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Kapitel 13
Oligopoltheorie
Vor- und Nachbereitung:
● Varian, Chapter 27
● Frank, Chapter 13
● Übungsblatt 13
© Klaus M. Schmidt, 2008
13.1 Einleitung
Oligopol: Auf der Angebotsseite gibt es mehrere Anbieter, von denen
jeder den Preis beeinflussen kann. Auf der Nachfrageseite herrscht
vollkommene Konkurrenz.
Spiegelbildlich: Oligopson.
Wir werden zumeist nur den einfachsten Fall betrachten:
● Zwei Anbieter (Duopol) konkurrieren auf einem Markt für ein
homogenes Gut.
● Die Anbieter müssen entweder über den Preis oder über die
Menge entscheiden, die sie auf den Markt werfen.
● Es herrscht vollkommene Markttransparenz.
Eine sehr viel ausführlichere Analyse von Oligopolen, wo alle diese
Annahmen abgeschwächt werden, bietet die Vorlesung
“Wettbewerbstheorie und -politik”.
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2
Formen des Wettbewerbs:
● Mengenwettbewerb: Entscheidungsvariable ist für jedes
Unternehmen die zu produzierende Menge. Die Summe der
Mengen aller Anbieter bestimmt über die inverse Nachfragefunktion
den Preis.
● Preiswettbewerb: Entscheidungsvariable ist für jedes Unternehmen
der Preis.
Beachten Sie: Bei homogenen Gütern kaufen alle Konsumenten beim
Anbieter mit dem niedrigsten Preis. Dies bedeutet eine extrem
preiselastische Nachfrage. Preiswettbewerb ist daher überzeugender
bei heterogenen (differenzierten) Gütern.
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3
Marktverhalten:
•
Ein Anbieter dominiert den Markt und kann seine Entscheidung
(über Menge oder Preis) vor seinem Konkurrenten festlegen
(“Stackelberg-Führer”). Sein Konkurrent (“Stackelberg-Anpasser”)
trifft seine Entscheidung erst, nachdem er die Entscheidung des
Führers beobachtet hat. (Sequentielles Spiel)
•
Beide Anbieter müssen sich gleichzeitig auf eine Entscheidung
(über Preis oder Menge) festlegen, ohne zu wissen, welche
Entscheidung der Konkurrent getroffen hat. (Simultanes Spiel)
•
Die beiden Anbieter können in einem Kartell kooperieren und ihr
Verhalten explizit (durch Absprachen) oder implizit (bei
wiederholter Interaktion) abstimmen.
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Wir können also grundsätzlich fünf verschiedene Situationen
unterscheiden:
1. Mengenführerschaft
2. Preisführerschaft
3. Simultane Wahl der Mengen
4. Simultane Wahl der Preise
5. Kartellverhalten
Da Preisführerschaft nur bei heterogenen Gütern Sinn macht, werden
wir diesen Fall ignorieren.
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13.2 Mengenführerschaft
Stackelberg-Modell (Heinrich von Stackelberg, 1934):
Dieses Modell wird oft verwendet, wenn es auf einem Markt einen
dominanten Anbieter gibt, an den alle übrigen Anbieter ihr Verhalten
anpassen.
Beispiele:
● OPEC legt seine Menge zuerst fest. Andere Produzenten
(Norwegen, Russland, Kanada) passen sich an.
● DeBeers als dominierender Diamantenproduzent.
● Andere Marktführer: Microsoft, Telekom, etc., doch hier geht es
meist um Preis- und/oder Qualitätswettbewerb bei heterogenen
Gütern.
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13.2.1 Das Modell:
● Stufe 1: Unternehmen 1, der Stackelberg-Führer, wählt seine
Menge y1.
● Stufe 2: Unternehmen 2, der Stackelberg-Anpasser, beobachtet
und wählt seine Menge y2.
Auf dem Markt ergibt sich der Preis p als Funktion p = p(Y) der
Gesamtmenge Y = y1 + y2.
Beachten Sie, dass hier jeder Spieler einen unendlichen
Strategienraum hat (die Menge aller nicht-negativen reellen Zahlen).
