Integration von Migranten und Migran- tinnen

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Technische Universität Darmstadt
Fachbereich für Gesellschafts- und Geschichtswissenschaften
Institut für Soziologie
Frau Prof. Dr. Martina Löw
Integration von Migranten und Migrantinnen
Eine Analyse sozialraumorientierter Projekte
-Diplomarbeit-
Vorgelegt von
Brigitte Petendra
Weimarer Str. 6
64579 Gernsheim
Gernsheim, 29. Oktober 2004
Sic et Non. zeitschrift für philosophie und kultur. im netz.
#8/2007
Sic et Non. zeitschrift für philosophie und kultur. im
netz. Ausgabe #8/2007
Rubrik Soziologie
[www.sicetnon.org]
Sic et Non. zeitschrift für philosophie und kultur. im netz.
#8/2007
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
1
2. Wann ist man integriert?
6
2.1. Allgemeine Definition
7
2.2. System- und Sozialintegration
8
2.3. Formen der Sozialintegration (Dimensionen nach Esser)
9
2.4. Assimilation vs. Transnationalismus?
11
2.5. Bedingungen für den Integrationserfolg
15
3. Sozialraumspaltung und Sozialraumorientierung
3.1. Strukturelle Veränderungen und die Spaltung der Städte
18
18
3.1.1. Demographische Entwicklung
19
3.1.2. Arbeitsmarktentwicklung
19
3.1.3. Auswirkungen auf die Städtische Struktur: Segregation oder
Sozialraumspaltung
22
3.2. Politische Reaktionen und Projektorientierung der Integrationsarbeit 26
3.2.1. Integrationspolitik in Deutschland
26
3.2.2. Sozialraumorientierung als neues Paradigma
32
3.2.3. Das Programm „Soziale Stadt“
34
3.2.4. Projektorientierte Planung
36
3.2.5. Sozialraumspaltung und Sozialraumorientierung oder doch nur
Kleinräumigkeit? Das Beispiel Jugendhilfe
39
4. Konsequenzen für die Integration von Migranten
41
4.1. Eine erweiterte Perspektive auf den Sozialraum
41
4.1.1. Der soziale Raum
42
4.1.2. Transnationaler kultureller Raum
46
4.1.3. Ausgrenzung als Ursache physisch-materieller Raumperspektive
47
4.2. Wahrnehmung
49
4.3. Segregation vs. Integration?
50
4.4. Risiken und Chancen sozialraumorientierter Projekte
55
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5. Fragestellung und Methodik
5.1. Bestimmung des Ausgangsmaterials
58
59
5.1.1.Wohnen und Wohnumfeld
60
5.1.2. Materielle Gegebenheiten
61
5.1.3. Soziale Gegebenheiten
63
5.2. Recherche der Projekte
65
5.3. Fragestellung der Untersuchung
66
5.4. Auswertungsmethode
67
6. Ergebnisse
70
6.1. Beschreibung des Samples
70
6.2. Ausgangslage in den Projektgebieten
72
6.3. Integrationsmuster
74
6.3.1. Gebietsbezogene Projekte
76
6.3.1.1. Errichtung von Begegnungsstätten
76
6.3.1.2. Vernetzung vorhandener Einrichtungen
78
6.3.1.3. Stadtteil- bzw. Gemeinwesenarbeit
79
6.3.2. Handlungsfeldbezogene Projekte
83
6.3.2.1. Bildung/Qualifizierung
83
6.3.2.2. Kontaktförderung unter Bewohnern
84
6.3.2.3. Sensibilisierung/Information
85
6.3.2.4. Sonstige Projekte
86
6.3.3. Wirkungsebenen
87
6.3.4. Integrationsvorstellungen der Projektträger
89
6.3.5. Sprachförderung
92
6.3.6. Imagearbeit
94
6.3.7. Erstes Zwischenergebnis
97
6.4. Das Bild von Migranten
98
6.4.1. Allgemeine Beschreibungen
99
6.4.2. Zielgruppen
103
6.4.2.1. Migrantentyp
103
6.4.2.2. Spezielle Zielgruppen
105
6.4.3. Beteiligung von Migranten
111
6.4.4. Zweites Zwischenergebnis
113
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6.5. Die räumliche Perspektive
115
6.5.1. Gebietsbezogene Projekte: Begrenzung als Grundlage
116
6.5.2. Handlungsfeldbezogene Projekte: Stadtteil zur Orientierung
118
6.5.3. Welchen Beitrag leisten die sozialräumlichen Projekte zur Integration
von Migranten?
119
7. Zusammenfassende Betrachtung
123
Literaturverzeichnis
133
Anhang
142
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Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Wirkungsfelder im Wohnumfeld
64
Abbildung 2: Ablaufplan der Inhaltsanalyse
69
Abbildung 3: Projekttypen
75
Abbildung 4: Errichtung von Begegnungsstätten
78
Abbildung 5: Vernetzung vorhandener Einrichtungen
79
Abbildung 6: Stadtteil- bzw. Gemeinwesenarbeit
80
Abbildung 7: Bildung/Qualifizierung
84
Abbildung 8: Kontaktförderung unter Bewohnern
85
Abbildung 9: Sensibilisierung/Information
86
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Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Trägerart
71
Tabelle 2: Schlüsselbegriffe nach Projekttyp
91
Tabelle 3: Sprachförderung nach Projekttyp
94
Tabelle 4: Image nach Projekttyp
95
Tabelle 5: Image nach Trägerart
96
Tabelle 6: Migrantenbild
101
Tabelle 7: Migrantenbild nach Projekttyp
102
Tabelle 8: Migrantentyp nach Trägerart
104
Tabelle 9: Zielgruppen
105
Tabelle 10: Beteiligung der Migranten
112
Tabelle 11: Migrantenbild nach Beteiligung der Migranten
113
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1
1. Einleitung
Viele der aktuellen soziologischen Arbeiten zum Thema Migration oder Integration beginnen mit dem Satz: „Deutschland ist ein Einwanderungsland“ oder ähnlichen Ausführungen, die sinngemäß auf diese Aussage hindeuten. Aber was macht die Autoren so sicher, dass dies wirklich der Fall ist? Dafür sprechen würden zumindest die allgemeinen
Zuwanderungszahlen und die Geschichte der Einwanderung in Deutschland.
Zuwanderung in Deutschland ist kein junges Phänomen. Es gab sie schon lange vor der
Anwerbung von ausländischen Arbeitskräften. In Europa geht die Migrationsgeschichte
sogar weit über 200 Jahre in die Vergangenheit zurück (Sassen 2000, S. 9). V.a. Flüchtlingsströme gab es schon vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Aber gerade die Nachkriegszeit scheint Referenzpunkt der Diskussion um Zuwanderung zu sein. Erfahrungen
mit Migration vor dieser Zeit werden dadurch systematisch ausgeblendet. Nach Ende
des Krieges strömten ca. 15 Millionen Vertriebene und Flüchtlinge nach Westdeutschland. Insgesamt weist heute etwa ein Drittel der westdeutschen Bevölkerung einen Zuwanderungshintergrund auf (Meier-Braun 2002, S. 16). Neben der Zuwanderung muss
aber auch die Abwanderung betrachtet werden, weil sie ebenso prägend für die Migrationsgeschichte ist. Zwischen 1997 und 1998 sind mehr Menschen aus Deutschland abgewandert als zugewandert. Man könnte daher behaupten, Deutschland sei sowohl ein
Einwanderungsland als auch ein Auswanderungsland.
Die aktuell geführte Diskussion über Migration und deren Folgen hat ihren Ursprung in
den Jahren zwischen 1952 und 1973, der sog. „Gastarbeiterzeit“, in der aus wirtschaftlichen Gründen ausländische Arbeitskräfte angeworben wurden (ebd. S. 30). Aber in dieser Zeit wurde allgemein angenommen, dass die Arbeitsmigration ein vorübergehendes
Phänomen sei. Die Anwerbung und der anschließende Familiennachzug wurden als singuläres Ereignis betrachtet (Mehrländer/Schultze 2001, S. 10). Diesen Migrationsprozess, der sich schon seit einigen Jahrhunderten vollzieht, als einmalig zu betrachten war
fatal. Damit wurde systematisch ausgeblendet, welchen Stellenwert die Integration der
Migranten einnehmen sollte. Obwohl ein beträchtlicher Anteil der „Gastarbeiter“ wieder
in ihr Herkunftsland zurück wanderte, blieb doch eine nennenswerte Anzahl in Deutsch-
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land und baute sich eine Existenz auf. Im Jahr 2002 waren ca. 9% der in Deutschland
lebenden Personen Ausländer1 (Statistisches Bundesamt 2004, S. 47).
Betrachtet man die Migrationsgeschichte in Deutschland, so kann man mit Recht behaupten, Deutschland sei ein Einwanderungsland. Aber wie beurteilt die Bevölkerung
dies? Sie scheint diese Tatsache nicht völlig zu akzeptieren. Fast täglich erreichen uns
Nachrichten zu diesem Thema, v.a. aber erreichen uns Meldungen über die Probleme
der Eingliederung von Migranten in „unsere“ Gesellschaft. Zur Debatte stehen die Herausbildung von Parallelgesellschaften, das mangelnde Interesse der Ausländer sich zu
integrieren, aber auch die mangelnde Toleranz der Aufnahmegesellschaft, die sich in ihrer extremsten Form als fremdenfeindliche Übergriffe darstellt. Neben Forderungen an
Migranten sich zu integrieren, bestehen ebenso Forderungen an die Aufnahmegesellschaft bessere Voraussetzungen für eine Integration zu schaffen. So forderte das Zentrum für Türkeistudien in einer Pressemitteilung: „Integrationsbemühungen seitens der
Aufnahmegesellschaft müssten sich [...] an die junge Generation richten“ (vgl. Zentrum
für Türkeistudien 2000), denn v.a. junge Ausländer seien im Hinblick auf ihre Zukunft
im Bildungssystem und Arbeitsmarkt nicht gesichert. Für die Integration wäre es unerlässlich gerade diese Gruppe von Migranten zu berücksichtigen.
In vielen Pressemeldungen spielen Gewalt und Kriminalität eine große Rolle. Damit
sind sowohl fremdenfeindliche Übergriffe auf Ausländer als auch die besondere Häufigkeit von Delikten in bestimmten Stadtquartieren mit hohem Ausländeranteil gemeint.
So berichtete der Berliner Tagesspiegel von der kriminellen Landkarte Berlins, die Senator Eberhart Körting vorlegte: „Neun Gegenden sind es, in denen sich die Probleme
konzentrieren. Die Menschen dort haben oft weder Bildung noch Arbeit, und viele sind
Ausländer. Zum Beispiel entspreche es in arabischen Großfamilien und Clans den Traditionen, Angelegenheiten untereinander zu regeln, sagte Körting. Die Polizei wird als
Ordnungsmacht weder akzeptiert noch respektiert. Zu den ‚Angelegenheiten’ gehören
aber auch solche, die nach deutschem Recht strafbar sind: Züchtigung der Ehefrau,
Zwangsverheiratung der Tochter, Bluttaten zur Wiederherstellung der Ehre. Also
schreiten Ermittler ein. ‚Unter diesen Leuten gibt es keine Bereitschaft, der Polizei mit
Aussagen behilflich zu sein’, sagt Körting. Er nennt das die ‚Mauer des Schweigens’“
(vgl. Fatina 2004, S. 10). Eine solche Meldung ist kein Einzelfall. In anderen Städten
werden ebenso eindeutige Beschreibungen der Problemlagen berichtet. Aber ist es nicht
1
Diese Zahl beinhaltet allerdings keine Migranten, die eine deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, z.B.
auch Aussiedler. Der Migrantenanteil ist demnach unabhängig von der Staatsangehörigkeit viel größer als
diese Zahl.
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fraglich, ob diese Darstellung überspitzt ist? Sicherlich entstehen in diesen Gebieten
Probleme, jedoch lassen sich ihre Ursachen nicht einfach auf einen hohen Ausländeranteil und deren „fremdartige Sitten“ herunterbrechen. Wenn ein solches Bild in der Öffentlichkeit produziert wird, so kann man davon ausgehen, dass die empirische Tatsache
des Einwanderungslandes noch lange nicht akzeptiert ist.
Eine weitere aktuelle Debatte, welche die Medien dominiert ist der „Kopftuchstreit“.
Als Symbol der Unterdrückung und v.a. von „Fremdheit“ entzündet sich am Kopftuch
eine Debatte darum, wie viel kulturelle „Fremdheit“ zugelassen werden darf. Ebenso
verhält es sich mit dem islamischen Fundamentalismus, der seit dem 11. September heiß
bekämpft wird, spätestens seit klar wurde, dass die Spur einiger „Schläfer“ nach
Deutschland führt. Diese Diskussion steht jedoch fälschlicherweise Pate für alle Themen, die mit Migration und Integration im Zusammenhang stehen. Eine mangelnde
Trennung dieser beiden Themen, die wenig miteinander zu tun haben, verhindert die
Bereitschaft Migranten zu akzeptieren und kann sogar in Xenophobie2 münden.
Integration ist demnach ein hoch aktuelles Thema, dessen vorläufiger Diskussionshöhepunkt sich in der Konzeption eines Zuwanderungsgesetzes äußert. Wenn die Akzeptanz
des Einwanderungslandes nicht in den Köpfen der Bevölkerung präsent ist, so zeichnet
sich doch in der Politik eine Annäherung daran an. Seit dem Regierungswechsel zu RotGrün 1998 kündigt sich in dieser Hinsicht ein Paradigmenwechsel an. Mit der Erlassung
des Zuwanderungsgesetzes im Juni 2004 wird zumindest politisch der Weg geebnet.
Aufgrund der beschriebenen Zeitungsartikel könnte man folgern, die Integration von
Migranten sei bereits gescheitert. Dies ist jedoch keineswegs der Fall, denn wir beginnen ja erst mit einer konstruktiven Auseinandersetzung mit diesem Thema. Und was ist
mit den Ausländern, die als solche nicht erkennbar sind? Sind diese etwa nicht integriert? Eine solche Schlussfolgerung würde nicht der Realität entsprechen, denn neben
den Meldungen über eine gescheiterte Integration wird auch immer mehr von Bemühungen berichtet, die in Richtung Integration von Migranten gehen. Dies sind Vorhaben, die bestimmte Probleme bekämpfen wollen, denen Migranten im Aufnahmeland
begegnen. So soll z.B. in Berlin-Wedding „die [Wohnsiedlung, Anm. B.P.] ‚Gartenstadt
Atlantik’ ein deutsch-türkisch-jüdisches Begegnungszentrum werden“ (Germis 2002, S.
8). Ein weiteres Praxisbeispiel liefert „das experimentelle Wohnprojekt ‚Interethnische
Nachbarschaft’ der Gemeinnützigen Wohnungsaktiengesellschaft Sozialbau aus Wien“
(Wohnungspolitische Informationen 2003, S. 4) oder die Aufwertung der östlichen In2
Zur Entstehung und den psychosozialen Bedingungen von Xenophobie vgl. Dahmer 2001.
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nenstadt Offenbachs durch das Projekt Soziale Stadt (Tekkilic 2003, S. 22). Auch von
Bemühungen um eine bessere Bildung wird berichtet, so z.B. über das Projekt HIPPY,
in dem fremdsprachigen Müttern und Kindern Deutschunterricht erteilt wird (Kratz
2003, S. 6). Die zahlreichen Bemühungen haben eines gemeinsam: sie wollen für eine
bessere Integration in Stadtteilen mit hohem Ausländeranteil sorgen.
Die politische Integrationsarbeit hat in Deutschland keine Tradition. Dies wird deutlich,
wenn man sich die Geschichte der Einwanderung und die damit verbundene Integrationspolitik – die man auch Rückwanderungspolitik nennen könnte – betrachtet. Wo kein
einheitliches Konzept der Integration besteht, kann auch keine geregelte Integrationsarbeit stattfinden. Projekte verschiedener Art nehmen sich dieser Aufgabe an und versuchen mit neuen Modellen eine bessere Integration zu erproben und zu institutionalisieren. Die angeführten Pressebeispiele verdeutlichen, dass die Ansatzpunkte und Konzeptionen dieser Projekte höchst unterschiedlich sind. Es wäre daher interessant zu erfahren, wie und mit welchen Mitteln diese Projekte Integrationsarbeit erproben. Darüber
hinaus sollten die einzelnen Konzepte miteinander verglichen werden, um mögliche
Schwachpunkte und Stärken herauszufinden. Die entscheidende Frage, der in dieser Arbeit nachgegangen werden soll, lautet daher: Welchen Beitrag können diese Projekte für
die Integration von Migranten leisten?
Um dieser Frage nachzugehen, muss zunächst ein Verständnis von Integration entwickelt werden. Die Soziologie hält dafür einige Theorien bereit, die sich sowohl auf ein
allgemeines Problem der Integration von Individuen in die Gesellschaft beziehen als
auch auf die Erklärung der Integration von Migranten in die Aufnahmegesellschaft spezialisieren. Einige Theorien, die für das Problem dieser Arbeit relevant sind, werden in
Kapitel 2 diskutiert, um anschließend eine Definition von Integration festzulegen.
In Kapitel 3 wird dargestellt, welche Ursachen die Konzentration von Migranten in einigen Stadtgebieten hat und welche Problemlagen damit verbunden sind. V. a. interessiert dabei, ob die Integration in diesen Quartieren funktioniert und warum sie funktioniert. Diese Ursachen sind zugleich Anlass, die verschiedensten Projekte in diesen Gebieten zu initiieren.
Wenn man von solchen Gebieten spricht, so muss man sich darüber klar werden, wie sie
definiert sind und welchem Raumbegriff sie unterliegen. Die Soziologie hält neuerdings
einige Konzepte eines sozialwissenschaftlichen Raumes bereit, mit deren Hilfe eine erweiterte Perspektive auf soziale Prozesse innerhalb eines Raumes und damit auch auf
die betroffenen Stadtgebiete möglich wird. Diese erweiterte Perspektive und die KonseSic et Non. zeitschrift für philosophie und kultur. im netz.
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quenzen der raumorientierten Projekte für die Integration von Migranten werden in Kapitel 4 beschrieben. Daran anschließend lassen sich Chancen und Risiken formulieren,
welche die besagten Projekte mit sich bringen.
Auf dieser theoretischen Grundlage wird eine Analyse im Hinblick auf eine Integration
von Migranten und die räumliche Perspektive durchgeführt. Die methodische Durchführung und die Ergebnisse sind in Kapitel 5 und 6 aufgeführt.
Mit den Ausführungen über Migration, Integration und die Projekte beschränke ich
mich in dieser Arbeit auf die Betrachtung Deutschlands, obwohl eine Trennung der
Migrationsphänomene in Europa weitgehend hinfällig ist, da sich in vielen Nachbarländern die Probleme ähnlich gestalten. Dennoch gelten einige Spezifika für Deutschland.
Aus Gründen der Lesbarkeit wird nur die männliche Form verwendet. Wenn ich von
Migranten spreche, sind ebenso auch ausländische Frauen gemeint. Die Begriffe
Migranten, Ausländer, Zuwanderer und Nicht-Deutsche werden synonym verwendet, da
eine genaue Definition der Bezeichnungen für die Zwecke dieser Arbeit unwichtig ist
und auch immer nur ungenügend sein kann. Diese Begriffe sind unzureichende Konstrukte, deren Definition auf Äußerlichkeiten und auf Verhaltensweisen beruhen kann.
Egal wie Migranten genannt werden, es bleibt immer ungenau, wer noch ein Ausländer
ist und wer nicht mehr. Ebenso verhält es sich mit der Bezeichnung von Einheimischen.
Ich verwende deshalb alle Begriffe.
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2. Wann ist man integriert?
Die Integration ist in der Soziologie eines der umstrittensten Felder, sowohl in der Theoriebildung als auch in der empirischen Forschung. Dies wird schon allein durch die
Begriffsvielfalt deutlich. Für die Integration – hauptsächlich die von Migranten – verwenden verschiedene Autoren Termini wie Assimilation, Akkomodation, Inklusion,
Akkulturation u.v.m. (vgl. z.B. Heckmann 1992). Auch losgelöst von der Migrationsdebatte herrscht in Bezug auf die Bedeutung der Integration Uneinigkeit. Aus systemtheoretischer Sicht z.B. wird schon der Terminus „Integration“ an sich in Frage gestellt,
vielmehr müsse es sich aus dieser Perspektive bei der Teilhabe an der Gesellschaft um
„Inklusion“ in Teilsystemen handeln (vgl. Luhmann 1985 und Nassehi 1999). Der Diskurs zum Integrationsbegriff macht deutlich wie schwierig Integration zu fassen ist.
Werden zusätzlich ethnische und kulturelle Merkmale mit einbezogen, wird der Sachverhalt noch komplizierter.
Die theoretische Diskussion in den Sozialwissenschaften zur Integration von Migranten
sowie die politischen Leitbilder der Bundesrepublik waren und sind von verschiedenen
Inhalten des Integrationsbegriffs geprägt. Vor allem in den 70er Jahren wurde der Integrationsbegriff mit Assimilation gleichgesetzt, d.h. das „Einfügen von Teilen in ein großes Ganzes“ wurde auf die gleiche Stufe gestellt mit der „Anpassung der Verhaltensweisen an das Normgefüge und den Lebensstil der Mehrheitsgesellschaft“ (Krummacher 2000, S. 326). Dies war jedoch nur zur Gastarbeiterzeit möglich, als die Anzahl der
Migranten noch gering war und sie noch nicht als zahlenmäßig bedeutsame Bevölkerungsgruppe wahrgenommen wurden. Als „Germanisierungsintegration“ ist das Leitbild
der Assimilation jedoch in Verruf geraten und durch das des Multikulturalismus ersetzt
worden. „Der ‚neue‘ Integrationsbegriff definiert gelingende Integration als gleichberechtigten gegenseitigen Lern- und Veränderungsprozeß wechselseitiger Durchdringung, der zeitweise oder auf Dauer abweichende Eigenbereiche von Individuen und
Gruppen zuläßt“ (ebd. S. 327). Dieses Integrationsleitbild wird wiederum oft als zu idealisierend betrachtet und mit dem Argument, dass gleichberechtigtes Lernen soziale
Grenzen hätte, relativiert. Somit hat sich Anfang der 90er Jahre der Kreis der Multikulturalismus-Anhänger verkleinert.
Parallel zum theoretischen Diskurs entwickelte sich auch die soziologische Forschung
in bestimmte Richtungen. Integrationsforschung fand ihre Tradition in der Stadt- und
Regionalsoziologie. Bis zur Mitte der 50er Jahre gab es in den Sozialwissenschaften zuSic et Non. zeitschrift für philosophie und kultur. im netz.
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nächst nur vereinzelt Migrantenforschung, z.B. zu den Lebensbedingungen von Vertriebenen. Dies änderte sich in den 70ern mit dem Aufnahmestop von „Gastarbeitern“. Es
entstand eine Fülle von empirischen Untersuchungen zu den Lebenslagen von Arbeitsmigranten sowie zu den Auswirkungen von Migration auf die Stadtentwicklung. Diese
empirischen Forschungen wurden in den 80er Jahren fortgesetzt, etwa in Auftragsforschungen für Großstädte. Etwa zehn Jahre später prägte der theoretische Diskurs zur
„interkulturellen Gesellschaft“ die stadtsoziologische Forschung, welcher zugleich in
eine politisch kontroverse Diskussion mündete. Mit steigenden interkulturellen Konflikten und offen ausgetragener Fremdenfeindlichkeit kam ein neuer Forschungsgegenstand
hinzu. Die Stadtsoziologie betrachtete die Entstehungsbedingungen von fremdenfeindlicher Gewalt und deren Auswirkungen (ebd. S. 322). Hier waren v.a. die Studien der
Bielefelder Soziologen Heitmeyer, Müller und Schröder (1998) grundlegend. Bis heute
ist die Soziologie von einem Konsens in der inhaltlichen Bestimmung von Integration
weit entfernt. Je nachdem mit welchem Inhalt der Begriff gefüllt wird, differieren die
Meinungen zu den gesellschaftlichen Konsequenzen von Integration.
In diesem Kapitel wird zunächst der Integrationsbegriff definiert, der dieser Arbeit zu
Grunde liegt. Dieser basiert hauptsächlich auf der Definition von Hartmut Esser (2000,
2001a, 2001b, 1980), dessen handlungstheoretisch geprägter Integrationsbegriff m.E.
am umfassendsten ist und für die in dieser Arbeit behandelten Fragen am geeignetsten
erscheint. Dennoch weist der Integrationsbegriff Essers einige Schwachstellen auf, die
das Konzept des Nationalstaats betreffen. Hier werden neuere Kenntnisse aus der
Migrantionsforschung hinsichtlich der Herausbildung transnationaler Gemeinschaften
hinzugezogen, die für das Konzept der Integration von Zuwanderern von aktueller Bedeutung sind.
2.1. Allgemeine Definition
Allgemein wird Integration als Zusammenhalt von Teilen in einem systemischen Ganzen definiert (Esser 2000, S. 262). Der Gegenbegriff zur Integration ist die Segmentation, bei der die Teile beziehungslos nebeneinander stehen und deshalb kein System bilden können.
Diese Definition von Integration ist allerdings zu allgemein. Sie findet auf alle Arten
von Systemen Anwendung, so z.B. auf soziale Systeme, ganze Gesellschaften, Familien, soziale Gruppen oder auch Nachbarschaften. Eine Nachbarschaft z.B. gilt als integSic et Non. zeitschrift für philosophie und kultur. im netz.
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riert, wenn sich alle benachbarten Personen kennen und gegenseitig besuchen. Nicht integriert ist sie dagegen, wenn die Personen isoliert nebeneinander existieren, trotz räumlicher Nähe. Zwei Aspekte dieser Definition sind im weiteren Verlauf dieser Arbeit von
Relevanz. Erstens können sogar Konflikte integrierende Relationen sein. Denn egal ob
die Beziehung positiver oder negativer Art ist, sie ist immer noch eine Beziehung. Und
zweitens ist räumliche Nähe kein Indiz und auch keine Voraussetzung für Integration.
Auf diesen entscheidenden Punkt wird im Laufe der Arbeit noch ausführlicher eingegangen.
Diese doch sehr allgemeine Definition muss demnach präzisiert werden. Dazu wird der
Begriff in zwei unterschiedliche Arten der Integration differenziert.
2.2. System- und Sozialintegration
Hartmut Esser lehnt sich an eine der grundlegendsten Unterscheidungen der Integrationsformen von David Lockwood (1969) an. Dieser unterschied erstmals Systemintegration und Sozialintegration. Er bezeichnete diese Trennung zwar als künstlich, sie sei
dennoch für die Präzision des Integrationsbegriffs notwendig. Die beiden Integrationsformen werden nach Lockwood folgendermaßen definiert (1969, S. 125; Hervorhebungen im Original):
„Während beim Problem der sozialen Integration die geordneten oder konfliktgeladenen Beziehungen der Handelnden eines sozialen Systems zur Debatte stehen, dreht es sich beim Problem
der Systemintegration um die geordneten oder konfliktgeladenen Beziehungen zwischen den
Teilen eines sozialen Systems.“
Mit Systemintegration bezeichnete er demnach den Zusammenhalt gesellschaftlicher
Systeme. Mit Sozialintegration wird andererseits die Art der Teilnahme an diesen Systemen der Gesellschaft charakterisiert. Zum einen ist das System der Gesellschaft Bezugspunkt der Betrachtung, zum anderen sind es Akteure oder verschiedene Gruppen,
die in das System integriert werden sollen.
Mit dieser Unterscheidung kritisierte Lockwood Funktionalisten und Konflikttheoretiker gleichermaßen, die jeweils eine Form der Integration vernachlässigten. Die normativen Funktionalisten versäumten die Auseinandersetzung mit einer adäquaten Sozialintegration. Sie beschränkten sich hauptsächlich auf die moralischen Aspekt der sozialen
Integration. Die Konflikttheoretiker hatten auf der anderen Seite den Zusammenhang
der sozialen Integration mit der Systemintegration vernachlässigt (ebd. S. 135). Für eine
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angemessene Definition von Integration sollten jedoch beide Arten mit einbezogen und
voneinander unterschieden werden.
Mit seinen Ausführungen verdeutlichte Lockwood die Verbundenheit von Sozial- und
Systemintegration als zwei Teile eines Ganzen. Aus diesem Grund kann nicht von der
einen Integration gesprochen werden ohne die andere zugleich zu berücksichtigen.
Die beiden Formen der Integration sind miteinander verbunden und doch auch trennbar.
Trennbar sind sie, weil die Systemintegration, also der Zusammenhalt von Teilen der
Gesellschaft, relativ unabhängig von den Motiven und speziellen Beziehungen individueller Akteure ist. Dieser wird vielmehr von Konzernen, dem Staat oder dem Weltmarkt gesteuert. Sozialintegration bezieht sich hingegen unmittelbar auf individuelle
Akteure. Deshalb ist es durchaus möglich, dass eine Gesellschaft z.B. über das Marktgeschehen oder politische Ordnungen hoch integriert ist, es aber trotzdem Gruppen und
Personen gibt, die weniger stark in diese Gesellschaft integriert sind.
Verbunden sind die beiden Formen schon aus einfachen logischen Gründen: Zum einen
kann bei extrem geringer Systemintegration auch nur eine geringe Sozialintegration
existieren (Esser 2000, S. 270). Zum anderen sind sie untrennbar, weil keine Organisation nur allein auf der Grundlage von Regeln funktionieren kann (Systemintegration),
sondern auch durch Handlungen der Akteure entscheidend beeinflusst wird.
Gerade für die Integration von Migranten müssen die beiden Formen auch voneinander
getrennt betrachtet werden, weil theoretisch die Systemintegration der Aufnahmegesellschaft hoch sein kann, wenn die Zuwanderer sozial nur gering integriert sind. Deshalb
interessiert im Hinblick auf die Frage nach Integrationsmustern in dieser Arbeit hauptsächlich die Sozialintegration.
2.3. Formen der Sozialintegration (Dimensionen nach Esser)
Spricht man von der Integration von Migranten, dann ist zunächst die Sozialintegration
gemeint, also das Einbeziehen von Migranten in das gesellschaftliche Geschehen der
Aufnahmegesellschaft. Dies kann etwa in Form der Gewährung von Rechten, des Erwerbs von Sprachkenntnissen, der Beteiligung an Bildungssystem und Arbeitsmarkt,
der politischen Beteiligung, der Entstehung von Akzeptanz und – für viele scheint dies
die eigentliche „Integration“ zu sein – in Form von emotionaler Identifikation geschehen.
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Die Sozialintegration ist kein eindimensionaler Prozess. Sie vollzieht sich nach Esser
entlang vier verschiedener Dimensionen (ebd. S. 270 ff.):
1. Kulturation (kulturelle Integration): ist der Erwerb von kulturellen Kompetenzen
(z.B. Sprache), die für ein sinnhaftes und erfolgreiches Agieren und Interagieren
notwendig sind. Der Erwerb dieser Kompetenzen ist ein Prozess und wird auch
kognitive Sozialisation genannt.
2. Platzierung (strukturelle Integration): ist die Besetzung einer bestimmten gesellschaftlichen Position (z.B. berufliche oder rechtliche Position) durch den Akteur.
3. Interaktion (soziale Integration): ist die wechselseitige Orientierung der Akteure aneinander über Wissen und Symbole. Sie bilden Relationen (z.B. Nachbarschaften).
4. Identifikation (identifikatorische oder emotionale Integration): ist die gedankliche
und emotionale Beziehung zwischen dem einzelnen Akteur und einem sozialen System als Kollektiv (z.B. Gruppenidentität, Wir-Gefühl).
Diese vier Dimensionen der Sozialintegration haben eine kausale Beziehung. Ihr Erfolg
ist, laut Esser, in der genannten Reihenfolge voneinander abhängig. Eine Identifikation
ist nur zu erwarten, wenn Interaktionen vorhanden sind, die positiv erlebt werden. Zu
diesen Interaktionen kann es aber nur kommen, wenn die dafür notwendigen kulturellen
Fertigkeiten beherrscht werden. Dazu ist wiederum ein Minimum an Platzierung nötig.
Daraus schließt Esser, dass das Erreichen von Integration in allen Dimensionen von den
nötigen Platzierungen und den dadurch gewonnenen Fähigkeiten (Kulturation) abhängt.
Erst wenn dies geschehen ist, können Interaktion und Identifikation erreicht werden.
Den größten Stellenwert erhalten demnach die Dimensionen Platzierung und Kulturation.
Die logische Folge der Integration in den Dimensionen ist jedoch nicht immer gegeben.
Denn allein durch das Erarbeiten individueller kultureller Fähigkeiten folgt nicht unbedingt eine strukturelle und soziale Integration (Bremer 2000, S. 28). Dies beweisen z.B.
diskriminierende Praktiken bei der Wohnungs- und Arbeitssuche. Obwohl der arbeitssuchende Zuwanderer die nötigen Qualifikationen beherrscht, kann er aufgrund von
Vorurteilen abgelehnt werden und damit an der Besetzung einer zentralen Position gehindert werden. Die Integration hängt daher nicht nur von individuellen Eigenschaften
und Prozessen ab, sondern auch von äußeren Faktoren der Aufnahmegesellschaft.
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Bezüglich der identifikatorischen Integration besteht m.E. noch Klärungsbedarf. Entspricht es der Realität, dass eine Integration in die Aufnahmegesellschaft nur dann erreicht ist, wenn man sich mit dem Aufnahmeland emotional verbunden fühlt? Die Voraussetzung einer solchen Identifikation ist das Bekenntnis zur Staatsangehörigkeit und
damit einer nationalstaatlichen Organisation. Tatsächlich gibt es aber auch Einheimische, die sich nicht mit ihrem Land identifizieren. Sie deshalb als nicht-integriert zu bezeichnen, entspräche wohl kaum der Realität. Eine Identifikation mit dem Nationalstaat
ist demnach keine Voraussetzung für Integration. Die Teilnahme an den zentralen gesellschaftlichen Positionen erfordert keine Identifikation mit dem Staat und dessen Verfassung. Viele Migranten leben in Deutschland, sind hier geboren, haben eine Arbeitsstelle oder besuchen hier die Schule, beherrschen die deutsche Sprache, haben deutsche
Freunde, besitzen aber dennoch die türkische Staatsangehörigkeit und wollen diese
nicht aufgeben. Sie identifizieren sich nicht über den Staat als Deutsche, sondern über
ihre ethnische Community. Es wäre sicher ein Fehler diese Personen als nicht integriert
zu betrachteten. Die Identifikation als Dimension der Integration kann deshalb vernachlässigt werden, denn sie sagt nichts über den Grad der Teilhabe an der Aufnahmegesellschaft aus. Auch Esser gibt dieser Dimension in der Hierarchie einen geringen Stellenwert. Die Identifikation findet (wenn überhaupt) als Letzte statt. Sie wird weder für das
Erlangen von kulturellen Fertigkeiten oder das Eingehen sozialer Beziehungen noch für
die Platzierung im gesellschaftlichen System vorausgesetzt.
Ein weiteres Konzept muss an dieser Stelle miteinbezogen werden, um Integration definieren zu können. Es ist die Herausbildung transnationaler Gemeinschaften, die eine
Bedeutungsverschiebung der klassischen Assimilationskonzepte auslöst.
2.4. Assimilation vs. Transnationalismus?
Esser handlungstheoretische Integrationstheorie ist den Assimilationskonzepten zuzuordnen. Trotz der negativen Etikettierung dieses Begriffs beschreibt er doch eindeutig,
was mit Integration zumeist gemeint ist, nämlich die „Angleichung“ der ethnischen
Gruppe über mehrere Generationen an die Aufnahmegesellschaft. Assimilation ist demnach die Integration „in“ die Aufnahmegesellschaft (Esser 2001a, S. 70).
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Bezogen auf die vier Dimensionen bedeutet dies dementsprechend (Esser 2001b, S. 22):
1. Akkulturation an die Aufnahmegesellschaft (kulturelle Assimilation)
2. Platzierung in Positionen der Aufnahmegesellschaft (strukturelle Assimilation)
3. Beziehungen mit Einheimischen eingehen (soziale Assimilation)
4. emotionale Unterstützung des Aufnahmelandes samt seiner Verfassung (emotionale
Assimilation)
Ludger Pries stellt in der Einleitung seiner Arbeit zu „Transnationaler Migration“
(1997) die klassische Migrationsforschung und damit die Konzepte der Assimilation in
Frage. Die klassische Migrationsforschung würde von einer internationalen Migration
ausgehen, die unidirektional mit einem meist einmaligen Wohnortwechsel verbunden
sei. Während dieses Konzept in der Vergangenheit und auch heute durchaus noch seine
Richtigkeit besitzen kann, verändern sich jedoch zunehmend die Voraussetzungen, Folgen und Formen internationaler Migration. Sie befinden sich momentan in einem „qualitativen Umbruchprozeß“ (Pries 1997, S. 16), der sich aufgrund eines wirtschaftlichen,
kulturellen, politischen und sozialen Globalisierungsprozesses und im Zuge der Ausbreitung neuer Transport- und Kommunikationstechnologien vollzieht. Diese Entwicklung hat weitreichende Folgen für die Prozesse der sozialen Integration, da sich mit ihr
eine „Bedeutungsausdünnung des nationalstaatlichen Referenzrahmens ‚nach oben’
(Globalisierung) und ‚nach unten’ (‚Regionalisierung’, Re-Lokalisierung)“ (ebd. S. 29)
in sozialer, ökonomischer und kultureller (aber kaum in politischer) Hinsicht vollzieht.
Die zurückgehende Bedeutung des Nationalstaats als Gesellschaftsform lässt sich auf
die Entkopplung von geographischem und sozialem Raum zurückführen. Diese neue
Perspektive auf Gesellschaft und Raum geht mit der Bedeutungsveränderung des Verhältnisses von territorialem und sozialem Raum einher (mehr dazu in Kap. 4).
An dieser Stelle sei vorweggenommen, dass die klassische Migrationsforschung mit einem Behälterraum-Konzept arbeitet. Es gibt danach Ankunfts- und Herkunftsregionen,
womit Migration als Wechsel von einem Behälterraum zum nächsten verstanden wird.
Obwohl diese Perspektive durchaus stimmig ist, verschleiert sie dennoch Phänomene,
wie etwa das Verschwinden klarer Grenzen zwischen Ländern und Regionen in Zeiten
der Globalisierung. Die dualistische Betrachtungsweise von Migration (von der Herkunfts- in die Ankunftsgesellschaft) wird in der „neuen Migrationsforschung“ (Pries
1997, S. 29) durch eine offenere räumliche Perspektive ergänzt. Pries geht davon aus,
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dass sich „Transnationale Soziale Räume“ (ebd. S. 17) herausbilden, d.h. dass sich unterschiedliche soziale Räume im gleichen Flächenraum aufstapeln können und gleichzeitig eine Ausdehnung sozialer Räume über mehrere Flächenräume hinweg stattfindet.
Da Migration nun ein mehr oder weniger dauerhafter Zustand geworden ist, der sich
nicht unidirektional ausrichtet, sondern „eine neue soziale Lebenswirklichkeit für eine
wachsende Anzahl von Menschen“ (ebd. S. 32) geworden ist, verschwindet der Nationalstaat als Bezugsrahmen für Migranten aller Art. Die Überlegungen zu Migration und
damit auch zum Problem der Integration müssen in diesem Kontext neu überdacht werden.
Pries subsumiert die meisten der neueren theoretischen und empirischen Erkenntnisse
zu transnationaler Migration, die seit den 80er Jahren bis heute in der Soziologie gewonnen wurden (ebd. S. 33ff.). Von den vielen neuen Erkenntnissen scheinen jedoch
zwei von zentraler Bedeutung für die hier verfolgte Fragestellung nach der Integration
von Migranten in die Ankunftsgesellschaft zu sein:
1. Wanderungen werden im Rahmen von Netzwerkstrukturen interpersoneller Beziehungen vollzogen. Kein Individuum entscheidet sich allein zur Migration, es ist
vielmehr in enge Interaktionsgeflechte verwoben.
2. Es bilden sich transnationale Gemeinschaften heraus, die nationalstaatenübergreifende soziale Felder produzieren. Diese qualitativ neuen sozialen Felder sind deterritorialisierte soziale Räume.
Mit dem Einbezug von Netzwerkstrukturen in die Betrachtung wird deutlich, dass ein
Migrant weder im Herkunftsland noch im Ankunftsland bei der Migration beziehungslos ist. Egal an welchem Ort sich der Migrant befindet, er ist immer in Netzwerke eingebunden. Diese Netzwerke manifestieren sich in der sog. Community, die einerseits als
transnationale Gemeinschaft über staatliche Grenzen hinweg, und andererseits als ethnische Community am Wohnort auftritt. Diese Gemeinschaften besitzen demnach eine integrierende Wirkung.
Für die Definition der Integration von Migranten müssen diese Strukturen berücksichtigt werden. Dennoch lösen die neuen Erkenntnisse die klassischen Konzepte nicht völlig ab, sondern ergänzen diese durch eine Perspektive auf neue integrierende Elemente
der Gesellschaft.
Essers Integrationsdimensionen lassen sich nicht nur auf das Aufnahmeland, also den
Nationalstaat, beziehen, sondern auf jede Art von sozialer Gruppe. Deshalb besitzen sie
weiterhin eine Relevanz für die Definition von Integration. Des Weiteren ist Essers
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Theorie nicht falsifizierbar, weil nationalstaatliche Systeme trotzdem noch von Bedeutung sind. Die strukturelle Dimension oder auch Positionierung verliert damit keineswegs an Bedeutung, denn rechtliche und politische Integration sind auch weiterhin nationalstaatlich geprägt. Auch das Eingehen sozialer Beziehungen mit Einheimischen
spielt eine Rolle, da sich Menschen in einem geographischen Raum zwangsläufig begegnen und Beziehungen miteinander eingehen, welcher Art diese auch sein mögen.
Räumliche Nähe als Voraussetzung für soziale Beziehungen verliert zwar an Bedeutung, verschwindet aber nicht völlig.
Mit Vorbehalt sind im Kontext der Herausbildung transnationaler sozialer Räume jedoch die beiden anderen Ebenen zu betrachten: (Ak)Kulturation und Identifikation. Im
Sinne von Esser bedeutet Integration u.a. eine kulturelle Assimilation, d.h. die Übernahme kultureller Fertigkeiten des Aufnahmelandes. Von einer Assimilation kann im
Hinblick auf die hier beschrieben neueren Migrationsfolgen jedoch nicht die Rede sein.
Auf der kulturellen Ebene bedeutet Integration in einem transnationalen Zusammenhang
die Annäherung an neue Kulturen und nicht die Annahme einer Kultur. In transnationalen Netzwerken entstehen vielmehr kulturelle Zwischenwelten, die bei einem mononationalen Blick verborgen bleiben (vgl. dazu ausführlich Kapitel 4).
Die Schwierigkeit der identifikatorischen Integration wurde bereits angesprochen. Sie
ist am stärksten vom Bedeutungsverlust des Nationalstaats betroffen. Eine Assimilation
in emotionaler Hinsicht in die Aufnahmegesellschaft wird dadurch hinfällig.
Zusammengefasst bedeutet dies: Die klassischen Konzepte der Assimilation müssen um
die neue Perspektive der Transnationalen Sozialen Räume erweitert werden, um den gesamten Kontext der Integration von Migranten verstehen zu können. Assimilation ist zu
ersetzen durch Annäherung, also ein Konzept, das nicht die Übernahme der Aufnahmekultur durch den Migranten vorsieht, sondern eine Übernahme von nur einigen kulturellen Fertigkeiten und sozialen Beziehungen, die für das Zusammenleben in einer Region
unabdingbar sind. Des Weiteren ist der Blick zu erweitern auf eine Transnationale Gemeinschaft, die ebenfalls eine integrierende Wirkung besitzt.
Esser unternimmt hier einen Ansatz in die richtige Richtung, indem er Assimilation als
eine „Angleichung“ der ethnischen Gruppe über mehrere Generationen hinweg an die
Aufnahmegesellschaft beschreibt (Esser 2001a, S. 71). Assimilation bedeutet also nicht
die Gleichheit verschiedener Gruppen anzustreben, sondern eine Angleichung. Anders
wäre dies nicht denkbar, denn die Bevölkerung des Aufnahmelandes ist keineswegs
homogen. Assimilation bedeutet deshalb nach Esser die Partizipation von EinheimiSic et Non. zeitschrift für philosophie und kultur. im netz.
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schen und Migranten in gleicher Weise an den Rechten und Ressourcen einer Gesellschaft (ebd. S. 72). Dies heißt jedoch nicht, dass dadurch soziale Ungleichheit abgeschafft werden kann. Integration ist nur die Abschaffung systematischer Unterschiede
zwischen Einheimischen und Migranten. Assimilation bzw. Integration wäre dann erreicht, wenn sich die Strukturen sozialer Ungleichheit bei Einheimischen und Migranten
nicht mehr unterscheiden würden. Aber kulturelle Pluralität der individuellen Akteure
bleibt dabei ebenso möglich wie deren ökonomische Ungleichheit. Esser betont auch,
dass die emotionale Unterstützung des Aufnahmelandes keinesfalls die Aufgabe der
emotionalen Verbundenheit mit dem Herkunftsland bedeuten muss. Trotz dieser „Multikulturalisierung“ des Assimilationsbegriffs bleibt Esser dennoch im Nationalstaatsprinzip verhaftet und übersieht die konzeptionelle Erweiterung, die eine transnationale
Perspektive ermöglichen würde.
