleichenden Schülerbefragung, Universität Göttingen 2006
Mikkelsen: A cross European Perspective on Healthy Eating at School. Results and Guidelines from a Council of
Europe Project. Danish Institute of Food and Veterinary Research, Vortrag anlässlich des Life Skills workshop,
17. Februar 2006 in Brüssel
Nelson et al.: School Meals in Secondary School in England. Research Report. Food Standards Agency, Kings
College, London 2004
Peinelt, Pelzer, Arnold: Schulverpflegung in Ganztagsschulen. In: Ernährung im Fokus, AID (Hrsg.), 02/2005, S.
38 – 46
Scottish Executive (Hrsg.): Nutrition in schools. Scottish Nutrient Standards for School Lunches. Glasgow 2005
Scottish Parliament (Hrsg.): Education (school meals etc.) (Scotland) Bill, Policy Memorandum, Norwich 2006
Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister in der Bundesrepublik Deutschland (Hrsg.): Bericht über
die allgemein bildenden Schulen in Ganztagsform in den Ländern in der Bundesrepublik Deutschland – 2002 bis
2004 -, Bonn März 2006
Steinel, Körner: Qualität und Preise in der Schulverpflegung in Sachsen und Nordrhein-Westfalen, Bernburg 2004
Young (Hrsg.): Eating at school, Making healthy choices, Council of Europe, Strasbourg 2005
ZMP, CMA (Hrsg.): Marktstudie: Die Schulverpflegung an Ganztagsschulen. Bonn 2005
Anschrift der Verfasserin:
Prof. Ulrike Arens-Azevêdo
Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg
Fakultät Life Sciences
Lohbrügger Kirchstr. 65
21033 Hamburg
E-Mail: [email protected]
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