3/2003 Informationsmagazin der AIDS-Hilfen Österreichs PLUS MINUS STD – WAS IST DAS? Von Geschlechtskrankheiten und sexuell übertragbaren Krankheiten |3 SYPHILIS Oder die Rückkehr der vergessenen Gefahr |6 HEPATITIS B Die STD unter den Leberentzündungen |7 EU-PROJEKT AIDS & MOBILITY Die internationalen Treffen 2003 |9 ALL TOGETHER NOW! 9. Deutscher und 14. Österreichischer AIDS-Kongress |12 NEUE HOFFNUNG IM KAMPF GEGEN HIV Der Fusionshemmer Fuzeon stellt sich vor |14 LIPOATROPHIE Neue Switch-Studien zeigen positive Effekte |15 PlusMinus 3/2003 Die AIDS-Hilfen Österreichs www.aidshilfen.at Impressum: Bei aller Vielfalt einem gemeinsamen Ziel verpflichtet. Verhinderung von Neuinfektionen, Reduzierung der Neuerkrankungen, Weiterbau eines von Solidarität und Toleranz geprägten Klimas für die Betroffenen. Medieninhaber und Herausgeber: Die AIDS-Hilfen Österreichs Aids Hilfe Wien · Aids Hilfe Haus · Mariahilfer Gürtel 4, A-1060 Wien Tel.: 01/ 59937, Fax: 01/ 59937-16 · E-Mail: [email protected] Spendenkonto: 240 115 606 00 · (Bank Austria 12 000) Redaktion: Mag. Andreas Kamenik. 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Praktische und wissenschaftliche Aspekte der HIV/AIDS-Prävention, Neues aus Wissenschaft und Forschung, Aktuelles zur Kombinationstherapie, politische, soziale und gesellschaftliche Fragestellungen zu HIV, AIDS und anderen sexuell übertragbaren Krankheiten, rechtliche und psychosoziale Aspekte in der Betreuung von Betroffenen, Aktuelles aus den einzelnen AIDS-Hilfen und von internationaler Ebene, Rezension, Daten, Zahlen und Termine sind Inhalt des Magazins. Unsere Leser sind herzlich dazu eingeladen, uns ihre Meinungen, Anregungen und Wünsche in Form von Leserbriefen mitzuteilen. Die Redaktion ist bemüht, so viele und so vielfältige Stimmen wie möglich zu Wort kommen zu lassen, muss sich jedoch im Einzelfall die Entscheidung über den Abdruck vorbehalten. STD – Was ist das? Von Geschlechtskrankheiten und sexuell übertragbaren Krankheiten von Andreas Kamenik* In der Presse und anderen Medienberichterstattungen ist in letzter Zeit oft die Rede davon, dass die Zahl der Infektionen mit Geschlechtskrankheiten wieder im Steigen begriffen ist. Dies ist ganz allgemein ein Hinweis darauf, dass nach dem Abklingen des „AIDS-Schocks“ durch die verbesserten Behandlungsmöglichkeiten auch die Kondombenutzungs-Rate wieder sinkt. Das hat zur Folge, dass auch das Risiko steigt, sich mit HIV zu infizieren. Zudem kann eine bestehende sexuell übertragbare Krankheit zusätzlich die HIV-Übertragung begünstigen, da die lädierten (Genital-)Schleimhäute eine bessere Eintrittspforte für Krankheitserreger bilden und das geschwächte Immunsystem weitere Angriffe nicht so gut bekämpfen kann. Dies wird auch durch die steigenden Neuinfektions-Zahlen für HIV in den letzten Jahren bestätigt. Die per Gesetz als Geschlechtskrankheiten definierten Infektionen sind der Tripper (Gonorrhoe), die Syphilis, der Weiche Schanker und das Lymphogranuloma inguinale. Der Weiche Schanke (Ulcus molle) und das Lymphogranuloma inguinale sind in Österreich sehr selten und werden in einzelnen Fällen bei Reisen in andere Länder erworben. Neben diesen vier „klassischen“ Geschlechtskrankheiten gibt es eine Reihe von anderen sexuell übertragbaren Krankheiten, die zum Teil sehr viel häufiger vorkommen. Dazu gehören Hepatitis B, Herpes genitalis, Feigwarzen, Chlamydien- und Trichomonadeninfektionen und verschiedene Candidosen (Pilzinfektionen). Der Einfachheit halber werden all diese Krankheiten unter dem Kürzel STDs (sexual transmitted diseases – sexuell übertragbare Krankheiten) zusammengefasst. Synonym dazu wird auch das Kürzel STIs verwendet (sexual transmitted infections). Sich vor STDs zu schützen, ist keine schwierige Aufgabe, da die Übertragungswege weitgehend bekannt sind. Vielfach bietet die Verwendung von Kondomen einen ausreichenden Schutz oder vermindert zumindest das Übertragungsrisiko. Ausschlaggebend für eine Ansteckung ist der Kontakt mit krankheitsbedingten Hautveränderungen (Geschwüren, Bläschen etc.) oder der Austausch von Körperflüssigkeiten, die Krankheitserreger (Bakerien, Viren etc.) enthalten. Die meisten dieser Krankheiten sind gut behandelbar bzw. heilbar und stellen nur dann eine ernsthafte Gefahr dar, wenn sie unbeachtet bleiben. Dann können als Spätfolgen Unfruchtbarkeit (bei Mann und Frau), Komplikationen bei der Schwangerschaft und Geburt oder schwere Erkrankungen des Kindes auftreten. Deshalb ist es wichtig, auf Anzeichen einer möglichen Krankheit rechtzeitig zu reagieren. Wenn Symptome auftreten wie Brennen beim Wasserlassen, veränderter, auffälliger Ausfluss aus Scheide oder Penis, Juckreiz, Hautveränderungen an Scheide, Penis oder After (z.B. Rötungen, Schuppen, Pusteln, Knötchen, Blasen, Warzen, Geschwüre) oder Schmerzen im Genitalbereich oder Unterbauch, dann sollte auf jeden Fall ein Arzt aufgesucht werden, der die nötigen Untersuchungen machen kann, um eine sichere Diagnose zu stellen. Immer sollte auch der Partner oder die Partnerin mit behandelt bzw. mit untersucht werden (auch wenn bisher keine Symptome aufgetreten sind), um eine gegenseitige erneute Ansteckung zu verhindern (Ping-PongEffekt). DURCH BAKTERIEN VERURSACHTE STDS Gonorrhoe (Tripper) Die Gonorrhoe gehört zu den bekanntesten und auch häufigsten sexuell übertragbaren Infektionen und wird durch die Bakterien Neisseria gonorrhoeae (Gonokokken) verursacht. Die Ansteckung erfolgt fast ausschließlich durch ungeschützten Geschlechtsverkehr. Eine indirekte Übertragung durch feuchte Gegenstände, z.B. Sexspielzeug wie Vibratoren oder Dildos, ist (selten) möglich. Infizierte Mütter können ihre Kinder während der Geburt anstecken. Vor einer Ansteckung kann man sich durch die Verwendung von Kondomen schützen. Anzeichen einer Infektion beim Mann sind: Brennen beim Wasserlassen und gelblich-eitriger Ausfluss aus der Harnröhre. Bei der Frau bleibt die Infektion in der frühen Phase oft unerkannt, da die Symptome sehr mild ausfallen können: Leichtes Brennen beim Wasserlassen und Ausfluss werden oft nicht als ungewöhnlich angesehen. In Folge kommt es manchmal zu einer aufsteigenden Entzündung der Gebärmutter, der Eileiter und Eierstöcke, die mit Fieber, Unterbauchbeschwerden, Ausfluss und einer Schmierblutung verbunden sind. Eine rechtzeitig entdeckte Gonorrhoe kann gut mit Antibiotika behandelt werden und heilt problemlos aus. Eine verschleppte Entzündung führt häufig Albrecht Dürer: Syphilis Neisseria gonorrhoeae *Mag. Andreas Kamenik ist seit 1999 in der Aidshilfe Salzburg als Redakteur von PlusMinus tätig. 