Fakultät für Physik T1: Klassische Mechanik, SoSe 2016 Dozent: Jan von Delft Übungen: Benedikt Bruognolo, Sebastian Huber, Katharina Stadler, Lukas Weidinger http://www.physik.uni-muenchen.de/lehre/vorlesungen/sose_16/T1_theor_mechanik/ Blatt 03.1: Scheinkräfte Ausgabe: Freitag, 22.04.16;Abgabe: Freitag, 29.04.16, 13:00 (b)[2](E/M/A) bedeutet: Aufgabe (b) zählt 2 Punkte und ist einfach/mittelschwer/anspruchsvoll Beispielaufgabe 1: Galilei-Transformation [3] Punkte: (a)[1.5](E); (b)[1.5](E). (a) Die Systeme B und B’ seien zwei relativ zueinander bewegte kartesische Koordinatensystem mit parallelen Achsen. Die Position eines Teilchens werde zu einer Zeit t in B beschrieben durch r(t) = (6α1 t2 − 4α2 t)ex − 3α3 t3 ey + 3α4 ez und in B’ durch r 0 = (6α1 t2 + 3α2 t)ex − (3α3 t3 − 11α5 )ey + 4α6 tez Mit welcher Geschwindigkeit bewegt sich B’ relativ zu B? Welche Beschleunigung erfährt das Teilchen in B und in B’ ? B sei ein Inertialsystem. Ist dann auch B’ ein Inertialsystem? (b) In einem Inertialsystem K breite sich eine elektromagnetische Welle aus, die der Wellengleichung u(r, t) = 0 genügt, wobei ≡ ∂2 ∂2 1 ∂2 ∂2 + + − ∂x2 ∂y 2 ∂z 2 c2 ∂t2 auch d’Alembert Operator genannt wird. Betrachten Sie die einfache GalileiTransformation K → K 0 : x0 = x − v0 t, y 0 = y, z 0 = z, t0 = t, (1) (v0 = const). Wie lautet die Wellengleichung im Koordinatensystem K 0 ? Unter welcher Bedingung ist die Wellengleichung näherungsweise forminvariant? Beispielaufgabe 2: Foucaultsches Pendel [3] Punkte: (a)[2](M); (b)[1](E). Ein mathematisches Pendel der Länge ` ist auf der Erde an einem Punkt mit Kugelkoordinaten θ und φ aufgehängt. Es führt kleine Schwingungen im Schwerefeld der Erde aus. Leiten Sie die Bewegungsgleichung für die x0 - und y 0 -Koordinaten des Pendels her, wobei y 0 in Richtung eines Breitengrades und x0 entlang eines Längengrades verläuft. Berücksichtigen Sie dabei die Erdrotation; die Bahnbewegung der Erde um die Sonne dürfen Sie dagegen vernachlässigen. (a) Leiten Sie die Bewegungsgleichungen im rotierenden Bezugssystem Erde her (d.h. berücksichtigen Sie die Corioliskraft und vernachlässigen Sie näherungsweise die Zentrifugalkraft, die in eine 1 effektive Gravitationskonstante g resultiert.). Führen Sie dabei die Fadenspannkraft T entlang des Pendelfadens ein. Für kleine Auslenkungen kann Tz ≈ |T| aus der z-Kompenente der Bewegungsgleichung gewonnen und in die übrigen Bewegungsgleichungen eingesetzt werden. Hinweis: Sie erhalten ẍ0 + Ω2 x0 = 2 ωz ẏ 0 ÿ 0 + Ω2 y 0 = −2 ωz ẋ0 , wobei Ω durch die Parameter des Pendels und die Schwerebeschleunigung g bestimmt ist. (b) Zeigen Sie, daß x0 (t) = A cos(ωz t) cos(Ωt) y 0 (t) = −A sin(ωz t) cos(Ωt) für ωz Ω eine Lösung der Differentialgleichungen in b) ist. Dabei ist A eine beliebige reelle Konstante. Diskutieren Sie Ihr Ergebnis. Beispielaufgabe 3: Coriolis-Kraft [8] Punkte: (a)[2](M); (b)[3](A); (c)[2](M); (b)[1](E). Eine Kugel der Masse m wird auf der Erde mit der Geschwindigkeit v0 parallel zum Erdboden am Ort r0 abgeschossen. Eine Zwangskraft in Richtung Erdmittelpunkt verhindert, dass die Kugel sich vom Boden entfernt. Die Kugel bewegt sich also auf einem