eur 12 01.2014 Die neue Rolle des Marketings Im Interview mit Dr. Sven H. Becker Marken und Neuroökonomie Dr. Scheier über Kaufentscheidungen Die Aura des Wertvollen Mario Pricken stellt sein neues Buch vor Was Marken wertvoll macht Wertschätzung Ingo Faecks über Zusammenarbeit Schutz gebühr Wert. \ Das Magazin für B2B-Marken \ made by RTS Rieger Team 02 \ Das Magazin für B2B-Marken \ Editorial Wert (germanisch „werpa“ für würdig, Preis) Der Wert ist ein meist in Geld ausgedrücktes materielles Äquivalent einer Sache, einer Dienstleistung oder einer Information. (Quelle: Wictionary) Ausdruck der Wichtigkeit eines Gutes, die es für die Befriedigung der subjektiven Bedürfnisse besitzt, wie sie sich etwa in seinem Nutzen und in der betreffenden Präferenzordnung des Wirtschaftssubjektes widerspiegelt. (Quelle: Gabler Wirtschaftslexikon) Der Begriff Wert findet zum Beispiel in der Finanzwelt oder in der Axiologie (Lehre von den Werten in der Philosophie) Anwendung. Soziologie und Psychologie befassen sich mit Wertvorstellungen und Werturteilen. Mathematisch betrachtet ist ein Wert eine Zahl, die die Variable einer Gleichung ersetzt. In Physik, Medizin und Technik bezeichnet man das Ergebnis einer wissenschaftlichen Messung als solchen. (Quelle: definition-online.de) Der Wert eines Gutes ist eine ökonomische Kategorie, welche die Grundlage dafür bildet, dass völlig verschiedene Lieferungen und Dienstleistungen in einem bestimmten quantitativen Verhältnis gegeneinander verrechnet werden können. Im wirtschaftlichen Verkehr wird er in Geld ausgedrückt, dem Preis. (Quelle: Wikipedia) Der Wert der B2B-Marke Ein Thema, das im Moment alle im Marketing umtreibt. B2Bler, B2Cler, Marketingverantwortliche, Kommunikationsfachleute, Agenturvertreter: Was ist die Arbeit, die wir leisten, wert? Welchen Beitrag zum Unternehmenswert erbringen Marketing und Marke? Und wie kann man diesen Wert im wörtlichen Sinne bewerten? Wie brisant diese Fragen sind, zeigt die Liste der Experten, die wir als Gastschreiber, Interview­partner und besonders als Denkanstoßer gewinnen konnten. Dr. Sven H. Becker, CEO der TBWA Deutschland, behauptet im Interview, dass das traditionelle Marketing keine dominante Rolle mehr spielt. Dr. Christian Scheier, Gründer und Geschäftsführer von decode, Neuropsychologe und Autor mehrerer Neuromarketing-Bestseller, beleuchtet die Kaufentscheidung im Gehirn. Ingo Faecks, Geschäftsführer DACH und Niederlande von Sapient Nitro und frischgebackener Präsident des GWA Deutschland, erzählt uns seine Auf­fassung von Wertschätzung. Simon Thun, Associate Partner bei Prophet, bietet werthaltige Erkenntnisse zum Wert von Marken. Mario Pricken, Kreativtrainer, der demnächst ein Buch mit dem appetitanregenden Titel „Die Aura des Wertvollen“ publizieren wird, behauptet, dass Produkte in der Fabrik entstehen – und Werte im Kopf. Heinz Schlüter, ehemaliger Weltklasse-Tischtennisspieler und aktueller Steuer- und Finanzfachmann, und Peter Kopecky, CFO der TBWA Deutschland, sehen die Welt der Werte naturgemäß ein Stück faktischer. Dazu der Beitrag zum Start der deutsch-österreichischen Freundschaft zwischen Netural und RTS Rieger Team, unsere B2B-Lifestyle-Themen und aktuelle Einblicke in die RTS-Werkstatt. Alles in allem eine Ausgabe unseres B2B Magazins, bei der Sie am Ende hoffentlich sagen werden, dass sie es wert ist. Ganz viel Spaß beim Lesen! Jörg Dambacher Geschäftsführung 04 38 Digitalisierung und iteratives Arbeiten 78 Der Wert von Fleisch inhalt 42 News Lifestyle Ingo Faecks über Wertschätzung 06 B2B-News 08 B2B-Kalender Titelthema Jede Menge Wert Warum uns manche Dinge lieber und teurer sind als andere 10 44 Interview mit Dr. Sven H. Becker 62 20 