3 PlusMinus 3/2003 STD – Was ist das? Fortsetzung zu Unfruchtbarkeit. Wenn die Infektion bei der Geburt weitergegeben wird, kann eine so entstehende Entzündung der Augen zur Erblindung des Neugeborenen führen. Chlamydia trachomatis Treponema pallidum Hepatitis B-Virus, Kernhülle Chlamydien-Infektion Die Chlamydien-Infektion wird durch das Bakterium Chlamydia trachomatis ausgelöst. Da sie oft unbemerkt verläuft, ist eine verlässliche Schätzung der jährlichen Infektionen nicht möglich. Es dürfte sich jedoch um die häufigste durch Bakterien verursachte sexuell übertragbare Krankheit handeln. Die Übertragung erfolgt fast ausschließlich durch ungeschützten Geschlechtsverkehr, kann aber auch oral oder als Schmierinfektion (Kontaktinfektion) erfolgen. Vor einer Ansteckung kann man sich durch die Verwendung von Kondomen schützen. Etwa drei Viertel der Frauen und die Hälfte der Männer haben keine oder nur sehr geringe Beschwerden. Bei Männern ist die Entzündung der Harnröhre und der Blase das häufigste Symptom. Das Harnlassen ist erschwert, bei gleichzeitig starkem Harndrang. Beim Urinieren juckt oder brennt es. Es kommt zu eitrig-gelbem Ausfluss. In der Folge kann es zu einer Entzündung der Nebenhoden oder der Prostata kommen. Bei Frauen kommt es zu vermehrtem Ausfluss, Juckreiz und Brennen beim Wasserlassen. Die Infektion beschränkt sich zunächst auf den Gebärmutterhals und die Harnröhre, kann aber zu den Eileitern hinauf steigen und wiederum zur Unfruchtbarkeit führen. Frauen mit einer Chlamydien-Infektion haben ein erhöhtes Risiko, sich mit HIV zu infizieren. Die Behandlung der Infektion erfolgt mittels Antibiotika. Bei rechtzeitigem Beginn treten in der Regel keine Folgeschäden auf. Syphilis (Lues) Die Syphilis wird durch das Bakterium Treponema pallidum übertragen. Die Ansteckung erfolgt hauptsächlich durch Kontakt mit einem Syphilisgeschwür, z.b. bei ungeschütztem Geschlechtsverkehr, Oralverkehr aber auch sonstigem direkten Körperkontakt. Auch eine Übertragung durch infiziertes Blut ist möglich, z.B. von der Mutter auf das Kind während der Schwangerschaft. Die Verwendung von Komdomen reduziert also die Übertragungswahrscheinlichkeit, bietet aber keinen absoluten Schutz. Syphilis ist eine sehr ernste Erkrankung, die unbehandelt oft zu chronischen Leiden und Tod führt. Sie verläuft in 3 Stadien: Im ersten Stadium bildet sich an der Eintrittsstelle des Erregers (also Penis, Scheide, Schamlippen, Mund-Rachen-Raum, Enddarm oder After) ein schmerzloses Geschwür, das nach einigen Wochen von selbst wieder abheilt. Im zweiten Stadium kommt es zu grippeartigen Beschwerden wie Fieber, Abgeschlagenheit, Kopf-und Gliederschmerzen, Lymphknotenschwellungen. Bei den meisten Erkrankten bildet sich auch ein Hautausschlag, der nach einigen Monaten wieder abheilt. Danach kommt es zu einer Stillstandsphase, die meist mehrere Jahre dauert. In dieser Zeit breiten sich die Erreger im ganzen Körper aus, sodass im dritten Stadium auch das Nervensystem, das Herz-Kreislauf-System und andere innere Organe befallen werden, was zu schweren Systemversagen und zum Tod führen kann. Eine Behandlung mit Antibiotika führt in den frühen Stadien zur völli- gen Heilung. In späteren Stadien können zwar die Krankheitserreger durch die Gabe von Antibiotika wirksam bekämpft werden. Eventuell bereits vorhandene Organschäden sind jedoch kaum mehr rückgängig zu machen. DURCH VIREN VERURSACHTE STDS Hepatitis B Die Hepatitis B ist die weltweit häufigste Form der viralen Leberentzündung und wird durch das Hepatitis B-Virus übertragen. Die Übertragung erfolgt hauptsächlich durch ungeschützten Geschlechtsverkehr, auch intensives Küssen kann zu einer Infektion führen. Eine Ansteckung kann auch durch virushaltiges Blut erfolgen, z.B. durch gebrauchte Rasierer, bei unsachgemäßem Tätowieren, Piercen oder Ohrlochstechen oder durch gebrauchte Nadeln. Gegen Hepatitis B steht ein wirksame Impfung zur Verfügung. Etwa ein bis sechs Monate nach der Ansteckung treten uncharakteristische Oberbauchbeschwerden auf und es kommt zu grippeähnlichen Symptomen (leichtes Fieber, Abgeschlagenheit, Muskel- und Gelenksschmerzen). Bei einem Teil der Infizierten bildet sich eine Gelbsucht (Gelbfärbung von Haut und Augen, Stuhl entfärbt sich, Urin wird dunkel). In 80 bis 90% heilt die Hepatitis B von selbst wieder aus. In den restlichen Fällen kommt es zu einer Chronifizierung, die nach 15 bis 20 Jahren zu einer Leberzirrhose und nach weiteren 15 bis 20 Jahren zum Leberkrebs führen kann. Bei der akuten Hepatitis B werden hauptsächlich die Symptome behandelt. Die Gabe von Interferon kann die Wahrscheinlichkeit einer Chronifizierung verringern. Die chronische Hepatitis B wird mit Interferon und antiviralen Medikamenten (Lamivudin) behandelt. Herpes genitalis Herpes wird durch Herpes simplex Viren vom Typ 1 oder 2 ausgelöst. Typ 1 ist hauptsächlich für die weit verbreitete Lippenherpes verantwortlich, während Typ 2 vor allem Ursache genitaler Herpes ist. Die Übertragung findet durch engen körperlichen Kontakt z.B. durch Geschlechtsverkehr statt. Beim Oralsex kann Lippenherpes aber auch auf die Geschlechtsteile übertragen werden und umgekehrt. Das Herpes-Virus greift die Zellen der Oberhaut an. Es bilden sich mit Flüssigkeit gefüllt Bläschen. Die Flüssigkeit ist sehr infektiös. Auch wenn die Bläschen wieder abgeheilt sind, bleiben die Viren an den Wurzeln der Nerven vorhanden, sodass es bei einer Schwächung des Immunsystem zu einem neuerlichen Ausbruch kommen kann. Da die Viren im Körper bleiben, können Infizierte das Virus auch immer weitergeben, auch wenn gerade keine Hautläsionen vorhanden sind. Durch die Verwendung von Kondomen (auch beim Oralsex) kann die Wahrscheinlichkeit einer Übertragung eingeschränkt werden. Wenn Hautläsionen vorhanden sind, sollte jeglicher Kontakt damit vermieden werden. Eine Heilung gibt es bisher nicht. Feigwarzen (Condylomata acuminata) Feigwarzen sind die Folge einer Infektion mit humanen Papilloma Viren (HPV) und zählen zu den häufigsten durch Viren verursachten sexuell über- tragbaren Krankheiten. Die Übertragung erfolgt am häufigsten durch ungeschützte Sexualkontakte. In seltenen Fällen kann es auch zu einer indirekten Übertragung kommen, z.B. durch den Gebrauch eines kontaminierten Handtuchs. Die Verwendung von Kondomen bietet also einen brauchbaren Schutz, auch wenn eine Übertragung damit nicht vollständig ausgeschlossen wird. Feigwarzen treten einige Wochen bis Monate nach der Ansteckung auf. Sie schmerzen kaum, verursachen jedoch oft Juckreiz. Das Aussehen ist ganz unterschiedlich. Es bilden sich flache, knotige oder rosenkohlähnliche Warzen an Penis, Schamlippen, Gebärmutterhals oder After. Dabei können die Warzen so flach sein, dass sie mit bloßem Auge nicht zu erkennen sind. Die Behandlung ist oft sehr langwierig und mühsam und muss sehr sorgfältig durchgeführt werden. Dabei gibt es bisher keine ursächliche Behandlung, sondern nur eine symptomatische. D.h. die Warzen selbst können durch das Betupfen mit einem Zellgift zum Absterben gebracht oder durch chirurgische Maßnahmen, Laserstrahlen, Elektrokoagulation oder Einfrieren entfernt werden. Eine relativ neue Methode ist die Behandlung mit Imiquimod, wodurch das körpereigene Immunsystem stimuliert wird. Eine wirksame antivirale Therapie steht bisher nicht zur Verfügung. Die Viren verbleiben im Körper und es kann immer wieder zur Warzenbildung kommen. DURCH PILZE VERURSACHTE STDS (Candidosen) Candidosen werden durch CandidaPilze verursacht. Diese sind Bestand- teil der normalen Körperflora. Wenn nun das Gleichgewicht dieser Mischkultur aus Pilzen und Bakterien auf der Haut und den Schleimhäuten gestört wird, kann es zu einer krankhaften Ausbreitung der Pilzkulturen kommen, sodass die (Schleim-)Haut davon überwuchert wird. Zu einer solchen Störung kann es durch Hormonschwankungen, bei Schwangerschaft, durch die Einnahme der Pille, Antibiotika oder von immunsupprimierenden Medikamenten (z.B. Cortison) kommen. Auch