2.5. Bedingungen für den Integrationserfolg
Eine häufig gestellte Frage zum Thema Integration ist: Welche Bedingungen müssen erfüllt sein, damit der Integrationserfolg eintritt? Wovon hängt der Erfolg ab: von der Bereitschaft der Migranten sich zu integrieren oder von der Bereitschaft des Aufnahmelandes Migranten in allen Bereichen der Gesellschaft aufzunehmen?
Esser nimmt an, dass alle sozialen Prozesse, also auch die Integration auf das Handeln
von Individuen zurückzuführen sind (Esser 1980, S. 14). Er definiert Handeln als „alle
motorischen und nicht motorischen Aktivitäten (kognitiver und evaluativer Art) einer
Person, die die faktischen oder vorgestellten Beziehungen zwischen der Person und ihrer Umwelt (irgendwie) verändern“ (ebd. S. 182). Er stellt vier Determinanten des Handelns von Zuwanderern auf, die zur Assimilation bzw. Integration führen (ebd. S.
182f.):
1. Motivation ist der Anreizwert einer assimilativen Handlung in Bezug auf ein bestimmtes Ziel.
2. Kognition ist die subjektive Erwartung durch assimilatives Handeln ein bestimmtes
Ziel zu erreichen.
3. Attribuierung ist das subjektive Vertrauen in die Wirksamkeit des Tuns und in die
Kontrollierbarkeit der Umgebung.
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4. Widerstände sind die wahrgenommenen Kosten und Nebenwirkungen der assimilativen Handlungen.
Anhand dieser vier Determinanten des assimilativen Handelns stellt Esser folgende
These auf (ebd. S. 211):
„Je intensiver die Motive eines Wanderers in bezug auf eine bestimmte Zielsituation, je stärker
die subjektiven Erwartungen eines Wanderers sind, daß diese Zielsituation über assimilative
Handlungen und/oder über assimilative Situationen erreichbar ist; je höher die Handlungsattribuierung für assimilative Handlungen ist, und je geringer der Widerstand für assimilative Handlungen ist, umso eher führt der Wanderer – ceteris paribus – assimilative Handlungen (aller Art:
einschließlich Bewertungen, Wahrnehmungen und Informationssuche) aus.“
Neben der Abhängigkeit des Integrationserfolgs von Handlungen der Zuwanderer existieren ebenso Umgebungsmerkmale, die diesen Erfolg entscheidend mitprägen. Denn
Personen und ihre Umgebung stehen im Handeln und Lernen in Interaktion. Damit trägt
die Umgebung des Zuwanderers (das Aufnahmesystem sowie Bezugspersonen) ebenfalls zur Integration des Migranten bei. Daraus leitet Esser drei Variablen ab (ebd.):
1. Handlungsopportunitäten sind Bedingungen und Gegebenheiten, welche die Ausübung von assimilativen Handlungen erlauben und unterstützen.
2. Barrieren sind materielle und soziale Faktoren, die assimilativen Handlungen entgegenstehen (z.B. rechtliche Beschränkungen, Diskriminierung).
3. Alternative Handlungsopportunitäten nicht-assimilativer Art.
Die Hypothese bezüglich der Umgebung lautet daher (ebd.):
„Je mehr assimilative Handlungsopportunitäten dem Wanderer im Aufnahmesystem offenstehen, je geringer die Barrieren für assimilative Handlungen im Aufnahmesystem sind; und je
weniger alternative Handlungsopportunitäten nicht-assimilativer Art verfügbar sind, umso eher
führt der Wanderer – ceteris paribus – assimilative Handlungen aus.“
Der Integrationserfolg von Zuwanderern hängt demnach von beiden Seiten ab. Es kann
weder allein der Zuwanderer für eine fehlende Integrationsbereitschaft verantwortlich
gemacht werden noch nur die Aufnahmegesellschaft und ihre spezifischen Bedingungen. Integration ist somit gegenseitig bedingt. Empirische Ergebnisse zeigen jedoch,
dass die Umgebungsfaktoren die persönlichen meist übertreffen, insbesondere wegen
der zahlreichen Barrieren denen die Zuwanderer begegnen (Tröster 2003, S. 102).
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Integration ist also die Eingliederung in ein systemisches Ganzes. Dabei muss man zwischen Systemintegration und Sozialintegration unterscheiden. Wenn in dieser Arbeit
von Integration die Rede ist, dann ist damit Sozialintegration gemeint, die Teilnahme an
den zentralen Systemen einer Gesellschaft (Politik, Arbeitsmarkt, Bildungssystem etc.).
Integration wird häufig normativ verwendet und bedeutet die Angleichung an die Aufnahmegesellschaft (Assimilation), wobei nicht die völlige Anpassung einer Minderheit
an die Mehrheitsgesellschaft gemeint ist. Zusätzlich muss der Nationalstaat als Definition von Aufnahmegesellschaft in Frage gestellt werden oder zumindest durch die Perspektive auf eine transnationale Gemeinschaft als Referenzpunkt für die soziale Lebenswelt von Migranten erweitert werden. Damit kommen Elemente hinzu, die ebenfalls integrierend wirken können.
Integration ist kein eindimensionaler Prozess, sondern vollzieht sich auf verschiedenen
Ebenen: kulturell, strukturell, sozial und identifikatorisch. Dabei kann die letzte Dimension vernachlässigt werden, da eine Identifikation verschiedene Bezugspunkte haben
kann (und nicht einzig den Nationalstaat). Die Teilnahme an den zentralen Systemen
der Aufnahmegesellschaft setzt keine emotionale Verbundenheit voraus. Ziel der Integration ist es, Strukturen sozialer Ungleichheit zu beseitigen, die auf Unterschieden zwischen Einheimischen und Zuwanderern beruhen. Der Erfolg der Integration hängt sowohl von individuellen Voraussetzungen der Zuwanderer als auch von gesellschaftlichen Bedingungen des Aufnahmelandes ab. Integration ist demnach kein einseitiger
Prozess. Die Verantwortung hierfür liegt weder allein bei Migranten noch bei Einheimischen. Dennoch überlagern Umgebungsfaktoren die persönlichen, wie z.B. Diskriminierungspraktiken zeigen.
Integration ist eines der aktuellen Themen, die Politik und Wissenschaft derzeit beschäftigen. Auch die stadtsoziologische Forschung muss sich zunehmend mit „Ausländerproblemen“ beschäftigen. Inwiefern sich die Entwicklungen der Stadt im Globalisierungskontext auf das Leben der Migranten auswirken und wie auf diese reagiert wird,
soll im nachfolgenden Kapitel beschrieben werden.
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3. Sozialraumspaltung und Sozialraumorientierung
Im letzen Kapitel wurde verdeutlicht, dass der Erfolg von Integration von den individuellen Voraussetzungen der Zuwanderer abhängt, aber auch – vielleicht in viel stärkerem
Maße – von den Bedingungen der Aufnahmegesellschaft. In diesem Kapitel wird zunächst beschrieben, welche strukturellen Veränderungen die Voraussetzungen für eine
erfolgreiche soziale Integration von Zuwanderern erschweren können. Anders als zur
„Gastarbeiterzeit“ wird heute die ausländische und deutsche Bevölkerung Deutschlands
mit einem angespannten Arbeitsmarkt konfrontiert. Die durch Tertiarisierung des Arbeitsmarktes steigende Zahl von Arbeitslosen im industriellen Sektor ist nur eine Folge
dieser strukturellen Veränderungen, deren Ursache in der Globalisierung liegen.
Anschließend wird darauf eingegangen, wie sich die strukturellen Rahmenbedingungen
auf die städtische Struktur auswirken und das Leben der Stadtbevölkerung prägen. Zuletzt werden die darauf folgenden politischen Reaktionen dargestellt und es wird beschrieben, welche Rolle der Sozialraum dabei spielt.
3.1. Strukturelle Veränderungen und die Spaltung der Städte
Zuwanderer wohnen konzentriert in bestimmten Stadtgebieten. Dies hat verschiedene
Ursachen, die an dieser Stelle im Einzelnen erörtert werden sollen. Dabei wird zunächst
auf die demographischen und ökonomischen Entwicklungen eingegangen, die sich auf
die Städte und damit auch auf die Lebensbedingungen der Migranten auswirken.
In der Stadt zeigen sich diese Probleme am deutlichsten, denn „Zuwanderung und
Stadtentwicklung gehören untrennbar zusammen“ (Häußermann 1998, S. 145). Deshalb
ist die Diskussion über die Integration von Migranten untrennbar mit dem Diskurs über
die Stadtentwicklung verbunden. Zuwanderer prägen das Stadtbild in erheblichem Maße
mit. So leben heute ca. 64% aller Migranten in Großstädten und sogar 80% in Ballungsgebieten (Krummacher 2003, S. 24). Im Vergleich von Ost- und Westdeutschland lässt
sich feststellen, dass Zuwanderung ein westdeutsches Großstadtphänomen ist. Ende
2002 betrug die Anzahl der Ausländer bei der ostdeutschen Bevölkerung 2,3% (Statistisches Bundesamt 2004, S. 49). Darüber hinaus zeigt sich, dass Migranten sich nicht nur
auf Großstädte allgemein konzentrieren, sondern innerhalb der Städte in bestimmten
Gebieten wohnen. In den Berliner Bezirken Kreuzberg Süden, dem nördlichen Teil von
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Neukölln Wedding Norden, Tiergarten Westen und im nördlichen Schöneberg beträgt
der Ausländeranteil über 30%.
Angesichts der Feststellung, dass es sich bei Zuwanderung um ein westdeutsches Großstadtphänomen handelt, muss man davon ausgehen, dass nicht nur Zuwanderer das Bild
der Städte prägen, sondern auch, dass die Entwicklungen der Städte die Lebensbedingungen der Zuwanderer mitprägen.
3.1.1. Demographische Entwicklung
Zuwanderer konzentrieren sich auf die städtischen Regionen. Ihre Anzahl wächst kontinuierlich. Der Anteil von Migranten in westdeutschen Städten beträgt mittlerweile
durchschnittlich 15% (Krummacher 2003, S. 24). Städte und Ballungsräume zählen
weiterhin zu den attraktivsten Gebieten für Zuwanderer, weil sie dort bessere Voraussetzungen auf dem Arbeitsmarkt vorfinden als in ländlichen Regionen und – ein noch
viel wichtigerer Grund – weil sie dort auf bereits bestehende soziale Netzwerke treffen.
Die Tatsache der wachsenden Migrantenanteile in den Städten ist nicht unerheblich für
die Stadtentwicklung. Betrachtet man die Bevölkerungsentwicklung erkennt man, dass
die Geburtenrate kontinuierlich sinkt und die Lebenserwartung steigt. Infolgedessen überaltert die deutsche Gesellschaft. Des Weiteren vollzieht sich ein Prozess der
Schrumpfung unserer Städte. Die Abwanderung übertrifft die Zuwanderung. Mittelständische, mobile Haushalte wandern ins Umland ab und weniger mobile, sozial schwächere Haushalte bleiben in den Kernstädten zurück. So kommt es zu einer „sozial selektiven Entdichtung der Kernstädte“ (ebd. S. 23). Aufgrund der Schrumpfung vieler Städte
und einer Überalterung der Bevölkerung werden Migranten zu einer der wichtigsten
Großstadtbewohnergruppen und somit auch zu einer wichtigen Zielgruppe zukünftiger
Stadtentwicklung.
3.1.2. Arbeitsmarktentwicklung
Sowohl internationale als auch nationale Prozesse führten zu einem Strukturwandel der
deutschen Wirtschaft. International bedeutsam ist der Prozess der Globalisierung. Die
damit verbundene Entgrenzung der kapitalistischen Ökonomie führte zu einer wachsenden internationalen Konkurrenz, die Druck auf Produktions- und Lohnstückkosten erzeugte (ebd. S. 20). Um diesen Druck zu kompensieren werden manuelle Arbeitskräfte
durch maschinelle ersetzt. Der technische Fortschritt v.a. die Entwicklung der MikroSic et Non. zeitschrift für philosophie und kultur. im netz.
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elektronik und somit der Einsatz von Industrierobotern im produzierenden Gewerbe
führte zum Abbau zahlreicher industrieller Arbeitsplätze. Gleichzeitig setzte national
der Prozess der Tertiarisierung des Arbeitsmarktes ein, der ebenfalls eine Reduzierung
von Arbeitsplätzen im Industriesektor zur Folge hatte. Die Verlagerung von Teilen der
industriellen Massenproduktion ins Ausland (in Länder mit niedrigerem Lohnniveau)
verstärkte zudem den Abbau von Arbeitsplätzen in Deutschland. Trotz der Expansion
des Dienstleistungssektors konnte der Arbeitsplatzverlust im produzierenden Gewerbe
nicht kompensiert werden. Folge dieser Entwicklung ist eine zunehmende Differenzierung der Arbeitsmarktchancen nach Alter, Geschlecht und ethnischer Zugehörigkeit
(Bender/Seifert 2001, S. 41).
Neben der sozialen Polarisierung der Arbeitsmärkte formiert sich eine Gruppe der sog,
„Überflüssigen“ (Kronauer 2000, S. 22f.). Diese Kategorie beinhaltet erwerbsfähige
Personen, die auf dem Arbeitsmarkt dauerhaft nicht mehr gebraucht werden. Selbst in
Zeiten prosperierender Wirtschaft schrumpft diese Gruppe nicht in einem nennenswerten Ausmaß. Vom Ende der 80er bis Mitte der 90er Jahre betrug ihr Anteil etwa 1/5 aller erwerbslosen Personen.
Die entstandenen instabilen Beschäftigungsverhältnisse wurden ebenfalls durch eine
wachsende Anzahl von Erwerbspersonen in den 80er und 90er Jahren geprägt sowie
durch die Tatsache, dass weniger Personen in dieser Zeit aus dem Erwerbsleben ausschieden.3
Für die Städte hatten diese Entwicklungen ebenfalls erhebliche Auswirkungen, da sie
von industriellen Strukturen geprägt waren. Veränderte Rahmenbedingungen der Wirtschaft führten auch zu wechselnden „Standortpräferenzen des Kapitals“ (Krummacher
2003, S. 21), wodurch die Städte ihren Stellenwert für die industrielle Produktion verloren. Auch der Dienstleistungssektor ist, dank neuer Technologien und größerer Mobilität, ebenfalls weniger an hochbesiedelte Standorte gebunden. Resultat dieser Entwicklung ist die „Suburbanisierung der Erwerbstätigkeit“ (ebd.) und der Bevölkerung, die
der Erwerbsarbeit räumlich folgt.
Die Deindustrialisierung und der damit einhergehende Verlust von Arbeitsplätzen mit
niedrigen Qualifikationsanforderungen im produzierenden Gewerbe betrifft neben niedrig qualifizierten einheimischen Arbeitnehmern vor allem Migranten, denn „Gastarbeiter“ wurden hauptsächlich in Arbeitsbereichen eingesetzt, in denen eine geringe Quali3
Beispielsweise stieg das Heiratsalter und Erstgeburtenalter von Frauen seit 1972 an, die Geburtenzahlen
waren rückläufig und kriegsbedingt „schwache“ Jahrgänge erreichten das Rentenalter (Bender/Seifert
2001, S. 41).
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fikationsanforderung bestand: in der Landwirtschaft, industrieller Massenanfertigung,
Schwerindustrie und Baugewerbe. Doch gerade diese Segmente des Arbeitsmarktes sind
besonders von ökonomischen Veränderungen betroffen (Bender/Seifert 2001, S.41). Ein
niedriger Qualifikationsstatus erschwert die Suche nach alternativen Beschäftigungsmöglichkeiten. Die Arbeitslosenquote von Ausländern lag im Jahr 2000 bei 16,4% (bei
der deutschen Bevölkerung bei 7,8%). Ausländische Arbeitnehmer sind aufgrund dieser
Entwicklungen besonders von Arbeitslosigkeit betroffen (Bremer 2000, S. 101). Ihre
Positionierung im sozialen System „Arbeitsmarkt“ wird somit erschwert. Während der
Arbeitsmarkt in der Vergangenheit als zentrale Instanz der sozialen Integration und der
Wohlfahrtschancen von Individuen galt (Krummacher 2003, S. 20), schwindet diese
Funktion zunehmend. Ohne Teilnahme am Arbeitsmarkt und den damit verbundenen
niedrigeren Einkommensverhältnissen verschlechtern sich die Integrationschancen der
Zuwanderer in der strukturellen und damit wichtigsten Dimension.
Um Migranten und deren Chancen auf dem Arbeitmarkt nicht zu verallgemeinern, muss
zwischen den verschiedenen Arbeitnehmergruppen unterschieden werden. Eine solche
Differenzierung der Beschäftigungsstruktur von Ausländern untersuchten Bender und
Seifert (2001). Sie analysierten die Arbeitmarktchancen zweier unterschiedlicher Gruppen von Migranten, gering qualifizierte Arbeitnehmer aus den ehemaligen Anwerbeländern und überdurchschnittlich hoch qualifizierte Arbeitnehmer aus Industrieländern
über einen Zeitraum von zwei Jahrzehnten. Das Ergebnis ist nicht sehr überraschend. Es
zeigt, dass Migranten aus den Anwerbeländern vom Strukturwandel des Arbeitsmarktes
besonders betroffen sind, während hochqualifizierte Migranten aus den Industrieländern
gute Bedingungen auf dem deutschen Arbeitsmarkt vorfinden (ebd. S. 59). Ihre Schlussfolgerung lautet daher, dass die Globalisierung zur Internationalisierung des obersten
Segments des Arbeitsmarktes führte, weshalb diese ausländischen Arbeitnehmer über
den Arbeitsmarkt auch heute noch integriert sind. Für Arbeitnehmer aus den ehemaligen
Anwerbeländern zeigt sich jedoch deutlich die Tendenz des Versagens der Arbeitsmarktintegration.
Die Arbeitsmarktintegration ist jedoch nur ein Teil der strukturellen Integrationsdimension. Eine Positionierung kann auch in rechtlicher und politischer Hinsicht oder durch
das Bildungssystem erfolgen. Außerdem bedeutet eine fehlende Positionierung nicht
unbedingt, dass eine kulturelle oder soziale Integration zwangsläufig fehlschlagen würden. Die ökonomischen Entwicklungen zeigen „nur“, warum die Integration erschwert
sein kann, weil die Systemintegration zu schwanken beginnt.
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3.1.3. Auswirkungen auf die Städtische Struktur: Segregation oder Sozialraumspaltung
Durch strukturelle Veränderungen des Arbeitsmarktes und im Zuge des durch Globalisierung und Mobilisierung vorangeschrittenen Bedeutungsverlusts der Stadt als industrieller Standort bilden sich neue räumliche Strukturen der Stadt heraus. Auch die kommunale Wohnungspolitik und Entscheidungsprozesse der Stadtplanung trugen in erheblichen Maße dazu bei, diese Strukturen zu verfestigen. Die allgemeine Diagnose, welche
die aktuellen räumlichen Entwicklungen betrifft, wird als „Spaltung der Städte“ oder
auch „Segregation“ bezeichnet (vgl. Häußermann/Kapphan 2000).
Die Stadtentwicklung der letzten 20 bis 30 Jahre ist durch Aufwertungsprozesse ehemaliger Arbeiterwohngebiete und großbürgerlicher Wohngebiete geprägt. Diese Aufwertungsprozesse waren und sind Ziele von Planungsstrategien, welche die Suburbanisierung als Folge von Deindustrialisierung, und damit die Verödung von Innenstädten vermeiden sollen (Dangschat/Blasius 1990, S. 12). Diese Aufwertungsprozesse werden als
„Gentrification“ bezeichnet und werden hauptsächlich im Zusammenhang mit Lebensstilen und Wohnen diskutiert. Einige Autoren (darunter Friedrichs, Dangschat und Blasius) gehen von einer exogenen Gentrification aus (Schneider/Spellerberg 1999, S. 87)
die von sog. „Pionieren“ ausgeht. Dies sind junge Menschen mit einem ausgeprägtem
kulturellen Kapital, die das Interesse von Gewerbebetrieben und Investoren auf sich
ziehen. Durch die damit stattfindende kulturelle Belebung des Gebietes wird die Aufmerksamkeit von kommunalen und privaten Trägern des Wohnbestandes für Sanierungsmaßnahmen geweckt. Aber bauliche und ökonomische Aufwertungen führen zu
steigenden Mieten und damit zu einer Neubelegung des Wohnbestandes mit Besserverdienenden, den sog. Gentrifiern. Mit der Aufwertung werden die ursprünglichen Bewohner zur Abwanderung gezwungen.
Andere Autoren gehen von einer endogenen Gentrification aus (vgl. Kesckes 1994 und
Terlinden 1994). Der Auslöser von Aufwertungsprozessen sei dabei statt des Zuzugs
von „Bessergestellten“ die Statusanhebung der Bewohner selbst. Welche Faktoren eine
Gentrification auslösen, ist jedoch nicht entscheidend. Viel wichtiger – und darin sind
sich alle Autoren weitgehend einig – für die Lebensbedingungen von Migranten sind die
Auswirkungen. „Gentrification ist [...] Ausdruck einer sozialen Polarisierung in den
Städten und verstärkt sie zugleich“ (Häußermann 1990, S. 49).
Als Folge der selektiven Wanderungen ins Umland der Stadt bezogen zunächst einkommensschwächere Gruppen, darunter auch Migranten, die leerstehenden Wohnungen
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der Innenstadtgebiete (Dangschat/Blasius 1990, S. 13). Diese Quartiere boten günstigen
Wohnraum für diejenigen Bevölkerungsgruppen, die von Planungsämtern die „fünf
A’s“ (Häußermann 1990, S. 38) genannt wurden: Arme, Alte, Ausländer, Auszubildende und Arbeitslose. War ein Stadtgebiet hauptsächlich von diesen Gruppen bewohnt,
galt dies als sicheres Zeichen für eine ökonomische Unternutzung. Daraufhin wurden
durch Sanierungen und Investitionen Aufwertungsprozesse eingeleitet, um städtebauliche Missstände zu beseitigen.
Eine der Hauptauswirkungen von Gentrification ist der Verlust von günstigem Wohnraum. Folgende Mechanismen führen dazu (vgl. Kecskes 1997, S. 219ff.):
1. Einer dieser Mechanismen ist die Erhöhung der Mieten. Im Zuge von Aufwertungsprozessen eines Quartiers wurden Modernisierungsmaßnahmen des Wohnbestandes
durchgeführt. Für die Finanzierung gab es zwei Möglichkeiten; zum einen eine Umlagerung der Kosten auf die Mieten und zum anderen eine Mieterhöhung bei einem Mieterwechsel. Haushalte, die nur über geringe finanzielle Ressourcen verfügten, fielen damit
aus der Mieterschaft heraus.
2. Ein Aufwertungsprozess verursacht i.d.R. einen Nachfrageüberhang. Somit bekommt
der Vermieter die Möglichkeit sich seine Mieter auszuwählen. Wiederum sind soziale
Randgruppen die Verlierer. Sie begegnen zudem bei der Wohnungssuche häufig Diskriminierungen. Zu dieser Gruppe zählen vor allem Migranten, die aufgrund kultureller
und ethnischer „Fremdheit“ oftmals unerwünschte Mieter sind. Die diskriminierenden
Praktiken der Vermieter lassen sich nicht direkt auf Ausländerfeindlichkeit zurückführen. Vielmehr steht die Angst um den Verlust des Sozialprestiges des Wohnquartiers im
Vordergrund, deshalb greifen hier die üblichen Marktmechanismen.4 Ein Grund, weswegen Migranten ausgeschlossen werden, ist, dass sie in ihrer Lebensweise „anders“
wahrgenommen werden und für die ansässige Bewohnerschaft als nicht „erträglich“ erscheinen (Häußermann/Siebel 1996, S. 210). Vorurteile, wie lärmende Feste, Kinderreichtum und mangelnde Ordnungsliebe kommen in dieser Situation häufig zum Vorschein. „Fremde“ passen nicht in die Nachbarschaft.
3. Ein weiterer Mechanismus ist das Auslaufen der Mietpreisbindung von Sozialwohnungen. Das System des sozialen Wohnungsbaus enthielt eine nur temporäre Mietpreisbindung. Nach der Rückzahlung staatlicher Förderungen kann die Sozialwohnung dem
freien Wohnungsmarkt zugeführt werden. Da viele dieser Wohnungen aus den 50er und
60er Jahren stammen und mittlerweile für den Wohnungsmarkt freigegeben sind, er4
z.B. erhöhte Mietkosten
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folgte ein rascher Abbau von Sozialwohnungen. Ein neuer sozialer Wohnungsbau findet
zwar statt, dennoch kann der Neubau den Verlust an Wohnungen bei weitem nicht decken. Folglich werden die Mietkosten für eine ehemalige Sozialwohnung erhöht, womit
sich die Spirale weiter dreht. Wiederum hat dies den Abbau von preiswertem Wohnraum zur Folge.
4. Der letzte Mechanismus für den Verlust von preiswertem Wohnraum, der hier erwähnt werden soll, ist die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen. Seit 1977
existieren auch steuerliche Begünstigungen für die Eigentumsförderung bestehender
Wohnbauten, nicht mehr nur von Neubauten. Die steuerlichen Anreize führen dazu,
dass zahlreiche Altbaubestände der innerstädtischen Quartiere von Mietwohnungen und
-häusern in Eigentum umgewandelt wurden.
Die Liberalisierung des Wohnungsmarktes und der damit einhergehende Verlust von
günstigem Wohnraum geht zu Lasten der unteren Einkommensgruppen. Dies hat zur
Folge, dass sich sozial schwache Gruppen in denjenigen Gebieten innerhalb der Stadt
konzentrieren, deren Mietpreise für sie bezahlbar sind. Diese Gebiete besitzen jedoch
eine vernachlässigte Bausubstanz, wie z.B. ehemalige Kasernen oder Altbaugebiete mit
nicht modernisierten Wohnungen. Im Zuge der Aufwertung anderer Stadtgebiete werden diejenigen mit günstigem Wohnraum jedoch immer seltener. Die Problemlagen
spitzen sich demnach in einigen wenigen Vierteln zu. „Hand in Hand mit einer Aufwertungsspirale von Wohnquartieren geht somit eine Abwertungsspirale anderer Viertel.“
(Kecskes 1997, S. 228).
Die gebildeten räumlichen Muster nennt man „Segregation“ aber auch die „Spaltung der
Städte“ oder „Sozialraumspaltung“ (vgl. Häußermann/Kapphan 2000). Segregation ist
die räumliche Trennung zwischen gesellschaftlichen Gruppen. Sie ist keineswegs ein
neues Phänomen. Schon in den europäischen Großstädten des 19. Jahrhunderts, die
noch durch Klassenstrukturen geprägt waren, wurden soziale Ungleichheit und Gegensätze in der Stadt sichtbar. Die Position eines Bewohners auf dem Arbeitsmarkt bestimmte auch seine Wohnsituation, weshalb die Städte in starkem Maße von Segregation geprägt waren. Hauptsächliches Merkmal der europäischen Stadt war, dass sich nun
ein Puffer zwischen soziale Ungleichheit und die daraus resultierenden Wohnbedingungen schob, der eine Benachteiligung einkommensschwächerer Gruppen verhinderte
(Häußermann 1998, S. 161f.). Dieser Puffer hieß „sozialer Wohnungsbau“, dessen
Grundstein in der Weimarer Republik gelegt wurde. Die Vermeidung von Segregation
beruhte in der Vergangenheit somit hauptsächlich auf dieser Maßnahme. Die untersten
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Schichten sollten nicht mehr den schlechten Wohnverhältnissen ausgesetzt werden und
„die Bestimmung der räumlichen Struktur wurde nicht allein dem Markt überlassen“
(ebd. S. 163). Damit konnte die soziale Segregation tatsächlich verringert werden, vor
allem in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts im „goldenen Zeitalter“ des sozialen
Wohnungsbaus.
Der Abbau des sozialen Wohnungsbaus lässt nach Häußermann die Spaltung der Städte
wieder voranschreiten. Es bildet sich eine neue urban underclass5 .
Die aufgezeigten Entwicklungen betreffen somit v.a. die unteren Einkommensschichten
der Bevölkerung. Darunter befinden sich viele Ausländer. Man könnte deshalb meinen,
sie befänden sich allein aufgrund ihrer Einkommenssituation in solchen segregierten
Gebieten. Es spielen aber auch noch andere Mechanismen eine Rolle, die dazu führen,
dass Migranten sich in bestimmten Gebieten konzentrieren. Ihre Situation auf dem
Wohnungsmarkt ist nicht nur sozioökonomisch geprägt, sondern auch durch Diskriminierungen und freiwillige Entscheidungen. Zuwanderer können ihre Nachfrage meist
nicht auf andere Wohngebiete richten, auch wenn sie in der Lage sind höhere Mieten zu
zahlen. Der Zugang zu bestimmtem Wohnraum wird ihnen verwehrt, weil sie als Mieter
nicht akzeptiert werden. Der systematische Ausschluss aus einigen Wohngebieten beruht auf Diskriminierungen und Vorurteilen der Vermieter. Erst wenn Ausländer akzeptiert werden, haben sie die freie Wohnungswahl. Hinzu kommt, dass die Wohnungssuche oftmals informell abläuft. Durch die Weitergabe von Informationen über frei werdende Wohnungen in der Nachbarschaft an Bekannte, ziehen immer mehr Zuwanderer
in das selbe Quartier. Im Gegensatz zur deutschen Bevölkerung verläuft Segregation bei
Ausländern anders. Sie haben oftmals keine Wahl. „Segregation veranschaulicht vielmehr die Chancen der Zuwanderer auf dem Wohnungsmarkt und spiegelt die Nachfrage
der deutschen Haushalte“ (Häußermann/Kapphan 2000, S. 211) wider. Eine Spaltung
der Städte existiert einerseits hinsichtlich des sozioökonomischen Status und andererseits hinsichtlich ethnischer Merkmale.
Wenn man Zuwanderer betrachtet, muss man demnach die verschiedenen Ursachen für
deren Segregation einbeziehen. Welche Konsequenzen die Diagnose der „Sozialraumspaltung“ für die Integration von Migranten hat, wird in Kapitel 4 ausführlich beschrieben. Zunächst soll eine Beschreibung der politischen Reaktionen folgen. Dabei ist v.a.
von Interesse wie Politik und Stadtplanung mit dem Phänomen der Segregation umgehen.
5
Der Begriff bezeichnet Bewohner in marginalisierten Stadtvierteln. Er wurde in den 80er Jahren in den
USA populär und ist seit dem umstritten (vgl. Kronauer 2000, S. 24).
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26
3.2. Politische Reaktionen und Projektorientierung der Integrationsarbeit
Die Diagnose der Sozialraumspaltung beeinflusste die Politik ebenso wie alle Organisationen, die sich für die Integration sozial benachteiligter Gruppen einsetzen. Die durch
Globalisierung veränderten Rahmenbedingungen für politische Steuerungen führten zu
einer „Sozialraumorientierung“ der Integrationspolitik, die ihren momentanen Höhepunkt in Stadtentwicklungsprogrammen, wie z.B. dem der „Sozialen Stadt“, findet. Die
Sozialraumorientierung von Stadt- und Sozialplanung wird momentan als die Lösung
für die Beseitigung von Integrationsproblemen angesehen. In diesem Abschnitt wird
zunächst dargestellt, welche Entscheidungen auf den verschiedenen politischen Ebenen
für eine Integrationspolitik getroffen wurden und welchen Einfluss sie auf eine sozialräumliche Integration haben. Anschließend wird genauer auf den Aspekt der Sozialraumorientierung in der Politik eingegangen.
3.2.1. Integrationspolitik in Deutschland
Integrationspolitik muss aus verschiedenen Perspektiven heraus betrachtet werden, weil
sie auf unterschiedlichen Ebenen praktiziert wird. Hier sind v.a. Europäische Union,
Bund, Länder und Kommunen zu nennen. Für die sozialräumliche Integration liegt ein
besonderes Augenmerk auf der Kommunalpolitik, wobei nicht allein die Kommunen
darüber entscheiden, welche Maßnahmen im Stadtgebiet getroffen werden. Die kommunale Stadtentwicklung ist in beträchtlichem Maße von den höheren politischen Ebenen abhängig.
a) Die Europäische Union
Die Politiker der Europäischen Union haben es sich im Hinblick auf die innereuropäische Integration und die Zuwanderung aus Drittländern zur Aufgabe gemacht, Antidiskriminierungspolitik und Gleichstellungspolitik zu betreiben. Davon zeugen beispielsweise die „Richtlinie zur Anwendung des Gleichstellungsgrundsatzes ohne Unterschied
der Rasse und ethnischen Herkunft“, die „Richtlinie zur Festlegung eines allgemeinen
Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf“
sowie das „Aktionsprogramm zur Bekämpfung von Diskriminierungen“. Mit Hilfe dieser Erlassungen beabsichtigen die Politiker, die Mobilisierung und den Informationsaustausch von betroffenen Akteuren zu fördern, mit dem Ziel, bestimmte Verhaltensweisen
zu ändern (Rütten 2001, S. 145ff.). Neben diesen Richtlinien hat die EU klassische FörSic et Non. zeitschrift für philosophie und kultur. im netz.
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derprogramme parat, durch die u.a. die Integration von Migranten unterstützt werden
soll. Zu nennen sind hier zum einen der Europäische Sozialfonds (ESF), der finanzielle
Mittel für die Erreichung der Chancengleichheit auf dem Arbeitsmarkt bereitstellt. Zur
Bekämpfung der Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt existiert zum anderen das Programm EQUAL und mit dem Zusammenleben von Menschen in Ballungsgebieten beschäftigt sich URBAN. Diese Programme stellen Mittel bereit, die letztendlich große
Relevanz für die Integrationsarbeit in den Städten besitzen.
Die EU-Politik beeinflusst die sozialräumliche Integration, indem Fördermittel aus ihren
Programmen für sozialräumlich angelegte Projekte zum Einsatz kommen. Die Sozialraumorientierung wird somit von der höchsten politischen Ebene vom „Sozialraum“ unterstützt und gelenkt. Die nächst tiefere Ebene ist der Bund, gefolgt von den Bundesländern. Die Integrationspolitik dieser Ebenen befindet sich momentan, seit dem Regierungswechsel zu Rot-Grün, auf Reformkurs. Während heute eine Politik der Integration
von Zuwanderern zumindest angestrebt wird, bemühten sich die Bundesregierungen der
vergangenen Jahrzehnte eher um die Rückführung der Gastarbeiter und verhielten sich
gemäß dem Motto: „Deutschland ist kein Einwanderungsland“.
b) Bund und Länder
Die deutsche Integrationspolitik wurde bisher nach den Zielgruppen Aussiedler und
Ausländer strukturiert (ebd. S. 143ff.). Die Aussiedlerpolitik hat ihre Tradition in der
Vertriebenen- und Flüchtlingspolitik aus den 50er Jahren, deren Zuständigkeit beim
Bundesministerium des Inneren (BMI) liegt. Für die Ausländerpolitik – oder genauer
der Politik für ausländische Arbeitnehmer – liegt die Zuständigkeit beim Bundesministerium für Arbeit (BMA). Dies geht auf die Anwerbepraxis für „Gastarbeiter“ in den
60er- und 70er-Jahren zurück. Damit wird bis heute die alte Trennung aufrecht erhalten,
wobei Ausländer immer noch wie zur „Gastarbeiterzeit“ dem BMA zugeordnet sind.
Einige wenige Aufgabenbereiche der Ausländerpolitik vertritt das Bundesministerium
für Familien, Senioren, Frauen und Jugendliche (BMFSFJ). Darunter fallen schulische
und berufliche Integrationsleistungen für Ausländer. Die Streuung der Zuständigkeiten
drückt sich noch in einem dritten Bereich aus: Asylbewerber und Flüchtlinge werden in
der Politik nochmals gesondert behandelt. Diese Trennung und die Zuständigkeit verschiedener Ämter ist längst nicht mehr zeitgemäß, statt dessen sollte eine zentrale Stelle
eingerichtet werden, welche die Integrationsaufgaben gebündelt verwaltet.
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In den 90er Jahren gab es einen Rekord an migrationspolitisch relevanten Gesetzen und
Verordnungen, aber dennoch keine „konsistente, integrierte Migrationspolitik, sondern
ein[en, B.P.] Flickenteppich unterschiedlicher Maßnahmen für bzw. gegen unterschiedliche Migrantengruppen“ (Treibel 2001, S. 117). Dies zeigte sich vor allem in der Abwehrhaltung gegenüber Asylbewerbern und Flüchtlingen, die als „unzumutbar“ galten.
Die öffentliche Diskussion beschränkte sich hauptsächlich auf das Asylthema und Aussiedler. Andere Gruppen, wie z.B. Bürgerkriegsflüchtlinge wurden lediglich im Hinblick auf Krisen diskutiert (z.B. den Balkankonflikt). Es lag an der Brisanz des Themas,
dass hauptsächlich über Asylbewerber diskutiert wurde. Ohne die bereits in Deutschland lebenden Migranten in dieser Diskussion zu berücksichtigen, wurde über „Grenzen
der Belastbarkeit“ gesprochen. Asyl diente für die Bundesregierung als Stellvertreterthema für generelle Probleme mit „Fremden“. Sie suchte förmlich nach diesen Problemen und fand schließlich verschiedene Gründe, um über eine Beschränkung von Zuwanderung zu diskutieren (Welt 2001, S. 25). Eine Projektion des Unbehagens bezüglich aller „Ausländer“ auf die Gruppe der Asylbewerber und Flüchtlinge offenbarte sich
am deutlichsten in fremdenfeindlichen Reaktionen wie den Anschlägen auf Asylbewerberheime in den 90er Jahren. Doch statt fremdenfeindlichen Bestrebungen entgegen zu
treten, wurden diese Anschläge zum Hauptargument für eine Verschärfung des Asylrechts verwendet. Damit wurden letztendlich nur die Opfer und nicht die Täter bestraft.
Diese Ereignisse sind nur eines von vielen Zeugnissen für die politischen Verfehlungen
der Ausländerpolitik in der Vergangenheit. Eine angemessene Integrationspolitik wurde
jahrzehntelang nicht für nötig gehalten. Deutschland sollte – zumindest nach Meinung
der Politik –kein Einwanderungsland sein, ist aber faktisch eines und war es auch schon
vor 40 Jahren (vgl. Meier-Braun 2002). Unter diesen Umständen war die Entstehung einer angemessenen Integrationspolitik nicht möglich. Besonders anschaulich macht dies
die Geschichte der Rolle der Ausländerbeauftragten der Bundesrepublik.
Der erste Ausländerbeauftragte der Bundesregierung, Heinz Kühn, wurde 1978 bestellt.
Bereits ein Jahr später empfahl er in seinem Memorandum Schritte in Richtung einer
gebündelten Integrationspolitik. Seine Vorschläge sind bis heute noch kaum umgesetzt
worden. Der erste Ausländerbeauftragte war in seinen Rechten und in der finanziellen
Ausstattung noch sehr beschnitten. Er hatte keinerlei Einfluss auf die Gesetzgebung und
konnte deshalb nur eine beratende Funktion übernehmen. Dies war wohl ein Grund dafür, warum Heinz Kühn sein Amt nach nur zwei Jahren niederlegte, denn er setzte sich
für eine Integration der Zuwanderer ein, die Bundesregierung dagegen verfolgte die
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Strategie der Rückkehrförderung von Gastarbeitern und deren Familien (Geiß 2001,
S.129). Der Ausländerbeauftragte und Politik kamen zu keinem Konsens und die neuen
Ideen einer Integration fanden keinen Platz im politischen Programm der damaligen
Bundesregierung. Auch der Nachfolgerin von Heinz Kühn, Liselotte Funcke, die immerhin bis 1991 im Amt war, wurde von der Regierung nur wenig Beachtung geschenkt. Sie durfte weder an Kabinettssitzungen teilnehmen noch persönlich dem Bundeskanzler ihre Vorschläge unterbreiten. Ihr Rücktrittsschreiben stellte sie ihm per Post
zu. Darin drückte sie deutlich aus wie stiefmütterlich dieses Amt bisher behandelt wurde und forderte gleichzeitig für ihre Nachfolgerin eine bessere finanzielle und personelle Ausstattung.
Die neue Amtsinhaberin Cornelia Schmalz-Jakobsen wurde damit beauftragt Anregungen für eine Politik der Integration und nicht mehr für eine Politik der Rückkehrförderung zu geben, sowie die Funktion einer Ansprechpartnerin für alle zu übernehmen, die
sich um ein besseres Zusammenleben von Ausländern und Deutschen bemühen. Der
Handlungsspielraum der Ausländerbeauftragten erweiterte sich demnach um wichtige
integrationsrelevante Aufgaben. Nach dem Regierungswechsel 1998 zog Marieluise
Beck in das Amt ein, die sich ab sofort „Integrationsbeauftragte“ nennen durfte (ebd. S.
137). Erst jetzt, 19 Jahre später, wurden die Aufgaben, die Heinz Kühn bereits 1979
formulierte, in Angriff genommen. Der Auftrag lautete klar: Integration der auf Dauer
hier lebenden Zuwanderer, was sich ebenfalls im aktuellen Namen der „Beauftragten
der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration“ wiederspiegelt. Anders
als ihre Vorgänger kann sie sich als beratende Instanz und angehörte Expertin etablieren.
Der Werdegang dieses äußerst wichtigen Amtes beweist wie schwierig der Umgang mit
dem Thema Integration in der Politik war und auch heute noch ist. Erst nach dem Regierungswechsel zu Rot-Grün wurde die Wichtigkeit der Förderung einer Integration deutlich und ein längst überfälliges Zuwanderungsgesetz wurde auf den Weg gebracht.
Im Jahr 2000 setzten Innenminister Schily und Bundeskanzler Schröder eine unabhängige Zuwanderungskommission ein, mit Rita Süssmuth als Vorsitzender. Bestehend aus
hochrangigen Vertretern aus Politik, Wirtschaft, Arbeitgeberorganisationen, Gewerkschaften, Kirchen, Kommunen und Wissenschaftlern erarbeitete diese Kommission
Vorschläge, die in die Verhandlungen um ein Zuwanderungsgesetz Eingang fanden
(Bade/Münz 2002, S. 13). Die daran anschließende langwierige Debatte um Zuwanderung wurde so hitzig geführt wie kaum ein anderes aktuelles politisches Thema. Selbst
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innerhalb der SPD spalteten sich die Lager. Während einige von ihnen betonten, die
Zuwanderung sei im Hinblick auf den demographischen Wandel notwendig6, betonte
Otto Schily, die Grenze der Belastbarkeit wäre bereits erreicht (ebd. S. 12). Einige einschneidende Ereignisse wurden für die Debatte instrumentalisiert, wie z.B. die Terroranschläge des 11. September in den USA7. Vor allem der Punkt des Abschiebeverfahrens von potenziellen Terroristen und Hasspredigern warf die Verabschiedung des Gesetzes immer wieder zurück. Erst im Juni 2004 konnten sich Regierung und Opposition
einigen und das Zuwanderungsgesetz verabschieden.
Mit diesem Gesetz hat die Diskussion jedoch noch kein Ende gefunden. Viele Fragen
der Integration sind immer noch nicht geklärt. Statt „Integrations- und Akzeptanzproblemen“ sind die Probleme der aktuellen Migrationspolitik hauptsächlich „Zugangs- und
Steuerungsprobleme“ (Welt 2001, S. 31). Die Aspekte, die heute mit dem Zuwanderungsgesetz geregelt werden, waren schon längst fällig. Für neu Zuwandernde sind die
Fragen weitgehend geklärt, doch die Integration der bereits seit Jahren oder Jahrzehnten
hier lebenden Migranten findet kaum Beachtung. Für diese Probleme sollen kurzfristig
angelegte Programme (z.B. „Soziale Stadt“) eine Lösung bieten.
Die Konfusion der Politiker hinsichtlich der Zulassung oder Vermeidung von weiterer
Zuwanderung – aus Wahlkampfgründen wurden teilweise keine klaren Positionen bezogen – verhinderte gleichzeitig eine Aufklärung oder konstruktive Auseinandersetzung
der Bevölkerung mit diesem Thema (ebd. S. 23). Stattdessen wurden bestimmte Parolen, wie „Das Boot ist voll!“ verbreitet, womit für emotionale Verwirrung in der Bevölkerung gesorgt wurde. Eine solche Verunsicherung kann sich in Xenophobie und diese
wiederum in Fremdenhass äußern. Die Anschläge von Mölln und Solingen sind hierfür
erschreckende Belege. Die schwierige Zuwanderungsdebatte ist ein Ausdruck dafür,
dass politische Maßnahmen eine Integration von Migranten bisher nicht ausreichend
bewerkstelligen konnten oder sollten. Die Bundespolitik ist gegenüber den Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt, Wohnungsmarkt und fremdenfeindlichen Übergriffen weitgehend machtlos geworden. Integrationspolitik auf der Bundesebene kann die Probleme
vor Ort, wo sich Konflikte und die Folgen von Ausgrenzung zeigen, kaum lösen.
c) Die Kommune
Für die Beseitigung von Benachteiligungen bestimmter Bewohnergruppen in der Stadt
wird hauptsächlich die Kommune zur Verantwortung gezogen. Als unterste Ebene ist
6
7
Dies zeigt die umstrittene Einführung der Green Card.
Aber auch die Folgeanschläge in Spanien, Tunesien, auf Bali und in der Türkei.
