Erziehungswissenschaft in systematischer Perspektive Klausurvorbereitung 1.) Allgemein Aufgaben: - Grundstruktur pädagogischen Denkens und Handelns erklären handlungstheoretische Fragestellung der EW + Gegenstand wissenschaftstheoretischer Vermittlungsprobleme von pädagogischer Praxis pädagogische Handlungsforschung + erziehungswissenschaftliche Forschung Pluralität vs. Versuche, das Ende der Allgemeinen Pädagogik zu erklären Ansätze: - - - Wissenschaftstheorie – Metatheorie seit Positivismus (60er Jahre) Erziehungswissenschaft ist forschungslogisch, aber: Erkenntnis- und Handlungstheorie nicht wissenschaftstheoretisch kategoriale Bestimmung des Gegenstandes, objekttheoretische Bestimmung hermeneutischer Ansatz Handlungstheoretische Prinzipien + Kategorialanalyse älteste Versuche Subdisziplin der angewandten Philosophie Wie soll Gesellschaft funktionieren? relative Autonomie, aber: seit Neuzeit Betonung der Eigenart und der relativen Autonomie also nicht Folgung theologischer oder philosophischer Gedankenskonstrukte, sondern selber denken pädagogischer Prozess ist gerichtet, da Entwiclung und Veränderung des Individuums Psychologie wertfrei, Pädagogik nicht wertfrei Schleiermacher, Flittner, Petzold, Ballhaus, Habarts Vermittlung zwischen Wissenschafts- und Handlungstheorie pädagogische Forschung will Praxis aufklären und mit Theorie konfrontieren Roth, Pranges, Derbolars Prinzipien: - - Bildsamkeit, d.h. Entwicklung des Individuums durch Vielfältigkeit und Offenheit Aufforderung zur Selbstständigkeit Transformation gesell. Determination auf pädagogische Determination nichthierarchische Verhältnisbestimmung der menschlichen Gesamtpraxis Geschichtlicher Wandel: - älteste Fassung einer systematischen Pädagogik Antike, Platon und Aristoteles - Ordnung des gesell. Lebens in der Polis mittels Gewöhnung des Einzelnen an für den jeweiligen Stand geltende Sitten - Lernprozess genetisch orientiert (Regieren durch Erziehung um später selbst zu regieren) - Modell bis Mittelalter von Bedeutung, aber: mit phil.-theolog. Ordnungslehren - mit Erkenntnis der bürgerlichen Gesellschaft Überführung der hierarchischgeordneten Gesellschaft in eine freie Gesellschaft Erkenntnis, das Wissen durch Verstand kommt pädagogisches Handeln nicht mehr Teil des politischen Generationsverständnisses sondern relative Autonomie - - - - Erziehungswissenschaft selbst sehr junge Disziplin seit 1782 in Halle (Baselow, Krampf) 1970er Jahre: stürmische Expansion enge Korrelation mit Lehrerbedarf und –ausbildung hohe Geburtenrate – hohe Nachfrage nach Lehrern hohe Nachfrage nach Hochschullehrern zur Ausbildung der Lehrer keine fachgerechte Einstellung, Quantität vs. Qualität später: schnelle Streichungen der Stellen seit 80er Jahre: Entwicklung zu stabilen Fach Einteilung: - - Subdisziplinen (erstellen eigene Inhalte) Fachrichtungen (konjunkturabhängig) Praxisfelder Pädagogische Lehren Die Erziehungswissenschaft als Disziplin ist vielfältig und kein einheitliches Fach! Unterscheidung: - Forschungsgegenstände (Methoden, Lernen, Erziehungsmethoden) - verschiedene Arten der Forschung (EW als Philosophie? Naturwissenschaft? Fragestellung im allgemeinen?) - Was ist Erziehungswissenschaft? Welche Forschungsmethoden sind angemessen? Welche Wissenschaftstheorien? 2.) Hauptrichtungen der Erziehungswissenschaft Allgemein: - Hauptrichtungen stammen alle aus 60er Jahre beschreiben verschiedene Zugänge zum Phänomen Erziehungswissenschaft kann nicht durch naturwissenschaftliche Erkenntnisse abgedeckt werden - Wissenschaftstheorie ist die Ebene der Metatheorie wissenschaftstheoretisches Grundwissen ist unverzichtbar Theorien werden auf bestimmte Bereiche abgesteckt 2.1. Geisteswissenschaftliche Pädagogik - beherrschende Richtung (nach 1.WK über NS-Zeit bis in 60er Jahre) gemeinsamer Bezugsrahmen: Philosophie Einfluss auf die Pädagogik in Westdeutschland bis in die 60er