Kapitel 13 Oligopoltheorie Vor- und Nachbereitung: ● Varian, Chapter 27 ● Frank, Chapter 13 ● Übungsblatt 13 © Klaus M. Schmidt, 2008 13.1 Einleitung Oligopol: Auf der Angebotsseite gibt es mehrere Anbieter, von denen jeder den Preis beeinflussen kann. Auf der Nachfrageseite herrscht vollkommene Konkurrenz. Spiegelbildlich: Oligopson. Wir werden zumeist nur den einfachsten Fall betrachten: ● Zwei Anbieter (Duopol) konkurrieren auf einem Markt für ein homogenes Gut. ● Die Anbieter müssen entweder über den Preis oder über die Menge entscheiden, die sie auf den Markt werfen. ● Es herrscht vollkommene Markttransparenz. Eine sehr viel ausführlichere Analyse von Oligopolen, wo alle diese Annahmen abgeschwächt werden, bietet die Vorlesung “Wettbewerbstheorie und -politik”. Prof. Martin Kocher Mikro 1-13 (SS 2009) 2 Formen des Wettbewerbs: ● Mengenwettbewerb: Entscheidungsvariable ist für jedes Unternehmen die zu produzierende Menge. Die Summe der Mengen aller Anbieter bestimmt über die inverse Nachfragefunktion den Preis. ● Preiswettbewerb: Entscheidungsvariable ist für jedes Unternehmen der Preis. Beachten Sie: Bei homogenen Gütern kaufen alle Konsumenten beim Anbieter mit dem niedrigsten Preis. Dies bedeutet eine extrem preiselastische Nachfrage. Preiswettbewerb ist daher überzeugender bei heterogenen (differenzierten) Gütern. Prof. Martin Kocher Mikro 1-13 (SS 2009) 3 Marktverhalten: • Ein Anbieter dominiert den Markt und kann seine Entscheidung (über Menge oder Preis) vor seinem Konkurrenten festlegen (“Stackelberg-Führer”). Sein Konkurrent (“Stackelberg-Anpasser”) trifft seine Entscheidung erst, nachdem er die Entscheidung des Führers beobachtet hat. (Sequentielles Spiel) • Beide Anbieter müssen sich gleichzeitig auf eine Entscheidung (über Preis oder Menge) festlegen, ohne zu wissen, welche Entscheidung der Konkurrent getroffen hat. (Simultanes Spiel) • Die beiden Anbieter können in einem Kartell kooperieren und ihr Verhalten explizit (durch Absprachen) oder implizit (bei wiederholter Interaktion) abstimmen. Prof. Martin Kocher Mikro 1-13 (SS 2009) 4 Wir können also grundsätzlich fünf verschiedene Situationen unterscheiden: 1. Mengenführerschaft 2. Preisführerschaft 3. Simultane Wahl der Mengen 4. Simultane Wahl der Preise 5. Kartellverhalten Da Preisführerschaft nur bei heterogenen Gütern Sinn macht, werden wir diesen Fall ignorieren. Prof. Martin Kocher Mikro 1-13 (SS 2009) 5 13.2 Mengenführerschaft Stackelberg-Modell (Heinrich von Stackelberg, 1934): Dieses Modell wird oft verwendet, wenn es auf einem Markt einen dominanten Anbieter gibt, an den alle übrigen Anbieter ihr Verhalten anpassen. Beispiele: ● OPEC legt seine Menge zuerst fest. Andere Produzenten (Norwegen, Russland, Kanada) passen sich an. ● DeBeers als dominierender Diamantenproduzent. ● Andere Marktführer: Microsoft, Telekom, etc., doch hier geht es meist um Preis- und/oder Qualitätswettbewerb bei heterogenen Gütern. Prof. Martin Kocher Mikro 1-13 (SS 2009) 6 13.2.1 Das Modell: ● Stufe 1: Unternehmen 1, der Stackelberg-Führer, wählt seine Menge y1. ● Stufe 2: Unternehmen 2, der