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die Kommunalpolitik der „bevölkerungsnahe Akteur“ (Sackmann 2001, S. 15), der den
größten Teil der sozialen Integrationsleistungen erbringen soll. Zum Großteil sind diese
Leistungen gesetzlich von Bund und Land vordefiniert, lediglich ein kleines Angebot an
Leistungen erbringt die Kommune auf freiwilliger Basis. Die Kommune ist deshalb
nicht autonom und demnach nicht allein für schlechte Integrationsleistungen zu verantworten. Es wäre daher falsch anzunehmen, die sozialräumliche Integration würde allein
von den Kommunen getragen werden. In politischer Hinsicht sind viele Aufgabenbereiche durch Bundes- und Landesgesetze reglementiert. Den Kommunen bleibt nicht mehr
als die Gestaltungsfreiheit bei der Umsetzung (ebd. S. 15ff.). Trotzdem kommt der
Kommune eine besondere Rolle bei der Integration von Migranten zu, denn in „Nachbarschaften, Wohnquartieren und Stadtteilen wird das Zusammenleben als Miteinander,
Nebeneinander oder Gegeneinander erfahren. Die politische Entscheidungsebene der
Kommune ist am nächsten an dieser Realität“ (Rütten 2001, S. 155). Gerade die Gestaltungsfreiheit der gesetzlichen Vorlagen macht es möglich gezielt zu reagieren und die
Mittel effizient einzusetzen.
Die kommunalen Handlungsfelder und Integrationsmaßnahmen sind breit gefächert.
Dazu zählen u.a. (Sackmann 2001, S. 17ff.):
ƒ
Beschäftigungsförderung: Verbesserung der Arbeitsmarktchancen durch Qualifikation und Berufsbildung
ƒ
Wohnraumversorgung: Verhinderung der Konzentration von Zuwanderern, Festlegung von „Ausländerhöchstquoten“
ƒ
Quartierserneuerung: Stadterneuerung, Verbesserung der Qualität der öffentlichen Räume und von Wohnraum
ƒ
Unterstützung der Selbstorganisation: Projektförderung, Förderangebote für
Migranten-Organisationen
ƒ
Kommunale Ausländerbeauftragte
Diese Handlungsfelder weisen allerdings keine Spezifika für die Integration von
Migranten auf. Vielmehr gelten diese Maßnahmen auch für Nicht-Migranten. Die
Kommunalpolitik betreibt also keine Integrationspolitik für Ausländer, sondern eine Sozialpolitik für alle Bürger. Die Integration von Migranten scheint nur eine zusätzliche
Maßnahme zur Sozialpolitik zu sein.
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Konzeptionell findet die Integration von Migranten eher uneinheitlich und unkoordiniert
statt. Die Städte reagieren auf Integrationsbedarf nur spontan und zeitlich begrenzt. Ein
einheitliches Konzept wurde bisher noch nicht geschaffen (Rütten 2001, S. 155ff.). Integration ist meist entweder durch Migranten-Organisationen geregelt, die verschiedene
Kurse anbieten oder in der Tradition von Wohlfahrtsverbänden verankert. Neuerdings
ist sie ein Bestandteil der genannten EU-Programme und anderer Projekte, die in benachteiligten Quartieren operieren. Diese Projekte besitzen Experimentiercharakter und
sind keineswegs einheitlich geregelt. Für die sozialräumliche Integration ist in Deutschland vor allem das Programm „Stadtteile mit besonderem Entwicklungsbedarf – die Soziale Stadt“, kurz genannt „Soziale Stadt“, bedeutend. Dieses Programm spiegelt die
Sozialraumorientierung der Integrationspolitik wider. Bevor diese Maßnahme diskutiert
wird, soll noch einmal die Sozialraumorientierung verdeutlicht werden.
3.2.2. Sozialraumorientierung als neues Paradigma
Aufgrund der Entwicklung zur „Sozialraumspaltung“ waren vergangene stadtplanerische Absichten von dem Gedanken geleitet, Segregation müsse vermieden werden und
es müsse eine Strategie der „Durchmischung“ aller Bevölkerungsgruppen verfolgt werden. Das Ziel einer solchen Strategie war es, für alle Bewohner in allen Teilen der Stadt
gleiche Lebensbedingungen zu schaffen (Siebel/Ibert/Mayer 1999, S. 163). Um „Ghettotendenzen“ zu vermeiden, wurde eine fragwürdige „Ausländerquote“ für bestimmte
Stadtteile eingeführt, die keineswegs überschritten werden durfte, da sonst mit steigendem Ausländeranteil mehr Konflikte zwischen den Bewohnern entstehen würden. Diese
Praxis entzieht sich jedoch jedweder Logik. Angesichts der Mechanismen wie beispielsweise Diskriminierungen, die Migranten selektiv in wenige Stadtteile wandern
lassen und mit dem gleichzeitigen Abbau von Sozialwohnungen kann eine Strategie der
Durchmischung nur fruchtlos bleiben.
Durch die aufgezeigten Entwicklungen zur Segregation und den damit sichtbar werdenden Ausgrenzungsproblemen besteht auf Seiten der Bundespolitik eine Forderung an die
Kommunen darin, lokale Kräfte und Potenziale zu mobilisieren und von einer Durchmischungspraxis als Lösung von Segregationsproblemen Abstand zu nehmen (Waltz 2002,
S. 120). Den Ansatzpunkt lokaler Sozial- und Migrationspolitik bildet nun, statt der gesamten Stadt, eine kleinräumige Sozialraum- oder Stadtteilebene. Ob damit jedoch die
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Denkstrukturen einer Mischungspolitik wirklich überwunden werden, bleibt offen. Der
Fokus wird lediglich auf ein kleineres Gebiet gelegt.
Wie bereits erwähnt, hat diese Sozialraumorientierung kein einheitliches Muster. Sie befindet sich momentan in einer Modellphase und soll dabei helfen auf unterschiedlichen
Wegen Lösungen für die sichtbaren Probleme in benachteiligten Stadtteilen zu finden.
Mit der Sozialraumorientierung der Politik einhergehend, wandelt sich derzeit auch die
Struktur der Sozialarbeit. Auch dort hat die Sozialraumorientierung Hochkonjunktur.
Damit knüpft sie an die Konzepte der Gemeinwesenarbeit8 an. Mit der Sozialraumorientierung der sozialen Dienste soll die Einzelfallfixierung der Sozialarbeit überwunden
werden. Hauptzweck eines sozialräumlich orientierten Handelns und Planens ist es,
„passgenauere Lösungen zu finden und [...] brachliegendes soziales und kulturelles Kapital im Sozialraum, Bezirk, Stadtteil oder Quartier zu bergen“ (Krummacher 2003, S.
148).
Sozialarbeit ist in die kommunale Sozialverwaltung (bestehend aus Jugendamt, Sozialamt, Gesundheitsamt und Amt für Soziale Dienste) eingebettet. Sie hat die Erbringung
sozialer Dienste zu koordinieren. Dies geschieht auf sehr unterschiedliche Weise, denn
bis heute besteht keine einheitliche Organisationsstruktur für alle Kommunen. Die Organisation wird aufgrund individueller finanzieller und politischer Besonderheiten den
Kommunen und Landkreisen selbst in die Hände gelegt.
Die Erbringung sozialer Dienste ist in öffentlich-rechtliche Organisationsformen eingebunden. Diese sind hauptsächlich Wohlfahrtsverbände, Kirchen und sonstige Sozialverbände. Ihnen wird per Gesetz das Recht auf Selbständigkeit und ein Anspruch auf öffentliche Förderung garantiert (laut Bundessozialhilfegesetz) und gleichzeitig auch Vorrang bei der Erbringung sozialer Dienste vor öffentlichen Trägern eingeräumt (ebd. S.
151). Demnach kommt diesen Organisationen neben den sozialen Ämtern der Kommune eine Schlüsselrolle bei der sozialräumlichen Integration von Zuwanderern zu.
Kommunalpolitik bzw. Stadtplanung und Sozialarbeit vereinen ihre Kräfte nun im Sozialraum. Stadtentwicklung ist damit nicht mehr nur die Beseitigung baulicher Mängel,
sondern eine Verbesserung der Lebensbedingungen von Bewohnern, darunter meist
Ausländer in benachteiligten Stadtgebieten. Wie genau dies gelingen soll, ist noch nicht
abzusehen. Die Konzepte befinden sich derzeit auf dem Prüfstand. Eines diese Konzepte ist das Programm „Soziale Stadt“. Es gibt eine ungefähre Vorstellung davon, welche
8
Die Gemeinwesenarbeit entstand in den 60er Jahren aus der Kritik tradierter Methoden der Einzelfallhilfe in der Sozialarbeit. Im Laufe der letzen Jahre wurde das Konzept der Gemeinwesenarbeit durch neue
Handlungskonzepte wie die „Lebensweltorientierung“ ersetzt (vgl. Krummacher 2003, S. 185f.).
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konkreten Maßnahmen mit einer sozialraumorientierten Stadtentwicklung verbunden
sind. Deshalb soll es im Folgenden genauer betrachtet werden.
3.2.3. Das Programm „Soziale Stadt“
Das Bund-Länder-Programm „Soziale Stadt“ ist ebenfalls ein Ergebnis des Regierungswechsels von 1998. Das Programm besteht aus zwei Komponenten: Sozialpolitik
und Stadtpolitik. Aus diesen beiden traditionellen Politikfeldern werden Konzeptionen
und Mittel übernommen und kombiniert, um einerseits der sozialen und wirtschaftlichen
Abwärtsspirale in segregierten Stadtteilen entgegenzuwirken und um andererseits die
Effizienz und Effektivität staatlichen Handelns bei geringer werdenden Mitteln zu steigern (Walther 2002, S. 31ff.). Konkret bedeutet dies, dass die Stadtteile mit möglichst
wenig Mitteln zu stabilisieren sind. Das Programm richtet sich demnach an solche Gebiete, die hinter der wirtschaftlichen Entwicklung zurückbleiben, Verlierer von Modernisierungsmaßnahmen sind und durch selektive Ab- oder Zuwanderung geprägt sind,
d.h. an segregierte Stadtteile. Dabei stützt sich das Programm auf Befunde und Forderungen aus den 80er und 90er Jahren (ebd. S. 29). Ganz offensichtlich liegt hier einer
der Schwachpunkte des Programms. Neuere Befunde aus den letzten 15 Jahren, die jenseits der Segregationsdiskussion liegen, werden nicht miteinbezogen. Stattdessen beruht
die Problemdefinition der Gebiete auf den theoretischen Konzepten der Segregation und
Desintegration.
Zur inhaltlichen Konzeption des Programms zählen Aufwertungsstrategien, wie eine
(Re)Integration von den sog. „Entbehrlichen“ oder „Überflüssigen“ (Krämer 2002, S.
195). Diese (Re)Integration soll mit der Herstellung einer Identifikation der Bewohner
mit dem Stadtteil erreicht werden. Dazu organisiert das Programm die Integration in
kollektiver Form innerhalb eines Stadtteils und überwindet damit eine kostenintensive
Einzelfallhilfe. Der Stadtteil wird als ein „real vorhandener, alltäglich erfahrbarer“ Sozialraum betrachtet (ebd. S. 202). Doch demnach erfolgt die Integration eher in einem
künstlich geschaffenen und ausgrenzendem Sozialraum, der durch Obrigkeiten vorstrukturiert ist und mit dem realen Sozialraum, den die Betroffenen alltäglich erfahren,
wenig gemeinsam hat. Die Herstellung einer Identifikation mit dem Stadtteil durch Förderung einer kollektiven Identität der Bewohner wird daher künstlich geschaffen.
Ein weiterer inhaltlicher Aspekt, der gleichzeitig dazu dient das Programm politisch zu
verkaufen, ist die Förderung von regulärer Beschäftigung. Fraglich ist jedoch die EffekSic et Non. zeitschrift für philosophie und kultur. im netz.
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35
tivität dieser Maßnahmen. Die Integration in den Arbeitsmarkt wird allein davon abhängig gemacht, welche Defizite beim potentiellen Arbeitnehmer bestehen. Äußere Faktoren, wie die wirtschaftliche Entwicklung, werden dabei außer Acht gelassen (ebd. S.
197). Damit wird suggeriert, die erfolgreiche Aufnahme einer Beschäftigung würde allein auf den Fähigkeiten der potentiellen Arbeitnehmer beruhen. Doch angesichts der
jüngsten Entwicklungen des Arbeitmarktes kann dies nur eine Illusion sein.
Die Betrachtung des Programms unter finanziellen Gesichtspunkten offenbart ebenfalls
einige Schwächen. Die Finanzhilfen des Bundes gehen auf der Basis eines Verteilungsschlüssels an die Länder. Dieser Schlüssel besteht zu je einem Drittel aus Bevölkerungszahl, Wohnungen und Arbeitslosenquote (Walther 2002, S. 34). Problematisch
daran ist, dass bei der Quotierung weder auf Zusammenhänge zwischen diesen drei Faktoren eingegangen wird noch der tatsächliche Bedarf ermittelt wird.
Eine Voraussetzung zur Mittelverteilung ist, dass die Kommunen ein integriertes Konzept verfolgen, d.h. eine ganzheitliche Aufwertungsstrategie des Stadtteils. Positiv zu
bewerten sind die Bemühungen, möglichst umfangreiche Maßnahmen durchzuführen.
Problematisch ist jedoch die räumliche Begrenzung der Gebiete von außen, die mit
Stadtteilgrenzen übereinstimmen. Diese Begrenzung ist sogar vorgeschrieben (ebd. S.
35). Mittel für gezielte Maßnahmen (die einzelne Merkmale betreffen) werden nicht
bewilligt. Genauso wenig darf das Budget stadtteilübergreifend eingesetzt werden. Eine
wirkliche Bedarfsorientierung kann mit einer solchen Ganz-Order-Gar-Nicht-Strategie
nicht eingehalten werden.
Ein weiteres Manko liegt in der Zielsetzung des Programms, die mit den Finanzierungsmöglichkeiten in Konflikt gerät. Das Programm ist eine Weiterentwicklung der
klassischen Städtebauförderung, die rechtlich jedoch nur auf eine indirekte Steuerung
begrenzt ist. Aus diesem Grund ist das Konzept wenig dazu geeignet, soziale Ziele und
damit die ansässige Bewohnerschaft selbst zu erreichen, denn Städtebau ist vor allem
Investition in Straßen, Gebäude, Infrastruktur, also in Sachen, aber nicht in Personal.
Die Sachmittel werden zur Verfügung gestellt, doch die Personalmittel müssen von der
Gemeinde selbst organisiert werden. Widersprüchlich ist dies insofern, weil das Programm neben sachlichen Interventionen ebenfalls vorsieht direkt auf soziale Sachverhalte, wie Arbeitslosigkeit und Sucht, einzuwirken, aber die dafür notwendigen finanziellen Mittel nicht bereitstellt. „Aus der bisherigen pragmatischen Praxis wird nun Programmatik, die suggerieren könnte, dass die strukturellen Grenzen der bisherigen Praxis
nicht mehr gelten. Doch sie bestehen nach wie vor.“ (ebd. S. 36). Das Programm „SoziSic et Non. zeitschrift für philosophie und kultur. im netz.
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ale Stadt“ wird daher auch als „Neuer Wein in alten Schläuchen“ (vgl. Walther 2001)
bezeichnet, weil mit traditionellen Konzepten und Mitteln der Städtebauförderung nun
andere Ziele angestrebt werden, welche die Mittel weit übersteigen und diesen völlig
unangepasst sind. Ob dieses Vorhaben gelingen kann, bleibt offen.
Das Programm steht Pate dafür, wie Integration im „Sozialraum“ vollzogen werden soll.
Es macht deutlich, dass nicht nur die Kommunen dies beeinflussen, sondern auch Bund,
Länder und Europäische Union, die finanzielle Mittel für eine Intervention vor Ort bereitstellen. Die Sozialraumorientierung wird zur zentralen Steuerungsgröße erhoben und
die Integrationsmaßnahmen zielen auf eine Aktivierung der Bewohner innerhalb identifizierter Stadtteile ab. Sozialraumorientierte Strategien sollen den „Leim anrühren, der
die Gesellschaft zusammenhält“ (Kessel/Otto/Ziegler 2002, S. 181). Damit findet eine
Verschiebung der Zuständigkeit der Politik von der systemischen Integration hin zur sozialen Integration statt, deren Schauplatz der Sozialraum sein soll. Die Politik erkennt
ihre Ohnmacht gegenüber der zu zerfallen drohenden Systemintegration, also deren
schwindenden Einfluss auf eine Vermeidung der Krise der gesellschaftlichen Systeme
(z.B. Arbeitsmarkt). Diese mangelnde Systemintegration wirkt sich auch auf die Sozialintegration aus, die in den Städten sichtbar wird. Die Politik versucht nun diese sichtbaren Auswirkungen von Ausgrenzungen einzudämmen, indem sie die soziale Integration
forcieren will, um damit einer Desintegration entgegen zu wirken.
Die Umsetzung dieser Bemühungen um soziale Integration finden in Form von Projekten statt. Die projektförmige Planung sozialer Maßnahmen ist ein junges Phänomen und
gründet auf einer Umstrukturierung der Steuerung der Stadtentwicklung.
3.2.4. Projektorientierte Planung
Seit den 1990er Jahren ist auf dem Gebiet der städtischen und regionalen Entwicklungsplanung immer häufiger von Projekten die Rede. Dies hat verschiedene Ursachen. Vor
allem das Scheitern politischer Interventionen zählt zu den Hauptursachen der Projektorientierung. Globalisierte Märkte und Unternehmensstrategien bedeuten u.a. auch eine
Einschränkung politischer Maßnahmen. Hinzu kommt, dass eine höhere Ebene, die Europäische Union, politische Vorentscheidungen trifft. Aus diesen Gründen schrumpfen
die staatlichen Möglichkeiten, da finanzielle und rechtliche Mittel nur noch eingeschränkt zur Verfügung stehen. Mit dem zunehmenden Verlust der staatlichen politi-
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schen Steuerung erlangen projektorientierte Ansätze zunehmend an Bedeutung (Siebel/Ibert/Mayer 1999, S. 165ff.).
Die Stadtplanung sieht sich gezwungen neue Wege einzuschlagen, um den Handlungsverlust zu kompensieren. Projekte sollen dieses Problem lösen und stellen den Versuch
dar, „aus der Not eine Tugend zu machen: Mit erfolgreichen und öffentlichkeitswirksamen Planungsprojekten kann partiell politische Handlungsfähigkeit auf kommunaler
und regionaler Ebene zurückgewonnen werden“ (Mayer 2004, S. 134). Projekte bergen
die Chance neue Organisationsformen und neue Steuerungsstrategien zu erproben, um
damit die Fehler vorheriger Ansätze zu vermeiden. Dabei wird das bisher vorherrschende Planungsparadigma des umfassenden Planungsanspruchs bewusst beschränkt, um Interventionen punktuell effektiver zu planen und sich auf privilegierte Themen zu konzentrieren. Dies bietet eine Reihe von Vorteilen (vgl. Siebel/Ibert/Mayer 1999 und Mayer 2004):
ƒ
Lösungen für einen konkreten Fall sind besser, weil sie orts- und problemspezifischer sind.
ƒ
Die Konsensfähigkeit wird erhöht, weil verschiedene Interessen sich leichter am
konkreten Objekt einigen können.
ƒ
Die Durchsetzungsfähigkeit wird erhöht, weil die Mittel konzentriert werden
können.
ƒ
Bekannte Themen können mit einer neuen Problemdefinition angegangen werden.
Projekte vereinen zusätzlich sämtliche Vorteile, die Innovationen erzeugen können. Sie
schaffen neue Organisations- und Steuerungsinstrumente auf lokaler Ebene. Es werden
neue Akteure geschaffen, die zwischen hoheitlicher Verwaltung und privaten Unternehmen stehen. Dieser Akteursbezug verspricht effektivere, bedürfnisorientiertere Planungen. Die Projekte vermeiden zudem die bisher hierarchischen Steuerungssysteme
und erproben neue Verhandlungssysteme und Informatisierungen.
Die Innovationen, die diese Projekte mit sich bringen, sind auf eine Neuorientierung der
Stadt- und Regionalpolitik zurückzuführen, welche die Planungsaufgabe nicht mehr nur
als „Erneuerung von materiellen Strukturen“ (technische Infrastruktur und Bausubstanz)
begreifen, sondern auch als eine „intelligente Nutzung des Bestandes“ (Siebel/Ibert/Mayer 1999, S. 166). Dazu zählen Projekte, die nicht nur auf eine materielle
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Aufwertung abzielen: z.B. Quartierserneuerung in sozial benachteiligten Gebieten,
Sport-, Kultur- und Festveranstaltungen, Ausstellungen, Wettbewerbe und Förderprogramme (Mayer 2004, S. 134).
Neben den Vorteilen der projektorientierten Stadt- und Sozialplanung bestehen auch
zahlreiche Nachteile bzw. Risiken (vgl. Siebel/Ibert/Mayer 1999 und Mayer 2004):
ƒ
Es besteht die Tendenz sich auf Themen zu konzentrieren, die Medienwirksamkeit versprechen.
ƒ
Die Konzentration auf ein Gebiet birgt die Gefahr, die Planungsgebiete von der
Umgebung abzukoppeln und die inhaltliche Beziehung zur Umgebung künstlich
zu trennen. „Gelungene Projekte sind Inseln der Seligen, auf denen alle Träume
erfüllt sein mögen und auf die sich alle Ressourcen an Geld, Planungskapazität
und politischer Aufmerksamkeit konzentrieren. Sie können positive Ausstrahlungseffekte haben, aber auch Oaseneffekte – die Umgebung verschwindet im
Dunkeln.“ (Siebel/Ibert/Mayer 1999, S. 169).
ƒ
Es existiert ein Problem der Machtfiguration der beteiligten Personen, denn
wirklich mächtige Akteure setzen sich nicht an Runde Tische und marginalisierte Gruppen (darunter Ausländer) nehmen auch nicht an Workshops teil.
Projekte sind sicherlich keine Ideallösung für die Probleme der Stadtplanung, dennoch
bieten sie gegenüber hierarchischen Planungsstrategien einige Vorteile. Projekte sind
dazu da, neue Wege auszuprobieren, ob sie wirklich Probleme lösen oder ob sie diese
nur vorübergehend bearbeiten, ist noch zu klären. Sicher ist jedenfalls, dass sie als Beispiele dienen.
Bisher war hauptsächlich von allgemeiner Ausgrenzung und Segregation die Rede. In
dieser Arbeit soll jedoch der Aspekt der Integration von Zuwanderern untersucht werden. Deshalb ist es notwendig die Besonderheiten und Konsequenzen der Sozialraumspaltung und der Sozialraumorientierung für die Integration von Migranten zu betrachten. Denn in allen Ausführungen zu diesem Thema sind Migranten nur ein Teil der betroffenen Bewohnergruppen. Migranten werden als ein Indikator für die Identifikation
benachteiligter Gebiete gesehen. Ob diese Praxis jedoch einer sozialräumlichen Betrachtung von Migranten gerecht wird, ist höchst fragwürdig. Es ist anzunehmen, dass
nicht alle Migranten von Ausgrenzung betroffen und deshalb nicht-integriert sind. WelSic et Non. zeitschrift für philosophie und kultur. im netz.
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che positiven und negativen Aspekte für die Integration von Migranten diese Sozialraumorientierung mit sich bringt, wird im nächsten Kapitel ausführlich diskutiert. An
einigen Stellen deutet sich bereits an, dass die Sozialraumorientierung gewisse Schwächen aufweist.
Erstens findet momentan eine Verschiebung der politischen Zuständigkeiten statt.
Schwächen der Systemintegration können nicht verhindert werden, deshalb versucht
man die Probleme der sozialen Integration zu beseitigen. Integrationsdefizite auf systemischer Ebene werden in den „Sozialraum“ hineinprojiziert und sollen dort abgemildert
werden. Ob dies gelingen kann, bleibt offen. Zweitens herrscht anscheinend Uneinigkeit
bei der Festlegung von „Sozialräumen“. Einmal wird von Stadtteilen gesprochen, ein
andermal von Quartieren. Sozialräume werden scheinbar willkürlich für den jeweiligen
Zweck definiert. Drittens haben die Konzepte der Sozialraumorientierung eine Behälterraum-Perspektive, die sich in der strikten Begrenzung von Stadtgebieten äußert. Kann
diese Perspektive im Hinblick auf die Herausbildung transnationaler Räume von
Migranten alle Aspekte ihrer „Sozialräume“ mit einbeziehen?
3.2.5. Sozialraumspaltung und Sozialraumorientierung oder doch nur Kleinräumigkeit? Das Beispiel Jugendhilfe
Auffällig ist die Tatsache, dass die Sozialpädagogik, vor allem aber die Jugendhilfe in
den letzten Jahren einen regelrechten Boom der Sozialraumorientierung erlebte. Dort
scheint allerdings das Hauptproblem zu sein, wie man den Raum am besten mit Zahlen
handhabbar macht. So versucht man den Sozialraum mit physisch-materiellen Einheiten
erklärbar und messbar zu machen (Reutlinger 2003, S. 11). Dieses Verfahren soll am
Beispiel des Jugendamtes der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt Düsseldorf erläutert werden (vgl. Verein für Kommunalwissenschaften 2000):
Der Segregation ihrer Stadt bewusst, beabsichtigt die Stadtverwaltung Düsseldorf soziale Hilfen nicht mehr stadtteilbezogen, sondern sozialraumbezogen anzubieten. So beschloss das Jugendamt in mehreren Arbeitssitzungen, seine zehn Bezirke in 156 Sozialräume zu untergliedern. Dabei wurden besonders die sozioökonomische Situation, die
Wohnsituation, Bebauungsstrukturen, die Entstehungsgeschichte der Siedlung sowie
das Zugehörigkeitsgefühl und die Gewohnheiten der Bevölkerung als Indikatoren der
Unterscheidung herangezogen. Mithilfe von Strukturdaten und einer regelmäßigen
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Überprüfung dieser Gliederung entstanden Planungsräume, die eine kleinräumige Datenerhebung und Datenanalyse für homogene Gebiete ermöglichen. Mit einer anschließenden Analyse der erhobenen Sozialdaten wurden schließlich der Grad der sozialen
Belastung innerhalb der verschiedenen Sozialräume ermittelt.
Diese Vorgehensweise hat unzweifelhaft Vorteile für die Planung der Hilfen in diesen
Gebieten, dennoch weist sie erhebliche Mängel auf. Als unmittelbare Folge der Diagnose der Segregation wird die tradierte Einteilung in Stadtteile nun in „Sozialräume“ vorgenommen. Es ist jedoch fraglich, ob die mit dem beschriebenen Verfahren ermittelten
Räume auch wirklich den Sozialräumen der Bewohner entsprechen. Viel eher scheint es
als wäre von einem größeren Behälterraum auf einen kleineren ausgewichen worden.
Diese Praxis bleibt weiterhin dem geographischen Raum verhaftet. Aber hat dieser geographische Raum etwas mit dem sozialen Raum zu tun? Die unterstrichenen Begriffe
verdeutlichen, dass der Sozialraum als kleinräumige Einheit gesehen wird, in dem homogene Gruppen leben, die Hinweise auf den Grad der sozialen Belastung geben. Dass
dies ein allzu einfaches Schema ist und keineswegs die Realität abbilden kann ist eindeutig. Die Lebenswelt von Personen, d.h. der soziale Raum von Individuen kann nicht
mit einem aus den Naturwissenschaften stammenden geographischen Raum völlig übereinstimmen. „Die Mathematik bzw. die anschauliche oder die abstrakte Geometrie ermöglichen die Erfassung der physikalischen Welt in einem für praktische Zwecke gewiß hinreichendem Maße [...] Aber das Qualitative – so alle lebensbezogenen und lebens-‚erfüllten’ Raumphänomene im Mediokosmos – bleibt ihnen entzogen“ (Gosztonyi
1978, S. 1247). Der soziale Raum darf nicht mit dem naturwissenschaftlichen Behälterraum gleichgesetzt werden, vielmehr muss er aus einer sozialwissenschaftlichen Perspektive definiert werden. Erst dann können alle sozialen Aspekte des Raumes in Betracht gezogen werden.
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4. Konsequenzen für die Integration von Migranten
Die relativ neue Praxis der Sozialraumorientierung in Planungspolitik und Sozialarbeit
birgt sowohl Chancen für die Integration von Zuwanderern als auch Risiken. Zu den
Chancen zählt u.a. die Tatsache der Sozialraumorientierung selbst, durch die neue Mittel und Wege der Integration erprobt werden können. Die projektförmige Durchführung eröffnet die Möglichkeit neue Modelle zu testen und zu evaluieren. Zu den Risiken zählt eine zu enge Betrachtung des Sozialraums als geographisch eingrenzbares
Gebiet. In Kapitel 2 wurde bereits angesprochen, dass sich in Zeiten, in denen die
Globalisierung maßgeblich gesellschaftliche Prozesse beeinflusst, und im Zuge der
Bedeutungsausdünnung des Nationalstaats neue Sozialräume herausbilden, v.a. bei
Migranten. Ein Sozialraum kann deshalb nicht allein über geographische Begrenzungen ermittelt werden und deshalb sollte die Behälterraum-Perspektive – zumindest
teilweise – aufgegeben werden. Um die volle Tragweite der sozialräumlichen Integration zu fassen, muss ein offener Raumbegriff gewählt werden. Des Weiteren kann die
Wahrnehmung von diesem eingeschränktem Raumverständnis sowie der Deutung der
Segregationsdiagnose als Hinweis auf Desintegration negativ beeinflusst werden. Die
Definition von Sozialraum als territoriales Stadtgebiet greift hierbei zu kurz. Deshalb
wird in diesem Kapitel der Sozialraum in diesem Zusammenhang neu definiert, um
anschließend genauer zu erfassen, wo die Probleme der Behälterraum-Perspektive für
die Integration von Migranten liegen könnten.
4.1. Eine erweiterte Perspektive auf den Sozialraum
Mit dem gesteigerten Interesse am Sozialraum von Migranten wird deutlich, dass die
Kategorie „Raum“ an Bedeutung gewinnt. Allerdings wird ebenso deutlich, wie weit
die Raumvorstellungen dabei auseinandergehen. Hinter den Begriffen „Sozialraum“
und „Sozialraumanalysen“ verbirgt sich ein breites Spektrum an Fragestellungen, Methoden und Konzepten (Gestring/Janßen 2002, S. 147). Einzig verbindendes Merkmal
ist die Annahme der sozialen Relevanz des Raumes. Dies war in der Soziologie nicht
immer der Fall. Lange Zeit wurde der Raum als soziales Unterscheidungskriterium
vernachlässigt und wurde im Gegensatz zu Kategorien wie Klasse, Lebensstil, Kultur
und Geschlecht nicht als soziales Merkmal in Untersuchungen zur sozialen Ungleichheit herangezogen (Pott 2001, S. 59). Vielmehr wurde der Raum systematisch ausgeSic et Non. zeitschrift für philosophie und kultur. im netz.
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blendet und als etwas natürlich Gegebenes betrachtet. Bis heute existieren Gegenstimmen, die den Erkenntnisgewinn eines sozialwissenschaftlichen Raumverständnisses für die stadtsoziologische Analyse nicht wahrnehmen können (Krämer-Badoni
2003, S. 285).
Dieter Läpple formulierte dies 1991 folgendermaßen (Läpple 1991, S. 163; Hervorhebung im Original):
„In den dominanten Gesellschaftswissenschaften sind wir bis heute mit einer offensichtlichen
‚Raumblindheit’ konfrontiert. Dementsprechend erscheint die gesellschaftliche Realität in den
mainstream-Theorien als ein raumloses Konstrukt bzw. als punktförmige Abbildung der sozialen Wirklichkeit.“
Mit dieser Aussage behält er bis heute Recht, denn in der stadtsoziologischen Forschung wird der Raum meist auf einen naturgegebenen Raum reduziert. Dabei gibt es
seit einigen Jahren viele Bemühungen einen gesellschaftlichen Raumbegriff zu aktivieren. Hierzu werden im Folgenden v.a. die Konzepte von Bourdieu (1991), Läpple
(1991) und Löw (2001) diskutiert. An dieser Stelle soll keine ausführliche Darstellung
der Raumbegriffe erfolgen9. Die drei genannten Konzepte werden vorgestellt, weil sie
für eine Definition von Sozialraum relevant sind.
4.1.1. Der soziale Raum
Die klassische Raumvorstellung basiert auf dem Newtonschen Abstraktum des absolutistischen Raumes. Dieser wird als Behälter konstruiert und existiert unabhängig von
seinem Inhalt. Für eine sozialwissenschaftliche Betrachtung, deren Gegenstand jedoch
die Analyse von Inhalten ist, wird dieser Raum bedeutungslos, er wird gewissermaßen
auf den Status einer Umweltbedingung reduziert (Läpple 1991, S. 193). Für die Untersuchung sozialer Phänomene scheint dieses Raumkonstrukt ungeeignet zu sein.
Eine grundlegende Unterscheidung zwischen physischem und sozialem Raum entwickelte Pierre Bourdieu. Den sozialen Raum verwendet er metaphorisch und bezeichnet
ihn als einen Raum der sozialen Beziehungen, in dem soziale Prozesse verdeutlicht
werden. Der soziale Raum eines Menschen kann mithilfe des Habitus bestimmt werden. Auf der anderen Seite existiert für ihn ein physischer Raum, im Newtonschen
Sinne, der durch den sozialen Raum beeinflusst wird:
9
vgl. hierzu Löw 2001
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„Der soziale Raum weist die Tendenz auf, sich mehr oder weniger strikt im physischen Raum
in Form einer bestimmten distributionellen Anordnung von Akteuren und Eigenschaften niederzuschlagen.“ (Bourdieu 1991, S. 26)
Soziale Prozesse werden somit in den physischen Raum eingebettet und realisieren
sich innerhalb dessen. Dem Habitus entsprechendes Handeln fließt in den physischen
Raum hinein und beeinflusst dessen Strukturen. Bourdieu bezeichnet ihn deshalb auch
als sozial angeeigneten physischen Raum. Eine Wohnung kann Auskunft über die
Stellung des Menschen im sozialen Raum abgeben, dennoch lässt sich diese Kausalitätsbeziehung nicht ohne weiteres auf ein größeres Wohngebiet anwenden. Denn ein
Wohngebiet kann durchaus physisch belegt werden, ohne im strengen Sinne bewohnt
zu werden, wenn der Habitus und alle damit verbundenen Verhaltensweisen kaum Zugangsmöglichkeiten offen lassen (ebd. S. 31). Eine weniger privilegierte Person, die
plötzlich ein Penthouse auf der Park Avenue bewohnen darf, verfügt wahrscheinlich
nicht über den gleichen Habitus der restlichen Bewohner dieser Straße. Der soziale
Raum muss deshalb nicht zwangsläufig dem physischen Raum entsprechen. Genau
dieser Punkt verdeutlicht, dass die Homogenität der Personengruppen eines segregierten Gebiets keinesfalls der Realität entsprechen muss. Der Sozialraum des Einen deckt
sich nicht unbedingt mit dem Sozialraum des Anderen, auch wenn sie Nachbarn sind.
Bourdieu verdeutlicht in seinen Ausführungen die Differenz zweier Raumvorstellungen: dem absolutistischen und dem sozialen Raum. Beide Räume sind nicht deckungsgleich, weshalb eine Untersuchung des sozialen Raumes nicht einfach durch eine Untersuchung über einen geographisch definierten Ort ersetzt werden kann. Diese Erkenntnis ist zunächst grundlegend für die Definition des Sozialraums. Es wird deutlich, dass Raum nicht absolutistisch, sondern relational gedacht werden muss. Dennoch ist Bourdieus sozialer Raum in den physischen Raum eingebettet. Er überwindet
damit nicht ganz die Behälterraum-Perspektive. Die Projektion von sozialen Prozessen
in den Behälterraum reduziert ebenfalls gesellschaftliche Prozesse auf einen naturgegebenen Ort und rahmt sie quasi ein. Diese künstliche Begrenzung kann deshalb mit
der sozialen Wirklichkeit nicht völlig übereinstimmen. Um alle Aspekte der sozialen
Lebenswelt von Individuen bzw. des sozialen Raums erfassen zu können, müssen weitere Differenzierungen vorgenommen werden. V.a. muss überdacht werden, wie sich
Raum konstituiert, da er keinesfalls naturgegeben ist, sondern von Menschen produziert wird, also ein soziales Produkt ist. Zunächst wird kaum zwischen Raum und Ort
unterschieden. Nach Löw ist diese Unterscheidung jedoch wichtig für die Raumdefinition.
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„Raum ist eine relationale (An)Ordnung sozialer Güter und Menschen (Lebewesen) an
Orten“ (Löw 2001, S. 224). Relational bedeutet, dass Raum durch Elemente und deren
Beziehungen zueinander, deren Figuration, entsteht. Die Anordnung dieser Elemente
ist ein Prozess, der auf der Grundlage von Handlungen abläuft. Im Laufe dieses Prozesses verändern sich die Relationen und somit verändert sich auch der Raum selbst.
Diese Dynamik bedeutet jedoch nicht, dass Räume unbeständig wären. Es werden
ebenso symbolisierte Räume geschaffen, die wie fixierte Bilder sind. Aufgrund dessen
unterscheidet Löw Raum und Ort voneinander. Orte sind „Ziel und Resultat der Platzierung“ (ebd. S. 198) von Elementen im Raum. Es sind Orte, die meist geographisch
markiert sind und fixierte Bilder darstellen, wie etwa ein Gebäude oder ein Park. Folglich sind Orte für die Konstitution von Raum bedeutsam, da sie auf Lokalisierungen
beruht, durch die Orte entstehen. Neben Orten verfestigen sich ebenfalls Strukturen im
Raum. Sie entstehen dann, wenn die Raumkonstitution in Regeln festgeschrieben wird
und durch Ressourcen abgesichert ist. Solch eine Struktur kann z.B. die Positionierung
des Bettes im Schlafzimmer anstatt im Esszimmer sein. Schließlich münden diese
Strukturen in Institutionen und werden dort gesellschaftlich verankert. Wenn nun
Räume durch Handeln konstituiert werden, produziert dieses Handeln gesellschaftliche
Strukturen. Diese werden in Institutionen festgeschrieben und wirken sich wiederum
auf das Handeln aus, womit sich die Strukturen reproduzieren (ebd. S. 169ff.). Diese
Interdependenz zwischen Handeln und Struktur, Raum und Ort bildet die entscheidende Erweiterung zu Bourdieus sozialem Raum. Nicht nur das Soziale (sozialer Raum)
wirkt sich auf materielle Strukturen aus, sondern die materiellen Gegebenheiten beeinflussen ebenfalls die sozialen.
Für die Untersuchung von Raumphänomenen ist es wichtig, diese Interdependenz zu
berücksichtigen und v.a. im Vorfeld zu definieren, welche Art von Raum zu untersuchen ist. In einem territorialen Raum können sich mehrere Räume aufstapeln (vgl.
Pries 1997). Ebenso entstehen transnationale Räume, die jenseits von Nationalstaaten
und Regionen existieren und keinesfalls einer geographischen Eingrenzung von Raum
entsprechen. Für die Untersuchung eines Gebietes, wie etwa einem Stadtteil samt der
Bewohner, müssen daher mehrere Ebenen von Raum unterschieden werden, die sich
gleichzeitig an einem Orten konstituieren. Nach Läpple überlagern sich im Raum verschiedene Funktionsräume: ökonomischer, sozialer, kultureller und politischer Raum.
„Der gesamtgesellschaftliche Raum ergibt sich somit als eine komplexe und widerspruchsvolle Konfiguration ökonomischer, sozialer, kultureller und politischer FunktiSic et Non. zeitschrift für philosophie und kultur. im netz.
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onsräume, die zwar ihre jeweils spezifische Entwicklungsdynamik haben, zugleich jedoch in einem gegenseitigen Beziehungs- und Spannungsverhältnis stehen“ (Läpple
1991, S. 199).
Raum kann demnach aus verschiedenen Perspektiven betrachtet werden. Welche Ebenen aber berücksichtigen Politik und Sozialarbeit bei der Sozialraumorientierung? Sie
stützen sich auf die Ergebnisse aus der stadtsoziologischen Forschung und übernehmen entsprechend deren Raumverständnis, das als Behälter konstruiert wird.
Der Begriff „Sozialraum“ geht auf die wohnquartiersbezogenen, stadtsoziologischen
Forschungen in den 20er Jahren der USA zurück. In Deutschland wird der Begriff seit
den 70er Jahren in Verbindung mit dem Phänomen der Segregation gebracht. Beschreibend ist Segregation die Konzentration bestimmter sozialer oder ethnischer
Gruppen in bestimmten Wohnquartieren, also die „Übertragung sozialer Ungleichheit
in den (territorialen) Raum“ (Krummacher 2003, S. 12). Hier zeigt sich eindeutig, dass
der Sozialraum erst mit der Teilung der Städte aufgegriffen wurde. Der Gedanke, ein
durchmischtes Quartier oder etwa ein viel großräumigeres Gebiet ebenfalls als Sozialraum zu betrachten, wird hier ausgeblendet. Gleichzeitig wird der Sozialraum als ein
Rahmen oder Behälter gedacht. Etwas weiter greift die analytische Definition von Sozialraum und Segregation. Zwischen der Konzentration sozialer Gruppen und den materiellen Gegebenheiten des Wohnquartiers besteht eine dialektische Wechselwirkung,
welche „die Lebenslagen der Bewohner, die Herausbildung spezifischer Milieus
(„Subkulturen“), die sozialen Beziehungen untereinander und die sozialen Wandlungsprozesse nachhaltig positiv oder negativ prägt“ (ebd.). Daraus erschließt sich die
Möglichkeit der Einflussnahme der Personen auf das Quartier, sowie der Einfluss des
Quartiers auf die Personen, die darin leben. Der Sozialraum wird als Behälter betrachtet, in dem bestimmte Prozesse ablaufen.
Die Projektion sozialer Phänomene in den territorialen Raum ist für eine Definition
von Sozialraum allerdings ungenügend. Das Ungenügende daran ist die absolutistische
Betrachtung von Raum, der lediglich als Behälter, als Rahmen oder allgemein etwas
Äußeres fungiert, innerhalb dessen Grenzen sich soziale Prozesse abspielen. Der
Raum an sich hat dabei nur eine marginale Bedeutung. Der Sozialraum ist danach lediglich ein Produkt von Segregation. Die Existenz eines anderen Sozialraums ohne territoriale Grenzen, wird nicht in Erwägung gezogen. Mit der bloßen Projektion des sozialen in den geographischen Raum werden alle Raumebenen auf eine einzige heruntergebrochen. Es wird demnach versucht gleichzeitig materielle, kulturelle und soziale
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Ungleichheiten abzuschaffen, indem man sich auf den territorialen Raum stützt. Mit
einer solchen Begrenzung kann jedoch, im Sinne der neuen Raumdefinitionen, der
„Sozialraum“ von Migranten nur teilweise erkannt werden. Der Sozialraum ist gar
kein sozialer nach dieser Definition, sondern das Soziale ist nur in den Raum hineinprojiziert. Dabei sind zwei Schwächen dieser Betrachtungsweise zu erkennen. Erstens
werden damit systematisch verschiedene Raumdimensionen nicht in ihrer Ganzheit erfasst, wodurch zweitens auch Maßnahmen zur Verbesserung in sozialer und kultureller
Hinsicht nicht in ihrer Ganzheit greifen können. Nur die materielle Ebene kann aus
dieser Perspektive voll berücksichtigt werden. Doch bleibt man bei der Annahme Sozialräume seien physische Räume, so können viele Prozesse, die sich in einem solchen
Raum abspielen und von diesem hervorgebracht werden, nicht erkannt werden. Der
physische Raum bildet bei sozialen Analysen nur einen Ausschnitt, in dem die unterschiedlichsten Sozialräume der Personen vorhanden sein können. Sozialraum absolutistisch zu betrachten wäre demnach völlig unzureichend und würde wesentliche Aspekte der Lebenswelten von Migranten verdecken. Es muss daher eine geeignete Definition für die sozialraumorientierte Planung und Sozialarbeit herangezogen werden, in
der sich die Lebenswelten der Bewohner wiederfinden. Nur auf dieser Basis kann
schließlich bestimmt werden, wie Integration im Sozialraum möglich ist.
4.1.2. Transnationaler kultureller Raum
Gerade wenn man von der Integration von Migranten spricht und dies auch noch im
Zusammenhang mit dem Sozialraum, so muss genauer betrachtet werden, wie kulturelle Räume entstehen und welche Funktion ihnen bei der Integration zukommt.
Der Integrationserfolg wird auch noch in neueren Studien daran bemessen, wie intensiv sich Ausländer kulturell und sozial an die „Deutschen“ angenähert haben. Verbringen sie ihre Freizeit in ethnischen Gemeinschaften, so gilt dies als Integrationshindernis und wird oft auch als Integrationsverweigerung interpretiert (Römhild 2003, S. 41).
Dieses Integrationsverständnis ist mit der Idee verbunden, dass „die Ausländer“ sich
auf „die deutsche Kultur“ festlegen müssen, um integriert zu sein, also eine Entscheidung treffen müssen. Der Wirklichkeit entspricht diese Idee aber schon lange nicht
mehr, da die Globalisierung sowohl im wirtschaftlichen, als auch im kulturellen Sinne
voranschreitet. Mit der Globalisierung werden Kulturen vermischt, neu sortiert und
neu verortet.