Jahre Begriff „Geisteswissenschaft“ geht auf Diltei zurück (Vater der modernen GW) Diltei grenzt GW gegenüber normativen Wissenschaften (Ethik, Theologie) aber auch gegen Naturwissenschaften ab - Die Natur beschreiben wir, die Seele verstehen wir Erklärung vs. Verstehen in GW geht es um Verstehen des Sinns und dessen Bedeutung Erklären ist Auseinandersetzung mit naturwissen. Sachen Verstehen – Zentralbegriff der GW = methodisches Grundmuster Alles ist ein Text, dessen Bedeutung verstanden werden muss. Vertreter: Litt, Spranger, Weniger, Nohl (alle um 1880 geboren) Einfluss auf das praktische Denken? - - - - zeigt sich in Hochschulbildung, Lehrerpädagogik (kritisches Auseinandersetzen mit Schulen) Anspruch an Pädagogik: Theorie einer histor.-gesell. Praxis zu sein, aber im Dienste dieser Praxis Analyse der Praxis um diese zu Verstehen GW kann keine Anleitung für Praxis geben, sie analysiert nur, ohne Drang zur gesellschaftlichen Veränderung Schleiermacher: Praxis älter als Theorie hindeutende Begriffe: Reflexion am Standort der Verantwortung des Denkens, sich engagierende Reflexion Merkmal: Hervorherbung der Geschichtlichkeit der Menschen und der Erziehung Mensch erkennt sich in Geschichte, nicht durch Introspektion Anliegen ist das histor.-system. Arbeiten (Historität, Hermeneutik) aus einer historischen Analyse sollen sich Strukturen ergeben, die für Gegenwart zweckmäßig sind Hermeneutik (Kunst des Sehens und Findens): aus historischer Analyse Erkenntnisse gewinnen man spricht von Hermeneutik, Pragmatischer Theoriebildung, mit den Bestandteilen verstehen, Praxisfeld und Handeln Autonomie der Pädagogik? - weiterer Kernbegriff - wie lässt sich Individualität der Pädagogik erklären, wenn auch andere Wissenschaften die Hermeneutik benutzen? - Ansatz: Pädagogik soll eigenständige Funktion im Zusammenspiel von gesellschaftlichen und in Eigenrechten der Kinder ggüber Erwachsenen und gesell. Gruppen behaupten Anwalt des Kindes - Kernprogramm: „Grundlage der Erziehungswissenschaft ist das Verhältnis eines reifen Menschen zu einem werdenden Menschen.“ - mit diesem Bezug begründet geisteswissenschaftliche Pädagogik ihre Autonomie Kritik an GW-Pädagogik: - in den 60er Jahren (mit Aufkommen der anderen Richtungen) - zunehmendes Vordringen empirischer Methoden in der EW und eine allgemein soziale Orientierung der Pädagogik - Vorwurf, dass die geisteswissenschaftliche Pädagogik bestehende Strukturen bestärkt 2.2. Kritisch-rationale Erziehungswissenschaft Allgemein: - - Kritik an GW Pädagogik: keine Empirie Einforderung einer empirischen Komponente (seit 19. Jh) pädagogische Tatsachenforschung (von NS unterstützt) Durchbruch der empirischen Wissenschaft durch Roth Frage: Was soll Wissenschaft sein? Präzinka: 3 Typen von Theorien: Erziehungswissenschaft (emp. Methode) Philosophie der EW Praktische Pädagogik (zum Handeln befähigte Theorie der EW) Versuch EW zu emanzipieren Problem der Wertneutralität alle Wirklichkeit ist interpretiert sobald sie sprachlich erfasst ist Was ist kritisch? Theorien kann jeder machen, aber sie müssen intersubjektiv überprüfbar, wiederholbar sein 5 Kritikpunkte: - Theorieorientiert - Form von Reduktionismus - große Verantwortungslosigkeit bei Vernachlässigung des Verwertungszusammenhangs - Deterministisches Erziehungsverständnis - keine Verbessung in Hinblick auf kritischen Gesellschaftsbezug 2.3. Kritische Erziehungswissenschaft Allgemein: - deutliche Abgrenzung von der GW positivistisch heißt, das Gegebene ist Gegenstand der Wissenschaft wer entscheidet darüber? Betrachtung des Gegenstandes als bloßes Objekt technische Rationalität wird zum Wert an sich (Neutralität?) nur was empirisch erforschbar ist, ist Gegenstand der Wissenschaft Wirklichkeitsverständnis ist dogmatisch konservativer Wirklichkeitssinn vor utopischen Möglichkeitssinn Individualität verfällt der Abstraktion Technik wird zum