Stackelberg-Anpasser, beobachtet und wählt seine Menge y2. Auf dem Markt ergibt sich der Preis p als Funktion p = p(Y) der Gesamtmenge Y = y1 + y2. Beachten Sie, dass hier jeder Spieler einen unendlichen Strategienraum hat (die Menge aller nicht-negativen reellen Zahlen). Zeichnen Sie den Spielbaum dieses Spiels! Prof. Martin Kocher Mikro 1-13 (SS 2009) 7 Abb. 13.1: Spielbaum des Stackelberg-Modells Prof. Martin Kocher Mikro 1-13 (SS 2009) 8 Wenn der Stackelberg-Führer über seine Menge entscheidet, muss er berücksichtigen, dass seine Mengenentscheidung die Entscheidung des Anpassers beeinflusst. Zur Bestimmung des teilspielperfekten Gleichgewichtes benutzen wir die Rückwärtsinduktion. 13.2.2 Das Entscheidungsproblem des Anpassers Angenommen, Spieler 1 hat die Menge y1 gewählt. Spieler 2 (der “Anpasser”) maximiert seinen Gewinn: π 2 = p( y1 + y2 ) ⋅ y2 − c2 ( y2 ) durch geeignete Wahl von y2. Beachten Sie dabei, dass die Menge y1 bereits festliegt und bekannt ist. Bedingung erster Ordnung (BEO) für Gewinnmaximum: ∂π 2 ∂p( y1 + y2 ) ∂c2 ( y2 ) = p ( y1 + y2 ) + ⋅ y2 − =0 ∂y2 ∂y2 ∂y2 Prof. Martin Kocher Mikro 1-13 (SS 2009) 9 Diese Bedingung legt (unter der Annahme fallender Grenzerlöse) die optimale Menge y2 als Funktion von y1 fest, d.h. y2 = f 2 ( y1 ). Diese Funktion ist die Reaktionsfunktion von Spieler 2: Sie gibt für jede Menge y1 die „beste Antwort“ von Spieler 2 an. Darum wird sie auch „Beste Antwort Korrespondenz“ genannt. Beispiel: p(Y ) = a − bY ● Lineare Nachfrage: ● Konstante Grenzkosten: c1 ( y ) = c2 ( y ) = c ⋅ y ● Gewinnfunktion des Anpassers: π 2 = (a − b( y1 + y2 )) y2 − c ⋅ y2 ∂π 2 ● BEO für Gewinnmaximum: ∂y2 ∂ π2 = −2b < 0 2 ∂y2 ● BZO überprüfen: ● Reaktionsfunktion des Anpassers: y2 = Prof. Martin Kocher = a − b ⋅ ( y1 + y2 ) − b ⋅ y2 − c = 0 a − b ⋅ y1 − c a − c y1 = − 2b 2b 2 Mikro 1-13 (SS 2009) 10 13.2.3 Das Problem des Marktführers Spieler 1 (der “Marktführer”) kennt das Entscheidungsproblem des Anpassers und weiß, dass er die Menge y2 = f2(y1) wählen wird. Also ist sein Gewinnmaximierungsproblem: max p( y1 + f 2 ( y1 )) ⋅ y1 − c1 ( y1 ) y1 BEO für Gewinnmaximum: p( y1 + f 2 ( y1 )) + p '( y1 + f 2 ( y1 )) ⋅ (1 + f 2 '( y1 )) ⋅ y1 = c1 '( y1 ) bzw.: p( y1 + f 2 ( y1 )) + p '( y1 + f 2 ( y1 )) ⋅ y1 + p '( y1 + f 2 ( y1 )) ⋅ f 2 '( y1 ) ⋅ y1 = c1 '( y1 ) Beachten Sie: Bei der Berechnung des Grenzerlöses einer zusätzlichen Einheit berücksichtigt der Marktführer nicht nur, wie diese zusätzliche Einheit den Marktpreis direkt senkt, sondern auch, wie sie die Menge seines Konkurrenten beeinflusst und damit zu einer weiteren, indirekten Änderung des Marktpreises führt. Dieser indirekte Effekt erhöht den Grenzerlös. Prof. Martin Kocher Mikro 1-13 (SS 2009) 11 Nachdem wir die optimale Menge des Stackelberg-Führers kennen, können wir sie in die Reaktionsfunktion des Anpassers einsetzen, um dessen Menge, die gesamte Menge, und den Marktpreis zu bestimmen. Beispiel (lineare Nachfrage und Kosten): ● Reaktionsfunktion des Anpassers: a − c y1 y2 = − 2b 2 ● Gewinnfunktion des Marktführers: π 1 = [ a − b( y1 + f 2 ( y1 )] ⋅ y1 − c ⋅ y1 y1 ⎡ ⎤ ⎛ a−c⎞ = ⎢ a − by1 − ⎜ ⎟ + b − c ⎥ ⋅ y1 2 ⎝ 2 ⎠ ⎣ ⎦ a−c b = y1 − y12 2 2 Prof. Martin Kocher Mikro 1-13 (SS 2009) 12 ● BEO für Gewinnmaximum: a−c − by1 = 0 2 y1S = ● Optimale Menge des Marktführers: a−c 2b ● a−c Einsetzen von y1 in f2(y1) ergibt: y = 4b ● 3( a − c) Gesamte Menge: Y = y + y = 4b S 2 ● Marktpreis: Prof. Martin Kocher S pS = S 1 S 2 a + 3c 4 Mikro 1-13 (SS 2009) 13 Satz 13.1: Im Stackel-Modell existiert ein eindeutiges teilspielperfektes Gleichgewicht. Im linearen Beispiel wählt der Stackelberg-Führer die Menge y1S=(a-c)/2b, und der Stackelberg-Anpasser reagiert mit der Menge y2S=(a-c)/4b. Bemerkungen: 1. Vergleich zum Monopol: Ein Monopolist hätte im linearen Beispiel die Menge ym=(a-c)/2b gewählt, die hier zufällig gleich der Stackelberg-Menge ist. Die gesamte Menge ist bei Mengenführerschaft aber größer als im Monopol, der Preis dementsprechend niedriger. 2. Vergleich zu vollkommener Konkurrenz: Bei vollkommener Konkurrenz wäre die Menge insgesamt größer (YK=(a-c)/b), der Preis (pK=c) niedriger als bei Mengenführerschaft. 3. Gewinne: Der Gewinn des Marktführers ist höher als der des Anpassers. (Warum? ) Die Summe der Gewinne ist kleiner als der Monopolgewinn. (Warum? ) 4. Das Marktergebnis ist ineffizient. (Warum? ) Prof. Martin Kocher Mikro 1-13 (SS 2009) 14 13.2.4 Graphische Analyse Wir können die Entscheidungsprobleme von Anpasser und Führer auch graphisch mit Hilfe von Isogewinnkurven illustrieren. Isogewinnkurven des Anpassers (lineares Beispiel): (a − c) y2 − by1 y2 − b ⋅ y2 2 = π 2 Bemerkungen: 1. Die Isogewinnkurven des Anpassers ähneln Parabeln, die auf der Seite liegen und nach links geöffnet sind. 2. Je weiter links die Isogewinnlinien (je niedriger y1), um so höher der Gewinn π2 . 3. Für jedes gegebene y1 findet man das optimale y2 auf der am weitesten links liegenden Isogewinnkurve. Prof. Martin Kocher Mikro 1-13 (SS 2009) 15 y2 y1 Abb. 13.2: Reaktionsfunktion des Anpassers Prof. Martin Kocher Mikro 1-13 (SS 2009) 16 Analog können wir die Isogewinnlinien des Marktführers betrachten: (a − c) y1 − by1 y2 − b ⋅ y12 = π 1 y2 Abb. 13.3: Stackelberg-Gleichgewicht Prof. Martin Kocher Mikro 1-13 (SS 2009) y1 17 Bemerkungen: 1. Die Isogewinnkurven des Marktführers und die des Anpassers sind Spiegelbilder relativ zur 45o Achse. 2. Der Marktführer wählt denjenigen Punkt auf der Reaktionsfunktion des Anpassers, der die höchstmögliche Isogewinnkurve gerade tangiert. Prof. Martin Kocher Mikro 1-13 (SS 2009) 18 13.3 Simultane Festlegung der Mengen Cournot-Modell (Auguste Cournot, 1838): Wenn beide Unternehmen gleichzeitig ihre Mengen festlegen müssen, weiß keines, welche Menge der Konkurrent gewählt hat. In diesem Fall müssen die beiden Unternehmen Erwartungen über die Handlung des Konkurrenten bilden. 