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„Die kulturelle Praxis in den Einwanderungsgesellschaften zeigt, dass Menschen mehrere
Heimaten haben, mehrere kulturelle und soziale Bindungen entwickeln und leben können, dass
sie dabei nationale und ethnische Sortiermuster kreativ unterwandern und sich so ihre Welt
über nationalstaatliche Grenzen hinweg entwerfen.“ (Römhild 2003, S. 42)
Die Globalisierung lässt also nationalstaatliche Grenzen in kultureller Hinsicht im
Hintergrund verschwinden, denn durch Migration, werden Verbindungen zwischen
Kulturen und Ländern hergestellt, die diese Begrenzung aufheben. Die üblichen
Denkmuster der Integration in eine nationale oder kulturelle Gesellschaft müssen in
diesem Zusammenhang neu überdacht werden.
Mit dem Bedeutungsverlust des Nationalstaats als Orientierungsmaß der Integration,
gewinnt das Lokale an Bedeutung. Mit der Globalisierung von Kulturen beginnt auch
gleichzeitig eine Glokalisierung der Kulturen (ebd. S. 49), d.h. im Lokalen bilden sich
neue kulturelle Räume heraus, die für die Identifikation und schließlich für die Integration wichtig werden. So identifizieren sich, laut einer Umfrage, in Frankfurt 2/3 der
Befragten mit Migrationshintergrund als Frankfurter, ca. die Hälfte fühlt sich auch
gleichzeitig mit dem Herkunftsland der Eltern verbunden und nur 1/5 identifiziert sich
als deutsch (vgl. Straßburger 2001). Lokale kulturelle Räume sowie dazugehörige ethnische Institutionen und Communities bilden somit eine Identifikationsbasis für
Migranten, die keineswegs Indiz für Desintegration ist, sondern im Gegenteil, die Integration fördert. Oftmals wird der Fehler begangen, diese kulturellen Räume mit der
ursprünglichen Herkunftskultur gleichzusetzen. Diese neu herausgebildeten kulturellen
Räume haben aber nur wenig damit gemeinsam.
Integration im Sozialraum macht demnach durchaus Sinn, aber nur, wenn Raum nicht
bloß als Territorium betrachtet wird und das Schwarz-Weiß-Denken zweier nationalstaatlich geprägter, sich gegenüberstehender Kulturen überwunden wird.
4.1.3. Ausgrenzung als Ursache physisch-materieller Raumperspektive
Mit der Sozialraumorientierung von Planung und Sozialarbeit wird mithilfe von quantitativen (manchmal auch qualitativen) Daten ein „ Sozialraum“ identifiziert, ein Gebiet, das eine möglichst „homogene“ Bewohnerschaft beinhaltet und in seiner übrigen
Struktur benachteiligend betrachtet wird. Diese Räume werden anhand sog. Sozialraumanalysen gewonnen. Der erste Fehler dieser Methode ist die Projektion des Sozialen in einen physischen Raum, der einem Behälter entspricht. Dabei wird eine strikte
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geographische Grenze gezogen, die den Raum zu etwas Starrem macht. Dynamische
Prozesse sind nur innerhalb dieser Grenzen möglich. Die Menschen in einem solchen
Raum werden in sozialer Hinsicht als relativ homogene Gruppe betrachtet. Das Soziale wird sozusagen territorialisiert. Dabei entspricht der soziale Raum nur in Teilen dem
physischen Raum. Eine solche räumliche Begrenzung berücksichtigt nur einen gewissen Ausschnitt der Lebensräume der Bewohner und schließt sie darin ein. Mit der
Identifizierung eines benachteiligten Quartiers werden Strategien gegen soziale Ungleichheitsstrukturen eingeleitet, die sich nur noch auf das Gebiet richten. Dadurch
werden die Bewohner in Areale eingeschlossen, indem nur auf Ressourcen in diesem
Gebiet zurückgegriffen wird (Kessel/Otto/Ziegler 2002, S. 181).
Betrachtet man den Sozialraum als einen Behälter, in dem sich soziale Prozesse abspielen, können wichtige Teile des Lebensraums eines Menschen unerkannt bleiben.
Die Problematik dieser Perspektive drückt sich bei Ausgrenzungsprozessen aus. Menschen werden in physisch-materielle Räume eingeschlossen und damit zugleich ausgegrenzt. Die Logik der Sozialraumspaltung und der daraus resultierenden planerischen Interventionen bewirken keine Integration der Menschen ins Gesamtgefüge der
Stadt, sondern im Gegenteil, sie bekommen keinen Zugang zu bestimmten Gebieten
mehr, weil sie ausgegrenzt werden (Reutlinger 2003, S. 12). Aus Integrationsmaßnahmen werden Ausgrenzungsmaßnahmen.
Eine Bestimmung des Sozialraums kann deshalb nicht von außen her vorgenommen
werden. Vielmehr muss aus der Perspektive der handelnden Individuen heraus darauf
geschlossen werden. Handlungen sind einerseits sozial und andererseits räumlich bedingt, d.h. dass Individuen innerhalb gewisser Strukturen handlungsfähig sind. Umgekehrt bedeutet dies, dass ein von außen abgegrenzter Raum zu einer Einschränkung
der Handlungsfähigkeit eines Individuums führt, was wieder mit Ausgrenzung im Zusammenhang steht.
Die Begrenzung des zu untersuchenden Gebiets ist also eines der Hauptprobleme von
Sozialraumanalysen. Nachdem das Soziale in den geographischen Raum projiziert
wurde, kann man leicht den Fehleinschätzungen unterliegen, dieser Raum repräsentiere den „ganzen“ Lebensraum der Bewohner. Dies tut er aber nicht, denn er ist nur ein
künstlich konstruierter Raum, innerhalb dessen nur ein Teil der individuellen Lebensräume erfasst wird. Die Sozialraumorientierung entspricht demnach wohl eher einer
„Nahraumorientierung“ (Kessel/Otto/Ziegler 2002, S. 177).
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Migranten schneiden bei diesen Sozialraumanalysen noch schlechter ab als die restlichen Bewohner dieser Gebiete. Ein entsprechend hoher Anteil von Zuwanderern wird
als Indikator für eine „hohe Belastung“ des Gebiets gedeutet. Dies gilt als zentrale
„Problematik“ in den entsprechenden Räumen (Waltz 2002, S. 125).
4.2. Wahrnehmung
Ein weiteres Problem von Sozialraumanalysen ist die Betrachtung der Bewohner als
homogene Gruppe und die oft zu einseitige Wahrnehmung kultureller Lebensweisen
von Migranten. Außerdem wird schnell darauf geschlossen, dass Migranten, die in benachteiligten Quartieren und unter anderen Migranten leben, nicht sonderlich integriert
wären. Eine Ursache dafür ist, dass stets nur auf Unterschiede geachtet wird.
„Systematisch ausgeblendet bleibt aber die andere Seite, eben jene, welche den deutschen
Normalbetrachter nicht irritiert, nicht stört, nicht aufmerken lässt. Unsichtbar bleibt mit anderen Worten was die Migranten an Anpassungsleistung tagtäglich erbringen und wie viele sich
bemühen, die Anforderungen der neuen Umwelt mit ihren Gewohnheiten und Erwartungen
zusammenzubringen; wie sie oft Elemente des einen mit Elementen des anderen zu verknüpfen versuchen, dabei ihre eigenen Formen des ‚Kulturmix’ entwerfen, vielerlei Zwischenformen, Mischformen, Übergangsformen.“ (Beck-Gernsheim 2004, S. 41; Hervorhebungen im
Original)
Bleibt der Blick zu einseitig, so werden die vielen Differenzierungen in kultureller und
in sozialer Hinsicht, die es auch unter Ausländern gibt, verborgen bleiben und damit
auch deren Integrationsleistungen. Eine solche Betrachtungsweise lässt auch soziale
Aufsteigergruppen außer Acht. Dabei wäre es doch gerade interessant zu sehen, wie
sie sich etablieren konnten und in welcher Form sich ihre soziale Integration ausdrückt. Trotz der hohen Arbeitslosenquote unter Ausländern zeigt sich eine junge, aber
dennoch deutliche Entwicklung: es lassen sich Aufstiegsprozesse und erfolgreiche
Karrieren beobachten und der Anteil an Abiturienten, Studenten und Akademikern
steigt kontinuierlich, wenn auch langsam an (Pott 2002, S. 87). Eine Sozialraumanalyse, die Bewohner und deren soziale Lebenslagen quantifiziert, kann diese Differenzierungen nur teilweise erfassen oder bleibt ihnen gegenüber sogar blind.
In Kapitel 2 wurde bereits angesprochen, dass eine Integration „in“ die Gesellschaft
eine zu einfache und einseitige Sichtweise ist. Migranten leben nicht in einem abgeschlossenen Raum, getrennt von der sie umgebenden Mehrheitsgesellschaft. Sei es am
Arbeitsplatz, beim Einkaufen, in der Freizeit oder bei Behördengängen, überall kommen sie mit vielen verschiedenen Personen in Kontakt. Dadurch übernehmen sie früSic et Non. zeitschrift für philosophie und kultur. im netz.
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her oder später automatisch Verhaltensweisen, die – wenn man so will – der Mehrheitskultur zuzurechnen sind.
Migranten bilden sog. „kulturelle Zwischenwelten“ (vgl. Mandel/Wilpert 1996) heraus. Es handelt sich dabei weder um eine Kopie sozialer Muster der Herkunftsgesellschaft noch um eine schrittweise Anpassung an die Aufnahmegesellschaft und deren
dominanten Lebensstile. Es handelt sich dabei viel mehr um Mischformen, die sich
aus der individuellen Situation ergeben (Beck-Gernsheim 2004, S. 44). Würde Integration nur als einseitige Anpassung definiert werden, würden die wirklichen Anpassungsleistungen verborgen bleiben und diejenigen Migranten, die auf irgendeine Art
und Weise als Ausländer erkennbar sind (ausgenommen vom äußeren Erscheinungsbild), müssten zwangsläufig als nicht-integriert betrachtet werden.
Integration ist ein Konstrukt der Aufnahmegesellschaft. „Man muss die Beschränkungen des mononationalen, monokulturellen Blicks überwinden und den Spannungsbogen zwischen dem ‚Hier’ und dem ‚Dort’ in den Blick nehmen, in dem dies Leben sich
aufbaut. Transnational, nicht traditional: so muß man die Lebensentwürfe und Lebensformen von Migranten begreifen.“ (ebd. S. 50). Statt Integration einseitig, nur aus dem
Blickwinkel der Aufnahmegesellschaft zu definieren, muss ebenso eine Perspektive
der betroffenen Personen eingenommen werden .
Überwindet man den mononationalen Blick und schärft sein Auge für transnationale
Räume, so können die wahren Probleme bei der Integration gefunden werden, die auf
strukturellen Benachteiligungen, Diskriminierungen (vielleicht auch manchmal einem
mangelnden Integrationswillen) etc. beruhen. Tut man dies nicht, so würde man alle
Migranten in einen Topf werfen und es gäbe nur zwei Zustände: assimiliert oder nichtintegriert. Nach dieser Logik kann kein Migrant völlig integriert sein, da er immer in
irgendeiner Weise einen besonderen kulturellen Raum produziert. Man würde zudem
Gefahr laufen, nicht alle Aspekte des sozialen Raumes von Migranten zu begreifen.
Allzu schnell würde man dazu tendieren, alle Ausländer zu homogenisieren.
4.3. Segregation vs. Integration?
Sozialraumanalysen beruhen auf der Tatsache, dass die Stadt segregiert ist. Aber allein
die Diagnose der Segregation sagt noch nicht viel darüber aus, ob Migranten deshalb
nicht integriert sind. Denn sonst müsste man davon ausgehen, dass deutsche Bewohner
innerhalb dieser segregierten Gebiete ebenfalls nicht-integriert sind. Die Spaltung alSic et Non. zeitschrift für philosophie und kultur. im netz.
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lein gibt noch lange keinen Aufschluss darüber, wie Migranten in den einzelnen Dimensionen integriert oder wieso sie nicht-integriert sind. Sie können trotzdem soziale
Beziehungen zu Deutschen eingehen, kulturelle Fertigkeiten erwerben, in dem sie die
Schule besuchen, und anschließend arbeiten gehen und sich damit auf dem Arbeitsmarkt platzieren. Der Umstand der schlechten Infrastruktur in segregierten Gebieten
benachteiligt Migranten ebenso wie Deutsche. Das Problem scheint hier also ein anderes zu sein.
Neben der sozialen Segregation existiert auch eine ethnische. So ist zu beobachten,
dass sich Migranten auf wenige Stadtteile konzentrieren und das auch oft nochmals
nach Herkunft getrennt. Nicht die Tatsache der sozialen Segregation, sondern die der
ethnischen Segregation wird in der Stadtsoziologie kontrovers diskutiert. Während die
Gegner behaupten, Segregation wäre das Gegenteil von Integration, weisen die Befürworter auf den Integrationscharakter einer ethnischen Kolonie hin.
Eines der Argumente, das gegen ethnische Segregation hervorgebracht wird ist die
Isolation von Migranten (Bremer 2000, S. 175). Mit der Bildung ethnischer Kolonien
würde sich das Kontaktfeld von Migranten verengen, wodurch sich kulturelle Subsysteme herausbilden würden. Soziale Beziehungen mit Einheimischen wären daher ein
seltenes Resultat. Vielmehr würden Konflikte zwischen beiden Gruppen entstehen.
Nach Geiger (1974, S. 162ff.) leben Migranten auf „Inseln der Rückständigkeit“ zusammen mit sozial schwachen Deutschen. Diese würden all ihre Aggressionen und
Frustrationen auf Ausländer projizieren und damit entstünden Konflikte zwischen beiden Gruppen. Stigmatisierungen und Diskriminierungen wären somit eine Folge ethnischer Segregation. Aber sie sind nicht Folge sondern bereits Ursache.
Auch Esser (1986) betont, dass die Teilhabe an ethnischen Gemeinschaften einer assimilativen Orientierung an der Mehrheitsgesellschaft im Wege stehen würde, denn
nicht-assimilative Handlungen würden aufgrund des Kosten-Nutzen-Verhältnisses
vorgezogen werden (Esser 1986, S. 112). Folglich würden sich Migranten in ihre ethnische Gemeinschaft zurückziehen.
Ein weiteres Argument gegen ethnische Segregation ist, dass die Gebiete, in denen
Ausländer häufig wohnen, stigmatisiert werden und deshalb von der Kommunalpolitik
weniger bei Modernisierungen und Aufwertungsstrategien berücksichtigt werden. Eine
Verbesserung der Infrastruktur wäre damit systematisch ausgeschlossen. Ethnische
Segregation würde demnach stark mit Benachteiligungen im infrastrukturellen Bereich
und im Bereich schulischer Sozialisation zusammenhängen (ebd.).
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Eine Integration, im Sinne der Übernahme kultureller Fertigkeiten und des Aufbaus
sozialer Beziehungen zu Einheimischen, wäre demnach in ethnisch „homogenen“ Kolonien kaum möglich. Heitmeyer (1998) sieht Segregation sogar als schwerwiegendsten Ausdruck von Desintegration. Sie sei die „Verräumlichung sozialer Ungleichheit
[und bedeutet] unterschiedliche Chancen der Nutzung und Zugangsmöglichkeiten zu
Orten, Eigentum etc. sowie der Definitionsmacht über die Ästhetisierung und Symbolisierung von spezifischen Orten“ (Heitmeyer 1998, S. 446). Segregation wirke sich
nicht nur auf die Stadtgesellschaft zerstörerisch aus, sondern gleichermaßen auf das
Zusammenleben der Menschen innerhalb der segregierten Gebiete. Dadurch entsteht
eine „Binnenintegration“, die zu einer „Zementierung sozialer Ungleichheit [...] zuungunsten neuer Abhängigkeiten von religiösen und ethnischen Gemeinschaften“ (ebd.
S. 444) führt. Integration und Segregation sind nach dieser Argumentationslogik gegensätzlich. Die Integration der Bevölkerung wäre nur zu leisten, wenn räumliche Segregation vermieden werden könne.
Zu den Befürwortern ethnischer Segregation gehört u.a. Elwert (1982), der den Begriff
der „Binnenintegration“ prägte. Durch eine Binnenintegration, d.h. durch eine Integration in die ethnische Gemeinschaft würden das Selbstbewusstsein, die kulturelle Identität und die Handlungsfähigkeit der Migranten gestärkt werden. Außerdem würden
vorhandene Selbsthilfestrukturen innerhalb einer ethnischen Kolonie Neuankömmlingen bei der Orientierung helfen (Elwert 1982, S. 711ff.). Über die Sicherheit in einer
fremden Umgebung hinaus, fördere die ethnische Kolonie zugleich die Auseinandersetzung mit der Kultur der Aufnahmegesellschaft.
Beide Theorien sind in sich selbst (zumindest teilweise) logisch. Segregation kann sowohl positive als auch negative Folgen für die Integration mit sich bringen. Welche
Bedingungen müssen also gegeben sein, damit sie sich positiv bzw. negativ auswirken?
Häußermann und Siebel (2002) sehen die ungelöste Pro/Contra-Diskussion als überholt an. Ihrer Meinung nach liegt ein Problem in der mangelnden Unterscheidung von
ethnischer und sozialer (sozioökonomischer) Segregation (Häußermann/Siebel 2002,
S. 62). Die Segregationsgegner behaupten, dass die Strukturen in ethnisch homogenen
Gebieten benachteiligend sind. Dies entspricht zwar der empirischen Wahrheit, ist
aber eher eine Folge von sozialer Segregation, also schlechten strukturellen Voraussetzungen des Gebiets, als von der Konzentration von Ausländern. Wie schon Esser richtig behauptete, hängt ethnische Segregation mit infrastrukturellen Benachteiligungen
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zusammen, doch sie sind nicht kausal verbunden! Argumente die für ethnische Segregation sprechen (Schutz, Orientierung usw.) haben zwar ebenfalls ihre Richtigkeit,
doch nach ihnen würde ethnische Segregation auf Freiwilligkeit beruhen. Damit wird
jedoch der Zusammenhang zwischen ethnischer und sozialer Segregation vernachlässigt. Migranten sind in der Realität meist gezwungen in sozial benachteiligenden Gebieten zu wohnen (aufgrund von Diskriminierungen etc.). Ethnische Segregation beruht demnach nicht auf Freiwilligkeit, weil sich Migranten bewusst dafür entscheiden
in diese Gebiete zu wandern, sondern ist in gewissem Maße erzwungen (ebd. S.45).
Für die deutsche Bevölkerung scheint erzwungene Segregation fast ausschließlich ein
Unterschichtproblem zu sein, für die ausländische Bevölkerung eher ein allgemeines
(Bremer 2000, S. 178). Damit sind Ausländer, egal welchen sozioökonomischen Status sie haben, oftmals gezwungen in sozial benachteiligenden Quartieren zusammen
mit Deutschen aus unteren Schichten zusammen zu leben.
Das Problem liegt also nicht darin, ob Segregation positive oder negative Auswirkungen auf die Integration von Zuwanderern hat, denn beide Effekte gehören zur Realität.
Hinsichtlich der Ursachen muss allerdings zwischen ethnischer und sozialer, gezwungener und freiwilliger Segregation differenziert werden. Die Ursachen ihrer positiven
und negativen Effekte sind jeweils verschiedener Art. Segregation hat negative Auswirkungen, weil Migranten gezwungen sind in Gebieten mit schwacher Infrastruktur
zu leben. Die Benachteiligungen innerhalb dieser Gebiete ergeben sich aber nicht aus
ethnischen Gründen, sondern aus sozioökonomischen!
Integrationsdefizite ergeben sich deshalb nicht aufgrund ethnischer Merkmale, sondern
aufgrund struktureller Benachteiligungen in den ethnischen Quartieren. Empirische
Untersuchungen belegen die Tatsache, dass ethnische Koloniebildung allein Kontakte
zu Deutschen und den Erwerb kultureller Fertigkeiten nicht unterbinden würde. So untersuchte auch Salentin (2004) Rückzugstendenzen von Migranten. Im Mittelpunkt
seiner Aufmerksamkeit stand die Frage danach, ob „die Einbettung von Migranten in
soziale Strukturen einer Migrantengesellschaft ihre Teilnahme an der Mehrheitsgesellschaft beschneidet“ (Salentin 2004, S. 113). Trotz eines breiten Spektrums an besuchten Migrantenorganisationen, wurden nur religiöse Institutionen von großen Teilen der
Migranten regelmäßig genutzt. Darauf folgen bereits deutsche Sportvereine, weit abgeschlagen sind ethnische Sportvereine, die nur von sehr wenigen Migranten besucht
werden. Alle anderen Organisationen, wie z.B. Parteien, Frauen- und kulturelle Vereine, werden nur von einem sehr kleinen Personenkreis besucht. Die Ergebnisse dieser
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Untersuchung verdeutlichen, dass Migranten in geringerem Maße als erwartet in
Migrantenorganisationen eingebunden sind. Außerdem konnte keine Konkurrenz zwischen Migrantenorganisationen und deutschen Organisationen festgestellt werden,
denn deutsche Sportvereine werden ebenfalls sehr oft besucht. Des Weiteren konnte
festgestellt werden, dass Migranten, die in ethnische Organisationen integriert sind,
sich auch tendenziell eher mit der Mehrheitsgesellschaft verbunden fühlen, hinsichtlich ihrer sozialen Kontakte, des Medienkonsums und ihrer Einstellungen zu persönlichen Interessen und gruppenspezifischen Stereotypen. Salentin kommt daraufhin zu
dem Ergebnis, dass die „intraethnische Betätigung von Migranten“ die „interethnische
Integration“ mit einschließt (ebd. S. 114). Es ließen sich auch keine Befunde dafür
finden, dass ethnische Vergemeinschaftung zu Segregation führt.
Es sind deshalb eher strukturelle Bedingungen der Quartiere, die zur Integration oder
Nicht-Integration beitragen können und weniger die persönlichen assimilativen Handlungen der Migranten. Umgebungsfaktoren übertreffen demnach die persönlichen Faktoren.
Gegner und Befürworter von Segregation vertreten beide Positionen, die von einem
Effekt räumlicher Nähe ausgehen. Während die einen mit der Kontakthypothese (gemischte Gebiete führen zu Integration) argumentieren, sind die anderen von der Konflikthypothese (gemischte Gebiete führen zu Konflikten zwischen ethnischen Gruppen) überzeugt. Häußermann bringt noch ein wesentliches Argument für die Überwindung dieser ewigen Diskussion um die Zulassung oder Vermeidung von ethnischer
Segregation: Räumliche Nähe ist keine Voraussetzung für Integration, schon gar nicht
von sozialräumlicher Integration (Häußermann/Siebel 2002, S 46ff.). Denn geographische Nähe produziert nicht automatisch soziale und kulturelle Nähe. Würden die Segregationstheoretiker die Behälterraum-Perspektive überwinden, so würden sie erkennen, dass kulturelle und soziale Räume sich auf verschiedenen Ebenen produzieren.
Schon allein aus dieser räumlichen Sicht ist die Diskussion um die Zulassung oder
Vermeidung von Segregation überflüssig. Die physische Nähe bringt nicht unbedingt
die erwarteten Effekte für eine Integration. Sie entscheidet lediglich über die Quantität
von Beziehungen und Kontakten, nicht über deren Qualität.
Viel entscheidender als physische Nähe sind strukturelle Voraussetzungen für die
Qualität der Kontakte, wie z.B. die Sprachkompetenz. Nur diese strukturellen Gegebenheiten fördern die Integration – oder auch Assimilation – von Migranten, nicht etwa ethnische Strukturen eines bestimmten Gebiets (ebd. S. 48). Die Unterscheidung
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von ethnischer und sozialer Segregation muss vorgenommen werden, da sie unterschiedliche Auswirkungen auf die Integration von Migranten haben. Eine ethnische
Kolonie kann durchaus stabilisierend für neu Zugewanderte sein. Langfristig gesehen
wirkt sie jedoch eher isolierend und ausgrenzend und behindert damit die Integration,
allerdings nicht aus ethnischen oder kulturellen Gründen, sondern wegen der strukturellen Benachteiligungen der Gebiete, in denen sich eine ethnische Kolonie herausbildet. In der Konsequenz bedeutet dies, dass ethnische Segregation zugelassen werden
sollte, entgegen aller bisheriger Durchmischungsstrategien der politischen Entscheidungsträger. Dagegen sollten benachteiligende Strukturen beseitigt werden, um eine
dauerhafte Integration zu sichern und die Teilnahme an der Gesellschaft zu ermöglichen. Ohne die polarisierten Positionen (Durchmischung oder Trennung) würde eine
Ausgrenzung vermieden. Die Aufgabe territorialer Denkkategorien und die Annahme
eines relationalen Sozialraummodells macht diese Pro/Contra Diskussion überflüssig.
Segregation wird meist aus einer Kombination von Wohnort, sozialer Position und
ethnisch-nationaler Zugehörigkeit abgeleitet, anstatt nach Personen, Gruppen oder sozialen Zusammenhängen definiert zu werden (Pott 2001, S. 64). Die tatsächlichen
Räume der Personen bleiben dabei unbeachtet. Die Hauptkritik, die an Segregationsforschung und sozialraumorientierter Planung anzubringen ist, lautet: Die Konstitution
von Raum durch Forscher und Planer entspricht nicht dem Sozialraum der betroffenen
Personen. Eine planerische Intervention oder Untersuchung kann deshalb nicht umfassend sein, sondern immer nur Teilbereiche der betroffenen Personen berühren. Aus
dieser Perspektive kann die Bedeutung von Segregation nur Spekulation bleiben, denn
es ist nicht zu klären, wie die lokalen Lebensbedingungen in die sozialen Praxiszusammenhänge der Akteure tatsächlich hineinreichen und diese strukturieren. Dies
stützt die Forderung von der Überwindung der Diskussion um Nutzen oder Schaden
von Segregation.
4.4. Risiken und Chancen sozialraumorientierter Projekte
Die theoretischen Ausführungen zur Sozialraumorientierung und Integration verdeutlichen einerseits Potenziale, die in den Projekten stecken, andererseits werden aber auch
Risiken sichtbar, die mit der Behälterraum-Perspektive und einer zu einseitigen Integrationsdefinition zusammenhängen.
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Zu den Chancen zählt sicherlich die Orientierung der Integrationsarbeit am Sozialraum
selbst, also die Einsicht, dass Durchmischungsstrategien zu keinem Integrationserfolg
führen können. Während die Vermeidung von Segregation in der Vergangenheit zu
den gängigen Planungsaufgaben zählte, konzentriert man sich heute darauf, ohne Mischung und mit weitgehender Akzeptanz von Konzentrationen an das Problem heranzugehen. Die Projekte sind nur noch wenigen Reglementierungen unterworfen, wodurch sie einen Modell-Charakter erhalten und neue Wege ausprobieren können, die in
einer Entwicklung innovativer Modelle zur Integration münden können. Dadurch besteht die Chance neue Bereiche und Handlungsfelder zu erkunden, die bisher noch
wenig Beachtung fanden. Mit der bevölkerungsnahen Arbeit können verschiedene Aktionsräume berücksichtigt werden, so auch integrierende Elemente aus dem kulturellen
und sozialen Lebensraum der Migranten (z.B. die ethnische Gemeinschaft). Die Betroffenen werden anders wahrgenommen und Hilfen können gezielter eingesetzt werden. Sozialraumorientierte Projekte besitzen demnach viele Potenziale, die eine Untersuchung ihrer Strukturen interessant erscheinen lässt.
Neben den genannten Chancen bergen die Projekte allerdings auch Risiken, die mit
einer bloßen Konzentration auf einen territorial begrenzten Raum verbunden sind. Aus
einer solchen Perspektive werden sozialer und kultureller Raum auf eine Fläche projiziert, das Soziale wird territorialisiert. Ein Sozialraum entspricht im Sinne einer gesellschaftswissenschaftlichen Definition aber keineswegs dem geographischen Raum.
Für Migranten wichtige Bereiche, wie transnationale Räume und Netzwerke werden
damit systematisch ausgeblendet.
Bei einer eingeschränkten „Sozialraum“-Definition besteht die Gefahr, der Raumzerstückelung. Es können Inseln entstehen, die völlig von der übrigen Stadt abgekapselt
werden wodurch die Bewohner in dieses Gebiet eingeschlossen werden. Dies kann die
Kehrseite der Zulassung von Segregation sein. Deshalb sollte der Bezug nach außen
immer mit berücksichtigt werden. Territoriale Grenzen sollten aufgehoben werden, um
das Gebiet durchlässig zu machen. Sonst besteht die Gefahr statt Integration eher eine
Ausgrenzung zu forcieren.
Schließlich besteht ein Risiko der Behälterraum-Perspektive in der eingeschränkten
Wahrnehmung des Sozialraums und seiner Akteure. Sie werden eingeschlossen und
homogenisiert und ihre reale Lebenswelt, so auch transnationale Beziehungen, bleibt
damit teilweise unerkannt.
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Fraglich bleibt, welche Art von Integration durch die Sozialraumorientierung angestrebt wird. Integration kann bezüglich der verschiedenen übereinander gelagerten
Räume ebenfalls unterschiedlich erfolgen. Betrachtet man den kulturellen Raum, so
erkennt man, dass Migranten in kulturelle Netzwerke integriert sind, die ihrerseits
auch eine Integration in die Aufnahmegesellschaft gewährleisten. Eine Diagnose der
Integration oder Desintegration ist demnach mit Vorsicht zu behandeln. Vorsicht ist
dort geboten, wo nicht mehr genügend differenziert wird, also dort wo die einzelnen
Raumebenen nicht entschachtelt werden und wo soziale und ethnische Ursachen für
Segregation nicht unterschieden werden und dort, wo alle Migranten homogenisiert
werden.
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5. Fragestellung und Methodik
Eine breite Palette von Projekten zeugt davon, wie einschlägig dieses neue Konzept der
Sozialraumorientierung mittlerweile ist. Nachdem die Stadtplanung bisher von der
Vermeidung segregierter Stadtgebiete geleitet wurde, wird nun nicht mehr versucht mittels Bevölkerungsquotierung dem entgegenzuwirken, sondern innerhalb dieser Gebiete
sozialintegrative Maßnahmen durchzuführen. Diese Maßnahmen werden im Rahmen
von Projekten umgesetzt. Diese Projekte entspringen der Planungspolitik und Sozialarbeit, die im vorherigen Kapitel deutlich kritisiert wurden. Deshalb sind sie aber nicht
völlig ungeeignet für eine Untersuchung der sozialräumlichen Integration im Sinne des
relationalen Raumbegriffs. Dafür sprechen folgende Argumente:
1. Bisher ist noch weitgehend ungeklärt, welchen Nutzen und welche Tragweite die
sozialräumlich orientierten Projekte haben. Mir sind keine Untersuchungen bekannt,
die sich auf ein zum Behälterraum alternatives Sozialraummodell stützen oder dies
zumindest in Betracht ziehen und speziell die Integration von Migranten fokussieren. Dies gilt ebenso für eine umfassende Untersuchung von Projekten, unabhängig
davon aus welchem politischen Programm diese stammen. Entweder wurden bisher
mehrere Projekte eines Programms, wie z.B. Soziale Stadt, analysiert oder Einzelprojekte evaluiert.
2. Mit dem alternativen Sozialraummodell können sowohl explizit sozialräumliche
Projekte, als auch spezielle Projekte, die sich nicht unbedingt auf einen abgegrenzten Raum beziehen, in der Analyse berücksichtigt werden.
3. Die Perspektive ist entscheidend. Wenn man sich darüber klar wird, welchen Raumbegriff die Projektträger und -planer verwenden, kann diese Perspektive mit einbezogen werden. Die Inhalte der Projekte können dennoch aus einer anderen räumlichen Perspektive neu gedeutet werden.
4. Die Studie ist explorativ und stellt einen Versuch dar zu erklären, was unter sozialräumlicher Integration in diesen Projekten zu verstehen ist. Mithilfe theoretischer
Arbeiten konnte dies bisher noch nicht geklärt werden, deshalb könnten neue Erkenntnisse aus der Praxis gewonnen werden.
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5. Die Programme an sich sind kritisierbar. Dies sagt jedoch noch nicht viel über die
einzelnen Projekte aus. Vor Ort wird oftmals anders reagiert, als dies geplant war.
Dort zeigen sich Abweichungen zur Konzeption, schon aufgrund der unterschiedlichen durchführenden Personen und der lokalen Verhältnisse. Die durchführenden
Personen haben verschiedene Ansichten und Wahrnehmungen bezüglich der Zuwanderer und deren Integration. Es wird angenommen, dass sie ihre eigenen Ideologien als handelndes Individuum verfolgen und ihr Handeln nur teilweise durch Konzepte aus übergeordneten Programmen bestimmt wird. In den Projekten selbst kann
die Realität jenseits von Konzepten beobachtet werden.
Dies sind Gründe, warum die Analyse von Projekten interessante Ergebnisse liefern
kann, obwohl sie oftmals einen territorialen Raumbegriff zu Grunde legen.
In dieser Arbeit sollen nicht, wie bei vielen anderen Autoren, nur wenige Fallbeispiele
dargestellt werden, sondern eine möglichst große Stichprobe zur Untersuchung herangezogen werden. Als Methode der Untersuchung wird die Analyse von Dokumentationen diverser Projekte zur Integration von Zuwanderern angewandt. Neben der Beschreibung des Prozesses der Integrationsbemühungen können anhand der Textdokumente ebenso Einstellungen und Wahrnehmungen von Migranten und betroffenen Personen bzw. die Darstellung dieser in den Texten zum Untersuchungsgegenstand werden.
Noch ein Grund dafür, warum Projekte ein geeigneter Untersuchungsgegenstand sind,
ist die Tatsache, dass Einstellungen von „Integrationswilligen“ untersucht werden können. Es muss deshalb nicht erst geprüft werden, ob die Integration von Migranten ein
Bestandteil der Arbeit ist oder nicht. Dies wird bereits vorausgesetzt.
5.1. Bestimmung des Ausgangsmaterials
Bevor mit der eigentlichen Recherche begonnen werden konnte, sollte genau definiert
werden, welches Material für eine Analyse von Projekten der sozialräumlichen Integration in Betracht kommt. Als Grundgesamtheit werden alle Projekte bzw. Projektdokumentationen bezeichnet, welche die sozialräumliche Integration von Migranten zum
Gegenstand haben. Dies betrifft nicht nur Projekte, die explizit als sozialräumlich ausgewiesen sind, sondern aufgrund des erweiterten Raumbegriffs auch diejenigen, welche
die diversen Wirkungsfelder des Sozialraums eines Menschen in irgendeiner Weise
betreffen. Um eine möglichst breite Palette von Projekten zu erhalten, soll nicht nur
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eingeschränkt nach explizit „sozialräumlichen „Projekten recherchiert werden, sondern
nach Projekten, die alle möglichen Bereiche des Sozialraums betreffen. Mit Hilfe einer
Definition von Handlungsfeldern soll eine ausführliche Recherche gewährleistet werden.
In der Segregationsforschung sowie in Sozialraumanalysen werden die Bewohner über
die Zuordnung zu ihren Wohnungen lokalisiert. D.h. Migranten werden über eine materiell-physische Gegebenheit zu einem geographischen Ort zugeteilt. In diesem Zusammenhang kann Kritik daran geübt werden, dass der Wohnstandort gegenüber dem
Schul-, Arbeits-, Einkaufs- oder Urlaubsort als Hauptmerkmal des Sozialraums herangezogen wird. Dem Wohnstandort würde eine zu große Rolle in der Segregationsforschung beigemessen (Pott 2001, S. 63). So wurde bereits in Kapitel 4 ausführlich berichtet, wieso eine territoriale Bestimmung des Sozialraums unzureichend ist. Dieser
Kritik kann also durchaus zugestimmt werden, jedoch hat sie nicht in allen Punkten ihre
Berechtigung. Richtig ist wohl, dass die Erschließung des Sozialraums nicht allein dem
Wohnort folgen kann. Alle anderen Aufenthaltsorte (Arbeitsplatz, Schule) und Beziehungen von Migranten sind gleichermaßen ausschlaggebend. Hat man jedoch von
Wohnen eine Vorstellung, die über die Wohnung an sich hinausgeht, so findet die Konzentration auf das Wohnen als zentrales Merkmal von Sozialraum eine relevante Anwendung für die Segregationsforschung. Zur Festlegung der Handlungsfelder für die
Projektrecherche wird im Folgenden an die Ausführungen von Ulfert Herlyn (1983,
1991) zu Wohnen und Wohnumfeld angeknüpft.
5.1.1. Wohnen und Wohnumfeld
Die Lebenswelt eines Menschen ist maßgeblich durch sein Wohnen geprägt. Der Lebenslauf gehört untrennbar mit seinen räumlichen Kontexten zusammen (Herlyn 1991,
S. 85), denn die individuelle Geschichte eines Menschen ist eng mit der Geschichte seiner Wohnorte und Wohnformen verbunden. Man muss sich allerdings darüber im Klaren sein, dass nicht nur die Wohnung selbst die Erfahrungen eines Menschen prägt,
sondern ebenso das Wohnumfeld. Beide, Wohnung und Wohnumfeld, prägen allgemein
das Wohnen. Dies wird besonders deutlich, wenn man die Veränderung der Wohnfunktionen betrachtet. Während im 19. Jahrhundert noch die Wohnform des „ganzen Hauses“ vorherrschte, zu dessen Funktionen z.B. das Arbeiten gehörte, werden die verschiedenen gesellschaftlichen Funktionen des Wohnens seit der Industrialisierung zuSic et Non. zeitschrift für philosophie und kultur. im netz.
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nehmend räumlich ausgelagert (Herlyn 1983, S. 25). Das Wohnen ist gleichermaßen
durch materielle sowie durch soziale Gegebenheiten gekennzeichnet, welche sich gegenseitig bedingen.
5.1.2. Materielle Gegebenheiten
Wohnen geht weit über den Schutz vor biologischen Faktoren hinaus. Sicherlich kommt
der Wohnung selbst diese Schutzfunktion zu. Sie ist auch nicht entbehrlich, denn Bedürfnisse, wie Schlafen, Wärme, Essen und Trinken, werden primär in der Wohnung erfüllt. Diese Schutzfunktion ist für alle Menschen unabhängig von der Kultur in derselben Weise wichtig, doch gleichermaßen wie sich Individuen voneinander unterscheiden,
unterscheidet sich auch deren Wohnen. Menschen wohnen nicht alle gleich, vielmehr
bestehen kulturelle Differenzen der Wohnformen. In Japan sieht ein Haus anders aus als
in Kenia oder Island. Auch in Deutschland unterscheiden sich die Baustile extrem voneinander. Eine nordische Kate unterscheidet sich in Aussehen und Funktion von einem
Schwarzwaldhaus. „Wohnen würde danach all jene sozialen Handlungen umfassen, die
gewohnheitsmäßig – im Sinne von üblicherweise – am ständigen Aufenthaltsort stattfinden“ (ebd.). Mit diesem Zitat wird deutlich, dass auch Ulfert Herlyn zu dem Schluss
kommt, Wohnen bzw. der Lebensraum eines Menschen müsse über dessen Handlungen
definiert werden. Welche Handlungen zur täglichen Verrichtung zählen, konstruiert er
im Zusammenhang der sozialstrukturellen Veränderungen der modernen Gesellschaft.
Gegenüber dem „ganzen Haus“ werden Arbeiten und Wohnen weitgehend räumlich
voneinander getrennt. Dennoch stehen sie in einem Abhängigkeitsverhältnis, da weite
Teile, die der Arbeit zuzurechnen sind oder auch arbeitsähnliche Verrichtungen, immer
noch in der Wohnung vollzogen werden, wie z.B. Hausarbeit. Ein Lehrer oder Freiberufler verbringt viel Arbeitszeit in seiner Wohnung.10 Und immer noch nicht erfasst
wird die Arbeit der Hausfrau, deren „Arbeitsplatz“ ausschließlich die eigene Wohnung
ist. Die Abhängigkeit von Wohnen und Arbeit drückt sich ebenfalls in ihrer räumlichen
Zuordnung aus. Der Arbeitsort bestimmt i.d.R. den Wohnort, in vielen Fällen auch umgekehrt. In der Wohnung selbst werden zudem Freizeittätigkeiten durchgeführt. Dazu
zählen die Ausübung von Hobbys, der Medienkonsum und die Beschäftigung mit der
Familie.
10
aus Vereinfachungsgründen wird ab hier nur noch die Wohnung als Wohnform genannt, auf die übrigen wird verzichtet.
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Seit Beginn der Industrialisierung und dem damit einhergehenden gesellschaftlichen
Wandel, wurden neben der Erwerbsarbeit auch Reproduktions-, Sozialisations- und
physisch-ökonomische Erhaltungsfunktionen aus der Wohnung ausgegliedert (ebd., S.
27ff.). Diese Entwicklung macht deutlich, in welchem Maße das Wohnumfeld eine tragende Rolle spiele. Mit der Reproduktionsfunktion meint Herlyn die gesundheitliche
Versorgung, sowie Geburt und Tod. Diese finden nicht mehr in der Wohnung statt, sondern in entsprechenden Einrichtungen. Die veränderte Sozialisationsfunktion der Familie bewirkte, dass räumlich getrennte Organisationen diese Aufgabe übernahmen. Die
Erziehung und Bildung von Kindern und Jugendlichen wurde in Institutionen, wie Kindergarten und Schule, ausgelagert. Die Familie verliert hier ihr Monopol der Sozialisationsfunktion.
Mit technischen Fortschritten wurde die Haushaltsführung weitgehend erleichtert. Jeder
Haushalt ist heute an bestimmte Versorgungsnetze angeschlossen (Stromversorgung,
Heizung, Kanalisation usw.), wodurch die Vorratswirtschaft des „ganzen Hauses“ überflüssig wird. Hinzu kommt die Erleichterung der Hausarbeit durch technische Geräte
(Waschmaschine, Kühlschrank usw.). Damit ist der Zeitaufwand für die Erbringung der
Hausarbeit deutlich gesenkt worden.
Die räumliche Verlagerung der Produktionsweisen bringt neben dem enormen Zeitgewinn aber auch Abhängigkeiten mit sich. Die Bewohner einer Wohnung werden zunehmend abhängiger von der Qualität ihrer Wohnumgebung (ebd., S. 29). Die Versorgungsqualität liegt nun nicht mehr in den Händen der Großfamilie, sondern wird von
Fremden als Dienstleistung angeboten. Wiederum wird klar, wie bedeutend das Wohnumfeld ist, welches nun weitgehend die Versorgung der Haushalte übernimmt.
Eine Abhängigkeit besteht in der Nutzbarkeit von notwendigen Gütern und Diensten,
wie der Versorgung mit Wasser, Strom, Gas und der Müllbeseitigung. Des Weiteren ist
der alltägliche Zugang zum Handel, zu Reparaturbetrieben und zum Dienstleistungsgewerbe erforderlich. Gerade in einer Großstadtwohnung, die selten über einen eigenen
Garten oder Hof verfügt, sind die Bewohner abhängig von öffentlichen Spiel- und Freiraumflächen in der Nähe der Wohnung. Mit zunehmender Bürokratisierung erlangen
Kontakte zu Ämtern, Behörden, Banken und Versicherungen an Bedeutung.
Die bisher erwähnten Merkmale von Wohnen waren materieller Art. Ebenso bedeutsam
und prägend sind die sozialen Gegebenheiten. Diese lassen sich wiederum hinsichtlich
der Beziehungen innerhalb der Wohnung und im Wohnumfeld untergliedern.
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5.1.3. Soziale Gegebenheiten
Wohnen wird durch das Zusammenleben von Menschen bestimmt. Sie gehen ständige
Symbiosen ein, ein auf Dauer angelegtes Zusammenleben (Gleichmann 1998, S. 271).
Sicherlich gibt es nicht nur Familien oder Wohngemeinschaften, die mit anderen Menschen auf engem Raum leben. Ebenso müssen Single-Haushalte mit ihren Nachbarn
über längere Zeit gemeinsam unter einem Dach leben.
Das Zusammenleben erfordert gesellschaftliche Regeln. So sind ausgeprägte Geselligkeitsformen, sowie „Gastlichkeit der gemeinsam Wohnenden gegenüber sozial akzeptierten Fremden“ (ebd. S. 272) dafür kennzeichnend. Letztendlich schlägt sich dies in
der Vergrößerung der Wohnfläche für gastliche Zwecke nieder.
Der Lebensraum von Individuen ist zum großen Teil durch soziale Beziehungen geprägt. Herlyn unterscheidet drei Arten von persönlichen Beziehungen: Nachbarschaft,
Verwandtschaft und Freunde bzw. Bekannte (Herlyn 1991, S. 112 ff.).
Erstere ist primär durch räumliche Nähe bestimmt. Genau diese räumliche Nähe macht
die Nachbarschaftsbeziehung ambivalent. Einerseits kann das Bedürfnis nach Intimität
und Privatsphäre dadurch gestört werden, andererseits bietet diese Nähe eine Basis für
wechselseitige Unterstützungsbeziehungen. Nachbarschaftsbeziehungen können daher
hoch integrierend wirken, oder aber auch oberflächlicher Art sein. Im schlimmsten Fall
können Nachbarschaften sozial desintegrierend wirken (ebd. S. 112).
