Spot-Kreation und Werbewirkung

Werbung
Ausgabe I / 2010
Spot-Kreation und Werbewirkung
impact Dossier | Involvement
Impressum
Herausgeber
IP Deutschland GmbH
Mediaforschung & Services
Aachener Straße 1042 a
50858 Köln
Telefon: 0221 5886-0
Fax: 0221 5886-999
www.ip-deutschland.de
Projektleitung
Sunay Verir, Ute Kampbartold
Redaktion
Sunay Verir, Uschi Durant,
Jan Isenbart
Autoren
Eckhard Preis, Kai Uwe Weidlich,
Sunay Verir
Gestaltung
Zum goldenen Hirschen Köln GmbH
Produktion
pixPANAMA GmbH & Co. KG
Bildnachweis
IP Deutschland GmbH
Zum goldenen Hirschen Köln GmbH
Ansprechpartner für Kunden
Sunay Verir
Telefon: 0221 - 5886 -465
[email protected]
Ansprechpartner für Presse
Zarifa Schmitt
Telefon: 0221 5886-401
[email protected]
Alle Daten auch zum Download
unter www.ip-deutschland.de
April 2010
2
Dossier I / 2010 || Spot-Kreation
Inhalt
und Werbewirkung
Spot-Kreation und Werbewirkung
Inhaltsverzeichnis
Einführung
4
Methodik
Die drei Säulen des „CreaKompass“
6
1. Literaturstudie zum Stand der Forschung
Kreativität – Der Schlüssel zum Erfolg?
8
2. Inhaltsanalyse von über 1.000 TV-Spots
Kreative Werbung – Was sie ausmacht und wie sie wirkt
18
3. Qualitativer Studiotest mit apparativen Testverfahren
Involvement – Wirkungsmotor für erfolgreiche Spot-Kreation
24
Spotlights aus anderen Studien
Ausgewählte Kreativitätstechniken im Visier
34
Umfrage
Relevanz von Spot-Kreation und Werbewirkung aus Expertensicht 36
Fazit und Empfehlungen
Spot-Kreation als Erfolgsfaktor wirkungsvoller Werbung
46
Weiterführende Literatur
48
Service
Aktuelle Studien und Publikationen
50
www.ip-deutschland.de
3
Liebe Leser,
fragt man Werbeforscher und Kreative, wie viel Prozent aller TV-Spots ihr Wirkungspotenzial eigentlich gar nicht zur Gänze ausschöpfen, sind Antworten
wie „50/80/90 Prozent“ eher die Regel als die Ausnahme. Eine sicher ehrliche,
aber doch ernüchternde Einschätzung.
Jan Isenbart
Direktor
Mediaforschung & Services
Kontakt:
[email protected]
Keine Frage: Wirkung lässt sich auch mit Werbedruck kaufen – zumindest im
Fernsehen. Aber kein einzelner Faktor der Wirkungskette dürfte so mächtig sein,
gleichzeitig so unterschätzt und damit oft geradezu sträflich vernachlässigt werden wie die Spot-Kreation. Dabei erscheint es nach wie vor unverständlich, dass
manche Unternehmen zwar sechs- oder siebenstellige Beträge in Media investieren und jedem Cent mehr Effizienz nachjagen, aber zugleich die Frage der Effektivität ausblenden und bezweifeln, ob 20.000 Euro für einen soliden Test, der die
Wirkungen ihres Spots ex ante auf Herz und Nieren prüft, eine nötige oder gar
sinnvolle Investition darstellen.
Wenn Sie dafür Ansätze, Belege und Tipps brauchen – vielleicht auch für die interne Argumentation – finden Sie diese zuhauf im vorliegenden Dossier. Wir zeigen
Ihnen aus der Literatur, aus umfangreichen eigenen Forschungen im Rahmen unseres „CreaKompass“ und aus der Sicht von Praktikern:
W
arum die Spot-Kreation ein mächtiger Wirkungs-Booster ist
W
as die kreativen Treiber der Werbewirkung sind
W
elche Rolle dabei klassische Werbetechniken und neue Kreativitätstechniken
heute spielen
W
as eigentlich ADC-Gewinner gestalterisch von „normalen“ Spots unterscheidet
W
ie sich gängige Kommunikationsziele auf bewährte Weise, aber auch mit
frischen Ideen inszenieren lassen
Die hier knapp aufbereiteten Ergebnisse sind an vielen Stellen notwendigerweise
grob verallgemeinernd und lückenhaft. Unser Material indes geht noch viel tiefer.
Mit der Datenbank des „CreaKompass“ im Rücken wird es erst richtig spannend,
wenn wir Ihren Spot individuell oder im Branchenkontext beleuchten. Bitte sprechen Sie uns oder Ihren Verkaufsberater bei Interesse direkt an!
Abschließend sagen wir ein großes Dankeschön an unsere engagierten Forschungspartner von Mediascore, Medien Institut und Werbestolz, an die Praktiker aus Werbeagenturen und Instituten, die uns Rede und Antwort gestanden haben, und nicht
zuletzt an unsere Wirkungsforscherin Sunay Verir, die die zahlreichen Fäden dieses
Großprojekts hervorragend in der Hand gehalten hat.
Wir wünschen Ihnen eine anregende Lektüre!
Jan Isenbart
4
Dossier I / 2010 | Spot-Kreation und Werbewirkung
Spot-Kreation und Werbewirkung aus Expertensicht
Kreative Spots sind in der Regel auch
nachhaltig wirksamer.
Kreation ist nicht alles.
Aber ohne Kreation ist alles nichts.
Sebastian Turner, Scholz & Friends
Marcel Loko, Zum goldenen Hirschen
Kreative Spots erreichen den Zuschauer
wirksamer und auch kosteneffizienter.
Die ausführlichen Statements
der befragten Experten finden
Sie ab Seite 36.
Dr. Bernd Büchner, Millward Brown Deutschland
Mit dem Holzhammer kann ich eventuell
kurzfristig Wirkung erzielen, Kunden binden
kann ich nur mit kreativer Intelligenz.
Mindestens 90 Prozent aller TV-Spots
verschenken deutliches Wirkungspotenzial
in ihrer Kreation.
Ralf Heuel, Grabarz & Partner
Stefan Kolle, Kolle-Rebbe
Management Summary: Das Geheimnis starker TV-Spots
Die Stärke eines TV-Spots entwickelt sich ganz wesentlich aus
seiner Kreation heraus. Doch was sind die kreativen Erfolgsfaktoren besonders wirksamer Fernsehwerbung? Wie muss
ein Spot gestaltet sein, um eine besonders hohe Wirkkraft zu
entfalten?
Wie die in diesem impact Dossier gebündelten übergreifenden Ergebnisse des „CreaKompass“ zeigen, gibt es keine
Patentrezepte; doch die vorliegenden Studien und Analysen
belegen, dass unter anderem folgende kreative Treiber bei
markenspezifischer Umsetzung der Spot-Wirkung einen zusätzlichen Schub geben können:
elungene Kreation kann und muss beim Zuschauer
G
Involvement (= „Ich-Beteiligung“) hervorrufen.
Voraussetzung für eine effektive Spot-Kreation ist zudem,
dass die Werbebotschaft fokussiert, klar und verständlich
vermittelt wird und formal und inhaltlich einen eindeutigen
Bezug zur Marke herstellt.
E
in weiterer wichtiger Punkt ist zudem die Unverwechselbarkeit und Originalität des Spots.
A
uch der Einsatz von allseits bekannten Mustern und gelernten Reizen zieht die Aufmerksamkeit des Zuschauers auf sich.
In der Kombination mit überraschenden, unvorhersehbaren
Effekten kann der Einsatz von bekannten Mustern die Zuschauer auch über den Spot-Verlauf involvieren und binden.
Von den möglichen einsetzbaren Kreativtechniken ist das
Storytelling besonders wirksam.
E
benso sind Spots, die mit Normen- bzw. Tabubrüchen
arbeiten, in der Regel überdurchschnittlich wirksam.
Weitere kreative Treiber sind gezielt eingesetzte Emotionen
wie Humor, Action und Rührung.
A
uch die traditionelle Werbetechnik der künstlichen Verknappung hat Wirkpotenzial.
Mit der Datenbank des „CreaKompass“ sind zudem auf
markenindividueller und branchenspezifischer Betrachtungsebene tiefergehende Analysen und erste Benchmarks möglich.
www.ip-deutschland.de
5
Methodik
Die drei Säulen des „CreaKompass“
Mit einem neuen Forschungstool untersucht IP Deutschland den Einfluss der Spot-Kreation auf die
Werbewirkung und deckt kreative Treiber von erfolgreichen TV-Spots auf.
Im Rahmen des „CreaKompass“ geht IP Deutschland der Fragestellung nach, inwiefern die Spot-Kreation die Werbewirkung beeinflusst und was die kreativen Treiber wirkungsvoller Fernsehwerbung
sind. Um das Thema umfassend und aus mehreren Perspektiven
zu beleuchten, hat IP dazu drei Studien mit jeweils unterschiedlichen methodischen Herangehensweisen in Auftrag gegeben.
Es handelt sich somit um einen Multi-Methoden-Ansatz, der
eine facettenreiche, ganzheitliche Betrachtungsweise der Fragestellung ermöglicht. Die Studien sind dabei miteinander vernetzt und sollen in ihrer Gesamtheit ein abgerundetes, tiefgehendes Bild über die kreativen Treiber wirkungsvoller Werbung
geben.
Mit dieser Methodenkombination geht IP neue Wege bei der genannten Fragestellung und möchte damit Werbetreibenden eine
weitere, zwar bekannte, doch häufig im konkreten Fall vernachlässigte Stellschraube für Werbe-Effektivität – die Spot-Kreation –
noch greifbarer machen.
1. Baustein: Literaturstudie
Die Basis für den „CreaKompass“ bildet die Literaturstudie, die
das Institut Werbestolz für IP Deutschland durchgeführt hat. Die
Sekundäranalyse gibt einen Überblick über den Stand der Forschung zur Wirkung von Kreativität in der TV-Werbung und zeigt
bisherige Erkenntnisse zu dieser Thematik auf. Die Studien werden dabei auf einer Meta-Ebene analysiert und daraus Empfehlungen für weiterführende Untersuchungen abgeleitet. So sind
auch die Ideen für die weiteren zwei Studien aus dem „CreaKompass“ entstanden.
6
Dossier I / 2010 | Spot-Kreation und Werbewirkung
2. Baustein: Quantitative Inhaltsanalyse
Die zweite Säule bildet eine umfassende quantitative Inhaltsanalyse. Das Medien Institut in Ludwigshafen, das bereits eine Vielzahl inhaltsanalytischer Studien zu TV-Content betreut hat, hat
dafür auf Basis eines ausführlichen Code-Plans mehr als 1.000
Spots vercodet. Die TV-Spots wurden nach dem Zufallsprinzip ausgewählt, wobei 292 dieser Spots aus dem Jahr 1998 stammen und
359 aus 2008, um einen Zehn-Jahres-Vergleich anstellen zu können. Zudem sind mehr als 300 durch den Art Directors Club (ADC)
prämierte TV-Spots in der Stichprobe enthalten. Durch die vergleichende Betrachtung prämierter und nichtprämierter Spots gibt die
Studie auch Aufschluss darüber, welche Eigenschaften ein TV-Spot
mitbringen muss, um – in diesem Fall nach den Maßstäben des
ADC – einen Kreativ-Preis zu gewinnen.
Hauptsächlich zeigt die repräsentative Untersuchung auf, in welchem Umfang erfolgreiche kreative Treiber wirkungsvoller Werbung in der Realität überhaupt eingesetzt werden und welche Gestaltungsmerkmale bei Kreativen und Werbetreibenden beliebt
sind. Besonderen Erkenntnisgewinn liefert diese Studie auch
zur Wirkkraft einzelner Gestaltungsmerkmale. 80 der TV-Spots,
die in dieser Studie inhaltsanalytisch ausgewertet wurden, waren auch im qualitativen Studiotest – dem dritten Baustein des
„CreaKompass“ – vertreten und wurden dort auf ihre Werbewirkung hin überprüft. Durch ein Matching beider Studien sind Aussagen über den Wirkungseinfluss einzelner Gestaltungsmerkmale
möglich.
Lite
studie
r
Den dritten Teil des „CreaKompass“ bilSt
ud
iot
det ein qualitativer Studiotest. Ziel dieser
est
Untersuchung ist es, die Spot-Kreation unter
Involvement-Aspekten zu beleuchten und für bestimmte Kommunikationsziele den Einsatz von „erlernten“,
aber auch innovativen Techniken genauer zu untersuchen.
Das Institut Mediascore hat dazu in bisher zehn Wellen
100 TV-Spots detailliert auf ihre Kreation hin untersucht
und den Erfolg von verschiedenen kreativen Elementen auf
Basis des Spot-Involvements ermittelt. Dazu wurde neben
den klassischen Outcome-Parametern das unmittelbare
emotionale und kognitive Werbeerleben über die Messung
der physiologischen Aktivierung und der Gefallensbeurteilung während der Rezeption mit betrachtet.
Insgesamt wurden dafür seit September 2008 in regelmäßigen Abständen zehn Testreihen mit jeweils 40 Personen im Alter von 18 bis 54 Jahren (jeweils zur Hälfte
Männer, zur Hälfte Frauen) durchgeführt. Pro Welle wurden zehn Werbespots getestet, die jeweils in eine aktuelle Ausgabe des RTL Magazins „Punkt 12“ eingebettet
waren. Die TV-Spots wurden zufällig ausgewählt und
stammen aus verschiedenen Branchen. Während der
Rezeption wurden die apparativen Parameter erfasst.
Anschließend fand eine postrezeptive Befragung statt.
Die Ergebnisse für jeden einzelnen Spot sind jetzt in einer Datenbank erfasst, die somit erste Benchmarkings
ermöglicht. Da die Zielgruppe und das Format in dieser
Studie immer konstant gehalten wurden, sind die Wirkungsdimensionen der TV-Spots sehr gut untereinander vergleichbar.
Ergänzende Insights aus der Praxis
Abgerundet werden diese drei Säulen des „CreaKompass“
durch einige „Spotlights“ aus anderen Studien zum Thema
Spot-Kreation und Werbewirkung und mit einer Umfrage,
die IP Deutschland unter namhaften Werbeagenturen und
Marktforschungsinstituten durchgeführt hat. Sie sollen
aus ihrer praktischen Erfahrung eine Einschätzung zur Relevanz von Kreation und Kreativität für die Werbewirkung
geben.
sa
na
lys
e
Steckbrief „CreaKompass“
e
tiv
lita
Qua
3. Baustein:
Qualitativer Studiotest
ratur-
alt
Inh
1. Literaturstudie:
Was sagt die bisherige Forschung zum Thema SpotKreation und Werbewirkung?
ielsetzung: Die Studie gibt einen Überblick über den Stand
Z
der Forschung zum Thema Spot-Kreation und Werbewirkung
und fasst auf einer Meta-Ebene bisherige Studienergebnisse
zusammen.
Erhebungsmethode: Sekundäranalyse
Durchführendes Institut: Werbestolz
2. Inhaltsanalyse:
Welche Gestaltungsmerkmale werden überhaupt in der Fernsehwerbung eingesetzt und welchen Einfluss haben sie auf die
Werbewirkung?
ielsetzung: Diese Untersuchung zeigt auf, welche GestalZ
tungsmerkmale wie häufig zum Einsatz kommen, wie sie
sich in einem 10-Jahres-Vergleich (1998–2008) gewandelt
haben und welche Gestaltungsmerkmale prämierte TVSpots auszeichnen. Zudem zeigt die Studie auf, welche
Gestaltungsmerkmale signifikant die Werbewirkung steigern
können.
Erhebungsmethode: Inhaltsanalyse von über 1.000 Spots nach
verschiedenen formalen und inhaltlichen Gestaltungskriterien.
Durchführendes Institut: Medien Institut
3. Qualitativer Studiotest – Spot-Kreation und Involvement:
Wie lassen sich Kommunikationsziele auf „erlernte“ vs. innovative
Art und Weise erreichen?
ielsetzung: TV-Spots mit bewährten, aber auch innovativen
Z
Kreationen sollen auf ihr qualitatives Wirkpotenzial hin
überprüft werden. Durch die Messung von Emotionen und
Kognition während der Rezeption ist es möglich, einzelne TVSpots detaillierter zu analysieren und die Spot-Kreation unter
dem Gesichtspunkt Involvement zu betrachten.
E
rhebungsmethode: Qualitativer Studiotest mittels apparativer Testverfahren, die die physiologische Aktivierung und
das unmittelbare Spot-Gefallen messen, und postrezeptiver
Befragung. Insgesamt wurden bisher zehn Wellen mit
jeweils 40 Personen im Alter von 18 bis 54 Jahren durchführen zu können. Um die TV-Spots untereinander vergleichen
und Benchmarking durchführen zu können, wurde in jeder
Testwelle immer dasselbe Format eingebunden und die
gleiche Zielgruppe ausgewählt.
Durchführendes Institut: Mediascore
www.ip-deutschland.de
7
1. Literaturstudie zum Stand der Forschung
Kreativität – Der Schlüssel zum Erfolg?
Die Auseinandersetzung mit dem Thema Spot-Kreation und Werbewirkung ist nicht neu! Doch wie ist der
Stand der Forschung? Wie gingen bisherige Studien bei der Untersuchung dieser Fragestellung vor und
welche Erkenntnisse haben sie zutage gefördert? Antworten darauf gibt die folgende Analyse.
Eckhard Preis,
Geschäftsführer Werbestolz
Seit jeher wird gute Werbung
auf Kreativwettbewerben ausgezeichnet. Agenturen und deren Kreative erhalten Preise
für überragende Kommunikation in Cannes, beim ADC und
bei vielen anderen Kreativwettbewerben. Und nach einigen
mageren Jahren stehen auch
wieder häufig deutsche Kampagnen und Agenturen auf den Siegertreppchen der Werbe-Festivals.
Eine mit Kreativpreisen ausgezeichnete Kampagne sagt aber über
den Markterfolg nicht unbedingt etwas aus. Zuweilen sind Kampagnen eher kreativer Selbstzweck und dienen stärker der Demonstration von Agentur-Können als dem Gewinnen von Marktanteilen.
Kreativität und Effizienz gleichermaßen bewertet seit 1981 der
Effie des Gesamtverbands Werbeagenturen (GWA): Wer daran teilnimmt, muss auch die Wirkung der Kampagne nachweisen, um
ernsthafte Chancen auf eine Prämierung zu haben.
Auch in Produktbereichen, die lange Zeit nicht gerade als kreative
Spielwiese galten, ist kreative Werbung auf dem Vormarsch. Beispielsweise startete Procter & Gamble 2003 eine Kreativitätsoffensive: Die Agenturen des Konsumgüter-Riesen sollten kreativere
Werbung entwickeln und diese auch bei den Kreativ-Wettbewerben
einreichen. Die Strategie ging auf: 2008 wurde Procter & Gamble
beim Werbefestival in Cannes zum „Kunde des Jahres“ gekürt und
kann mittlerweile auf 40 Cannes-Lions zurückblicken.
Zusammenhang von Kreativität und Zielerreichung
der Kampagne
Angaben in %
Zielerreichung:
gering
mittel
hoch
100 %
8,1
29,7
80 %
33,3
62,2
60 %
41,7
40 %
57,7
Insgesamt scheint Kreativität in vielen Fällen aber auch etwas zum
Markterfolg der beworbenen Produkte und Dienstleistungen beizutragen. Kampagnen, die auf Kreativ-Festivals Preise abräumen,
sind auch beim Effie deutlich erfolgreicher, stellte 2004 der damalige Scholz-&-Friends-Chef und ADC-Vorstandssprecher Sebastian
Turner fest (Turner, 2004).
20 %
0%
Dossier I / 2010 | Spot-Kreation und Werbewirkung
3,8
gering
3,8
mittel
hoch
Quelle: Volker Trommsdorff: „Werbe-Pretests – Praxis und Erfolgsfaktoren“ (2003),
Basis: 99 Kampagnen.
Abb. 1
8
25,0
38,5
Auch die Forschung liefert viele Belege für die Bedeutung von Kreativität in der Werbung. In der Studie „Werbe-Pretests – Praxis und Erfolgsfaktoren“ untersuchte Marketing-Professor Trommsdorff von der
TU Berlin Werbekampagnen auf ihre Kreativität und die Erreichung
der gesetzten Ziele (Trommsdorff, 2003). In der umfassenden Analyse konnte er verschiedene Erfolgsfaktoren identifizieren. Den mit
Abstand größten Einfluss auf die Zielerreichung der Kampagnen im
Markt hatte jedoch ihre Kreativität: Je kreativer die Kampagnen waren, desto größer war auch ihr Markterfolg (siehe Abb. 1)!
Wie erkennt und bewertet man kreative Werbung?
und Unternehmen um die Einschätzung der eigenen Kampagne
in puncto Kreativität. Als Kriterien verwendet er Originalität/Neuartigkeit, Qualität der technischen Umsetzung, Verständlichkeit/
Klarheit, Motivationskraft/Überzeugungskraft, Emotionalität, Differenzierung gegenüber Wettbewerbern („Uniqueness“) und Produktbezug. Die ersten vier Kriterien entsprechen den ADC-Regeln,
„Freude“ ersetzt er durch Emotionalität. Die anderen beiden Kriterien nimmt er neu hinzu. Die beiden für den Kreativ-Erfolg von Werbung entscheidenden Dimensionen sind für Trommsdorff jedoch
Neuartigkeit bzw. Originalität und Strategiebezug des Kampagnenentwurfs. Alle anderen Kriterien betrachtet er als untergeordnet.
Ralf Langwost stellt in seiner Analyse „Creative Effectiveness
2006“ 35 Kampagnen in Fallstudien ausführlich dar und zeigt,
Wie macht man Kreativität greifbar? Die Diskussion darüber ist so
wie sie eine eigene „Big Idea“ entwickeln, einsetzen und schließalt wie die Werbung selbst. In der Überzeugung vieler Kreativer ist
lich damit dem Produkt zum Erfolg verhelfen. Für Langwost zeichdie objektive Messung und Bewertung von Kreativität eigentlich
nen sich kreative und effiziente Kampagnen dadurch aus, dass
ein Widerspruch in sich selbst. Demnach können kreative Dinge,
sie eine oder wenige relevante Aussagen auf unerwartete, überradie jenseits des Normalen entstehen, mit genormten Verfahren
schende Art präsentieren und einen unmittelbaren Produktbezug
nicht bewertet werden. Es gibt in ihren Augen entweder kraftvolle,
herstellen. Diese Kriterien zeigen in eine
kreative Kampagnen oder durch Marktforähnliche Richtung wie die von Trommsschung abgesicherte, risikolose und damit
Je kreativer die Kampagnen
dorff aufgestellten Anforderungen.
langweilige Kampagnen.
waren, desto größer war auch
In dem häufig zitierten Artikel „Creative
Ist also kreativ, was Kreativpreise bekommt?
ihr Markterfolg!
Enough for the Financial Director“ fassen
Sind es also pure Inspiration und Intuition,
die beiden Millward-Brown-Mitarbeiter
die zu einem bemerkenswerten Ergebnis
Andy Farr und Sue Gardiner Ergebnisse
führen? Der Art Directors Club (ADC) sagt „nein“ und hat Kriterien
und Erkenntnisse der institutseigenen Forschung zusammen (Farr/
zur Bewertung von Kreativität entwickelt (Turner, 2004). Sie sind
Gardiner, 2001). Dabei wird ebenfalls die Neuartigkeit der Idee
inzwischen allgemein anerkannt und werden beispielsweise auch
als Basis von Kreativität angesehen, sofern sie gut kommuniziert
beim Effie des Gesamtverbands Werbeagenturen angewendet.
wird und dadurch beim Empfänger der Werbebotschaft Interesse
und Involvement erzeugt. Entscheidend für die Werbewirkung ist
Die fünf ADC-Regeln sind Tipps zum Erkennen und Bewerten der
jedoch auch für diese Autoren die Verbindung von Kreativität und
Kreativität von Werbung, erstellt von Kreativ-Profis für ihre Kollegen,
Marke: Kreativität muss demnach streng im Dienste des Produkts
ihre Auftraggeber und alle, die professionell mit Werbung zu
oder der Marke stehen und darf Produkt oder Marke nicht übertun haben:
trumpfen („Creativity must not overshadow the brand.“).
Originalität: Ist die Arbeit neu und originär? Durchbricht sie Normen?
Wie wird Werbe-Kreativität erforscht?
Klarheit: Ist die Arbeit leicht erfassbar? Werden die Inhalte
Oft wählen Forscher preisgekrönte und damit erfolgreiche Kampa sofort begriffen?
gnen aus und analysieren, was in diesen Kampagnen „richtig“ ge Überzeugungskraft: Werden die Argumente für das Produkt
macht wurde. Sie suchen nach immer wiederkehrenden Mustern,
glaubhaft wiedergegeben?
fassen sie zu Erfolgsfaktoren zusammen und leiten daraus Regeln
Machart: Ist die Arbeit handwerklich überzeugend? Stimmen
für kreative Werbung ab. Ihre Frage lautet im Grunde genommen:
alle Einzelheiten und ergeben sie ein homogenes Ganzes?