Handlungsmodell (Fremdbestimmung damit auf der Hand) Keine einheitliche kritische EW, aber einige einheitliche Punkte: - gesell. und pol. Bedingheit muss reflektiert werden (Autonomieanpruch abgelehnt) - Kenntnisansprüche der Hermeneutik muss durch Analyse der sinnhaften Vorraussetzungen der Wissenschaft relativiert werden - Exkurs: Metaerzählung (sinnhafte Vorraussetzungen) a. Wissenschaft dient der Entwicklung des Menschen (gescheitert an Frz. Revol.) b. Wissenschaft dient der Entwicklung des Weltgeistes (gescheitert an 1. WK) c. Wissenschaft dient der Entwicklung des Sinns Erkenntnisinteresse der Hermeneutik ist gesellschaftstechnisch zu vergleichen Theorie hat kritische Theorie zu sein kritische EW ist emanzipatorisch, d.h. sie versucht das pädagogische Feld so u strukturieren, dass die Vernünfitgkeit und Selbstbestimmung der Subjekte gefördert, nicht verhindert wird Kritische EW ist mehr eine Sichtweise, mit der Theorien und Hypothesen entwickelt werden können! Kritische EW hat eine normative Basis! - greift gesellschaftliche Brüche auf, die sich immer wieder neu entzünden Faktoren einer Gesellschaft: öko.-pol- Freiheit Gerechtigkeit Fortschritt Subjektivität Im Mittelpunkt der kritischen EW steht die Ideologiekritik: - impliziert Meinung, dass das Bewusstsein in einem Rahmen gefangen ist - EW muss kritisch konstruktiv sein - Bildung ist gesell. Begriff und Besitz Kritik an der kritischen EW: - Gegenreaktion: Bonner Thesen „Mut zur Erziehung“ 1978 massive Abkehr von kritisch-emanzipatorischer Orientierung kritische EW als erneutes Aufleben des Marxismus Reduzierung des Erziehungsproblems durch Negation der Herrschaft und Emanzipation aus Abhängigkeitsverhältnissen Verengung der Interpretationsperspektiven 2.4. Weitere Richtungen der Erziehungswissenschaft - phänomenologische Erziehungswissenschaft systemtheoretische EW + Konstruktivismus histor.-mater. EW Tendenzen der Theorieentwicklung - EW hat sich quantitativ erweitert - Krise der Wissenschaften (Postmoderne) - Alltagswende in der EW - hermeneutische Fragestellungen gewinnen ggüber der Empirie an Gewicht 3.) Forschungsprozess Allgemein: - EW erforscht Raten und Daten absolute Zahlen (unabhäng) Raten (in Abhängigkeit von Einwohnerzahlen z.B.) Dürkheim: Soziologie als Wissenschaft etablieren (Ende 19 Jh.) Die 7 Schritte des Forschungsprozesses 1.) Problemdefinition - ungewisse Dunkelziffer bei Suiziden (z.B) - Variable = Merkmal der sozialen Realität z.B. Suizidziffer oder –rate, kann variieren - abhängige Variable: z.B. Suizidziffer, geschichtliche Abhängigkeit - unabhängige V.: Faktoren, die die abhängige beeinflussen 2.) Literaturrecherche - Wissensbestände über das zu untersuchende Thema 3.) Hypothesenbildung - z.B.: Integratinsgrad einer Gruppe - umgekehrte Propotionalität: Je besser Menschen in eine Gruppe integriert ist, desto geringer ist die Suizirate - Gedanken übers Messen, einige Variablen sind durch direkte Beobachtung zugänglich, aber: Grad der Integration ist z.B. nicht messbar - Indikatoren festlegen und Operationalisieren 4.) Forschungsdesign - Wahl eines Untersuchungsplans - Methoden: Experiment, Umfrage etc. - Indikatorenbildung: operationalisierende Definition (???) z.B.: Familienstand, Religionsangehörigkeit - großer Einfluss auf Messergebnis 5.) Datenerhebung 6.) Datenanalyse - beginnt bereits schon vor der Datenerhebung - jedes Wissen, dass nicht methodisch gewonnen wurde, ist kein wissenschaftliches Wissen 7.) Schlussfolgerung 4.) Forschungsstrategien Unterscheidung: - quantitativ: Häufigkeitsphänomen, goße Datenmenge möglich, Bestimmung von Beziehungen zw. Variablen, Korrelationskoeffizient - qualitativ: keine numerische Untersuchung, verbale Beschreibung 4.1. Hermeneutik = Auslegekunst, „Suchkunst“ in Bezug auf den Sinn = in jeder Forschung mit enthalten Verstehen = die Bedeutung von Zeichen erfassen (Bilder, Texte, Filme) Schleiermacher (aus Philologie) Erziehungswirklichkeit in aktuellen Problemen zu finden und zu deuten „Wir nennen den Vorgang, in welchem wir aus Zeichen, die von außen sinnlich gegeben sind, ein Inneres Erkennen, Verstehen.