Verwandtschaftsbeziehungen sind nicht an räumliche Nähe gebunden, sondern vielmehr
an familiäre Solidarität. Damit zeigt sich deutlich, dass der Sozialraum nicht immer einen geographischen Rahmen hat, wie z.B. ein Stadtteil oder Quartier. Verwandte wohnen oft nicht in der Nähe, trotzdem sind sie Teil des Sozialraums eines Menschen.
Bekanntschaften bzw. Freundschaften entwickeln sich erst im Laufe der Zeit aufgrund
von räumlicher Nähe. Für die weitere Pflege dieser Freundschaften ist die Nähe jedoch
nicht entscheidend. Viel entscheidender für eine Freundschaft ist ein gemeinsamer Lebensstil (ebd., S. 138). Räumliche Nähe ist nicht unbedingt eine Voraussetzung um soziale Beziehungen pflegen zu können und somit auch nicht eine Voraussetzung für die
Konstitution von Sozialraum.
Neben dem Zusammenleben ist die Symbolik ein weiteres soziales Merkmal von Wohnen. Die Art und Weise wie die Wohnhäuser wahrgenommen werden und wie sie wahrgenommen werden sollen, nimmt einen hohen Stellenwert bei den Bewohnern ein.
„Stets werden sie [die Wohnhäuser, Anm. B.P.] zu sprachlosen Zeichen ihrer Bewohner
für all diejenigen, die solche Zeichen wortlos in ein Wissen über die Bewohner umzuSic et Non. zeitschrift für philosophie und kultur. im netz.
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setzen vermögen. Das lässt den Anspruch jedes einzelnen auf eine ‚Unverletzlichkeit’
seiner Wohnung noch begreiflicher und dringlicher erscheinen“ (Gleichmann, S. 278).
Die symbolische Bedeutung wird überdies auf ganze Wohnviertel übertragen. Dadurch
wird ein bestimmtes Image dieser Quartiere produziert, welches in erheblichem Maße
bei der Wohnbevölkerung sozial selektiv wirkt.
Abbildung 1: Wirkungsfelder im Wohnumfeld
Materielle Gegebenheiten
Öffentliche Spiel- und Freiraumflächen, Freizeitraum
Soziale Gegebenheiten
Wohnumfeld
Institutionen für die Sozialisation (z.B. Schule, Kindergarten)
Ämter, Behörden, Banken
etc.
Handel und Dienstleistungen
Notwendige Güter und
Dienste (Strom, Wasser,
Müllbeseitigung)
Symbolik
Interdependenz
Moderne Kommunikationsund Verkehrsmittel
Image
Bewohner
Zusammenleben:
Nachbarschaft, Verwandtschaft, Freunde und Bekannte
Arbeitsplatz
Wohnung
Quelle: Eigene Darstellung
Bisher wurde hinsichtlich der Verwandtschaftsbeziehungen deutlich, dass der Sozialraum über territoriale Grenzen hinaus existiert und über diese hinaus individuell erweiterbar ist. Einen weiteren Beitrag dazu leisten moderne Transport- und Kommunikationsmittel. So können Beziehungen heute auch im virtuellen Raum existieren. Mit modernen Kommunikations- sowie Verkehrsmitteln nimmt die Mobilität zu, womit die
Abhängigkeit der räumlichen Nähe von Arbeitsplatz und Wohnort zunehmend aufgehoben wird. Während noch im „ganzen Haus“ der Sozialraum eindeutig von Nähe geprägt
ist, beginnt sich diese Verbindung aufzulösen. Erst wurde der Sozialraum auf die nähere
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Umgebung ausgeweitet, bis heute aufgrund moderner Kommunikations- und Verkehrsmittel der Raum in Teilen die Unabhängigkeit von territorialem Denken gewonnen hat.
Für Migranten existiert zusätzlich die ethnische Community und Netzwerke, die unter
den Beziehungen subsumiert sind. Die Wirkungsfelder des Sozialraums sind noch einmal in Abbildung 1 verdeutlicht. Sozialraumorientierte Projekte können eines oder mehrere Handlungsfelder betreffen. So können sie beispielsweise Maßnahmen zu Wohnen
und Freizeit, Ökonomie, Kultur, Gesundheit, Medien, Bildung und Erziehung und öffentlicher Verwaltung beinhalten. Mit der Bestimmung dieser Wirkungsfelder konnte
die Recherche der Projektdokumentationen beginnen. Im nächsten Abschnitt wird die
Methodik beschrieben, welcher dieser Untersuchung unterliegt.
5.2. Recherche der Projekte
Die erste Recherche fand mit Hilfe des Internets statt. Dort wurde zunächst nach explizit
ausgewiesenen sozialräumlichen Projekten gesucht. Mittels der Bestimmung der Wirkungsfelder konnten darüber hinaus deutlich mehr Projekte ermittelt werden, deren Sozialraumorientierung auf den ersten Blick nicht erkennbar war. Neben einzeln auffindbaren Projekten existieren im Internet verschiedene Projektdatenbanken, wie z.B. Soziale Stadt, Rotes Kreuz, URBAN etc. Es sollten nicht alle in die Auswahl gelangen, nur
diejenigen, die einen Hinweis auf eine Sozialraumorientierung und die Integration von
Migranten enthielten. Viele dieser Projekte galten nicht ausschließlich Migranten, sondern auch anderen Zielgruppen.
Die Darstellung der Projekte umfasste meist nur eine Kurzbeschreibung und eine Kontaktadresse. Um an ausführlichere Informationen zu gelangen, wurden die Verantwortlichen gebeten weiteres Material zur Verfügung zu stellen. So lagen schließlich 91 Projekte für die Analyse vor.
Das Material bestand aus Dokumentationen, Jahresberichten, Konzeptionen, Erfahrungsberichten, Pressemeldungen und Fotographien, wobei viele Projektträger mehrere
dieser Materialien zuschickten. Trotz der Mannigfaltigkeit des zu untersuchenden Materials konnten die relevanten Informationen aus allen Dokumentationsarten gewonnen
werden.
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5.3. Fragestellung der Untersuchung
Angesichts der teilweise alarmierenden Entwicklungen in den Großstädten und den
Meldungen über Desintegration und Parallelgesellschaften, werden jüngst neue Wege
und Konzepte der Integration von Migranten getestet. Dies geschieht über Projekte verschiedenster Art. Weitgehend ungeklärt ist jedoch die Tragweite solcher Projekte für die
Integration. Deshalb wird in dieser Arbeit der Frage nachgegangen, welchen Beitrag die
sozialräumlichen Projekte für die Integration von Migranten leisten.
Hinsichtlich der Herausbildung transnationaler Räume hat sich eine neue Migrationsforschung herausgebildet, welche die klassischen Assimilationskonzepte entscheidend erweitert. Eine Integration in „die“ Gesellschaft wird demnach zunehmend in Frage gestellt. In Zeiten der Globalisierung der Lebenswelten – nicht nur von Migranten sondern
auch von Nicht-Migranten – stellt man sich die Frage, wie eine Integration stattfinden
kann. Was ist der Bezugspunkt wenn nicht der Nationalstaat?
Mit der allgemeinen Diagnose der Segregation wird die Vorstellung verbunden, dass
Migranten in segregierten Gebieten ausgegrenzt, d.h. nicht-integriert sind. Wie also soll
eine Integration durch die sozialraumorientierten Projekte vollzogen werden? Und welche Raumebenen werden dabei berücksichtigt?
Mit der Durchführung einer gängigen Sozialraumanalyse besteht die Gefahr der Homogenisierung der Bevölkerung. Eine differenzierte Wahrnehmung könnte dadurch behindert werden. Wie nehmen die Projektträger die Bevölkerung wahr? Welches Bild von
Migranten wird dargestellt? Die Frage nach den Wahrnehmungen soll weiterhin gekoppelt werden an einen Vergleich der unterschiedlichen Zugangsweisen zum Projektgebiet, d.h. der räumlichen Perspektive. Beeinflusst die Sozialraumorientierung in irgendeiner Weise die Wahrnehmung der Projektträger?
Neben der Integration und der Wahrnehmung interessiert vor allem die räumliche Perspektive in den Dokumentationen. Während bei den beiden Fragen zu Beginn dieses
Abschnitts der Raum eine Rolle im Hintergrund spielt, soll noch einmal explizit überprüft werden, wie der „Sozialraum“ in den Projekten konstruiert wird und welche Folgen dies für die Projektarbeit hat. Die drei Hauptfragen lauten daher:
1. Welche Integrationsmuster lassen sich in den Projekten erkennen?
2. Welches Bild haben die Projektträger von Migranten und speziell von den Zielgruppen?
3. Wie wird dabei der Sozialraum konstruiert?
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5.4. Auswertungsmethode
Als geeignete Methode der Datenerhebung für die Analyse der Projektdokumentationen
bietet sich die Inhaltsanalyse an. Die Inhaltsanalyse ist eine „empirische Methode zur
systematischen, intersubjektiv nachvollziehbaren Beschreibung inhaltlicher und formaler Merkmale von Mitteilungen“ (Früh 1998, S. 25). Oftmals wird zwischen qualitativer
und quantitativer Inhaltsanalyse unterschieden. Die qualitative dient eher zur Hypothesenfindung für Pilotstudien oder zur Erstellung einer neuen Klassifizierung. Die quantitative hingegen versucht mit Quantifizierung der Daten Hypothesen zu überprüfen. Diese künstliche Unterscheidung ist jedoch für viele Untersuchungen unbrauchbar und genauso wie die strikte Trennung qualitativer und quantitativer Forschungsparadigmen
überholt. Die Inhaltsanalyse kann beides sein. In dem hier betrachteten Zusammenhang
handelt es sich um eine Textanalyse mit einem qualitativen Schwerpunkt und ergänzenden quantitativen Elementen, die der gewonnenen Aussage Nachdruck verleihen (vgl.
Mayring 2003, S.19).
Die Aufhebung der strikten Trennung beider Forschungsrichtungen ist einer der Vorteile der Inhaltsanalyse. Denn je nach Zweck und Ziel der Untersuchung kann die Methode
variiert werden. Ein weiterer Vorteil besteht in der zwanglosen Reglementierung. Für
die Datenerhebung und Datenanalyse ist kein fester Ablauf vorgeschrieben, sondern es
obliegt dem Forscher, welchen Ablauf er wählt. Dieser sollte vom Forscher zweckgebunden und an die Fragestellung angepasst werden. Diese eigens festegelegten Regeln
dienen dann der Orientierung bei der Analyse selbst (ebd. S. 42ff.). Als Maxime für die
Festlegung des Analyseablaufs gilt: Inhaltliche Argumente haben Vorrang vor Verfahrensargumenten. Dies bedeutet keineswegs, dass die Willkür des Forschers zugelassen
wird, sondern lediglich dass dessen Modifikationen der Methode erlaubt sind, solange
sie offen dargelegt werden.
Die vorliegende Studie hat einen explorativen Charakter, da verschiedenartige Typen
von Projekten erstmals gebildet und miteinander verglichen werden sollen. Ein wesentliches Ziel der Untersuchung wird demnach die Findung von Kategorien sein. Durch
den explorativen Charakter der Studie liegt der Schwerpunkt der Erhebung auf qualitativen Methoden. Aufgrund der relativ großen Stichproben können ergänzend quantitative Elemente mit eingebaut werden, um mit Häufigkeiten und Korrelationen die gewonnenen Hypothesen zu untermauern.
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Es gibt drei Grundformen des Interpretierens bei der Inhaltsanalyse (ebd. S. 58):
1. Mithilfe der Zusammenfassung wird das Material reduziert und abstrahiert. Es soll
schließlich ein Abbild des Grundmaterials darstellen. Nach einigen Autoren ist die
Reduktion des Materials das eigentliche Ziel der Inhaltsanalyse (Flick 1999, S. 212).
2. Mithilfe der Explikation werden die relevanten Textstellen mit zusätzlichem Material erläutert und erweitert.
3. Mithilfe der Strukturierung werden bestimmte Aspekte herausgefiltert und anhand
von Kriterien geordnet.
Für die Analyse der Projektdokumentationen wurden nur zwei dieser Interpretationsformen verwendet: Zusammenfassung und Strukturierung, da das Material auf die
Kernaussagen reduziert werden sollte. Die Explikation würde das Gegenteil bewirken,
indem das Material um externe Texte erweitert wird (Diekmann 1997, S. 512).
Mit der Zusammenfassung werden theoriegeleitet Selektionskriterien eingeführt. Dies
sind in dieser Untersuchung die genannten Fragestellungen und Unterfragen, womit das
reduzierte Material bestimmt wird, das als Ausgangspunkt der Kategoriebildung dienen
soll. Im ersten Schritt wurde deshalb ein Leitfaden erstellt, der bestimmte Fragestellungen enthielt. Damit wurde das Ausgangsmaterial gebündelt. Das reduzierte Material
wurde in einem Analysebogen festgehalten (siehe Anhang). Daran wurde der Schritt der
Strukturierung angeschlossen. Anhand der Zusammenfassungen wurden Kategorien gebildet, die möglichst alle Aussagen enthalten sollten (inhaltliche Strukturierung). Um
die Projekte anknüpfend an die Fragestellungen beschreiben und interpretieren zu können, wurden diese typisiert (typisierende Strukturierung). Abbildung 2 verdeutlicht das
Ablaufmodell der hier durchgeführten Inhaltsanalyse.
Im folgenden Kapitel werden die Ergebnisse der Inhaltsanalyse präsentiert. Die Interpretation der Projekttypen und Kategorien erfolgt entlang der Fragestellungen. Die Abschnitte sind dementsprechend in die drei Hauptfragen (Integrationsmuster, Wahrnehmung und Bedeutung des Sozialraums) unterteilt. Das große Sample erlaubt es, mit
Häufigkeiten und Korrelationen quantitative Aussagen zu treffen, die der Unterstützung
der qualitativen Aussagen dienen. Wie die Kategorien im Einzelnen gebildet wurden
und welchem Zweck diese Strukturierung dient, wird in den jeweiligen Abschnitten erklärt. Die Beschreibung der Projekttypen ist abstrakt, es werden keine Fallbeispiele dar-
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69
gestellt, allerdings werden an einigen Stellen Textpassagen aus den Dokumentationen
zur Verdeutlichung der Aussagen eingearbeitet.
Abbildung 2: Ablaufplan der Inhaltsanalyse
Festlegung des Ausgangsmaterials
Vorbereitung
Bestimmung der Analysetechnik und Festlegung
des Ablaufmodells
Erste Sichtung des Ausgangsmaterials und theoriegeleitete Festlegung der inhaltlichen Hauptkategorien (Leitfaden)
Datenerhebung
Reduzierung des Ausgangsmaterials anhand
des Leitfadens
Quantifizierung der Kategorien
Unterstützung
Interpretation in Bezug auf die
Fragestellung
Quelle: Eigene Darstellung
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Dateninterpretation
Erstellung von Häufigkeiten und Korrelationen
in Bezug auf die Fragestellung
Strukturierung des reduzierten Materials:
- inhaltliche Strukturierung (Kategorienbildung)
- typisierende Strukturierung
70
6. Ergebnisse
Bevor im Detail auf die Frage der Bedeutung der Projekte für die Integration von Zuwanderern eingegangen werden kann, müssen zunächst allgemeine Angaben über die
Projekte gemacht werden, um einen besseren Überblick zu erhalten. Anschließend folgt
eine Zusammenfassung der Ausgangslagen in den Gebieten, um ein Bild davon zu bekommen, welche Defizite angesprochen werden, d.h. welchen Problemen die Projektarbeit entgegenwirken soll. Dadurch lässt sich bereits erahnen, was nach Ansicht der Projektträger getan werden muss, um die Integration der Migranten im Gebiet zu fördern.
Auf die vorhandenen Probleme und Defizite in den Projektgebieten reagieren die Projektträger auf unterschiedliche Weise. Anhand der spezifischen Strategien zur Beseitigung dieser Defizite konnten Kategorien von Projekten festgelegt werden, die jeweils
eigene Muster der Integrationsarbeit aufweisen. Diese Typen werden im Laufe der Analyse immer wieder für eine grundlegende Unterscheidung zwischen den Projekten herangezogen.
Im darauf folgenden Abschnitt wird genauer untersucht, wie die Projektträger Migranten und deren Integration wahrnehmen. Schließlich wird noch einmal auf die Problematik des Sozialraums innerhalb der Projekte eingegangen.
6.1. Beschreibung des Samples
Das Sample besteht aus 91 Projektdokumentationen. Rund 2/3 dieser Projekte sind in
ihrer Durchführung noch nicht abgeschlossen11. Dies stellt jedoch kein Problem für die
Analyse dar, weil nicht die Messung des Projekterfolgs im Vordergrund steht (was
durchaus interessant wäre), sondern die Strategien und Einstellungen der Projektträger.
Durchschnittlich dauert ein Projekt 3,7 Jahre, wobei dieser Wert aufgrund der hohen
Anzahl noch nicht abgeschlossener Projekte variieren könnte. Nur wenige Projekte können auf eine lange Laufzeit zurückblicken, während der Großteil erst im Laufe der letzten 5 Jahre initiiert wurde. Dies verdeutlicht die Tatsache, dass Projektarbeit eine relativ
neue Arbeitsweise darstellt. Sie steht in engem Zusammenhang mit diversen Programmen. Neben den Kommunen, die hauptsächlich Träger stadtplanerischer Projekte sind,
wenden sich in den letzten Jahren auch Wohlfahrtverbände und Kirchen, die bereits eine
11
Der Endzeitpunkt bzw. die geplante Dauer wurden angegeben.
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lange Tradition der Integrationsarbeit aufweisen, verstärkt der projektbezogenen Arbeit
zu.
In den formal sehr verschiedenen Projektdokumentationen wurde gerade die Beteiligung an einem Programm oftmals nicht transparent dargestellt. Bei vielen Projekten ließ
sich eine Programmbeteiligung nur über die Angaben der Finanzierung erschließen.
Dies steht im Wiederspruch dazu, dass die Teilnahme an einem Programm von großer
Bedeutung für die Projektträger ist – zumindest wird dies so in den Berichten des BundLänder-Programms „Soziale Stadt“ dargestellt (Deutsches Institut für Urbanistik 2003,
S. 13ff.). Letztendlich tauchen diese Programme häufig nur als Nebensächlichkeiten
auf. Etwa 2/3 der Projekte sind in Programmen eingebunden, wobei das Gros dem
Bund-Länder-Programm „Soziale Stadt“ angehört. Vereinzelte Projekte sind an Programmen wie „entimon“, „K&Q“, „WIN“, „Antidiskriminierungsprojekt des Landes
NRW“ und „Entwicklungen und Chancen junger Menschen in sozialen Brennpunkten“
beteiligt.
Während der Recherchephase wurde darauf geachtet, möglichst unterschiedliche Projektträger zu finden, um ein umfassendes Bild der verschiedenen Ansätze der Projektarbeiten im Sozialraum zu erhalten. In Tabelle 1 sind die Häufigkeiten der jeweiligen
Träger aus dem Sample abgebildet. Den größten Teil der Projekte führen Kommunen,
Vereine und Wohlfahrtsverbände durch. Einen etwas kleineren Anteil haben Wohnungsbaugesellschaften, Kirchen und Migranten-Organisationen.
Tabelle 1: Trägerart
Kommune
Verein
Wohlfahrtsverband
Wohnungsbaugesellschaft
Kirche
Migranten-Organisation
Sonstige
Total
27%
25%
17%
11%
9%
4%
7%
100%
Basis: n=91
Hinter der Kategorie Wohlfahrtsverbände verbergen sich Organisationen wie z.B. Arbeiterwohlfahrt, Caritas und Rotes Kreuz. Die Kategorie Vereine ist sehr unterschiedlich, sie umfasst beispielsweise Sport- oder Kulturvereine. Migranten-Oragnisationen
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sind ebenfalls in Form von Vereinen organisiert, sie werden jedoch gesondert kategorisiert, um auf spezielle Unterschiede in den Projektarbeiten aufmerksam zu machen. Unter Sonstige verbergen sich Einrichtungen wie freie Schulen, Landesregierungen und
nicht zuzuordnende Träger.
Diese Unterscheidung der Trägerarten wurde vorgenommen, um bei den nachfolgenden
Fragestellungen hinsichtlich der Träger differenzieren zu können. Es wird vermutet,
dass die verschiedenen Träger jeweils eigenen Paradigmen folgen und die Projektarbeit
aufgrund dessen unterschiedlich gestalten sowie differierende Einstellungen zu Migration und Integration aufweisen.
Die Träger beeinflussen die Projektarbeit jedoch nicht allein. Daneben spielen die Geldgeber eine Rolle sowie zusätzlich beteiligte Vereine und Organisationen. Kommunen
arbeiten häufig mit Beteiligung von Wohlfahrtsverbänden und Vereine mit Beteiligung
von Kommunen und anderen Vereinen. Dieser Umstand verdeutlicht, wie eng Organisationen, die unterschiedlichen Paradigmen folgen, zusammenarbeiten.
Das Sample enthält sowohl Projekte öffentlicher Träger, wie auch von Vereinen und
von sonstigen Organisationen. Es wird damit dem Anspruch einer Analyse gerecht, die
nicht nur einen, sondern viele Aspekte der sozialräumlichen Projektarbeit zur Integration von Migranten untersuchen will. Bedauerlicherweise ist die Gruppe der MigrantenOrganisationen als Träger von Projekten nur sehr klein. Trotz langwieriger Recherche
konnten nur einige wenige ermittelt werden.
6.2. Ausgangslage in den Projektgebieten
Die Gebiete, in denen die Projekte durchgeführt werden, weisen ähnliche Merkmale auf.
Trotz dieser Ähnlichkeit werden höchst unterschiedliche Projekte konzipiert, die jeweils
spezifische lokale Gegebenheiten mit einbeziehen.
Die Projektgebiete werden häufig als benachteiligt beschrieben. Es sind die klassischen
Merkmale, wie z.B. eine hohe Konzentration von Zuwanderern und Arbeitslosen und
eine problematische Bausubstanz, die zu dieser Diagnose führen. Die Wohnquartiere
sind meist Trabantensiedlungen, ehemalige Kasernenanlagen, weisen Altbaubestand auf
und sind von sozialem Wohnungsbau geprägt. Die Wohngebäude befinden sich in einem schlechten baulichen Zustand. Die Siedlungsstruktur wird ebenfalls als nachteilig
bezeichnet. Die meisten Wohnquartiere bestehen aus Groß- und Hochhaussiedlungen
mit Blockrandbebauung und beengten Wohnverhältnissen. Sowohl die Bausubstanz der
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Gebäude als auch die Außenanlagen, sofern diese überhaupt existieren, weisen erhebliche Mängel auf. Es fehlen geeignete Kommunikationsplätze, die dem informellen Austausch der Bewohner dienen könnten. Darüber hinaus trägt Vandalismus zur weiteren
Verschlechterung des Gebäudezustands bei. Nicht zuletzt lässt sich die schlechte bauliche Situation auf fehlende Investitionen zurückführen, ohne die eine Instandhaltung
oder gar Aufwertung unmöglich wird.
Nicht nur bauliche Mängel tragen dazu bei, dass diese Gebiete zu benachteiligten Stadtteilen gehören, sondern auch eine fehlende oder nur partiell vorhandene Infrastruktur.
Insbesondere neue, auf dem Reißbrett geplante Quartiere ohne gewachsene Strukturen
weisen dieses Problem auf. Erst im Laufe der Zeit kam diesen Gebieten das Image eines
eigenen abgeschlossenen Stadtteils zu. Eine umfassende Versorgung ist deshalb nicht
gewährleistet, da wichtige Merkmale der Infrastruktur außerhalb dieses Quartiers liegen. Ein geringes Arbeitsplatzangebot, schlechte Einkaufsmöglichkeiten und mangelnde
ärztliche Versorgung sind nur einige dieser fehlenden Versorgungseinrichtungen. Hinzu
kommt, dass den Bewohnern Kontakte und Netzwerke der gegenseitigen Unterstützung
und Hilfeleistung fehlen.
Die Projektgebiete sind des Weiteren durch eine besondere Sozialstruktur gekennzeichnet. Verglichen mit der gesamten Stadt ist der Anteil von Ausländern, Spätaussiedlern,
Sozialhilfeempfängern und Arbeitslosen an der Bevölkerung überdurchschnittlich hoch.
Dies hat viele Ursachen, wie z.B. Wohnungszuweisungen an Spätaussiedler, Asyl- und
Obdachlosenwohnheime im Gebiet und günstige Mietpreise, aber auch Diskriminierungen. Bewohner mit einem höheren sozialen Status verlassen daraufhin die Gebiete, wodurch sozialräumlich und ethnisch segregierte Wohnquartiere entstehen, die oftmals
auch zu Unrecht von Bewohnern oder kommunalen Politikern zum „sozialen Brennpunkt“ oder „belasteten Wohngebiet“ stigmatisiert werden. Allein die Konzentration der
genannten Gruppen ist kein eindeutiges Indiz für die Identifikation eines sozialen
Brennpunktes.
Zwischen den Bewohnern der Projektgebiete werden zudem von den Trägern Konflikte
wahrgenommen, die sich nicht selten in Fremdenfeindlichkeit äußern. Diese basieren
insbesondere auf der Unkenntnis anderer Kulturen, differierenden Lebensgewohnheiten
und Sprachbarrieren. Oftmals werden Konflikte zwischen alteingesessenen Bewohnern
und neu Zugezogenen – dies sind v.a. Migranten – beobachtet. Sie werden als Konkurrenten um vorhandene Ressourcen (z.B. Arbeitsplätze) wahrgenommen und deshalb
ausgeschlossen und stigmatisiert. So entsteht eine unfreiwillige Isolation der Migranten,
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die eine von den Projektträgern angestrebte Identifikation der Bewohner mit dem Stadtteil verhindert.
Die Projektträger deuten die dargestellte Ausgangssituation für die Integration von
Migranten als hinderlich. Um aus diesen Problemlagen einen Ausweg zu finden, verfolgen sie in ihren Projekten unterschiedliche Strategien, die im Folgenden dargestellt
werden.
6.3. Integrationsmuster
In diesem Abschnitt soll der Frage nachgegangen werden, welche Integrationsmuster in
den Projekten zu finden sind. Die empirischen Fragen, die in diesem Zusammenhang interessieren, betreffen die Art und Weise, wie mittels der Projektarbeit eine Integration
von Migranten erreicht werden soll. Kurz: Wer soll wie und wodurch integriert werden?
Um sich der Frage nach den Integrationsmustern zu nähern, wurde zunächst eine Typisierung der Projekte hinsichtlich ihrer Konzeption und Strategien vorgenommen, mit
deren Hilfe im nächsten Schritt ein grundsätzlicher Vergleich (sowohl qualitativ als
auch quantitativ) angestellt wurde. Die Typen konnten auf der Grundlage des Datenmaterials gebildet werden, wobei die theoretischen Überlegungen zum Sozialraum mit einbezogen wurden, um diesbezüglich Aussagen treffen zu können. Die Strukturierung der
Projekte wurde in zwei Stufen vorgenommen. Zunächst konnten zwei Typen voneinander unterschieden werden: Der eine Typ umfasst Projekte, die alle Handlungsfelder12
miteinbeziehen und sich klar auf ein definiertes territoriales Gebiet beziehen. Diese Projekte werden als gebietsbezogene Projekte bezeichnet. Der andere Typ umfasst alle Projekte, die nur spezielle Handlungsfelder berücksichtigen und deshalb handlungsfeldbezogene Projekte genannt werden.
Diese Unterscheidung zwischen handlungsfeldbezogenen und gebietsbezogenen Projekten wird in den nachfolgenden Abschnitten als grundsätzliche Unterscheidungskategorie
für die Analysen der Projektarbeit herangezogen. Sie dient ebenfalls dazu, zu untersuchen welcher Typus welchen Beitrag zur sozialräumlichen Integration von Zuwanderern
leistet. Des Weiteren können systematische Unterschiede zweier Perspektiven auf den
Raum bzw. Sozialraum von Migranten untersucht werden (Kapitel 6.5.) und es kann analysiert werden welche Wahrnehmungen daran anknüpfen (Kapitel 6.4.).
12
Damit sind die in Kapitel 5 dargestellten Handlungsfelder gemeint.
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Innerhalb dieser ersten Kategorisierung wurde eine zweite Unterscheidung getroffen,
die anhand der Strategien und Schwerpunktsetzungen zur Förderung der Integration von
Migranten vorgenommen wurde. Alle Projektträger streben jeweils dasselbe Ziel an, allerdings mit verschiedenen Mitteln. Gebietsbezogene Projekte unterteilen sich in die
Strategien Errichtung von Begegnungsstätten, Vernetzung vorhandener Einrichtungen
und Stadtteil- bzw. Gemeinwesenarbeit13 (siehe Abbildung 3). Sie alle verfolgen eine
Aufwertung ganzer territorial begrenzter Gebiete mithilfe umfassender Maßnahmenpakete aus allen Handlungsfeldern. Dabei steht die einzelne Maßnahme im Hintergrund,
vielmehr wird eine „ganzheitliche“ Strategie verfolgt. Ob beispielsweise die Wohnumfeldverbesserung mittels Sanierungsmaßnahmen oder mittels Bildungsmaßnahmen angestrebt wird, ist dabei nebensächlich.
Handlungsfeldbezogene
dung/Qualifizierung,
Projekte
untergliedern
Kontaktförderung
unter
sich
in
die
Bewohnern
Strategien
und
Bil-
Sensibilisie-
rung/Information. Diese Projekte verfolgen ihr Ziel mit speziellen Maßnahmen, die nur
eines oder wenige Handlungsfelder betreffen. Ihr Anspruch ist weniger global als der
Anspruch gebietsbezogener Projekte. Dabei die spielt räumliche Begrenzung weniger
eine Rolle als die inhaltliche.
Abbildung 3: Projekttypen
Projekttypen
1. Stufe
2. Stufe
Gebietsbezogene Projekte
Errichtung
von Begegnungsstätten
Vernetzung
vorhandener Einrichtungen
Handlungsfeldbezogene Projekte
Stadtteil/
Gemeinwesenarbeit
Bildung/
Qualifizierung
Kontaktförderung unter Bewohnern
Sensibilisierung/ Information
Die vorgenommene Typisierung dient neben der Analyse von Integrationsvorstellungen
ebenfalls der Gegenüberstellung zweier räumlicher Perspektiven für die Integration.
Beim ersten Typus spielt eine klare territoriale Begrenzung die entscheidende Rolle,
während beim zweiten Typus diese räumliche Begrenzung in den Hintergrund tritt. Aus
13
Gemeinwesenarbeit ist in diesem Sinne nicht gleichzusetzen mit der traditionellen Gemienwesenarbeit
der Sozialarbeit, sondern nur daran angelehnt.
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beiden Perspektiven können jeweils Vor- und Nachteile erörtert und schließlich daraufhin untersucht werden, welchen Beitrag sie für die Integration erbringen.
Begonnen wird zunächst mit der Beschreibung der Projekttypen und Strategien, um sich
ein Bild davon zu machen, welche Maßnahmen im Einzelnen durchgeführt werden und
wodurch die Defizite im Projektgebiet abgebaut werden, womit die Integration gefördert werden soll. Im Anschluss daran wird dargestellt, welche Vorstellungen die Träger14 von Integration haben und wie sie diese erreichen wollen.
6.3.1. Gebietsbezogene Projekte
Alle Projekte dieses Typs verfolgen das Ziel der Aufwertung eines bestimmten Gebiets
mit einer umfassenden Strategie, d.h. mit möglichst vielen Maßnahmen. Dabei wird besonders die „Ganzheitlichkeit“ der Projekte betont. Die Projektträger beanspruchen mit
dieser Ganzheitlichkeit ihrer Projektarbeit alle Aspekte und Elemente des Sozialraums
von betroffenen Personen zu berücksichtigen. Dabei lehnen sie sich an das vorherrschende Paradigma der Stadtplanung an, das nicht mehr nur materielle Gegebenheiten
betrifft, sondern gleichermaßen die Lebenssituationen und den Alltag der Bewohner.
Stadtplanung umfasst demnach auch Elemente der Sozialarbeit. Die Wurzeln dieser
Projekte liegen demnach in der Stadtplanung und der Sozialarbeit.
Die gebietsbezogenen Projekte ließen sich anhand dreier verschiedener Strategien untergliedern. Besonders auffällig waren die Strategien: Vernetzung vorhandener Einrichtungen/Ausbau der vorhandenen Infrastruktur, die Errichtung von Begegnungsstätten
für die Bewohner des Projektgebiets und die gemeinwesenbezogene Arbeit.
Im Folgenden werden diese drei Strategien vorgestellt.
6.3.1.1. Errichtung von Begegnungsstätten
Mit der Errichtung von Begegnungsstätten zielen diese Projekte darauf ab, einen für alle
Bewohner eines bestimmten Gebietes zugänglichen und für alle konzipierten Treffpunkt
mit adäquaten Freizeit-, Beratungs- und Bildungsangeboten bereitzustellen. Dieser
Treffpunkt wird meist als Stadtteilhaus bezeichnet. Die Angebote in einem solchen
Stadtteilhaus umfassen Beratungen, Betreuung, Bildungsangebote, eine Vielzahl unter14
Mit Trägern sind alle Personen gemeint, die zur Meinungsbildung und letztendlich zur Darstellung der
Tatsachen in den Dokumentationen beitragen. Es sind keineswegs nur die formalen Träger, sondern auch
alle, die an der Durchführung teilnehmen und die Arbeit erheblich beeinflussen.
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schiedlicher Kurse und Gruppentreffen. Um möglichst alle Bewohner anzusprechen und
auch Migranten die Chance zu geben an vielen Kursen teilnehmen zu können, liegt ein
besonderes Augenmerk auf der Niedrigschwelligkeit der Angebote, die durch schnelle
und unkomplizierte Anmeldeverfahren erreicht werden soll.
Beratungsangebote in einem Stadtteilzentrum sind oft nur die erste Stelle, an die sich
Ratsuchende wenden. Übersteigt der Beratungsbedarf die Kompetenzen der Mitarbeiter,
werden die Hilfesuchenden an andere professionelle Institutionen weitervermittelt.
Diese Einrichtungen bieten neben Angeboten für Bewohner auch Kontaktmöglichkeiten
für Vereine, die dort ihre Kurse anbieten können. Kommunale, kirchliche, soziale und
sportliche Träger arbeiten in einem Stadtteilhaus zusammen. Dabei kann das Haus darüber hinaus mit anderen Projekten (z.B. mit Wohnumfeldverbesserungen) vernetzt sein.
Zweck einer solchen Begegnungsstätte ist letztendlich auch die kulturelle Belebung des
Stadtteils und die Schaffung eines Raumes für ein gegenseitiges Kennenlernen.
In den nachfolgenden Abbildungen wird verdeutlicht, wo die Maßnahmen ansetzen. So
gibt es Maßnahmen, die rein an den materiellen Gegebenheiten ansetzen und es gibt
Maßnahmen, welche die Bewohner direkt betreffen. Die linke Seite in der Abbildung
stellt Orte und Institutionen (I) dar, welche die materielle Ebene bilden. Mit Institutionen sind sämtliche für das Projektgebiet relevanten Einrichtungen gemeint. Gegenüberliegend befindet sich die Ebene der sozialen Beziehungen, also bestimmte Bewohner
(G) oder Bewohnergruppen. Die farblich abgehobenen Felder stellen die Institutionen
oder Bewohnergruppen dar, denen die Projektarbeit gewidmet ist. Die Pfeile verdeutlichen die Beziehungen zwischen den einzelnen Institutionen und Bewohnergruppen, die
durch die Arbeit produziert werden. Gestrichelte Pfeile deuten auf einen untergeordneten Zusammenhang hin.
Im Fall der Strategie Errichtung von Begegnungsstätten (siehe Abbildung 4) steht die
Schaffung einer bestimmten Institution, die als Dienstleistung für die Bewohner eines
Gebietes dient, im Mittelpunkt der Projektarbeit. Dabei suchen Vertreter der Einrichtung Bewohner nicht auf, sondern sie sollen in die Institution eingebunden werden, indem sie Angebote wahrnehmen. Damit bleibt die Nutzung dieser Einrichtung freiwillig.
Es besteht über die Verbesserung der materiellen und damit infrastrukturellen Gegebenheiten hinaus die Absicht das Zusammenleben der Bewohner eines Gebietes mit deren
Integration in die neu geschaffene Institution zu verbessern, Bildungsangebote für
Migranten bereitzustellen, um damit letztendlich die Integration von Migranten in die
Gesellschaft zu erreichen (strukturelle Integration).
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Eine weitere Rolle spielt die Beteiligung anderer Institutionen am Stadtteilhaus. Diese
haben die Chance dort ihre Dienstleistungen anzubieten, z.B. kann der Sportverein
Gymnastikkurse für Migrantinnen durchführen. Die Nutzung dieser zusätzlichen Einrichtungen soll mit der Konzentration der Angebote an einem Ort erleichtert werden.
Abbildung 4: Errichtung von Begegnungsstätten
Materielle Ebene
(Orte/Institutionen)
Soziale Ebene
(Bevölkerungsgruppen)
I1
G1
I2
G2
I3
G3
6.3.1.2. Vernetzung vorhandener Einrichtungen
Projekte mit dem Schwerpunkt Vernetzung vorhandener Einrichtungen sind hauptsächlich darum bemüht, die bereits vorhandenen Ressourcen im Stadtteil zu bündeln. Dabei
werden lokale Einrichtungen, Angebote, soziale Hilfen und Dienste strukturiert, vernetzt und unterstützt. Eine zentrale Stelle, z.B. in Form eines Netzwerkbüros oder eines
Stadtteilladens, dient als Dreh- und Angelpunkt der Netzwerkarbeit. Diese zentrale Stelle stellt selbst keine Angebote, ihre Aufgaben sind eher organisatorischer Art und entsprechen in etwa den Aufgaben eines Quartiersmanagements.
Voraussetzung für die Zusammenarbeit möglichst aller Einrichtungen im Projektgebiet
sind regelmäßige Treffen der Akteure15. Vertreter aus allen beteiligten Einrichtungen
werden in Koordinationskonferenzen zusammengeführt. Für spezielle Zuständigkeiten
werden Arbeitskreise gegründet, die von einer Lenkungsgruppe koordiniert werden. Eines der wichtigsten Elemente der Zusammenarbeit ist der ständige Informationsfluss
15
Mit Akteuren sind alle relevanten Vertreter aus lokalen Einrichtungen gemeint.
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zwischen allen Beteiligten, ohne den eine Vernetzung nicht funktionieren würde. Diese
Art von Projekt zielt schließlich darauf ab, die Versorgungsstruktur des Gebiets für die
Bewohner zu verbessern.
Abbildung 5 verdeutlicht, dass die Maßnahmen nur die materielle Ebene betreffen. Dadurch werden alle Institutionen angesprochen und deren Zusammenarbeit gefördert. Mit
dieser Strategie sollen die Angebote erweitert werden, um damit die Integration von
Migranten und anderen Bewohnern zu fördern.
Abbildung 5: Vernetzung vorhandener Einrichtungen
Materielle Ebene
(Orte/Institutionen)
Soziale Ebene
(Menschen/Gruppen)
I1
G1
G2
I2
I3
G3
6.3.1.3. Stadtteil- bzw. Gemeinwesenarbeit
Die Projekte dieses Schwerpunkts vereinen die beiden vorangehenden Strategien und
bieten darüber hinaus weitere Maßnahmen an (siehe Abbildung 6), um ein ganzheitliches Konzept zu verfolgen, wodurch ein territorial begrenztes Gebiet insgesamt in jeder
Hinsicht aufgewertet werden soll. Dabei beziehen sich die Projekte auf drei unterschiedliche Gebietstypen: Auf einen gesamten Stadtteil, ein etwas kleineres Quartier, wie z.B.
eine Siedlung oder ein Straßenzug und als kleinste Einheit auf einen Wohnkomplex
oder ein Wohngebäude. Die Projekte basieren in allen drei Gebieten auf einer Kombination aus baulichen Maßnahmen und Sozialmanagement. Diese Projekte verfolgen die
umfassendste Strategie. Vielfältige Elemente, wie z.B. Wohnumfeldverbesserung,
Netzwerkarbeit, Nachbarschaftshilfe, Quartiersmanagement, Begegnungsstätten, SanieSic et Non. zeitschrift für philosophie und kultur. im netz.
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rung usw. sind integrale Bestandteile. Sie betreffen dementsprechend (fast) alle Handlungsfelder (siehe Kapitel 5).
Abbildung 6: Stadtteil- bzw. Gemeinwesenarbeit
Materielle Ebene
(Orte/Institutionen)
Soziale Ebene
(Menschen/Gruppen)
I1
G1
G2
I2
I3
G3
In den drei verschiedenen Gebietstypen werden jeweils unterschiedliche Schwerpunkte
gesetzt.
a) Projektgebiet Stadtteil
Eine der Hauptmaßnahmen dieser Projekte ist die Errichtung eines Quartiersmanagements bzw. Stadtteilbüros, welches die umfangreichen Aufgaben steuert. Neben der Bereitstellung von Unterstützungsmaßnahmen, der Schaffung einer kommunikativen Infrastruktur und der Stabilisierung oder dem Ausbau von Netzwerken, bieten diese Zentren
auch Freizeit- und Bildungsangebote für die Bewohner des Stadtteils.
Der Erwerb von Kompetenzen für die Mitarbeiter der lokalen Einrichtungen im Stadtteil
ist ebenfalls ein wichtiges Anliegen der Projektträger. Es sollen möglichst alle Akteure
im Stadtteil angesprochen werden, um in eine ganzheitliche Arbeit involviert werden zu
können. Hierbei wird deutlich, dass die Projektarbeit nicht nur auf Migranten und Bewohner beschränkt ist, sondern Mitarbeiter der lokalen Einrichtungen gleichermaßen
von (Weiter)Bildungsmaßnahmen betroffen sind. Um Kompetenzen auszubauen und interkulturelle Fähigkeiten zu fördern ist es nötig, Akteure dafür zu sensibilisieren.
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Ähnlich wie bei der Strategie der Vernetzung ist auch hier die Bildung von verschiedenen Gremien (Arbeitkreise, Beiräte usw.) wichtig für die Beteiligung möglichst aller
Akteure im Stadtteil. Zusätzlich erleichtern Bewohnerbefragungen und Bestandsaufnahmen die gezielte Planung der umfangreichen Maßnahmen. Wichtig ist hier die Begrenzung der Maßnahmen und Bestandsaufnahmen auf den Stadtteil.
Zu den vielfältigen Aufgaben dieser Projekte zählen die Förderung von Kontakten zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen (wobei dies eher ein indirektes Ziel der Arbeit sein soll), die Anpassung vorhandener Angebote an Bedürfnisse, Beratungsangebote für Ausländer bzw. Aussiedler, Einzelfall- und Gruppenarbeit sowie die Entwicklung
von Schlichtungskompetenzen bei Konflikten. In dieser Projektstrategie sind die beiden
vorhergehenden Strategien, Vernetzung vorhandener Einrichtungen und Errichtung von
Begegnungsstätten, eingebettet. Sie sind ein wichtiges Mosaikstück der gesamten Maßnahmen, um das Ziel der Verbesserung der wirtschaftlichen und sozialen Situation der
Bewohner in benachteiligten Stadtteilen zu erreichen.
b) Projektgebiet Siedlung
Bei den Projekten, die in einer Siedlung durchgeführt werden, sind die oben beschriebenen Maßnahmen und Ziele auf einen kleineren territorialen Raum bezogen. Die Arbeit
betrifft somit alle für das Gebiet relevanten Einrichtungen. Unterschiede in Konzeption
und Durchführung sind hingegen nicht aufgefallen. Die Gebietsbegrenzung ist hier verschwommener, da sich gewachsene Stadtteile eindeutiger lokalisieren und beschreiben
lassen als Siedlungen oder Straßenzüge.
c) Projektgebiet Wohnkomplex
Ein größerer Unterschied besteht jedoch zu den Projekten, die in einem Wohnkomplex
durchgeführt werden. Dies mag daran liegen, dass deren Träger meist Wohnungsbaugesellschaften oder -unternehmen sind. Ihr Interesse beschränkt sich somit auf den eigenen
Besitz, einen Wohnkomplex oder vereinzelte Wohnhäuser, und geht kaum darüber hinaus. Ziel ist daher nicht eine Aufwertung des Stadtteils zu erreichen, sondern entweder
durch Neubauten ein gut funktionierendes interkulturelles Wohngebiet zu schaffen oder
die Revitalisierung eines bereits bestehenden Wohngebiets zu erreichen. Dabei haben
Einrichtungen im Stadtteil nur einen marginalen Anteil.
Bei den (Um-) Baumaßnahmen werden kulturelle, ökologische, barrierefreie und behindertengerechte Aspekte beachtet. Auch Selbstverwaltung und eine sozialverträgliche
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Finanzierung zählen zu den Prioritäten. Die Bildung eines Mietervereins soll die Bewohner aktivieren und ihnen die Möglichkeit geben, ihre eigenen Interessen zu vertreten.
Mit der Einrichtung von Begegnungsstätten, wie z.B. einem Gemeinschaftsraum, sind
Austauschmöglichkeiten unter den Nachbarn gegeben. Dadurch sollen Kontakte geknüpft und soziale Spannungen abgebaut werden. Zusätzliche Angebote vor Ort, wie
gemeinsame Waschräume, Leihgeräte oder eine Wohnberatung sollen zur umfassenden
Verbesserung der Wohnsituation beitragen und ein attraktives Wohngebiet für Bewohner verschiedener ethnischer Herkunft schaffen.