Zeichnen Sie den Spielbaum dieses Spiels!
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Abb. 13.1: Spielbaum des Stackelberg-Modells
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Wenn der Stackelberg-Führer über seine Menge entscheidet, muss er
berücksichtigen, dass seine Mengenentscheidung die Entscheidung
des Anpassers beeinflusst.
Zur Bestimmung des teilspielperfekten Gleichgewichtes benutzen wir
die Rückwärtsinduktion.
13.2.2 Das Entscheidungsproblem des Anpassers
Angenommen, Spieler 1 hat die Menge y1 gewählt. Spieler 2 (der
“Anpasser”) maximiert seinen Gewinn:
π 2 = p( y1 + y2 ) ⋅ y2 − c2 ( y2 )
durch geeignete Wahl von y2. Beachten Sie dabei, dass die Menge y1
bereits festliegt und bekannt ist.
Bedingung erster Ordnung (BEO) für Gewinnmaximum:
∂π 2
∂p( y1 + y2 )
∂c2 ( y2 )
= p ( y1 + y2 ) +
⋅ y2 −
=0
∂y2
∂y2
∂y2
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Diese Bedingung legt (unter der Annahme fallender Grenzerlöse) die
optimale Menge y2 als Funktion von y1 fest, d.h. y2 = f 2 ( y1 ).
Diese Funktion ist die Reaktionsfunktion von Spieler 2: Sie gibt für
jede Menge y1 die „beste Antwort“ von Spieler 2 an. Darum wird sie
auch „Beste Antwort Korrespondenz“ genannt.
Beispiel:
p(Y ) = a − bY
● Lineare Nachfrage:
● Konstante Grenzkosten: c1 ( y ) = c2 ( y ) = c ⋅ y
● Gewinnfunktion des Anpassers:
π 2 = (a − b( y1 + y2 )) y2 − c ⋅ y2
∂π 2
● BEO für Gewinnmaximum:
∂y2
∂ π2
= −2b < 0
2
∂y2
●
BZO überprüfen:
●
Reaktionsfunktion des Anpassers:
y2 =
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= a − b ⋅ ( y1 + y2 ) − b ⋅ y2 − c = 0
a − b ⋅ y1 − c a − c y1
=
−
2b
2b
2
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13.2.3 Das Problem des Marktführers
Spieler 1 (der “Marktführer”) kennt das Entscheidungsproblem des
Anpassers und weiß, dass er die Menge y2 = f2(y1) wählen wird. Also ist
sein Gewinnmaximierungsproblem:
max p( y1 + f 2 ( y1 )) ⋅ y1 − c1 ( y1 )
y1
BEO für Gewinnmaximum:
p( y1 + f 2 ( y1 )) + p '( y1 + f 2 ( y1 )) ⋅ (1 + f 2 '( y1 )) ⋅ y1 = c1 '( y1 )
bzw.: p( y1 + f 2 ( y1 )) + p '( y1 + f 2 ( y1 )) ⋅ y1 + p '( y1 + f 2 ( y1 )) ⋅ f 2 '( y1 ) ⋅ y1 = c1 '( y1 )
Beachten Sie: Bei der Berechnung des Grenzerlöses einer
zusätzlichen Einheit berücksichtigt der Marktführer nicht nur, wie diese
zusätzliche Einheit den Marktpreis direkt senkt, sondern auch, wie sie
die Menge seines Konkurrenten beeinflusst und damit zu einer
weiteren, indirekten Änderung des Marktpreises führt. Dieser indirekte
Effekt erhöht den Grenzerlös.
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Nachdem wir die optimale Menge des Stackelberg-Führers kennen,
können wir sie in die Reaktionsfunktion des Anpassers einsetzen, um
dessen Menge, die gesamte Menge, und den Marktpreis zu
bestimmen.