bei einer Schwächung des Immunsystems kommt es vermehrt zu Pilzinfektionen. Eine Übertragung erfolgt durch direkten Kontakt mit den befallenen Haut- oder Schleimhautregionen, z.B. beim Geschlechtsverkehr. Kondome vermindern das Risiko einer Übertragung. Die Behandlung erfolgt mit Hilfe von Antimykotika (pilzbekämpfende Medikamente) und vor allem, indem die Ursache für das Ungleichgewicht der Körperflora gefunden und beseitigt wird. Herpes simplex Virus Humanes Papilloma Virus DURCH PARASITEN VERURSACHTE STDS Trichomonaden-Infektion Trichomonaden sind einzellige Parasiten, die sich in Scheide, Darm und manchmal auch Harnröhre einnisten. Sie sind sehr empfindlich gegen Austrocknen und brauchen daher stets ein feuchtes Milieu. Eine Übertragung kann durch ungeschützten Geschlechtsverkehr aber auch durch feuchte Gegenstände (Handtücher, Sexspielzeug) passieren. Durch das Verwenden von Kondomen kann man sich weitgehend vor einer Ansteckung schützen. Zu Beschwerden Candida albicans Trichomonaden 5 PlusMinus 3/2003 kommt es hauptsächlich bei Frauen, bei denen nach der Infektion Juckreiz, schaumiger, überlriechender Ausfluss, Brennen beim Wasserlassen und Schmerzen beim Ge- schlechtsverkehr auftreten können. Beim Mann verläuft die Infektion meist symptomlos. Vereinzelt kommt es zu einer Entzündung der Hanröhre (Ausfluss, Brennen beim Wasserlassen). Die Behandlung erfolgt mittels Antibiotika und verläuft in der Regel problemlos. Syphilis oder die Rückkehr der vergessenen Gefahr von Helmut Pietschmann* *Dr. Helmut Pietschmann ist seit 2001 bei der Aids Hilfe Wien im Bereich Berufsgruppenprävention beschäftigt. Primäraffekt Syphilis Im Zuge der Ausbreitung von HIV war in den letzten Jahren auch eine Zunahme sexuell übertragbarer Erkrankungen (STDs, STIs) zu registrieren. Darunter befanden sich auch die „klassischen“ Geschlechtskrankheiten, die man zumindest unter Kontrolle zu haben glaubte. Eine dieser klassischen Infektionen ist die Syphilis, die auch in Österreich seit der zweiten Hälfte der Neunziger-Jahre wieder mit steigender Frequenz zu finden ist. unter dem Mikroskop typische Drehund Abknickbewegungen ausführt. Die Ansteckung erfolgt in erster Linie durch sexuellen Kontakt, es ist auch eine Übertragung über infiziertes Blut möglich. Eine Mutter-KindÜbertragung ist ebenfalls möglich, einerseits während der Schwangerschaft über die Plazenta, andererseits bei einer sehr frischen Infektion der Schwangeren bei der Geburt selbst über infektiöse Läsionen im Geburtskanal. Die enge Korrelation von HIV und Syphilis kann unter anderem darauf zurückgeführt werden, dass in „offenen“ Genitalläsionen bei HIV-infizierten Menschen direkt HIV-Bestandteile nachgewiesen werden können. Umgekehrt stellen offene Syphilis-Geschwüre weitere Eintrittspforten für das HI-Virus dar. Aber auch unsafes Sexualverhalten ist wieder im Steigen. Insgesamt ist durch diese Faktoren die Wahrscheinlichkeit einer HIV-Übertragung bei ungeschützem Sex erhöht. Die Inkubationszeit, also jene Zeit vom Eindringen des Erregers bis zum Auftreten der ersten Symptome, beträgt durchschnittlich 21 Tage. Nach diesen drei Wochen bildet sich an der Eintrittsstelle des Bakteriums (Genital-, aber auch Oral- oder Analbereich) der sogenannte Primäreffekt aus, ein Knoten, der zu einem schmerzlosen (!) Geschwür (Ulcus durum) zerfällt und dann wieder spontan verschwindet. Allerdings ist damit keine Ausheilung erzielt, nach einem symptomlosen Intervall von ca. zwei bis sechs Monaten kann das Sekundärstadium beginnen. Infolge einer Ausbreitung der Erreger über die Blut- und Lymphbahn können Hautausschläge (weiche Die Syphilis (auch Lues) wird durch Treponema pallidum hervorgerufen, einem sogenannten Schraubenbakterium (Spirochäten), welches Kondylome oder harte, derbe Knötchen), Rachenentzündungen (Angina specifica) oder fleckiger Haarausfall (Alopecia areata) entstehen, es kann auch zu ersten Organbefällen kommen (Lunge, Leber, Gehirnhäute, Knochen). Als Zeichen des Systembefalls kommt es auch meist zu Fieber und Lymphknotenschwellungen. Ohne Behandlung würde auch dieses Stadium abklingen, nach einer Latenzphase von bis zu mehreren Jahren würde sich das Tertiärstadium mit seinen typischen Organbefällen manifestieren. Es kann zur Beteiligung des zentralen Nervensystems (Neurolues), des Herz- und Gefäßsystems (z.B. Mesaortitis luetica bei Beteiligung der Hauptschlagader), der Haut (derbe Knötchen, die sogenannten Gummen) oder anderer Organe (Lunge, Leber, Knochen) kommen. Bei einer Neurolues kann es (in ca. 15% der Fälle) zu einer fortschreitenden Lähmung mit Empfindungsstörungen (Progressive Paralyse, Tabes dorsalis) kommen, man findet auch häufig Desorientiertheit, Verwirrtheit und Persönlichkeitsveränderungen. Da solche Symptome auch im Rahmen einer HIV-spezifischen Gehirnschädigung oder durch Nebenwirkungen z.B. antiretroviraler Substanzen auftreten können, ist die Ursache differentialdiagnostisch genau abzuklären, da sich daraus verschiedene therapeutische Konsequenzen ergeben. Eine Lues kann, wie bereits erwähnt, auch angeboren sein (Lues connata). Man glaubte, dass diese Form bereits „ausgestorben“ sei, aber man hat in den vergangenen Jahren auch in Österreich wieder einige Fälle registriert. Treponemen können z.B. direkt aus Abstrichen (von Genitalläsionen) und mikroskopisch (typisches Aussehen und Bewegungen im Dunkelfeld- oder Phasenkontrastmikroskop) nachgewiesen werden. Serologische Testverfahren beruhen auf dem Nachweis von gebildeten Antikörpern gegen diverse Antigene. Das diagnostische Fenster beträgt bei den gängigen Tests allerdings drei bis vier Wochen, d.h. die Testung wird meist erst kurz nach dem Auftreten der ersten Symptome positiv. Als Suchtest wird heute meist der TPHA (Treponema pallidum Agglutinationstest) verwendet, ein positives oder nicht eindeutiges Ergebnis müsste durch einen Bestätigungstest verifiziert werden (z.B. FTA-Abs-Test). Weitere Verwendung finden auch der Cardiolipin-Test oder der Nachweis IgMspezifischer Antikörper (z.B. bei der Lues connata). Die Syphilis ist mit Antibiotika gut behandelbar, Mittel der Wahl ist das Benzathin-Penicillin, alternativ können auch Procain-Penicillin, Doxycyclin oder Tetrazyclin verwendet werden. In der akuten Phase wird einmalig eine Penicillindosis intramuskulär gespritzt (bei bereits längeren Verläufen dreimalige intramuskuläre Verabreichung im Abstand von je einer Woche). Bei der Neurolues wird das Penicillin über 14 Tage intravenös verabreicht. Die beste Prophylaxe gegen die Lues ist ein entsprechender Schutz beim Sex (Kondom), da aber auch eine Infektion über offene Läsionen außerhalb des Genitalbereichs möglich ist, sollte man den Kontakt mit solchen Stellen vermeiden. Diese Krankheit ist zwar gut behandelbar und heilbar, aber es ist sehr wichtig, sie überhaupt zu erkennen. Heute finden sich häufig Verlaufsformen, die klinisch kaum oder keine typischen Symptome zeigen und nur serologisch nachweisbar sind (Lues latens). Daher sollte ein verstärktes Bewusstsein für die Syphilis erzeugt werden, und diese Infektion auch verstärkt in differentialdiagnostische Überlegungen miteinbezogen werden. Hepatitis B Die STD unter den Leberentzündungen von Peter Reitbauer* Die Hepatitis B ist eine beim Menschen vorkommende, durch das