Ein Anliegen der Projektträger ist die Förderung kleinräumiger Nachbarschaften. Deshalb wird in diesen Wohnungen z.T. Belegungsmanagement betrieben, um eine aus
Freiwilligen und Interessierten bestehende, möglichst multikulturelle Mischung zu erreichen. Die Mieterauswahl erfolgt u.a. mithilfe von Fragebögen, welche die Einstellungen der Bewerber zu den Themen Multikulturalität und Toleranz messen sollen. Den
Wohnungsbaugesellschaften ist es wichtig, dass die ansässigen Bewohner gemeinsam
die neuen Mieter auswählen.
Die Projektträger verfolgen hier die Strategie der Durchmischung, wie sie in der Politik
und Stadtplanung jahrelang verfolgt wurde. Die Art der Mieterauswahl scheint jedoch
fragwürdig. Es bleibt offen, ob durch dieses Verfahren nicht eine Diskriminierung bestimmter ethnischer Gruppen forciert wird. Offensichtlich versuchen hier die Projektträger unter dem Deckmantel, dies seien Mieterwünsche, ihr Belegungsmanagement zu
rechtfertigen. Unerwünschte Mieter können dadurch systematisch ausgegrenzt werden,
um Konflikte zu vermeiden. Die Sozialwohnungen werden nur an solche Mieter vergeben, die dem vorgegebenen Mieterbild entsprechen, d.h. die Konzentration einer ethnischen Gruppe wird damit vermieden. In einigen Fällen werden Quoten angegeben (z.B.
zwei Teile Deutsche und ein Teil Migranten), die durch eine einmalige Befragung der
ausländischen Bewohner ermittelt wurden. Dabei wird jedoch nicht deutlich, welche
Migranten befragt wurden und unter welchen Umständen und zu welchem Zeitpunkt
diese Befragung stattgefunden hat. Offensichtlich ist hier eine Konfliktvermeidung zwischen ethnischen Gruppen der Leitgedanke. Dabei ist ethnische Zugehörigkeit noch
lange kein Garant für die Entstehung von Konflikten oder Freundschaften.
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6.3.2. Handlungsfeldbezogene Projekte
Die Projekte dieses Typs verfolgen innerhalb eines oder einiger weniger Handlungsfelder das Ziel der Integration von Migranten mit sehr speziellen Maßnahmen. Dabei stehen die Bewohner des Projektgebiets im Vordergrund. Es geht weniger darum Institutionen zu verändern, sondern eher um die Annäherung der Bewohnergruppen und die
Durchführung spezifischer Maßnahmen mit den Personen.
Im Gegensatz zu den gebietsbezogenen Projekten beschränken sich diese auf wenige
oder einzelne Handlungsfelder (Bildung, Wohnen und Freizeit, Sport usw.). Dabei sind
wiederum drei Strategien zu unterscheiden: Bildung/Qualifizierung, Kontaktförderung
unter Bewohnern und Sensibilisierung/Information.
Die Begrenzung auf einen bestimmten Stadtteil spielt hier kaum eine Rolle. Vielmehr
werden alle Institutionen und Personen mit einbezogen, die für das jeweilige Handlungsfeld relevant sind.
6.3.2.1. Bildung/Qualifizierung
Projekte, die eine Strategie der Bildung und Qualifizierung (oder auch Beschäftigung)
verfolgen, betrachten den Erwerb von Kompetenzen als Voraussetzung zur Integration
von Zuwanderern. Die Hauptprobleme in den Projektgebieten sind unter anderem Bildungsdefizite bei Kindern und Jugendlichen oder Qualifizierungsdefizite erwachsener
Migranten, welche u.a. als eine Ursache für die hohe Arbeitslosigkeit dieser Bevölkerungsgruppe gesehen werden.
Die Maßnahmen werden innerhalb einzelner Institutionen durchgeführt, z.B. in einer
Schule oder einem Betrieb, d.h. eine bestimmte Zielgruppe soll innerhalb dieser Institutionen an Bildungsmaßnahmen teilnehmen (siehe Abbildung 7).
Ein wichtiger Bestandteil einiger Projekte ist der Einbezug des gesamten sozialen Umfeldes der Zielgruppe. Beispielsweise werden nicht nur ausländische Kinder in Schulen
verstärkt an Sprachkursen beteiligt, sondern auch deren Eltern mit in die Maßnahmen
involviert, um den Wirkungsgrad zu erhöhen.
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Abbildung 7: Bildung/Qualifizierung
Materielle Ebene
(Orte/Institutionen)
Soziale Ebene
(Menschen/Gruppen)
I1
G1
I2
G2
I3
G3
6.3.2.2. Kontaktförderung unter Bewohnern
Die Projekte mit dem Schwerpunkt Kontaktförderung setzen ihre Maßnahmen direkt bei
den Bewohnergruppen an. Im Gegensatz zum Schwerpunkt Errichtung von Begegnungsstätten wird hier der Kontakt zwischen den Bewohnern nicht durch einen institutionalisierten Treffpunkt gefördert. Die Maßnahmen richten sich direkt an die Personen
selbst und nicht an Einrichtungen.
Die Projekte dieses Schwerpunkts sind höchst unterschiedlich. Dennoch verfolgen sie
alle das gleiche Ziel: Die Förderung des Kontakts zwischen den Bewohnern des Projektgebiets. Sie wollen besonders den interkulturellen Austausch fördern, Vorurteile
sowie soziale und kulturelle Barrieren abbauen. Dies wird mittels Kotaktangeboten aller
Art angestrebt, wie z.B. Feste, (Kultur)Veranstaltungen, Tauschbörsen, Exkursionen,
Bürgertreffs, Nachbarschaftsdienste, Lesungen und Musikveranstaltungen. Besonders
betont wird die Kinder- und Jugendarbeit sowie die Stärkung der Migrantenbevölkerung. Integration bedeutet hier eben nicht lediglich in der deutschen Kultur aufgehen
(assimilieren), sondern sich positiv mit anderen Kulturen auseinanderzusetzen und für
ein multikulturelles Miteinander zu sorgen. Die bestehenden Konflikte in der Nachbarschaft werden gezielt durch Schlichtung und Mediation sowie durch die Vermittlung
von Selbstregulierungskompetenzen beseitigt.
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Abbildung 8: Kontaktförderung unter Bewohnern
Materielle Ebene
(Orte/Institutionen)
Soziale Ebene
(Menschen/Gruppen)
I1
G1
I2
I3
G2
G3
6.3.2.3. Sensibilisierung/Information
Ziel dieser Projekte ist die Schaffung einer breiten Kommunikationsbasis durch die
Sensibilisierung der Bewohner und der sonstigen Akteure im Projektgebiet, um den interkulturellen Austausch anzuregen oder Informationen weiterzuleiten.
Die Initiative geht von einer Institution aus, die Informationen bzw. Schulungen hauptsächlich an die Bewohner weitergibt, aber auch an bestimmte Einrichtungen, die für den
Umgang mit Migranten sensibilisiert werden sollen (siehe Abbildung 9). Dadurch wird
eine Diskussionsgrundlage zwischen Bewohnern (Nutzer dieser Einrichtungen) und Akteuren (Mitarbeiter aus diesen Einrichtungen) gewonnen, die integrationsrelevante
Themen in die Öffentlichkeit transportiert.
Die Auseinandersetzung mit interkulturellen Themen wird über vielerlei Wege und Aktionen erreicht. Diese reichen von der klassischen „Stadtteilzeitung“ als Medium und
Sprachrohr für alle Bewohner, über Glaubensinformationen bis hin zu Kunstaktionen
und anderen kulturellen Veranstaltungen.
Besonders wichtig ist die Sensibilisierung von Bewohnern in Gebieten, in denen fremdenfeindliche Tendenzen erkennbar werden und eine konfliktgeladene Atmosphäre vorherrscht. Dies kommt z.B. in Gebieten vor, in denen eine Moschee gebaut wird oder andere symbolträchtige Bauten entstehen, worauf die ansässige Bevölkerung mit AblehSic et Non. zeitschrift für philosophie und kultur. im netz.
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nung reagiert. Mit Informationen und Sensibilisierungsmaßnahmen wird versucht diesen Auseinandersetzungen zwischen Bewohnergruppen unterschiedlicher Kulturen und
Glaubensrichtungen entgegenzuwirken.
Abbildung 9: Sensibilisierung/Information
Materielle Ebene
(Orte/Institutionen)
Soziale Ebene
(Menschen/Gruppen)
I1
G1
I2
G2
I3
G3
6.3.2.4. Sonstige Projekte
Bis auf sechs Projekte konnten alle den oben genannten Strategien eindeutig zugeteilt
werden. Zu den sonstigen Projekten zählen diejenigen, die sich um die Versorgung von
Hilfsbedürftigen kümmern (etwa durch die Verteilung von Lebensmitteln) und Projekte,
die kommunale Suchtprävention ausüben. Des Weiteren beinhaltet diese Kategorie Projekte, die sich um die Einführung fremder Sportarten kümmern. Bei allen sonstigen Projekten wird zwar ein Migranten-Bezug betont, dennoch bleibt unklar, wie Integration
verstanden wird. Ihnen wird in der folgenden Analyse keine Beachtung geschenkt, da
aufgrund der geringen Anzahl und der hohen Differenz keine relevanten Aussagen getroffen werden können.
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6.3.3. Wirkungsebenen
Innerhalb der Projekte gibt es zwei Wirkungsebenen, auf die sich die Maßnahmen beziehen: die materielle Ebene und die soziale Ebene. Die Maßnahmen der Projekte setzen
entweder an den lokalen Einrichtungen an oder versuchen direkt die sozialen Beziehungen der Bewohner und Akteure zu beeinflussen. Aufgrund der Interdependenz beider
Ebenen wirken sich die Maßnahmen auf der einen Ebene auch auf die andere Ebene
aus. Dies geschieht allerdings nur indirekt.
Bei den Projekttypen sind Schwerpunkte zu erkennen. Innerhalb der gebietsbezogenen
Projekte wird die direkte Einwirkung auf der materiellen Ebene vollzogen, wie z.B. die
Vernetzung sozialer Einrichtungen, die Schaffung neuer Einrichtungen und Infrastrukturmaßnahmen. Maßnahmen, die direkt auf die Bewohnerschaft zielen sind eher nebensächlich. Vielmehr sollen sich die Maßnahmen bezüglich der Einrichtungen auf die
betreffenden Personen und Bewohnergruppen auswirken.
Handlungsfeldbezogene Projekte hingegen agieren größtenteils auf der sozialen Ebene.
Sie beabsichtigen direkt Einfluss auf die Bewohner zu nehmen und deren Beziehungen
untereinander zu fördern, indem sie z.B. Feste organisieren, Informationen weitergeben,
Konflikte schlichten und aufsuchende Hilfen anbieten. Die Abbildungen 4 bis 9 verdeutlichen diese Schwerpunktsetzungen auf beiden Wirkungsebenen.
Angesichts der „ganzheitlichen“ Strategien von gebietsbezogenen Projekten betreffen
die Maßnahmen nicht nur die ausländische Bewohnerschaft, sondern alle Bewohner des
Projektgebiets. Um dies genauer zu analysieren, wurden die Maßnahmen genauer betrachtet. Es wurde untersucht, welche Projekte Maßnahmen hauptsächlich für Ausländer
durchführen und welche Projekte Maßnahmen für alle Bewohner – also auch Einheimische – durchführen. Es sind demnach zwei Arten von Maßnahmen vorhanden, die jeweils unterschiedliche Zielgruppen betreffen. Speziell für Migranten konzipierte Maßnahmen sind z.B. Sprachkurse und Schulungen. Maßnahmen für alle Bewohner hingegen bewirken eine materielle Aufwertung des Gebietes im Sinne von Sanierungen aber
auch die Bereitstellung von Angeboten wie Familienberatungen usw.
Gebietsbezogene Projekte führen deutlich mehr allgemeine Maßnahmen durch. Diese
erstrecken sich von baulichen Aufwertungen über Freizeitangebote für Jugendliche bis
hin zur Vernetzung sozialer Dienste. Die Maßnahmen dienen dazu infrastrukturelle Defizite zu beseitigen, die sich nicht nur speziell auf ausländische Bewohner auswirken,
sondern auf das Leben aller.
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Die meisten handlungsfeldbezogenen Projekte führen speziell für Migranten konzipierte
Maßnahmen durch. Diese sind zielgruppenorientiert, wie z.B. Sprachkurse für verschiedene Landessprachen und spezielle Kurse für ausländische Frauen oder Mädchen.
Trotzdem werden auch Maßnahmen für einheimische Bewohner durchgeführt. Diese
beziehen sich jedoch deutlicher als in gebietsbezogenen Projekten auf die Integration
von Migranten, durch Sensibilisierung und gezielte Vermittlung interkultureller Kompetenzen auch an einheimische Akteure.
Die Verteilung der Maßnahmenart entspricht dem Stellenwert der Integration16 von
Migranten innerhalb der Projektarbeit. Handlungsfeldbezogene Projekte beinhalten die
Integration als Hauptthema. Hier ist das eindeutige Ziel, Migranten mittels spezifischer
Maßnahmen in die Aufnahmegesellschaft zu integrieren. Gebietsbezogene Projekte sind
hingegen nicht allein für die Integration von Migranten konzipiert, weshalb dieses Ziel
nur einen Teil der Maßnahmen ausmacht.
Anhand der dargestellten Projekte lässt sich zusammenfassend feststellen, dass es zwei
grundsätzlich verschiedene Typen von Projekten gibt. Der eine Typ lehnt sich stark an
die im theoretischen Abschnitt aufgezeigten Diagnosen zur Segregation an. Hier besteht
die Absicht, einen Aufwertungsprozess im gesamten Stadtteil in Gang zu setzen, statt
den Fokus auf einzelne Bereiche zu legen.
Die gebietsbezogenen Projekte erheben einen Anspruch auf „Ganzheitlichkeit“, da
Maßnahmen sowohl auf der materiellen Ebene (Vernetzung von Einrichtungen, Infrastrukturausbau, bauliche Maßnahmen usw.) als auch auf der sozialen Ebene (Sozialmanagement, Kontaktförderung, Bildung usw.) beabsichtigt werden. Mithilfe der Typisierung konnte jedoch festgestellt werden, dass die Maßnahmen auf der sozialen Ebene eine untergeordnete Rolle spielen (hier werden hauptsächlich Sprach- und Bildungsmaßnahmen durchgeführt). Ziel dieser Projekte ist es, durch infrastrukturelle Verbesserungen ebenfalls eine qualitative Verbesserung der sozialen Beziehungen unter den Bewohnern hervorzurufen. Es bleibt jedoch offen, wie effizient diese Vorgehensweise ist
(eine Erfolgskontrolle in Nachfolgeuntersuchungen könnte diese Frage beantworten).
Die oft betonte Komponente des Sozialmanagements geht in dieser Strategie unter. Dem
Anspruch auf Ganzheitlichkeit werden diese Projekte deshalb in dieser Hinsicht nicht
gerecht.
Der zweite Typ beschränkt sich auf gezielte Wirkungsfelder. Damit verschaffen sich
diese Projekte den Vorteil detaillierter vorgehen zu können und sich auf wichtige As16
Dies konnte anhand der Zielformulierungen, Zielgruppen und Maßnahmen eingeschätzt werden.
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pekte zu konzentrieren. Sie sprechen die betroffenen Personen direkt an und gehen nicht
den Umweg über die materielle Ebene. Nicht Infrastruktur, sondern Beziehungen und
Fähigkeiten sollen gestärkt werden.
6.3.4. Integrationsvorstellungen der Projektträger
Die beiden Projekttypen verdeutlichen, wie verschieden die Vorstellungen davon sind,
auf welche Art Migranten besser in die Gesellschaft integriert werden können. Die einen beschreiten den Weg über strukturelle Aufwertungsprozesse des Gebiets, die anderen über soziale und kulturelle Veränderungsprozesse.
Nach den in Kapitel 2 vorgestellten Integrationsdimensionen von Hartmut Esser vollzieht sich nach Ansicht der Projektträger Integration hauptsächlich in drei Dimensionen:
In der kulturellen Dimension wird die Integration in nahezu allen Projekttypen hauptsächlich
über
Sprachkurse
angestrebt.
Bei
den
Projekten
zur
Sensibilisie-
rung/Information wird diese Dimension zusätzlich zu kulturellen Schulungen durch Informatisierung erreicht.
Strukturelle Integration wird von allen Projekten als eigentliches Ziel der Integration
angesehen. In gebietsbezogenen Projekten sollen infrastrukturelle Maßnahmen, Kurse
und Beratungen die Positionierung in den zentralen Systemen der Aufnahmegesellschaft
erleichtern.
Die soziale Integration spielt ebenfalls eine Rolle bei den Projekten. Durch eine Strategie der Begegnung (Feste, Kurse usw.) soll diese erreicht werden. V.a. die Strategien
Kontaktförderung unter Bewohnern und Sensibilisierung/Information sind darum bemüht die soziale Integration zu fördern.
Eine identifikatorische Integration findet hingegen kaum Beachtung. Nur in Projekten
der Stadtteil- bzw. Gemeinwesenarbeit scheint die Identifikation der Bewohner mit dem
Stadtteil oder der Wohnanlage wichtig zu sein.
Die strukturelle Dimension wird als eigentliches Ziel der Integration betrachtet. Um dieses Ziel zu erreichen, werden neben der Schaffung struktureller Voraussetzungen, die
Aneignung kultureller Fertigkeiten, v.a. das Erlernen der deutschen Sprache und die
Förderung der Kontakte unter den Bewohnern verschiedener Herkunft angestrebt.
Wie die Projektträger Integration definieren, kann einerseits durch die Arbeit selbst feststellt werden, aber auch durch die Definitionen dieses Begriffs. An dieser Stelle ist es
deshalb interessant zu sehen, welche Vorstellungen sie von Integration in den DokuSic et Non. zeitschrift für philosophie und kultur. im netz.
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mentationen niedergeschrieben haben. Ähnlich wie die Soziologen haben auch die Projektträger eine sehr unterschiedliche Vorstellung davon, was Integration ist und wie sie
zu erreichen ist. Um das Integrationsverständnis der Projektträger nicht vorab theoretisch einzuschränken, wurde in den Projektdokumentationen offen nach Definitionen
und Schlüsselbegriffen gesucht, die jeweils das Integrationsverständnis der Projektträger gebündelt widerspiegeln. Mit dieser Methode konnten während der Materialreduktion aus den 91 Projektdokumentationen zunächst 24 Begriffe isoliert werden. Am häufigstem wurden Begriffe wie „Toleranz“, „Miteinander“ und „Verstehen“ angegeben.
Aber auch Termini wie „Eingliedern“ und „Aneinander gewöhnen“ fielen ins Auge.
Auffällig war die Tatsache, dass in keiner der Definitionen Assimilation auftauchte,
zumindest nicht im positivem Sinn.
Hinsichtlich der in Kapitel 2 genannten Definition von Integration als gegenseitigem
Prozess konnte weiterhin überprüft werden, ob die Projektträger diesen Prozess ebenfalls als gegenseitig empfinden oder ob sich nach ihrem Verständnis die Integration nur
auf eine Seite bezieht, entweder auf die Zuwanderer oder auf die Aufnahmegesellschaft.
Daraufhin wurden die erhobenen Schlüsselbegriffe in drei Kategorien unterteilt:
1. Einseitig/Aufnahmegesellschaft: der Begriff bezeichnet Integration als einen Prozess, der hauptsächlich im Aufnahmeland (bzw. im Projektgebiet) vollzogen werden
muss:
Toleranz, Verstehen, Defizite im Gebiet abbauen, Vorurteile abbauen, Akzeptanz und
Solidarität mit Migranten17
2. Einseitig/Migranten: der Begriff bezeichnet Integration als einen Prozess, der hauptsächlich durch die Zuwanderer vollzogen werden soll:
Integrationsbereitschaft erhöhen, Eingliedern, Hilfe zur Selbsthilfe, Motivation steigern,
Identifikation erhöhen, Werte und Normen vermitteln, ethnische Gruppe stärken und
soziale Anpassung an das Aufnahmeland
17
Die Begriffe sind hier vereinfacht und aus dem Zusammenhang genommen dargestellt. Um sie nicht
falsch zu deuten, wurden die Begriffe jeweils in ihrem Kontext betrachtet. Damit konnte eine eindeutige
Kategorisierung vorgenommen werden.
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3. Gegenseitig: der Begriff bezeichnet Integration als einen gegenseitigen Prozess:
Gegenseitiger Respekt, Interkulturalität, gegenseitiges kennen lernen, Gleichberechtigung, Miteinander, interkultureller Austausch, konfliktfreies Nebeneinander, aneinander
gewöhnen, gegenseitiges Vertrauen und Begegnung fördern
Projektträger, die Begriffe der zweiten Kategorie verwenden, schreiben die Verantwortung für eine erfolgreiche Integration nicht ganz allein den Zuwanderern zu, sonst würde ein von der Aufnahmegesellschaft durchgeführtes Projekt keinen Erfolg versprechen.
Dennoch wird den Migranten die Hauptlast der Integrationsarbeit auferlegt. Die Rolle
der Einheimischen besteht lediglich darin, Migranten zu motivieren und sie bei „ihrer“
Integration zu unterstützen.
Die Häufigkeitsverteilung der Begriffe zeigt Tabelle 2. Die Mehrheit der Projektträger
(55%) definiert Integration als einen gegenseitigen Prozess. Auffällig ist jedoch die relativ hohe Anzahl (21%) derer, die einen einseitigen Begriff wählen, der sich auf die Zuwanderer bezieht. Diese Begriffe werden am häufigsten in gebietsbezogenen Projekten
gewählt (35%).
Tabelle 2: Schlüsselbegriffe nach Projekttyp
Schlüsselbegriffe (Kategorien)
Projekttyp
gebietsbezogen
einseitig Aufnahmegesellschaft
17%
einseitig Migranten
gegenseitig
35%
48%
60%
handlungsfeldbezogen
30%
11%
Total
24%
21%
55%
Basis: n=66
Das Integrationsverständnis der Projektträger beruht demnach am häufigsten auf Gegenseitigkeit. Allerdings kommt es nicht selten vor, dass die Hauptverantwortung der
Integration bei den Migranten gesehen wird und die Projektarbeit lediglich zur Motivation der Zuwanderer beitragen soll. In diesen Äußerungen verbirgt sich die Forderung
nach einer Anpassung an das Aufnahmeland.
Im folgenden Abschnitt wird auf zwei Aspekte der Projektarbeit eingegangen, die eine
besondere Rolle in den Projektdokumentationen spielen und demnach wichtige ElemenSic et Non. zeitschrift für philosophie und kultur. im netz.
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te der Integrationsvorstellungen der Projektträger darstellen: Sprachförderung und
Imagearbeit.
6.3.5. Sprachförderung
Die Vermittlung der Sprache scheint in den Projekten eine Schlüsselrolle für die Integration zu spielen. Das Erlernen der Sprache als Integrationsvoraussetzung entspricht
schon seit einiger Zeit der Vorstellung einer erfolgreichen Maßnahme zur Eingliederung
von Migranten in die Aufnahmegesellschaft.
Auch in der Konzeption des Zuwanderungsgesetzes werden sog. „Integrationskurse“
vorgestellt. Diese bestehen aus Sprach- und Orientierungskursen18. Neu ist die Verordnung von Sprachkursen an Migranten jedoch nicht.
In den 1960er Jahren halfen sich die großen Firmen noch mit Dolmetschern, die den
ausländischen Arbeitskräften die wichtigsten Vorschriften vermittelten. Es wurde noch
nicht darüber nachgedacht, dass die Gastarbeiter die deutsche Sprache erlernen sollten,
um sich mit deutschen Arbeitern zu verständigen, weil die Annahme bestand, ausländische Arbeitskräfte würden nur vorübergehend in Deutschland eingesetzt.
Erst mit steigender Ausländerzahl gründete sich auf Initiative des Bundesministeriums
für Arbeit und Sozialordnung und der Bundesanstalt für Arbeit der deutsche Sprachverband. Seine Aufgabe bestand darin, die organisatorischen und pädagogischen Voraussetzungen des Deutschunterrichts zu verbessern und damit ein weitreichendes Angebot
an Sprachkursen einzurichten, angepasst an das unterschiedliche Bildungsniveau der
ausländischen Arbeitnehmer (Fiedler 1999, S. 57ff.).
Die Kurse wurden im Laufe der 1970er Jahre erweitert. Es entstanden ganze Programme, wie z.B. die „Maßnahmen zur sozialen und beruflichen Eingliederung ausländischer
Jugendlicher“ (MSBE). Die Zielgruppe wurde von Arbeitnehmern v.a. auf Jugendliche
aber auch auf Frauen ausgeweitet. Die Bedeutung dieser Kurse ging nun über das Ziel
der reinen Sprachvermittlung als Verständigungsbasis hinaus. Man versprach sich davon eine Eingliederung in das Bildungssystem und den Arbeitmarkt. Der Erwerb der
Sprache wird demnach als Schlüssel zur Integration angesehen.
Die Kurse wurden und werden von den unterschiedlichsten Trägergruppen angeboten
und durchgeführt. Das Spektrum reicht von der mit besten Ressourcen ausgestatteten
Volkshochschule bis hin zur kleinen Initiativgruppe in ausländischen Vereinen.
18
Auch wenn unklar ist, was genau damit gemeint ist.
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Für einen Zuwanderer ist die Wahrnehmung solcher Sprachkurse jedoch nicht unproblematisch, da diese kostenintensiv sind. Eine finanzielle Förderung durch den Sprachverband erhalten lediglich Migranten aus den EU-Mitgliedsländern sowie Migranten
aus den ehemaligen Anwerbeländern. Für diejenigen mit der „falschen Nationalität“ ist
die finanzielle Barriere zur Teilnahme oftmals zu hoch. Mittlerweile überwiegt jedoch
der Anteil der nicht geförderten Migranten (ebd. S. 60).
Ein weiteres Problem ergibt sich aus den unflexiblen Teilnahmevoraussetzungen. Die
Zugangsberechtigung zu den verschiedenen Kursen wird über den rechtlichen Status der
Zielgruppen bestimmt. Angehörige von Spätaussiedlern dürfen deshalb an keinem der
Kurse teilnehmen und Asylberechtigte sind auf einen bestimmten Sprachkurs beschränkt und dürfen deshalb an keinem Akademikerkurs teilnehmen (Dormann 1999, S.
68). Diese Methoden grenzen an Diskriminierung, denn woher nehmen die Behörden
die Sicherheit, dass ein Asylberechtigter kein Studium absolviert hat oder die deutsche
Sprache besser beherrscht als ein hochqualifizierter Ingenieur aus Indien, der per Green
Card angeworben wurde?
Die Sprachkurse des Sprachverbandes werden von vielen verschiedenen Trägern durchgeführt, die auch Träger der in dieser Arbeit untersuchten Projekte sind. Deshalb ist es
nicht verwunderlich, dass Sprachkurse in 2/3 aller Projekte Teil der Maßnahmen sind.
Wie auch in der Politik, sind die Projektträger der Ansicht, dass das Erlernen der deutschen Sprache ein wichtiger Baustein für die Integration ist. Zur Sprachförderung in der
Projektarbeit zählen Deutschkurse, Alphabetisierungskurse aber auch Kurse zum Erlernen der jeweils eigenen Muttersprache.
Tabelle 3 verdeutlicht den Stellenwert der Sprachförderung bei den Projektträgern. Der
Großteil, 57% der Projekte sehen die Sprachförderung als Ergänzung zu den übrigen
Maßnahmen an. Die wenigsten haben sie explizit als Ziel der Projektarbeit formuliert.
Bei einem Drittel der Projekte ist die Sprachförderung eher unwichtig. Nach Projekttypen aufgeschlüsselt lässt sich feststellen, dass die Sprachförderung als Ziel der Projektarbeit dem handlungsfeldbezogenen Typ Bildung/Qualifizierung zuzuordnen ist. Kurse
als Ergänzung betrachten hauptsächlich gebietsbezogene Projekte, v.a. die Projekte mit
dem Schwerpunkt Stadtteilarbeit und Vernetzung (83% und 100%). Unwichtig sind
Sprachkurse im Projektschwerpunkt Sensibilisierung (73%). Dort steht nicht die Vermittlung der deutschen Sprache im Vordergrund, sondern die Informationsverbreitung,
die teilweise in verschiedenen Fremdsprachen durchgeführt wird, um möglichst alle
Bewohner zu erreichen.
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Tabelle 3: Sprachförderung nach Projekttyp
Sprachförderung
Projekttyp (Detail)
Ziel
Ergänzung
unwichtig
GBegegnung
-
78%
22%
GVernetzung
-
100%
-
GStadtteil
-
83%
17%
HBildung
44%
44%
11%
HKontakt
8%
46%
46%
HSensibilisierung
7%
20%
73%
-
33%
67%
8%
57%
35%
HSonstige
Total
Basis: n=91
Insgesamt lässt sich feststellen, dass die Vermittlung der deutschen Sprache in Form
von Deutschkursen und Alphabetisierungskursen für die Projektträger immer noch ein
wichtiger Baustein zur Erreichung des Integrationserfolgs ist. Wenn Migranten die
deutsche Sprache nicht erlernen, werden sie als schlecht integriert betrachtet. Diesen
Zustand gilt es daher zu vermeiden.
6.3.6. Imagearbeit
Im Zuge der Reduzierung des Ausgangsmaterials wurde festgestellt, dass in einigen
Projekten das Image des Projektgebiets als Hauptproblem betrachtet wird. Migranten
spielen dabei eine große Rolle, denn gerade Quartiere mit hohem Ausländeranteil werden häufig stigmatisiert. Wegen der „fremdartigen Verhaltensweisen“ scheint das Geschehen in diesen Gebieten nicht dem übrigen Stadtbild zu entsprechen. Lärm, Verunreinigungen, bauliche Mängel, dies alles wird als „abweichend“ empfunden. Deshalb
wird der Imagearbeit in einigen Projekten eine großer Stellenwert beigemessen.
Da gebietsbezogene Projekte besonders darum bemüht sind, möglichst alle Defizite im
Gebiet zu beseitigen, wird vermutet, dass die Imagearbeit hier einen besonderen Stellenwert erhält. Des Weiteren lassen sich Effekte bezüglich der Träger vermuten. Besonders Kommunen und Wohnungsbaugesellschaften (als Unternehmen) dürften am Image
ihrer „Objekte“ interessiert sein.
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Hinweise auf Imagearbeit ließen sich auf unterschiedliche Weise finden. Erstens wurde
die Imageverbesserung als eines der Hauptziele formuliert. Zweitens wurde die Imagearbeit in einigen Dokumentationen zwar nicht explizit erwähnt, man konnte jedoch aufgrund der Maßnahmen und Schwerpunktsetzung der Projektbeschreibung darauf schließen, dass sie eine Rolle spielte. Drittens konnte bei einer Gruppe von Projekten weder
explizit noch implizit festgestellt werden, dass Imageveränderungen zu den Maßnahmen
gehören.
Ein Blick auf das Ergebnis in Tabelle 4 zeigt, dass die Hälfte (50%) der Projektträger
Imagearbeit für die Integration von Migranten als unwichtig erachtet.
Tabelle 4: Image nach Projekttyp
Image
Hauptziel
nicht explizit
unwichtig
gebietsbezogen
39%
41%
21%
handlungsfeldbezogen
8%
21%
71%
Total
21%
30%
Projekttyp
50%
Basis: n=91
Diese sind meist Projekte des handlungsfeldbezogenen Typs (71%). Schon allein wegen
der zweitrangigen Gebietsbegrenzung spielt die Imagearbeit hier kaum eine Rolle, denn
ohne den Bezugspunkt einer abgeschlossenen Einheit, wie etwa einem Stadtteil, der ein
bestimmtes Image besitzt, wird die Imagearbeit unwichtig. Ein höherer Stellenwert
kommt der Imagearbeit dagegen in den Projekten des gebietsbezogenen Typs zu, v.a.
die Strategie Stadtteilarbeit beinhaltet dies fest in ihrer Konzeption. Die erste Annahme,
dass gebietsbezogene Projekte Imagearbeit als wichtig erachten, konnte damit bestätigt
werden.
Bezüglich der Träger (siehe Tabelle 5) konnte kein Zusammenhang bei den Kommunen
festgestellt werden. Die Mehrheit der kommunalen Träger erwähnte Imagearbeit weder
explizit, noch konnte implizit auf deren Bedeutsamkeit geschlossen werden. Eindeutig
sind jedoch die Effekte bei den Wohnungsbaugesellschaften. Die Ergebnisse der quantitativen Erhebung weisen deutlich darauf hin, dass die Verbesserung des Images eines
der Hauptabsichten der Projektarbeit ist. Die Träger gehen damit sehr offen um, was
nicht weiter verwunderlich ist, denn es handelt sich um Unternehmen, denen die Präsentation ihrer Immobilien wichtig ist.
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Tabelle 5: Image nach Trägerart
Image
Trägerart
Hauptziel
nicht explizit
unwichtig
Kommune
20%
24%
56%
Wohlfahrtsverband
13%
33%
53%
Verein
26%
26%
48%
-
-
100%
60%
40%
-
Kirche
-
63%
37%
Sonstige
-
17%
83%
21%
30%
50%
Migranten-Organisation
Wohnungsbaugesellschaft
Total
Basis: n=91
Imageaufwertung wird einerseits durch bauliche Maßnahmen innerhalb der Projektarbeit angestrebt sowie andererseits durch die Eindämmung von Konflikten zwischen
Bewohnergruppen, die im Projektgebiet bestehen und sich auf dessen Wirkung nach außen beziehen. Eines der Hauptanliegen der Imagearbeit ist es Gruppen, wie z.B. jugendliche „Banden“, aus dem öffentlichen Raum zu „entfernen“. Gerade Jugendliche werden
nicht gerne auf der Straße gesehen. Die unkontrollierte Aneignung von Plätzen durch
diese Gruppen soll vermieden werden. Dabei fallen den Trägern v.a. Migranten (insbesondere jugendliche Spätaussiedler) negativ auf. Sie halten sich an den „falschen Stellen“ auf und zeigen die „falschen Verhaltensweisen“. Ihr Verhalten wird von vielen
Bewohnern als störend empfunden und trägt in erheblichem Maße zur Stigmatisierung
eines ganzen Viertels bei. Verstärkt wird diese Imagebildung durch hohe Migrantenanteile unter den Bewohnern im Gebiet. Es sollen deshalb Institutionen als „kontrollierte
Aufenthaltsorte“ errichtet werden, durch die eine Aneignung von öffentlichen Räumen
verhindert werden soll. Dieses Verfahren ähnelt der Beseitigung von Obdachlosen und
Drogenabhängigen von städtischen Vorzeigeplätzen. Zugespitzt formuliert grenzt diese
Praxis der Imagearbeit an eine Säuberungs- und Aufräumaktion. Ziel der Imagearbeit ist
es, einen sauberen, baulich schönen Ort zu schaffen, in dem die Freizeitgestaltung geordnet verläuft und sich ein jeder Bewohner mit dem anderen versteht. V.a. die Kommunen oder Wohnungsbaugesellschaften haben ein gesteigertes Interesse an einem guten Image. Nahezu die Hälfte der Kommunen verfolgt eine solche Strategie im Zusammenhang mit der Integration von Migranten.
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Angesichts der prekären Lagen in den Wohngebieten ist es mitunter nachzuvollziehen,
dass ein aufgewertetes Image auch zur Erhöhung der Lebensqualität der ausländischen
Bewohner beitragen kann. Es ist jedoch zu fragen, ob bei der Fixierung auf die Imageaufwertung eines Gebietes wichtige Aspekte verschleiert oder vernachlässigt werden.
Ein Image ist durch eine künstliche Abgrenzung bedingt, z.B. kann ein Stadtteil oder ein
Wohnhaus ein Image besitzen. Mit Imageaufwertung wird demnach immer ein Gebiet
künstlich abgegrenzt und schließlich ein neues Image dafür produziert. Imageaufwertung kann Marginalisierungen nicht entgegenwirken. Sie ist vielmehr eine oberflächliche Politur, die das Projektgebiet für Außenstehende „verschönert“.
6.3.7. Erstes Zwischenergebnis
An dieser Stelle soll ein erstes Zwischenfazit gezogen werden. Welchen Beitrag leisten
die sozialräumlichen Projekte für die Integration von Migranten?
Um das umfangreiche Ausgangsmaterial zu reduzieren, wurde zwischen zwei grundsätzlich verschiedenen Projekttypen unterschieden: gebietsbezogene und handlungsfeldbezogene Projekte. Sie agieren auf jeweils anderen Wirkungsebenen. Gebietsbezogene Projekte legen ihren Schwerpunkt auf Institutionen und Infrastruktur und handlungsfeldbezogene Projekte konzentrieren ihre Maßnahmen direkt auf die betroffenen
Personen.
Das Verständnis von Integration auf Seiten der Projektträger kann über die Art und
Weise ihrer Strategien und Zielsetzungen bestimmt werden. Gebietsbezogene Projekte
streben mit strukturellen Veränderungen eine bessere Nutzbarkeit der lokalen Einrichtungen an, um die Integration der Bewohner im Gebiet zu fördern und letztendlich die
Positionierung (strukturelle Dimension) in den zentralen Systemen der Aufnahmegesellschaft zu erleichtern. Wichtiger Ansatzpunkt dafür ist die Schaffung struktureller Voraussetzungen für eine erfolgreiche Eingliederung. Handlungsfeldbezogene Projekte
streben die Integration auf einem ganz anderen Wege an, nämlich mittels der Vermittlung kultureller Kompetenzen an ausländische und einheimische Bewohner. Sie versuchen durch Information, Bildung und Kontaktförderung (kulturelle und soziale Dimension) das Zusammenleben im Projektgebiet zu fördern und damit schließlich die Positionierung in der Aufnahmegesellschaft zu erleichtern.
Die meisten Projekte sind nicht allein für Migranten konzipiert worden, sondern auch
für Einheimische. Deshalb wird oft von „Bewohnern“ als Zielgruppe gesprochen. Dies
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zeigt, dass Integration häufig als ein gegenseitiger Prozess begriffen wird, wobei auch
ein beträchtlicher Teil der Projektträger die Integrationsverantwortung hauptsächlich bei
den Migranten sieht.
Eine Schlüsselrolle für den Integrationserfolg erhält die Sprachförderung. Sie ist in vielen Projekten als ergänzende Maßnahme zu finden. In gebietsbezogenen Projekten spielt
die Imagearbeit eine große Rolle. Es bleibt jedoch fraglich, ob sie tatsächlich einen Beitrag zur Integration von Migranten leisten kann.
Insgesamt zeigt sich, dass Integration in der Praxis genau wie in der Theorie, ein schwer
zu fassender Begriff ist. Die Vorstellungen der Projektträger darüber driften weit auseinander, was eine Definition erschwert. Mit der Typologisierung wurde versucht die
vielfachen Vorstellungen zu kategorisieren. Für die Integration von Migranten ist es
ebenso wichtig danach zu fragen, welchen Stellenwert Migranten selbst innerhalb der
Projekte einnehmen. Wenn Integration ein gegenseitiger Prozess ist und die Sozialräume der Migranten zum Gegenstand der Projektarbeit gemacht werden, ist die Wahrnehmung ihrer sozialräumlichen Lebenswelt mit allen Aspekten von großer Bedeutung.
Denn auch eine ethnische Community kann ein integrierendes Element sein. Um dem
nachzugehen, wurde das Bild analysiert, das die Projektträger von Migranten in den
Dokumentationen wiedergeben.
6.4. Das Bild von Migranten
Nachdem die Projekte typisiert wurden, um die Art der Integration zu analysieren, soll
nun untersucht werden, welche Rolle Migranten selbst innerhalb der Projektarbeit spielen. Wie bereits in Kapitel 4 dargestellt, bieten gerade die sozialräumlich orientierten
Projekte die Möglichkeit zu untersuchen, ob Migranten homogenisiert werden. Es ist
anzunehmen, dass die Projektträger genau festlegen, wer integriert werden soll, wer bereits integriert ist und auf welche Art und Weise jene integriert sind. Wenn die Politik
fordert, dass diese Projekte andere und neue Wege der Integration erproben sollen, so
bedarf es auch der Berücksichtigung der Wünsche und Bedürfnisse von Migranten in
der Projektkonzeption.
Die Projektdokumentationen geben viele Informationen über die Wahrnehmung der
Projektträger preis, manchmal explizit durch genaue Beschreibungen der Bewohner und
Zielgruppen, manchmal nur implizit über die Beschreibung der Tätigkeiten. Die extra-
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hierten Informationen und Textpassagen wurden in einem nächsten Schritt zu Kategorien strukturiert.
Im Folgenden wird das Bild der Projektträger, das sie über Migranten haben, in zwei
Schritten analysiert. Zunächst interessiert die Differenzierung der allgemeinen Beschreibungen von Migranten. Anschließend werden die Darstellungen der einzelnen
Zielgruppen untersucht. Zusätzlich geben Aussagen über den Stellenwert der Migranten
innerhalb der Projektarbeit Auskunft darüber, ob deren Beteiligung die Differenzierung
der Wahrnehmungen beeinflusst.
6.4.1. Allgemeine Beschreibungen
Um erste Anhaltspunkte für das Bild von Migranten zu finden, wurde nach Beschreibungen gesucht, die allgemein auf Migranten bezogen sind. Die Darstellungen waren
höchst unterschiedlich, was eine Kategorisierung erschwerte. Eine sinnvolle Zusammenfassung der Projekte konnte deshalb nicht nach der Art der Darstellung unternommen werden, sondern nur hinsichtlich der Differenzierung der Beschreibungen. Durch
diverse Indikatoren konnten drei Kategorien gebildet werden:
1. Als differenziert beschreiben 43% der Projektträger Migranten. In diesen Projekten
werden sie nicht als homogene Gruppe betrachtet. Den Projektträgern sind die Vielfalt der ethnischen Herkunft und die verschiedenen Lebensweisen bewusst und sie
treffen Aussagen, die über die üblichen Darstellungen hinausgehen und der speziellen Situation im Gebiet entsprechen. Dies zeugt von einer guten Auseinandersetzung
mit der Bewohnerschaft des Projektgebiets.
Beispiel:
„Sie [die Bewohner, Anm. B.P.] scheinen das eigentlich verbindende, der kleinste gemeinsame Nenner zu sein. ‚Russen’ und Türken, Alt-DDRler, Faulenzer, Gläubige und weniger
Gläubige, Linke und Rechte und ganz Normale ringen am Rand des erfolgreichen Lebens,
konkurrieren stillschweigend und offen miteinander um den kurzen Weg zur Sonne. Die
türkischen Bürger haben es einigermaßen geschafft, ohne dafür besonders von den deutschen Nachbarn geliebt zu werden. Europäische Zuwanderer sind uns näher und haben
meist weniger Probleme. Anders die Russlanddeutschen. Sie stehen selbst nach einigen Jahren noch am Anfang und eher in der Defensive. „Die“ Russlanddeutschen ist nicht ganz korrekt. Deren Elite ist bereits auf dem Weg in die [Projektort19, Anm. B.P.] Gemeinschaft.
Viele ältere Russlanddeutsche leben dagegen zurückgezogen [...] Dabei haben sich zumin19
An dieser Stelle wurde der Projektort erwähnt, der aus Gründen der Anonymität in dieser Arbeit nicht
genannt werden kann.
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dest die Deutschen aus Russland und der DDR mehr erhofft. Gehofft haben sie auf Mitgliedschaft im Club der Deutschen und auf offene Arme und Herzen. Auf Gleichheit.“
2. Wenig differenziert beschrieben werden Migranten von 45% der Projektträger. Sie
beschreiben zwar die verschiedenen Bewohnergruppen, doch über verallgemeinernde, gängige Aussagen kommen diese nicht hinaus. Sie haben sich Gedanken zu den
Zielgruppen gemacht, dennoch nur oberflächliche Daten erhoben (z.B. durch eine
Sozialraumanalyse).
Beispiel:
„In diesen Wohngebieten leben auf relativ engem Raum ca. 1200 Menschen. Der Anteil der
Bürger mit ausländischer Staatsbürgerschaft beträgt ca. 40%, wobei ca. 10% aus außereuropäischen Ländern stammen (z.B. Iran, Pakistan, Kongo, Eritrea). Es handelt sich hier sowohl um Bürgerkriegsflüchtlinge, politisch Verfolgte aber auch ausländische Arbeitnehmer,
die teilweise schon seit Jahren in Deutschland leben. Hinzu kommen noch einmal ca. 35%
russlanddeutsche Spätaussiedler. Die Staatsangehörigkeiten verteilen sich auf ca. 35 Nationen. Der Anteil der Kinder und Jugendlichen an der Bevölkerung ist doppelt so hoch wie im
übrigen Stadtgebiet.“
3. Nicht differenziert betrachtet werden Migranten in immerhin 12% aller Projekte. Es
werden weder genaue Beschreibungen der Bewohner vorgenommen noch wurde eine Erhebung im Vorfeld des Projekts durchgeführt. Die einzige Differenzierung erfolgte hinsichtlich grober Zielgruppen. Es hat den Anschein, als würden diese Träger alle Migranten pauschalisieren. Sie differenzieren nicht, wer auf Hilfe bei der Integration angewiesen ist und wer nicht.