„Was macht kreative Kampagnen kreativ?“ Mit diesem Ansatz ver Freude: Macht es Spaß, die Arbeit zu sehen, zu hören oder
wischen jedoch schnell Untersuchungsgegenstand und Untersu anzufassen? (Turner, 2004)
chungsergebnis. Die eben zitierten drei Untersuchungen der letzten Jahre gehen einen anderen Weg:
In seiner bereits erwähnten Untersuchung „Werbe-Pretests – Praxis
Volker Trommsdorff nahm 2003 im Auftrag von Stern und
und Erfolgsfaktoren“ lehnt sich Marketing-Professor Trommsdorff
SevenOne Media 122 deutsche Kampagnen unter die Lupe. Zu
(2003) an diese ADC-Kriterien an. Er bittet die befragten Agenturen
www.ip-deutschland.de
9
diesen hatte er von den Werbungtreibenden oder Agenturen Informationen in Form einer standardisierten Abfrage bekommen.
Die Kampagnen mussten lediglich einen Pretest durchlaufen haben und danach auch tatsächlich geschaltet worden sein. Abweichend von anderen Untersuchungen sind hier also völlig „normale“ Kampagnen auf dem Prüfstand, die keine Preise gewonnen
haben. Damit kann Trommsdorff verschiedene Kreativitätsstufen
untersuchen und weist nach, dass Kreativität für den Markterfolg
die mit Abstand wichtigste Komponente ist.
ren“ mit einer gefälligen Werbegestaltung. Doch das Thema bleibt
weiter komplex: ein anerkanntes, alles erklärendes Werbewirkungsmodell gibt es bis heute nicht. Das Variablengestrüpp aus
Einflussfaktoren, Wirkungsebenen und Resultaten ist vielschichtig und schwer zu entwirren. Das Konzept der Kreativität als
Bedingung für Werbeerfolg findet man bei Werbeforschern zudem kaum. Meist werden einzelne Gestaltungselemente untersucht oder benannt, ohne dabei über die Kreativität eines
Werbespots zu reden. „Kreativität kann man nicht messen, nur
ihre Effekte“, lautet vielfach die Überzeugung.
In der Analyse „Creative Effectiveness 2006“ untersucht Ralf Langwost Kampagnen, die kreativ und in Sachen Effizienz punkten konnten.
Der Beitrag der Grundlagenforschung: Als Standardweg des ErErstaunlicherweise waren von 1.417 Euro-Effie-Gewinnern nur 138
kenntnisgewinns erfordert das wissenschaftlich „saubere“ ExpeKampagnen auch bei den Kreativwettbewerben Cannes oder ADC Euriment, dass möglichst viele Rahmenbedingungen kontrolliert –
rope erfolgreich. Diese zehn Prozent „Dopalso zumeist gleichgeschaltet – werden,
pel-Champions“ nimmt Langwost unter
um die experimentell erzeugten EinflussDer Status quo der
die Lupe und erklärt, wie wichtig die „Big
faktoren „in Reinkultur“ zu beobachten.
Forschung präsentiert sich
Idea“ in Kombination mit der Lenkung auf
So entstehen kleine Mosaiksteinchen zum
das Produkt ist.
Thema Kreativität und Werbewirkung, eine
als ein weitläufiges Feld mit
Verallgemeinerung bleibt jedoch überwieimmer
noch
unzähligen
Auch die Sekundäranalyse von Pretest-Ergend Wunschdenken.
gebnissen aus der Datenbank von großen
Baustellen.
Marktforschungsinstituten, wie beispielsEx-post-Analysen erfolgreicher Werbung:
weise bei Farr und Gardiner (2001), ist viel
Beobachtet man auf einer Meta-Ebene
versprechend. Hier gehen alle Spots in die Analyse ein, und über
die Effekte von Werbung und versucht,
die statistische Bewertung verschiedener Einflüsse auf die Werstatistisch auf Erfolgsfaktoren zu schließen, können auch daraus
bewirkung lassen sich Faktoren der Kreativität bestimmen. Ausnur schwer allgemeingültige Regeln abgeleitet werden. Die Erführlichere Ergebnisse mit diesem Ansatz liefert die GfK/GWA-Stukenntnisse hängen stark vom Ausgangsmaterial der Analyse ab
die „TV-Werbung: der Einfluss von Gestaltungsmerkmalen“ (GWA,
und liefern nur eine Retrospektive. Was in den Köpfen der Rezipi1997), die weiter unten ausführlich vorgestellt wird.
enten geschieht, ist so nicht zu erschließen.
Herangehensweise und Stand der Forschung
Kreativität bei TV-Spots ist für Deutschland frühestens seit dem
Beginn des Werbefernsehens ein Thema, de facto aber erst seit
dem Durchbruch der Privatsender und der damit verbundenen
Erweiterung der verfügbaren Werbezeiten. 1981 wurde der erste
Effie in Deutschland verliehen; seit knapp 30 Jahren ist also die
Kreativität von TV-Spots hierzulande ein Thema. Erforscht war
dieses Neuland bereits, wenn auch eher in den USA. Man ging
jedoch lange Zeit von einfachen Reiz-Reaktions-Mustern aus und
von einer bewussten und aufmerksamen Verarbeitung der werblichen Argumente beim Rezipienten. Einen Wendepunkt markiert
das Elaboration Likelihood Modell (Petty & Cacioppo, 1986), das
die Idee einer beiläufigen Werberezeption ohne größeres Interesse einführte und deren Rahmenbedingungen definierte. Involvement wird damit zum Schlüsselbegriff der Werbewirkung und
„Low Involvement“ zur Standardsituation der Werberezeption.
Nun ist klar, dass es nicht nur um Lernen im Sinne von Wissensvermittlung geht, sondern um „Unterhalten“ und „Emotionalisie-
10
Dossier I / 2010 | Spot-Kreation und Werbewirkung
Der Status quo der Forschung zu Kreativität und Werbewirkung
von TV-Spots präsentiert sich als ein weitläufiges Feld mit immer noch unzähligen Baustellen. Die übliche quantitative, experimentelle oder analytische Herangehensweise stößt möglicherweise an ihre Grenzen. Dagegen sind qualitative, verstehende
Ansätze bislang rar geblieben, obwohl eine offene Annäherung
an das Thema aus dem Blickwinkel der Werberezipienten innovativ und viel versprechend ist.
Wie wirkt kreative Werbung?
Fast jeder möchte gerne kreative Werbung machen – wer würde
schon freiwillig auf „unkreative“ Werbung setzen? Kreativität ist
das Wundermittel, das die von Werbung prinzipiell gelangweilten Konsumenten zum begeisterten Schwärmen über eine „total
coole Fernsehwerbung“ bringt. Der Spot wird zum Kult und die
Marke – wenn man es richtig anpackt – zum Star. Wie jede Wer-
Goods (FMCG), die mit dem GfK-Instrument AD*Vantage mit insgebung unterliegen auch solche Werbe-Highlights den Gesetzmäßigsamt 200.000 Befragten getestet wurden. Im Fokus stehen die Efkeiten der Werbewirkung und sind deshalb kein Zufall. Das sollte
fekte verschiedener Spot-Gestaltungstypen auf die Wirkungskritealle, die mit Werbegestaltung zu tun haben, dazu ermutigen, sich
rien Awareness, Likeability und Veränderung der Markenpräferenz.
ebenfalls Kreativität zunutze zu machen. Wer auf kreative Werbung
setzt, bekommt garantiert „von vielem ein bisschen mehr“. Als gesiDen höchsten Effekt der Spot-Kreativität
chert kann die höhere Awareness-Wirkung
ermittelte die GfK mit 70 Prozent für Likekreativer Werbespots gelten: Sie erzielen
Wer auf kreative
ability; demnach lassen sich 70 Prozent der
im Vergleich zu durchschnittlichen Spots
Werbung setzt, bekommt
Likeability-Veränderungen auf Spot-Kreativieine höhere Aufmerksamkeit. Außerdem
tät zurückführen. Für Awareness berechnet
erzielen kreative Spots wegen ihres högarantiert von vielem ein
die GfK mit 50 Prozent ebenfalls einen
heren Unterhaltungswerts eine positivere
bisschen mehr.
starken Einfluss der Spot-Kreativität, wogeBewertung (Likeability) bei den Zuschaugen die Veränderung der Markenpräferenz
ern. Diese Befunde werden durch eine Fülnur zu 28 Prozent durch den Faktor Kreativile von Untersuchungen gestützt, so beispielsweise auch durch viele
tät bestimmt wird, aber zu 72 Prozent andere Ursachen hat.
Studien der IP Deutschland zu den Effekten kreativer Sonderwerbeformen. Dagegen sind Änderungen der Markenpräferenz oder
ein höherer Abverkauf aufgrund besonders kreativer Werbung nicht
Die Millward-Brown-Mitarbeiter Andy Farr und Sue Gardiner (2001)
zwingend zu erwarten, auch wenn eine empirische Untersuchung
finden für kreative Werbe-Spots eine höhere Werbeerinnerung, so(s. u.) von einem indirekten Zusammenhang spricht.
fern ein Link zwischen Kreativität, Marke und Botschaft besteht. In
ihrem bereits erwähnten Artikel „Creative Enough for the Financial
Director“ berichten sie zudem von einem Zusammenhang zwischen
In einem Dossier des Schweizer Vermarkters Publisuisse (2005),
Awareness und Abverkauf, sodass Kreativität indirekt auch den Umin dem es auch um das Thema Spot-Gestaltung geht, wird die Aufsatz beeinflusst. Das Marken-Image kann mittelbar ebenfalls von
gabe eines „guten“ TV-Spots darin gesehen, den Zuschauer zu fasKreativität profitieren, indem sich die positive Einstellung zur Werzinieren und bei der Stange zu halten. Fernsehwerbung soll die Aufbung (Likeability) auf die beworbene Marke überträgt: „Love the ad,
merksamkeit der Zuschauer erregen, indem sie aktiviert, eine innere
then you come to love the brand.“
Beteiligung auslöst (Involvement) und ihnen gefällt (Likeability).
Awareness und Spot-Gefallen (Likeability) werden auch in einer
Analyse des GWA in Zusammenarbeit mit der GfK („TV-Werbung: Der
Likeability bezieht sich also zunächst nur auf das Werbemittel.
Einfluss von Gestaltungsmerkmalen“, GWA, 1997) als wichtigste EfDaher ist besonders darauf zu achten, dass sich dieser Effekt
fekte von Kreativität genannt. Empirische Basis der Untersuchung
auch auf die Marke oder das Produkt überträgt. Häufig berichbilden 1.800 Spots aus dem Bereich der Fast Moving Consumer
ten Zuschauer begeistert von einem lustigen Spot, dessen HandWerbeerinnerung und ihre Vorstufen/Einfluss von Werbemittel und Produktbezug
Einstieg
Markenbezug
Starke Reize
Aktivierung
Aktivierung
Werbemittel-Awareness
Kontakt mit dem
Werbemittel
Bezug zu Rezipienten
Involvement
Gelungene Umsetzung
Likeability
Beschäftigung
mit dem
Werbemittel
Werbeerinnerung
Involvement
Erinnerung an Werbung
für die Marke
Likeability
werden auf die
Marke gelenkt
Quelle: Eckhard Preis / Werbestolz
Abb. 2
www.ip-deutschland.de
11
lung und Pointe sie perfekt wiedergeben können – nur um welche
Marke es ging, wissen sie nicht. Trommsdorff warnt daher in seiner Studie: „Werbekreativität ist kein Selbstzweck. Die Idee, die
Botschaft oder auch das eingesetzte Werbemittel muss im Rahmen der Werbestrategie sinnvoll sein und ein konsistentes und
dennoch neues Bild ergeben.“ (Trommsdorff, 2003, Seite 89).
Fernsehspots sollten also nicht nur gut gefallen, sondern auch
zur Markenbotschaft hinführen – erst dann kann von Wirkung im
Sinne des Auftraggebers gesprochen werden. Doch wie kann dies
sichergestellt werden?
und wie kombiniert man schließlich die besonders geeigneten
Elemente zu einem eigenen kreativen Werbespot?
Kreativität wirkt demnach auf der Ebene des Werbemittels bzw. des
Werbespots: Sie macht ein Werbemittel attraktiv und lädt zur weiteren Beschäftigung ein. Aus der geschickten Verknüpfung mit der
Marke oder ihrer Botschaft ergibt sich dann die Werbeerinnerung
für die Marke – die Ausgangsbasis für weitere Verarbeitungsschritte
(siehe Abb. 2).
Am einfachsten zu handhaben sind die Rahmenbedingungen
des Mediums, denn sie sind gut erforscht und weithin gültig:
Im Fernsehen dominiert – wie bereits dargelegt – Low Involvement die Rezeptionssituation: Zuschauer wollen und können
sich mit Werbung in der Regel nicht aktiv auseinandersetzen. Damit scheiden ausgedehnte Argumentationsketten oder die Vermittlung einer Fülle von Informationen bereits im Vorfeld als Gestaltungselement aus. Formale Aspekte sind die Spot-Länge
und die Option zur Nutzung von Sonderwerbeformen. Studien
zu Spot-Länge und Werbewirkung belegen die Stärke von Spots,
die die klassische Länge von 30 Sekunden ausnutzen. Zum fernsehtypischen Inszenieren und Emotionalisieren von Marken sind
demnach längere Spots prinzipiell besser geeignet. Die besondere Awareness-Wirkung von Sonderwerbeformen ist ebenfalls durch
Studien gut belegt: ihre exponierte Position in direkter Nähe zum
Programm liefert die Steilvorlage für eine besondere Beachtung.
Trotz einer langen Forschungstradition und einer Fülle von
Einzelbefunden sind allgemeine Aussagen zur Wirkung von Gestaltungsmerkmalen nur selten anzutreffen. Uli Gleich stellt in
seiner Übersicht „Werbewirkung als Interaktion von Werbegestaltung und Rezipient“ (Gleich, 2005) ernüchtert fest: „Je mehr
Befunde darüber vorliegen, wann, wie und warum Konsumenten
Informationen wahrnehmen, interpretieren, verarbeiten und zur
Grundlage von Entscheidungen machen, desto schwieriger ist
In der täglichen Praxis steht die Awareness-Wirkung von Werbung
es, zu generellen Aussagen über die Wirkung von Gestaltungsalim Vordergrund, also die Erinnerung an Werbung für ein Proternativen in der Werbekommunikation zu gelangen.“ Und: „Was
dukt, eine Marke oder ein Unternehmen.
sie bei den Rezipienten jeweils auslösen,
Die Messung von Awareness ist einfach,
hängt von einer Reihe unterschiedlicher
Bei Likeability ist darauf
und da ohne sie die höheren Stufen der
Faktoren auf Seiten der Empfänger ab, so
zu achten, dass sich dieser
Werbewirkung in der Regel nicht erreicht
dass kaum einfache und allgemeingülwerden, konzentrieren sich viele Auftragtige Kausalbeziehungen zwischen speziEffekt auch auf die
geber von Werbetrackings oder Werbewirfischen Kommunikationsinhalten und den
Marke oder das Produkt
kungstests auf dieses „EinstiegskriteriReaktionen der Konsumenten angenomum“ – zu Recht!
men werden können.“ – Fazit: Patentreüberträgt.
zepte gibt es nicht!
Genauer betrachtet ist Awareness nämlich das Endergebnis eines
Wahrnehmungsprozesses, in dessen Verlauf Kreativität eine Rolle
Die Spot-Gestaltung ist eine von vielen Stufen im Werbeprozess,
spielt: Geben Personen in Befragungen an, die Werbung für ein
der mit der Absicht beginnt, Werbung zu betreiben und
Produkt oder eine Marke wahrgenommen zu haben, hat zwangsder mit der geschalteten Werbekampagne noch nicht zu
läufig auch ein Kontakt mit dem Werbemittel stattgefunden.
Ende ist. Daher gelten für die Kreation des WerbeUnd wenn dieser Werbemittelkontakt zu einer hohen Werbeerinmittels einige – von Fall zu Fall unterschiedliche – Rahmennerung für Marke oder Produkt geführt hat, war das Werbemittel
bedingungen, die den Bereich möglicher Gestaltungsvarianten
höchstwahrscheinlich kreativ und lenkte gleichzeitig die entstanabstecken. Nicht nur von Seiten der Rezipienten bestehen Eindene Aufmerksamkeit auf die erinnerte Marke oder das erinnerte
flüsse, sondern auch durch das Medium (TV), das Unternehmen,
Produkt.
das Produkt und das Marktumfeld (siehe Abb. 3).
Gibt es einen Bauplan für perfekte kreative Werbung?
Im Fernsehen liefert jeder Werbeblock aktuelles Anschauungsmaterial zur Spot-Gestaltung. Mal treten niedliche Kinder auf, mal bewährt sich die Marke gegen einen unbekannten Konkurrenten, mal
gibt es spektakuläre Bilder, schmissige Musik oder witzige Einlagen. Aber wie zerlegt man das „Gesamtkunstwerk Werbespot“ in
sinnvolle Einzelteile, wie prüft man deren Beitrag zum Werbeerfolg
12
Dossier I / 2010 | Spot-Kreation und Werbewirkung
Auf Seiten der Werbungtreibenden ist zunächst ein Budgetrahmen zur Umsetzung der Werbespots einzuhalten, außerdem
sind eventuell Corporate-Identity-Vorgaben zu beachten oder Key
Visuals zu integrieren. Des Weiteren sind im Briefing üblicherweise die Kommunikationsstrategie, die Ziele und die Kommunikationsinhalte mehr oder weniger klar definiert. Möglicherweise
gibt es auch bestimmte Vorstellungen, welche Art von Werbeauftritt zum Unternehmen passt: Manche Unternehmen „vertragen“
verrückte, überdrehte Werbung gut, andere würden damit ihr
seriöses Image aufs Spiel setzen.
Das Marktumfeld spielt bei der Werbegestaltung ebenfalls eine
Rolle: Auf die Aktivitäten der Wettbewerber und die werblichen
Gepflogenheiten der Branche kann man mit Variation reagieren
oder einen bewussten Bruch mit den „Branchen-Werbetraditionen“
herbeiführen. Zumindest sollte der Werbeauftritt eine eigene Note
haben, um sich gestalterisch von den Mitbewerbern abzusetzen.
Erheblichen Einfluss auf die Gestaltungsoptionen haben zu guter
Letzt die Merkmale der Zielgruppe – schließlich sollen sich die
Rezipienten der Werbung von den Spots angesprochen fühlen
und involviert werden. Werbespots tun gut daran, die ästhetischen oder musikalischen Präferenzen der Zielgruppe zu berückAus dem Charakter des Produkts als „Hauptperson“ der Werbesichtigen. Hilfreich ist insgesamt das Wissen darüber, was man
spots ergeben sich weitere Rahmenbedingungen für die kreaseiner Zielgruppe „zumuten“ kann, ohne sie zu überfordern, zu
tive Ausgestaltung. Produkte des täglichen Bedarfs verursachen
brüskieren oder nicht ernst zu nehmen.
beim Verbraucher üblicherweise geringes
Auch das Informations-, Kauf- und VerInvolvement. Hier sind unterhaltende GeEin Zeichen kreativer
wendungsverhalten sowie die Bedeutung
staltungselemente angebracht, um dem
Werbung ist es, kunstvoll
des Produkts für die Zielgruppe nehmen
Konsumenten einen „emotionalen MehrEinfluss auf die Spot-Gestaltung.
wert“ zu vermitteln. Bei teureren oder für
mit den Erwartungen
den Konsumenten besonders bedeutder Fernsehzuschauer
Diese Rahmenbedingungen der Spotsamen Produkten kann mit einem höKreation sind jedoch ein Korsett, das den
heren Involvement gerechnet werden, so
zu spielen.
kreativen Spielraum in nicht geringem
dass hier auch mehr ProduktinformatiMaße zu beschränken scheint. Und wenn
onen erlaubt sind. Doch auch dann sollten sich Erklärungen auf
alle diese Punkte berücksichtigt sind, resultiert daraus nicht
die wichtigsten Punkte konzentrieren, um die Zuschauer nicht
automatisch kreative Werbung. Es ist dennoch hilfreich, Zusamübermäßig zu strapazieren. Auch die Positionierung, das darzumenhänge und „Regeln“ zu kennen – vielleicht gerade auch,
stellende Produkt-USP oder die Botschaft bestimmen die Ausum einige davon bewusst zu missachten! Ein Zeichen kreativer
wahl der Gestaltungselemente. Die Information über eine RaWerbung ist schließlich, kunstvoll mit den Erwartungen der Fernbatt- oder Preisaktion („das gibt es dort ab dann und so lange
sehzuschauer zu spielen und dadurch Awareness für die Marke
günstiger“) erfordert sicherlich eine andere Herangehensweise
zu erzeugen.
als die Schärfung des Marken-Images.
Einflussfaktoren der Spotgestaltung
Unternehmen
Produkt
Medium
Spotgestaltung
Marktumfeld
Zielgruppe
Quelle: Eckhard Preis / Werbestolz
Abb. 3
www.ip-deutschland.de
13
Einzelmaßnahmen der kreativen Spot-Gestaltung
Die Zahl der Gestaltungselemente oder Gestaltungsoptionen für TV-Spots ist riesig, und eine überzeugende Strukturierung oder
gar Priorisierung gibt es nicht. Wo Werbespots so „unique“ wie möglich sein sollen, um sich von der Masse abzuheben und
wahrgenommen zu werden, kann es auch keine Patentrezepte geben. Einige Grundelemente der Werbegestaltung sind jedoch
in der Werbeforschung ausführlich und mit recht eindeutigen Erkenntnissen behandelt worden.
Humor
Humor bietet sich schon fast intuitiv als Gestaltungselement
an, denn Werbespots sollen schließlich unterhaltsam sein
und Likeability auslösen. Ein Selbstläufer ist Humor jedoch nicht.
Einsatz empfiehlt sich vor allem für Produkte des täglichen
Bedarfs, bei denen ein eher niedriges Involvement des Rezipienten unterstellt werden kann.
Humor spielt mit den Erwartungen der Rezipienten und „enttäuscht“ sie durch eine überraschende und plötzliche Wendung.
Um dies jedoch mitzubekommen, ist eine gedankliche Verarbeitung erforderlich – ansonsten wird die Pointe nicht verstanden und
die Wirkung verpufft. Humor setzt also eine gewisse „Mitarbeit“
des Rezipienten voraus. Die Bereitschaft dazu ist aber in der werbetypischen Low-Involvement-Situation nicht immer vorhanden.
Bei den Rezipienten gibt es außerdem Unterschiede bezüglich
ihres Humorverständnisses und ihrer Humorakzeptanz, die beachtet werden müssen. Hempelmann und Lürwer empfehlen daher
in ihrem Übersichtsartikel im Fachmagazin „Planung + Analyse“
dringend, Pretests durchzuführen, denn „Humor in der Werbung
knüpft (…) an Voraussetzungen, die stets zu prüfen sind“ (Hempelmann/Lürwer, 2002).
Zudem besteht die Gefahr, dass der Humor die produktbezogenen
Werbeaussagen in den Hintergrund drängt, und möglicherweise
leidet auch die Seriosität und Glaubwürdigkeit des Anbieters.
Bei teuren Produkten ist Humor daher eher unangebracht; sein
Entscheidend für die Wirkung von Humor im Sinne der beworbenen
Marke ist zudem, dass Humor in die Werbebotschaft integriert ist
und ein Bezug zwischen Humor und dem Produkt oder seinen Eigenschaften hergestellt werden kann (siehe Gleich, 2007, Seite 646).
Musik
Viele Werbespots nutzen Musik als tragenden Bestandteil, sei es als vertonten
Slogan, als Hintergrundmusik oder als
Jingle. Musik aktiviert die Rezipienten
nicht nur, sondern sorgt auch für eine gute Markenerinnerung:
„Musik und/oder Jingles werden lange im Gedächtnis gespeichert, haben einen hohen Wiedererkennungswert und werden
offensichtlich leicht mit der beworbenen Marke assoziiert.“
(Gleich, 2005, in seiner Besprechung der Studie „Use and Effectiveness of Musical Cues in Advertising“ von Andy Reid).
Musik ist in werbepsychologischen Experimenten der rein verbalen Darbietung von Werbeinhalten überlegen. Denn Texte
müssen erst mit einem gewissen Aufwand verarbeitet werden,
Musik wirkt dagegen intuitiv-emotional und wird schneller im
Gedächtnis gespeichert. Musik, Produkt und Zielgruppe müssen
14
Dossier I / 2010 | Spot-Kreation und Werbewirkung
allerdings sorgfältig aufeinander abgestimmt
werden, um für die Marke die gewünschten
Effekte hervorzurufen. Unter dem Stichwort
„Audio-Branding“ wird Musik neuerdings nicht mehr auf einen
affektiven Stimulus reduziert,
sondern in einem größeren
Zusammenhang im Sinne
einer „akustischen Markenführung“ untersucht und in der
Praxis eingesetzt.
Personen
In der Werbung spielen Personen eine große Rolle.
Dies liegt zunächst daran, dass sich Menschen prinzipiell für andere Menschen interessieren. Das Auftreten von
Personen im Werbespot schafft also Aufmerksamkeit.
Zielgruppe selbst passt. Dann kann eine hohe Glaubwürdigkeit
der Werbebotschaft erzielt werden, außerdem kann sich die Zielgruppe mit dem Modell identifizieren, so dass Involvement entsteht.
Darüber hinaus üben Personen in der Werbung üblicherweise eine
Modellfunktion aus: Sie stellen Leitbilder dar, mit denen sich Rezipienten identifizieren sollen. Problematisch dabei ist die Vielzahl
unterschiedlicher, sich oft auch widersprechender Leitbilder oder
Rollen in der modernen Gesellschaft. Bei der Auswahl des „richtigen“ Leitbildes müssen daher Informationen über die ausgewählte
Zielgruppe einfließen. Eine weitere Funktion von Modellen ist deren
Vorbildfunktion, die zum Nachahmen von Verhaltensweisen animieren soll. Dazu ist es erforderlich, dass Modelle einen gewissen Status verkörpern, sympathisch oder attraktiv sind und eventuell auch
selbst in der Werbung für ein Verhalten belohnt werden. Ein gutes
Casting der Protagonisten ist also sehr wichtig.