Hepatitis B-Virus ausgelöste Leberentzündung, die vorwiegend auf dem sexuellen Weg oder durch Blut übertragen wird. Weltweit sind 350 Millionen Menschen infiziert, von diesen betroffenen Personen werden 60 Millionen an einem Leberkarzinom und rund 45 Millionen an Leberzirrhose versterben. In Österreich liegen die Schätzungen laut Gesundheitsministerium bei 42 000 Infizierten. Den besten Schutz gegen eine Hepatitis B-Infektion bietet die Schutzimpfung. Bei Hepatitis B handelt es sich um ein hoch infektiöses Virus, das über infiziertes Blut, Samenflüssigkeit und Scheidenflüssigkeit übertragen werden kann. Selbst eine Infektion über Speichel, also auch über das Küssen, kann nicht ganz ausge- schlossen werden. In der Schwangerschaft, während der Geburt und beim Stillen ist eine Übertragung einer Hepatitis B von der infizierten Mutter auf das Kind möglich. *Mag. Peter Reitbauer ist seit 1998 Mitarbeiter der AIDSHILFE OBERÖSTERREICH in den Bereichen Beratung und Die Inkubationszeit liegt zwischen einem und sechs Monaten, durch- Prävention 7 PlusMinus 3/2003 Typische Gelbfärbung der Augen. © homed aus: Sexuell übertragbare Erkrankungen. Information für Männer schnittlich zwischen 60 und 90 Tagen. Beim überwiegend größten Teil (rund 90 Prozent) der Personen, die mit dem Virus in Kontakt kommen, ist die Immunreaktion so stark, dass eine vollständige Elimination des Virus erfolgt. Damit ist auch eine lebenslange Immunität gegeben. Diese akute Hepatitisinfektion kann sich durch Schmerzen im rechten Oberbauch, Fieber, Appetitlosigkeit, Übelkeit und Erbrechen äußern. Nur ein Drittel der Patient/innen weist einen Ikterus (Gelbsucht) auf. Das auffälligste Merkmal dabei ist die Gelbfärbung von Haut und Augen. Die Akutinfektion dauert in der Regel drei bis vier Wochen. Bei rund einem Drittel der Betroffenen verläuft diese Akutinfektion gänzlich symptomlos. In sehr wenigen Fällen (0,5 Prozent) kann eine akute Hepatitis B-Infektion einen fulminanten Verlauf nehmen. Dies endet in der Regel mit dem Tod des Patienten / der Patientin durch Leberversagen. Bei 10% geht die akute Infektion in einen chronischen Verlauf über. Wenn die Virusaktivität auf sehr niedrigem Niveau verläuft und keine deutlichen Anzeichen einer Leberschädigung auftreten, dann spricht man vom chronischen asymptomatischen Virusträger. Werden viele Leberzellen innerhalb kurzer Zeit geschädigt, wobei die Schädigung durch die zelluläre Immunantwort auf Virusproteine erfolgt und nicht durch das Hepatitis B-Virus selbst, so spricht man vom chronisch aggressiven Verlauf. Aufgrund der Leberzellschädigung treten in der Folge Leberzirrhose und Leberkarzinom auf. Infektiosität ist in der Inkubationszeit, in der akuten Phase, und auch beim chronischen Verlauf (auch beim chronischen Virusträger ohne Leberschädigung) gegeben. Für die Therapie einer chronischen Hepatitis B-Infektion wird immunstimulierendes Interferon eingesetzt. In vielen Fällen führt diese Therapie zu einer anhaltenden Remission. Darüber hinaus besteht noch die Möglichkeit des Einsatzes von Nukleosidanaloga (in erster Linie Lamivudin, das in der HIV-Behand- lung unter Epivir bekannt ist). Dabei treten auch bei der Hepatitis B-Behandlung die aus der HIV-Therapie bekannten Probleme auf (rasche Virusreplikation nach Absetzen der Therapie, Resistenzentwicklung). Schutz bietet in erster Linie eine Impfung. Gegen das Hepatitis BVirus gibt es eine aktive Schutzimpfung (3 Teilimpfungen). Da seit einigen Jahren Jugendliche die Möglichkeit einer kostenlosen Impfung haben und nun bereits flächendeckend eine Immunisierung im Säuglingsalter erfolgt, besteht die Hoffnung, das Hepatitis B-Virus gänzlich zu eliminieren. Erwachsene müssen für die Kosten der Impfung selbst aufkommen. Diese kann auch mit einer Hepatitis A-Schutzimpfung kombiniert werden. Ist man nicht geimpft, so kann man sich auch durch die Verwendung von Kondomen schützen. Die meisten Neuinfektionen werden laut Robert Koch Institut bei Männern zwischen dem 25. und dem 29. Lebensjahr diagnostiziert, bei den Frauen zwischen dem 20. und dem 24. Lebensjahr. Auf eine sehr niedrige Inzidenzrate im Kindesalter erfolgt ein Ansteigen in der Gruppe der 15- bis 19-Jährigen. Dies deutet darauf hin, dass die sexuelle Übertragung (sowohl heterosexuell als auch homosexuell) für die Allgemeinbevölkerung den bedeutsamsten Übertragungsweg darstellt. Seit einigen Jahren bieten mehrere der AIDS-Hilfen Österreichs eine kostenlose und anonyme Hepatitis B- und C-Testung an. Informationen zu den Testangeboten und den Öffnungszeiten finden Sie auf der Website der AIDS-Hilfen Österreichs, www.aidshilfen.at. EU-Projekt AIDS & Mobility Die internationalen Treffen 2003 von Elisabeth C. Berger* LÄNDERWORKSHOP 2003 Kulturbegriff und HIV-Prävention – Geglückte Vernetzung *Dr. Elisabeth C. Berger ist seit 1999 als Präventionsmitarbeiterin für Frauen und Die Aids Hilfe Wien befasst sich seit nunmehr 5 Jahren mit muttersprachlicher HIV/AIDS-Prävention für Migrant/innen**, insbesondere Frauen. Seit Sommer 2000 ist die AHW auch österreichischer Koordinator - National Focal Point (NFP) – des EU-Projektes AIDS & Mobility (A&M). „Unser Ziel als National Focal Point von AIDS & Mobility, möglichst rasch ein österreichweites Netzwerk aus Gesundheits-, Migrant/innenberatungs- und Sozialeinrichtungen zu knüpfen, welches sich mit der Bedeutung und den Möglichkeiten der HIV/AIDSPrävention für Migrant/innen auseinandersetzt, haben wir erreicht.“ freut sich Frank Amort, der sich seit jeher speziell um die Kontakte nach Osteuropa bemüht. Das große Interesse der Kolleg/innen an einer Teilnahme zum Länderworkshop 2003, der am 21. und 22. Jänner 2003 im Bildungshaus Mariatrost in Graz stattfand, bestätigt das. Die Workshop-Gruppe war diesmal wirklich multikulturell, mit Teilnehmer/innen aus dem afrikanischen und lateinamerikanischen Raum sowie mit Vertreter/innen aus der Türkei, England, Spanien und dem ehemaligen Jugoslawien. Die Hauptreferate Der Ausgangspunkt war heuer das Thema „Kulturbegriff und Gesundheitsprävention“, wie dies von den meisten Teilnehmer/innen des Länderworkshops 2000 gewünscht wurde. Dr. Christine Binder-Fritz (Institut f. Geschichte der Medizin, Universität Wien) und Dr. Paloma Migrant/innen in der Aids Hilfe Wien beschäftigt. ** Der Überbegriff „Migrant/innen“ wird in diesem Text im Bewusstsein der Heterogenität, Komplexität und Vielfalt von Menschen und communities verwendet. Teilnehmer/innen des Länderworkshops Fernández de la Hoz (Katholische Sozialakademie Österreichs, Wien) hielten die hervorragenden Leitreferate am ersten Nachmittag und stimmten die Teilnehmer/innen auf weiterführende Diskussionen ein. Dr. Christine Binder-Fritz referierte über „Transkulturelle und GenderAspekte zur HIV/AIDS-Prävention“ und ging dabei auf die Stellung von Frau und Mann in verschiedenen Kulturen (von Österreich bis zu den Maori in Neuseeland) ein. Dr. Paloma Fernández de la Hoz erläuterte das Bild von „Sexualität, Familie und Gesundheit in anderen Kulturen“ und brachte Beispiele aus dem südeuropäischen Kulturkreis, wo z.B. zur Familie auch Freunde zählen. Die Hauptreferate fanden ihre Abrundung in der Präsentation von Mag. Johannes Guger (Österreichisches Rotes Kreuz), der über die Implementierung der Berlin-Charta (6. Europäische