Beispiel (lineare Nachfrage und Kosten):
● Reaktionsfunktion des Anpassers:
a − c y1
y2 =
−
2b
2
● Gewinnfunktion des Marktführers:
π 1 = [ a − b( y1 + f 2 ( y1 )] ⋅ y1 − c ⋅ y1
y1
⎡
⎤
⎛ a−c⎞
= ⎢ a − by1 − ⎜
⎟ + b − c ⎥ ⋅ y1
2
⎝ 2 ⎠
⎣
⎦
a−c
b
=
y1 − y12
2
2
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● BEO für Gewinnmaximum:
a−c
− by1 = 0
2
y1S =
● Optimale Menge des Marktführers:
a−c
2b
●
a−c
Einsetzen von y1 in f2(y1) ergibt: y =
4b
●
3( a − c)
Gesamte Menge: Y = y + y =
4b
S
2
● Marktpreis:
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S
pS =
S
1
S
2
a + 3c
4
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Satz 13.1: Im Stackel-Modell existiert ein eindeutiges teilspielperfektes
Gleichgewicht. Im linearen Beispiel wählt der Stackelberg-Führer die
Menge y1S=(a-c)/2b, und der Stackelberg-Anpasser reagiert mit der
Menge y2S=(a-c)/4b.
Bemerkungen:
1. Vergleich zum Monopol: Ein Monopolist hätte im linearen Beispiel
die Menge ym=(a-c)/2b gewählt, die hier zufällig gleich der
Stackelberg-Menge ist. Die gesamte Menge ist bei
Mengenführerschaft aber größer als im Monopol, der Preis
dementsprechend niedriger.
2. Vergleich zu vollkommener Konkurrenz: Bei vollkommener
Konkurrenz wäre die Menge insgesamt größer (YK=(a-c)/b), der
Preis (pK=c) niedriger als bei Mengenführerschaft.
3. Gewinne: Der Gewinn des Marktführers ist höher als der des
Anpassers. (Warum? ) Die Summe der Gewinne ist kleiner als der
Monopolgewinn. (Warum? )
4. Das Marktergebnis ist ineffizient. (Warum? )
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13.2.4 Graphische Analyse
Wir können die Entscheidungsprobleme von Anpasser und Führer auch
graphisch mit Hilfe von Isogewinnkurven illustrieren.
Isogewinnkurven des Anpassers (lineares Beispiel):
(a − c) y2 − by1 y2 − b ⋅ y2 2 = π 2
Bemerkungen:
1. Die Isogewinnkurven des Anpassers ähneln Parabeln, die auf der
Seite liegen und nach links geöffnet sind.
2. Je weiter links die Isogewinnlinien (je niedriger y1), um so höher der
Gewinn
π2 .
3. Für jedes gegebene y1 findet man das optimale y2 auf der am
weitesten links liegenden Isogewinnkurve.
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y2
y1
Abb. 13.2: Reaktionsfunktion des Anpassers
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Analog können wir die Isogewinnlinien des Marktführers betrachten:
(a − c) y1 − by1 y2 − b ⋅ y12 = π 1
y2
Abb. 13.3: Stackelberg-Gleichgewicht
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y1
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Bemerkungen:
1. Die Isogewinnkurven des Marktführers und die des Anpassers sind
Spiegelbilder relativ zur 45o Achse.
2. Der Marktführer wählt denjenigen Punkt auf der Reaktionsfunktion
des Anpassers, der die höchstmögliche Isogewinnkurve gerade
tangiert.
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13.3 Simultane Festlegung der Mengen
Cournot-Modell (Auguste Cournot, 1838):
Wenn beide Unternehmen gleichzeitig ihre Mengen festlegen müssen,
weiß keines, welche Menge der Konkurrent gewählt hat. In diesem Fall
müssen die beiden Unternehmen Erwartungen über die Handlung des
Konkurrenten bilden.
13.3.1 Entscheidungsproblem eines Unternehmens
Nehmen wir einmal an, Unternehmen 2 erwartet, dass Unternehmen 1
die Menge y1e wählt. Unternehmen 2 hat keine Möglichkeit, die Wahl
von y1 direkt zu beeinflussen, sondern muss sie als gegeben
hinnehmen.