Zur Verwendung von Modellen gibt es verschiedene Optionen:
Testimonials, beispielsweise als „Mann von der Straße“ oder
„erfolgreiche Hausfrau“, wirken authentisch und als erfahrene
Konsumenten vertrauens- und glaubwürdig. Oft wird die Akzeptanz der Person noch gesteigert, indem Modelle als Experten
auftreten und ihre Empfehlung für ein bestimmtes Produkt abgeben (beispielsweise „Dr. Best“ in der Zahnpastawerbung). In die
gleiche Richtung gehen Auftritte von Unternehmern, die persönlich für ihre Produkte werben (beispielsweise Klaus Hipp, der in
der Werbung mit seinem Namen für die Qualität seiner Produkte
bürgt). Auch die Attraktivität und das positive Image von Prominenten sorgen für Aufmerksamkeit und Glaubwürdigkeit. Nach
dem Prinzip der Konditionierung können sich Attraktivität und
Image der Prominenten auf ein zuvor eher neutral bewertetes
Produkt übertragen.
Voraussetzung für die Akzeptanz einer Person als Modell ist, dass
das Modell aus Sicht der Zielgruppe zum Produkt und auch zur
Erotik
Der Einsatz sexuell ansprechender Gestaltungselemente ist in der Praxis häufig anzutreffen, doch ein
Garant für Werbeerfolg ist er nicht. Belegt ist die „automatische“ und sich nicht abnutzende, aktivierende
Wirkung von Erotik, denn sie spricht einen Grundinstinkt des Menschen an.
sondern eher zu einer Ablenkung von den Werbeinhalten
führt“ (S. 219). Damit geht eine geringere Werbeerinnerung
einher: Zwar können sich die Zuschauer gut an das Werbemittel mit den erotischen Elementen erinnern, aber die Erinnerung an die beworbene Marke ist in den meisten Untersuchungen geringer als bei Werbung ohne Erotik.
Die durch erotische Elemente ausgelöste
Aktivierung kann jedoch die weitere Informationsverarbeitung behindern: Lehrbuchautor Moser („Markt- und Werbepsychologie – ein Lehrbuch“, 2002)
folgert nach Durchsicht der
Forschungsliteratur, dass
„Sex-Appeal zwar die Aktivierung der Rezipienten
steigert, diese sich aber
nicht auf die inhaltlichen
Details der Werbung richtet,
Erotik in der Werbung dient nur dann der Marke, wenn der Zusammenhang zwischen dem erotischen Gestaltungselement
und dem Produkt für den Rezipienten nachvollziehbar ist. Beachten Unternehmen das in ihrer Werbung nicht, kann dies
auch eine Beschwerde beim deutschen Werberat zur Folge haben: 2008 wurde ein Unternehmen vom Werberat des ZAW gerügt, weil es in der Anzeige für ein PC-Gehäuse mit einer nackten
Frau warb. Der Werberat fand dies frauenfeindlich: „Die Anzeige
missbrauche weibliche Nacktheit als Blickfang ohne irgendeinen Bezug zum beworbenen Produkt“ (Pressemitteilung vom
11. August 2008 auf www.werberat.de).
www.ip-deutschland.de
15
Kreative Spots und der Transfer zur Marke
Wenn Fernsehzuschauer sich vom Programm in erster Linie unterhalten lassen wollen, erwarten sie von guter Werbung das Gleiche.
Bei aller demonstrativen Ablehnung von Werbung in Umfragen
beschäftigen sich die Zuschauer nämlich vor dem Fernseher dann
eben doch mit Werbung und können durchaus sehr angeregt über
besonders lustige oder auffällige Fernsehspots erzählen.
Diese Beschäftigung mit der Werbung gelingt, wenn durch den
Spot-Aktivierung, Involvement und Likeability ausgelöst werden –
so wie es auch bei dem gesehenen Programm geschieht. Im Unterschied zum Fernsehprogramm müssen Werbespots aber noch
mehr leisten, nämlich die Markenbotschaft an den Mann oder die
Frau bringen. Für eine erfolgreiche Kommunikation kommt also
die Anforderung hinzu, Aktivierung, Involvement und Gefallen
vom Werbespot auf die beworbene Marke
zu übertragen.
Wie kann man nun daraus einen direkten Markenbezug herstellen?
Ein einfacher Trick ist es, die Marke im Werbespot so früh wie möglich auftreten zu lassen. „Eine frühe und im Spot häufige Darbietung der Marke, sei es durch Präsentation der Verpackung oder des
Markennamens, ist eine notwendige Voraussetzung für eine gelungene Assoziation der Marke mit den anderen Gedächtnisinhalten
des Konsumenten“, stellen GfK-Chef Sigfried Högl und Kollegen in
einem Fachartikel von „Planung + Analyse“ (4/2003) fest. Nach
Auswertungen der AD*Vantage/Act-Datenbank steigt laut GfK die
Werbeerinnerung bei einem Branding in den ersten 10 Sekunden
eines Spots um 22 Indexpunkte gegenüber Spots ohne Branding an.
Darüber hinaus sollte die Marke in die Spot-Handlung integriert
sein, und die Handlung muss einen direkten Bezug zur Marke oder
ihren Eigenschaften aufweisen. Die Marke sollte in dem Spot also
eine zentrale Rolle spielen: zum Beispiel als Problemlöser, als Basis
für Lebensfreude, Gemeinschaft, Erfolg oder
Anerkennung. Sigfried Högl und Kollegen
Die Beschäftigung mit der
stellen weiter fest: „Häufig reicht es (…)
Werbung gelingt, wenn durch
nicht aus, das Produkt oder den MarkenAktivierung erzeugt gleich zu Beginn des
Spots eine erste Hinwendung zur Werden Spot Aktivierung, Involve- namen durch eine Unterbrechung des Werbefilms einzublenden. Erst wenn die Marke
bung („Orientierungsreaktion“) und erhält
ment und Likeability ausgeprägnant und relevant in den Werbefilm
die Aufmerksamkeit der Zuschauer im
eingebunden ist, sind die Betrachter in der
weiteren Verlauf des Spots aufrecht. Dazu
löst werden.
Lage, den Werbefilm mit der beworbenen
dienen einerseits rein formale Elemente
Marke in Verbindung zu bringen. Soweit
wie z. B. Geräusche, Bewegung, Stille oder Lautstärke, aber auch
die Marke selbst zum Helden der Geschichte wird und damit eng
eine andersartige Darstellung, Tabubrüche oder bewusst herbeian die anderen Elemente des Werbefilmes gebunden ist, kann die
geführte Unstimmigkeiten. Emotionale Reize wie beispielsweise
Erinnerung an die Marke erleichtert werden.“ Oder in den Worten
Musik, Erotik, Humor, aber auch „süße“ Kinder oder „putzige“
von Holger Jung: „Erst eine spannende Geschichte, in der sich der
Tiere, können selbstverständlich ebenso stark aktivieren. Man
Absender (d. h. die Marke, der Verfasser) als sympathisch erweist
sollte den Bogen dabei allerdings nicht überspannen: Aktivierung
ist lediglich ein Wegbereiter der weiteren Verarbeitung, sie sollte
und überraschend und involvierend wirkt, kann die Botschaft überdaher den Zuschauer nicht von der Verarbeitung der Spot-Inhalte
zeugend verankern“ (Jung/von Matt, 2002, Seite 144).
und vor allem der Werbebotschaft abhalten.
Bei der Herstellung einer Verbindung zwischen Werbespot und
Marke ist außerdem die Schaffung und Verwendung von Key ViInvolvement als eine innere Beteiligung der Zuschauer entsteht,
suals – also von immer wiederkehrenden visuellen Werbekonwenn sie sich in den Personen, der Handlung oder dem Thema des
stanten wie z. B. der lila Kuh von Milka – sehr hilfreich: In dem
Spots wiederfinden. Der Spot sollte also ihrer Lebens- oder Fantasiewelt entsprechen; sie sollten das Gefühl haben, dass der Spot sich
bereits zitierten „Planung + Analyse“ Artikel berichten Högl und
„an Leute wie mich“ wendet. Um dies zu erreichen, sind umfassende
seine Kollegen (2003): Key Visuals „tragen dazu bei, AustauschInformationen über die Zielgruppe zu berücksichtigen. Nur dann trifft
barkeit zu vermeiden, da bei der Darbietung von Key Visuals beim
die TV-Werbung den Nerv der Zielgruppe und wird von ihr akzeptiert.
Betrachter die beworbene Marke aus dem Gedächtnis abgerufen
werden kann“ (Seite 46). Auch in der GfK/ZAW-Untersuchung zum
Einfluss von Gestaltungsmerkmalen bei der TV-Werbung konnten
Likeability als das Mögen oder Gefallen eines Werbespots entvor allem Key-Visual-Spots auf allen drei untersuchten Wirkungssteht durch seine Ästhetik, seine Emotionalität oder seine Spanebenen punkten, nämlich bei Awareness, Likeability und insbenung. Orientiert man sich bei der Gestaltung an den Vorlieben und
sondere auch bei der Veränderung der Markenpräferenz (GWA,
dem Geschmack der Zielgruppe, erhält die Werbung einen hohen
1997). Der Aufbau von Key Visuals erfordert jedoch Zeit und ein
Unterhaltungswert. Dieser zeigt sich beispielsweise darin, dass
konsequentes Festhalten an der visuellen Werbekonstante.
Zuschauer den Spot gerne wieder ansehen wollen.
16
Dossier I / 2010 | Spot-Kreation und Werbewirkung
Fazit: So werden Spots kreativ und erfolgreich
Sebastian Turner rät: „Werbung ist dann am effektivsten, wenn sie
auf eine einzigartige, für die Verbraucher relevante Botschaft konzentriert ist. Und sie ist am effizientesten, wenn diese Botschaft
dem Publikum auf interessante Art angeboten wird – und sie nicht
langweilt“ (Turner, 2000, Seite 95).
kreativitätsfördernd. Die Untersuchung von Trommsdorff (2003,
Seite 87) zeigt, dass die kreativsten Kampagnen bei Beziehungen
mit mittlerem Konsens entstehen. Dagegen geht geringer Konsens
oft mit mittlerer Kreativität einher, und hoher Konsens führt sogar
besonders oft zu einer geringen Kreativität der Kampagnen.
Bei der Entscheidung für einzelne Gestaltungselemente gibt es kein Patentrezept. Doch wenn die folgenden sieben Anforderungen bei der Ausgestaltung von Fernsehwerbung beachtet werden, ist die Entstehung
eines kreativen und erfolgreichen Werbespots sehr wahrscheinlich:
Marktforschung kann helfen, die Kreativität eines Spots zu verbessern. Zwar sind Werbe-Pretests schon immer umstritten, und
mancher Werbeverantwortliche lehnt sie prinzipiell ab. Es kommt
jedoch darauf an, was man mit einem Pretest erreichen will und
welche Fragen man stellt. Will man ernsthaft erfahren, wie und
warum „unbefangene“ Konsumenten auf den Spot reagieren,
und vergleicht man dies ehrlich mit der eigenen Strategie, dürfte
fast jeder Spot von einem Pretest profitieren. Dabei bedeutet „On
Strategy“-Sein nicht, dass ein Spot jedem gefällt und niemandem
„wehtut“, sondern dass er die zuvor formulierten Ziele in hohem
Ausmaß erreicht.
Aktivierung: Der Spot sollte auffallen, aber nicht durch Übertrei bung abstoßen. Er sollte auf einer überraschenden Idee aufbauen,
die sich möglichst in einem Satz formulieren lässt.
Verständlichkeit: Inhalt und Darstellung des Spots sollten dem
Verständnisniveau des Zielpublikums entsprechen. Bedeutungen
sollten nicht erst erlernt oder erklärt werden müssen.
Involvement: Der Spot sollte den Zuschauer in das Geschehen mit
einbeziehen: durch Spannung, Anteilnahme, Identifikation, Aktualität, Gefühle, Erwartung, Konflikt oder Humor.
Likeability: Der Spot sollte bei der Zielgruppe weder mit hoher
Ablehnung noch mit großer Gleichgültigkeit aufgenommen werden, sondern ihr Interesse wecken.
Fokussierung: Der Spot sollte sich auf eine einzige, wesentliche
Botschaft – das Nutzenversprechen der Marke – konzentrieren
und dieses verständlich und klar vermitteln.
Markenbezug: Der Spot sollte formal und inhaltlich eine Beziehung
zur Marke herstellen; die Marke sollte im Spot die Hauptrolle
spielen und möglichst frühzeitig im Spot erscheinen.
Unverwechselbarkeit: Der Spot sollte sich von der Konkurrenzwerbung deutlich abheben und zur Profilierung der eigenen Botschaft beitragen. Dabei sind Key Visuals besonders nützlich.
Die Spot-Kreation ist nur ein – wenn auch sehr wichtiger – Baustein im gesamten Werbe- und Marketingprozess. Es gibt daher
weitere Rahmenbedingungen, die die Entstehung von kreativen
und damit erfolgreichen Werbespots begünstigen.
Hilfreich ist eine gute Vorarbeit in Form einer Marketingstrategie,
aus der sich eine schlüssige Werbekonzeption ableiten lässt. Eine
zentrale Rolle spielt in diesem Prozess die „kreative Idee“ als Aufhänger für den Werbeauftritt.
Zu viel Harmonie geht zulasten der Kreativität. Eine „fruchtbare
Streitkultur“ von Auftraggeber und Agentur ist dagegen besonders
Egal ob getestet oder nicht: Ist der Spot erst einmal „on air“,
muss man ihm auch die Chance geben, sich zu bewähren: Werbung braucht Wiederholung, um zu wirken. „Offenkundige Monotonie und Wiederholungen muss man akzeptieren, denn nur
der Produzent liest alle seine Anzeigen“, bekennt David Ogilvy
(zitiert nach Moser, 2002, Seite 242). Auch in empirischen Untersuchungen bestätigt sich immer wieder die Wirkungssteigerung
bei zunehmender Kontaktzahl im Verlauf der Werbekampagne.
Der Status quo der Forschung zu Kreativität und Werbewirkung
von TV-Spots präsentiert sich als ein weitläufiges Feld mit immer noch unzähligen Baustellen. Viele Einzelaspekte werden
behandelt, ohne aber in der Komplexität der Zusammenhänge einen entscheidenden Erklärungsbeitrag für „das Ganze“
leisten zu können. Die übliche quantitative, oft experimentelle
Herangehensweise stößt hier möglicherweise an ihre Grenzen.
Dagegen sind qualitative, verstehende Ansätze bislang rar geblieben, obwohl eine offene Annäherung an das Thema aus
dem Blickwinkel der Werberezipienten innovativ ist und viel
versprechend scheint.
Auch ohne Effie- oder Kreativ-Award-Gewinn ist ein kreativer Werbespot jedem uninspirierten Spot überlegen. Die größere und
nicht immer nur angenehme Anstrengung, das kreative Optimum
aus einem Werbemittel herauszuholen, wird auf alle Fälle von
den Zuschauern honoriert – und darauf kommt es an!
www.ip-deutschland.de
17
2. Inhaltsanalyse von über 1.000 TV-Spots
Kreative Werbung – Was sie ausmacht und wie sie wirkt
Die Inhaltsanalyse von 1.010 TV-Spots geht ausführlich auf die Gestaltungsmerkmale von Fernsehwerbung
ein und zeigt auf, welche Werbe- und Kreativtechniken besonders häufig zum Einsatz kommen und im Trend
sind, welche den Erfolg von prämierten TV-Spots ausmachen und welche besonders werbewirksam sind.
Kai Uwe Weidlich,
Geschäftsführer Medien Institut
Mit (Fernseh-)Werbung verhält
es sich ähnlich wie mit der
BILD-Zeitung: Kaum jemand
gibt öffentlich gerne zu, sie
anzusehen, trotzdem können
viele Menschen detailliert über
die Inhalte berichten. Dabei
wird häufig auch schnell geurteilt. Jeder hat eine Meinung darüber, was gute und
schlechte, langweilige oder spannende, kreative oder nicht-kreative Werbung ist. Oft hat man den Eindruck, dass der Laie sich
dabei deutlich weniger „das Hirn verrenkt“ als die Protagonisten
der Werbebranche. Dort wird das Thema Kreativität nämlich
nach wie vor eher kontrovers diskutiert. Während über die
Indikatoren von Kreativität wie Überraschung, neue Ideen oder
stringente Storys noch halbwegs Einigkeit herrscht, sieht es
bei der Einschätzung der Wirkung von kreativer Werbung ganz
anders aus.
Zur systematischen Aufklärung der Fragen, was Kreativität
bedeutet, wie diese vom Rezipienten wahrgenommen wird und
wie sie auf die Wirkung und damit auf die Effektivität der Werbung
Einfluss nimmt, hat IP Deutschland eine Mehr-Methoden-Studie
Operationalisierung von Kreativtechniken
Emotionalität
Erzählung einer Geschichte
Unerwarteter Ausgang der erzählten Geschichte
Die Emotionalität der Spots wurde im Rahmen
Als Geschichten wurden abgeschlossene
Es war zu entscheiden, ob die Geschichte
der Inhaltsanalyse in folgenden Dimensionen
Handlungen wie z. B. die Geschichte der drei
einen unerwarteten Ausgang nimmt wie
als gering, mittel oder hoch eingestuft:
Musketiere im Hanuta-Spot oder die der
im o. g. Toyota-Spot, in dem sich die blonde
Actionreich
beiden Autofahrer im Toyota-Spot „Ein Corolla
schöne Frau mit Autopanne als hässlicher
Erotisch
hat keine Panne“ gewertet.
Gangster entpuppt.
Alltagsnähe der erzählten Geschichte
Bruch mit gängigen Normen
Die Alltagsnähe der Geschichte wurde als
Es wurde festgehalten, ob innerhalb des
gering, mittel oder hoch eingestuft.
Spots mit gängigen Normen gebrochen wird.
Rührend
Lustig
Spannend
Entspannend
Beängstigend
Als Beispiel kann die Hornbach-Werbung
angeführt werden, in der einem älteren Kunden
eine Ohrfeige verpasst wird.
Quelle: IP Deutschland/Medien Institut, Inhaltsanalyse, Basis: n = 1.010 TV-Spots.
Abb. 1
18
Dossier I / 2010 | Spot-Kreation und Werbewirkung
Operationalisierung von Werbetechniken
Künstliche Verknappung
Visualisierung von Informationen
Künstliche Verknappung wird in der Fernsehwerbung in der Regel durch
Neben der Anwendung von Informationsgraphiken und Animationen sind
die Einschränkung von Angebotszeiträumen erzeugt („… macht jetzt
dabei auch abstraktere Visualisierungen wie beispielsweise die Symbolisie-
Sommerpause“, „… nur noch bis zum 31.12.“). Darüber hinaus wurden
rung eines Blähbauchs durch einen aufgeblasenen Luftballon gemeint.
z. B. saisonale Aktionen, Wintersorten, Sondereditionen usw. als künst-
liche Verknappung erfasst.
Alltagsnähe der erzählten Geschichte
Die Alltagsnähe der Geschichte wurde als gering, mittel oder hoch eingestuft.
Furchtappelle
Furchtappelle sind in der Fernsehwerbung i. d. R. durch negativ bewertete
Gebrauch von Gleichnissen, Analogien, Metaphern
Zustände gekennzeichnet, die durch die Verwendung eines Produktes/
Gleichnisse, Analogien und Metaphern wurden dann codiert, wenn die
einer Dienstleistung verhindert werden können (z. B. Aufnahmen
eigentliche Aussage durch einen „anderen“ Sachverhalt dargestellt wurde
beschädigter Zähne als Folge von Zahnpflege mit der falschen Creme).
(z. B. das Kind ist wasserscheu, das Parkett auch).
Sprachliche Überhöhung oder die Einführung von Kunstwörtern
Appell an das soziale Gewissen
Darunter fallen Neukreationen wie z. B.„weißer als weiß, lebensmittel-
Unter solchen Appellen wurden Hinweise auf die Corporate Social Responsi-
bility von Unternehmen oder der Hinweis auf die nachhaltige Ausrichtung
beispielsweise bei der Produktion von Strom gefasst.
sauber, unkaputtbar oder Ähnliches.
Quelle: IP Deutschland/Medien Institut, Inhaltsanalyse, Basis: n = 1.010 TV-Spots.
Abb. 2
realisiert, in deren Rahmen das Medien Institut eine Inhaltsanalyse
von Werbespots mit folgenden Zielsetzungen durchgeführt hat:
1. Identifikation formaler und inhaltlicher Elemente, die die Gestaltung und Wahrnehmung der Kreativität der Spots prägen
2. Vergleich der inhaltlichen und formalen Gestaltung aktueller
Spots mit Spots aus dem Jahr 1998
3. Anschluss der Analyse an den qualitativen Studiotest durch
Mediascore (siehe Seite 24), um die Wirkungen spezifischer Merkmale, die in der Inhaltsanalyse identifiziert wurden, einschätzen
zu können
Was wirkt denn da eigentlich?
Wie oben beschrieben, fällt ein subjektives Urteil darüber, was
Kreativität ist und wie sie wirkt, dem Einzelnen nicht schwer.
Zumindest die in der Branche Tätigen haben oft differenzierte
Vorstellungen, die allerdings nicht selten vom eigenen Tätigkeitsschwerpunkt in der Kreativ- oder Media-Agentur bzw. im
werbungtreibenden Unternehmen abhängen. Deutlich schwerer
fällt eine intersubjektiv akzeptable, methodisch fundierte Beurteilung. Eine solche Beurteilung wurde in der vorliegenden Studie durch die Anwendung einer quantitativen Inhaltsanalyse
realisiert. Zentrale Grundlagen der Analyse sind dabei die Analysekategorien (das so genannte Code-Buch), die sowohl inhaltliche
als auch formale Aspekte der Gestaltung von Werbespots erfas-
sen und quantifizieren. Die vorliegende Analyse untersuchte die
getesteten Spots dabei zum einen auf formale Kriterien wie Spotlänge, Positionierung des Spots, Platzierung des Logos, Slogans,
Schnittgeschwindigkeit etc. Zum anderen wurden inhaltliche Kriterien wie dramaturgische Elemente, Inszenierung (real/futuristisch etc.), Einblendung des Produktes, Testimonial-Einsatz, Auftreten von aktivierenden Bildmerkmalen (Kinder, Tiere usw.) und
der Einsatz von Hintergrundmusik/Ton etc. erfasst.
Zentrale Herausforderung bei der Gestaltung des Code-Buchs
war im vorliegenden Fall die Erfassung der Kreativität der Spots.
Grundlage für diese Operationalisierung von Kreativität war dabei
die Anwendung so genannter Kreativtechniken bei der inhaltlichen
Gestaltung der Spots. Abbildung 1 zeigt, welche Merkmale laut
den einschlägigen Quellen unter diesen Techniken zu fassen sind.
Zur Ergänzung und Abrundung der erwarteten Ergebnisse wurde
darüber hinaus erfasst, ob sich die analysierte Werbung so genannter klassischer Werbetechniken bedient. Darunter wurde die
Anwendung von (werbe)psychologischen Elementartechniken gefasst (siehe Abb. 2).
In das Code-Buch flossen dazu sowohl Informationen aus erprobten Code-Büchern des Medien Instituts aus früheren Werbespot-Inhaltsanalysen als auch die Kategorien der o. g. Befragungsforschung ein, um so den Anschluss an bisherige Erkenntnisse zu
ermöglichen.
www.ip-deutschland.de
19
Detaillierte Inhaltsanalyse
handelt. Ein expliziter Bruch mit gängigen Normen zeigt sich nur
bei zehn Prozent der analysierten Spots.
Die Stichprobe umfasste insgesamt 1.010 Spots, die sich wie folgt
zusammensetzten:
Jeweils 292 zufällig ausgewählte Spots aus dem Jahr 1998 und 359 aus dem Jahr 2008, um einen Vergleich der Gestaltung
von Werbespots im Längsschnitt zu ermöglichen.
Die verbleibenden Spots setzten sich aus allen durch
Mediascore getesteten und den durch den Art Directors Club
für Deutschland e. V. (ADC) prämierten Spots aus den Jahren
2003 bis 2008 zusammen, sofern sie nicht bereits im Korpus
enthalten waren.
Die so genannten klassischen Werbetechniken kommen bei den
analysierten Spots eher eingeschränkt zum Einsatz. Einzig die Visualisierung von Informationen z. B. in Graphiken oder Animationen und der Gebrauch von Gleichnissen werden von mehr als
Visualisierungen und Gleichnisse dominieren die TV-Werbung
Häufigkeit der Werbetechniken im Überblick in %
Visualisierung von Information
12
Gebrauch von Gleichnissen, Analogien, Metaphern
12
Furchtappell
Die Codierung erfolgte in der Zeit von Januar bis März 2009 durch
erfahrene Codierer des Medien Instituts. Zur Sicherstellung der
Datenqualität wurden sie nochmals speziell geschult. Im Folgenden werden ausgewählte Ergebnisse vorgestellt.
Sprachliche Überhöhung/Kunstwörter
8
Künstliche Verknappung
Appell an das soziale Gewissen
5
2
Quelle: IP Deutschland/Medien Institut, Inhaltsanalyse, Basis:
alle Spots mit Emotionalität mittel bzw. hoch (n = 1.010 TV-Spots).