Regionalkonferenz der Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften Berlin, Arbeitsgruppe Migration, 2002) in die Strategien der Rotkreuzgesellschaften einging. Deren Prioritäten für die kommenden vier Jahre legen spezielles Augenmerk auf die Bedürftigkeiten und die Bedürfnisse jener Menschen, die vom Recht auf Gesundheit, zu Hause und in der Ferne, ausgeschlossen sind. Im besonderen Betroffenen, die mit Tuberkulose, HIV und anderen Infektionskrankheiten infiziert sind, soll Hilfe und Aufmerksamkeit zuteil werden. Examples of Best Practice Den weiteren Teil des Länderworkshops gestalteten die Teilnehmer/innen mit eigenen Beiträgen über neue Projekte, Kampagnen, Erkenntnisse und Empfehlungen. Mag. Nicola Oberzaucher (Europäisches Zentrum f. Wohlfahrtspolitik, Wien) stellte ihr vielversprechendes, auf 24 Monate angelegtes Projekt „HIV-Gesundheitsrisiken, soziale Lage und Verbesserung des Serviceangebots für MigrantInnen“ vor. Es ist Ziel des Projekts, die Integration von zielgruppenspezifischen Maßnahmen, die die speziellen Bedürfnisse von Migrant/innen erfüllen, in Gesundheitsförderungs- und Präventions- 9 programme für HIV und andere sexuell übertragbaren Krankheiten (STDs) zu fördern. Bei der Durchführung des österreichischen Teils des Projekts wird darauf Wert gelegt, dass von Beginn an wichtige Institutionen und Initiativen, die mit Migrant/innen arbeiten, einbezogen werden, um deren Kenntnisse und Erfahrungen zu nutzen. Migrant/innen in der Prostitution Helga Ratzenböck (Verein LENA seit 1997, Linz) eröffnete am ersten Nachmittag mit einem Bericht über die Arbeit der Caritas zum Blockthema „Migrant/innen in der Prostitution“: „LENA arbeitet nicht ausschließlich für und mit Migrantinnen in der Prostitution. Unser Ansatzpunkt ist die Prostitution, nicht die Migration. Viele Klientinnen sind aber Migrantinnen.“ Das Angebot von LENA setzt sich sowohl aus Beratung und niedrigschwelliger aufsuchender Sozialarbeit als auch aus Kursen, die Ausstiegsmöglichkeiten aus der Prostitution bieten sollen, zusammen. Dr. Luzenir Caixeta (Verein MAIZ, Linz) ergänzte mit ihrem Referat „Empowerment als zentrales Prinzip in der Gesundheitsprävention mit und für MigrantInnen in der Sexarbeit (Safer Sex Kampagne 2001)“ das Thema mit dem Beispiel einer Kampagne, in der Empowerment, Öffentlichkeitsarbeit und Multiplikatorinnenschulung für Migrantinnen sehr erfolgreich waren. Einen „Überblick über die Sozialarbeit im STD-Ambulatorium der MA 15. STD- und HIV-Prävention“ gab abschließend DSA Elisabeth Mayer (STD-Ambulatorium MA 15, Wien). Die prozentuell größte Zahl des Klientels des STD-Ambulatoriums sind Prostituierte. Bei geschätzten 5.000 bis 8.000 Prostituierten in Wien haben pro Tag/Nacht circa 15.000 Männer Kontakt zu Prostituierten, das heißt, ein nicht unerheblicher Teil der Bevölkerung ist Kunde bei sexuell Erwerbstätigen. Die circa 500 Kontrollprostituierten in Wien arbeiten, dank intensiver Aufklärungsarbeit des STD-Ambulatoriums, professionell, das heißt mit Kondom. Ist eine Prostituierte aber mit HIV-infiziert, so muss sie die Kontrollkarte zurücklegen und darf nicht mehr als Sexarbeiterin tätig sein. Migrant/innen aus Afrika Mag. Gudrun Schlemmer (Steirische AIDS-Hilfe, Graz) eröffnete die Vorträge des zweiten Tages zum Thema „HIV-Prävention für afrikanische Flüchtlinge und Migrant/innen“. Seit einiger Zeit befasst sich die Steirische AIDS-Hilfe mit Migrant/innen aus HIV-Hochprävalenzländern, im speziellen mit Menschen aus afrikanischen Ländern. Als erfolgreichste Maßnahmen sind diesbezüglich Workshops, fremdsprachige Broschüren, Ausbildung ausländischer Multiplikator/innen, der Aufbau und die Begleitung einer AIDSAwareness Group“, Awareness-Feste und -Parties und natürlich Netzwerkarbeit zu nennen. Dr. med. Margaret B. Bakeine (AIDSHilfe Tirol, Innsbruck) berichtete über ihre Eindrücke vom „7th European Migrants Meeting, Brussels 2002“. Dort berichtete das European Health Statistics Centre (Barcelona) das bereits 12% der neuen AIDSFälle und 26% der HIV-Neuinfektionen „Nicht-EU-Bürger“ sind, wobei Georg Bröring, Organisator von AIDS & Mobility PlusMinus 3/2003 hier hauptsächlich Daten aus Schweden, Spanien, Portugal, Frankreich, etc. zum Tragen kommen. Am meisten betroffen seien davon heterosexuelle Migrant/innen aus Afrika südlich der Sahara, gefolgt von EUBürgern, Nordafrikaner/innen und Lateinamerikaner/innen. Die Schlussfolgerungen des Treffens beinhalten unter anderem verstärkte Miteinbeziehung von Migrant/innen und CBOs in alle Stufen der Planung und Durchführung von gesundheitsfördernden Informationskampagnen. Diese Anliegen vertrat auch Nomawethu Kelbitsch (Verein OMEGA, Graz) in ihrem Beitrag zu „Strategies for Prevention of HIV“. Abschließend stellte Dr. Wolfgang Steflitsch (Ärztlicher Leiter HIV mobil, Wien) die Möglichkeiten der „Medizinischen Hauskrankenpflege für Menschen mit HIV/AIDS in Wien“ vor. Perspektiven Bei der Abschlussrunde stand die Forderung nach mehr interkultureller Kompetenz in österreichischen Einrichtungen im Vordergrund. Dies sollte auch durch verstärkte Einbindung und die Erfahrung von Migrant/innen in das Gesundheits- und Sozialsystem gewährleistet werden. NATIONAL FOCAL POINT MEETING 2003 The Enlargement of the European Union Vom 12. bis 15. Juni fand heuer das viertägige Arbeitstreffen aller National Focal Points (NFPs, das sind die Koordinator/innen des EU-Projektes aus den teilnehmenden EU-Ländern) erstmals in Wien statt. Das Meeting fand zum zweiten mal in seiner erweiterten Form statt. Das heißt, es war keine reine Koordinationsbesprechung der NFPs, sondern es wurden auch Vorträge und Workshops zu Themen abgehalten wie ■ Epidemiologische Daten, praktische Beispiele und Erfahrungen zum Thema ■ Migration und HIV/AIDS aus den EU-Ländern und den Beitrittskandidaten der EU aus Ost- und Zentraleuropa (Ungarn, Tschechien, Slowakei, Polen, Estland, Finnland, Lettland, Litauen) ■ Trends und Herausforderungen in der HIV/AIDS-Prävention für Migrant/innen ■ Vernetzung zwischen den EUMitgliedsstaaten und den potentiellen Beitrittskandidaten für zukünftige Zusammenarbeit. Aus diesem Grund waren auch Teilnehmer/innen aus Ost- und Zentraleuropa sowie mehrere langjährige Berater/innen aus dem Advisory Board von AIDS&Mobility mit dabei. Dementsprechend informativ und anregend waren die Beiträge, die immer zu vielen Rückfragen und ausgedehnten Diskussionen führten (Zusammenfassung bitte ab September 2003 unter [email protected] anfordern). Die realistische Einschätzung der derzeitigen Trends und zukünfti- Teilnehmer/innen des NFP-Meetings gen Ressourcen für EU-Förderungen und Projekte zum Thema Migration und HIV/AIDS ließ jedoch keine allzu euphorische Stimmung aufkommen. Dass gravierende Veränderungen stattfinden werden, gilt als gesichert. Wenngleich das Engagement und die Einsatzbereitschaft aller Teilnehmer/ innen immer spürbar war, so war man sich doch auch immer der Möglichkeit bewusst, dass es in Zukunft (nach dem Abschlussbericht im September 2003) keine Möglichkeit mehr geben könnte, das EU-Projekt mit den derzeitigen finanziellen Mitteln fortsetzen zu können. Eine neuerliche Verlängerung des Projektes bis 2006 wird selbstverständlich bei der Europäischen Kommission eingereicht werden, wobei die erste