www.evimed.ch Subklinische Schilddrüsendysfunktion nicht mit Depression oder Angststörung assoziiert Frage: Gibt es eine Assoziation zwischen einer subklinischen Schilddrüsenstörung (Hypo- oder Hyperthyreose) und Beeinträchtigung der kognitiven Funktion, Depression oder Angststörung? Hintergrund: Tests zur Bestimmung des THS oder der Schilddrüsenhormone entdecken auch milde Störungen der Schilddrüse. Oft sind bei diesen milden Störungen keine Symptome vorhanden. Trotzdem werden Patienten mit einer subklinischen Hypo- oder Hyperthyreose (nicht normale TSH bei normalen Werten für T3/T4) oft behandelt, weil man eine damit assoziierte Beeinträchtigung der kognitiven Funktion und depressive Symptome behandeln will. Es ist aber unklar, ob diese Assoziation besteht und ob eine subklinische Schilddrüsenstörung eine klinische Relevanz hat. Einschlusskriterien: • ≥ 65 Jahre • Patienten aus Hausarztpraxis Ausschlusskriterien: • Manifeste, therapierte Schilddrüsenerkrankung Studiendesign: Querschnittsstudie Studienort: 20 Hausarztpraxen in der Region von Birmingham, England Outcome: • • Symptome einer Depression oder Angststörung (Hospital Anxiety and Depression Scale, Skala von 0-21, wobei man ab 8 Punkten von einer milden Depression oder Angststörung ausgeht) Kognitive Funktion (Mini mental state test) • Bestimmung des TSH und des freien T4 Resultat: • 5868 Patienten wurden in die Studie aufgenommen (Durchschnittsalter 74 Jahre, 51% Frauen). 2.3% der Patienten hatten zumindest eine leichte depressive Störung (≥ 8 Punkte) und 6.3% eine Angststörung. • 94% der Patienten hatten normale Schilddrüsenwerte, 3% eine subklinische Hypothyreose (TSH >5.5 mIU/L und freies T4 9-20 pmol/L) und 2% eine subklinische Hyperthyreose (TSH <0.4 mIU/L und freies T4 9-20 pmol/L). • In Analysen, in welchen keine Störfaktoren (confounders wie Alter, Geschlecht, Komorbiditäten, Medikamente, sozialer Status) berücksichtigt wurden, hatten Patienten mit einer subklinischen Hyperthyreose leicht stärkere Symptome einer Depression (Durchschnittswert von 4.16 auf Skala von 0-21) als Patienten mit normaler Schilddrüsenfunktion (Durchschnittswert von 3.45). www.evimed.ch • • • Auch Angstsymptome waren bei Patienten mit einer subklinischen Hyperthyreose etwas stärker ausgeprägt (5.44 gegenüber 4.80 bei Patienten mit normaler Schilddrüsenfunktion). Wenn man die Störfaktoren jedoch berücksichtige, waren keine Unterschiede zwischen Patienten mit subklinischer Hyperthyreose und normaler Schilddrüsenfunktion mehr zu beobachten. Für Patienten mit einer subklinischen Hypothyreose gab es in keiner Analyse Unterschiede bezüglich Symptomen einer Depression oder Angststörung im Vergleich zu Patienten mit normaler Schilddrüsenfunktion. Auch in der kognitiven Funktion konnten keine Unterschiede zwischen Patienten mit einer subklinischen Störung der Schilddrüsenfunktion und Patienten mit normaler Schilddrüsenfunktion gefunden werden. Kommentar: • In dieser Studie wurde sorgfältig für mögliche Störfaktoren kontrolliert, welche die Assoziation zwischen einer subklinischen Störung der Schilddrüsenfunktion und der kognitiven Funktion, Depression oder Angststörung beeinflussen können. Eine weitere Stärke der Studie ist die einheitliche Erfassung der Schilddrüsenfunktion und der outcomes, was bei einer solch grossen Studie eine Herausforderung ist. • Die Hospital Anxiety and Depression Scale wird sehr häufig in Studien verwendet und erlaubt eine standardisierte Erfassung von Symptomen einer Depression oder Angsterkrankung. Ein möglicher Nachteil ist es, dass man eine Depression oder Angsterkrankung vermutlich nicht immer erfasst wie es in einer ausführlicheren Anamnese der Fall wäre. Die im Vergleich mit anderen Studien tiefe Prävalenz der Depression (2.3%) und Angststörung (6.3%) deutet darauf hin, dass eventuell nicht alle Patienten mit einer Depression oder Angststörung erfasst wurden. Ob dies allerdings zu einer Unterschätzung der Assoziation zwischen einer subklinischen Störung der Schilddrüsenfunktion und einer Depression oder Angststörung geführt hat, ist unklar. • Wie frühere Studien zeigt auch diese Studie, dass eine subklinische Störung der Schilddrüsenfunktion nicht mit einer Beeinträchtigung der kognitiven Funktion, Depression oder Angststörung assoziiert ist. Die Suche nach einer subklinischen Störung der Schilddrüsenfunktion als möglicher Grund einer Depression oder beeinträchtigten kognitiven Funktion wie auch die Behandlung einer subklinischen Störung scheint daher nicht gerechtfertigt. Literatur: Roberst LM et al: Is subclinical thyroid dysfunction in the elderly associated with depression or cognitive dysfunction? Ann Intern Med. 2006 Oct 17;145(8):573-81. Verfasser: Milo Puhan