Ansichten Im Interview mit Titelfotograf Steffen Jahn 22 Lifestyle 30 Fachbeitrag Dr. Christian Scheier: Die Kaufentscheidung im Gehirn 32 36 Leitartikel Was ist der Preis? Was ist der Wert? Markenwert Simon Thun: Marken bewegen Menschen Digitale Werte Netural: Die neue deutsch-österreichische Freundschaft Digitale Arbeitswelt E. Demmel und G. Freimüller: Schneller mit kleinen Schritten 38 42 44 48 Fachbeitrag Ingo Faecks: Wertschätzung Interview Dr. Sven H. Becker über ein neues Agenturmodell B2B-Expertenmeinung Was ist ein Unternehmen wert? Wir haben zwei gefragt, die es wissen Glosse Wo sind all die Werte hin? 50 52 32 Marken bewegen Menschen 22 Leitartikel 56 Die Aura des Wertvollen Das neue Buch von Mario Pricken Interviewstrecke Über den Wert von Immobilien, Koi-Karpfen, Kunst und Luxus 60 Interbrand Topmarken Die Best Global Brands 2013 Lifestyle Geschmack kann man nicht kaufen 62 B2B-Travel Tour de Suisse – haargenau geplant und präzise getaktet 68 B2B-Lunch Was ist Fleisch eigentlich wert? 72 RTS Werkstatt Aktuelle Arbeiten aus unserem Hause 78 B2B-Literatur Buchtipps rund um das Thema Wert 82 Impressum 83 07 FORSCHUNG Mobilität der Zukunft Mensch und Technik Forscher der Universität Göttingen präsentierten jetzt den schärfsten Röntgenstrahl der Welt. Er ist für das menschliche Auge unsichtbar und 10.000 Mal dünner als ein menschliches Haar. Erkennbar werden seine Möglichkeiten vor allem in der Material­ forschung, etwa zur Untersuchung von Nanodrähten, die in Solarzellen zum Einsatz kommen. Energiereiches Röntgenlicht lässt sich nicht einfach fokussieren wie sichtbares Licht mit einem Brennglas. „Statt einer gewöhnlichen Linse verwenden wir daher eine sogenannte Fresnel-Linse, die aus verschiedenen Schichten aufgebaut ist“, erläuterte Markus Osterhoff vom Institut für Röntgenphysik. Als zentraler Träger diente ein Wolframdraht, der nur knapp ein tausendstel Millimeter dick war. Luftkissen soll mit 1.220 km/h Reisende transportieren – 600 Kilometer in 35 Minuten: Diese ultraschnelle Reisezeit von San Francisco nach Los Angeles soll laut Elon Musk eventuell im Jahre 2017 Realität werden. Das Transportmittel der Zukunft nennt sich „Hyperloop“. Dieses Konzept verbindet bereits bekannte Antriebsformen zu etwas völlig Neuem. Kapseln sollen in einem Rohr-System von einem Ort zum anderen geschossen werden. Die Shuttles schweben dabei auf einem Luftkissen. Auch der Antrieb erfolgt durch extremen Luftdruck. Jedoch ist die Anwendbarkeit laut einigen Kritikern fragwürdig. Musk, Chef des Elektro-Sportauto-Herstellers Tesla und des privaten Raumfahrt-Dienstleisters SpaceX meint hingegen, sein Transportmittel sei eine effizientere Alternative zu Zug- und Flugverkehr. Die „Quantified Selfer“ messen („tracken“) anhand elektronischer Sensoren oder Apps beinahe jeden Aspekt aus ihrem täglichen Leben: Körperfunktionen, Befindlichkeiten und Verhaltensweisen. Das Stresslevel wird ebenso in Zahlen festgehalten wie das tägliche Kommunikationsverhalten, Finanz­ aktionen, der tägliche Kaffee- oder Alkoholkonsum. Immer geht es darum, biologische, psychi­sche und physische Werte, im Großen und Ganzen also alle gesundheitsrelevanten Daten (Körpergewicht, Blutwerte, Blutdruck, Lungenkapazität oder psychisches Befinden), mit umwelt- und verhaltens­ bezogenen Informationen (etwa Standort, Arbeitszeit pro Tag, Ernährung, täglich zurückgelegte Wegstrecken oder Schritte) ins Verhältnis zu setzen und daraus Erkenntnisse über den eigenen Lebensstil abzu­leiten. Zudem steigern sie dadurch ihre Motivation. (Quelle: www.deutsche-mittelstands-nachrichten.de) (Quelle: www.gehirn-und-geist.de) Energie Wohnen INTERNET Britische Forscher haben natürliche