Veränderung die Verschmelzung der beiden EU-Projekte AIDS& Mobility und AIDS&Youth in ein gemeinsames Kompetenzzentrum sein wird, das sich in Zukunft European Centre AIDS & Mobility nennen wird. Die Struktur wird in groben Zügen die gleiche bleiben, wobei zusätzliche nationale Projektarbeitsgruppen zu bestimmten Themen oder Aufgaben in Planung sind. Unverändert bleiben werden die Organisator/innen (Frau Kathelijne de Groot und Herr Georg Bröring, beide NIGZ, Niederlande), die sich weiterhin ihre Aufgaben teilen werden. Uns bleibt, ihnen die Daumen für die neue Einreichung zu drücken und ihnen das Beste zu wünschen, damit diese hervorragende und wichtige Arbeit von und für (junge) Migrant/innen und mobile Gruppen weitergeführt werden kann. Sämtliche Aktivitäten und Publikationen von AIDS & Mobility gibt es auf der Homepage www.aidsmobility.org. 11 PlusMinus 3/2003 All together now! Sigrid Ofner* berichtet vom 9. Deutschen und 14. Österreichischen AIDS-Kongress. *Dr. Sigrid Ofner, Medizinische Information und Dokumentation der AIDS-Hilfen Österreichs Am 14. Mai 2003 wurde der erste gemeinsame AIDS-Kongress mit deutscher und österreichischer Beteiligung in Hamburg offiziell eröffnet. Vier Tage lang präsentierten Expert/innen aus den unterschiedlichsten Fachbereichen ebenso wie Betroffene ihre neuesten Erkenntnisse und diskutierten über das Leben mit HIV sowie über Möglichkeiten und Grenzen der Behandlung der Infektion und der Prävention neuer Übertragungen. Positiver Auftritt Einige sehr interessante Projekte und Studien im Bereich HIV-Prävention, in dem Österreich ausgesprochen gut vertreten war – rund die Hälfte aller zu diesem Themenbereich ausgehängten Poster stammten aus unseren Landen –, wurden von Mitarbeiter/innen der AIDS-Hilfen Österreichs vorgestellt. Vertreten war die AIDSHILFE OBERÖSTERREICH mit ihrem „Chill Out XPress“, und der Evaluation der Kampagne „ReiseLust – aber sicher“. Die Aidshilfe Salzburg präsentierte die Ergebnisse ihrer Peer-EducatorsUntersuchung und stellte Dr. Leo Lust – den virtuellen Online-Berater der Virushotline – vor. Über Präventionsprojekte für Migrant/innen berichteten die AIDSHilfe Tirol und die Aids Hilfe Wien. Letztere stellte auch die Kampagne „Belüg dich nicht selbst“ vor, die schwulen Männern mittels Plakaten, Inseraten und Internetauftritten die Bedeutung des HIV-Tests näher bringen will. Für Diskussionsstoff war gesorgt, da bei vielen Mitarbeiter/innen deutscher AIDSHilfen diesbezüglich nach wie vor große Skepsis anzutreffen ist. Dies ist vor allem im Hinblick darauf interessant, dass in unserem Nachbarland die HIV-Infektion bei etwa 80% der Betroffenen erst beim Auftreten der ersten AIDS-definierenden Erkrankungen diagnostiziert wird. In Österreich ist dies bei ca. 60% der Fall. Negative Trends Wie sich das präventive Verhalten schwuler Männer über die letzten Jahre in Deutschland entwickelt hat, machten die neuesten Daten einer Untersuchung deutlich, die seit Jahren vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung durchgeführt wird. Von den 4.750 Männern, die entweder über einen Fragebogen in Printmedien (50%) oder über ein Internetportal (50%) erreicht und befragt wurden, waren 32% ungetestet, 58% HIV-negativ, 8% HIVpositiv und 2% gaben an, ihren HIV-Status nicht zu kennen. Erkennbar war, dass es keine wesentlichen Unterschiede zwischen Ost und West gab, was darauf hindeutet, dass die Ergebnisse auch für Österreich aussagekräftig sein könnten. Als Risikoverhalten wurden Oralsex, bei dem Sperma geschluckt wird, und ungeschützter Analverkehr mit Partnern definiert, deren HIV-Status man nicht kennt. Das Risikoverhalten hat sich in den letzten sieben Jahren um vier Prozentpunkte verschlechtert: 1996 gaben 74% der Befragten an, kein Risiko einzugehen, 1999 waren es 72% und 2003 nur noch 69% der Teilnehmer. Die Autoren schlossen aus den Ergebnissen, dass es eine Rückkehr zu Sexualpraktiken gibt, die wegen ihres Risikos über längere Zeit nicht praktiziert wurden. Die Risikobereitschaft ist bei jenen Männern am höchsten, die ihren eigenen HIV-Status nicht kennen, die zwischen 30 und 44 Jahre alt sind und ein niedriges Bildungsniveau haben. Wie bereits aus England berichtet, dürfte es nun auch einen eindeutig belegbaren Anstieg der Syphilis bei schwulen Männern in Deutschland geben. Teilweise wird versucht, diesen auf „Importe“ der sexuell übertragbaren Infektion aus Osteuropa zu schieben, was aber nicht hält: Rund 80% der Syphilis-Fälle sind „hausgemacht“, wobei die Infektionszahlen bei den Heterosexuellen konstant bleiben (stabile endemische Ausbreitung), bei den MSM in Großstädten aber förmlich explodieren. Bei den MSM, die sich mit Syphilis anstecken, sind 40 bis 42% HIV-positiv, die meisten sind um die 35 Jahre und hatten ungeschützten analen Sex. Der Vortragende, Prof. Dr. N. H. Brockmeyer (Ruhr-Universität Bochum) ist der Ansicht, dass regelmäßige Syphilistestungen sinnvoll wären, vor allem weil immer häufiger auch Sekundärstadien diagnostiziert würden. Prävention & Medizin: Miteinander statt gegeneinander Im Rahmen einer Diskussion, die den Abschluss und einen der Höhepunkte des Kongresses bildete, stellten sich Präventionist/innen und Mediziner/innen aus beiden Teilnehmerländern der Frage: „Ist die Prävention am Ende?“ Deutlich wurde dabei das Spannungsfeld zwischen Prävention und Medizin. Waren die Präventionist/innen vor der Entdeckung der Kombinationstherapie die „Lebensretter/innen“, so haben die Mediziner/innen diese Rolle jetzt für sich in Anspruch genommen. Die Prävention bekommt demgegenüber häufig die Rolle des Buhmannes zugewiesen. Dass dies ungerechtfertigt ist, belegen allerdings Studien, die die Nachhaltigkeit und Effektivität der Präventionsarbeit der letzten 20 Jahre dokumentieren. Wesentlich sei, darüber waren sich alle Diskussionsteilnehmer/innen einig, das Prinzip der Eigenverantwortlichkeit stärker in den Mittelpunkt zu rücken und keinesfalls HIV-Positive und HIV-Negative gegeneinander auszuspielen. Kurz kam die Idee zur Sprache, doch wieder mehr auf Angst und Schrecken in der Präventionsarbeit zu setzen. Ein Ansinnen, das Mag. Frank Amort (Leiter der Abteilung Prävention der Aids Hilfe Wien) klar zurückwies: „Es ist nicht nötig, mit der Angstmasche zu arbeiten. Es genügt durchaus, wenn man die Situation HIV-infizierter Menschen, den Verlauf der HIVInfektion sowie die Therapie derselben realistisch darstellt.“ Das hat sich auch beim Kongress deutlich gezeigt, wo die hochaktive antiretrovirale Therapie (HAART) selbstverständlich ein zentrales Thema darstellte. Viele erfreuliche Neuigkeiten wurden allerdings leider nicht berichtet. Dr. Jan van Lunzen (Universitätskrankenhaus Eppendorf, Hamburg) wies auf den hohen Stellenwert eines differenzierten Herangehens hin: „Limitierend ist heute nicht mehr die Potenz der Regime. Die Hauptgründe für Therapieversagen sind Toxizität, Adherence-Probleme und Resistenzen.