13.3.1 Entscheidungsproblem eines Unternehmens Nehmen wir einmal an, Unternehmen 2 erwartet, dass Unternehmen 1 die Menge y1e wählt. Unternehmen 2 hat keine Möglichkeit, die Wahl von y1 direkt zu beeinflussen, sondern muss sie als gegeben hinnehmen. Prof. Martin Kocher Mikro 1-13 (SS 2009) 19 13.3.1 Optimale Wahl von y2 gegeben y1e: max p ( y1e + y2 ) ⋅ y2 − c2 ( y2 ) y2 BEO für Gewinnmaximierung: e ∂π 2 ∂ p ( y ∂c ( y ) 1 + y2 ) = p ( y1e + y2 ) + ⋅ y2 − 2 2 = 0 ∂y2 ∂y2 ∂y2 Diese Bedingung ergibt dieselbe Reaktionsfunktion, die wir aus dem Stackelberg-Modell kennen y2 = f 2 ( y1e ) aber sie hat eine andere Interpretation: ● Die Reaktionsfunktion im Cournot-Modell sagt nicht, wie Unternehmen 2 auf die tatsächlich gewählte Menge von Unternehmen 1 reagiert, sondern auf die erwartete Menge. Prof. Martin Kocher Mikro 1-13 (SS 2009) 20 Für Unternehmen 1 gehen wir ganz analog vor. Optimale Wahl von y1 gegeben y2e: max p ( y1 + y2 e ) ⋅ y1 − c1 ( y1 ) y1 “Reaktionsfunktion” von Unternehmen 1: y1 = f1 ( y2 e ) 13.3.2 Gleichgewicht Ein Nash-Gleichgewicht im Cournot-Spiel (auch Cournot-Gleichgewicht genannt) ist eine Mengenkombination (y1c,y2c), so dass c c ● y1c eine beste Antwort auf y2c ist: y1 = f1 ( y2 ) c c ● y2c eine beste Antwort auf y1c ist: y2 = f 2 ( y1 ) Im Gleichgewicht sind die Erwartungen der Unternehmen mit den tatsächlich gewählten Mengen identisch: Unternehmen 1 erwartet die Menge y2e=y2c und wählt deshalb y1c; Unternehmen 2 erwartet seinerseits die Menge y1e=y1c und wählt tatsächlich y2c. Prof. Martin Kocher Mikro 1-13 (SS 2009) 21 Beispiel (lineare Nachfrage und Kosten): ● Erwarteter Gewinn von Unternehmen 1: π 1 = ⎡⎣ a − b( y1 + y2 e ) ⎤⎦ ⋅ y1 − cy1 ● Reaktionsfunktion von Unternehmen 1: a − c y2 e y1 = − 2b 2 ● Reaktionsfunktion von Unternehmen 2: a − c y1e y2 = − 2b 2 ● Im Gleichgewicht muss gelten: Prof. Martin Kocher y1 = y1e , y2 = y2 e Mikro 1-13 (SS 2009) 22 ● Substitution von y2 in Reaktionsfunktion 1: a − c y1 − a−c 2 − 2b y1 = 2b 2 ● Auflösen ergibt das Cournot-Gleichgewicht: y1c = a−c = y2 c 3b ● Marktergebnis: 2(a − c) 3b a + 2c C p = 3 YC = Prof. Martin Kocher Mikro 1-13 (SS 2009) 23 Satz 13.2: Im Cournot-Modell existiert ein eindeutiges NashGleichgewicht. Im linearen Beispiel wählen beide Duopolisten die Menge y1C= y2C=(a-c)/3b. Bemerkungen: 1. Das Cournot-Gleichgewicht ist eine stabile Situation: Kein Unternehmen hat einen Anreiz, seine Menge zu ändern, nachdem es die tatsächlich gewählte Menge des Konkurrenten erfährt. 2. Bei symmetrischer Kostenstruktur ist das Ergebnis symmetrisch: die Firmen wählen identische Mengen. Frage: Was passiert bei asymmetrischen Grenzkosten? 3. Der Gesamtoutput ist größer als im Monopol, kleiner als bei vollkommener Konkurrenz. 4. Die Summe der Gewinne ist kleiner als im Monopol, größer als bei vollkommener Konkurrenz. Prof. Martin Kocher Mikro 1-13 (SS 2009) 24 5. Der Gewinn eines Cournot-Duopolisten ist niedriger als der Gewinn des Stackelberg-Führers. Warum? 6. Der Stackelberg-Führer produziert mehr als ein Cournot-Duopolist. Warum? 