Beispiel:
„Inzwischen heben sich sozialräumliche und auch ethnische Segregationsansätze deutlich
ausgebildet. Soziale Brennpunkte sind in der Stadt entstanden. Insbesondere Gruppen jugendlicher Aussiedler oder Ausländer auf der Straße führen zu Konflikten. Die Chancenlosigkeit infolge der schlechten Wirtschaftslage erhöht Spannungen. Die Integration der
Migranten wird durch diese Situation erschwert. Sie sehen keine Zukunftschancen in der
Kommune, haben kein Gefühl für ihren Wert in der Gemeinschaft und daher eine geringe
Motivation zur Partizipation. Demgegenüber nehmen die Einheimischen die Migranten als
Konkurrenten um die wenigen Chancen wahr.“
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Tabelle 6: Migrantenbild
differenziert
wenig differenziert
nicht differenziert
Total
43%
45%
12%
100%
Basis: n=91
In diesem Textbeispiel werden „die Einheimischen“ „den Migranten“, die lediglich in
Ausländer und Aussiedler differenziert werden, gegenübergestellt.
Eine solche Praxis der Pauschalisierung kann folgenschwer sein. Ein Beispiel aus einem
Projekt verdeutlicht dies:
In einem der Projekte wurden die Maßnahmen nicht auf die Zielgruppe abgestimmt. Im
Gebiet lebten zwar 40% Migranten, doch es waren bosnische Kriegsflüchtlinge, die
nach Beendigung des Krieges in ihre Heimat zurückkehrten. Der Ausländeranteil im
Gebiet sank plötzlich auf 2%. Man hatte sich auf langfristige Integrationsziele eingestellt, doch plötzlich war die Zielgruppe nicht mehr vorhanden. Somit scheiterte das
Projekt.
Eine gute Differenzierung der Bewohner, v.a. der unterschiedlichen Lebenslagen und
Lebensstile von Migranten innerhalb eines Gebietes, ist somit unerlässlich für den Erfolg eines Projekts. Tabelle 6 zeigt, dass in einem Großteil der Projekte dies jedoch
nicht zum Standard gehört. Über die Hälfte der Dokumentationen enthalten Beschreibungen von Migranten, die wenig oder gar nicht detailliert sind. Sie verwenden eher
pauschale Aussagen.
Im Zusammenhang mit den Projekttypen (siehe Tabelle 7) zeigt sich, dass in gebietsbezogenen Projekten Migranten in allen drei Strategien dieses Typs nur wenig differenziert werden (59%). Die Maßnahmen dieser Typen beziehen sich hauptsächlich auf Einrichtungen und Institutionen. Sie wenden sich nicht direkt an die Bewohner. Deren
Merkmale werden hauptsächlich durch statistische Bestandsaufnahmen erhoben, weshalb ihre Beschreibung nur oberflächlich bleibt.
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Tabelle 7: Migrantenbild nach Projekttyp
Migrantenbild
gebietsbezogen
26%
wenig differenziert
59%
handlungsfeldbezogen
56%
35%
10%
Total
43%
45%
12%
Basis: n=91
Projekttyp
differenziert
nicht differenziert
15%
Differenziert werden hingegen Zuwanderer v.a. in handlungsfeldbezogenen Projekten
betrachtet (56%). Dies liegt besonders daran, dass für die Strategien Kontaktförderung
und Sensibilisierung detaillierte Informationen über die Bewohner notwendig sind. In
den Qualifikationsprojekten werden eher pauschale Äußerungen zur Bewohnerschaft
getroffen.
Nicht differenziert sind nur vereinzelte Projekte beider Typen. Dies kann auch daran
liegen, dass einige der Projektdokumentationen weniger ausführlich sind.
Bezüglich der Träger konnte festgestellt werden, dass Kommunen und Wohnungsbaugesellschaften ihre Bewohner am wenigsten differenziert wahrnehmen. Bei Kommunen
ist dies nicht verwunderlich, weil sie häufig vor Projektbeginn Sozialraumanalysen mit
allgemeinen statistischen Daten durchführen. Wohnungsbaugesellschaften sollten dagegen ihre Bewohner besser kennen, als sich dies in dieser Untersuchung zeigt. Gerade
weil sie oftmals Belegungsmanagement betreiben und Umfragen durchführen, sollten
ihre Kenntnisse weit über das durchschnittliche Maß hinausgehen. Das Ergebnis der
vorliegenden Untersuchung zeigt allerdings das Gegenteil. Dies ist ein Indikator dafür,
dass trotz Belegungsplanung und der Betonung multikultureller Zusammensetzung der
Bewohnerschaft, das Bild von Migranten doch zu einseitig und zu allgemein ist.
Migranten-Organisationen und kirchliche Träger haben ein hoch differenziertes Bild
von den Zuwanderern, die integriert werden sollen. Das kann auch daran liegen, dass sie
in stärkerem Maße Einzelfallhilfen anbieten als dies bei anderen Trägern der Fall ist.
Bei Wohlfahrtorganisationen und Vereinen ist kein Unterschied feststellbar. Wohlfahrtsorganisationen haben eine lange Tradition der Integrationsarbeit. Deshalb wäre
anzunehmen, dass deren Erfahrungen eine differenzierte Wahrnehmung mit sich bringt.
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Die verschieden intensive Differenzierung der Beschreibungen von Migranten in den
Projektdokumentationen deutet darauf hin, dass die Träger oftmals nur über eine oberflächliche Wahrnehmung verfügen. Gerade gebietsbezogene Projekte vernachlässigen
weite Teile der Lebenswelten der Migranten.
Die Intensität der differenzierten Darstellung gibt allerdings noch keinen Aufschluss
über Inhalte und Qualitäten dieser Aussagen. Die Frage danach, welches Bild die Träger
im Einzelnen von bestimmten Zielgruppen haben und welche Gruppen besonders berücksichtigt werden, ist Gegenstand des nächsten Kapitels.
6.4.2. Zielgruppen
Ein weiterer Indikator für die Wahrnehmung von Migranten ist die Darstellung der
Zielgruppen in den Projektdokumentationen. Dabei wird auf zwei verschiedene Kategorisierungen der Zielgruppen eingegangen. Zum einen sind die Integrationsmaßnahmen
auf unterschiedliche Migrantentypen zugeschnitten. Dazu zählen die Kategorien Ausländer, Aussiedler und Flüchtlinge/Asylbewerber. Zum anderen sind die Maßnahmen
auf bestimmte Personengruppen zugeschnitten, die sich nicht auf ethnische Merkmale
beziehen. Dies sind Frauen, Kinder und Jugendliche, Familien und Eltern, allgemein
Bewohner sowie einheimische Akteure aus lokalen Einrichtungen. Die Kategorien umfassen alle Zielgruppen, die in den Dokumentationen vorkommen.
6.4.2.1. Migrantentyp
Für das Erreichen der Integration durch Projektarbeit ist es nicht unerheblich, welche
Migranten integriert werden sollen. Ob es Ausländer, Aussiedler oder Flüchtlinge sind,
sie bringen jeweils andere Voraussetzungen und Motive mit. Schon innerhalb einer ethnischen Gruppe besteht keineswegs Homogenität. Denn ein indischer Informatiker mit
einer Green-Card hat wenig mit einem indischen Schichtarbeiter zu tun. Dennoch sollte
wenigstens eine minimale Unterscheidung getroffen werden, um die Maßnahmen der
entsprechenden Gruppe anzupassen. Sonst würde man Gefahr laufen, wie bei den bosnischen Kriegsflüchtlingen, die falschen Maßnahmen anzuwenden.
Nach der Sichtung aller Projekte konnten die Zielgruppen leicht ermittelt werden. Es
waren entweder Ausländer, Aussiedler oder Flüchtlinge bzw. Asylbewerber. Als vierte
Kategorie wurde „keine Unterscheidung“ gewählt, für diejenigen Projekte, die sich auf
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keine bestimmte Zielgruppe festlegten. Tabelle 8 zeigt die Verteilung auf die jeweiligen
Migrantentypen.
Tabelle 8: Migrantentyp nach Trägerart
Migrantentyp
Trägerart
Ausländer
Aussiedler
Flüchtlinge/
Asylbewerber
Kein Unterschied
Kommune
33%
17%
4%
46%
Wohlfahrtsverband
21%
50%
-
29%
Verein
48%
5%
-
48%
-
-
50%
50%
70%
-
-
30%
-
50%
-
50%
Sonstige
17%
17%
-
67%
Total
33%
20%
3%
44%
MigrantenOrganisation
Wohnungsbaugesellschaft
Kirche
Basis: n=87
Nur 3% der Projekte werden für Flüchtlinge und Asylbewerber durchgeführt. Das liegt
daran, dass ihr Aufenthaltsstatus zu unsicher ist und sich eine Investition in die Integrationsarbeit nicht „lohnt“. Einige Migranten-Organisationen nehmen sich dieser Problematik jedoch an. Es sind vor allem Projekte, die eine Isolation in Wohnheimen verhindern wollen. Da Asylbewerber keine Arbeitserlaubnis besitzen, werden sie in NonProfit Betätigungsprojekte eingebunden. Aussiedler bilden die Zielgruppe in 20% der
Projekte. Entsprechend der Tradition werden sie von Wohlfahrtsverbänden und Kirchen
geleitet. Die größte Zahl zielt auf die Integration von Ausländern ab (33%). Diese werden hauptsächlich von Kommunen, Vereinen und Wohnungsbaugesellschaften durchgeführt.
Bei 44% der Projekte ist kein Unterschied zwischen den Zielgruppen erkennbar. Dies
bedeutet keineswegs immer, dass keine speziellen Zielgruppen aufgeführt werden, es
können ebenfalls alle Zielgruppen genannt werden. Eine Auswertung bezüglich des
Migrantenbildes bestätigt dies. Ob Migranten nun gut oder weniger gut differenziert
wahrgenommen werden, es tauchen in allen Kategorien Projekte auf, die keinen Unterschied bezüglich der Zielgruppen machen, d.h. einerseits beinhaltet diese Kategorie ProSic et Non. zeitschrift für philosophie und kultur. im netz.
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jekte mit allen Migrantentypen als Zielgruppe und andererseits auch solche, die keine
bestimmte Zielgruppe angeben. In diesen Projekten ist dann nur von „Migranten“ oder
„Zuwanderern“ allgemein die Rede, ohne dies weiter zu spezifizieren.
Diese Ergebnisse zeigen, dass jeder Träger jeweils einen anderen Migrantentyp als
Zielgruppe bevorzugt. Auffällig ist die Tatsache, dass sich fast ausschließlich Migranten-Organisationen um Flüchtlinge und Asylbewerber kümmern. Sie allein erkennen,
dass sie rechtlich von Integrationsmaßnahmen ausgeschlossen sind. Aus der Sicht der
deutschen Träger spielen diese Zielgruppen kaum eine Rolle. Es bleibt jedoch offen, ob
sie bewusst ausgeschlossen werden, oder ob sie als Zielgruppe einfach nicht wahrgenommen werden.
6.4.2.2. Spezielle Zielgruppen
Eine andere Unterscheidung der Zielgruppen konnte in Frauen, Kinder und Jugendliche, Familien und Eltern, Bewohner allgemein und Akteure aus lokalen Einrichtungen
vorgenommen werden. Es gab in diesen Projekten keine weiteren Zielgruppen, wie z.B.
Männer oder Senioren, die im speziellen genannt wurden. Für jedes Projekt wurden bis
zu zwei Zielgruppen erhoben, da oftmals mehrere Gruppen betrachtet werden.
Im Folgenden wird auf die Beschreibungen der einzelnen Zielgruppen eingegangen und
mit Beispielen verdeutlicht. Hier zeigt sich am deutlichsten, wie die Träger Migranten
wahrnehmen.
Tabelle 9: Zielgruppen *Mehrfachnennungen
Bewohner
65%
Kinder/Jugendliche
30%
Frauen
22%
Akteure/Einrichtungen
20%
Familien/Eltern
4%
n=91
a) Bewohner
Als größte Zielgruppe werden in 65% der Projekte die Bewohner der Projektgebiete genannt. Diese Kategorie verallgemeinert alle Personen, ob Migranten oder Einheimische.
Ausgenommen sind die Akteure aus lokalen Einrichtungen, da diese gesondert aufgeführt werden. Hauptsächlich gebietsbezogene Projekte konzentrieren sich auf alle Bewohner. Dies geht konform mit ihrer angestrebten „ganzheitlichen“ AufwertungsstrateSic et Non. zeitschrift für philosophie und kultur. im netz.
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gie des Stadtteils oder Wohnkomplexes. Um diese „Ganzheitlichkeit“ durchzusetzen,
wird für sie eine weitere Differenzierung häufig jedoch nicht nötig.
Zusätzlich zu den Bewohnern wird mehrfach eine zweite Zielgruppe genannt, die besonders wichtig erscheint. Dies sind meist Frauen oder Kinder und Jugendliche. Welchen Stellenwert diese Gruppen einnehmen und aus welchen Gründen sie anscheinend
besondere Beachtung verdienen, wird nun im Einzelnen erörtert.
b) Frauen
Frauen scheinen für die Träger eine besondere Rolle zu spielen. Sie werden in 22% aller
Projekte als besonders zu beachtende Zielgruppe erwähnt. Aber aus welchen Gründen?
Ein kleiner Ausschnitt aus einem Projekt gibt darauf eine Antwort:
Beispiel:
„Unsere Aufmerksamkeit galt besonders den Frauen, die in Gemeinschaftsunterkünften, aber
auch in Privatwohnungen zu vereinsamen drohen. Wir betonen Frauenarbeit, weil Männerarbeit
selbstverständlich ist. Viele Männer leiden unter der Untätigkeit, aber sie können doch leichter
als die Frauen die Wohnung verlassen.“
In dieser Textpassage finden sich zwei typische Aussagen wieder, die in vielen Projekten in ähnlicher Weise getroffen werden. Zum einen wird das Bild von der armen Ausländerfrau suggeriert und zum anderen wird unterstellt, dass Männer gegenüber Frauen
besser integriert wären.
Die Botschaft, die hier vermittelt wird, lautet: Migrantinnen drohen zu vereinsamen und
sie können ihre Wohnung nicht so leicht verlassen. Sofort schließt man daraus, dass
Frauen unterdrückt wären und daran gehindert werden würden (wahrscheinlich durch
ihren Ehemann oder ihren Glauben), den öffentlichen Raum zu betreten. Sie würden in
patriarchalischen Verhältnissen leben. Tatsache ist, dass viele ausländische Frauen eine
andere Lebensweise haben als deutsche Frauen. Deshalb sind sie aber noch lange nicht
rückständig und unterdrückt. Eine solche Deutung wäre ein Trugschluss. Hier wird
deutlich, wie selektiv die Wahrnehmung von deutschen Projektträgern in Bezug auf
Ausländer und ihre Lebensstile ist.
Elisabeth Beck-Gernsheim berichtet davon, wie solche Fehlschlüsse zustande kommen
können. In den 70er Jahren gab es eine Reihe von Veröffentlichungen über ausländische
Frauen. In vielen Studien der Sozialarbeit und Sozialpädagogik befasste man sich mit
der Situation von Migrantinnen, doch das Bild, das sie produzierten bestand aus einem
einfachen Strickmuster: das „Lied von der armen Ausländerfrau“ (Beck-Gernsheim
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2004, S. 51). Diese Studien verbreiteten die Ansicht, „das Leben der Migrantinnen insgesamt sei unglücklich und bemitleidenswert“ (ebd. S. 56). Für einige Frauen trifft das
sicherlich zu, nämlich für diejenigen, die zu Beratungsstellen gehen und Hilfen beanspruchen. Von diesen Fällen (die unabhängig von ethnischer Zugehörigkeit auftreten)
wird dann auf alle ausländischen Frauen geschlossen. Das Vorurteil hat sich scheinbar
seit den 70er Jahren in einigen Köpfen gehalten, wie die Projekte offenbaren, obwohl
die Frauenforschung diese Erkenntnisse mittlerweile z.T. revidiert hat. Der Blick der
Projektmitarbeiter, die häufig Sozialarbeiter und Sozialpädagogen sind, ist selektiv, was
Beck-Gernsheim auf die mononationalen Denkstrukturen zurückführt. So werden z.B.
Symbole falsch gedeutet. Das tragen eines Kopftuchs z.B. kann für jede ausländische
Frau eine unterschiedliche Bedeutung haben. „Das Kopftuch führt uns vor Augen, was
wir uns immer noch kaum vorstellen können: Es gibt verschiedene Wege in die Moderne, nicht bloß den einen, den wir selbst kennen und meinen. Ebenso gibt es verschiedene Wege, als Frau selbstbewußt ein eigenes Leben zu leben – sei’s mit Kopftuch, sei’s
ohne“ (ebd. S. 64).
So kann es leicht passieren, dass fremde Lebensweisen und Symbole falsch gedeutet
und verallgemeinert werden. In den Dokumentationen finden sich noch weitere solcher
Aussagen, die nicht nur auf eine kleine Gruppe von Frauen zutreffen, sondern für alle
Migrantinnen gleichermaßen Gültigkeit besitzen sollen:
Weitere Beispiele:
„Frauen brauchen einen geschützten Raum, um sich frei bewegen zu können“.
„Sie sind isoliert, weil sie keine Arbeit haben und deshalb auch keine Sprachkenntnisse besitzen.“
Aussagen dieser Qualität finden sich in vielen Projekten. Das Problem dieser Aussagen
ist nicht, dass sie überhaupt getroffen werden, sondern die stellvertretende Gültigkeit für
alle ausländischen Frauen gleichermaßen, ob deutsch-russische Spätaussiedlerin oder
Iranerin. Das ist der Kern des Problems. Hier wird wiederum nicht genügend differenziert.
In der eingangs genanten Textpassage heißt es weiterhin, Männerarbeit wäre selbstverständlich. Es ist verwunderlich, dass in keinem der Projekte Männer besonders berücksichtigt oder gar als Betroffene erwähnt werden. Vielmehr wird Männern eine größere
Integrationsfähigkeit zugesprochen als Frauen. Sie seien über den Arbeitsmarkt integriert und würden daher weniger Eingliederungsprobleme und auch weniger SprachprobSic et Non. zeitschrift für philosophie und kultur. im netz.
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leme haben und über soziale Kontakte verfügen. Sie wären demnach im Sinne der Integrationsdimensionen kulturell, strukturell und sozial integriert, Frauen hingegen in keiner
dieser Dimensionen. Bei ihnen wird also das Problem der Nicht-Integration aufgebläht,
während es bei ausländischen Männern verharmlost wird. Männer finden deshalb keine
Berücksichtigung in den Projekten und fallen vermutlich unter die Kategorie Bewohner.
Frauen sind besonders für Qualifizierungs- und Bildungsmaßnahmen eine beliebte Zielgruppe. Durch die Vermittlung der deutschen Sprache erhoffen sich die Projektträger
die Kontaktförderung der Frauen und ein besseres „selbständigeres“ Zurechtfinden im
Aufnahmeland.
c) Kinder und Jugendliche
Auch Kinder und v.a. Jugendliche sind in den Projekten eine viel beachtete Zielgruppe
(30%). Die Träger vertreten häufig die Ansicht, Integrationsmaßnahmen müssten so
früh wie möglich angewandt werden, also bereits bei Kindern und Jugendlichen. An ihnen würde sich deutlich zeigen, wie stark oder schwach Migranten integriert sind. Neben Frauen stellen sie die Hauptzielgruppe für Bildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen jeglicher Art dar. Ausländische Kinder spielen ausschließlich in Schulprojekten eine Rolle. Dort fallen besonders Bildungs- und Sprachdefizite auf. Mit entsprechenden
Maßnahmen sollen diese Defizite abgebaut werden.
Die Beschreibung von jugendlichen Migranten beinhaltet, wie bei den Frauen viele
Verallgemeinerungen. Sie werden als desorientiert, desintegriert und perspektivlos beschrieben und würden zu deviantem Verhalten neigen. Sie fallen während der Bestandsaufnahmen vor der Projektdurchführung unangenehm auf und ihnen wird nachgesagt, sie treten häufig in „Jugendbanden“ auf, die sich ein gewisses Territorium aneignen würden. Die Schlussfolgerung vieler Projektträger aus diesem Sachverhalt ist, dass
sie nicht integriert sind. Diese Eigenschaften werden hauptsächlich jugendlichen Spätaussiedlern zugesprochen.
Beispiele:
„Die Tatsache, daß junge Aussiedler oft in Gruppen, sozusagen ‚unter sich’ in Erscheinung treten, legt die Vermutung auf unzureichende Integration nahe.“
„Gescheiterte Integrationswege in Schule, Ausbildung und Beruf tragen zum Rückzug vieler der
Jugendlichen in ihre Herkunftsclique bis hin zu Bandenbildung bei ... Ihr Auftreten als ethnisch
homogene Gruppe sowie ihr Freizeitverhalten werden häufig als fremdartig wahrgenommen.
Verstärkt durch übermäßigen Gebrauch von Alkohol und Drogen kommt es zu Spannungen und
Konflikten.“
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Offensichtlich wird hier wiederum von einigen wenigen auffälligen Jugendlichen auf alle geschlossen. Die Beschreibungen sind zudem hochgradig ethnisiert. Nur jugendliche
Migranten sollen diese Eigenschaften besitzen, von deutschen Jugendlichen hingegen ist
kaum die Rede. Anstatt der eigenen ethnischen Gruppe (die sicherlich nur ein Teil der
sozialen Beziehungen der Jugendlichen ausmacht) eine integrierende Wirkung zuzuschreiben, wird sie als Indiz für Desintegration verwendet.
Besonders auffällig sind die Jugendlichen im öffentlichen Raum. Sie würden sich unkontrolliert Räume aneignen, was nicht gerne gesehen wird (vgl. Imagearbeit). Mit verschiedenen Maßnahmen im Freizeitbereich soll dem entgegengewirkt werden. Jugendliche bekommen Räume zur Verfügung gestellt, um damit „von der Straße“ ferngehalten
zu werden. Ob damit tatsächlich Bandenbildung und Aneignung von öffentlichen Räumen entgegengewirkt werden kann, bleibt fraglich. Mit der Erschaffung einer Einrichtung allein kann dies wohl kaum gelingen, sondern nur mit einer ständigen Betreuung
etwa in Form von Streetwork.
Im Kern des Problems lassen sich die Ausführungen der Projektträger auf keine spezifische ethnische Gruppe zurückführen. Sie könnten ebenso auf deutsche deviante Jugendliche (z.B. rechtsradikale Gruppierungen) Anwendung finden. Trotzdem werden diese
Eigenschaften innerhalb der Projektgebiete nur Migranten zugesprochen. Hier werden
offensichtlich Probleme ethnisiert.
c) Akteure
An dritter Stelle stehen die Akteure. Diese sind (meist einheimische) Mitarbeiter der lokalen Einrichtungen. Auch sie werden neben den zu integrierenden Migranten selbst in
die Projektarbeit miteinbezogen. Hauptsächlich sollen sie interkulturell geschult werden
und entsprechende Kompetenzen erlangen, um mit Migranten besser umgehen zu können. Leider wird nicht genau beschrieben, welche Inhalte diese interkulturellen Schulungen haben und wie sie umgesetzt werden. „Akteure müssen ebenso ihren Teil dazu
beitragen, um integrierende Strukturen im Gebiet zu schaffen.“ So oder so ähnlich finden sich viele Formulierungen in den Dokumentationen wieder. Trotz der Bedeutung
dieser Zielgruppe wird sie nicht ausführlich beschrieben.
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d) Eltern und Familien
In wenigen Projekten (4%) werden speziell Familien oder Eltern als Zielgruppe genannt. Sie sollen hauptsächlich Beratungen wahrnehmen. An der Art von Familienarbeit, wie sie in den Projekten betrieben wird, lässt sich wiederum kein Problem auf eine
spezifische ethnische Herkunft zurückführen. Und dennoch scheinen ausländische Familien andere Erziehungs- und Familienvorstellungen zu besitzen. Die Beschreibung ihrer Familienprobleme ist mit Vorurteilen bestückt, ähnlich wie bei Frauen und Jugendlichen. Derartige Ausführungen liegen aber nur in wenigen Projekten vor.
Allgemein ist aufgefallen, dass kaum ein Projekt zwischen bereits integrierten Bewohnern und nicht-integrierten Bewohnern differenziert. Die Maßnahmen sollen vielmehr
allen Bewohnern, allen Frauen, allen Jugendlichen sowie Kindern und allen Akteuren
gelten. So als ob alle Personen innerhalb des Projektgebietes ausgegrenzt wären und
deshalb nicht integriert wären (außer Männern!). Solche Beschreibungen finden sich
hauptsächlich in Projektdokumentationen, welche die Personen wenig differenzieren.
Dazu zählen gebietsbezogene Projekte, die mit der Diagnose der Segregation alle Bewohner als benachteiligt betrachten. Sie differenzieren am wenigsten. Dieser Umstand
wird dadurch abgemildert, dass sie weniger Maßnahmen an den Bewohnern selbst
durchführen, sondern materielle Strukturen im Gebiet schaffen wollen, die eine bessere
Voraussetzung der Integration gewährleisten sollen. Damit laufen die Projekte weniger
Gefahr, jemandem Hilfe anbieten zu wollen, der tatsächlich keine benötigt. Handlungsfeldbezogene Projekte sind in dieser Hinsicht anders strukturiert. Sie haben zwar ein
genaueres Bild von den Bewohnern im Projektgebiet, können dabei jedoch Gefahr laufen, falsche Schlüsse aus den Lebensweisen der Migranten zu ziehen. Dabei besteht
doch gerade in diesen Projekten die Chance, sich ausführlicher mit den Lebensweisen
und der Kultur von Migranten auseinander zu setzen. Um neue Wege der Integration zu
erproben – deshalb besitzen viele Projekte Modellcharakter – sollten die Projektträger
offener an die Arbeit herangehen und neue Perspektiven einnehmen.
Ein Problem vieler Projekte wird hier offensichtlich: Die Wahrnehmungen der Projektträger sind zu selektiv auf Problemlagen eingestellt und deshalb werden ihre Äußerungen pauschalisiert. Dass die Bedürfnisse der Bewohner mit den aus der Bestandsaufnahme resultierenden Maßnahmen und Hilfen übereinstimmen, muss nicht zwangsläufig richtig sein. Dieses Problem könnte durch den Einsatz von sog. Multiplikatoren überwunden werden. Würden Migranten selbst in die Arbeit miteinbezogen werden,
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würden sich solche Verallgemeinerungen und fehlgesteuerte Hilfestellungen vermeiden
lassen. Um einen Zusammenhang hinsichtlich der Beteiligung von Migranten an den
Projekten und der Differenzierung zu untersuchen, wurden die Dokumentationen diesbezüglich untersucht. Ein hauptsächliches Interesse bestand darin, Formen der Beteiligung zu finden und zu analysieren, in welchem Zusammenhang diese mit dem Bild von
Migranten stehen.
6.4.3. Beteiligung von Migranten
Eine Begründung, warum so viele verallgemeinernde Aussagen getroffen werden, könnte die mangelnde Beteiligung von Migranten an der Projektarbeit sein. Deshalb soll
überprüft werden, inwieweit Migranten ihre Wünsche und Erfahrungen einbringen können. Dazu wurde erstens erhoben, in welchen Bereichen der Projektarbeit sie beteiligt
werden und zweitens welche Rolle sog. Multiplikatoren spielen.
Die Teilnahme an den Projekten kann auf verschiedenen Ebenen stattfinden: bei der Bestandsaufnahme durch Befragungen, durch Mitarbeit an der Konzeption und Durchführung des Projekts und durch Beteiligung an Gremienarbeit.
Findet die Beteiligung von Migranten auf allen Ebenen statt, so ist sie am intensivsten.
So können Migranten nicht nur im Vorfeld Bedürfnisse äußern, etwa bei der Bestandsaufnahme vor Projektbeginn, sondern auch während der gesamten Laufzeit stets
ihre Ideen und Wünsche einbringen. Diese Art von Beteiligung geschieht über die Teilnahme an Arbeitsgruppen und sonstigen Gremien, die ständig die Arbeit reflektieren
und neue Ideen ausarbeiten. Das Projekt profitiert dadurch erheblich von den persönlichen Erfahrungen der Migranten.
Eine weniger intensive Beteiligung wird durch Befragungen, als einzige Art der Beteiligung, im Vorfeld der Projekte erreicht. Dadurch gehen zwar Bedürfnisse in die Konzeption mit ein, doch dies kann mittels eines Fragebogens (wie in der Sozialraumanalyse
oft durchgeführt) mit geschlossenen Fragen nur höchst selektiv geschehen. Viele der
Projekte setzen sich zum Ziel, Migranten an der Arbeit zu beteiligen. Aber durch reine
Befragungen als „Beteiligungsstrategie“ könnte die Absicht fehlschlagen, Wünsche und
Ideen von ausländischen Bewohnern einfließen zu lassen. Eine ständige Begleitung von
Personen aus den Zielgruppen in jeder Phase des Projekts vermindert dieses Risiko.
Anhand vorangehender Befragungen bestünde die Möglichkeit deren Ergebnisse selektiv zu interpretieren. Vorgefestigte Bilder könnten so bestätigt werden. Einige Projekte
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sichern sich zwischenzeitlich durch zusätzliche Befragungen der Bewohner ab, um zu
evaluieren, ob ihre Absichten Erfolg haben. Dies kann eine bessere Reflektion der Arbeit gewährleisten.
Aus den Beteiligungsstrategien wurden drei Kategorien gebildet, um zu überprüfen wie
intensiv Migranten an den Projekten beteiligt werden:
1. Beteiligung auf allen Ebenen20
2. Beteiligung durch Befragungen
3. Keine Beteiligung
Tabelle 10 zeigt, dass 54% der Projekte Migranten nur über Befragungen teilnehmen
lassen. 24% beteiligen Migranten auf allen Ebenen und in 22% der Projekte spielt die
Beteiligung von Migranten keine Rolle.
Tabelle 10: Beteiligung der Migranten
auf allen Ebenen
24%
durch Befragungen
54%
keine
22%
Total
100%
Basis: n=89
Die interessante Frage lautet: Gibt es einen Zusammenhang zwischen der Intensität der
Beteiligung von Migranten und dem Grad der Differenzierung in Bezug auf die Darstellungen?
Tabelle 11 bestätigt einen solchen Zusammenhang. Wenn Migranten auf allen Ebenen
beteiligt werden, dann sind die Darstellungen über die Zielgruppen differenziert (86%).
Entsprechend positiv korrelieren eine geringe Beteiligung mit einem weniger differenzierten Bild.
Demnach werden Migranten auch vielschichtiger wahrgenommen, wenn sie an der Projektarbeit in stärkerem Maße beteiligt sind. Je mehr Ideen und Wünsche von den Zielgruppen eingebracht werden, desto detaillierter und weniger pauschalisiert sind die
Aussagen über Migranten.
20
Eine Beteiligung auf nur zwei Ebenen war bei keinem Projekt zu beobachten.
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Tabelle 11: Migrantenbild nach Beteiligung der Migranten
Migrantenbild
86%
wenig differenziert
14%
durch Befragungen
33%
58%
8%
keine
20%
45%
35%
Total
43%
45%
Beteiligung der
Migranten
auf allen Ebenen
differenziert
nicht differenziert
-
12%
Basis: n=89
Eine weitere Erklärung dafür, warum einige Projekte ein ausführlicheres Bild über
Migranten haben, ist der Einsatz von muttersprachlichen Mitarbeitern, den sog. Multiplikatoren. In nahezu der Hälfte aller Projekte werden muttersprachliche Mitarbeiter
eingesetzt. Ihre Einsatzgebiete sind vielschichtig. Sie reichen von Sprachkursen über
Beratungen bis hin zu Konfliktschlichtung (Mediation). Es wird darüber berichtet, wie
hilfreich diese Mitarbeiter sind, da sie aufgrund ihrer interkulturellen Fähigkeiten die
Zielpersonen besser erreichen. Durch sie können nicht nur sprachliche Schwierigkeiten
aus dem Weg geräumt werden, sondern sie können auch nonverbale Bedeutungen übersetzen. Sie bilden eine Schnittstelle zwischen den Projektträgern, einheimischen Bewohnern und ausländischen Bewohnern. Ihre Funktion ist demnach in beide Richtungen
gerichtet. Einerseits vermitteln sie Kompetenzen an Migranten und andererseits vermitteln sie Wünsche und Bedürfnisse sowie Informationen über Lebensweisen von Migranten an die Projektträger. Leider ist aus den Dokumentationen nicht ersichtlich, inwieweit Multiplikatoren Wissen an die Projektträger weitergeben. Doch ihr Einsatz kann
dabei helfen, den Projektträgern ein Bild von Migranten zu vermitteln, das nicht pauschal ist oder diese bloß in die Opferrolle drängt.
6.4.4. Zweites Zwischenergebnis
Die analysierten Projekte unterscheiden sich neben der Art und Weise der Integrationsarbeit auch darin, wie die Träger Migranten wahrnehmen. Einige Projekte differenzieren
die Darstellungen von den Zielgruppen stark, andere wiederum treffen scheinbar blind
übernommene Aussagen, die Vorurteilen gleichen. Auffällig ist der hohe Anteil von gebietsbezogenen Projekten, die allgemeine Aussagen über die Lebensweisen von Migranten treffen. Des Weiteren besteht ein Zusammenhang zwischen der Differenzierung der
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Darstellung und der Beteiligung von Migranten an den Projekten. Je stärker diese in die
Arbeit mit eingebunden werden, desto weniger pauschale Aussagen lassen sich im Untersuchungsmaterial finden. Hier spielen besonders Multiplikatoren eine Rolle, die als
Vermittler die Wahrnehmungen der Träger erheblich positiv beeinflussen können. Sie
bilden eine Brücke zwischen den Kulturen und überwinden mononationale Betrachtungsweisen. Durch Einbeziehung von Migranten in die Projektarbeit können viele
Nachteile, die einem verengten Blickwinkel entstammen, vermieden werden.
Zu den Nachteilen zählt vor allem, dass in kaum einem Projekt bereits integrierte oder
Aufsteiger erwähnt werden. Statt dessen werden alle Bewohner verallgemeinert. Durch
selektive Wahrnehmung wird ein bestimmtes Bild erst produziert, das sich schnell in
Stigmatisierungen verstetigen kann. Schließlich ist es fraglich, ob mit einem mononationalen Blickwinkel tatsächlich relevante Maßnahmen geplant werden können und die
Integrationsbemühungen erfolgreich gestaltet werden.
Die Beteiligung von betroffenen Personen nimmt zwar eine zentrale Stellung in den
meisten Projektkonzeptionen ein – wie auch in den Handlungsempfehlungen des Programms Soziale Stadt – doch Beteiligung kann auf verschiedenen Ebenen stattfinden.
Die Art und Intensität entscheidet darüber, ob alle Aspekte der Lebenswelt der jeweiligen Zielpersonen berücksichtigt werden und letztendlich auch über den Erfolg der Maßnahmen. Ein mononationaler Blickwinkel versperrt Bereiche, die sich positiv auf die Integration von Migranten auswirken, aber negativ gedeutet werden und als Indiz für Desintegration gelten. So werden z.B. die ethnische Community oder jegliche ethnische
Gruppenbildung in wenig differenzierten Projekten negativ gedeutet. Kulturelle Zwischenformen werden ebenso wenig wahrgenommen. Die einzelnen Zielgruppen werden
häufig nicht mehr binnendifferenziert und Probleme einiger Weniger werden auf die gesamte Gruppe projiziert. Besonders Frauen und Jugendliche werden mittels verfestigter
Meinungen (Vorurteile) in eine Opferrolle gedrängt, während anscheinend alle Männer
als integriert betrachtet werden. Das Reflexionsniveau der Projektträger kann hier nicht
sehr hoch sein.
Ein weiteres Problem ist die Ethnisierung sozialer Unterschiede. Bestimmte Eigenschaften und Benachteiligungen, die auf sozioökonomische Ursachen zurückzuführen sind,
werden auf alle Ausländer im Gebiet projiziert. Damit wird nicht mehr unterschieden,
welche Benachteiligungen sich aufgrund kultureller Unterschiede ergeben und welche
im Kern soziale Ungleichheiten hervorrufen. Mit der Projektion bestimmter Eigenschaften auf alle Migranten wird ein Image produziert, das im nächsten Schritt auf den beSic et Non. zeitschrift für philosophie und kultur. im netz.
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grenzten Raum (den Stadtteil o.ä.) projiziert wird. Es verwundert deshalb nicht, dass
plötzlich dieses Gebiet „ganzheitlich“ samt aller Bewohner aufgewertet werden muss.
Von allen Projekten verfahren hier wiederum gebietsbezogene weniger differenziert.
Wiederum kann der Anspruch auf „Ganzheitlichkeit“ nicht erfüllt werden, denn mit
oberflächlicher Datenerhebung bezüglich der Bewohner und ohne eine angemessene
Einbeziehung von Betroffenen kann ein falsches Bild produziert werden, das nur z.T.
der realen Lebenswelt der heterogenen Migrantengruppen entspricht.
Handlungsfeldbezogene Projekte neigen dagegen nur teilweise dazu Migranten als Opfer und verallgemeinert zu betrachten. Dennoch fällt dies nicht in dem Maße ins Gewicht, wie es bei gebietsbezogenen Projekten der Fall ist, da sie keinen Anspruch darauf
erheben alle Personen im Gebiet als Zielgruppe zu berücksichtigen. Ihre Arbeit gilt nur
bestimmten Bewohnergruppen, die meist tatsächlich Schwierigkeiten bei der Integration
haben.
Alle bisher beschrieben Unterschiede zwischen den beiden Projekttypen hinsichtlich der
Integrationsmuster und der Wahrnehmung lassen sich auf zwei verschiedenen räumliche
Perspektiven zurückführen. Darauf wird im nächsten Abschnitt eingegangen.
6.5. Die räumliche Perspektive
In diesem abschließenden Kapitel soll noch einmal der Raum bzw. der Sozialraum fokussiert werden. Wie bereits in Kapitel 3 ausführlich dargestellt, erheben alle Projekte
den Anspruch sozialraumorientiert zu sein. Nicht alle Projektträger verwenden diese
spezielle Bezeichnung, dennoch folgt die Projektarbeit dem Trend, sich auf spezielle
Räume zu konzentrieren, nämlich benachteiligte bzw. benachteiligende Stadtgebiete.
Aus den Projektdokumentationen konnte entnommen werden, dass kein einheitliches
Raumverständnis bei den Projektträgern vorherrscht. Die Gebiete werden auf unterschiedliche Weise anhand verschiedener Merkmale identifiziert. Dadurch werden diese
Gebiete auch unterschiedlich begrenzt und bezeichnet. Es kann sich um einen Stadtteil
handeln, um eine Straße oder auch um eine Gemeinde.
Wie es sich bereits aus den Bezeichnungen ergibt, verwenden die beiden Projekttypen
den Raumbegriff in unterschiedlicher Art und Weise. Während gebietsbezogene Projekte auf einem klar abgegrenzten, territorialen Gebiet basieren, kommen handlungsfeldbezogene Projekte weitgehend – jedoch nicht völlig – ohne eine solche territoriale Begrenzung aus.
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6.5.1. Gebietsbezogene Projekte: Begrenzung als Grundlage
Die Projekte des gebietsbezogenen Typs bauen ihre Konzeption auf der Grundlage einer
territorialen Begrenzung auf. Diese Begrenzung ist oftmals das Ergebnis von Sozialraumanalysen, mit deren Hilfe marginalisierte Gebiete identifiziert werden. Welche Defizite solche Sozialraumanalysen aufzeigen, wurde bereits ausführlich dargestellt. Sie
projizieren und quantifizieren Marginalisierungserscheinungen, wobei eine strikte
Grenzziehung auf dieser Grundlage fragwürdig erscheint.
Diese Projekte führen Sozialraumanalysen im Vorfeld der Projektarbeit durch, womit
quantitativ nachgewiesen wird, dass das Gebiet, in welcher Weise auch immer, benachteiligt ist. Gerade für die finanzielle Sicherung der Projekte muss das Gebiet auch „genügend belastet“ sein, bevor Gelder fließen. Eine hohe Benachteiligung kann am eindrucksvollsten durch Statistiken darstellt werden, mit deren Hilfe Bewohner gezählt
werden, die als benachteiligt oder ausgegrenzt gelten, wie etwa Ausländer, Sozialhilfeempfänger oder Arbeitslose. Um den hohen Grad an „Belastung“ darzulegen, werden
Sozialraumanalysen durchgeführt, die möglicherweise den Großteil der realen Lebenswelten der Bewohner und Migranten nicht wiedergeben. (Es bleibt die Frage, ob dadurch die Investitionen auch an der Stelle getätigt werden, wo sie gebraucht werden.)
Trotz der Anwendung von Sozialraumanalysen werden in den meisten Projekten die
Gebiete nur selten als Sozialraum bezeichnet. Vielmehr fallen Termini, wie Stadtteil,
Quartier, Siedlung und Wohnhaus. Ist es nicht merkwürdig, dass so viel Wert auf eine
Sozialraumanalyse gelegt wird, diese durchgeführt wird und das Gebiet dann doch nur
der alt bekannte „Stadtteil“ ist? Dies kann nur bedeuten, dass die Sozialraumorientierung eher eine Stadtteilorientierung ist. Die Projektträger gelangen damit automatisch
zu den gewohnten Strukturen eines Stadtteils. Hier findet eine Vermischung zweier völlig verschiedener (territorialer) Räume statt. Mit dem Instrument der Identifizierung von
Sozialräumen werden doch wieder Stadtteile identifiziert. Dies gilt für alle Projekte, die
den Stadtteil als Projektgebiet angeben. Eine mögliche Erklärung hierfür ist, dass die
gebräuchlichen Verwaltungsstrukturen eines Stadtteils genutzt werden anstatt, wie angegeben, neue Sozialräume zu identifizieren. D.h. dass die Sozialraumorientierung trotz
aller Vorgaben von Politik, Programmen usw. doch nicht stattfindet. So wird gewöhnliche Stadtteilarbeit unter einem falschen Etikett verkauft.
Der Stadtteilbezug drückt sich ebenfalls darin aus, dass unter dem Projektort direkt nach
der Stadt der Stadtteil als Projektgebiet angegeben wird. Sicherlich ist es für ein öffentliches Publikum einfacher als Gebiet „Berlin-Kreuzberg“ anzugeben, als Sozialraum Nr.
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112. Der bekannte Stadtteilname vereinfacht die Gebietesbeschreibung erheblich, womit
eine Finanzierung ebenfalls leichter begründet werden kann. Die Konzentration auf den
gesamten Stadtteil prägt und verstärkt somit zugleich dessen Image. Dadurch werden
Maßnahmen ebenfalls öffentlichkeitswirksamer.
Häufigster Bezugspunkt einer Sozialraumanalyse ist die Wohnung. Hierüber werden alle Personen geortet, die zur Zielgruppe gehören sollen, unabhängig davon, ob sie „Betroffene“ sind, oder nicht. Dies spielt zunächst keine Rolle.
In gebietsbezogenen Projekten besteht der Anspruch möglichst alle Bewohner des
Stadtteils mit einzubeziehen. Und genau an diesem Punkt tritt die Schwäche dieser Praxis zu Tage. Es wird nicht mehr genügend danach differenziert, wer betroffen ist und
wer nicht. Stattdessen werden alle Bewohner homogenisiert. Ziel der Sozialraumanalysen ist es, einen Raum zu identifizieren, der in sich eine homogene Bevölkerungsstruktur aufweist. Dies ist bereits bei kleineren Räumen problematisch. Aber einen gesamten
Stadtteil zu homogenisieren ist höchst fatal. Wenn z.B. 70% Ausländer in einem Stadtteil leben, so soll dies ein Indiz für eine hohe soziale Belastung des Quartiers sein. Damit werden alle Bewohner zu sozial Belasteten und Benachteiligten, unabhängig davon,
dass ein hoher Ausländeranteil allein noch nichts über den Grad der Benachteiligung
aussagt. Dies kann keineswegs der Realität entsprechen.
Des Weiteren verfolgen diese Projekte eine „ganzheitliche“ Integration statt in einzelnen Feldern wirksam zu werden. Aber diese Ganzheitlichkeit kann nicht gegeben sein,
wenn das Gebiet strikt begrenzt ist. Aufgrund der transnationalen Lebenswelten von
Migranten können sie innerhalb eines begrenzten Gebietes wie etwa einem Stadtteil
nicht mehr „ganz“ wahrgenommen werden. Das Vorhaben dieser Projekte würde demnach zum Scheitern verurteilt sein. Integration im Stadtteil kann demnach nur auf der
materiellen Ebene stattfinden.
Gemildert wird dies durch die Tatsache, dass in diesen Projekten infrastrukturelle Aufwertungen im Vordergrund der Maßnahmen stehen, trotz der Betonung von Gemeinwesenarbeit und Elementen des Sozialmanagements. Direkte Maßnahmen, welche die Bewohner betreffen, sind untergeordnet. Mit einer Konzentration auf die Infrastruktur
können die Bewohner nicht „ganzheitlich“ wahrgenommen werden.
Durch die strikte territoriale Begrenzung des Projektgebiets besteht die Gefahr der Produktion von „Inseln“. Mit der Abkoppelung jeglicher Bezüge nach außen entstehen verinselte Gebiete, die ohne Kontext marginalisiert und stigmatisiert sind oder aber auch
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„Oasen“ im positiven Sinn sein können. Die Wahrnehmung der Existenz fließender Übergänge wird dadurch vermindert, teilweise sogar ganz ausgeblendet.