Humorvolle Spots dominieren
Abb. 4
Bei der Analyse der TV-Spots nach Kreativtechniken zeigt sich
bezüglich der emotionalen Ausprägung, dass Humor mit Abstand
die beliebteste Emotion bei der Gestaltung von Werbespots ist.
Fast die Hälfte aller analysierten Spots sind humorvoll aufbereitet.
Mit deutlichem Abstand folgen Action und Erotik. Eine untergeordnete Rolle spielen Rührung, Spannung und Angst (siehe Abb. 3).
zehn Prozent der Spots genutzt. Erstaunlicherweise scheinen „die
Werber“ den elementaren psychologischen Wirkungsmechanismen wie dem Furchtappell oder der Erzeugung von künstlicher
Knappheit z. B. durch die Einschränkung von Angebotszeiträumen
kaum Bedeutung beizumessen (siehe Abb. 4).
Storytelling und Normenbrüche nehmen zu
Häufigkeit der Kreativitätstechniken
im Zehn-Jahres-Vergleich (1998 vs. 2008), Indexwerte in %
Einsatz von Humor ist in der Werbung sehr beliebt
Kreativtechniken: Häufigkeit emotionaler Spots in %
Lustig
45
Actionreich
26
Erotisch
14
Entspannend
13
Rührend
10
Spannend
Beängstigend
9
4
Quelle: IP Deutschland/Medien Institut, Inhaltsanalyse,
Basis: alle Spots mit Emotionalität mittel bzw. hoch (n = 1.010 TV-Spots).
Abb. 3
40 Prozent der analysierten Spots erzählen zudem eine durchlaufende Geschichte. Die Analyse zeigt dabei weiterhin, dass es sich
meist um alltagsnahe Geschichten mit unerwartetem Ausgang
Index auf Basis TV-Spots 1998
Dossier I / 2010 | Spot-Kreation und Werbewirkung
100
Normenbruch
152
Erzählen einer Geschichte
143
Lustig
114
Rührend
103
Actionreich
101
Beängstigend
101
Erotisch
101
Entspannend
97
Spannend
97
Quelle: IP Deutschland/Medien Institut, Inhaltsanalyse, Basis: n = 292 TV-Spots aus
1998 und n = 359 TV-Spots aus 2008.
Abb. 5
20
9
Zehn-Jahres-Vergleich: Trend zum Storytelling
Wie ein Vergleich der Anwendung von Kreativtechniken zwischen
den Spots aus dem Jahr 1998 und den aktuellen Werbespots
zeigt, ergeben sich nennenswerte Unterschiede nur beim Bruch
von Normen und im Bereich des so genannten Storytellings. Beide
Elemente werden bei den aktuelleren Spots deutlich häufiger bemüht. Tendenziell scheinen die aktuelleren Spots auch etwas lustiger zu sein (siehe Abb. 5).
Jede zweite Kreativtechnik ist werbewirksam
Einfluss von Kreativtechniken auf die Werbewirkung
Actionreich
Unerwarteter Ausgang
Erotisch
Alltagsnähe
der Geschichte
Lustig
Erzählen einer
Deutlich stärkere Unterschiede zeigt der Zehn-Jahres-Vergleich der
Werbetechniken. Mehr als verdreifacht haben sich die Appelle an
das soziale Gewissen. Jeweils verdoppelt hat sich die Anzahl der
Furchtappelle und die Darstellung einer künstlichen Knappheit in
den analysierten Spots. Annähernd gleich bleibt die Verwendung
sprachlicher Techniken wie Überhöhung (z. B. „weißer als weiß“)
oder die Einführung von Kunstwörtern (z. B. „unkaputtbar“) und
die Visualisierung von Informationen. Deutlich zurück geht indes die Verwendung von Gleichnissen, Analogien und Metaphern
(siehe Abb. 6).
Einsatz von Werbetechniken insgesamt gestiegen
Häufigkeit der Werbetechniken
im Zehn-Jahres-Vergleich (1998 vs. 2008), Indexwerte in %
Index auf Basis TV-Spots 1998
100
Appell an das soziale Gewissen
334
Furchtappell
216
Künstliche Verknappung
Kunstwörter, sprachliche Überhöhung
213
106
Visualisierung von Informationen
108
Gebrauch von Gleichnissen,
66
Analogien, Metaphern
Quelle: IP Deutschland/Medien Institut, Inhaltsanalyse,
Basis: n = 292 TV-Spots aus 1998 und n = 359 TV-Spots aus 2008.
Abb. 6
Überraschendes ist werbewirksam
Zentrales Element des IP Forschungsvorhabens war die Verknüpfung der Inhaltsanalyse-Daten mit den Ergebnissen der qualitativen Spot-Tests durch das Institut Mediascore (siehe Seite 24).
Stark vereinfacht ausgedrückt also die Beantwortung der Frage:
Wie wirken spezifische Gestaltungsmerkmale (z. B. Kreativtechniken) von Fernsehwerbung auf den Konsumenten?
Geschichte
Rührend
Normenbruch
Spannend
Beängstigend
Entspannend
Einfluss auf Werbewirkung
Kein Einfluss auf Werbewirkung
Quelle: IP Deutschland/Medien Institut,
Wirkungsanalyse von n = 80 TV-Spots mit Daten aus Studiotest und Inhaltsanalyse.
Abb. 7
Zu diesem Zweck wurden die vorliegenden Datensätze fusioniert,
also die Ergebnisse der Inhaltsanalyse mit den Ergebnissen der
Wirkungsanalyse in Verbindung gesetzt. Dadurch konnte mit Hilfe
von multivariaten Analyseverfahren die Wirkung der so genannten
abhängigen Variablen (Gestaltung der Werbespots, Anwendung
von Kreativ- und Werbetechniken) auf die unabhängigen Variablen
(Wirkungsparameter) analysiert werden.
Aus der Analyse ergaben sich zahlreiche unterschiedliche Wirkungszusammenhänge. Bei den Kreativtechniken zeigt sich, dass
von den analysierten Emotionen nur Action, Rührung und Humor
einen positiven Einfluss auf die Wirkung der Spots haben. Überraschenderweise bleiben Erotik, (Ent-)Spannung und Angst wirkungslos. Die restlichen Kreativtechniken wirken mit Ausnahme
der Alltagsnähe der erzählten Geschichte positiv (siehe Abb. 7).
Als besonders werbeeffektiv kann dabei das so genannte Storytelling
(Erzählen einer Geschichte) eingestuft werden. Besonders erwähnenswert ist dabeidie Vielzahl der unterschiedlichen positiv beeinflussten Wirkungsdimensionen. Das Erzählen einer Geschichte im
Werbespot wirkt sich sowohl auf direkt produktbezogene Wirkungsdimensionen wie Markensympathie und Produktinteresse als auch
auf solche Dimensionen, die sich auf die Werbung selbst beziehen,
positiv aus. Zusätzlich fördert das Storytelling die Kommunikation.
www.ip-deutschland.de
21
Teil positive, aber auch negative Wirkungen (vor allem auf die
Sympathie für die Marke und das Gefallen der Spots) zeigte die
Visualisierung von Informationen durch Info-Graphiken oder
Animationen.
Besonders Storytelling ist sehr werbeeffektiv
Kreativtechniken: Einfluss von Storytelling
auf die Werbewirkung, Indexwerte in %
Index auf Basis des Nichteinsatzes von Geschichten
100
Fördert Kommunikation mit anderen
144
Hat Einfluss auf Gefallen des TV-Spots
128
Weckt Markensympathie
125
Lässt TV-Spots ansprechend wirken
125
Weckt Produktinteresse
124
Steigert die Recognition
109
Quelle: IP Deutschland/Medien Institut,
Wirkungsanalyse von n = 80 TV-Spots mit Daten aus Studiotest und Inhaltsanalyse.
Abb. 8
Künstliche Verknappung erhöht Interesse
Ein deutlich heterogeneres Bild ergab die Analyse der Wirkung der
Werbetechniken auf den Konsumenten. Beachtenswert ist dabei
besonders, dass die „traditionellen“ Methoden der Werbung wie
Gleichnisse oder sprachliche Techniken in der Analyse keine
Wirkung zeigten. Wirkungslos blieb allerdings auch der relativ
neue Appell an das soziale Gewissen der Konsumenten. Zum
Jede zweite Werbetechnik erhöht den Werbeerfolg
Der Einfluss von Werbetechniken auf die Werbewirkung
Gebrauch von Gleichnissen,
Visualisierung von
Analogien, Metaphern
Informationen
Sprachliche
Künstliche
Überhöhung,
Verknappung
Kunstwörter
Auch der Furchtappell hinterlässt beim Konsumenten eher ein ungutes Gefühl, als dass er die Werbewirkung positiv beeinflusst.
Durchgängig positive Werbewirkungen (allerdings ausschließlich auf kognitive Wirkungsdimensionen wie Produktinteresse oder Glaubwürdigkeit) zeigt nur die künstliche Verknappung
(siehe Abb. 9).
Face to face mit Kai Uwe Weidlich
IP: Herr Weidlich, was sind für Sie die bemerkenswertesten
Ergebnisse Ihrer Inhaltsanalyse?
Kai Uwe Weidlich: Zunächst mal ist das Studiendesign
selbst bemerkenswert. Mir sind keine Studien bekannt, die
zuvor analysiert haben, wie bestimmte Gestaltungselemente
von Fernsehwerbung konkret auf den Konsumenten wirken.
Unter den Ergebnissen überrascht mich am meisten die ausbleibende bzw. negative Wirkung des Furchtappells, da es
sich dabei doch um eine häufig angewandte Werbetechnik
handelt.
IP: Welches Praxiswissen der Branche sehen Sie durch die
Studie bestätigt, welches nicht?
Weidlich: Die deutlich positive Wirkung der Emotion „Rührung“ bestätigt klar, dass Kinder und Tiere fast immer eine
gute Wahl sind. Keine positiven Wirkungsbelege finden sich
in der Studie hingegen für die nach wie vor sehr häufig verwendeten Visualisierungen und Animationen. Möglicherweise hat dieses Stilmittel in der Fernsehwerbung einfach ausgedient.
IP: Kann aus den Studienergebnissen ein Patentrezept für
wirkungsvolle Werbung abgeleitet werden?
Appell an das
soziale Gewissen
Furchtappell
Einfluss auf Werbewirkung
Kein Einfluss auf Werbewirkung
Teilweise negativer Einfluss auf Werbewirkung
Quelle: IP Deutschland/Medien Institut,
Wirkungsanalyse von n = 80 TV-Spots mit Daten aus Studiotest und Inhaltsanalyse.
Abb. 9
22
Dossier I / 2010 | Spot-Kreation und Werbewirkung
Weidlich: Eine allgemeingültige „Bauanleitung“ für wirkungsvolle Werbung stellen die Studienergebnisse sicher nicht dar.
Im Gegenteil, sie zeigen deutlich, wie unterschiedlich bestimmte Gestaltungsmerkmale auf spezifische Zielgrößen
der Werbung wirken. Im Hinblick auf konkrete Werbeziele lassen sich aus den Ergebnissen allerdings durchaus Empfehlungen ableiten.
Das Erfolgsgeheimnis
ADC-prämierter Spots
Die Analyse der vom Art Directors Club
(ADC) für Kreativität prämierten Spots im
Hinblick auf die Anwendung von Kreativtechniken zeigt ein klares Bild: Prämierte
Spots bedienen sich deutlich häufiger
der so genannten Kreativtechniken. Das
heißt, sie zeigen mehr Normenbrüche, erzählen deutlich häufiger eine Geschichte,
sind wesentlich alltagsnäher, haben deutlich häufiger einen unerwarteten Ausgang
und sind lustiger als die nichtprämierten
Spots. Anders ausgedrückt: Sie erfüllen
genau die Indikatoren für Kreativität, die
der ADC für seinen Wettbewerb selbst festgelegt hat.
Prämierte Spots setzen mehr Kreativtechniken ein
Kreativitätstechniken – Vergleich prämierte vs. nichtprämierte TV-Spots,
Indexwerte in %
Index auf Basis nicht prämierter Spots
100
Normenbruch
381
Geschichte erzählen
180
Unerwarteter Ausgang der Geschichten
163
Lustig
135
Hohe Alltagsnähe bei Geschichten
126
Actionreich
103
Beängstigend
103
Spannend
Rührend
103
97
Entspannend
96
Erotisch
95
Quelle: IP Deutschland/Medien Institut, Inhaltsanalyse, Basis:
n = 696 nicht prämierte TV-Spots aus 1998 und n = 314 prämierte TV-Spots aus 2008.
Fazit
Die vorliegende Inhaltsanalyse erlaubt einen umfangreichen und
differenzierten Blick auf die Gestaltung von Werbespots im deutschen Fernsehen. Im Rahmen dieses Beitrags konnte nur ein kleiner Ausschnitt der formalen und inhaltlichen Gestaltungsmerkmale beschrieben werden. Trotzdem zeigen die Befunde ein relativ
klares, manchmal überraschendes Bild, das wie folgt zusammengefasst werden kann:
Die Produzenten der deutschen Fernsehwerbung machen regen
Gebrauch von Gestaltungsmerkmalen wie Emotionen oder narrativen Elementen. Nahezu die Hälfte aller analysierten Spots
verwendet mindestens eine der so genannten Kreativtechniken.
Deutlich seltener hingegen finden sich Gestaltungsmerkmale, die
wir im Rahmen der Analyse als klassische Werbetechniken bezeichnet haben.
Klare Unterschiede in der Ausgestaltung von Fernsehwerbung förderte der Zehn-Jahres-Vergleich zu Tage: Neuere Spots verwenden
deutlich häufiger Werbe- und Kreativtechniken. Dies lässt auf eine
Professionalisierung der Branche schließen. Ähnlich deutlich ist
das Ergebnis der Analyse der vom ADC prämierten Spots: Die aus-
gezeichneten Spots weisen sehr deutlich jene Indikatoren für Kreativität auf, die der ADC selbst als solche definiert hat. Mit anderen Worten: Wer für seinen TV-Spot eine ADC-Prämierung anstrebt,
tut gut daran, in diesem die Bewertungskriterien des Verbandes
möglichst gut zu berücksichtigen!
Ein besonderes Augenmerk soll abschließend auf die Erkenntnisse der aufwändigen Wirkungsanalyse gerichtet werden. In der
Werbeforschung gibt es kaum Studien, die so konsequent die Ergebnisse von Inhaltsanalysen mit Befunden aus der Wirkungsforschung verknüpfen. Unter den Kreativtechniken entpuppt sich vor
allem das Erzählen einer Geschichte als eine Art Wunderwaffe: Es
wirkt zum einen positiv auf das Produkt, die Marke und die Wahrnehmung der Werbung selbst, zum anderen befördert diese Technik die Anschlusskommunikation und „verlängert“ auf diese Weise die Werbewirkung. Die Analyse des Einflusses der klassischen
Werbetechniken zeichnet kein einheitliches Bild. Während sich
die Darstellung von künstlicher Verknappung positiv auf kognitive
Parameter wie z. B. das Produktinteresse auswirkt, resultieren aus
Furchtappellen oder Visualisierungen eher ambivalente oder sogar negative Wirkungen.
www.ip-deutschland.de
23
3. Qualitativer Studiotest mit apparativen Testverfahren
Involvement –
Wirkungsmotor für eine erfolgreiche Spot-Kreation
Um die Spot-Kreation und ihren Einfluss auf die Werbewirkung auch unter Involvement-Aspekten zu
beleuchten, hat das Institut Mediascore in einer umfassenden qualitativen Studie bisher 100 TV-Spots
getestet. Wie eine Sonderanalyse dabei zeigt, lassen sich Kommunikationsziele nicht nur über klassische Techniken erfolgreich erreichen, sondern auch auf neuen, innovativen Wegen.
Sunay Verir,
Senior Projektleiterin
Werbeforschung,
IP Deutschland
Für die Mehrzahl der Zuschauer
ist der Fernseher vor allem ein
Unterhaltungsmedium. Häufig
schaltet man ihn ein, um den Alltag hinter sich zu lassen und die
Stimmung aufzuheitern. Dies
zeigen zahlreiche qualitative
Studien, die sich ausführlicher
mit den Nutzungsmotiven des Fernsehens beschäftigt haben.
Auch die Mood-Management-Theorie geht in diese Richtung. Ihr
zufolge sind Menschen hedonistisch veranlagt und streben permanent danach, die eigene Gemütslage zu verbessern. Dazu greifen sie häufig auf Medieninhalte zurück – insbesondere auf das
Fernsehen. Gute und für sie relevante Programme schauen sie sich
mit besonders intensiver Zuwendung und hohem Involvement an.
Auch Werbung kann die Aufmerksamkeit der Zuschauer steigern
und sie involvieren. Dazu ist allerdings eine überzeugende SpotKreation notwendig, die die Zuschauer in ähnlicher Weise unterhält wie ein gutes Programm.
24
Dossier I / 2010 | Spot-Kreation und Werbewirkung
Involvement als entscheidender Wirkfaktor
Die Relevanz von Involvement für die Spot-Kreation wird in der
Literatur, aber auch von praxiserfahrenen Werbeagenturen und
Marktforschungsinstituten als sehr hoch eingeschätzt (siehe Seite 36 ff.). Involvement in Bezug auf TV-Werbung bezieht sich dabei auf die innere Beteiligung der Zuschauer am Spot-Geschehen,
die entsteht, wenn etwas für die Zuschauer eine hohe persönliche
Relevanz aufweist. Wie Eckhard Preis in seinem Artikel (siehe
Seite 8 ff.) bereits erwähnt hat, involvieren vor allem diejenigen
TV-Spots, bei denen sich der Zuschauer in den Personen, der
Handlung oder dem Thema des Spots wiederfindet. Bekannte
Symbole und Muster werden von unserem Gehirn durch selektive
Wahrnehmung eher registriert und aufmerksamer verfolgt.
Auch dem Neuropsychologen Dr. Christian Scheier (decode Marketingberatung) zufolge erzeugen gelungene TV-Kampagnen Involvement auf Seiten der Kunden. Involvement entsteht dabei, wenn
im Gehirn des Konsumenten das „Reward-System“ automatisch
bzw. implizit auf Belohnungssignale aus der Umwelt reagiert.
Diese Reize werden bevorzugt verarbeitet und steuern die Aufmerksamkeit und letztendlich das Verhalten des Konsumenten.
Scheier zufolge sind es aus neuropsychologischer Sicht so
genannte Belohnungsversprechen (in der Fernsehwerbung), die
„unwillkürlich und unweigerlich zu Involvement“ führen.
Erfassung von Involvement über
psycho-physiologische Messungen
Verschiedene Möglichkeiten
der Logo-Platzierung
Um die Spot-Kreation unter dem Aspekt des Involvements zu
betrachten, hat IP Deutschland das Institut Mediascore mit der
Durchführung einer umfangreichen Testreihe im Studio beauftragt.
Außer den klassischen Werbewirkungsparametern wird auch das
unmittelbare emotionale und kognitive Werbeerleben über die
Messung der physiologischen Aktivierung und der Gefallensbeurteilung während der Rezeption mitbetrachtet (siehe Abb. 1).
Vorteil dieser Methode ist es, die Kreation und Werbewirkung von
TV-Spots sehr detailliert, aber zugleich auch ganzheitlich betrachten zu können. Auf einer breiten Datenbasis von bislang 100 TVSpots konnten durch die Analyse des Involvements ganz verschiedene kreative Gestaltungsmerkmale aufgedeckt und zu relevanten
Erfolgsfaktoren der Werbekreation verdichtet werden.
Eine immer wiederkehrende Frage zur Spot-Kreation ist die nach
der Logo-Platzierung. Oft herrscht Unsicherheit, wie häufig und an
welcher Stelle man das Logo der Marke oder des Unternehmens
darbieten sollte. Am liebsten würde man es permanent einblenden, um den Absender des Spots fest in den Köpfen der Zielgruppe
zu verankern. Das hat sich für viele bewährt. Die qualitative
Studie zeigt allerdings, dass man auf unterschiedlichen kreativen
und innovativen Wegen das Logo platzieren kann. So kann z. B. die
permanente Logodarbietung zielführend sein, wenn das Logo
intelligent integriert und unmittelbar mit dem Spot-Geschehen verknüpft ist, wie dies im aktuellen Sprite-Spot der Fall ist. Die CaseStudy zeigt, dass der Absender dort in dieser Werbung entweder
als Logo oder als Produkt – z. B. in Form von Graffitis an einer Mauer oder als Durstlöscher während eines Basketballspiels – kreativ
in die Handlung eingebunden wird und dadurch sein Wirkpotenzial
in idealer Art und Weise entfaltet. Die Logoeinbindungen werden
trotz ihrer Prominenz und Frequenz als nicht störend erlebt. Der
Spot findet durchweg Gefallen und erzeugt Involvement.
Eine Sonderauswertung zeigt: Ein festes Regelwerk für den Erfolg
eines jeden TV-Spots gibt es nicht. Aber erfolgreichen Spots kann
es auf ganz unterschiedliche Weise gelingen, die Zuschauer zu involvieren und damit Werbewirkung zu erzielen. Dabei kann zum
einen auf bewährte „traditionelle“ Erfolgsrezepte und -techniken
bei der Kreation zurückgegriffen werden. Zum anderen können
dieselben Techniken aber auch durch innovative neue Wege in der
kreativen Ausgestaltung umgesetzt werden und gleichermaßen zu
hohem Involvement führen. Im Folgenden werden einige ausgewählte Ergebnisse aus der Sonderanalyse näher betrachtet.
Allerdings kann eine erfolgreiche Markenverankerung auch auf
deutlich subtileren Wegen gelingen und hängt nicht primär von der
Dauer und Intensität der Logo-Platzierung ab. So zeigt die CaseStudy zu einem BMW-Spot, dass auch die Platzierung des Logos
am Ende eine überdurchschnittlich hohe Recognition erzielen
kann. Dafür ist es allerdings notwendig, innerhalb des TV-Spots
Werbebotschaften so zu inszenieren, dass für die Markenwelt des
Absenders typische und wiedererkennbare Codes oder Symbole
implizit mittransportiert werden. Dies setzt voraus, dass der Absender bereits etabliert ist und über ein prägnantes Markenprofil
verfügt – so wie es bei BMW der Fall ist.
Primäre Werbewirkung
Physiologische Reaktionen
Kognitive Reaktionen
Ein Sensor an einer Fingerman-
Mit Hilfe eines Online-Scorers
schette erfasst die körperliche
bringen die Zuschauer kontinuier-
Aktivierung der Zuschauer. Die
lich während der Rezeption ihre
psycho-physiologischen Daten
(non verbalen) Gefallensurteile
zum Ausdruck. Die unmittelbare
liefern unbeeinflussbare Informationen zum unmittelbaren Werbeerleben (Involvement, Aufmerksamkeit,
kognitive Resonanz der Zielgruppe auf die TV-Spots ermöglicht zusam-
Langeweile, Spannung). Sie decken zuverlässig auf, ob es einem TV-Spot
men mit den physiologischen Zuschauerreaktionen objektive Aussagen
gelingt, sein Wirkpotenzial auszuschöpfen und einen für die Informations-
über die qualitative Werbewirkung.
aufnahme und -verarbeitung optimalen Aktivierungsgrad zu evozieren.
Quelle: Mediascore
Abb. 1
www.ip-deutschland.de
25
Storytelling ist mächtig – auch in kürzeren Spots
Ein wichtiges Gestaltungsmerkmal, das zu erhöhtem Involvement
bei TV-Spots führen kann, ist die Technik des Storytellings. Bewährt hat es sich in der Regel, längere Spots einzusetzen, so dass
die Geschichte, die man um die Marke erzählen möchte, auch Zeit
hat, sich zu entfalten. Die aktuellen Testergebnisse zum 20-sekündigen REWE-Spot zeigen jedoch: Storytelling kann durchaus
auch in kürzeren Spots gelingen. Voraussetzung ist, dass die erzählte Geschichte bzw. Rahmenhandlung prägnant ist und auch
anhand weniger Bilder kommuniziert werden kann (siehe Abb. 2).
Grundsätzlich kann nach den Erkenntnissen von Mediascore Storytelling – unabhängig von der Spot-Länge – dann optimal wirken,
wenn die Spot-Story als unterhaltsame und zugkräftige Plattform
für die Vermittlung prägnanter Markenbotschaften genutzt wird.
Wird die Marken- bzw. Produktaussage allerdings nicht unmittelbar mit der Spot-Geschichte verknüpft bzw. in diese integriert,
kann selbst eine hochinvolvierende Spot-Story ihr Ziel verfehlen,
Werbebotschaft und Absender erfolgreich zu kommunizieren.
Storytelling kann auch in kürzeren Spots gelingen – Case Study REWE
Bewertung
Aktivierung
–0,5
Gefällt
gut
Werbeumfeld
–0,25
1
0,5
672
Werbeumfeld
Werbeumfeld
0,25
682
692
702
712
–1
Gefällt
nicht
–2
672
Zeit in Sekunden
20 Sek.
682
692
702
Werbeumfeld
Werbeumfeld
0
0
Geringe
Aktivierung
2
Werbeumfeld
Starke
Aktivierung
712
Zeit in Sekunden
Der Spot-Einstieg involviert über atmosphärische Komponenten: Bereits den
physiologische Aktivierung. Die Täuschung des Jungen hat funktioniert, der
ersten Bildern des REWE-Spots gelingt es, eine zugkräftige „Wohlfühl-Atmo-
Schwindel bleibt unbemerkt.
sphäre“ zu transportieren, der sich die Zuschauer unwillkürlich und unmittelbar zuwenden.