7. Im Stackelberg-Spiel ist der Anpasser besser informiert als ein Duopolist im Cournot-Spiel: er kann beobachten, welche Menge der Stackelberg-Führer auf den Markt wirft. Trotzdem erzielt der Stackelberg-Anpasser einen niedrigeren Gewinn als ein CournotDuopolist. Warum? Prof. Martin Kocher Mikro 1-13 (SS 2009) 25 13.3.3 Graphische Analyse y2 Abb. 13.4: Cournot-Gleichgewicht y1 Der Schnittpunkt der beiden Reaktionsfunktionen ist das Cournot-Gleichgewicht Prof. Martin Kocher Mikro 1-13 (SS 2009) 26 13.3.4 Dynamische Interpretation des Cournot-Modells Das Cournot-Gleichgewicht ist früher oft als Ergebnis eines dynamischen Anpassungsprozesses interpretiert worden: ● Jedes Unternehmen erwartet, dass der Konkurrent in der nächsten Periode dieselbe Mengenentscheidung wie in dieser Periode treffen wird. ● Dies impliziert: y1t +1 = f1 ( y2t ) y2t +1 = f 2 ( y1t ) ● Diese Gleichungen beschreiben ein dynamisches System. In unserem linearen Beispiel konvergiert dieses System zum CournotGleichgewicht. Prof. Martin Kocher Mikro 1-13 (SS 2009) 27 ● Diese Interpretation ist jedoch nicht überzeugend: Jedes Unternehmen bildet in jeder Periode falsche Erwartungen, ohne zu lernen, dass es in jeder Periode systematische Fehler macht. Da bessere Erwartungsbildung zu höherem Gewinn führt, hat jedes Unternehmen einen starken Anreiz, seine Erwartungen zu verbessern. ● Nur rationale Erwartungen können nicht weiter verbessert werden. Sie führen direkt zum Cournot-Gleichgewicht. Prof. Martin Kocher Mikro 1-13 (SS 2009) 28 13.3.5 Mehr als zwei Unternehmen Cournot-Gleichgewichte lassen sich auch für Märkte mit mehr als zwei Unternehmen berechnen und charakterisieren. Man kann zeigen: Wenn die Anzahl der Unternehmen gegen unendlich geht, ● konvergiert der Preis gegen die Grenzkosten, ● konvergiert die gesamte abgesetzte Menge gegen die Menge bei vollkommener Konkurrenz, ● geht der Gewinn aller Unternehmen gegen 0. Dies liefert eine theoretische Rechtfertigung für das Modell der vollkommenen Konkurrenz. Prof. Martin Kocher Mikro 1-13 (SS 2009) 29 13.4 Simultane Festlegung der Preise Bertrand-Modell (Joseph Bertrand, 1883): Jedes Unternehmen wählt seinen Preis und bedient alle Nachfrager zu diesem Preis. Da es sich um ein homogenes Gut handelt, strömen alle Käufer zum billigeren Anbieter. Annahmen: ● Jedes der beiden Unternehmen hat ausreichende Kapazität, um den gesamten Markt allein zu bedienen. ● Bei gleichen Preisen verteilen sich die Käufer zu gleichen Anteilen auf die beiden Anbieter. ● Die Unternehmen haben identische konstante Grenzkosten c und keine Fixkosten. Prof. Martin Kocher Mikro 1-13 (SS 2009) 30 Satz 13.3: Im Bertrand-Modell existiert ein eindeutiges NashGleichgewicht, in dem jedes Unternehmen p = c wählt. Jedes Unternehmen bedient den halben Markt und macht Nullgewinne. Beweis: 1. Im Gleichgewicht muss gelten, dass jedes Unternehmen einen Preis wählt, der seinen Gewinn maximiert, gegeben den Preis des Konkurrenten. 2. Kann es für ein Unternehmen optimal sein, pi<c zu wählen? 3. Kann es ein Gleichgewicht sein, dass pi>pj>c? 4. Kann es ein Gleichgewicht sein, dass pi>pj=c? 5. Kann es ein Gleichgewicht sein, dass pi=pj>c? 6. Was bleibt als Kandidat für ein Gleichgewicht? 7. Warum ist das ein Gleichgewicht? Q.E.D. Prof. Martin Kocher Mikro 1-13 (SS 2009) 31 Bemerkungen: 1. Das Marktergebnis im Bertrand-Gleichgewicht ist dasselbe wie bei vollkommener Konkurrenz: Preis gleich Grenzkosten, Nullgewinne. 