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13.3.1 Optimale Wahl von y2 gegeben y1e:
max p ( y1e + y2 ) ⋅ y2 − c2 ( y2 )
y2
BEO für Gewinnmaximierung:
e
∂π 2
∂
p
(
y
∂c ( y )
1 + y2 )
= p ( y1e + y2 ) +
⋅ y2 − 2 2 = 0
∂y2
∂y2
∂y2
Diese Bedingung ergibt dieselbe Reaktionsfunktion, die wir aus dem
Stackelberg-Modell kennen
y2 = f 2 ( y1e )
aber sie hat eine andere Interpretation:
● Die Reaktionsfunktion im Cournot-Modell sagt nicht, wie
Unternehmen 2 auf die tatsächlich gewählte Menge von
Unternehmen 1 reagiert, sondern auf die erwartete Menge.
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Für Unternehmen 1 gehen wir ganz analog vor.
Optimale Wahl von y1 gegeben y2e:
max p ( y1 + y2 e ) ⋅ y1 − c1 ( y1 )
y1
“Reaktionsfunktion” von Unternehmen 1:
y1 = f1 ( y2 e )
13.3.2 Gleichgewicht
Ein Nash-Gleichgewicht im Cournot-Spiel (auch Cournot-Gleichgewicht
genannt) ist eine Mengenkombination (y1c,y2c), so dass
c
c
● y1c eine beste Antwort auf y2c ist: y1 = f1 ( y2 )
c
c
● y2c eine beste Antwort auf y1c ist: y2 = f 2 ( y1 )
Im Gleichgewicht sind die Erwartungen der Unternehmen mit den
tatsächlich gewählten Mengen identisch: Unternehmen 1 erwartet die
Menge y2e=y2c und wählt deshalb y1c; Unternehmen 2 erwartet
seinerseits die Menge y1e=y1c und wählt tatsächlich y2c.
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Beispiel (lineare Nachfrage und Kosten):
● Erwarteter Gewinn von Unternehmen 1:
π 1 = ⎡⎣ a − b( y1 + y2 e ) ⎤⎦ ⋅ y1 − cy1
● Reaktionsfunktion von Unternehmen 1:
a − c y2 e
y1 =
−
2b
2
● Reaktionsfunktion von Unternehmen 2:
a − c y1e
y2 =
−
2b
2
● Im Gleichgewicht muss gelten:
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y1 = y1e , y2 = y2 e
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● Substitution von y2 in Reaktionsfunktion 1:
a − c y1
−
a−c
2
− 2b
y1 =
2b
2
● Auflösen ergibt das Cournot-Gleichgewicht:
y1c =
a−c
= y2 c
3b
● Marktergebnis:
2(a − c)
3b
a + 2c
C
p =
3
YC =
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Satz 13.2: Im Cournot-Modell existiert ein eindeutiges NashGleichgewicht. Im linearen Beispiel wählen beide Duopolisten die
Menge y1C= y2C=(a-c)/3b.
Bemerkungen:
1. Das Cournot-Gleichgewicht ist eine stabile Situation: Kein
Unternehmen hat einen Anreiz, seine Menge zu ändern, nachdem
es die tatsächlich gewählte Menge des Konkurrenten erfährt.
2. Bei symmetrischer Kostenstruktur ist das Ergebnis symmetrisch: die
Firmen wählen identische Mengen. Frage: Was passiert bei
asymmetrischen Grenzkosten?
3. Der Gesamtoutput ist größer als im Monopol, kleiner als bei
vollkommener Konkurrenz.
4. Die Summe der Gewinne ist kleiner als im Monopol, größer als bei
vollkommener Konkurrenz.
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5. Der Gewinn eines Cournot-Duopolisten ist niedriger als der Gewinn
des Stackelberg-Führers. Warum?
6. Der Stackelberg-Führer produziert mehr als ein Cournot-Duopolist.
Warum?