Zumindest in einigen wenigen gebietsbezogenen Projekten werden Bemühungen erkennbar, Maßnahmen nach außen offen zu gestalten, um eine „Verinselung“ zu vermeiden. Solch eine Erweiterung des Blickwinkels ist aber nur selten der Fall.
6.5.2. Handlungsfeldbezogene Projekte: Stadtteil zur Orientierung
Handlungsfeldbezogene Projekte sind zwar auch räumlich begrenzt, dennoch steht nicht
der Stadtteil im Vordergrund, sondern die betroffenen Personen und deren Beziehungen
untereinander, v.a. in Projekten, die nur ein Handlungsfeld betreffen, spielt die räumliche Begrenzung eine untergeordnete Rolle.
In diesen Projekten werden im Vorfeld kaum Sozialraumanalysen durchgeführt (nur bei
8% der Projekte). Die Bestandsaufnahme stützt sich weniger auf quantitative Daten,
sondern mehr auf die Erfahrungen der Akteure selbst, wie z.B. Lehrer aus Schulen und
Sozialarbeiter aus Jugendzentren. Dadurch wird die Person innerhalb eines Wirkungsfeldes „ganzheitlicher“ wahrgenommen, statt den Anspruch zu erheben die Personen innerhalb bestimmter territorialer Grenzen ganzheitlich wahrzunehmen. Obwohl handlungsfeldbezogene Projekte keineswegs einen Anspruch auf „Ganzheitlichkeit“ erheben,
versuchen sie dennoch alle Aspekte und Personen eines Handlungsfeldes zu berücksichtigen, unabhängig von räumlichen Grenzen. Dadurch erfassen sie die Lebenswelt bzw.
den Sozialraum der dort lebenden Personen besser als gebietsbezogene Projekte, die mit
Grenzen diese eher beschränken und damit ihre Perspektive verengen. In den Projektdokumentationen taucht bei handlungsfeldbezogenen Projekten eine territoriale Festlegung nur in Form der Angabe des Projektortes auf. Vermutlich geht diese Angabe auf
die Begründung zur Verteilung von finanziellen Mitteln zurück. Im Verlauf der genaueren Projektbeschreibung fällt jedoch auf, dass der Stadtteilbezug für die Arbeit an sich
in den meisten Projekten keinerlei Bedeutung hat. Er dient demnach lediglich zur Orientierung. Damit verringert sich ebenfalls das Risiko einer Ausgrenzung von Personen
oder das fälschliche Einbeziehen von nicht betroffenen Personen.
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6.5.3. Welchen Beitrag leisten die sozialräumlichen Projekte zur Integration von
Migranten?
Die Untersuchung der vielfältigen Projektkonzeptionen belegt, dass Unklarheit über die
Integration von Migranten herrscht und deshalb neue Wege beschritten werden müssen.
Allen Projekten gemeinsam ist, dass eine Integration in näherer Umgebung erreicht
werden soll. Ein ebenfalls wichtiges Integrationsziel ist die Positionierung in den zentralen Systemen Arbeitsmarkt und Bildungssystem. Eine erfolgreiche Integration in diesen
Bereichen wird häufig als wichtigste Ziel definiert. Eine ebenso zentrale Rolle spielt die
Sprachförderung, die bei einem sehr großen Teil der Projekte angestrebt wird, sei es als
Hauptziel oder als ergänzende Maßnahme. Neben diesen Gemeinsamkeiten lassen sich
aber auch Unterschiede in der Integrationsarbeit erkennen, v.a. darin, auf welche Art
und Weise Integration erreicht werden soll. Dazu lassen sich zwei Haupttypen unterscheiden: gebietsbezogene Projekte und handlungsfeldbezogene Projekte.
Handlungsfeldbezogene Projekte versuchen eine „Annäherung“ an die Aufnahmegesellschaft mittels einer Sensibilisierung beider Gruppen (Migranten und Einheimische), einer Kontaktförderung und dem Erwerb der deutschen Sprache als Verständigungsgrundlage. Sie knüpfen damit an die Beziehungen der Bewohner im Gebiet an, während gebietsbezogene Projekte eher eine „Gleichmachung“ aller Bewohner im Stadtteil anstreben, indem strukturelle Voraussetzungen dafür geschaffen werden. Dies versuchen sie
mit eher starren, auf jedem anderen Gebiet anwendbaren Konzepten, wie Vernetzung
und Infrastrukturausbau. Handlungsfeldbezogene Projekte verwenden eher flexible
Konzepte, die sich an den betroffenen Personen orientieren.
Beide Projekttypen haben gewisse Schwächen und Stärken. Zu den Stärken der gebietsbezogenen Projekte gehört der Anspruch sowohl materielle Gegebenheiten zu verbessern als auch soziale. Sie beanspruchen eine „ganzheitliche“ Strategie, um möglichst alle Bereich abzudecken. Gleichwohl ist dieser Anspruch auch eine Schwäche dieses
Typs, denn die Träger versuchen nicht nur allein die Stadtgebiete aufzuwerten, sondern
auch eine Aufwertung samt der Bewohnerschaft durchzuführen. Ob dieses Vorhaben
funktionieren kann ist fraglich. Die Strategie einer Aufwertung ist prinzipiell gut gedacht, allerdings werden die verschiedenen räumlichen Ebenen nicht voneinander unterschieden. Der Anspruch der „Ganzheitlichkeit“, d.h. alle Bewohner in allen Bereichen
des Sozialraums zu berücksichtigen, kann auf diese Art und Weise nicht gelingen. Für
die infrastrukturelle Verbesserung des Gebiets kann ein geographisch begrenzter Raum
genügen, denn materielle Gegebenheiten sind festgeschriebene Orte. Wenn jedoch von
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einem Sozialraum die Rede ist und soziale Beziehungen zum Gegenstand der Projektarbeit werden, so findet eine territoriale Begrenzung keine Berechtigung mehr, v.a. nicht
im Hinblick auf eine „Ganzheitlichkeit“, denn dadurch werden nur noch bestimmte Bereiche des Sozialraums beachtet.
In dieser territorialen Begrenzung des sozialen Raums liegt die zentrale Schwäche der
gebietsbezogenen Projekte. Nur im Hinblick auf den materiellen Raum sind sie ganzheitlich. Trotz des Anspruchs umfassend zu sein, bleiben wichtige Elemente auf der
Strecke. Würden diese Projekte eine offenere räumliche Perspektive einnehmen, also
eine gesellschaftliche Raumdefinition und sich endlich von der Vorstellung eines territorialen Raumes, innerhalb dessen Grenzen soziale Prozesse ablaufen, verabschieden,
könnten diese Projekte sicherlich viel zur Integration von Migranten beitragen.
Eine weitere Schwäche der gebietsbezogenen Projekte liegt in der Imagearbeit. So wird
vielerorts eine Revitalisierung der Gebiete angestrebt, um wieder ein attraktives Wohngebiet zu schaffen. Schon das Wort „Revitalisierung“ (=Wiederbelebung) verdeutlicht
den Sinn dieser Strategie: ein Quartier soll insgesamt aufgewertet werden, es soll nicht
nur für die Bewohner, sondern auch für Investoren attraktiv werden. Damit wird der
Anstieg von Investitionen und Kaufkraft angestrebt, also die Aufwertung des Stadtteilimages. Über den Stadtteil hinaus werden kaum Bezüge berücksichtigt. Es ist daher
fraglich, ob im Zuge der Aufwertung nicht wieder die selben Mechanismen ausgelöst
werden, die bei der Gentrification greifen. Solange künstliche Grenzen gezogen werden
und nur innerhalb dieser agiert wird, kann eine weitere Segregation wahrscheinlich
nicht verhindert werden. Mit einer Aufwertung des Gebiets ist voraussichtlich auch ein
Anstieg der Mieten verbunden, sowie eine insgesamt verbesserte Infrastruktur, wodurch
ausländische und sozial schwache Bewohner im Laufe der Zeit wieder vertrieben werden könnten. Man fragt sich, ob letztendlich doch nur das Image der Beweggrund für
die Durchführung solcher Projekte ist und ob der Stellenwert der Integration nebensächlich ist.
Bezüglich der Duldung von Segregation oder der Strategie einer Durchmischung der
Bewohnergruppen konnte festgestellt werden, dass in den meisten Projekten der Mischgedanke keine Rolle spielt. Allerdings zeigt sich in Projekten der Strategie Stadtteilbzw. Gemeinwesenarbeit im Gebiet Wohnkomplex ein anderes Bild. Hier werden Quoten festgelegt, die eine „gesunde“ Bewohnerzusammensetzung erreichen sollen. Die
Konzentration einer bestimmten Migrantengruppe oder die von Ausländern allgemein,
wird als schädlich für das Zusammenleben betrachtet. Es würden Konflikte entstehen,
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wenn zu viele Migranten in der Nachbarschaft leben, weshalb ihre Anzahl eine bestimmte Quote nicht übersteigen sollte. Allerdings ist es fraglich, ob eine solche Beschränkung tatsächlich für ein konfliktfreies Nebeneinander sorgt oder ob die Wohnungsbaugesellschaften hierbei nur ein positives Image wahren wollen. In einer Dokumentation wurde diese kontrollierte Mischung verschiedener Ethnien als „positive Internationalität“ bezeichnet. Was jedoch eine negative Internationalität sein soll, wird
nicht erklärt.
Im Zusammenhang mit der Imageaufwertung ist das „Sichtbarwerden“ von Integration
bedeutend. Integration wird nach Meinung einiger Träger erst erreicht, wenn sie in den
Stadtteilen „sichtbar“ wird, d.h. wenn sich die Nachbarn verstehen, Beratungen aufgesucht werden, Konflikte verschwinden und sich Migrantinnen sich im öffentlichen
Raum zeigen, alle Bewohner Freizeitangebote wahrnehmen und die Gebäude renoviert
und auch sauber (nach deutschem Standard!) sind. Die Integration ist erreicht, wenn
hauptsächlich Verbesserungen an den materiellen Gegebenheiten im Quartier (z.B.
durch neue Investitionen in Bausubstanz, kulturelle und ökonomische Aufwertung) erkennbar sind. Alle anderen Elemente, die außerhalb der Sichtweite eines physischen
Raumbegriffs liegen, bleiben unsichtbar. Integriert sind Migranten deshalb erst, wenn
der Stadtteil selbst ökonomisch aufgewertet wäre und sich nicht mehr benachteiligend
auswirken würde.
Handlungsfeldbezogene Projekte umgehen die Probleme, die von einer territorialen Begrenzung des Gebiets ausgehen. Diese unterliegen keiner territorialen Beschränkung,
sondern lediglich einer inhaltlichen. Ihr Ziel ist somit der Anspruch innerhalb eines
Handlungsfeldes „ganzheitlich“ zu agieren. Materielle Strukturen sind dabei nebensächlich. Die Projekte werden hauptsächlich auf der sozialen Ebene durchgeführt. Die Maßnahmen werden mit den jeweils betroffenen Personen direkt durchgeführt und sollen zu
einer Stabilisierung der sozialen Beziehungen im Gebiet beitragen. Nicht ersichtlich ist,
welche Rolle der Raum tatsächlich für die Projektarbeit spielt. Ob er nur zur Rechtfertigung und zur Lokalisierung dient, oder doch in irgendeiner Weise relevant für die Projektarbeit ist, konnte nicht festgestellt werden. Was handlungsfeldbezogene Projekte
kaum beachten sind materielle Strukturen. Aber infrastrukturelle Gegebenheiten beeinflussen das Leben der Migranten ebenso wie soziale Beziehungen. Eine Berücksichtigung beider Ebenen wäre damit sicherlich die ideale Projektkonzeption, allerdings ohne
territoriale Begrenzung.
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Die Schlussfolgerung lautet daher: Handlungsfeldbezogene Projekte tragen eher zur Integration außerhalb materieller Ebenen bei als gebietsbezogene Projekte, weil sie eher
an den kulturellen und sozialen Dimensionen anknüpfen, während gebietsbezogene Projekte eine generelle, territorial gebundene Aufwertungsstrategie anstreben. Die handlungsfeldbezogenen öffnen durch die Unwichtigkeit der territorialen Begrenzung Möglichkeiten, Migranten in vielen Bereichen wahrzunehmen.
Viele Projekte enthalten ein hohes Potenzial für die Integration von Migranten, doch die
räumliche Perspektive scheint ausschlaggebend dafür zu sein, wie erfolgreich die Projekte dabei sein können. Denn eine differenzierte Wahrnehmung und die Vermeidung
der Ausgrenzung wichtiger Bereiche sind durch die territoriale Begrenzung beeinflussbar.
Aber wo genau Migranten integriert werden sollen bzw. welche Rolle die Aufnahmegesellschaft einnimmt (z.B. als Nationalstaat), konnte hier nicht geklärt werden. Die einzige Erkenntnis, die in diese Richtung deutet, ist, dass die ethnische Community – bis auf
ein paar Ausnahmen – kaum in den Projekten berücksichtigt wird.
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7. Zusammenfassende Betrachtung
In dieser Arbeit wurde dargestellt, welche neuen Aspekte sich in den letzten Jahren bezüglich der Integration von Migranten ergeben haben. Die Themen Integration und Migration sind sowohl in der Soziologie als auch in der Politik umstritten. Kaum ein anderes Thema dominierte die Schlagzeilen derart wie z.B. das Zuwanderungsgesetz oder
der „Kopftuchstreit“. Die Öffentlichkeit begegnet Bildern von ausgegrenzten Ausländern, deren Problemlagen sich vielfältig in den Städten äußern.
In der soziologischen Diskussion sprechen die einen von einer Assimilation, die sich im
Laufe der Zeit automatisch vollziehen muss, um eine Eingliederung in die Aufnahmegesellschaft zu gewährleisten. Die sog. neue Migrationsforschung hingegen geht davon
aus, dass „die“ Aufnahmegesellschaft nicht mehr allein im Hinblick auf nationalstaatliche Grenzen existiert. Globalisierung und Migration als feste Bestandteile vieler Biographien führen zu einer Bedeutungsausdünnung des Nationalstaats für die Definition
von Gesellschaft. Transnationale Netzwerke und lokale Gemeinschaften gewinnen im
selben Zug an Bedeutung. In diesem Zusammenhang müssen die klassischen Assimilationskonzepte neu überdacht werden.
Da einige Bereiche weiterhin nationalstaatlich geprägt sind, die für eine Positionierung
im politischen System notwendig sind, können Assimilationstheorien jedoch nicht völlig abgelöst werden. Nach Esser vollzieht sich die Integration bzw. Assimilation in vier
Dimensionen: kulturell, strukturell, sozial und identifikatorisch. Im Hinblick auf die
Herausbildung transnationaler Lebensbezüge von Migranten und dem damit einhergehenden Bedeutungsverlust des Nationalstaats zeigt sich, dass die identifikatorische Integration an Bedeutung verliert, da eine Identifikation mit dem Aufnahmeland nicht
zwingend notwendig für eine Integration ist. Dennoch wird diese Dimension häufig als
die eigentliche Integration betrachtet und wird deshalb auch normative Integration genannt. Eine kulturelle oder soziale Integration (Übernahme kultureller Fertigkeiten und
Eingehen sozialer Beziehungen zu Einheimischen) kann aufgrund transnationaler Lebensbezüge nicht mehr als Assimilation (Anpassung) bezeichnet werden, sondern kulturelle und soziale Integration bedeuten vielmehr eine Annäherung. Allein die strukturelle
Dimension scheint in einigen Bereichen den Assimilationstheorien immer noch zu entsprechen.
Der Bedeutungsverlust des Nationalstaats führt uns vor Augen, dass Integration von
Migranten schwer messbar ist. Offen bleiben die Fragen, wie Gesellschaft als BezugsSic et Non. zeitschrift für philosophie und kultur. im netz.
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punkt für eine Integration definiert wird und wie intensiv eine Assimilation vollzogen
werden muss, damit man als eingegliedert gilt. Deutlich wird nur, dass eine Erweiterung
der Perspektive stattfinden muss, um alle Aspekte der Integration von Migranten fassen
zu können. Migranten scheinen zudem auch in ganz andere Bereiche integriert zu sein,
die gleichzeitig als Hilfe zur Eingliederung im Ankunftsland dienen können. Hier sind
v.a. transnationale Netzwerke und lokale ethnische Gemeinschaften zu nennen.
In den Städten und insbesondere in einigen Stadtteilen, in denen der Ausländeranteil
hoch ist, werden Ausgrenzungserscheinungen besonders sichtbar. Strukturelle Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt, demographischer Wandel und der Abbau von sozialem
Wohnungsbau, aber auch Diskriminierungen sind Ursachen dafür, dass Migranten konzentriert in strukturell benachteiligten Stadtquartieren wohnen. Zusammen mit sozial
schwachen Einheimischen fehlt ihnen die Option wegzuziehen, da Migranten kaum Zugang zum Wohnungsmarkt haben. Im Zuge von Aufwertungsstrategien (z.B. Gentrification) wird günstiger Wohnraum knapper und damit setzt sich ein Mechanismus in Gang,
der Segregation genannt wird.
Migranten konzentrieren sich also in Gebieten, die von politischen und planerischen Interventionen vernachlässigt werden und sich deshalb benachteiligend auf die Bewohner
auswirken. Konflikte, eine mangelnde Infrastruktur, eine hohe Quote an Arbeitslosen
und Sozialhilfeempfängern sowie Bildungsdefizite der Bewohner sind nur einige der
Problemlagen, die hierbei genannt werden. Aber sind Migranten deshalb nicht integriert? Die Tatsache der Segregation kann zwar die Integration erschweren, dennoch ist
sie keineswegs das Gegenstück zur Integration.
Als Folge dieser Entwicklungen würden sich Sozialräume herausbilden, die eine relativ
homogene Bevölkerungsstruktur aufweisen und die selben strukturellen Gegebenheiten
aufweisen. In diesen Sozialräumen würden Strukturen entstehen, die eine Integration erschweren würden.
Die Entwicklung zur Segregation und der damit einhergehenden Kumulation der Problemlagen innerhalb dieser Gebiete veranlasst die Politik, Integrationsmaßnahmen im
Lokalen zu organisieren. Dies geschieht hauptsächlich über sog. Stadtentwicklungsprogramme, aber auch durch Projekte aller Art, die z.B. der Sozialarbeit entspringen. Entgegen dem bis vor kurzem herrschenden politischen Paradigma der Vermeidung von
Segregation, die durch eine Mischung der Bevölkerungsgruppen angestrebt wurde, wird
in diesem neuen sozialraumorientierten Ansatz eine Aufwertungsstrategie innerhalb der
benachteiligten Gebiete angestrebt, ohne Zuzugsquoten festzulegen. Damit sollen einerSic et Non. zeitschrift für philosophie und kultur. im netz.
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seits strukturelle Benachteiligungen beseitigt werden und andererseits das interkulturelle
Zusammenleben gefördert werden. Eine projektförmige sozialraumorientierte Stadtplanung wird zum neuen Paradigma. Mit der neuen Organisationsform der Projekte verabschiedet man sich von tradierten Strukturen in der Planung, um neue Modelle zu erproben, v.a. im Hinblick auf eine neue Organisation der Verwaltung, aber auch um gezielter und punktueller bei der inhaltlichen Umsetzung voranzukommen. Auch im Hinblick
auf die Integration von Migranten erhofft sich die Politik mit einer Sozialraumorientierung bessere Erfolge. Ein Beispiel für die Aktualität der sozialraumorientierten Stadtentwicklung ist das Programm „Soziale Stadt“, das mittels einer umfassenden Handlungsstrategie versucht ganze Stadteile sowohl in baulicher als auch in sozialer Hinsicht
aufzuwerten.
Allen Projekten und Planungen gemein ist die Fokussierung auf den Sozialraums, um
die Lebensräume der Individuen mit einzubeziehen. An dieser Stelle ist es wichtig, sich
zu fragen, wie genau ein Sozialraum definiert ist. In Stadtplanung und Politik werden
die Definitionen aus der Stadtsoziologie verwendet. Diese sieht den Sozialraum als Produkt von Segregation an. Er entsteht demnach dann, wenn sich eine bestimmte Bevölkerungsgruppe, darunter viele Migranten, in einem Stadtgebiet konzentrieren. Neben einer
geographischen Stadtkarte entsteht somit auch eine soziale, die der geographischen sehr
ähnelt. Segregation oder die Sozialraumspaltung wird durch Projektion des Sozialen in
den territorialen Raum definiert. Damit entstehen Stadtgebiete bzw. Sozialräume, die
auf einer Stadtkarte lokalisierbar werden. Der Sozialraum ist in diesem Sinne ein territorial begrenzter Raum, der dem Lebensraum der dortigen Bewohner entsprechen soll.
Aber im Hinblick auf die Herausbildung transnationaler Räume fragt man sich, ob ein
solches begrenztes Gebiet tatsächlich den sozialen Raum von Migranten widerspiegelt
oder ob der soziale Raum vielleicht mehr umfasst, als nur materielle Strukturen.
Bereits Bourdieu verdeutlichte den Unterschied zwischen dem physischen und dem sozialen Raum. Der physische entspricht nicht in jeder Hinsicht dem sozialen Raum. Sie
sind zwar interdependent, dennoch kann für die Betrachtung des Sozialraums kein absolutistischer Raumbegriff verwendet werden, denn sonst wäre er etwas Starres, ein Behälter. Aber soziale Prozesse sind keineswegs starr. Deshalb muss für die Definition von
Sozialraum ein gesellschaftswissenschaftlicher, relationaler Raumbegriff verwendet
werden, um die von Bourdieu angedeutete Unterscheidung zwischen physischem und
sozialem Raum treffen zu können. Dieser relationale Raumbegriff verdeutlicht die Interdependenz zwischen materiellen Strukturen (Orten) und den Handlungen der IndiviSic et Non. zeitschrift für philosophie und kultur. im netz.
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duen. Sie konstruieren Räume durch ihre Handlungen, die sich ständig in ihrer Struktur
ändern. Der Raum wird somit vom Starren zum Prozesshaften. Eine entscheidende Erweiterung dieser Raumperspektive liegt darin, dass mehrere Räume, die sich in einem
territorialen Raum aufstapeln, wahrgenommen werden. So entstehen gleichzeitig verschiedenen Funktionsräume im selben geographischen Raum und gleichzeitig dehnen
sich die Räume über diese Grenzen hinweg aus (z.B. transnationale Räume). Der Sozialraum, wie er innerhalb der Segregationsforschung definiert wird, beschreibt eher einen
geographischen Raum, denn einen sozialen. Er wird zum Behälter, womit soziale Prozesse auch nur in diesem Behälter wahrgenommen werden können. Aber der soziale
Raum ist nicht eingrenzbar. Soziale Beziehungen über große Entfernungen hinweg, eine
steigende Mobilität und moderne Transport- und Kommunikationsmittel sind wichtige
Aspekte, die den sozialen Raum eines Menschen über geographische Grenzen hinweg
erweitern, v.a. über die Grenzen eines kleinen Stadtgebiets. Bei Migranten kommt der
Aspekt hinzu, dass sie in transnationale Netzwerke eingebunden sind, die sich über alle
Grenzen hinweg in der Herausbildung transnationaler sozialer Räume ausdrücken.
Mit einer solchen erweiterten Perspektive auf den Sozialraum ergeben sich aber auch
gewisse Risiken der sozialraumorientierten Stadtplanungsprogramme. Mit der Begrenzung eines Territoriums als Fokussierung für die Projektarbeit wird das Soziale territorialisiert. Es wird in Grenzen eingefasst und damit künstlich definiert. Eine solche Begrenzung kann dazu führen, dass für wichtige integrierende Elemente des sozialen Lebensraums von Migranten der Blick versperrt bleibt, so z.B. auch auf die positiven Effekte von Segregation, wie die Stabilität eines lokalen Netzwerks, in das der Zuwanderer aufgenommen wird.
Eine künstliche Begrenzung des Sozialraums ist somit ebenfalls eine künstliche Begrenzung der Wahrnehmung der Lebenswelten der Bewohner dieses Behälterraums. Der soziale Raum – und mit ihm auch die Integration von Migranten – kann dann nur noch in
Fragmenten wahrgenommen werden.
Bezüglich dieser Ausführungen bleibt die Frage danach, was sozialräumliche Projekte
tatsächlich für die Integration von Migranten leisten können. Erstens interessierte die
Frage danach, welche Integrationsmuster in den verschiedenen Projekten erkennbar
werden und zweitens stand die Wahrnehmung der Projektträger im Vordergrund dieser
Untersuchung. Schließlich wurde betrachtet, welche Perspektive auf den Sozialraum in
den Projekten erkennbar ist.
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Bisher wurden nur Evaluationen zu einzelnen Projekten oder zu einzelnen Entwicklungsprogrammen durchgeführt, aber keine Untersuchung über diese inhaltlichen Grenzen hinaus. Die Aufgabe der durchgeführten Untersuchung war es, aus einer möglichst
großen Stichprobe von Projektdokumentationen verschiedene Typen zu bilden, die anschließend bezüglich der Fragestellungen analysiert und miteinander verglichen wurden.
Mittels einer Inhaltsanalyse konnten zwei prägnante Projekttypen ermittelt werden: zum
einen gebietsbezogene Projekte, die mit einer ganzheitlichen Strategie die Aufwertung
eines als benachteiligt identifizierten Stadtgebiets anstreben. Dabei ließen sich drei
Handlungsstrategien voneinander unterscheiden: die Vernetzung vorhandener Einrichtungen, die Errichtung von Begegnungsstätten und die Stadtteil- bzw. Gemeinwesenarbeit. Allen Projekten dieses Typs gemein ist die Begrenzung eines Gebietes und die darin umfassende, alle Handlungsfelder betreffende Strategie der Aufwertung des Gebiets.
Dabei werden einerseits strukturelle und andererseits soziale Maßnahmen durchgeführt,
wobei diese im Hintergrund stehen.
Zum anderen wurden handlungsfeldbezogene Projekte unterschieden, die ihrer Bezeichnung entsprechend ein spezielles Handlungsfeld betreffen. Ihre Strategien ließen
sich in Bildung/Qualifizierung, Kontaktförderung unter Bewohnern und Sensibilisierung/Information untergliedern. Im Gegensatz zu gebietsbezogenen Projekten führen
diese kaum infrastrukturelle Maßnahmen durch. Sie bemühen sich vordergründig um
soziale Maßnahmen.
Eine Integration von Migranten ist in gebietsbezogenen Projekten nicht das alleinige
Ziel, vielmehr sollen alle Bewohner von Benachteiligungen entlastet werden. Diese Projekte haben die Integration von Migranten möglicherweise nur im Programm, weil es in
den Projektgebieten einen hohen Ausländeranteil gibt. Die handlungsfeldbezogenen
Projekte zielen hingegen nur auf die Integration bzw. eine Verbesserung der Situation
von Migranten ab. Eine Analyse der Integrationsvorstellungen beider Typen konnte
nicht im gewünschten Maße durchgeführt werden, da jedes der Projekte einem eigens
definierten Integrationsbegriff folgt. Am häufigsten wird jedoch die Integration als gegenseitiger Prozess wahrgenommen, wobei ein Teil der Projektträger die Einstellung
vertritt, Migranten müssen sich selbst integrieren und die Aufgabe der Aufnahmegesellschaft liege lediglich darin, sie dafür zu motivieren. Ein weiterer wichtiger Bestandteil
in nahezu allen Projekten ist die Sprachförderung. Der Erwerb der Sprache wird als unerlässlich für die Integration betrachtet. In gebietsbezogenen Projekten wird zudem
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deutlich, dass das Image des Stadtteils eine erhebliche Rolle für die Projektträger spielt.
Ein hoher Migrantenanteil gilt häufig als Indiz für einen stigmatisierten Stadtteil. Ein
solches Image zu vermeiden scheint in einigen Projekten die eigentliche Motivation zu
sein, Migranten integrieren zu wollen, d.h. sie sollen soweit assimiliert werden, dass sie
nicht mehr als Belastungsindiz gelten.
Im zweiten Abschnitt der empirischen Unersuchung standen die Einstellungen und
Wahrnehmungen der Projektträger bezüglich der Migranten im Mittelpunkt. Die Wahrnehmung ist mit den Integrationsvorstellungen der Projektträger verbunden, weil sie an
die Zielgruppen und deren Probleme angepasst sein sollte. Hierbei zeigte sich, dass gebietsbezogene Projekte in geringerem Maße zwischen den Bewohnergruppen des Stadtteils differenzieren. Sie verallgemeinern diese und orientieren sich häufig an Statistiken.
Handlungsfeldbezogene Projekte hingegen treffen weniger pauschale Aussagen über ihre Zielgruppen, sondern sehr spezielle, die davon zeugen, dass sie sich mit der Problematik der Integrationsarbeit auseinandergesetzt haben. Die differenzierten Aussagen
sind das Ergebnis von Erfahrungen der Projektmitarbeiter, Erfahrungen der Akteure aus
lokalen Einrichtungen und Bedürfnissen der betroffenen Personen. Die Intensität der
Differenzierung der Zielgruppen-Darstellung steht im Kontext zur Beteiligung von
Migranten an der Projektarbeit. Während gebietsbezogene Projekte Migranten nur wenig bis gar nicht beteiligen und ihre Bedürfnisse lediglich im Vorfeld der Projektarbeit,
meist durch standardisierte Befragungen erhoben, beteiligen handlungsfeldbezogene
Projekte Migranten in mehreren Bereichen des Projektes: im Vorfeld durch Befragungen, während der Durchführung durch aktive Teilnahme und mit Zwischenevaluationen.
Sie beschäftigen auch öfter Multiplikatoren als Vermittler zwischen den verschiednen
beteiligten Gruppen. Auffällig ist die Tatsache, dass diese Projekte stärker als gebietsbezogene Projekte die ethnische Community mit einbeziehen. Diese wird in einigen
Projekten als zusätzlich integrierendes Element wahrgenommen und nicht als Zeichen
für Desintegration. Somit berücksichtigen diese Projektträger auch Bereiche für die Integrationsförderung von Migranten, die nicht „deutsch“ sind.
Projektträger, die nur wenig differenzieren, stellen Migranten pauschalisiert dar. V.a.
Frauen werden als Opfer dargestellt. Und Jugendliche werden oft als perspektivlos und
kriminell beschrieben. In kaum einem Projekt werden „Aufsteiger“ oder „Integrierte“
erwähnt und in keinem der Projekte zählen Männer zur Zielgruppe, weil Männerarbeit
angeblich selbstverständlich ist.
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Alle bisherigen Ergebnisse und Unterschiede zwischen den Projekttypen lassen sich anhand der räumlichen Perspektiven der Projektträger erklären. So erachten die Träger der
gebietsbezogenen Projekte es als grundlegend, das Projektgebiet territorial zu begrenzen. Sie schaffen damit einen Behälter, dessen Inhalt insgesamt aufgewertet werden
soll. Dies bedeutet, dass nicht nur materielle Gegebenheiten Gegenstand der Arbeit sind,
sondern auch die Bewohner, also soziale Gegebenheiten. Mit diesem Ansatz versuchen
sie „ganzheitlich“ zu handeln, doch aufgrund der territorialen Begrenzung kann dieser
Anspruch nicht erfüllt werden. Alle Strukturen des materiellen Raums können durch
diese Praxis zwar innerhalb der gesetzten Grenzen bearbeitet werden, aber die Träger
laufen dabei Gefahr, das Gebiet von seiner Umgebung und damit von seinen Bezügen
zu isolieren. Der soziale Raum, der hierbei eigentlicher Gegenstand der Bearbeitung
sein soll, kann dadurch nur in Teilen erfasst werden. V.a. Migranten können in ihrer Lebenswelt, die nicht an den Grenzen des Stadtteils endet, nicht „ganzheitlich“ sondern
nur oberflächlich wahrgenommen werden. Dass dies der Fall ist, beweist die gering differenzierte Darstellung der Zielgruppen. Mit einer strikten Begrenzung des Projektgebiets werden Aspekte wie Imagearbeit zu einer wichtigen Größe. Ohne eine Begrenzung
würde das Image des Gebiets für die Integration von Migranten keine Rolle spielen und
man wäre nicht versucht soziale Probleme durch materielle Bearbeitung zu lösen. Materielle und soziale Gegebenheiten sind zwar interdependent, dennoch sind sie nicht synonym.
Handlungsfeldbezogene Projekte begrenzen zwar auch zu Beginn ihr Projektgebiet territorial ab, aber die inhaltliche Begrenzung der Arbeit spielt eine weitaus größere Rolle
als die geographische. Bei genauerem Hinsehen ist der materielle Raum lediglich ein
Orientierungspunkt damit die Finanzierung des Projekts gesichert ist. Für die Projektarbeit an sich spielt weniger der materielle Raum eine Rolle als das betreffende Handlungsfeld. Damit umgehen die Träger dieser Projekte das Risiko zwei Räume miteinander zu vermischen. Sie nehmen Migranten innerhalb eines Handlungsfeldes „ganzheitlich“ wahr.
Aufgrund der Ergebnisse dieser Untersuchung kann die Aussage getroffen werden, dass
handlungsfeldbezogene Projekte mehr zur Integration von Migranten beitragen können,
da gebietsbezogene Projekte dazu neigen, die Lebenswelt der Migranten in einen künstlich begrenzten Sozialraum hinein zu projizieren, sie dadurch zu homogenisieren und
schließlich nicht mehr „ganzheitlich“ wahrzunehmen. Diese Projekte sind dadurch nur
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auf der materiellen Raumebene voll handlungsfähig, nicht aber auf der sozialen. Von
einer Sozialraumorientierung kann dann nur noch eingeschränkt gesprochen werden.
Ziel der Untersuchung war es, die Sozialraumorientierung und deren Einfluss auf die Integration von Migranten zu untersuchen. Einige Aspekte konnten jedoch nicht im notwenidgen Umfang betrachtet werden, hierfür müssten vertiefende Folgeuntersuchungen
durchgeführt werden.
Eine Schwäche der hier durchgeführten Dokumentenanalyse ist sicherlich die mangelnde Transparenz bezüglich der Autoren dieser Dokumentationen. V.a. die Einstellungen
zur Integration und zu Migranten selbst müssten genauer mit den jeweiligen Funktionen
der Autoren gekoppelt werden, um die hier getroffenen Aussagen zu validieren. Es war
in den Projektdokumentationen kaum ersichtlich, wer sie verfasst hat und wessen Erfahrungen dort geschildert wurden. Auch das Motiv der Autoren, diese Aussagen zu treffen, konnte nicht berücksichtigt werden. Denn eine Werbebroschüre erfüllt einen anderen Zweck als ein Jahresbericht, der für die Archive der Stadtverwaltung verfasst wurde.
Da das Ausgangsmaterial sehr unterschiedlich war, könnten in einigen Dokumentationen wichtige Details und Informationen fehlen. Mit der uneinheitlichen Dokumentation
der Projektarbeit hängt auch die relativ geringe Rücklaufquote der Anfragen auf ausführliche Informationen bei den Verantwortlichen zusammen. Die meisten waren nicht
abgeneigt Informationen bereitzustellen, sondern hatten schlichtweg keine Verschriftlichung ihrer Arbeit. Dafür wurden Gründe wie finanzielle Engpässe, fehlendes Personal
und Zeitmangel von oft ehrenamtlich Tätigen angegeben.
Ein weiteres Problem der Dokumentenanalyse könnten geschönte Aussagen sein. Gerade Hochglanzbroschüren und professionell aufgearbeitete Dokumentationen könnten Informationen enthalten, die eher Werbezwecken dienen, um die Projektarbeit in jedem
Fall als erfolgreich darzustellen. Oftmals fehlte es den Dokumenten an selbstkritischen
Bemerkungen und negativen Erfahrungen, die im Gebiet gemacht wurden.
In einer Folgeuntersuchung könnten Interviewdaten die noch fehlenden Informationen
ergänzen, v.a. Informationen zu den Einstellungen der durchführenden Personen. Es
könnten evtl. Diskrepanzen zwischen Trägern und durchführenden Personen existieren.
Eine Untersuchung dieses Aspekts könnte die hier gefundenen Ergebnisse erheblich ergänzen. Genauso hilfreich wäre eine Analyse der Wahrnehmungen bezüglich der Zielgruppen. Wie nehmen die betroffenen Personen die Projektarbeit wahr und wird sie als
nützlich betrachtet? Wie sehen sie ihre Rolle innerhalb dieser Projekte? Solche und anSic et Non. zeitschrift für philosophie und kultur. im netz.
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dere Fragen würden die Effektivität der Projekte evaluieren, die erheblich für zukünftige
Planungen sein kann.
Im Hinblick auf den Sozialraum wäre eine Vertiefung möglich. Vielleicht lassen sich
weitere Differenzierungen bezüglich der räumlichen Perspektive der beiden Typen ermitteln. Aber auch der Aspekt der Integration wäre genauer zu untersuchen, v.a. die Definition von Integration und innerhalb welchen Referenzrahmens sie vollzogen werden
soll. Interviews könnten hier gezielter nachfragen und klarere Ergebnisse finden.
Alles in allem sollte diese Arbeit zu einer Klärung des Problems der sozialräumlichen
Integration von Migranten beitragen. Im Vordergrund standen die Einstellungen und
Wahrnehmungen der Personen, die diese Art von Integration in Projekten organisiert
anstreben. Wie Migranten und deren Lebenswelt wahrgenommen werden, sind wichtigste Aspekte hierbei, v.a. weil diese Personen ganze Apparate der Hilfeleistungen für
die Integration aufbauen, die vielleicht in einem solchen Ausmaß und in dieser Art und
Weise gar nicht nötig sind.
Eine persönliche Erfahrung, die ich auf einer Tagung zu dem Thema „Wohnen von
Migranten“ gemacht habe, hat meinen persönlichen Blick für eine differenziertere Betrachtung von Ausländern und deren Gewohnheiten geschärft. In der Diskussionsrunde
meldete sich ein Wohnungsbauunternehmer, der davon berichtete, Migranten würden
mit der deutschen Wohnweise nicht zurechtkommen. Die Bauweise entspräche nicht deren Ansprüchen und würde zu Konflikten in der Nachbarschaft führen. Er nannte die
üblichen Konfliktthemen, wie fehlende gemeinsame Gebetsräume und Räumlichkeiten
für religiöse Waschungen und schließlich der zu enge Hausflur auf dem die Schuhe abgestellt werden, was die deutschen Bewohner nicht dulden würden. Der Wohnungsunternehmer stellte stolz sein neues Baukonzept vor, dass sich ideal für Ausländer eignen
würde, da bauliche Mängel, die zu den genannten Konflikten führen würden, darin nicht
mehr bestünden. Daraufhin meldete sich eine Migrantin türkischer Herkunft und sagte,
sie kenne keinen Ausländer, der sich jemals solche baulichen Veränderungen gewünscht
hätte. Sie wären im Gegenteil zumeist zufrieden mit ihren Wohnungen. Dann fragte sie
ihn, woher er seine Erkenntnisse hätte, dass dies von Migranten gewünscht werde. Daraufhin antwortete der Wohnungsbauunternehmer, dass doch viele Untersuchungen bestätigen würden, dass diese baulichen Mängel Ursache der Konflikte zwischen Migranten und Deutschen sein würden und dass die Migrantin keine Ahnung von den Problemen hätte, weil sie ja integriert wäre.
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Die Absicht des Wohnungsbauunternehmers ein „ausländerfreundliches“ Bauen zu entwickeln ist sicherlich Lobenswert, dennoch übersieht er den Kern des Problems. Erstens
liegen die Ursachen der Konflikte zwischen Deutschen und Migranten sicherlich nicht
in der „Schuhproblematik“ und zweitens hat er seine Erkenntnisse aus Untersuchungen
zu Konflikten gewonnen, jedoch zu keinem Zeitpunkt die Bewohner und v.a. die ausländischen Bewohner seiner Wohnhäuser gefragt, ob sein Baukonzept ihren Bedürfnissen entsprechen würde. Die Migrantin zweifelte somit zurecht an, ob dieses Bauvorhaben überhaupt erwünscht sei. Der Wohnungsbauunternehmer hatte die Studien falsch
gedeutet, weil ihm die Perspektive der Migranten fehlte. So ist es wahrscheinlich nach
Ansicht der deutschen Bewohner ein Problem, dass die Schuhe im Hausflur stehen und
nicht nach Ansicht der Migranten. Integration sollte ein gegenseitiger Prozess sein.
Aber wenn die Wünsche und Bedürfnisse von Migranten nicht berücksichtigt werden,
dann kann von Integration keine Rede sein.
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Anhang 1: Datenblatt zur Reduzierung des Ausgangsmaterials
Nr.
Allgemeine Projektinformationen
Titel
Ort
Träger
Kontakt
Beteiligte
Gebiet
Kurzbeschreibung
Ziel
Stand
Material
Leitfaden
Dauer des Projektes
Initiiert durch
Stellenwert der Integration
Beteiligung von
Migranten
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Vernetzung von Einrichtungen
Kommunikation
Räumliche Ressourcennutzung
Rolle der finanziellen
Förderung
Rolle des Quartiermanagements
Programmbeteiligung
Gebietstyp
Art der Maßnahmen
Ziele
Angestrebtes Integrationsziel
Integration in
Zielgruppen
Bild von MigrantInnen
Anmerkungen:
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Anhang 2: Datenblatt zur Kategorisierung des reduzierten Materials
Nr.
Trägertyp
Stand
Dauer
Programmbeteiligung und Art
Integrationsmuster
Schlüsselbegriffe
Art der Maßnahmen
Stellenwert Imagearbeit
Rolle Sprachförderung
Projekttyp
Ebenen
Muttersprachliche
Mitarbeiter
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Wahrnehmung
Zielgruppen
Migrantentyp
Bild von Migranten
Problemart
Stellenwert Integration
Initiatoren
Beteiligung von
Migranten
Sozialraum
Gebietstyp
Durchgangsstation
Sozialraumanalyse
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Anhang 3: Variablen und Kategorien
V1: Projektnummer
1-91
V2: Trägerart
1. Kommune
2. Wohlfahrtsverband
3. Verein
4. Migranten-Organisation
5. Wohnungsbaugesellschaft
6. Kirche
7. Sonstige
V3: Stand
1. laufend
2. abgeschlossen
V4: Programmbeteiligung
1. ja
2. nein
V5: Programmart
1. Soziale Stadt
2. Antidiskriminierungsprojekte NRW
3. entimon
4. K&Q
5. BMFSFJ
6. WIN
V6: Schlüsselbegriffe
siehe Liste A
V7: Maßnahmenart
1. allgemein
2. speziell
V8: Stellenwert Image
1. Hauptziel
2. nicht explizit erwähnt
3. unwichtig
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V9: Rolle Sprachförderung 1. Hauptziel
2. Ergänzung
3. unwichtig
V10: Projekttyp
1. gebietsbezogen
2. handlungsfeldbezogen
V11: Projekttyp detail
1. G-Begegnung
2. G-Vernetzung
3. G-Stadtteil
4. H-Qualifikation
5. H-Kontaktförderung
6. H-Sensibilisierung
7. H-Sonstige
V12: Muttersprachliche
Mitarbeiter
1. direkt beteiligt
2. indirekt über beteiligte Organisation
3. nicht beteiligt
V13: Gebietstyp
1. territorial definiert
2. relational definiert
V14: Gebietsart
1. Stadtteil
2. Quartier/Siedlung
3. Wohnkomplex
4. Stadt
5. Sonstiges
V15: Durchgangsstation
1. ja, Maßnahmen nach außen
2. nein, Maßnahmen nur im Gebiet
V16: Sozialraumanalyse
1. ja
2. nein
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V17: Zielgruppen
1. Frauen
2. Kinder und Jugendliche
3. Familien/Eltern
4. Bewohnerschaft
5. Akteure aus Einrichtungen
V18: Zielgruppen
2. Nennung
1. Frauen
2. Kinder und Jugendliche
3. Familien/Eltern
4. Bewohnerschaft
5. Akteure aus Einrichtungen
V19: Migrantentyp
1. Ausländer
2. Aussiedler
3. Asylbewerber/Flüchtlinge
4. kein Unterschied
V20: Migrantenbild
1. differenziert
2. wenig differenziert
3. nicht differenziert
V21: Problemart
1. ethnisch/kulturell
2. sozial
3. beides
V22: Ebene
1. materiell
2. sozial
3. beides
V23: Stellenwert
Integration
1. Hauptthema
2. Randthema
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V24: Initiatoren
1. Migranten selbst
2. unter Beteiligung von Migranten
3. ohne Migranten
V25: Beteiligung von
Migranten
1. auf allen Ebenen
2. durch Befragungen
3. keine
V26: Dauer
1-20 Jahre
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Liste A: Schlüsselbegriffe Integration
1. Toleranz
2. gegenseitiger Respekt
3. Interkulturelle/Multikulturell
4. Verstehen
5. Kennenlernen
6. Gleichberechtigung
7. Integrationsbereitschaft erhöhen
8. Miteinander
9. Defizite im Gebiet abbauen
10. Eingliederung
11. Hilfe zur Selbsthilfe
12. Motivation steigern
13. interkultureller Austausch
14. Vorurteile abbauen
15. konfliktfreies Nebeneinander
16. Identifikation
17. aneinander gewöhnen
18. Werte und Normen vermitteln
19. Stärkung der ethnischen Gruppe
20. soziale Anpassung
21. Akzeptanz
22. Solidarität
23. gegenseitiges Vertrauen
24. Begegnung fördern
Sic et Non. zeitschrift für philosophie und kultur. im netz.
#8/2007
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