Großkreis um die Erde. Der Einfachheit halber setzen wir hier den Erdradius R = 1. (a) Berechnen Sie die Bahn ϕ(ϑ) im nicht-rotierenden System und transformieren Sie die Lösung auf das rotierende System. Hinweise zum mögliches Vorgehen: (i) Berechnen Sie aus v0 und r0 den Normaleneinheitsvektor n zur Bahn. Überlegen sie sich, warum n die Bahn eindeutig charakterisiert. (ii) In Kugelkoordinaten wird der Ort des Teilchens r durch die Winkel (θ, ϕ) und n durch die Winkel (θn , ϕn ) beschrieben. Verwenden Sie die Beziehung n·r = 0 um die Gleichung cos(ϕ − ϕn ) + cot θ cot θn = 0 (2) zu erhalten. Lösen Sie diese implizite Gleichung um die Bahnkurve ϕ(θ) zu erhalten. (iii) Überlegen sie sich, wie sich die Winkel θn0 und ϕ0n des Normalenvektors im rotierenden System verhalten, um so die Bahngleichung auf das rotierende System zu transformieren. (b) Berechnen Sie die Lösung im rotierenden System. Hinweise zum möglichen Vorgehen: 2 (i) Stellen Sie die Bewegungsgleichung im rotierenden Koordinatensystem auf. Um einen besseren Eindruck über die Richtungen der Kräfte zu bekommen, ist es sinnvoll im rotierenden System Kugelkoordinaten und die Einheitsvektoren e0r , e0θ , e0ϕ zu verwenden. Man beschreibt also die Bahnposition durch r0 = r0 e0r . (ii) Sie sollten die folgenden Gleichungen erhalten, wobei Z den Betrag der Zwangskraft bezeichnet: e0r : e0θ e0ϕ : : −mr0 (θ̇02 + (ϕ̇0 + ω)2 sin2 θ0 ) = mg + Z 0 0 0 2 0 (4) 0 0 (5) mr (θ̈ − (ϕ̇ + ω) sin θ cos θ ) = 0 0 0 0 0 (3) 0 mr (ϕ̈ sin θ + 2(ϕ̇ + ω)θ̇ cos θ ) = 0 (iii) Zeigen Sie, dass mit der Substitution φ̇ = ϕ̇0 + ω und f˙ = φ̇ sin θ0 die Gleichungen für die e0θ - und e0ϕ -Komponenten übergehen zu θ̈0 − f˙2 cot θ0 =0 f¨ + f˙θ̇0 cot θ0 =0. (6) (iv) Zeigen q Sie, dass gilt ∂t (θ̇02 + f˙2 ) = 0 und ∂t (f˙ sin θ0 ) = 0, und somit die Größen u0 ≡ R θ̇02 + f˙2 und Lz ≡ f˙ sin θ0 konstant sind. (v) Drücken Sie θ̇0 in Abhängigkeit von diesen Größen aus. Nach Separation der Variablen und Definition von u20 − 1 ≡ tan2 θn (7) L2z R2 sollten Sie wiederum cos(ϕ − ϕn + ωt) + cot θ cot θn = 0 (8) erhalten. (c) Berechnen Sie mit der Annahme g 0 ≡ g − ω × (ω × r) ≈ g eine Näherungslösung im rotierenden System. Welchen Fehler begeht man dabei? Hinweise zum möglichen Vorgehen: (i) Zeigen Sie, dass durch das Vernachlässigen der Zentrifugalkraft die Bewegungsgleichungen (5) für den e0θ und e0φ Anteil in θ̈0 − φ̇2 sin θ0 cos θ0 = − ω 2 sin θ0 cos θ0 φ̈ sin θ0 + 2φ̇θ̇0 cos θ0 =0 (9) übergehen. Im Vergleich zu (5) erhält man also eine Nettokraft −ω 2 sin θ0 cos θ0 eθ . (ii) Um den Einfluss dieser Kraft abzuschätzen, betrachten wir ein im K-System ruhendes Teilchen, d.h. φ̇ = 0, θ̇0 = 0 bei t = 0 und θ0 = π/4. Zeigen Sie dass, die Zeit, die das π 1 gegeben ist. Teilchen benötigt um zu einem Pol zu gelangen, durch τ = 2√ 2ω (iii) Überlegen sie sich, auf welchen Zeitskalen die Zentrifugalkraft bei der Teilchenbewegung vernachlässigbar ist. (d) Wo auf der Erde bekommt man die stärkste Auswirkung der Coriolis-Kraft in tangentialer Richtung zur Erde? 3 [Gesamtpunktzahl Beispielaufgaben: 14] Hausaufgabe 1: Der freie Fall [2] Punkte: [2](E). In einem frei fallenden Bezugssystem empfindet man