Die Vorteilskommunikation leitet sich unmittelbar aus der Handlung ab: Die prägnant inszenierte Spot-Story kommuniziert, dass REWE-Bäckerbrötchen genauso
Derart aufgeschlossen verfolgen sie die „Geschichte um die frischen Sonntags-
lecker schmecken wie „frische Brötchen“ vom Bäcker („Man merkt den Unter-
brötchen“ mit einem hohen Maß an Aufmerksamkeit: Der über atmosphärische
schied gar nicht“) und zugleich kinderleicht zuzubereiten sind.
Botschaften angestoßene Aktivierungsanstieg wird durch den storygetriebenen
Aufbau leichter antizipatorischer Spannung nochmals verstärkt. Mit der amü-
Das weitere Spot-Geschehen – anhand einer amüsanten Einkaufssituation wer-
santen Pointe (der Junge weckt seine Eltern, indem er die vermeintliche Bröt-
den spezifische Stärken des Supermarktes (Aufmerksamkeit des REWE-Perso-
chentüte vom Bäcker knallen lässt) „löst“ sich die im Spot-Verlauf aufgebaute
nals) vermittelt – wird im Zustand entspannter Aufgeschlossenheit verfolgt. Die
Gefallensurteile verbleiben auf einem akzentuiert positiven Niveau.
Quelle: Mediascore, n = 40
Abb. 2
26
Dossier I / 2010 | Spot-Kreation und Werbewirkung
TV kann auch Produkt-/Preiskommunikation
Die Stärke von TV-Werbung, Marken-Images über emotional aufgeladene, ansprechende Bildwelten zu formen und zu unterstützen
ist bekannt und hat sich bewährt. TV-Spots wurden lange Zeit nur
für diesen Zweck eingesetzt. Wie gut Image-Werbung im Fernsehen
funktioniert, lässt sich beispielhaft an dem 40-sekündigen ImageSpot von O2 zeigen (siehe Abb. 3). Die ausschließlich auf die Marken-Kommunikation ausgerichtete Werbung arbeitet dabei mit
hochwertig anmutenden und menschlichen Grundverfassungen
inszenierenden Bildsequenzen. Wie die Detail-Analyse zeigt,
ziehen diese Bildwelten die Zuschauer unwillkürlich in ihren
Bann und laden das Image des Telekommunikationsanbieters O2
positiv auf. Insbesondere die transportieren Botschaften „Es ist
unsere Natur – wir sind neugierig – wir sind unsicher – wir können
nicht anders – wir wollen es wissen – wir testen – jeder testet“
involvieren sehr stark. Die Werbung erzielt dabei nicht nur überdurchschnittlich hohe Awareness-Werte von 85 Prozent, sondern
wird auch als überdurchschnittlich hochwertig, originell und
außergewöhnlich erlebt.
Image-Spots involvieren besonders stark – Case-Study O2
Bewertung
Aktivierung
0
0
0,5
994
Werbeumfeld
1
1004
1014
1024
1034
–1
Gefällt
nicht
–2
994
40 Sek.
1004
Zeit in Sekunden
1014
1024
Werbeumfeld
2
–0,25
0,25
Geringe
Aktivierung
Gefällt
gut
Werbeumfeld
–0,5
Werbeumfeld
Starke
Aktivierung
1034
Zeit in Sekunden
Der im Rahmen der „Curiosity“-Kampagne konzipierte 40-Sekünder verfügt über
Während sich die Physiologie der Zuschauer mit dem Einsatz der Sprecherin
unmittelbare Zugkraft: Die hochwertig anmutenden, menschliche Grundverfas-
kurzzeitig entspannt, evoziert die darauffolgende Zuspitzung auf die eigentliche
sungen inszenierenden Bildsequenzen involvieren die Zuschauer merklich und
Kernaussage der Werbebotschaft einen erneuten Aktivierungsanstieg: Die Aus-
stoßen spontan einen positiven Bewertungstrend an.
sage „Wir können nicht anders – wir wollen es wissen“, begleitet von anschwellender Musik und schneller werdenden Bildfolgen, wird hochinvolviert verfolgt.
Das zu Beginn geweckte Interesse bleibt über den gesamten Spot-Verlauf erhalten: Die Gefallensurteile erreichen ein akzentuiert positives Bewertungsplateau.
Mit dem Fokus auf die beworbene Marke verändert sich die Rezeptionsverfassung: Die über die Spot-Dramaturgie aufgebaute physiologische Aktivierung
Die Dynamik im Aktivierungsparameter (leichte Spannungs- und Lösungspro-
beruhigt sich. Der (durch die atmosphärisch dichten Bildwelten angestoßene)
zesse wechseln sich ab) deutet auf ein intensives Mitvollziehen der Spot-Inhalte
positive Bewertungstrend setzt sich jedoch ungebremst fort und erreicht mit
hin.
der Nennung der Marke O2 seinen Höhepunkt.
Quelle: Mediascore, n = 40
Abb. 3
www.ip-deutschland.de
27
Allerdings zeigt diese Studie auch, dass der Vorteil, den Fernsehen gegenüber Radio oder Print besitzt, ebenso gut genutzt werden kann, um Produkt- und insbesondere Preiskommunikation
ansprechend zu inszenieren. Ein schönes Beispiel für diesen innovativen Weg ist der 40-sekündige LIDL-Spot (siehe Abb. 4). Darin werden neben Image-Botschaften auch abverkaufsorientierte
Inhalte, die gut in die Spot-Dramaturgie eingebettet sind, in einen
ansprechenden Gesamtzusammenhang gestellt. Die Ergebnisse
zeigen: Diese Kombination aus authentisch in Szene gesetzten
Alltagssituationen und Produkt-/Preiskommunikation stößt auf
positive Zuschauerresonanz. Sie zieht die Aufmerksamkeit der Zuschauer auf sich und weckt ihr konkretes Interesse am Spot. Die
Befragungsdaten zeigen zudem, dass auch das Interesse an der
Marke LIDL und das Image des Lebensmittel-Discounters von der
TV-Werbung überdurchschnittlich profitieren. Daraus lässt sich
schlussfolgern: Gelungen in die Spot-Dramaturgie eingebettet,
lassen sich neben Image-Botschaften auch abverkaufsorientierte
Inhalte in einen ansprechenden und zugkräftigen Gesamtzusammenhang stellen.
Gelungenes Beispiel für die Kombination aus Image- und Abverkaufsbotschaften – Case-Study LIDL
Aktivierung
0
0,5
505
515
525
535
–1
Gefällt
nicht
545
–2
505
40 Sek.
515
Zeit in Sekunden
525
535
Werbeumfeld
0
Werbeumfeld
1
Werbeumfeld
2
–0,25
0,25
Geringe
Aktivierung
Bewertung
Gefällt
gut
–0,5
Werbeumfeld
Starke
Aktivierung
545
Zeit in Sekunden
Dem LIDL-TV-Spot gelingt eine kreative Verknüpfung von Image-Botschaften und
doch: Nachdem das Leitprinzip des Spots verstanden wurde, ziehen die Gefal-
Produkt-/Preiskommunikation. Die sympathisch in Szene gesetzten Produkt-
lensurteile nochmals deutlich an und die physiologische Aktivierung steigt.
Nutzungssituationen, die in konkrete Preiskommunikation münden, stoßen
auf ausnehmend positive Zuschauerresonanz und lassen die Verlaufsurteile
Über die emotional berührenden Motive drei (Bushaltestelle/Äpfel für 1,99 ¤)
sukzessive ansteigen.
und vier (Vorbild/Rasierschaum für 0,99 ¤) kann der Spot seine Werbewirkung
optimal entfalten.
Die sympathisch in Szene gesetzten „Alltagssituationen“ evozieren zunächst
ein entspanntes Sichzurücklehnen.
Fazit: Die LIDL-Case-Study zeichnet eine von mehreren Möglichkeiten erfolgreicher Handelswerbung im TV auf. Der 40-Sekünder realisiert eine weit reichen-
Im Übergang vom zweiten Motiv (Straßenbahn/Sixpack für 1,69 ¤) zum dritten
Motiv (Bushaltestelle/Äpfel für 1,99 ¤) ändert sich die Rezeptionsverfassung je-
Quelle: Mediascore, n = 40
Abb. 4
28
Dossier I / 2010 | Spot-Kreation und Werbewirkung
de und effektive Zielgruppenansprache.
Doch auch die bekanntere und eher laute und „aggressive Variante“ der Preiskommunikation, die seit der Saturn-Kampagne „Geiz
ist geil“ in 2003 im Trend ist, kann erfolgreich funktionieren. TVSpots, die den Preis in den Fokus der Werbebotschaft stellen, können dabei eine ebenso hohe Faszination auslösen wie z. B. reine
Image-Spots. Sehr gut zeigt sich dieser Effekt beim bereits älteren
Saturn-Spots der „Wir hassen teuer“-Kampagne mit BLU. Wie die
qualitative Analyse zeigt, wir dort das „martialische, auf die ‚Evolution der Technik‘ anspielende Spot-Geschehen“ sowie die da-
rauf abgestimmte laute Form der Preis- und Absenderkommunikation involviert verfolgt und löst bei den Zuschauern hohes Gefallen
aus. Auch den Befragungsdaten zufolge erzielt der TV-Spot überdurchschnittlich hohe Awareness-Werte und wird als überdurchschnittlich außergewöhnlich und originell erlebt. Die kreative
und innovative Idee kombiniert mit der lauten Preiskommunikation am Ende des Spots funktioniert in intendierter Art und Weise
(siehe Abb. 5).
Auch laute Preiskommunikation überzeugt – Case-Study Saturn
Bewertung
Aktivierung
2
1
0
0
Werbeumfeld
0,25
Geringe
Aktivierung
Werbeumfeld
–0,25
0,5
643
650
663
673
–1
Gefällt
nicht
–2
643
683
Zeit in Sekunden
40 Sek.
650
663
673
Werbeumfeld
Gefällt
gut
–0,5
Werbeumfeld
Starke
Aktivierung
683
Zeit in Sekunden
Die imposante, an Science-Fiction-Movies erinnernde Tonalität des „Wir hassen
tion über. Mit der Erkennbarkeit des bekannten Kampagnen-Testimonials löst
teuer“-Kampagnen-Spots setzt diesen deutlich vom Werbeumfeld ab und lässt
sich die über den Spot-Einstieg aufgebaute antizipatorische Spannung. Die Pro-
die Zuschauer unwillkürlich in das Geschehen „eintauchen“. Der involvierende
duktpräsentation wird im Zustand zunehmender Entspannung verfolgt.
Spot-Einstieg stößt ohne Verzögerung einen merklichen Aktivierungs- und Bewertungsaufschwung an.
Die Verlaufsurteile erreichen ein für Werbung auffallend positives Bewertungsplateau, das über den gesamten Spot-Verlauf (und damit über die Produkt- und
Das martialische, durch sich gegenseitig vernichtende Maschinen auf die „Evo-
Absenderkommunikation hinweg) erhalten bleibt.
lution der Technik“ anspielende Spot-Geschehen wird mit sukzessive zunehmender Spannung verfolgt.
Sowohl die kreative Inszenierung von „Evolution der Technik“ als auch die von
Saturn verfolgte Strategie einer aggressiven Preiskommunikation stoßen auf po-
Die sich aus einer der Maschinen aggressiv herauskämpfende Saturn-Hightech-
sitive Resonanz.
göttin BLU kommuniziert den Absender der Werbebotschaft und leitet von den
Movie-Sequenzen zu der sich anschließenden Produkt- und PreiskommunikaQuelle: Mediascore, n = 40
Abb. 5
www.ip-deutschland.de
29
Erfolgreich an Alltägliches anknüpfen
Klischees transportieren Lebenswelten
Wie bereits erwähnt, kann die Aufmerksamkeit von Zuschauern für
Für den Einsatz bekannter Muster und Symbole bietet sich auch
einen Werbespot auch dadurch geweckt werden, dass Muster und
die Möglichkeit an, Rollenklischees in der Werbung einzusetzen.
Symbole eingesetzt werden, die ihnen bekannt sind und nicht erst
Mit solchen Rollenbildern bzw. -klischees sind ganze Lebenserlernt werden müssen. Dies gilt auch innerhalb von Geschichten,
welten behaftet, die schnell und ohne viel Erklärungsbedarf innerdie erzählt werden. Dem Neuroforscher Werner Fuchs zufolge sind
halb des Spots mittransportiert werden.
unter anderem die Geschichten erfolgreich, die Themen behandeln, die man selbst schon mal in ähnSehr gut gelingt dies z. B. dem neuen Jelicher Form erlebt hat, z. B. in seiner Kindver-Spot. Wie die Studie zeigt, verkörBekannte Muster und
pert allein das Jever-Testimonial das steheit, Pubertät oder im Beruf. Nur so gelingt
reotype Ideal des „kernig-attraktiven
es, den Inhalt des Spots klar und verständSymbole wecken AufmerkMannes, der außergewöhnliche Momente
lich zu vermitteln und dem Zuschauer eine
samkeit.
in der rauen Natur genießt“. Der durch
schnelle Orientierung zu bieten.
die Bildwelten transportierte Lebensstil
dieses Testimonials lädt zur Identifikation
Doch wenn alle TV-Spots nur an Alltagshandlungen anknüpein und ruft positive Assoziationen hervor, die der Zuschauer in
fen würden, wäre das nicht sehr kreativ und die Werbung
der Befragung unmittelbar mit dem Produkt in Verbindung bringt.
würde sich wenig von anderer Werbung abheben. Ein innoSo wird Jever zum Beispiel mit „Individualität“, „Loslassen“, „Freivativer Weg dabei ist es alltägliche und für den Zuschauer
heit“ oder „Kameradschaft“ assoziiert. Die Zuschauer fühlen sich
grundsätzlich nachvollziehbare Situationen aufzugreifen, diese
durch diese Lebenswelt sehr angesprochen und verfolgen das
humorvoll „abzuwandeln“ und bewusst zu überzeichnen. Die MeSpot-Geschehen mit hohem Involvement.
dia-Markt-Kampagne „Die härtesten Kunden aller Zeiten“ mit Comedian Olli Dittrich hat diese Technik erfolgreich eingesetzt. Dort
Doch Klischees können auch in ganz anderer Form genutzt werwird eine alltägliche Beratungssituation im Elektronikhandel im
den: So kann das bewusste Überzeichnen und Konterkarieren von
Verlauf humorvoll überzeichnet, wenn der Kunde Hans (alias DitKlischees TV-Werbebotschaften einen hohen Unterhaltungswert
trich) mit seiner Frau Ingrid (ebenfalls von ihm gespielt) telefoniert
vermitteln. Diese Technik nutzt beispielsweise IKEA erfolgreich für
und beide während des Gesprächs aneinander vorbeireden –
einen Spot, in dem das schwedische Möbelhaus mit gängigen Geer redet über einen Flachbildschirm-Fernseher, sie über eine
schlechterklischees spielt und die weiblichen Protagonistinnen
Waschmaschine. Wie die Aktivierungs- und Gefallensmessungen
„typisch männlich“ agieren lässt, während sie einen begehzeigen, erzeugt der Spot durch die immer verzwickter werdende
baren Kleiderschrank begutachten. Das bewusste Konterkarieren
„Verwechslungsgeschichte“ Aufmerksamkeit und spricht die Zuvon Stereotypen findet dabei einen hohen Zuspruch bei den Zuschauer positiv an.
schauern und zieht sie in ihren Bann. Um Klischees in dieser Form
einzusetzen, sollten sie allerdings sorgsam inszeniert und auf die
Aber auch außergewöhnlichen, alltagsfernen Grundsituationen
zu vermittelnde Werbebotschaft abgestimmt sein.
kann es gelingen, Werbebotschaften unmittelbar positiv aufzuladen und Zuschauer-Involvement zu generieren. Meist sind es
stimmungsvoll in Szene gesetzte und mit einem positiven Lebensgefühl assoziierte „Grundsituationen“, die eine Zuwendung zum
Spot-Geschehen auslösen. Besonders gut ist dies in einer TV-Kampagne für den französischen Käse Fol Epi umgesetzt, die glaubwürdig und sehr atmosphärisch „französisches Flair“, „Lebensqualität“ und „idyllisches Landleben“ kommuniziert und damit
den Zuschauern die Möglichkeit bietet, dem Alltag zu entfliehen und ins Träumen zu geraten. Wie die Studienergebnisse zeigen, lassen diese Eigenschaften die Zuschauer spontan in das
Spot-Geschehen eintauchen und laden das beworbene Produkt
positiv auf.
30
Dossier I / 2010 | Spot-Kreation und Werbewirkung
Face to face mit Mirjam Fürtjes
Mirjam Fürtjes,
Geschäftsführerin Mediascore
IP: Welche Methode setzen Sie
vor allem zur Untersuchung von
TV-Spots ein?
Mirjam Fürtjes: Mediascore
setzt auf ein integratives Untersuchungsverfahren, das die
Werbewirkung unmittelbar während der Mediennutzung hochauflösend erfasst. Dabei kombinieren wir bewährte Standards
der qualitativen Werbewirkungsforschung mit apparativen, rezeptionsbegleitenden Messungen. Unser hauseigenes Teststudio
verfügt über 20 TV-Einzeltestplätze. Alle Plätze sind mit eigens
für diese Zwecke entwickelten Messtechnologien ausgestattet,
die sowohl die psycho-physiologische als auch die kognitive
Resonanz der Zielgruppe auf TV-Spots sekundengenau aufzeichnen. Die gewonnenen Daten geben zuverlässig Aufschluss
über die Spot-Performance und ermöglichen die Ableitung
konkreter Handlungsempfehlungen zur Optimierung der SpotKreation.
IP: Inwiefern eignet sich die Methode besonders zur Untersuchung
der Spot-Kreation und ihres Einflusses auf die Werbewirkung?
Fürtjes: Unser methodischer Ansatz hat einen entscheidenden Vorteil: Er beschränkt sich nicht auf die rückblickende
Reflexion des subjektiven Werbeerlebens, sondern erfasst die
Werbewirkung, sobald sie entsteht – während der Mediennutzung. Die Reaktionen der Zielgruppe auf einen TV-Spot lassen
sich ohne Verzerrungen durch Gedächtniseffekte oder Effekte
sozialer Erwünschtheit objektiv und hochdifferenziert – d. h. auf
einzelne Phasen der Kreation bezogen – analysieren. Relevanter
Mehrwert für den Werbetreibenden: Er erfährt nicht nur, wie
sein Spot wirkt, sondern auch, wie diese Wirkung zustande
kommt. Spotdramaturgische Schwächen, die die Werbewirkung
beeinträchtigen, können punktgenau identifiziert werden. Nicht
selten lässt sich auf der Basis von Pretest-Ergebnissen mit
geringem Aufwand die Werbewirkung eines Spots maßgeblich
erhöhen.
IP: Was würden Sie aufgrund Ihrer praktischen Erfahrung sagen:
Welche Bedeutung kommt der Kreation insgesamt bei der Werbewirkung eines TV-Spots zu?
Fürtjes: Erfolgreichen TV-Spots ist gemeinsam, dass sie die Zuschauer in einen Zustand des „sich Einlassens“ versetzen. Ob ein Spot
dieses Ziel erreicht, hängt maßgeblich von der Kreation ab, für die es
naturgemäß keine allgemeingültige Musterlösung gibt. Grundsätzlich gilt: Wenn innovative Ideen mit spotdramaturgischer Sorgfalt
und einem feinen Gespür für die Zielgruppe und deren aktuelle Bedürfnisse inszeniert werden, sind der Gestaltung zugkräftiger Werbespots kaum Grenzen gesetzt.
IP: Welche Werbewirkungsfaktoren interessieren Ihre Kunden denn
am meisten?
Fürtjes: Unseren Kunden geht es um ein umfassendes Verständnis
der Wirkung ihrer Werbekampagne. Ihr Erkenntnisinteresse zielt natürlich auf die klassischen Outcome-Parameter, geht jedoch deutlich
darüber hinaus. Besonderes Augenmerk legen sie auf die Analyse
der Aktivierung ihrer Zielgruppe während der Spot-Rezeption, denn:
Die psycho-physiologischen Daten liefern – jenseits von Kognition
und Rationalisierung – unbeeinflussbare Informationen zum unmittelbaren Werbeerleben der Zuschauer und beinhalten häufig den
Schlüssel zur Perfektionierung der Spot-Kreation. Gelingt dieser Perfektionierungsprozess, wirkt sich dies positiv auf alle weiteren relevanten Werbewirkungsfaktoren aus.
IP: Ein Zauberwort im Kontext der Werbewirkung ist „Involvement“.
Arbeiten Sie auch mit diesem Begriff? Wenn ja, wie definieren und
operationalisieren Sie es?
Fürtjes: Involvement und emotionale Aktivierung sind zentrale
Wirkfaktoren in der audiovisuellen Kommunikation. Wir definieren
Involvement als einen Zustand des „sich Einlassens“, der von den
Zuschauern nur bedingt verbalisiert, auf psycho-physiologischer
Ebene jedoch zuverlässig erfasst werden kann. Aktivierungsmessungen bieten einen objektiven Zugang zu den häufig unbewussten
und automatischen, für die Entfaltung der Werbewirkung jedoch äußerst relevanten Prozessen, die mit Involvement korrespondieren.
IP: Weshalb ist Involvement grundsätzlich wichtig bei der Untersuchung von TV-Spots?
Fürtjes: Gute Werbung funktioniert wie gutes Programm: Entscheidender Faktor für den Erfolg beim Zuschauer ist das Involvement.
TV-Spots müssen innerhalb weniger Sekunden Aufmerksamkeit und Interesse wecken, Markensympathie aufbauen und zugleich mitunter komplexe Produktinformationen vermitteln. Dies
kann ihnen nur gelingen, wenn sie den Zuschauer in eine Rezep-
www.ip-deutschland.de
31
tionsverfassung versetzen, die einen aktiven „Mitvollzug“ der
Werbebotschaft ermöglicht. Die Erfahrung zeigt: Ein optimaler
Aktivierungsgrad beeinflusst nicht nur das subjektive SpotErleben, sondern schafft auch die wesentlichen Voraussetzungen
für die kognitive Verarbeitung und Verankerung der Werbebotschaft.
IP: Gibt es denn die typische Aktivierungskurve eines erfolgreich
involvierenden TV-Spots?
kreativen Wegen gelungen beworben werden, wenn diese
spotdramaturgisch sorgsam inszeniert und zielgruppenadäquat umgesetzt werden (siehe nebenstehenden Artikel, Anm.
d. Red.).
IP: Was machen viele Spots falsch bezüglich der Spot-Kreation?
Wo verschenken sie aus Ihrer Sicht das größte Potenzial?
Fürtjes: In Sekundäranalysen zeichnen sich tatsächlich immer
wieder einige kreationsübergreifend relevante „Stolperfallen“ ab,
die das Wirkungspotenzial vieler TV-Spots nachhaltig einschränFürtjes: Eine Art „Benchmark-Kurve“ für gelungenes Involveken. Hierzu zählt u. a. eine zu hohe Komplexität der vermittelten
ment kann es nicht geben. Eine prototypische Aktivierungskurve für erfolgreiche TV-Spots definieren zu
Inhalte. Bei dem Versuch, mehrere
wollen, würde der Unterschiedlichkeit
Produkt- oder Markenbotschaften auf
Werbetreibenden stehen
zugkräftiger Spot-Konzepte nicht gerecht
einmal zu transportieren und damit
zur
erfolgreichen
Ansprache
werden. Die optimale Aktivierungskurve
den Spot möglichst „optimal“ zu nutzen,
zu einer Werbebotschaft, die über eine –
werden TV-Spots häufig überladen. Die
unterschiedlichste Strategien
Spannungs- und Lösungsprozesse evoFolge: Anstelle einer prägnanten, kognitiv
zur Verfügung.
zierende – Spot-Story involviert, weist
problemlos zu verarbeitenden Aussage
eine völlig andere Charakteristik auf als
konkurriert eine Vielzahl von Spotdie optimale Aktivierungskurve zu einer Werbebotschaft, die
Inhalten miteinander. Vergleichstests
primär über atmosphärisch dichte Bildwelten anspricht. Grunddokumentieren, dass die Beschränkung auf wenige, prägnant
sätzlich gilt: Jede Kampagne, jede Spot-Kreation hat ihre indiplatzierte Botschaften regelmäßig mit einer höheren Werbeviduelle Dramaturgie. Unsere Aufgabe ist es, im konkreten Einwirkung einhergeht. Auch die Integration der Produkt- und
zelfall zu untersuchen, ob diese Dramaturgie die Zielgruppe in
Markenkommunikation in die Spot-Architektur birgt häufig
intendierter Weise in ihren Bann zieht und die mit der Kreation
Optimierungspotenzial. Viele Spots können ihre Wirkung aufverfolgten Ziele dabei erreicht werden.
grund des Fehlens einer intuitiv erfassbaren Verknüpfung von
aufwendig inszeniertem Spot-Geschehen und beworbenem
IP: Dennoch die Frage – wenn Sie Ihre langjährige Erfahrung in
Produkt nicht optimal entfalten. Wahrnehmungspsychologisch
wenige Regeln verdichten müssten: Welche Faktoren machen eibleibt das Produkt bzw. die Marke ein „Fremdkörper“ innerhalb
nen TV-Spot erfolgreich, also wirksam im Sinne der Marke und
eines grundsätzlich ansprechenden Spot-Geschehens, anstatt
intendierten Botschaft? Gibt es Faktoren, die ein absolutes
integraler Bestandteil eines zugkräftigen Umfelds zu werden.
„Muss“ sind?