2. Dieses Resultat wird Bertrand-Paradoxon genannt, weil es unplausibel scheint, dass bei nur zwei Anbietern keine Marktmacht herrscht. 3. Das Resultat beruht auf der extremen Preiselastizität der Nachfrage, der sich jeder Anbieter bei gegebenem Preis des Konkurrenten gegenübersieht, sowie auf der Annahme, dass jeder Anbieter groß genug ist, den Markt allein zu bedienen. 4. Es gibt Marktsituationen, die durch das Bertrand-Modell sehr gut beschrieben werden, z.B.: – Benachbarte Tankstellen. – Bieterwettbewerb bei Auktionen (z.B. für öffentliche Aufträge). Prof. Martin Kocher Mikro 1-13 (SS 2009) 32 5. Wenn die Bedingungen des Bertrand-Wettbewerbs vorliegen, gibt es einen starken Anreiz für die Unternehmen, den Wettbewerb durch Preisabsprachen (Kartelle) auszuschließen oder ihre Produkte zu differenzieren. Übungsaufgabe: Was passiert, wenn ein Anbieter niedrigere Grenzkosten hat als der andere (ci < cj)? . Prof. Martin Kocher Mikro 1-13 (SS 2009) 33 13.5 Kartellabsprachen Da sich im (Mengen- und Preis-)Wettbewerb niedrigere Preise und geringere Gesamtgewinne als beim Monopol ergeben, haben die Unternehmen einen Anreiz, den Wettbewerb durch Kartellbildung auszuschließen. Nehmen wir einmal an, die Unternehmen auf einem Markt können einen bindenden Vertrag über Mengen und/oder Preise schreiben. Dann werden sie eine Allokation wählen, die den Gesamtgewinn maximiert: max p ( y1 + y2 ) ⋅ ( y1 + y2 ) − c1 ( y1 ) − c2 ( y2 ) y1 , y2 BEO für Gewinnmaximum: p( y1 + y2 ) + p '( y1 + y2 ) ⋅ [ y1 + y2 ] = c1 '( y1 ) p( y1 + y2 ) + p '( y1 + y2 ) ⋅ [ y1 + y2 ] = c2 '( y2 ) Prof. Martin Kocher Mikro 1-13 (SS 2009) 34 Bemerkungen: 1. Die BEO verlangen, dass die letzte produzierte Einheit bei beiden Unternehmen dieselben Grenzkosten verursacht. Wenn Unternehmen 1 eine Grenzkostenkurve hat, die unter der von Unternehmen 2 liegt, dann wird Unternehmen 1 im Gewinnmaximum mehr produzieren. 2. Falls ein Unternehmen sehr viel mehr als das andere produziert, sind Seitenzahlungen notwendig, damit sich beide Unternehmen durch das Kartell tatsächlich besser stellen. 3. Jedes Unternehmen hat einen Anreiz, von der vereinbarten Menge abzuweichen. Gegeben die Kartellmenge für Unternehmen 2 ist der Grenzerlös von Unternehmen 1, wenn es eine zusätzliche Einheit produziert, größer als die Grenzkosten, denn die BEO p( y1 + y2 ) + p '( y1 + y2 ) ⋅ [ y1 + y2 ] = c1 '( y1 ) impliziert p ( y1 + y2 ) + p '( y1 + y2 ) ⋅ y1 = c1 '( y1 ) − p '( y1 + y2 ) ⋅ y2 > c1 '( y1 ). Prof. Martin Kocher Mikro 1-13 (SS 2009) 35 13.6 Wie können Kartelle gestützt werden Wenn Kartelle legal sind und Kartellverträge abgeschlossen werden können, sind Kartelle sehr attraktiv, weil sie den Wettbewerb zwischen den Unternehmen ausschließen und das Monopolergebnis erreichen. In fast allen Industrieländern sind Kartelle jedoch illegal und werden mit hohen Geld- und manchmal sogar Gefängnisstrafen geahndet (Beispiele: Zementkartell, Vitaminkartell, etc.) Internationale Kartelle (z.B. OPEC) sind nicht illegal, aber es gibt keine Gerichte, die diese Kartelle durchsetzen. Ohne einen durchsetzbaren Kartellvertrag lassen sich informelle Kartelle (“Frühstückskartelle“) als Gleichgewicht in einem unendlich oft wiederholten Spiel stützen (siehe Kapitel 12). Prof. Martin Kocher Mikro 1-13 (SS 2009) 36 Mit Hilfe der Spieltheorie kann zeigen, dass ein Kartell umso schwerer zu stabilisieren ist, – je größer die Anzahl der Oligopolisten ist, – je leichter Marktzutritt möglich ist, – je weniger gut Abweichungen von der Kartellvereinbarung beobachtbar sind (fehlende Markttransparenz) – je mehr Dimensionen der Wettbewerb hat (neben dem Preiswettbewerb auch z.B. Qualitätswettbewerb, Rabattwettbewerb, Konditionenwettbewerb, etc.). Fazit: Kartelle funktionieren am besten auf Märkten für homogene Güter mit wenigen Anbietern, hoher Markttransparenz und hohen Marktzutrittsschranken. Prof. Martin Kocher Mikro 1-13 (SS 2009) 37 13.7 Anwendungsbeispiel: Microsoft Im Juni 2000 urteilte US-Bundesrichter Jackson, Microsoft sei in zwei unabhängige Unternehmen aufzuspalten. Das eine Unternehmen sollte die Rechte an Windows erhalten, das andere Eigentümer der Office Programme werden. Einige Ökonomen wandten ein, simple “Lehrbuch-Ökonomie” zeige, dass eine solche Aufspaltung die Situation für alle Beteiligten (Produzenten und Konsumenten) verschlechtern werde (siehe z.B. The Economist, 20.5.2000, Seite 112). Wir wollen hier verstehen, auf welchen Argumenten diese Position aufbaute. Danach werden wir diskutieren, warum die Aufspaltung dennoch hätte sinnvoll sein können. Prof. Martin Kocher Mikro 1-13 (SS 2009) 38 Betrachten Sie das folgende Modell der Situation: Zwei Güter: ● Windows (Betriebssystem) ● Office (Anwendungsprogramm) Nachfragefunktionen: 1 yw = 1 − pw − po 2 1 yo = 1 − po − pw 2 Die Grenzkosten für beide Güter sind c = 0. Beachten Sie: ● Die beiden Güter stehen nicht in Konkurrenz zueinander, sondern ergänzen sich wechselseitig. Sie sind Komplemente. ● Je höher der Preis des einen Gutes, um so geringer ist die Nachfrage nach dem anderen Gut und umgekehrt. Prof. Martin Kocher Mikro 1-13 (SS 2009) 39 Fall 1: Monopol, das beide Güter anbietet 1 ⎤ 1 ⎤ ⎡ ⎡ max pw ⎢1 − pw − po ⎥ + po ⎢1 − po − pw ⎥ pw , po 2 ⎦ 2 ⎦ ⎣ ⎣ BEO: 1 − 2 pw − po = 0 1 − 2 po − pw = 0 Auflösen nach po und pw und ergibt: pw = po = 1 3 Gewinn pro Produkt: 1 ⎛ 1 1⎞ 1 ⋅ ⎜1 − − ⎟ = 3 ⎝ 3 6⎠ 6 Prof. Martin Kocher Mikro 1-13 (SS 2009) 40 Fall 2: Aufspaltung in zwei Monopolgesellschaften, eine für Windows und eine für Office Firma O: BEO: Reaktionsfunktion: Analog für Firma W: Nash-Gleichgewicht: Gewinn pro Produkt: Prof. Martin Kocher 1 ⎤ ⎡ max po ⎢1 − po − pw ⎥ po 2 ⎦ ⎣ 1 e pw = 0 2 1 1 po = − pw e 2 4 1 1 e pw = − po 2 4 2 1 po = pw = > 5 3 2 ⎛ 2 1⎞ 4 1 ⋅ ⎜1 − − ⎟ = < 5 ⎝ 5 5 ⎠ 25 6 1 − 2 po − Mikro 1-13 (SS 2009) 41 Fazit und Diskussion: ● Bei einem einzigen Monopol sind die Preise niedriger, und der ● ● ● ● Gewinn des Monopolisten ist höher! Warum werden durch die Aufspaltung alle Beteiligten schlechter gestellt? Wie könnte man die Aufspaltung von Microsoft möglicherweise doch rechtfertigen? Wie hat die Berufungsinstanz reagiert? Was ist die Politik der Direction Générale “Wettbewerb” der EUKommission? Prof. Martin Kocher Mikro 1-13 (SS 2009) 42