7. Im Stackelberg-Spiel ist der Anpasser besser informiert als ein
Duopolist im Cournot-Spiel: er kann beobachten, welche Menge der
Stackelberg-Führer auf den Markt wirft. Trotzdem erzielt der
Stackelberg-Anpasser einen niedrigeren Gewinn als ein CournotDuopolist. Warum?
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13.3.3 Graphische Analyse
y2
Abb. 13.4: Cournot-Gleichgewicht
y1
Der Schnittpunkt der beiden Reaktionsfunktionen ist das
Cournot-Gleichgewicht
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13.3.4 Dynamische Interpretation des Cournot-Modells
Das Cournot-Gleichgewicht ist früher oft als Ergebnis eines
dynamischen Anpassungsprozesses interpretiert worden:
● Jedes Unternehmen erwartet, dass der Konkurrent in der nächsten
Periode dieselbe Mengenentscheidung wie in dieser Periode
treffen wird.
● Dies impliziert:
y1t +1 = f1 ( y2t )
y2t +1 = f 2 ( y1t )
● Diese Gleichungen beschreiben ein dynamisches System. In
unserem linearen Beispiel konvergiert dieses System zum CournotGleichgewicht.
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● Diese Interpretation ist jedoch nicht überzeugend: Jedes
Unternehmen bildet in jeder Periode falsche Erwartungen, ohne zu
lernen, dass es in jeder Periode systematische Fehler macht. Da
bessere Erwartungsbildung zu höherem Gewinn führt, hat jedes
Unternehmen einen starken Anreiz, seine Erwartungen zu
verbessern.
● Nur rationale Erwartungen können nicht weiter verbessert werden.
Sie führen direkt zum Cournot-Gleichgewicht.
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13.3.5 Mehr als zwei Unternehmen
Cournot-Gleichgewichte lassen sich auch für Märkte mit mehr als zwei
Unternehmen berechnen und charakterisieren. Man kann zeigen:
Wenn die Anzahl der Unternehmen gegen unendlich geht,
● konvergiert der Preis gegen die Grenzkosten,
● konvergiert die gesamte abgesetzte Menge gegen die Menge bei
vollkommener Konkurrenz,
● geht der Gewinn aller Unternehmen gegen 0.
Dies liefert eine theoretische Rechtfertigung für das Modell der
vollkommenen Konkurrenz.
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13.4 Simultane Festlegung der Preise
Bertrand-Modell (Joseph Bertrand, 1883):
Jedes Unternehmen wählt seinen Preis und bedient alle Nachfrager zu
diesem Preis. Da es sich um ein homogenes Gut handelt, strömen alle
Käufer zum billigeren Anbieter.
Annahmen:
● Jedes der beiden Unternehmen hat ausreichende Kapazität, um
den gesamten Markt allein zu bedienen.
● Bei gleichen Preisen verteilen sich die Käufer zu gleichen Anteilen
auf die beiden Anbieter.
● Die Unternehmen haben identische konstante Grenzkosten c und
keine Fixkosten.
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Satz 13.3: Im Bertrand-Modell existiert ein eindeutiges NashGleichgewicht, in dem jedes Unternehmen p = c wählt. Jedes
Unternehmen bedient den halben Markt und macht Nullgewinne.
Beweis:
1. Im Gleichgewicht muss gelten, dass jedes Unternehmen einen
Preis wählt, der seinen Gewinn maximiert, gegeben den Preis des
Konkurrenten.
2. Kann es für ein Unternehmen optimal sein, pi<c zu wählen?
3. Kann es ein Gleichgewicht sein, dass pi>pj>c?
4. Kann es ein Gleichgewicht sein, dass pi>pj=c?
5. Kann es ein Gleichgewicht sein, dass pi=pj>c?
6. Was bleibt als Kandidat für ein Gleichgewicht?
7. Warum ist das ein Gleichgewicht?
Q.E.D.
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Bemerkungen:
1. Das Marktergebnis im Bertrand-Gleichgewicht ist dasselbe wie bei
vollkommener Konkurrenz: Preis gleich Grenzkosten, Nullgewinne.
2. Dieses Resultat wird Bertrand-Paradoxon genannt, weil es
unplausibel scheint, dass bei nur zwei Anbietern keine Marktmacht
herrscht.