keine Schwerkraft. Um diese Aussage zu erläutern, untersuchen wir die Bewegung eines Massepunktes, dessen Bewegungsgleichung in einem Inertialsystem durch mr̈ = F − mgez gegeben ist. Diese Bewegung soll in einem System B’ beschrieben werden, dessen Ursprung längs ez um − 21 gt2 verschoben ist. Ansonsten hat B’ dieselbe Orientierung wie das Inertialsystem. Wie lautet die Bewegungsgleichung in B’ ? Hausaufgabe 2: Scheinkräfte in beschleunigten Bezugssystemen [7] Punkte: (a)[2](M); (b)[3](M); (c)[2](E). Betrachten Sie ein ebenes Karussel, das sich mit konstanter Winkelgeschwindigkeit ω in die mathematisch positive Drehrichtung um die z-Achse bewegt. Eine Person, die im Abstand R vom Zentrum auf dem Karussel sitzt, stösst zum Zeitpunkt t = 0 eine Scheibe in Richtung des Zentrums des Karussels. Die Person gibt der Scheibe dabei eine Anfangsgeschwindigkeit v00 relativ zum Karussel. Die Scheibe gleite reibungslos. (a) Die Bewegung der Scheibe soll zunächst im Inertialsystem I, das nicht mit dem Karussel rotiert untersucht werden. Finden sie die Lösung für die Teilchenbahn und zeigen Sie durch Transformation ihrer gefundene Lösung in das Karussel-System, dass dort gilt x0 =(R − v00 t) cos(ωt) + ωRt sin(ωt) y 0 = − (R − v00 t) sin(ωt) + ωRt cos(ωt), (10) wobei x0 und y 0 die Koordinaten des Teilchens im rotierenden System bezeichnen. (b) Stellen Sie nun alternativ die Bewegungsgleichungen im Bezugssystem des Karussels auf. Wählen Sie dieses Bezugssystem so, das der Ursprung im Zentrum des Karussels liegt und die Anfangsgeschwindigkeit der Scheibe in die negative x0 -Richtung zeigt. (c) Lösen Sie die Bewegungsgleichungen für die Koordinaten x0 , y 0 des rotierenden Bezugssystems (Sie können dazu die Koordinaten zu einer komplexen Größe w = x + iy zuammenfassen). Zeigen Sie, dass für die Person auf dem Karussel die Bewegung der Scheibe für kleine Zeiten (vernachäsigen Sie Terme der Ordnung (ωt)2 ) durch eine Parabel beschrieben wird. Hausaufgabe 3: Perle auf rotierendem Draht [6] Punkte: (a)[2.5](M); (b)[1.5](M); (c)[2](M). 4 Eine Perle gleite reibungsfrei auf einem geraden Draht, der, von einem Motor bewegt mit konstanter Winkelgeschwindigkeit ω in der horizontalen (x, y)-Ebene rotiert. (a) Stellen Sie die Bewegungsgleichungen in einem rotierenden Bezugsystem mit x0 -Achse entlang des Drahtes auf. Berücksichtigen Sie dabei, dass der Draht eine Kraft FD auf die Perle ausüben kann (in welche Richtung?). (b) Lösen Sie die Bewegungsgleichung für x0 für Anfangsbedingungen x0 (0) = a, ẋ0 (0) = 0 und berechnen Sie die kinetische Energie der Perle. (c) Der Energiezuwachs der Perle wird durch die Kraft, die der Draht auf sie ausübt verursacht. Berechnen Sie FD aus der Bewegungsgleichung und berechnen Sie die Arbeit, die der Draht an der Perle verrichtet. Hausaufgabe 4: Infinitesimale Drehungen [3] Punkte: [3](E). Zeigen Sie, dass die Drehmatrizen um die x-, y- und z-Achsen, jeweils um einen infinitesimalen Winkel , folgende Beziehungen erfüllen: Rx ()Ry () − Ry ()Rx () = Rz (2 ) − 1 + O(3 ). Hinweis: Entwickeln Sie dazu zuächst jede der Drehmatrizen bis zur zweiten Ordnung in . [Gesamtpunktzahl Hausaufgaben: 18] 5