IP: Was glauben Sie: Wie viel Prozent aller TV-Spots verschenken
Fürtjes: Werbung lebt von Kreativität, originellen Ideen und
noch deutliches Wirkungspotenzial?
mutigen, unkonventionellen Ansätzen, denen ein definiertes
Set an Regeln erfahrungsgemäß nicht gerecht werden würde –
Fürtjes: Zuverlässige Aussagen über das verschenkte Wirkungsim Gegenteil: Die Definition solcher Regeln würde den Spielraum
potenzial lassen sich auf dieser allgemeinen Ebene kaum trefder Kreation von vornherein unnötig einschränken und wäre
fen. Fakt ist jedoch: In groß angelegten TV-Spot-Screenings
daher aus unserer Sicht eher kontraproduktiv. Wenn wir auf
sind Spots, die eine optimale Performance aufweisen, eher
die in unserem Hause in den vergangenen zehn Jahren durchin der Minderzahl. Dies bedeutet nicht, dass die Mehrzahl
geführten Werbewirkungsanalysen zurückblicken, kristallisiert
der TV-Spots ihre Wirkung verfehlt. Es zeigt sich jedoch imsich vor allem eine Botschaft klar heraus: Werbetreibenden
mer wieder, dass auch das Gros grundsätzlich zufriedenstelstehen unterschiedlichste „Strategien“ zur Verfügung, um die
lend arbeitender TV-Spots seine Werbewirkung durch gezielte
Zielgruppe erfolgreich anzusprechen und ihre Werbebotschaft
Optimierung im Detail nochmals nachhaltig erhöhen könnte.
zu verankern. Dabei zeigt sich immer wieder, dass nicht nur
bewährte Standards zum Erfolg führen können. Produkte,
Dienstleistungen oder Marken können stets auch auf neuen
32
Dossier I / 2010 | Spot-Kreation und Werbewirkung
Testimonials müssen authentisch sein
Um bestimmte Image-Welten zu transportieren, eignen sich auch
Testimonials sehr gut in der Werbung. Mit ihnen sind bestimmte
Charakter- und somit Image-Eigenschaften verknüpft, die sich
auf das beworbene Produkt übertragen können. Allerdings muss
die Glaubwürdigkeit und Authentizität der Testimonials gesichert
sein. Dass solche Image-Transfereffekte gelingen, zeigt beispielsweise die TUI-Werbung mit Jogi Löw. Dort werden mit dem Bundestrainer verknüpfte Image-Werte wie Integrität und Zurückhaltung
erfolgreich für eine authentische und glaubwürdige Markenkommunikation genutzt („Bei TUI ist jeder Gast ein Star“). Zudem gelingt es dem Spot, mit dem Testimonial die Aufmerksamkeit der
Zuschauer zu steigern und sie zu involvieren.
Ein neuerer Ansatz ist es, so genannte Kunstfiguren als Testimonials einzusetzen. Dass dieser Mechanismus auch gelingen
kann, zeigt der Krüger-Spot mit „Gisela“ alias Hape Kerkeling. Die
Kunstfigur Gisela, die bereits vor dem Krüger-Spot als durchaus
wählerisch und anspruchsvoll bekannt war, genießt im Spot verschiedene Kaffeesorten und arbeitet damit gleichzeitig dem intendierten Image der Marke als hochwertigem Anbieter vielfältiger
Kaffeespezialitäten in optimaler Weise zu. Wichtig bei der Auswahl solcher Kunstfiguren ist allerdings, dass diesen spezifische
Eigenschaften oder Image-Dimensionen zugesprochen werden,
die mit dem Absender der Werbebotschaft und der intendierten
Produktkommunikation in Einklang stehen.
Fazit
Die Ergebnisse des qualitativen Studiotests, die das Institut
Mediascore in bisher zehn Wellen durchgeführt hat, dokumentieren, dass es erfolgreichen TV-Werbespots auf ganz unterschiedliche Weise gelingen kann, die Zuschauer zu involvieren.
Auf einer breiten Datenbasis konnten unter Involvement-Aspekten verschiedene kreative Gestaltungselemente aufgedeckt
und zu relevanten Faktoren der Werbekreation verdichtet werden. Einige davon wurden hier vorgestellt.
Wie die Analyse der zu diesen Faktoren exemplarisch ausgewählten Spot-Kreationen zeigt, stehen den Kreativen und Werbetreibenden dabei unterschiedlichste Strategien zur Verfügung, um die Zielgruppe erfolgreich anzusprechen und die
Werbebotschaft zu verankern. Entscheidend ist, dass die Wer-
bekreationen auf Zuschauerseite einen Zustand des ‚sich Einlassens‘ auslösen und damit Involvement erzeugen.
Die Studienergebnisse verweisen auf die hohe Bedeutung der
Kreation beim Entfalten der Werbewirkung. Mirjam Fürtjes von
Mediascore zufolge ist der Pool an kreativen Ideen und Gestaltungsmöglichkeiten noch lange nicht ausgeschöpft: „Wenn
innovative Ideen mit spotdramaturgischer Sorgfalt (Vermeidung von Brüchen, Längen und Kommunikationshürden, intelligente Verknüpfung der Grundsituation bzw. Spot-Story mit
dem beworbenen Produkt etc.) und einem feinen Gespür für
die Zielgruppe und deren aktuelle Bedürfnisse inszeniert werden, sind der Gestaltung erfolgreicher Werbespots kaum Grenzen gesetzt.“
www.ip-deutschland.de
33
Spotlights aus anderen Studien
Ausgewählte Kreativitätstechniken im Visier
„Inneres Nicken“ als Erfolgsfaktor für effektivere
TV-Werbung
Was ist das Geheimnis starker TV-Werbung? Auf Basis einer weltweiten Analyse von mehr als 2.500 Kommunikationsideen aus über
42 Ländern hat der (leider 2009 verstorbene) Kommunikationsexperte Ralf Langwost TV-Spots näher untersucht, die sowohl Preise für
ihre Effektivität als auch für ihre Kreativität gewonnen haben. Diese
so genannten „Double-Champions“ weisen ihm zufolge spezifische
Strukturen auf, die er als „7 Innere Jas“ bezeichnet hat. Das heißt, die
Kommunikationsidee muss beim Betrachter eine innere Zustimmung
erzeugen, um effektiv zu sein. Dabei handelt es sich um die folgenden
Faktoren:
1. Recognition: Der Betrachter erkennt bzw. erinnert sich an
bekannte Strukturen oder Teile der Idee. Dies erhöht die Verbindung zur Idee.
2. Truth: Dieser Faktor bezieht sich auf die Glaubwürdigkeit der
Idee. Der Betrachter sucht Zustimmung und Bestätigung. Hier
ist entscheidend, ob die Idee als „wahr“ empfunden wird und
man sich mit ihr identifizieren kann.
3. Comprehension: Der Betrachter geht eine persönliche Beziehung
zur Idee ein. Dabei führen tiefe Emotionen und Erkenntnisse,
die mit der Idee verbunden sind, zu einer Zustimmung.
4. Anchoring: Man sieht, dass die Idee nur von einem einzigen
Absender kommen kann. Durch diese Exklusivität entwickelt
die Idee ihre Wirkung für das beworbene Produkt.
5. Concentration: Wichtig ist, dass die Botschaft klar und verständlich ist. Die Einfachheit fördert dadurch die Merkfähigkeit.
6. Additional Attention: Gemeint ist der Überraschungseffekt
einer Idee, der etwas Bekanntes aus einer völlig neuen Perspektive zeigt, um durch gezielte Abweichung noch mehr Aufmerksamkeit zu schaffen.
7. Advertising Vision: Eine Durchbruchsinnovation ist das Ergebnis
eines sich wiederholenden kreativen Prozesses. Große Ideen
machen den Betrachter dabei zum Botschafter. Sie generieren
neue Märkte aus der Zustimmung des Betrachters.
Eine ausführliche Darstellung dieser spannenden Analyse finden Sie in „TV-Wirkung 4“, der Dokumentation zum 6. TV-Wirkungstag 2009, unter www.wirkstoff.tv.
34
Dossier I / 2010 | Spot-Kreation und Werbewirkung
1. Recognition
2. Truth
T
3. Comprehension
4. Anchoring
5. Concentration
6. Additional
Attention
7. Advertising Vision
Englische Slogans unverständlich
Seit der Popularität englischsprachiger Musik
in Deutschland haben sich auch englische Begriffe und Claims in der Werbung etabliert. Doch
der innovative Weg mit Anglizismen ist nicht unbedingt zielführend, denn mehr als zwei Drittel der
Konsumenten verstehen englischsprachige Werbebotschaften
entweder gar nicht oder falsch. So lautet das Ergebnis einer
quantitativen Befragung des Kölner Instituts Endmark, das
zehn englischsprachige Werbeslogans näher untersucht hat.
Die Befragten hatten die Aufgabe, die gezeigten und vorgelesenen Werbeslogans sinngemäß zu übersetzen. Dabei
kamen häufig skurrile Übersetzungen zustande. So wurde
z. B. der Slogan „Taste Tuned“ von Mixery unter anderem mit
„Versuch’s klingend“, „Geschmack dreht dich um“ oder „Die
Taste ist getuned“ wiedergegeben. Befragt wurden rund 1.000
Personen zwischen 14 und 49 Jahren, deren Muttersprache
Deutsch ist.
www.endmark.de
Weltmarken national anpassen
Aufgrund ihrer zumeist langjährigen Erfahrung
auf dem Markt sind Marken internationaler Unternehmen häufig erfolgreicher als regionale
Marken. Doch um ihre Stellung zu behaupten,
müssen sie auch in die jeweilige lokale Kultur
eingebettet sein, so das Ergebnis einer Studie von Millward
Brown. Ihr zufolge werden starke Marken häufiger bei der Kaufentscheidung berücksichtigt, da sie aufgrund ihres Images einen Vertrauensbonus genießen. Regionale Marken gehören
aber zur „Nachbarschaft“ und werden deshalb von Konsu-
menten bevorzugt. Sehr gut aufgestellt sind laut der Studie
Coca-Cola und McDonald’s. Beide Marken haben sich mit den
Besonderheiten der einzelnen Länder vertraut gemacht und
schneidern entsprechende Kampagnen mit Lokalkolorit. Um
Werbung zu lokalisieren, bietet sich laut Millward Brown z. B.
der Einsatz bestimmter Testimonials an. Gillette etwa verpflichtete für die Fusion-Kampagne Sportler aus allen Erdteilen. Für
die Studie hat Millward Brown 3.300 Verbraucher in acht Ländern zu 91 Marken befragt.
www.millwardbrown.com
Erotik clever dosieren
Sex sells – deshalb nimmt Erotik in der Werbung
auch einen wichtigen Stellenwert ein. Doch wer
sie an den falschen Stellen einsetzt, kann damit
auch negative Effekte auf die Werbebotschaft erzeugen. Das hat das Hamburger Institut MediaAnalyzer in einer Studie herausgefunden, in der die onlinebasierten Verfahren des
Instituts, Attention Tracking und Emotion Tracking, zum Einsatz
kamen. In der Studie wurden acht erotische Werbespots mit
einer Benchmark erotikfreier Spots verglichen. So zeigt die
Studie anhand der Blickverläufe und Emotionen der Probanden, dass der Werbebotschaft, der Marke oder dem Produkt
bei zu viel Sexappeal im Spot keine Aufmerksamkeit geschenkt
wird. Unter anderem kann das daran liegen, dass ein erotisches
Testimonial des eigenen Geschlechts schnell als unerwünschte
Konkurrenz wahrgenommen wird, so dass viele Betrachter absichtlich wegschauen. Männer schauen dabei eher weg als
Frauen.
www.mediaanalyzer.com
Neue Wege wagen mit Kurz-Spots
In der Kürze liegt die Würze – dies kann auch für
TV-Spots gelten, wenn das Konzept innovativ und
pfiffig ist wie bei der ersten TV-Kampagne von Tamaris. Der Schuhhersteller setzte dabei auf auffällige 5-Sekünder, von denen mehrere Varianten pro Werbeblock
ausgestrahlt wurden. Wie eine IP Begleitforschung dazu zeigt,
hat sich die Kampagne für Tamaris ausgezahlt. Trotz der Kürze der
Spots hat sich zum einen die Marken-Awareness mehr als verdop-
pelt. Zum anderen hat auch das Marken-Image stark vom TV-Auftritt profitiert: Im Vergleich zum Zeitraum ohne TV-Einsatz wird Tamaris von den Befragten, die sich an die Werbung erinnerten, als
moderner, glaubwürdiger und sympathischer, innovativer und dynamischer wahrgenommen. So wundert es nicht, dass auch die
Kaufbereitschaft um 29 Prozent angestiegen ist – ein voller Erfolg
für den TV-Neukunden!
www.ip-deutschland.de
www.ip-deutschland.de
35
Umfrage
Relevanz von Spot-Kreation und Werbewirkung
aus Expertensicht
Mit dem Thema Spot-Kreation befassen sich zwei Branchen besonders intensiv: die Werbeagenturen, die
Spot-Ideen entwickeln und sie umsetzen, und die Marktforschungsinstitute, die TV-Spots z. B. in Pretests
auf ihre Wirkung hin untersuchen. In einer Umfrage teilten uns ausgewählte Unternehmen dieser Branchen
mit, dass aus ihrer Erfahrung heraus die Spot-Kreation eine sehr entscheidende Einflussgröße darstellt.
Umfrage unter Kreativen
Turner: Ja, nachhaltig.
Die befragten Kreativ-Agentur-Experten:
Sebastian Turner, Partner und Vorstandsvorsitzender
Scholz & Friends, Hamburg
Matthias Spaetgens, Geschäftsführer Kreation,
Scholz & Friends, Berlin
Marcel Loko, Geschäftsführer Zum goldenen Hirschen,
Hamburg
Stefan Kolle, Geschäftsführer Kreation,
Kolle-Rebbe, Hamburg
Ralf Heuel, Geschäftsführer Grabarz & Partner, Hamburg
Jochen Rädeker, ADC-Vorstandssprecher und Sprecher
der Geschäftsführung Strichpunkt Design, Stuttgart
IP: Ein Zauberwort im Kontext der Nutzung und Wirkung von
Fernsehen und Fernsehwerbung ist „Involvement“. Arbeiten Sie
auch mit diesem Begriff?
Turner: Ich verwende den Begriff nicht, seine Bedeutung ist aber
wichtig und richtig. Ich würde eher anschaulich fragen: Gibt es
einen Grund, dass die Zuschauer sagen: Das möchte ich mir
noch einmal ansehen?
IP: Wenn Sie einmal Ihre langjährige Erfahrung in wenige Regeln
verdichten müssten: Welche Faktoren machen einen TV-Spot
erfolgreich, also wirksam im Sinne der Marke und intendierten
Botschaft? Gibt es Faktoren, die ein absolutes „Muss“ sind?
Turner: Originalität, Einzigartigkeit, Markenpassung.
Originalität, Einzigartigkeit
und Markenpassung
Sebastian Turner, Partner und Vorstandsvorsitzender
Scholz & Friends, Hamburg
www.s-f.com
IP: Was würden Sie aus Ihrer praktischen Erfahrung sagen:
Welche Bedeutung kommt der Kreation in Bezug auf die Werbewirkung eines TV-Spots zu?
IP: Auf welchen TV-Spot der letzten Jahre, den Sie verantwortet
haben, sind Sie besonders stolz?
Turner: Ein wunderbares Stück aus unserem Haus ist der Spot
„Fernbedienung“ für Loewe. Ich war allerdings nicht verantwortlich.
IP: Und welchen großen TV-Spot der letzten Jahre eines anderen Kreativen hätten Sie liebend gerne gemacht?
Turner: Viele, z. B. Sony Bravia.
Sebastian Turner: Sie ist entscheidend.
IP: Es gibt ja einige Studien zu diesem Thema – aber sind nach
Ihrer persönlichen Erfahrung kreative Spots in der Regel auch
wirksamer?
36
Dossier I / 2010 | Spot-Kreation und Werbewirkung
IP: Was glauben Sie, wie viel Prozent aller TV-Spots verschenken noch deutliches Wirkungspotenzial in ihrer Kreation?
Turner: Alle oder fast alle.
Zusammenspiel von Überraschen und Überzeugen
Matthias Spaetgens, Geschäftsführer Kreation
Scholz & Friends, Berlin
www.s-f.com
IP: Was würden Sie aus Ihrer praktischen Erfahrung sagen: Welche Bedeutung kommt der Kreation in Bezug auf die Werbewirkung eines TV-Spots zu?
Matthias Spaetgens: Die Bedeutung gleicht einer doppelten Verantwortung. Zum einen investieren die Unternehmen viel Geld,
damit ein Spot sich in barer Münze auszahlt. Diesem Ziel muss
die Idee Rechnung tragen. Zum anderen erreicht TV-Werbung
Millionen Zuschauer vor dem Fernseher, die nicht belästigt, sondern bestenfalls unterhalten werden sollten. Werbefernsehen
ist nur dann gut, wenn es die Zuschauer von einer Pinkelpause
abhält.
IP: Es gibt ja einige Studien zu diesem Thema – aber sind nach
Ihrer persönlichen Erfahrung kreative Spots in der Regel auch
wirksamer?
Spaetgens: Wer sich einen Abend lang durch die Werbeblöcke
quält, wird merken, dass kreative Exzellenz seltener geworden
ist. Das mag auch daran liegen, dass es einfach mehr Sender und
somit Werbeblöcke gibt. Die Chance, mit einer tollen Idee für Aufmerksamkeit zu sorgen, ist damit gestiegen. Noch nie hat sich
Kreativität so gelohnt wie heute.
IP: Ein Zauberwort im Kontext der Nutzung und Wirkung von Fernsehen und Fernsehwerbung ist „Involvement“. Arbeiten Sie auch
mit diesem Begriff? Wenn ja, wie definieren, erzielen oder messen Sie Involvement?
Spaetgens: Gute Werbung bewegt den Betrachter. Sie regt zum
Nachdenken an, zum Schmunzeln, zum Lachen und bestenfalls
erzählt man die Idee weiter. Wenn ein TV-Spot in diesem Sinne
nicht berührt, hat er wenig Wirkung. Dann muss man die Botschaft über eine hohe Frequenz in die Köpfe einhämmern.
IP: Wenn Sie einmal Ihre langjährige Erfahrung in wenige
Regeln verdichten müssten: Welche Faktoren machen einen TVSpot erfolgreich, also wirksam im Sinne der Marke und intendierten Botschaft? Gibt es Faktoren, die ein absolutes „Muss“
sind?
Spaetgens: Ein guter TV-Spot überrascht. Irgendetwas muss ungewohnt und neu daher kommen. Dadurch schafft er es, auf
sich aufmerksam zu machen und mit seiner bestenfalls überzeugenden Botschaft bis zum Zuschauer vorzudringen. Kreative Klasse lebt von dem Zusammenspiel der Faktoren „Überraschen“ und „Überzeugen“.
IP: Auf welchen TV-Spot der letzten Jahre, den Sie verantwortet haben, sind Sie besonders stolz?
Spaetgens: Wir haben uns über den Erfolg des Loewe-Spots gefreut, in dem ein Chor per Fernbedienung dirigiert wird. Einige haben sich den Spot sogar freiwillig angeschaut, wie die Views auf
YouTube zeigen (www.youtube.com/watch?v=dq_SJ7CtnZI).
Gute Werbung bewegt den Betrachter.
Sie regt zum Nachdenken an, zum Schmunzeln, zum Lachen oder bestenfalls erzählt
man die Idee weiter.
IP: Und welchen großen TV-Spot der letzten
Jahre eines anderen Kreativen hätten Sie liebend gerne gemacht?
Spaetgens: Zum Beispiel den von Stella Artois, „Skating Priests“.
(www.youtube.com/watch?v=t5ys55MLA6U).
IP: Was glauben Sie, wie viel Prozent aller TV-Spots verschenken noch deutliches Wirkungspotenzial in ihrer Kreation?
Spaetgens: Einige sagen, dass die Hälfte der Werbeaufwendungen rausgeschmissenes Geld sind. Studien des GWA belegen
sogar, dass 75 Prozent aller Werbeanstrengungen verpuffen. Ich
kann den Wissenschaftlern nicht widersprechen, aber setze alles
daran, die Quote um ein paar Prozentpunkte zu senken.
IP: Was kann Marktforschung aus Ihrer Sicht zur Optimierung der
Werbewirkung von TV-Spots beitragen – und was nicht?
Spaetgens: Bei Werbung kommt es darauf an, verstanden zu
werden. Marktforschung kann hilfreich sein, um die Verständlichkeit einer Idee zu überprüfen. Aber bitte nicht, um die Qualität oder gar Wirkung zu überprüfen. Der Betrachter kann nur das
bewerten, was er gelernt hat. Kreative Werbung ist allerdings so
ungewöhnlich, dass sie den Betrachter in der Marktforschung
überfordern wird.
www.ip-deutschland.de
37
Aufmerksamkeit
und eine klare Botschaft
Marcel Loko, Geschäftsführer
Zum goldenen Hirschen, Hamburg
www.hirschen.de
Loko: Auf welches Ihrer Kinder sind Sie besonders stolz? :-)
IP: Und welchen großen TV-Spot der letzten Jahre eines anderen
Kreativen hätten Sie liebend gerne gemacht?
IP: Was würden Sie aus Ihrer praktischen Erfahrung sagen: Welche
Bedeutung kommt der Kreation in Bezug auf die Werbewirkung
eines TV-Spots zu?
Loko: Der Schuhraum vs. Heineken-Raum-Spot (oder war das
nur ein viraler?). Einige der Telekom-Spots wie Paul Potts beim
Casting, Paul Potts in Leipzig oder auch der Painted-BlackImage-Spot.
Marcel Loko: Kreation ist nicht alles. Aber ohne Kreation ist alles
nichts.
IP: Was glauben Sie, wie viel Prozent aller TV-Spots verschenken noch deutliches Wirkungspotenzial in ihrer Kreation?
IP: Es gibt ja einige Studien zu diesem Thema – aber sind nach
Ihrer persönlichen Erfahrung kreative Spots in der Regel auch
wirksamer?
Loko: 80 Prozent.
Loko: Hornbach oder Trigema – die Kreativsten und die Schnörkellosesten können erfolgreich sein. Es gibt also keine Regel.
IP: Ein Zauberwort im Kontext der Nutzung und Wirkung von
Fernsehen und Fernsehwerbung ist „Involvement“. Arbeiten Sie
auch mit diesem Begriff?
Loko: Nein, ich arbeite nicht damit. Wenn allerdings mit Involvement gemeint ist, seine Zielgruppe mindestens emotional, aber
noch besser physisch in seine Kommunikation einzubeziehen,
z. B. durch Aufruf oder durch Aktion im Internet, dann ist es ein
schönes Wort.
80 Prozent aller TV-Spots
verschenken noch deutliches
Wirkungspotenzial.
IP: Wenn Sie einmal Ihre langjährige Erfahrung in wenige Regeln verdichten müssten: Welche Faktoren
machen einen TV-Spot erfolgreich, also wirksam im Sinne der
Marke und intendierten Botschaft? Gibt es Faktoren, die ein absolutes „Muss“ sind?
Loko: Es gibt nur zwei Regeln: TV-Spots müssen Aufmerksamkeit erregen und eine klare Botschaft haben.
38
IP: Auf welchen TV-Spot der letzten Jahre, den Sie verantwortet
haben, sind Sie besonders stolz?
Dossier I / 2010 | Spot-Kreation und Werbewirkung
IP: Was kann Marktforschung aus Ihrer Sicht zur Optimierung
der Werbewirkung von TV-Spots beitragen – und was nicht?
Loko: Ich halte viel von Marktforschung als Desaster-Check,
aber nichts vom Marktforscher als Kreativ-Direktor.
Ein Spot, der Menschen
emotional berührt, erzeugt
Involvement.
Stefan Kolle,
Geschäftsführer Kreation, Kolle-Rebbe, Hamburg
www.kolle-rebbe.de
IP: Was würden Sie aus Ihrer praktischen Erfahrung sagen: Welche Bedeutung kommt der Kreation in Bezug auf die Werbewirkung eines TV-Spots zu?
Stefan Kolle: Große. Selbst mit einem riesigen Budget ist es heute
schwer, eine Botschaft in den Köpfen zu verankern, weil die Informationsflut unüberschaubar geworden ist. Langfristig gewinnt
man nur, wenn man die Zielgruppe für sich einnimmt. Mit dem
Holzhammer kann ich eventuell kurzfristige Wirkung erzielen –
Kopfschmerzen und/oder ein Abverkaufs-Strohfeuer –, Kunden
binden kann ich nur mit kreativer Intelligenz. Eine Marke wie
Media-Markt verbindet die beiden Pole seit Jahren ziemlich gut.
IP: Es gibt ja einige Studien zu diesem Thema – aber sind nach
Ihrer persönlichen Erfahrung kreative Spots in der Regel wirksamer?
Kolle: Meine persönliche Erfahrung sagt, dass ich keine Lust
habe, von penetranten Wiederholungen gelangweilt zu werden.
Insofern kann ich die Studien nur bestätigen.
IP: Ein Zauberwort im Kontext der Nutzung und Wirkung von
Fernsehen und Fernsehwerbung ist „Involvement“. Arbeiten Sie
auch mit diesem Begriff? Wenn ja, wie definieren, erzielen oder
messen Sie Involvement?
Kolle: Da gibt’s nicht viel zu messen. Ein Spot, der die Menschen
emotional berührt, erzeugt Involvement. Ein Spot der die Menschen emotional nicht berührt, erzeugt gar nichts. Und ob ein Spot
emotional berührt oder nicht, das misst man nicht, das spürt man.
Kunden gewinn' ich nur mit
kreativer Intelligenz.