3. Das Resultat beruht auf der extremen Preiselastizität der
Nachfrage, der sich jeder Anbieter bei gegebenem Preis des
Konkurrenten gegenübersieht, sowie auf der Annahme, dass jeder
Anbieter groß genug ist, den Markt allein zu bedienen.
4. Es gibt Marktsituationen, die durch das Bertrand-Modell sehr gut
beschrieben werden, z.B.:
– Benachbarte Tankstellen.
– Bieterwettbewerb bei Auktionen (z.B. für öffentliche Aufträge).
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5. Wenn die Bedingungen des Bertrand-Wettbewerbs vorliegen, gibt
es einen starken Anreiz für die Unternehmen, den Wettbewerb
durch Preisabsprachen (Kartelle) auszuschließen oder ihre
Produkte zu differenzieren.
Übungsaufgabe: Was passiert, wenn ein Anbieter niedrigere
Grenzkosten hat als der andere (ci < cj)? .
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13.5 Kartellabsprachen
Da sich im (Mengen- und Preis-)Wettbewerb niedrigere Preise und
geringere Gesamtgewinne als beim Monopol ergeben, haben die
Unternehmen einen Anreiz, den Wettbewerb durch Kartellbildung
auszuschließen.
Nehmen wir einmal an, die Unternehmen auf einem Markt können
einen bindenden Vertrag über Mengen und/oder Preise schreiben.
Dann werden sie eine Allokation wählen, die den Gesamtgewinn
maximiert:
max p ( y1 + y2 ) ⋅ ( y1 + y2 ) − c1 ( y1 ) − c2 ( y2 )
y1 , y2
BEO für Gewinnmaximum:
p( y1 + y2 ) + p '( y1 + y2 ) ⋅ [ y1 + y2 ] = c1 '( y1 )
p( y1 + y2 ) + p '( y1 + y2 ) ⋅ [ y1 + y2 ] = c2 '( y2 )
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Bemerkungen:
1. Die BEO verlangen, dass die letzte produzierte Einheit bei beiden
Unternehmen dieselben Grenzkosten verursacht. Wenn
Unternehmen 1 eine Grenzkostenkurve hat, die unter der von
Unternehmen 2 liegt, dann wird Unternehmen 1 im
Gewinnmaximum mehr produzieren.
2. Falls ein Unternehmen sehr viel mehr als das andere produziert,
sind Seitenzahlungen notwendig, damit sich beide Unternehmen
durch das Kartell tatsächlich besser stellen.
3. Jedes Unternehmen hat einen Anreiz, von der vereinbarten Menge
abzuweichen. Gegeben die Kartellmenge für Unternehmen 2 ist der
Grenzerlös von Unternehmen 1, wenn es eine zusätzliche Einheit
produziert, größer als die Grenzkosten, denn die BEO
p( y1 + y2 ) + p '( y1 + y2 ) ⋅ [ y1 + y2 ] = c1 '( y1 )
impliziert
p ( y1 + y2 ) + p '( y1 + y2 ) ⋅ y1 = c1 '( y1 ) − p '( y1 + y2 ) ⋅ y2 > c1 '( y1 ).
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35
13.6 Wie können Kartelle gestützt werden
Wenn Kartelle legal sind und Kartellverträge abgeschlossen werden
können, sind Kartelle sehr attraktiv, weil sie den Wettbewerb zwischen
den Unternehmen ausschließen und das Monopolergebnis erreichen.
In fast allen Industrieländern sind Kartelle jedoch illegal und werden mit
hohen Geld- und manchmal sogar Gefängnisstrafen geahndet
(Beispiele: Zementkartell, Vitaminkartell, etc.)
Internationale Kartelle (z.B. OPEC) sind nicht illegal, aber es gibt keine
Gerichte, die diese Kartelle durchsetzen.
Ohne einen durchsetzbaren Kartellvertrag lassen sich informelle
Kartelle (“Frühstückskartelle“) als Gleichgewicht in einem unendlich oft
wiederholten Spiel stützen (siehe Kapitel 12).