“ Dilthey: - was wir erschließen, sind nur Erscheinungen, nicht das Ding selbst Verstehen = Einordnen in einen Sinnzusammenhang aber: Sinn ist konstruiert!! (nach Sprenger) Verstehen ist kein psychologisches Einfühlen!! ist gebunden an Vorraussetzungen und an Rückkehr zum Ursprung (siehe Zirkel) Verstehen = Prozess Der Hermeneutischer Zirkel - Prozess des Verstehens Mehrstufigkeit und prinzipielles Nichtabgeschlossensein des Verstehensprozesses 4.2. Umfrageforschung Interview qualitative Daten schriftliche Befragung quantitative Daten Zweck: - öffentliche Meinung messen - Annahmen über das Verhalten von Personen testen - Handeln von Personen voraussagen große Mengen von Daten möglich Daten über Gesamtheit von Individuen (Population) werden gesammelt, in dem man eine im Voraus ausgewählte Stichprobe befragt. - repräsentative oder nicht repräsentative Stichprobe? Mathe: erst ab 5000 repräsentativ Zufall oder ohne Zufall? zufällig: ohne jede erkennbare Struktur gebaut strukturierte Stichprobe, durch Struktur Population nachahmen Formen: Fragebogen, Interview etc. - Fragebögen: geschlossen oder offen, Formulierung, Reihenfolge etc etc. 4.3. Experiment - effizientes Instrument zum Nachweis einer Kausalbeziehung Grundgedanke: - unabhängige und abhängige Variable einschätzbar - systematische Variation der unabhängigen Variablen - Effekt auf die abhängige Variable beobachten - c.p. = ceteris paribus (alles andere konstant) - Laborexperiment: versetzen Probanten in künstliche Umgebung, in der man Bedingungen exakt kontrollieren kann Feldexperiment: in Situation des realen Lebens, Nachweis von Kausalbeziehungen schwieriger, da nicht alle Bedingungen erfassbar 4.4. Beobachtung - in der Ethnographie, Feldforschung, teilnehmende Beobachtung systematisch und meist qualitative Beobachtung Ziel: Das soziale Leben in der Praxis detailliert beschreiben und interpretieren 4.5. Inhaltsanalyse Ziel: Produkte des sozialen Lebens, Dokumente aller Art aufgezeichneter Kommunikation (Briefe, Autobiographien) zu interpretieren... möglich: - manifesten (offensichtlichen und beabsichtigten) und latenten Inhalt von Kommunikationssystemen systematisch zu organisieren und zusammenzufassen 5.) Kultur, Erziehung, Erziehungswissenschaft 5.1. Einstieg: Vermittlung kompetenter Lerninhalte Problem: Wie kann man nicht nur verstehen das Menschen lernen, sondern dass sie neues Wissen so in ihren subjektiven Wissensbestand integrieren, dass es relativ dauerhaft verankert wird und einen nachhaltigen Einfluss auf ihr Handeln und ihre Einstellung hat? Ansatz: - Lernen aus 2 Quellen: durch eigene Erfahrung, durch Übernahme von Deutungsmustern Voraussetzung: subjektive und aktive Konstruktion von sinnhaft strukturierten (Wissens-) Domänen Erfahrungen für sich genommen sind noch nicht sinnvoll, wir ordnen sie ein und geben ihnen dadurch einen Sinn - Sinn ist das Bewusstsein davon, dass zwischen Erfahrungen eine Beziehung besteht - Sinn wird durch Bewusstseinsleistung erst erstellt Sinnfrage ist entscheidend für unser Leben Sachen, die nachhaltig verankert werden, berühren die Identität territoriale Identität wird erlernt - es gibt nicht den EINEN Sinn - Schrittweises Entstehen von Sinn: 1.) eine aktuell gemachte Erfahrung wird aus Handlungsschema abgeleitet Sinn einer Handlung entsteht aus Problemlösung des Subjekts 2.) gefundene Problemlösung und der darin konstruierte Sinn ist nicht subjektiv, sondern intersubjektiv relevant unter bestimmten Gesichtspunkten kann Sinn auch objektiviert werden dadurch kann ursprünglich intersubjektivierter Sinn in den gesellschaftlichen Wissensvorrat aufgenommen werden 3.) gesellschaftlich optimierte objektive Sinnbestände