Marke und intendierten Botschaft? Gibt es Faktoren, die ein absolutes „Muss“ sind?
Kolle: Ein Werbespot unterbricht den Adressaten bei dem, was
er eigentlich tun wollte: nämlich eine Fernsehsendung verfolgen.
Insofern ist er per se ein Ärgernis und sollte dem Zuschauer nicht
noch zusätzlich auf die Nerven gehen. Ein absolutes „Muss“ ist
es also, den Spot für die Zielgruppe zu machen. Das erfordert Empathie. In der Konzeption und in der Umsetzung.
IP: Auf welchen TV-Spot der letzten Jahre, den Sie verantwortet
haben, sind Sie besonders stolz?
Kolle: Paulaner – „Inder im Biergarten“. Das zweite Beispiel ist ein
Film, der nur im Internet lief: Bionade Quitte – „Marktforschung“
(www.bionade-quitte.de/marktforschung/filme.html).
Ein absolutes ‚Muss‘ ist es,
den Spot für die Zielgruppe
zu machen.
IP: Und welchen großen TV-Spot der letzten
Jahre eines anderen Kreativen hätten Sie liebend gerne gemacht?
Kolle: Hornbach und den einen oder anderen VW-Spot.
IP: Was glauben Sie, wie viel Prozent aller TV-Spots verschenken
noch deutliches Wirkungspotenzial in ihrer Kreation?
Kolle: An die 75 Prozent.
IP: Was kann Marktforschung aus Ihrer Sicht zur Optimierung der
Werbewirkung von TV-Spots beitragen – und was nicht?
Kolle: Mafo ist ohne Frage wichtig. Aber in einem Punkt liefert
sie keine validen Daten: Wenn etwas Neues, Ungesehenes, Innovatives in den Test geht, schneidet es regelmäßig schlechter ab
als das Alte, Bekannte und Gewohnte. Es liegt in der Natur der
Menschen, dass sie Neues erst einmal grundsätzlich skeptisch
betrachten. Aber die Mafo bildet diesen Effekt nicht genügend
ab. Auch deshalb haben es neue Ideen so schwer, sich durchzusetzen.
IP: Wenn Sie einmal Ihre langjährige Erfahrung in wenige Regeln verdichten müssten: Welche Faktoren
machen einen TV-Spot erfolgreich, also wirksam im Sinne der
www.ip-deutschland.de
39
Wir glauben an das
Belohnungsprinzip.
Ralf Heuel, Geschäftsführer
Grabarz & Partner Werbeagentur, Hamburg
www.grabarzundpartner.de
IP: Was würden Sie aus Ihrer praktischen Erfahrung sagen: Welche Bedeutung kommt der Kreation in Bezug auf die Werbewirkung eines TV-Spots zu?
Ralf Heuel: „Kreation“ oder „kreativ“ sind dehnbare und leider
auch häufig missbrauchte Begriffe. Erstmal ist ja alles Kreation,
was einem so jeden Tag im Werbeblock begegnet. Von Meister
Propper bis zu IKEA. Insofern ist Kreation (von der Media-Platzierung abgesehen) der alles entscheidende Faktor in der Kommunikation. Welcher sollte es sonst sein?
IP: Es gibt ja einige Studien zu diesem Thema – aber sind nach
Ihrer persönlichen Erfahrung kreative Spots in der Regel auch
wirksamer?
Heuel: Wenn man „kreativ“ definiert als aufmerksamkeitserregend, normbrechend, markenadäquat, zielgerichtet, involvierend und Menschen berührend – zu 100 Prozent ja.
IP: Ein Zauberwort im Kontext der Nutzung und Wirkung von
Fernsehen und Fernsehwerbung ist „Involvement“ (oder
„Engagement“). Arbeiten Sie auch mit diesem Begriff? Wenn ja,
wie definieren, erzielen oder messen Sie Involvement?
Heuel: Der Begriff mag (neben „Relevanz“) ein Modewort sein
– was sich dahinter verbirgt, ist kein Voodoo. Wenn wir TVSpots entwickeln, gehen wir bei jedem einzelnen davon aus,
dass er Menschen interessieren und involvieren muss. Dabei
hilft es, sich bei jeder Spot-Entwicklung klarzumachen, dass
sich erstmal kein Mensch da draußen für uns, unseren Spot oder
unsere Marke interessiert. Diese Barriere zu nehmen und dafür
zu sorgen, dass sich Menschen mit dem Spot und der Marke
beschäftigen, verstehen wir unter Involvement. Dabei glauben
wir an das Belohnungsprinzip. Wer einen Spot von Grabarz &
Partner gesehen hat, wird dafür belohnt: durch ein bestimmtes
Gefühl, durch ein Lächeln oder auch durch eine wertvolle Information. Das größte Kompliment an einen TV-Spot ist, wenn
Menschen ihn wieder sehen wollen oder bestenfalls weitererzählen. Das schlimmste Urteil über einen TV-Spot ist, wenn
Menschen denken, das waren 30 Sekunden verschwendete Zeit.
40
Dossier I / 2010 | Spot-Kreation und Werbewirkung
IP: Wenn Sie einmal Ihre langjährige Erfahrung in wenige
Regeln verdichten müssten: Welche Faktoren machen einen
TV-Spot erfolgreich, also wirksam im Sinne der Marke und intendierten Botschaft? Gibt es Faktoren, die ein absolutes „Muss“
sind?
Heuel: Eine clevere Strategie, ein präziser Consumer Insight,
überraschende Kreation, liebevolle Exekution. Und man sollte
grundsätzlich keine Sachen produzieren, die einem selbst
peinlich sind – oder auf die man nicht angesprochen werden
möchte.
IP: Auf welchen TV-Spot der letzten Jahre, den Sie verantwortet
haben, sind Sie besonders stolz?
Heuel: Auf einige, die wir für IKEA, Volkswagen oder die DEVK
gemacht haben. Besonders vielleicht auf den EDEKA-Spot
„Waage“, bei dem sich ein Mann an der Wursttheke mit einer Verkäuferin duelliert und 268 Gramm Mortadella haben
möchte. Danach gab es EDEKA-Märkte, die Mortadella in
268-Gramm-Portionen abgepackt und dann „Die aus der TVWerbung!“ draufgeschrieben haben. Viel mehr kann ein Spot
nicht erreichen.
Ein ‚Muss‘ sind eine clevere Strategie,
ein präziser Consumer Insight,
überraschende Kreation,
liebevolle Exekution.
IP: Und welchen großen TV-Spot der letzten Jahre eines anderen Kreativen hätten Sie liebend gerne gemacht?
Heuel: Viel zu viele. Sony Bravia „Balls“ von Fallon/London gehört auf jeden Fall dazu.
IP: Was glauben Sie, wie viel Prozent aller TV-Spots verschenken noch deutliches Wirkungspotenzial in ihrer Kreation?
Heuel: Ich habe gestern abend unter Schmerzen einen Werbeblock mal komplett durchgeschaut und bin selbst heute früh
noch der Meinung: wenigstens 90 Prozent.
IP: Letzte Frage: Was kann Marktforschung aus Ihrer Sicht zur
Optimierung der Werbewirkung von TV-Spots beitragen – und
was nicht?
Heuel: Marktforschung ist ein heikles Thema. Richtig eingesetzt
und richtig interpretiert, kann sie wertvolle Erkenntnisse bringen und durchaus zu einer höheren Effizienz von TV-Spots beitragen. Die meisten Marktforschungen halte ich allerdings für
völlig am Thema vorbei. Angefangen beim Testdesign bis hin
zur Interpretation der Ergebnisse. Wenn man einen schlecht
Kreativität lohnt sich.
gezeichneten Animatic 15 von der Straße weggecasteten Hausfrauen zeigt und sich davon wertvolle Impulse verspricht, dann
macht man etwas grundsätzlich falsch. Weil man dann gar nicht
mehr selbst das Marketing macht, sondern 15 von der Straße
weggecastete Hausfrauen, die einen schlecht gezeichneten
Animatic gesehen haben.
IP: Welchen großen TV-Spot der letzten Jahre eines anderen
Kreativen hätten Sie liebend gerne gemacht?
Rädeker: „18“ von Mercedes-Benz.
Jochen Rädeker, ADC-Vorstandssprecher und Sprecher
der Geschäftsführung Strichpunkt Design, Stuttgart
www.strichpunkt-design.de
IP: Was würden Sie aus Ihrer praktischen Erfahrung sagen:
Welche Bedeutung kommt der Kreation in Bezug auf die Werbewirkung eines TV-Spots zu?
Jochen Rädeker: Gute Kreation macht eine Marke emotional erlebbar. Sie ist deshalb ein zentraler Punkt für die Wirksamkeit
eines TV-Spots, denn die meisten Kaufentscheidungen werden
mit dem Bauch getroffen, nicht mit dem Kopf.
IP: Es gibt ja einige Studien zu diesem Thema – aber sind nach
Ihrer persönlichen Erfahrung kreative Spots in der Regel auch
wirksamer?
Rädeker: Kreativität lohnt sich. Spots, die aufgrund einer
überraschenden, sympathischen Idee in Erinnerung bleiben,
verbinden den Kunden dauerhaft mit einem positiven Markenerlebnis. Reine Penetration banaler Aussagen verankert die
Marke ebenfalls, belegt sie aber nicht positiv. Und darin liegt
der entscheidende Unterschied.
IP: Was glauben Sie, wie viel Prozent aller TV-Spots verschenken noch deutliches Wirkungspotenzial in ihrer Kreation?
Rädeker: Gefühlt, deutlich über 90 Prozent dessen, was in
Deutschland über den Sender geht.
IP: Was kann Marktforschung aus Ihrer Sicht zur Optimierung
der Werbewirkung von TV-Spots beitragen – und was nicht?
Gute Kreation macht eine Marke
emotional erlebbar.
Rädeker: Marktforschung beschreibt uns
die Menschen, die wir erreichen wollen, genauer. Das ist hilfreich für zielgerichtete Kommunikation. Aber: Wer nur an Marktforschung glaubt, hat keine Visionen. Ohne innovatives Denken
keine Weiterentwicklung, ohne Entwicklung kein Absatz. Manchmal ist es wichtig, sich von Marktforschung unabhängig zu machen. Bestes Beispiel: die Quitte von Bionade – der wegweisende
Claim: „Wir machen es trotzdem.“
IP: Wenn Sie einmal Ihre langjährige Erfahrung in wenige
Regeln verdichten müssten: Welche Faktoren machen einen TVSpot erfolgreich, also wirksam im Sinne der Marke und intendierten Botschaft? Gibt es Faktoren, die ein absolutes „Muss“
sind?
Rädeker: Mit den Worten von Keith Reinhardt: „Good advertising needs only three things: simplicity, surprise and a smile.“
Damit ist alles gesagt.
www.ip-deutschland.de
41
Umfrage unter Marktforschern
Die befragten Institutsexperten:
Henning Rossa, Director Brand & Communications
Research, TNS Infratest, Hamburg
Dr. Bernd Büchner, Geschäftsführer Millward Brown
Deutschland, Frankfurt a. M.
Dr. Gudrun Klupacek, Senior-Projektleiterin
IMAS-International, München
Joachim Agüeras Netz, Sales Director MediaAnalyzer,
Hamburg
Siegfried Högl, Managing Director, GfK, Nürnberg
IP: Was würden Sie aus Ihrer praktischen Erfahrung sagen: Welche
Bedeutung kommt der Kreation in Bezug auf die Werbewirkung eines
TV-Spots zu? Sind kreative Spots in der Regel auch wirksamer?
Dr. Bernd Büchner, Millward Brown Deutschland: Grundsätzlich gilt:
Kreative Spots sind effektiver und effizienter als weniger kreative
Spots. Sie erreichen den Zuschauer wirksamer und auch kosteneffizienter, wenn wir einmal die Media-Spendings mit einbeziehen.
Henning Rossa, TNS Infratest: Die Kreation ist von zentraler Bedeutung für die Wirksamkeit eines Spots. Sie inszeniert und verpackt
die eigentliche Werbeaussage und ist entscheidend für die Überzeugungskraft eines Spots. Dabei ist unabdingbar, dass die Kreation für die Marke arbeitet und Kreativität nicht zum Selbstzweck wird.
Eine Spot-Idee, die lustig, außergewöhnlich, überraschend und
damit kreativ ist, muss noch lange nicht wirksam im Sinne einer erfolgreichen Markenpositionierung sein. Die Aussage „Kreative Spots
sind in der Regel wirksamer“ teile ich nicht. Aus Erfahrung wissen wir
nämlich, dass sehr kreative Spots zwar größere Chancen haben, besonders wirksam zu werden, aber gleichzeitig auch das erhöhte Risiko in sich tragen, vollständig durchzufallen. Testen hilft hier und
sichert geradezu ab, dass sich Kreativität im Dienst der Marke voll
entfalten kann.
Siegfried Högl, GfK: Unserer Erfahrung nach zeichnen sich erfolgreiche Spots dadurch aus, dass es der Kreation gelingt, ausdrucksstarke Bilder für die intendierte Botschaft zu finden und diese zusammen mit dem Produkt zu inszenieren. Dies fällt natürlich umso
leichter, je stärker sich das beworbene Produkt von anderen im nachvollziehbaren Nutzenversprechen unterscheidet.
Dr. Gudrun Klupacek, IMAS-International: Der Werbedruck ist unbestritten der wichtigere Faktor als die Kreation. Eine optimale Kreation
42
Dossier I / 2010 | Spot-Kreation und Werbewirkung
kann aber die Auffälligkeit der Kampagne erhöhen, das Image positiv
prägen, Must-have-Impulse erzeugen, die Werbung zum Gesprächsthema machen, so dass below the line weiter kommuniziert wird.
Aber was ist ein kreativer Spot? Eine kreative Performance muss den
Rezipienten ein A-ha-Erlebnis verschaffen und ihnen einen Nutzen
bringen, indem sie informiert und/oder amüsiert. Die Botschaft muss
sich auf jeden Fall auf Anhieb entschlüsseln, denn niemand will und
wird über Werbung nachdenken – außer den Werbetreibenden und
den Kreativen.
Joachim Agüeras Netz, MediaAnalyzer: Zentrale Aspekte für die
Wirkung von Spots sind zunächst Auffälligkeit und Uniqueness.
Diese hängen direkt von der Kreativität bei der Konzeption ab.
Aber nur die Verbindung aus einer guten, kreativen Idee und einer optimalen Umsetzung verspricht eine hohe Wirksamkeit. Dies
betrifft besonders häufig die Verständlichkeit der Idee. Die Kunst
ist es daher, Kreativität so einzusetzen, dass die Zielgruppe die
Botschaft versteht. Leider gelingt das nicht immer. Kreative
Werbung wird dann zum Selbstzweck und die Wirkung geht verloren. Meist ist dies darin begründet, dass die an der Entwicklung
Beteiligten nicht mehr die unvoreingenommene Sichtweise ihrer
Zielgruppe einnehmen können und daher mögliche Barrieren nicht
erkennen. Glücklicherweise reichen aber in der Regel kleinere Optimierungen, um aus einem guten Spot auch einen wirksamen zu machen.
IP: Welche Methoden setzen Sie vor allem zur Untersuchung von
TV-Spots ein?
Dr. Gudrun Klupacek: IMAS-International setzt zur Überprüfung der
Kommunikationsleistung von TV-Spots vor allem den PsychoMeter
ein, der seit fast 20 Jahren in Deutschland etabliert ist. Es handelt sich
um eine Befragung, die in Studios durchgeführt wird. Uns ist wichtig,
dass die Testsituation kontrolliert ist. Pro Testreihe werden 20 Spots
überprüft. Dieser Werbeblock wird den Probanden einmal ohne Programmumfeld vorgespielt. Danach werden alle Fragen aus der Erinnerung beantwortet.
Eine kreative Performance
muss den Rezipienten ein
Aha-Erlebnis verschaffen.
Dr. Gudrun Klupacek, Senior-Projektleiterin
IMAS-International, München
www.imas-international.de
Da der PsychoMeter-Test nur auf fertige Filme, nicht aber auf Konzepte, Storyboards oder Animatics angewandt werden kann, haben
wir ihm den PreMeter-Test zur Seite gestellt. Wie die Bezeichnung
schon sagt, wird er für Pretests eingesetzt. Auch hier handelt es sich
um eine kontrollierte Interviewsituation im Studio. Dieser Test ist stärker qualitativ angelegt und auf die spezifische Zielgruppe des Kunden
ausgerichtet.
Dr. Bernd Büchner: Bei der Messung werden neben der klassischen
quantitativen Befragung zunehmend auch qualitative Tiefeninterviews und Neuroscience-basierte apparative Messungen eingesetzt,
und zwar modular einander ergänzend. Hier geht die Entwicklung
ständig voran. Millward Brown ist weltweit eines der zwei bis drei
führenden Institute im Bereich der Werbewirkungsforschung. Wir verfügen damit auch über umfangreiche Benchmark-Daten zu den KeyPerformance-Indikatoren (KPIs) für erfolgreiche Werbung. Diese Indikatoren schließen insbesondere den kreativen Aspekt eines Spots
zentral in die Betrachtung und Bewertung ein.
Joachim Agüeras Netz: Die Analyse von TV-Spots basiert bei uns auf
einer Kombination aus strukturierter Befragung und impliziter Messung. In der Befragung wird das Zusammenspiel der Wirkungsdimensionen geprüft: Auffälligkeit, Verständlichkeit, Branding und Aktivierung. Die gerade bei TV-Spots besonders wichtige Emotionalität
wird mittels EmotionTracking gemessen. Das Verfahren ist eine Weiterentwicklung bewährter Methoden, um Emotionen direkt während
der Betrachtung zu messen. EmotionTracking hat im Gegensatz zu
Studiotests den Vorteil, dass wir unsere Untersuchungen online mit
großen Stichproben durchführen können. Unsere Analyse generiert
dadurch schnell belastbare Fakten für wichtige Entscheidungen im
Marketing.“
Siegfried Högl: In einem veränderten Medien- und Marketingumfeld
ist für eine realistische Beurteilung des Markenauftritts heute auch
das Zusammenspiel aller Medien entscheidend. Dem trägt die GfK
mit dem online-basierten Pretest-Instrument AD*VANTAGE®/MultiMedia Rechnung, mit dessen Hilfe die Kunden die Qualität des
(Cross-)Media-Einsatzes absichern können und zudem wichtige
Hinweise für ihren Mediaplan erhalten. Dabei können sowohl Aussagen über die potenzielle (Verkaufs-)Leistung einer gesamten Kampagne – z. B. via Fernsehen und Plakate – als auch Aussagen zum
Soloauftritt eines Mediums wie etwa reiner Fernsehwerbung getroffen
werden. Eine wichtige zentrale Kennzahl ist die Prognose über die
Kaufwahrscheinlichkeit des beworbenen Produkts. Dabei wird das
Kaufverhalten vor Werbemittelkontakt mit der Kaufbereitschaft nach
Werbekontakt verglichen. Diese Kaufbereitschaft – korrekt Persuasion genannt – ist für die GfK-Kunden eine wichtige Größe bei der kurzfristigen Markensteuerung.
Henning Rossa: TNS (Infratest) arbeitet weltweit mit dem Pretest System AdEval™. Das Instrumentarium liefert zum einen eine verlässliche Entscheidungsunterstützung auf Basis validierter und wichtiger
Werbewirkungskennziffern und hat zum anderen einen diagnostischen Schwerpunkt, der Werbewirkung erklärt und Optimierungen
unterstützt. Wir konnten nachweisen, dass sich die Wirksamkeit durch
AdEval™-unterstützte Spot-Entwicklung im Durchschnitt um über
20 Prozent steigern lässt. Diese Effektivitätsverbesserung ist ein
wesentlicher Grund, warum AdEval™ gerade auch in Zeiten knapper
Budgets häufig nachgefragt wird.
Wirklich gute Spots stellen
kreative Inszenierung in den
Dienst der Marke.
Henning Rossa, Director Brand & Communications
Research, TNS Infratest, Hamburg
www.tns-infratest.com; www.tns-global.com
IP: Ein Zauberwort im Kontext der Werbewirkung ist „Involvement“.
Arbeiten Sie auch mit diesem Begriff? Wenn ja, wie definieren und
operationalisieren Sie Involvement?
Joachim Agüeras Netz: Das grundsätzliche Involvement der Zielgruppe wird zunächst einmal häufig überschätzt. Die Konsumenten sitzen
ja nicht da und warten nur darauf, diesen einen Spot zu diesem einen
Produkt zu sehen. Daher muss ich sie mitreißen, bewegen, etwas finden, um sie positiv für meine Marke und meine Message zu öffnen.
Die Wahl des passenden Umfeldes spielt dabei ebenfalls eine wichtige Rolle, denn wenn die Zielgruppe für mein Thema aufnahmebereit
ist, habe ich es leichter, echtes Interesse zu generieren. In unseren
Tests setzen wir allerdings bewusst auf ein standardisiertes Umfeld,
um möglichst nur die Wirkung des Spots an sich zu messen. Nur auf
diesem Weg ist auch ein sinnvoller Vergleich mit dem Benchmark
möglich, der zeigt, wo noch etwas geändert werden muss.
Siegfried Högl: Wir messen Involvement über das Vorhandensein
marketingrelevanter Emotionen und die Stärke der Emotionen über
das Aktivierungspotenzial. Das Aktivierungspotenzial bestimmt sich
über ein definiertes Set von Statements, die hoch mit Ergebnissen aus
Hautwiderstandsuntersuchungen korrelieren. Der Emo-Sensor –
Bestandteil im GfK-Verfahren der Emotionsmessung – wurde zusammen mit der Universität Saarbrücken entwickelt. Wir haben dazu einen gelabelten Bildersatz entwickelt, der marketingrelevante Emotionen repräsentiert. Der Befragte entscheidet bei der Bildvorlage,
ob er diese Emotion empfunden hat oder nicht. Dadurch lassen sich
die Befragten auch hinsichtlich ihrer Emotionalität nach Typen segmentieren. In der Analyse zeigt sich, dass bestimmte Emotionstypen
www.ip-deutschland.de
43
stärker auf die Werbung reagieren. Produktkategorien-Involvement
schließen wir ja durch die Rekrutierung nach Zielgruppe mit ein. Bei
der Bewertung des Involvements ist der Einfluss von Markenverwendern zu berücksichtigen.
IP: Wenn Sie einmal Ihre langjährige Erfahrung in wenige Regeln
verdichten müssten: Welche Faktoren machen einen TV-Spot erfolgreich, also wirksam im Sinne der Marke und intendierten Botschaft?
Gibt es Faktoren, die ein absolutes „Muss“ sind?
Dr. Bernd Büchner: Nur wer den Zuschauer involviert, kann ihn auch
erreichen. Aufmerksamkeit wird dabei nicht nur punktuell gemessen,
sondern auch im Sekunden-Ablauf des Spots. Involvement muss ja
nicht nur an einigen Stellen des Spots, sondern während der gesamten Spot-Dauer erzielt werden. Zudem gilt es, ein hohes Involvement
in enger Verbindung mit dem Branding zu erzielen. Involvement
und Brand Appeal müssen gemeinsam erreicht werden. Wenn
dies nicht durchgängig im Spot der Fall ist, geht Wirkungspotenzial
verloren.
Henning Rossa: Natürlich gibt es weder ein Kochbuch für gute Spots
noch Kreativität von der Stange, wohl aber recht viele handwerkliche
Hinweise, die sich insbesondere auf die Dramaturgie von Spots und
auch ihr Branding beziehen. Diese Hinweise lassen sich am konkreten Spot sehr gut geben, sind allgemein formuliert, aber wenig
hilfreich, daher hier nur drei allgemeine Erkenntnisse über wirklich
gute TV-Spots:
Nur wer den Zuschauer
involviert, kann ihn auch
erreichen.
Dr. Bernd Büchner, Geschäftsführer
Millward Brown Deutschland, Frankfurt
www.millwardbrown.com
Henning Rossa: Involvement ist das zentrale Maß unseres
AdEval™-Systems und Bindeglied zwischen dem Verständnis und
der Überzeugungskraft einer Botschaft. Wir verstehen Involvement
als Grundinteresse des Konsumenten am TV-Spot selbst, das durch
die Kreation bzw. die kreative Inszenierung geweckt wird. Involvement steht dabei nicht allein, sondern muss zur Motivation des Konsumenten, d. h. zur Bildung einer positiven Einstellung zur Marke
bzw. zum Produkt führen. Wir operationalisieren Involvement und
Motivation mittels einer mehrdimensionalen Abfrage aus insgesamt
sechs Fragen.
Dr. Gudrun Klupacek: Wir definieren Involvement als persönliche Betroffenheit und Relevanz. Das Thema begegnet uns zunächst schon
einmal im Zusammenhang mit dem Produkt, das beworben wird.
Spots für Tourismus, Bekleidung, Düfte oder Autos fällt es deutlich
leichter mit den Zuschauern in Beziehung zu treten, als Werbung für
Waschmittel oder Versicherungen. Im PsychoMeter-Auswertungsverfahren werden daher branchenbezogene Benchmarks errechnet, um
diesem unterschiedlichen produktbedingten Involvement gerecht zu
werden. Darüber hinaus gibt es eine Reihe von Indikatoren, an denen
sich ablesen lässt, in welchem Ausmaß es dem Spot gelungen ist,
die Zuschauer in das Filmgeschehen zu involvieren, ob das Involvement über die gesamte Filmlänge anhält und ob es schließlich dazu
führt, das Produkt kaufen zu wollen und/oder das Ansehen der Marke
zu verbessern.