“ Vermutlich die wesentlichsten Punkte bei der Planung einer Therapie sind daher die Zusammenarbeit zwischen Arzt/Ärztin und Patient / Patientin und die daraus resultierende individuelle Abstimmung der Medikamentenzusammenstellung. Wichtig ist, und da sind sich offensichtlich alle Expert/innen einig, „real life“ verlangt einfache Therapien. Die überwiegende Mehrheit (ca. 81%) der HIV-Patient/innen bevorzugen eine einmal tägliche Therapieeinnahme, die auch zu einer deutlichen Verbesserung der Adherence führt. Prinzipiell ist eine solchermaßen vereinfachte Behandlung bei fast allen gängigen Therapieschemata möglich, da in allen Substanzklassen bis auf jene der Fusionsinhibitoren Medikamente zur Verfügung stehen, die nur einmal pro Tag eingenommen werden müssen. Ganz anders stellt sich die Lage nach Jahren der Behandlung für die Einzelnen dar. Was tun, wenn der/ die Patient/in sozusagen austherapiert ist, d.h. aufgrund von Resistenzentwicklung und/oder Unverträglichkeiten und/oder Langzeitnebenwirkungen keine Therapieoptionen mehr hat? Ein neuer Ansatz ist die Countinuosly Alternating Therapy (CAT). Hat man bisher versucht den multiresistenten HI-Viren durch Structured Therapy Interruptions (STI) beizukommen, bei denen man die Behandlung für kürzere oder längere Zeit zur Gänze unterbrochen hat, setzt CAT auf das regelmäßige Abwechseln zweier unterschiedlicher Therapieregime. In einer Pilotstudie kam es bei einigen Patient/innen nach 20 Wochen CAT zu einem Absinken der Viruslast um durchschnittlich 0,86 log. Die CD4Zellzahl stieg im Mittel um 30 CD4Zellen/µl an. Die Autor/innen schließen daraus, dass CAT mit einem klinischen Benefit für Patient/ innen mit multiresistentem HIV verbunden sein könnte, wobei die Risiken einer STI und die Toxizität einer Mega-HAART vermieden werden. Erklären könnte den beobachteten Abfall der Viruslast möglicherweise die Beschränkung des Selektionsdrucks innerhalb eines Therapiezyklusses auf ein virales Enzym – alternierend auf die Protease und die Reverse Transkriptase. „Leben“ von Eberhard Stephani, Hamburg Die AIDS-Hilfen Österreichs danken folgenden Firmen für ihre großzügige Unterstützung: Ebenso wie die Prävention hat auch die Medizin genügend Herausforderungen zu bewältigen, und da wie dort gibt es Erfolge und Rückschläge. Vorteilhaft für alle wäre es wohl, noch mehr zusammenzuarbeiten, denn ein Ausspielen Präventionist/innen gegen Mediziner/innen macht ebenso wenig Sinn wie das von HIVPositiven und HIV-Negativen. Abott Ges.m.b.H. GlaxoSmithKline Pharma GmbH Roche Austria GmbH 13 PlusMinus 3/2003 Neue Hoffnung im Kampf gegen HIV Der Fusionshemmer Fuzeon stellt sich vor von Sigrid Ofner* Dr. Sigrid Ofner, Medizinische Information und Dokumentation der AIDS-Hilfen Österreichs © F. Hoffmann-La Roche HIV ist ein heimtückischer Gegner: Es versteckt sich, liegt auf der Lauer, schlägt genau dort zu, wo es das Immunsystem am härtesten trifft, und passt sich rasend schnell an neue Gegebenheiten an. 1996 hat man für kurze Zeit gedacht, die Wissenschaft hätte etwas gefunden, das dem Feind den Garaus machen könnte. Doch auch mit Hilfe der Protease-Inhibitoren (PIs) und der seit dem Moment ihrer Zulassung als State of the Art geltenden hochaktive antiretrovirale Therapie (HAART) gelang es nicht, HIV komplett aus dem Körper der Betroffenen zu eliminieren. Es hat sich viel geändert seit der Vor-HAART-Ära: Durch die Hemmung der beiden viruseigenen Enzyme – Reverse Transkriptase und Protease – auf die alle bisher üblichen HIV-Medikamente abzielten, konnten die Morbidität und die Mortalität HIV-positiver Menschen verringert und in vielen Fällen auch deren Lebensqualität verbessert werden. Doch die Therapie bringt auch Probleme, wie Unverträglichkeiten, Nebenwirkungen und Resistenzentwicklung mit sich, die sich limitierend für die Behandlung auswirken können. Erste neue Substanzklasse seit sieben Jahren „Eines der größten Probleme in der HIV-Therapie ist die hohe Variabilität des Virus", bestätigt Univ. Prof. Dr. Elisabeth Puchhammer-Stöckl (Institut für Virologie der Universität Wien) und erläutert weiter: „Die Anpassung an geänderte Situationen kann rasch zur Entwicklung von therapieresistenten Virusstämmen führen, die auf die zur Verfügung stehenden Medikamente nicht mehr empfindlich reagieren. In Österreich ist dies bei 40% bis 50% der Patienten der Fall.“ Helfen können in diesen Fällen nur noch neue Substanzen, die auf neue Ziele im Replikationszyklus von HIV abzielen. Seit Ende Mai steht nun auch in Österreich das erste Mal seit sieben Jahren wieder ein Medikament zur Verfügung, das einen gänzlich anderen Wirkmechanismus aufweist. Es handelt sich dabei um T-20, den ersten zugelassenen Fusionsinhibitor, mit dessen Hilfe bereits das Eindringen von HIV in die Wirtszelle – eine Immunzelle – und damit die Infektion dieser Zelle sowie die weitere Vermehrung des Erregers verhindert werden kann. Aufgrund des komplett neuen Angriffspunktes von T-20 bestehen auch noch keine Kreuzresistenzen mit anderen Medikamenten. Puchhammer-Stöckl: „Für Patienten, die auf bisherige Therapien ungenügend oder nicht mehr ansprechen, ist die Entwicklung neuer Medikamente, gegen die noch keine Resistenzen vorliegen, lebensnotwendig.“ Wesentlicher Fortschritt in der HIVTherapie T-20 kann eine HIV-Infektion nicht heilen, aber zwei groß angelegte Studien (ca. 1.000 Patient/innen, die durchschnittlich bereits sieben Jahre eine HIV-Therapie und zwölf Medikamente erhalten hatten), haben gezeigt, dass die Therapie mit dem Fusionsinhibitor nicht nur neue Behandlungsoptionen eröffnet, sondern auch ausgesprochen gute Resultate bringt. Prim. Dr. Norbert Vetter (Pulmologisches Zentrum, Otto Wagner Spital, Wien) berichtet: „Erste Behandlungsergebnisse haben gezeigt, dass mit einer T-20hältigen Kombinationstherapie eine PlusMinus wird unterstützt von © F. Hoffmann-La Roche doppelt so hohe Chance besteht, die Viruskonzentration im Blut auf nicht mehr nachweisbare Werte zu senken. Darüber hinaus führt eine Behandlung mit T-20 und weiteren antiretroviralen Medikamenten zu einer Stärkung des Immunsystems und zu einer deutlichen Verbesserung des Allgemeinbefindens.“ Haben die Patient/innen die Verabreichung von T-20, das zwei Mal täglich unter die Haut injiziert werden muss, erst einmal erlernt, handelt es sich um ein gut verträgliches Medikament. Nebenwirkungen treten kaum auf, da die Substanz außerhalb der Zelle wirkt und daher den Zellstoffwechsel nicht beeinflusst. T-20 kann daher auch sehr positive Auswirkungen auf die Lebensqualität HIV-Infizierter haben, die bisher häufig durch unerwünschte Arzneimittelwirkungen verschlechtert wurde. Günter Tolar (Verein Positiv Leben) freut sich über die Zulassung des ersten Fusionsinhibitors: „Um die Lebensqualität der Betroffenen zu erhöhen, darf die medizinische Forschung nicht stehen bleiben. T-20 stellt für viele HIV-positive Menschen eine neue Hoffnung in ihrem Kampf gegen diese Krankheit dar.