werden in Institutionen vermittelt Lebensgemeinschaften können zu Sinngemeinschaften werden - Identität von Sinngemeinschaften - Faktoren für Sinnkrisen: Bildung eines persönlichen Identitätssinns Grad der Übereinstimmung der gesell. erwarteten und wirklichen Sinngemeinsamkeit je geringer der Zusammenhang, desto größer die Wahrscheinlichkeit einer Krise Beispiel: Lehrer – Schüler - - Menschen lernen aus Erfahrungen oder über narrativ vermittelte Deutungen Lehrer und Schüler sind zunächst nur teilweise in Schule integriert Schüler ist Träger seines individuellen Sinnsystems, welches aus 2 Quellen gespeist wird Erfahrung von ihm selbst + Deutungen aus dem Leben Erfahrungen werden im Geist verknüpft Prozess des Unterrichtens in 2 Richtungen ausgeprägt: - Einwirkung auf Erfahrungssituation und Deutung - Lehrer entwerfen Deutungen und bieten diese an - Schüler hören zu und wählen aus, was in ihr Weltbild passt oder gut klingt - Deutungsangebote beziehen sich auf geschichtliche + wirtschaftliche + kulturelle Deutungsangebote 5.2. Abgrenzung der Kulturpädagogik Historisch: - Kulturpädagogik war eine an der Kultur- und Wertphilosophie orientierte Richtung innerhalb der EW (Blütezeit 1900-1933) - Spranger, Litt, Meister, Nohl, Flitner, Simmel, Fischer - Verflechtung von EW mit objektiven Kulturzusammenhängen - Existenz objektiver Sinnbezüge und Sinngehalte (Kulturgüter) als Basis und Ziel (Bildungsgüter) der Erziehung Kulturgüter können zu Bildungsgütern werden Herabwürdigung in bloßer Bildungsinstitution Kulturgut soll eigentlich leben (?) wenn sich Schule daran bemächtigt droht Gefahr der Herabwürdigung Kulturgüter sind darauf angewiesen von neuen Generationen aufgegriffen und weitergegeben zu werden Vertreter: Anliegen: Ausgangspunkt: - Argumentation: - Kultur ist der Gesamtzustand der Kulturgüter, die als solche durch den menschlichen Geist erzeugt werden Kultur bedarf zu ihrem Weiterleben im Wechsel der Generationen ständig neue Träger Heranwachsende müssen mit Kultur in Berührung kommen, Verlebendigen, Weiterschaffen Probleme: - Sinn objektiv geschafft, Stoffauswahl objektive Sinngehalte = Kulturgüter, aber es gibt keinen objektiven Sinn Wissenschaft dient dazu, den Sinn der Welt zu entdecken 5.3. Kulturelle Dimension der Sozialisation Kultur als Bedingung und Form sozialen Handelns eng verwoben mit anderen Aspekten des sozialen Lebens: Kulturelle Werte beeinflussen ganz entscheidend: - Art des Handelns und Denkens - Eingehen sozialer Beziehungen - individuelle Ziele 5.4. Kulturbegriffe colere = wohnen, bauen, pflegen, verehren Cicero: cultura animi: Kultivierung der Personen und der Formen menschlichen Zusammenlebens - Kultur ist verknüpft mit der durch Abgrenzung (Distinktion) erzeugten sozialen Ungleichheit (Schichten, Stände etc.) Distinktion drückt sich auch in unseren Vorstellungen von „Kultivierung“ aus - Hochkultur (maßstabbildend, Geltungsanspruch) Kultur als Bestandteil der Idealisierung der eigenen Gruppe (z.B. Barbarei) Enttheologisierung des Kulturbegriffs durch Lazarus, Dilthey, Cassirer, Simmel Kultur als Synonym für „zweite Natur“, „objektiver Geist“, „Zivilisation“ 5.6. Elemente der Kultur Grundelemente: Artefakte, Werte, Normen, Symbole, Wissen - von Menschen geschaffene Dinge Werte - - sinnhafte, gefühlsmäßige Verankerung aus soziologischer Sicht (operationalisiert um zu wissen was richtig/falsch ist) eine von der Mehrheit einer Gruppe geteilte, allgemeine Vorstellung darüber, was gut oder schlecht, wünschenswert oder unerwünscht ist Werte sind bestimmend für Lebensstile Werte können wechselseitig verstärken (oder konfigurieren) Werte (in sozialwissen. Sicht) können universell gültig sein, sind aber zumeist nur in bestimmten Situationen gültig aus psychologischer Sicht Werte existieren, es gibt sie wirklich wir können aus einer Welt in eine andere sehen und deren Werte sehen und begreifen Schöpfung