44
Dossier I / 2010 | Spot-Kreation und Werbewirkung
Sie stellen ihre kreative Inszenierung in den Dienst der Marke
und helfen Botschaft und Absender, beim Konsumenten schnell
und überzeugend anzukommen.
Sie adressieren relevante Bedürfnisse der Zielgruppe und ha ben verstanden, dass es neben den wichtigen funktionalen auch
bedeutende emotionale Bedürfnisse gibt, die Marken viel erfolg reicher differenzieren und attraktiver erscheinen lassen.
Sie stimulieren Word of Mouth, den Dialog und knüpfen an an dere für die Zielgruppe relevante Kontaktpunkte an. Sie sind
crossmedial, intelligent vernetzt und fast nie monomedial.
Joachim Agüeras Netz: Dies hängt natürlich von der Branche
und von der Zielsetzung des Spots ab. Generell lässt sich aber
feststellen, dass neben der zuvor bereits genannten Auffälligkeit
und Uniqueness ein emotionaler, spannender Spot-Verlauf von
Bedeutung ist, um eine Verankerung im Gedächtnis zu erreichen.
Die Verwendung wiederkehrender Markensymbole ist ebenfalls
ein wichtiger Faktor. Um Handlungsimpulse zu verstärken, muss
ich zudem neben der reinen Aussage „Seht her, es gibt mein Produkt!“ auch konkrete Leistungsversprechen, also nachvollziehbare Product Benefits, nennen. Diese müssen nicht unbedingt
herausragend sein; wir kennen ja genug Fälle, wo lediglich das Gefühl vermittelt wird, Produkt oder Marke seien etwas Besonderes.
Ein emotionaler, spannender Spotverlauf ist von
hoher Bedeutung.
Joachim Agüeras Netz, Sales Director
MediaAnalyzer, Hamburg
www.mediaanalyzer.com
Siegfried Högl: Ausgangspunkt für den Werbeerfolg ist die Relevanz einer zentralen Kernbotschaft für die Zielgruppe des Produkts. Diese Kernbotschaft muss in einprägsamen Szenen insze-
niert werden. Bewährt haben sich dabei Geschichten, die einen
dramaturgischen Spannungsbogen entwickeln, um positive Emotionen wie z. B. Neugier und Interesse für das beworbene Produkt
zu wecken. Emotionen haben einen nachweisbaren, positiven
Effekt auf Präferenzbildung und Einstellungsänderung. Dabei gilt
aber immer „Product is hero“- Emotionalität darf keinen Ersatz für
Markenpositionierung darstellen. Des Weiteren muss der Absender des Werbefilms erkennbar sein. Gerne darf der Spot auch so
inszeniert sein, dass er gefällt und News Value generiert. Um Erfolg
zu überprüfen, sollten Kommunikationsziele in einem Briefing hinterlegt werden. Weiterhin hängt Werbeerfolg natürlich auch von der
generellen Markenstrategie und dem Wettbewerbsumfeld ab.
Geschichten sind ein
bewährtes Stilmittel, um Kernbotschaften zu vermitteln.
Siegfried Högl, Managing Director GfK, Nürnberg
www.gfk.com/marktforschung
Dr. Gudrun Klupacek:
In erster Linie muss die beworbene Marke hängen bleiben
und nicht die Pointe.
Weniger ist mehr, d.h. den Film nicht überfrachten.
Wichtige Botschaften nicht nach dem Haupt-Branding platzieren, denn dieses wurde als „The End“ gelernt.
Der Zusammenhang von Story und Produkt muss geschmeidig
und leicht nachvollziehbar sein, die Werbebotschaft auf Anhieb
verständlich.
Sorgfältiges Casting: Bei idealer Besetzung verbrauchen sich
Pointen nicht so schnell, da sich die Zuschauer die Mimik, Gestik etc. der Protagonisten immer wieder ansehen können, obwohl sie die Story schon kennen. Die Authentizität und Glaubwürdigkeit wird erhöht.
Prominente wirken nicht per se. Story, Produkt und Promi
müssen stimmig sein, wobei die Rolle des Prominenten durchaus überraschen darf.
Qualität bei der Filmproduktion und Synchronisierung zahlt
sich aus.
IP: Was glauben Sie wie viel Prozent aller TV-Spots verschenken
noch deutliches Wirkungspotenzial?
Siegfried Högl: In unseren Pretests können wir nur jeden
fünften Testspot uneingeschränkt zur Schaltung empfehlen.
Bei den übrigen 80 Prozent der Test-Spots können wir Hinweise
zur Optimierung des Wirkungspotenzial geben oder auch be-
gründen, warum eine bestimmte Idee nicht weiter verfolgt werden
sollte.
Dr. Bernd Büchner: Wir gehen davon aus, dass auch ein guter
Spot noch besser werden kann, wenn er hinreichend im Vorfeld
getestet und optimiert wird. Dies geschieht meines Erachtens
aber nur bei ca. 20 bis 30 Prozent aller TV-Spots. Oftmals werden
die Erkenntnisse aus den Pretests auch nicht hinreichend berücksichtigt. Und: Manchmal geht auch ein schlecht getesteter Spot
trotzdem on air.
Henning Rossa: Ich glaube, dass über die Hälfte aller Spots deutliches Wirkungspotenzial verschenken. Dieses Wirkungsdefizit
lässt sich allerdings nur teilweise auf die Kreation zurückführen.
Verluste ergeben sich auch aus der zu geringen Passung von Programmumfeld und kreativer Inszenierung. Auch die fehlende oder
schlechte crossmediale Abstimmung sowie der negative Einfluss
eines ungünstigen Werbeumfelds reduzieren das Wirkungspotenzials von TV-Spots.
Ich bin überzeugt, dass dieses Potenzial größtenteils gehoben werden kann, wenn man
diagnostische Werbeforschung betreibt
die Passung von Kreation und Umfeld beachtet und
Kommunikation crossmedialer im Sinne aller verfügbaren Kon-
taktpunkte zwischen Konsument und Marke versteht und plant.
Dr. Gudrun Klupacek: Von den 425 Spots, die IMAS in 2009 dem
PsychoMeter-Test unterzogen hat, haben 17 Prozent auf jeden Fall
Potenzial verschenkt, weil sie entweder die Marke viel zu schwach
verankert haben und/oder die inhaltliche Wirkung weit unter den
Erwartungen blieb. Aber sicherlich wird auch bei einer nur durchschnittlichen Leistung Potenzial vergeudet, weil ja eine höhere Effizienz möglich wäre.
Joachim Agüeras Netz: Das ist einfach: 99 Prozent. Dies liegt in der
Natur der Sache: Die verschiedenen Wirkungsdimensionen, die zusammen eine optimale Wirkung ergeben, stehen teilweise in Konkurrenz zueinander. So ist es beispielsweise sehr schwierig, eine
hohe Emotionalität aufzubauen und gleichzeitig die Marke optimal
zu platzieren. Aus diesem Grund neigen Kreative leider häufig dazu,
die Marke nur kurz am Ende des Spots einzublenden, anstatt eine
echte Verknüpfung zwischen Marke und Inhalt herzustellen. Gerade vor dem Hintergrund, dass der Ausstieg aus einem Spot sehr
entscheidend dafür ist, wie der Spot und damit die Marke beurteilt
wird, ist dies bedenklich. Wir sehen unsere Aufgabe daher vor allem
darin, den Kunden dabei zu unterstützen, solche Fallstricke zu umgehen und eine maximale Wirkung für seinen Spot zu erzielen.
www.ip-deutschland.de
45
Fazit und Empfehlungen
Spot-Kreation als Erfolgsfaktor wirkungsvoller Werbung
Kreativität – Eine wichtige, aber häufig vernachlässigte Größe bei
der Werbewirkungsanalyse
Um effektiv und effizient zu werben, ist eine gute Spot-Idee unabdingbar. Wie zahlreiche Studien belegen, hat der Faktor Kreation dabei einen maßgeblichen Einfluss auf den Erfolg der beworbenen Produkte und Dienstleistungen. Zudem sind Kampagnen,
die auf Kreativ-Festivals Preise abräumen, auch beim Effie deutlich erfolgreicher. Die Kreation als Treiber der Werbewirkung findet
in der Forschung jedoch vergleichsweise wenig Beachtung.
Status quo der Forschung zu Spot-Kreation und Werbewirkung
zeigt noch viele Lücken
Insgesamt präsentiert sich die bisherige Forschung als ein komplexes Feld mit unzähligen Baustellen. Meist werden einzelne
Gestaltungselemente untersucht und benannt, ohne dabei über
die Kreation eines Spots als Ganzes zu reden. Verallgemeinerbare Aussagen sind auf dieser Basis nicht möglich. Hieraus lässt
sich ableiten: Bisherige vor allem quantitative Herangehensweisen stoßen an ihre Grenzen. Die Frage ist: Was bringen qualitative,
verstehende Ansätze, die eine offene Annäherung an das Thema
ermöglichen?
Kreativität kann sich sehr vielfältig ausdrücken – Eine eindeutige
Definition gibt es nicht
Um Kreativität zu erfassen, gibt es verschiedene Kriterien, nach
denen TV-Spots bewertet werden können. Der ADC betrachtet die
Werbung dabei unter folgenden fünf Kriterien: Originalität, Klarheit, Überzeugungskraft, Machart, Freude. Wiederum andere nutzen z. B. für ihre Studien teilweise ähnliche Kriterien wie der ADC,
teilweise aber auch Punkte wie Emotionalität, Uniqueness, Produktbezug oder Überraschung.
Kreativität steigert die Werbewirkung
Bisherige Studien zeigen: Wer auf kreative Werbung setzt, bekommt garantiert „von vielem ein bisschen mehr“. So erzielen
kreativere TV-Spots eine höhere Aufmerksamkeit und wegen ihres
46
Dossier I / 2010 | Spot-Kreation und Werbewirkung
Unterhaltungswerts eine höhere Likeability bei den Zuschauern.
Gute TV-Spots erzeugen zudem ein höheres Involvement bei den
Rezipienten und lösen bei ihnen eine innere Beteiligung aus. Das
Marken-Image kann ebenfalls von Kreativität profitieren, indem
sich die positive Einstellung zur Werbung auf die beworbene
Marke überträgt. Änderungen in der Markenpräferenz oder ein
höherer Abverkauf sind allein hieraus aber nicht zu erwarten.
Patentrezepte gibt es nicht
Der Werbe-Rezeptionsprozess gestaltet sich sehr komplex und ist
von vielen verschiedenen Einflussfaktoren wie dem Zusammenspiel verschiedener Gestaltungsmerkmale innerhalb eines Spots,
den mittransportierten Eigenschaften des Mediums, dem Marktumfeld, dem Produkt oder der Zielgruppe abhängig. Eindeutige Regeln, welche kreative Treiber für den Erfolg der Werbung verantwortlich war, lassen sich somit nicht aus bisherigen Studien ableiten.
Dennoch decken unsere Analysen einige
Geheimnisse starker TV-Spots auf
Insbesondere das Involvement ist ein wichtiges Ergebnis und zugleich ein wichtiger Indikator für gelungene Kreation. Denn über
das Involvement gelingt es, den Zuschauer in das Geschehen
mit einzubeziehen und sein Interesse zu wecken. Dabei kann
Involvement auf ganz unterschiedlichen Wegen erzeugt werden.
Wie unsere qualitative Studiotest-Reihe mit Mediascore zeigt,
können Kommunikationsziele nach wie vor sehr gut mit
bewährten und gelernten Techniken erreicht werden. Ebenso
erfolgversprechend sind aber auch innovative Wege in der SpotKreation, z. B. die Kombination von Image- und Preiskommunikation.
oraussetzung für eine effektive Spot-Kreation ist zudem, dass
V
die Werbebotschaft fokussiert, klar und verständlich vermittelt
wird sowie formal und inhaltlich einen Bezug zur Marke herstellt. Dazu sollte die Marke in die Spot-Handlung integriert sein
und eine zentrale Rolle in dem Spot spielen, damit die Zuschauer nicht nur von der Spot-Idee beeindruckt sind, sondern sich
auch nachhaltig an den Absender der Werbebotschaft erinnern.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Unverwechselbarkeit des
Spots. Um große Wirkkraft zu erzeugen, müssen TV-Spots originell sein und sich durch Andersartigkeit von der Konkurrenz
abheben. Nur so können sie zur Profilierung der eigenen Botschaft beitragen.
Guter Spot-Kreation gelingt es, die Aufmerksamkeit der Zuschauer zu erhöhen, indem sie mit allseits bekannten Mustern
arbeitet. So sind TV-Spots, die alltägliche Situationen aufgreifen, sehr nahe am Zuschauer und seiner Lebenswelt. Da das
menschliche Gehirn ständig auf der Suche nach Bekanntem
und bereits gelernten Reizen ist und Informationen aus der Umwelt selektiv wahrnimmt, reagiert es somit auch eher auf diese
Art von TV-Spots als auf andere.
Es reicht allerdings nicht aus, die Aufmerksamkeit des Zuschauers für einen kurzen Moment auf sich zu lenken. Gleichzeitig muss es auch gelingen, den Zuschauer über den SpotVerlauf „bei der Stange“ zu halten. Hier bietet es sich an,
diese bekannten Muster mit überraschenden, unvorhersehbaren
Effekten zu kombinieren, um die Spannung aufzubauen und einen Höhepunkt zu bieten.
as konkrete Kreativtechniken angeht, zeigt die durchgeführte
W
Inhaltsanalyse, dass das Storytelling zu den beliebtesten Techniken gehört, die bei TV-Spots eingesetzt werden. Da unser Gehirn ein narratives Gedächtnis hat, das sehr empfänglich für
Geschichten ist und diese nachhaltig abspeichert, wundert es
auch nicht, dass diese Technik besonders werbewirksam ist. So
gelingt es Geschichten sehr gut, die Markensympathie und das
Produktinteresse zu steigern, aber auch die Anschlusskommunikation über die Fernsehwerbung zu erhöhen.
Ebenso sind Werbespots, die mit Normen- bzw. Tabubrüchen
arbeiten, sehr effektiv. Dieses Stilmittel führt nicht nur dazu,
dass sich die Werbung von der Masse abhebt und von den Mitbewerbern unterscheidet, sondern es hat auch Einfluss auf das
Gefallen des Spots. Die Zuschauer, aber auch die Juroren von Kreativ-Wettbewerben scheinen es zu lieben, wenn mit gängigen Konventionen gebrochen und Neues, Überraschendes geboten wird.
ehr gute Effekte erzielen TV-Spots zudem über bewusst inszeS
nierte Emotionen. Besonders der Einsatz von Humor ist sehr be-
liebt, aber auch sehr werbewirksam. Dies zeigt: Werbung, die
unterhält, erzielt mehr Aufmerksamkeit bei den Zuschauern und
schafft es damit besser, ihre Kommunikationsziele zu erreichen.
Auch die Emotionen Action und Rührung sprechen die Zuschauer sehr an und sind effektiv.
Von den traditionellen Werbetechniken wirkt die künstliche
Verknappung besonders gut.
Fazit
Dies sind einige ausgewählte Erkenntnisse zum Wirkfaktor
Kreation bei der Werbewirkung von TV-Spots. Sie sollen Ihnen Hilfestellung und Orientierung bieten für die Konzeptionierung, Gestaltung oder Optimierung von TV-Werbung. Die
sorgfältige Diskussion dieser Kriterien ist sinnvoll und bietet gute Voraussetzungen für einen erfolgversprechenden
TV-Spot. Sie ist allerdings kein Erfolgsgarant, denn vieles
hängt natürlich von der markenspezifischen Umsetzung
der Idee und der Inszenierung Ihres Spots ab. Zudem sind
die in diesem Dossier aufgeführten Erkenntnisse notwendigerweise eher allgemeiner Art – ohne Berücksichtigung von
weiteren Rahmenbedingungen wie Kommunikationsziel,
Branche oder Zielgruppe. Solch eine Differenzierung hätte
hier zu sehr den Fokus von den generalisierbaren Erkenntnissen abgelenkt und den Rahmen dieses Dossiers gesprengt.
Der Datenpool des „CreaKompass“ ist jedoch sehr umfangreich und ermöglicht es bereits, eine Vielzahl weiterer Fragestellungen rund um das Thema Spot-Kreation und Werbewirkung kundenindividuell zu beantworten. Spannend
sind vor allem die spezifischen Erkenntnisse aus über
15 bisher betrachteten Branchen ebenso wie individuelle
Spot-Analysen, die im Quervergleich bereits ein erstes
Benchmarking ermöglichen.
Sie interessieren sich für weitere Ergebnisse aus dem
„CreaKompass“ oder möchten Ihren nächsten TV-Spot auch
einmal dem „CreaKompass-Check“ unterziehen? Dann
nehmen Sie bitte Kontakt mit uns auf! Unsere Kontaktdaten
finden Sie auf der vorderen Umschlagseite – oder Sie wenden sich direkt an Ihren Verkaufsberater.
www.ip-deutschland.de
47
Weiterführende Literatur
ADC:
Ideen – das Beste aus 40 Jahren ADC.
Art Directors Club Verlag, Berlin, 2004.
Huston, Larry & Sakkab, Nabil:
Connect and Develop – Inside Procter & Gamble’s New Model for
Innovation. In: Havard Business Review, March 2006 (www.hbr.org).
ADC und McKinsey:
Kreativität oder Content Fit – was wirkt besser in der Werbung?
McKinsey & Company, Düsseldorf, 2007.
Högl, Siegfried, Meyer, Susanna und Gierl, Heribert:
Die Wirkung von TV-Werbung auf den Absatz.
In: Planung + Analyse 4/2003.
Becker, Justin:
Kreativität in der Werbung.
Tectum Verlag, Marburg, 2006.
IP Deutschland:
impact Dossier, Involvement und Werbewirkung. Köln, 2008
Brosius, Hans-Bernd und Fahr, Andreas:
Werbewirkung im Fernsehen: aktuelle Befunde der Medienforschung. Verlag Reinhard Fischer, München, 1998.
Buchholz, Andreas und Wördemann, Wolfram:
Was Siegermarken anders machen.
Econ Verlag, Düsseldorf und München, 1998.
Farr, Andy und Gardiner, Sue:
Creative Enough for the Financial Director.
Admap Magazine, 2001.
Knieß, Michael:
Kreativitätstechniken. Methoden und Übungen.
München, 2006.
Lachmann, Ulrich:
Wahrnehmung und Gestaltung von Werbung.
Stern Bibliothek Gruner + Jahr, Hamburg, 2002.
Fuchs, Werner:
Hirnforschung und Storytelling: welche Geschichten das Gehirn
liebt. In: Context 11/09, Seite 13–14.
Langwost, Ralf:
Creative Effectiveness 2006. Die 35 effektivsten Kreativ-Kampagnen Europas. Idea Management Worldwide, Frankfurt am Main,
2006.
Gesamtverband Werbeagenturen (GWA):
TV-Werbung: der Einfluss von Gestaltungsmerkmalen.
GWA, Frankfurt am Main, 1997.
Langwost, Ralf:
Yes, yes, yes …! Das „innere Nicken“ als Erfolgsfaktor effektiver TVWerbung. In: TV-Wirkung 4, 2009.
Gleich, Uli:
Aktuelle Ergebnisse der Werbewirkungsforschung/Werbegestaltung.
In: Media Perspektiven, Frankfurt am Main, 6/2008, 12/2007,
3/2005, 4/2004, 2/2003.
Mattenklott, Axel und Schimansky, Alexander:
Werbung – Strategien und Konzepte für die Zukunft.
Verlag Franz Vahlen, München, 2002.
Gutjahr, Elisabeth:
Der Mythos Kreativität.
Berlin, 1996.
Hempelmann, Bernd und Lürwer, Markus:
Humor in der Werbung. Der Stand der empirischen Wirkungsforschung. In: Planung + Analyse 3/2002.
48
Jung, Holger und von Matt, Jean-Remy:
Momentum – Die Kraft, die Werbung heute braucht.
Lardon Media, Berlin, 2002.
Dossier I / 2010 | Spot-Kreation und Werbewirkung
Moser, Klaus:
Markt- und Werbepsychologie – Ein Lehrbuch.
Hogrefe-Verlag, Göttingen, 2002.
Oliver, M.B.:
Mood-Management and Selective Exposure.
In: Bryant, Jennings u. a. (Hrsg): Communication and Emotion –
Essays in Honor of Dolf Zillmann, Routledge, 2003, Seite 85–106.
Petty, R.E. & Cacioppo, J.T.:
Communication and Persuasion,
Springer, New York, 1986 (zitiert nach Moser, 2002).
von Rosenstiel, Lutz und Kirsch, Alexander:
Psychologie der Werbung.
Komar-Verlag, Rosenheim, 1996.
Pope, Rob:
Creativity: Theory, History, Practice.
New York, 2005.
Publisuisse:
Fernsehwerbung wirkt auf jeden Fall, aber wie und warum wirkt
der einzelne Fernsehspot? Bern, 2005.
Scheier, Christian und Held, Dirk:
Wie Werbung wirkt – Erkenntnisse des Neuromarketing.
Freiburg/Berlin/München, 2006.
Scheier, Christian und Held, Dirk:
Was Marken erfolgreich macht –
Neuropsychologie in der Markenführung.
Haufe Verlag, 2007.
Schlicksupp, Helmut:
Humor als Katalysator für Kreativität und Innovation.
Würzburg, 2008.
Schütz, Michael:
Totgesagte leben länger: Die Renaissance des Fernsehens.
In: Planung + Analyse 5/2007.
Trommsdorff, Volker:
Werbe-Pretests – Praxis und Erfolgsfaktoren.
Stern Bibliothek Gruner + Jahr, Hamburg, 2003.
Turner, Sebastian:
Spring! Das Geheimnis erfolgreicher Werbung.
Verlag Hermann Schmidt, Mainz, 2000.
Turner, Sebastian:
Vorwort. In: Ideen – Das Beste aus 40 Jahren ADC.
Verlagsgruppe Deutscher Fachverlag, Frankfurt am Main, 2004.
Urban, Dieter:
Kreativitätstechniken für Werbung und Design.
Düsseldorf, 1994.
www.ip-deutschland.de
49
Service
Aktuelle Studien und Publikationen
Neueste Erkenntnisse und umfangreiches Wissen vermitteln unsere aktuellen Studien und
Broschüren. Einen interessanten Querschnitt aus unserer Studien-Schatzkiste finden Sie hier:
Der Folder „Entscheidend ist, wo
Sie werben“ zeigt in kompakter
Form die Wirkungsstärke des Fernsehens und den additiven Beitrag
starker Programmumfelder.
Der I-Punkt informiert monatlich,
viertel-, halbjährlich und jährlich online über die wichtigsten
Leistungswerte für Fernsehen, Teletext und Internet.
In festen Rubriken wie Werbewirkung, Mediennutzung und Daten
& Fakten werden regelmäßig größere Studien, Argumente und Hintergründe aus der Mediaforschung
beleuchtet.
Das neue Tool der IP ermittelt die
Passung von Produkt- und Programm-Marken zur Optimierung
der Umfeldauswahl.
Die Studie „Television – International Key Facts“ kann zum
Preis von 300 Euro bestellt werden. Für buchende Kunden von
IP Deutschland ist die Studie kostenlos.
50
Dossier I / 2010 | Spot-Kreation und Werbewirkung
Mit der IP Studiendatenbank finden Sie schnell und treffsicher Informationen rund um das Thema
Forschungsergebnisse.
Alle IP Forschungspublikationen
können Sie auch auf unserer Website
www.ip-deutschland.de als PDF
herunterladen oder per Post anfordern.
www.ip-deutschland.de
51
Verkaufsbüros
Internationale Vermarktung
IP Deutschland GmbH
Aachener Straße 1042 a
50858 Köln
Telefon: 0221 5886-0
Fax: 0221 5886-999
Verkaufsdirektion Nord
Straßenbahnring 18
20251 Hamburg
Telefon: 040 52103-550
Fax: 040 52103-559
IP Multimedia (Schweiz) AG
Seestraße 39/Postfach
8700 Küsnacht, Suisse
Telefon: +41 44 91492-00
Fax: +41 44 91493-60
Zentraler Verkauf
Aachener Straße 1042 a
50858 Köln
Telefon: 0221 5886-211
Fax: 0221 5886-229
Verkaufsdirektion West
Hammer Straße 19 a
40219 Düsseldorf
Telefon: 0211 90168-0
Fax: 0211 90168-99
IP Österreich GmbH
Gumpendorfer Straße 19–21
1060 Wien, Austria
Telefon: +43 1 3678040
Fax: +43 1 3678040-9
Verkauf n-tv
Aachener Straße 1042 a
50858 Köln
Telefon: 0221 5886-256
Fax: 0221 5886-259
Verkaufsdirektion Mitte
Westerbachstraße 32
61476 Kronberg/Ts.
Telefon: 06173 99-2001
Fax: 06173 99-2090
International Sales
IP Network S.A.
45, Boulevard Pierre Frieden
1543 Luxembourg, Luxembourg
Telefon: +352 42 142 47 21
Fax: +352 42 142 47 2
Solutions
Aachener Straße 1042 a
50858 Köln
Telefon: 0221 5886-351
Fax: 0221 5886-359
Verkaufsdirektion Süd
Ainmillerstraße 8–8 a
80801 München
Telefon: 089 380153-0
Fax: 089 380153-722
Interactive
Aachener Straße 1042 a
50858 Köln
Telefon: 0221 5886-372
Fax: 0221 5886-359
Wir ziehen bald um:
IP Deutschland GmbH
Picasso-Platz 1
50679 Köln
Telefon: 0221 456-02
[email protected]
www.ip-deutschland.de
Änderungen und Druckfehler vorbehalten.
IP Zentrale
Herunterladen