“ T-20 ist in Österreich unter dem Handelsnamen Fuzeon® zugelassen; Zulassungsinhaber: Roche Austria GmbH Lipoatrophie Neue Switch-Studien zeigen positive Effekte von Sigrid Ofner* Das Lipodystrophie-Syndrom (LDS) – nun bereits seit Jahren ein Hauptthema sobald es um Langzeit-Nebenwirkungen der hochaktiven antiretroviralen Therapie (HAART) geht – umfasst Symptome, wie Fettansammlungen im Bereich des Körperstamms und des Nackens, Fettverluste im Bereich von Gesicht und Extremitäten sowie Veränderungen der Blutfettwerte. Noch immer ist nicht wirklich klar, wodurch es zum LDS kommt. Dass antiretrovirale Medikamente dabei eine wesentliche Rolle spielen, wird allerdings immer gewisser. Die Lipoatrophie – also der Verlust des subkutanen Fettgewebes an Armen, Beinen und im Gesicht – ist für die Betroffenen besonders belastend, da die HIV-Infektion dadurch sichtbar wird. Als eine der antiretroviralen Substanzen, unter denen diese stigmatisierende Nebenwirkung gehäuft auftritt, hat man schon vor längerer Zeit Stavudin (d4T, Zerit®) identifiziert. In Australien wurde kürzlich eine prospektive Studie1 durchgeführt, deren Ziel es war, die körperlichen Veränderungen unter verschiedenen Therapie-Schemata zu untersuchen. Studienteilnehmer waren 40 HIV-infizierte Männer, die erstmals mit einer HAART begannen und neben einem Backbone, bestehend aus zwei nukleosidalen Reverse TranskriptaseInhibitoren (NRTI), einen ProteaseHemmer (PI) oder einen nichtnukleosidalen Reverse Transkriptase-Inhibitor (NNRTI) erhielten. Fünf Teilnehmer wurden mit einem Schema behandelt, das sowohl einen PI als auch einen NNRTI enthielt. Die Multivarianzanalyse wies den NRTI Stavudin als den stärksten unabhängigen Faktor für einen Fettverlust an den Gliedmaßen aus. Zum Zeitpunkt der Analyse waren 90% der Teilnehmer seit 96 Wochen auf Therapie, 50% seit 144 Wochen. ABC bei Switch-Studien Da medikamentöse Behandlungsversuche der Lipoatrophie bisher erfolglos blieben und Unterspritzungen der Wangen nur eine kurzfristige, dafür aber kostspielige Lösung darstellen, geht die Forschung nach wie vor in Richtung Wechsel der Kombinationstherapie. Dabei muss vor allem darauf geachtet werden, dass die Behandlung nach dem Switch mindestens ebenso effektiv ist wie davor. Neue Untersuchungen weisen darauf hin, dass eine Umstellung von einer Behandlung mit Stavudin auf ein Therapie-Schema, das Abacavir (ABC, Ziagen®) enthält, die Effektivität nicht mindert und zu einem Wiederaufbau von subkutanem Fettgewebe an Armen und Beinen führen kann: In einer in England durchgeführten Studie2 wurde die First-Line-Therapie von 30 Patient/innen umgestellt. Die Teilnehmer/innen switchten von Stavudin zu Abacavir (Gruppe 1), von einem PI oder einem NNRTI zu Abacavir (Gruppe 2) oder von Stavudin und einem PI oder NNRTI zu Abacavir plus Zidovudin (AZT, Retrovir®) (Gruppe 3). Neben dem Resultat, dass Abacavir die Potenz besitzt, Stavudin, einen PI oder einen NNRTI in der erfolgreichen First-Line-Therapie virologisch effektiv zu ersetzen, hat sich im Hinblick auf den Fettverlust an den Gliedmaßen auch gezeigt, dass ein Switch von Stavudin zu Abacavir zu einem signifikanten Anstieg der Fettmasse an Armen und Beinen führte (Gruppe 1). Der Ersatz eines PIs oder eines NNRTIs durch Abacavir führte zu leichten Optimierungen im Bereich der Blutfette, die Triglyceridwerte sanken in Gruppe 2 signifikant, Gesamtcholesterin und LDL (Low Density Lipoprotein)-Cholesterin verbesserten sich in den Gruppen 2 und 3 signifikant. PlusMinus wird unterstützt von Bei einem Teil der Teilnehmer/innen einer weiteren Untersuchung3, die entweder Stavudin oder Zidovudin kombiniert mit Lamivudin (3TC, Epivir®) und einen PI erhielten, wurde die Therapie auf Zidovudin plus Lamivudin und Abacavir (gemeinsam Trizivir®) geswitcht. Durch diesen Switch kam es innerhalb von 48 Wochen zu einem Wiederaufbau von Fettgewebe an den Extremitäten: Die Zunahme an Fettmasse betrug bei den Beinen in der Switchgruppe durchschnittlich 0,009kg (vs. 0,010kg Verlust in der Gruppe, deren Teilnehmer/innen ihr ursprüngliches Therapieschema beibehielten). Bei den Armen kam es zu einem signifikanten Wiederaufbau von subkutanem Fett von durchschnittlich 0,014kg, während sich in der Kontrollgruppe diesbezüglich nichts veränderte. Stavudin nicht mehr zum Therapiebeginn Studienergebnisse wie diese haben bei vielen Expert/innen dazu geführt, Stavudin nicht mehr in der First-LineTherapie zu verwenden. Zu einem Einsatz von Stavudin bei therapienaiven Patient/innen sollte es nur dann kommen, wenn diese ausführlich und verständlich über das Risiko einer möglicherweise nicht-reversiblen Fettabnahme im Gesicht und an den Extremitäten informiert wurden, dieses Risiko akzeptiert und einer Behandlung mit diesem NRTI zugestimmt haben. Betroffene4 fordern, Stavudin nur noch in der Salvage-Therapie zu verwenden, wo die Vorteile das Risiko überwiegen, bis genaueres über den Zusammenhang des Medikaments mit der Entstehung der Lipoatrophie bekannt ist oder eine effektive Methode gefunden wurde, diese Nebenwirkung zu managen. *Dr. Sigrid Ofner, Medizinische Information und Dokumentation der AIDS-Hilfen Österreichs 1 Mallon P.W.G. et al. "Prospective evaluation of the effects of antiretoviral therapy on body composition in HIV-1infected men starting therapy", AIDS 2003, 17: 971-979 2 Moyle G.J. et al. "A 48-Week, Randomized, Open-Label Comparison of Three Abacavir-Based Substitution Approaches in the Management of Dyslipidemia and Peripheral Lipoatrophy", JAIDS 2003, 33: 22-28 3 John M. et al. "Randomized, Controlled, 48-Week Study of Switching Stavudine and/or Protease Inhibitors to Combivir/Abacavir to Prevent or Reverse Lipoatrophy in HIV-Infected Patients", JAIDS 2003, 33: 29-33 4 Vergel N. "It’s Time to Face the Zerit Problem", GMHC Treatment Issues 2003, 17 15 PlusMinus 3/2003 P.b.b. · Verlagspostamt 5020 Salzburg · GZ 02Z032017 M Rezensionen HIV-Arbeitskreis Südwest (Hrsg.). HIV und AIDS. Ein Leitfaden für Ärzte, Apotheker, Helfer und Betroffene. Berlin, Heidelberg, New York: Springer, 2003. 230 S. € 34,95 Die Neuauflage des HIV und AIDS Leitfadens bietet kurz und prägnant einen guten Überblick über den heutigen Wissensstand zum Thema HIV und AIDS. Neben den Grundlagen zu Epidemiologie, Infektionsverlauf und Immunologie ist der Leitfaden vor allem für Ärzte und Ärztinnen, die Informationen außerhalb ihres eigenen Fachgebietes benötigen, ein gelungenes Nachschlagewerk, denn in übersichtlichen Tabellen werden hier etwa die Medikamente der antiretroviralen Therapie mit Einnahmehinweisen und den häufigsten Nebenwirkungen aufgelistet oder die häufigsten Krankheitsbilder und ihre Therapien erläutert. Einzelne Aufsätze gehen näher auf Therapieversagen, spezifische Nebenwirkungen, HIV in Gynäkologie und Geburtshilfe und komplementäre Therapieformen ein. Interessant sind auch die Kapitel zu neuen Krankheitsbildern, in denen auf die häufig auftretende Hepatitis-Koinfektion eingegangen wird, und zur Diagnostik, wo die einzelnen Schritte vom Symptom zur Diagnose genau erläutert werden. Gerade wenn man bedenkt, wie viele HIV-Infektionen erst bei schweren Erkrankungen entdeckt werden, ist eine unterstützende Übersicht im Bereich Diagnostik vor allem für praktische Ärzte und Ärztinnen, an die sich Patient/innen mit unspezifischen Symptomen am häufigsten wenden, besonders hilfreich. Unter Sonstiges finden sich schließlich auch Tipps zur Lebensführung, Ernährung und Psychotherapie bei HIV-Patient/innen. Positiv fällt auf, dass der Leitfaden sehr nahe an den tatsächlichen Problemen betroffener Menschen bleibt und gerade beim Thema Therapie Schwierigkeiten wie etwa Therapie und Drogenkonsum oder Resistenzentwicklungen mit anspricht. Der Leitfaden HIV und AIDS ist damit ein praktisches, aktuelles Buch zum Nachschlagen und Nachlesen, das man auch NichtMediziner/innen empfehlen kann. Und noch ein Vorteil: Der Leitfaden findet sich auch aktuell im Internet unter www.hiv-leitfaden.de hs