an sich ist bereits ein Werk es gibt Wertqualitäten, die für jedermann einsichtig sind gewisse Werte bestehen nur in bestimmten Situationen Normen - spezielle Richtlinien, Regeln, die aussagen wie man sich in bestimmten Situationen verhalten soll gelten häufig ohne schriftliche Fixierung als Sitten und Bräuche beziehen sich auf erwünschte Gleichförmigkeit variieren von Gesell. zu Gesell. (wie Werte) und auch von Gruppe zu Gruppe innerhalb einer Gesellschaft Erlernen ist im Prozess des Lernens der eigenen Kultur eingebettet sind eng mit der Sozialisation verbunden abhängig von Umständen Normübertretung ==> Reaktion der Gesellschaft, aber keine Sanktionierung Eine Handlung kann norm- oder wertgeleitet sein. Symbole - sind Gegenstände, Gesten, Töne, Bilder etc. die auf etwas verweisen, als nur auf sich (Ampelmännchen) „Zeichen“: Buchstaben, direkter Bezug Symbol: direkte komplexe Verweisungszusammenhänge (weiße Taube) beruhen auf Vereinbarungen, gleichen nicht oft der physischen Darstellung („88“) symbolische Verweisungssysteme manifestieren kulturelle Symbolproduktion Sprache - System phonetischer Zeichen, in der Bedeutungen erzeugt und einander zugeordnet werden soziale Situation wird mit Sprache interpretiert (Distinktion) Sprache als soziale Einordnung - = Ansammlung von Informationen deklaratorisches Wissen, praktisches Wissen - Wissen - kulturell vermitteltes Wissen 5.7. Materielle und nichtmaterielle Kulturverkörperung materielle Kultur: - Artefakte = Dinge, die vom Menschen geschaffen wurden und denen sie Bedeutung beimessen nichtmaterielle Kultur: - Werte, Wissensbestände, Regierungsformen, Sprachen (geistiges Produkt) wechselseitige Beeinflussung objektive Kultur: - Dinge, die unser Leben sachlich erfüllen - Möglichkeit der Individuen, sich durch Aneignung kultureller Produkte so zu verfeinnern, wie das einer zunehmend ausdifferenzierten Kultur angemessen ist subjektive Kultur: Tempo und Masse der Kulturprodukte wird immer mehr schneller, immer mehr wenn man Kultur lernen will, müsste man sich mit all diesen Artefakten auseinandersetzen 6.) Soziale Interaktion – Wie können pädagogische Prozesse erklärt werden? Mikroebene => Mesoebene => Makroebene 6.1. Mikroebene : Die Allgegenwart sozialer Interaktion Allgemein: - sozial = mehrere Personen beteiligt inter = wechselseitige Beeinflussung Menschen agieren, reagieren mit Zielen Orientierung auf andere Personen, reagieren mit Zielen Interaktion ist immer zielgerichtet 5 Perspektiven zur sozialen Ordnung, Betrachtung aus: a.) Definition der Situation - Leitfrage: Wie definiert eine Person eine Situation? - meist Bedeutung der Situation allen Beteiligten klar - meist Situationsdefinition weder bewusst noch eindeutig (divergierende Situationsdefinition) - Thomastheorien: wenn Menschen Situation als real einschätzen, werden Konsequenzen ebenfalls real sein - Mehrzahl der Situationen sind vieldeutig - Situationsdefinition ist ein Stück ausgehandelter sozialer Ordnung b.) Georg Herbert Mead – symbolischer Interaktionismus - Alter-Ego-relativating - Leitfrage: Welche Symbole treten in sozialer Interaktion aus und/oder werden dort erzeugt? - durch Gestik, Mimik, sprachliche Symbole - wechselseitige Rollenübernahme ermöglicht aufeinander abgestimmtes Verhalten - in symbolischer Interaktion wird soziale Wirklichkeit erzeugt - eine Lebenswelt konstituiert sich durch Art der Handelnden - Rolle signifikanter Symbole: Ausbildung wechselseitiger Verhaltenserwartungen Rollenübernahme: Symbole sind Hilfsmittel zum Verständnis der Ziele anderer Personen (Empathie) c.) Erwin Goffman – Wir spielen alle Theater (dramaturgischer Ansatz) - Erweiterung des Interaktionsansatzes - wir handeln vor Publikum (echt oder imaginär) - Akteure gewinnen soziale und persönliche Identität aus der Teilnahme prozesssysmbolischer Interaktion - Selbstinszenierung - Akteure sind Mitglieder sozialer