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36
Mit Hilfe der Spieltheorie kann zeigen, dass ein Kartell umso schwerer
zu stabilisieren ist,
– je größer die Anzahl der Oligopolisten ist,
– je leichter Marktzutritt möglich ist,
– je weniger gut Abweichungen von der Kartellvereinbarung
beobachtbar sind (fehlende Markttransparenz)
– je mehr Dimensionen der Wettbewerb hat (neben dem
Preiswettbewerb auch z.B. Qualitätswettbewerb,
Rabattwettbewerb, Konditionenwettbewerb, etc.).
Fazit: Kartelle funktionieren am besten auf Märkten für homogene
Güter mit wenigen Anbietern, hoher Markttransparenz und hohen
Marktzutrittsschranken.
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37
13.7 Anwendungsbeispiel: Microsoft
Im Juni 2000 urteilte US-Bundesrichter Jackson, Microsoft sei in zwei
unabhängige Unternehmen aufzuspalten. Das eine Unternehmen sollte
die Rechte an Windows erhalten, das andere Eigentümer der Office
Programme werden.
Einige Ökonomen wandten ein, simple “Lehrbuch-Ökonomie” zeige,
dass eine solche Aufspaltung die Situation für alle Beteiligten
(Produzenten und Konsumenten) verschlechtern werde (siehe z.B. The
Economist, 20.5.2000, Seite 112).
Wir wollen hier verstehen, auf welchen Argumenten diese Position
aufbaute. Danach werden wir diskutieren, warum die Aufspaltung
dennoch hätte sinnvoll sein können.
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38
Betrachten Sie das folgende Modell der Situation:
Zwei Güter:
● Windows (Betriebssystem)
● Office (Anwendungsprogramm)
Nachfragefunktionen:
1
yw = 1 − pw − po
2
1
yo = 1 − po − pw
2
Die Grenzkosten für beide Güter sind c = 0.
Beachten Sie:
● Die beiden Güter stehen nicht in Konkurrenz zueinander, sondern
ergänzen sich wechselseitig. Sie sind Komplemente.
● Je höher der Preis des einen Gutes, um so geringer ist die
Nachfrage nach dem anderen Gut und umgekehrt.
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39
Fall 1: Monopol, das beide Güter anbietet
1 ⎤
1 ⎤
⎡
⎡
max pw ⎢1 − pw − po ⎥ + po ⎢1 − po − pw ⎥
pw , po
2 ⎦
2 ⎦
⎣
⎣
BEO:
1 − 2 pw − po = 0
1 − 2 po − pw = 0
Auflösen nach po und pw und ergibt:
pw = po =
1
3
Gewinn pro Produkt:
1 ⎛ 1 1⎞ 1
⋅ ⎜1 − − ⎟ =
3 ⎝ 3 6⎠ 6
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40
Fall 2: Aufspaltung in zwei Monopolgesellschaften, eine für
Windows und eine für Office
Firma O:
BEO:
Reaktionsfunktion:
Analog für Firma W:
Nash-Gleichgewicht:
Gewinn pro Produkt:
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1 ⎤
⎡
max po ⎢1 − po − pw ⎥
po
2 ⎦
⎣
1 e
pw = 0
2
1 1
po = − pw e
2 4
1 1 e
pw = − po
2 4
2 1
po = pw = >
5 3
2 ⎛ 2 1⎞ 4 1
⋅ ⎜1 − − ⎟ =
<
5 ⎝ 5 5 ⎠ 25 6
1 − 2 po −
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41
Fazit und Diskussion:
● Bei einem einzigen Monopol sind die Preise niedriger, und der
●
●
●
●
Gewinn des Monopolisten ist höher!
Warum werden durch die Aufspaltung alle Beteiligten schlechter
gestellt?
Wie könnte man die Aufspaltung von Microsoft möglicherweise
doch rechtfertigen?
Wie hat die Berufungsinstanz reagiert?
Was ist die Politik der Direction Générale “Wettbewerb” der EUKommission?
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