Gruppen (Ensemble), sie müssen Regeln des Ensembles einhalten - für jede soziale Situation gibt es ein Drehbuch, die aus geteiltem kulturellem Vorverständnis und Lebenserfahrung entstehen aber kein Regisseur - Eindrucksmanagemant: Mitspieler und sich selbst davon überzeugen, dass die dargestellte Rolle echt ist - Akzeptanz von Rollen, die als unecht empfunden werden (zivile Unachtsamkeit) - Übernahme einer Rolle auch unbewusst/ ungewollt - Gefühle werden durch Rolle verstärkt - Drehbücher sorgen für Beständigkeit der sozialen Ordnung - jede Person hängt davon ab, dass ihr Eindruchsmanagement von ihren Interaktionspartnern bestätigt wird, indem diese bereitwillig Komplementärrollen spielen d.) Ethnomethologie (Harold Garfinkel) - hebt routiniertes Verhalten hervor - zentral: Alltagsroutinen, aber nicht von außen betrachtet (wie Goffman) sondern von innen - Rollen werden als solche nicht mehr wahrgenommen Wie kann man sie erkennen? Wahrnehmen? - Ansatz: Missachtung der kulturellen Selbstverständlichkeit Beobachtung der Folgen, Reaktionen e.) sozialer Austausch (Simmel, Blau, Homans) - soziales Verhalten wird als Austausch interpretiert - kann verschiedene Formen aufweisen, aber ist immer auf Wechselbeziehung ausgelegt - Tausch bestärkt soziale Bindungen - rational-choice-theory (Coleman): erwartbare Gewinne einer Handlung mit wahrscheinlichen Kosten bilanzieren - Balance von geben und nehmen 6.2. Mesoebene – Netzwerke Allgemein: - entstehen aus sich wiederholenden und regelhaften Interaktionen Netzwerke sind Kontexte, die den Bewegungsfreiraum von sozialen Akteuren einengt und soziales Handeln formt - NW werden in Soziogrammen erfasst Unterscheidung in: Einheiten des Netzwerkes = Knoten = stehen für Individuen oder kollektive Akteure Querverbindungen: stellen Art der Beziehung dar, deren Stärke, Grad der Reziprozität, Ausmaß der Symmetrie Netzwerkmuster: langsam – schnell etc. Netzwerkanalyse: Netzwerkmuster: a.) b.) c.) d.) zu a.) 10 Knoten, jeder kann jeden erreichen, schnelles Netzwerk zu b.) 5 Knoten, jeder kann mit C direkt sprechen, muss aber immer über C um mit anderen zu interagieren, schnelles Netzwerk zu c.) jeder interagiert nur mit dem Nachbarn, damit A mit E kommunizieren kann, muss es über B,C und D gehen, langsames Netzwerk zu d.) jeder interagiert nur mit dem Nachbarn, damit A mit D kommunizieren kann, muss es über E gehen, ggfalls langsames Netzwerk Reichweite/ Erreichbarkeit – Anzahl der Knoten die überwunden werden müssen Netzwerke sind wichtig 6.3. Makroebene – Status und Rolle - Status = eine Postion oder der Sozialstruktur (gefestigtes NW), die ihrem Inhaber einen bestimmten Platz in einer Gruppe, Organisation, Gesellschaft zuweist - man unterscheidet: zugeschriebener Status (Deutscher, Jude, weiblich, Rentner etc.) erworbener Status (Arzt, Politiker, Azubi, Künstler) Leitstatus: soziale Position, die nur in bestimmten Situationen dominiert Masterstatus: prägt die Identität ein Leben lang (Königin von England) - zu jedem Status gehört eine zugeschriebene Rolle (Verhaltenserwartungen, Einstellungen, Privilegien) - Rollen sind interpretierbar - Rollenkonflikte: unvereinbare Rollenerwartungen aus zwei unterschiedlichen Status Interrollenkonflikt: mehrere Rollen einer Person konfigurieren (Mutter + Lehrerin) Intrarollenkonflikt: an eine bestimmte Rolle werden unterschiedliche Erwartungen gestellt (Frau als Mutter + Frau + Schiegertochter + Tochter) - aber: Status innehaben und Rolle spielen Unterschied - Rollenkonzept hilft um im Leben klar zu kommen 7.) Sozialisation Allgemein: - Wertevermittlung in einer Gesellschaft in Alltagssprache: Gesamtheit aller gesellschaftlichen Einflüsse auf die Persönlichkeitsentwicklung - Ursprung: Soziologie Emile Durkheim (1907): Vorgang der Vergesellschaftung eines Menschen Prägung der Persönlichkeit durch gesellschaftliche Bedingungen Erweiterung des Erziehungsbegriffes Erziehungsbegriff wird der Sozialisation untergeordnet - Ältere EW: Begriff der Sozialisation war suspekt, man arbeitete lieber mit päd. einheitlichen Begriffen Anmaßung sich anderem Begriff unterzuordnen Kalter Krieg: Soz. kein gutes Label für westlich orientierte Erziehung Begriff ist wichtig, weil er sich richtet: gegen eine einseitige biologische Auffassung gegen idealistische Position gegen Überschätzung des internationalen Einflusses - Anlage und Umwelt: - zwei unterschiedliche Ansichten: tabula rasa (lehre Tafel) = Entwicklung wird ausschließlich durch Umwelt geformt genetische Verankerung: Umwelt hat nur modifizierenden Einfluss, kann selten etwas ändern (Soziobiologie) - aber: Gene grenzen Spielraum möglicher Reaktionen nur ein soziale Umwelt beeinflusst stark das Ausmaß der Verwirklichung kindliche Temperamente sind nicht stabil siehe Beispiel: angeborener IQ und Verwirklichung in unterschiedlichen Umgebungen Sozialisation im Lebenslauf: - besondere Bedeutung der frühen Kindheit Rene Spitz „Hospitalismus“ Untersuchung mit Säuglingen, gut gepflegt aber keine Kommunikation mit Erwachsenen Resultat nach einem Jahr: geistig zurückgeblieben, kein lachen/weinen, keine Sprache - Sozialisation ist ein lebenslanger Prozess! 7.1. Klassische Theorieansätze zur Sozialisation Charles Horton Cooley (1864-1909) Das gespielte Ich - brachte erstmals Vorstellung der Empathie mit ein - unser Bild davon, wie andere uns sehen - unser Bild von ihren Urteilen - das Gefühl, dass diese Urteile in uns auslösen soziale Handlungen konstruieren das - Unterscheidung in: Primärbeziehungen: Familie, Freunde etc. Sekundärbeziehungen: Fremde Georg Herbert Mead (1863-1931) Perspektivübernahme - aufbauend auf Cooleys Analyse - Herbeiführen des Verhaltens anderer durch Kommunikation mit signifikanten Symbolen (Wörter, Gesten etc., die Handlung hervorrufen) - „I“ – Subjekt-Ich: Urheber von Gedanken und Handlungen (Ich habe Hunger) - „Me“ – Objekt-Ich: Komponente, die Subjekt-Ich für andere wahrnehmbar macht (Schreien, damit Mama mich füttert) - Perspektivübernahme: wie Menschen im allgemeinen das (mein) Verhalten bewerten Verhalten an gesellschaftlichen Erwartungen ausrichen - soziale Interaktion hängt von diesen Selbstüberwachungen ab Jean Piaget (1896-1980) Aufbau kognitiver Strukturen - Stufenfolge der kognitiven Entwicklung - durch: Assimilation: Informationen und Erfahrungen werden in vorhandene Strukturen eingefügt Akkomodation: Angleichung der geistigen Strukturen an Informationen und Erfahrungen im Zuge der Einordnung - Aufbau kognitiver Strukturen als kognitive Handlungsgrundlage Sigmund Freud (1856-1939) Innere Dynamik der Sozialisation - Einteilung in Es (Lust, biologische Triebe), Ich (rationaler Teil) und Über-Ich (Gewissen, verinnerlichte Gebote) - Ich und Über-Ich: entstehen erst in sozialen Prozessen - Mensch wird nur mit Es geboren, lernt nach und nach, das Ich entwickelt sich - Über-Ich entwickelt sich durch Forderungen der Gesellschaft - Sozialisation ist ein lebenslanger Kampf dieser drei Käfte Alle vier Autoren heben die aktive Rolle des Menschen in Sozialisationsprozessen hervor! 7.2. Varianten der Sozialisation Meistens geht man davon aus, dass Sozialisation immer gleich verläuft. - Geschlecht: Geschlechtsstereotypen (geschlechtsspezifische Sozialisation) - Untersuchungen durch: Nancy Chodorow: Qualität der Mutter-Tochter-Beziehung Carol Gilligan: Weibliche Moral? beide Arbeiten zeigen unterschiedliche Geschlchterrolle geschlechtsspezifische Sozialisation beeinflusst unsere Art zu Denken, Handeln - Schicht untersucht von: Melvin Kohn: schichtspezifische Wertetradition meisten Erwachsenen bleiben in der Schicht in der sie geboren wurden Zugang zu Bildung, Arbeitsmarkt spielt große Rolle Menschen halten an ihren Werten fest und geben sie Kindern weiter unterschiedliche Wertesysteme in unterschiedlichen Schichten