Stoffwechselprozesse genutzt, um aus Urin Strom zu gewinnen – und damit ein Handy aufgeladen. Bakterien wandelten die organische Masse in Elektrizität um. Die Forscher sehen darin den ultimativen Öko-Strom. Die Ausbeute reiche für einen kurzen Anruf oder eine SMS. Das Verfahren solle nun weiterentwickelt werden. Laut einem Forscher könnte diese Technologie in der Zukunft fester Bestandteil von Toiletten werden und unter anderem Energie zum Duschen, Rasie­ren oder für Licht liefern. Mikrobielle Brennstoffzellen werden auch schon in anderen Bereichen eingesetzt, liefern aber derzeit noch nicht genug Strom für einen weitreichenden wirtschaftlichen Einsatz. Neuer Job? Oder der Liebe wegen umziehen? Für moderne Nomaden gibt es jetzt das mobile Design-Haus. Kompakte Modulhäuser, die Designer Werner Aisslinger gemeinsam mit den Architekten Achim Aisslinger und Andreas Bracht entwickelt hat, lassen sich in zwei Tagen ab- und wieder auf bauen. Wohnf lächen bis zu 65 Quadratmetern sind möglich. Der Clou: Mithilfe von Zusatzmodulen sind die Häuser beliebig erweiterbar. Gerade diese Flexibilität macht das Konzept interessant. Seit es den „Loftcube“ gibt, sind mehr als 11.000 Anfragen eingetrudelt. Tendenz steigend! Zielpublikum ist dabei die junge und urbane Elite mit dem nötigen Kleingeld, rund 90.000 Euro. 2014 starten die neuen sogenannten TopLevel-Domains. Für jeden, dem die altbekannten .de oder .com zu langweilig sind. Und für alle, die ihren Blog, ihr Business oder ihr Unternehmen individuell und herausstechend im Web platzieren wollen. Im Laufe des Jahres geht .berlin an den Start, aber auch TLDs wie .business, .gmbh oder .marketing werden nach und nach verfügbar sein. So kann sich zum Beispiel jedes Unternehmen eine zu seiner Branche passende Web-Adresse zulegen. Die Möglichkeiten könnten nahezu grenzenlos werden. Infos unter: www.united-domains.de (Quelle: www.newsdeutschland.com) (Quelle: www.pm-magazin.de) Deutsche Forscher entwickeln schärfsten Röntgenstrahl s u a s e l l e u t A k c h ä ft s w e l t s e ed r G (Quelle: www.focus.de) Menschliche Abfälle als Energiequelle Hyperloop statt Flugzeug und Zug Vier Wände to go „Quantified Self“ oder wie Sie Ihr „Ich“ vermessen Domains à la carte * Kein bundesweiter Feiertag. 10 pä M ün rs . Ge 3 pi b 0 el ur .0 „T tst 6. et ag ris “ nb ris ei ch 19. na 06 m . * 0. Ja h re st ag Be gi nn de s1 .W el tk rie .07 ge . s 28 g 10 m Lo ui sd io e 11 m .07 an . i 1 Fu 1.0 nè 7. s Ar 2 an 1.0 fa 6. ng rg er G eo g g ta ta ts ts ur ur G eb .G eb So m 08 . Pf –09 in .0 gs 6 te . n 31 30 29 28 27 26 25 24 23 22 21 20 19 18 17 16 15 14 13 12 11 10 09 08 07 06 05 04 03 02 01 30 29 28 27 26 25 24 23 22 21 20 19 18 17 16 15 14 13 12 11 10 09 08 07 06 05 04 03 02 01 31 30 29 28 27 26 25 24 23 22 21 20 19 18 17 16 15 14 13 12 11 10 09 08 07 06 05 04 03 02 01 30 29 28 27 26 Juni 0. 80 2 Co 0.0 ck 5. er m 29 el .0 fa 5. hr t Jo e H im ta ti ts 0 g, Roc 6.– D k 09 eu i m .0 ts P 6 ch a r . la k nd nl er Fr o N ür Ch ch S i c en h e 02 Fr , D r h .– ie isch dr eu e i t 03. ic e O ts sE 07 hs u ch xpo . ha tdo 1 la 0 fe or nd . – n, -F 1 D ac O u t 3.07 eu hm D o . ts ch ess o r la e nd ro te 30 na l rli De 01 n, sig .0 D n eu Fe D 6. ts st M Y ch iv la al nd io ur r A 01. rb 05. ei t 25 24 23 22 21 20 19 18 17 16 15 Mai Eu at Be rn .G eb de .0 er 4. n 21 April pu te 70 Ta g st .– 14 13 12 11 10 09 08 07 06 05 04 03 02 01 o rg In ei te rn at ro W M , B - F 13.0 ra ina 7. si l e lie n In io le F in ach de me r L ss as e f e ü 24 St rma r Sy ut te st .– 26 tg ri em ar al l t, be ös L a .06 D ar u sys . eu be ng ts itu en ch n la g nd na 0 a u 3.–0 In tom 6. fü ter at 06. r M A nat i c a ün u io k G an n kr s ei ch 15 6 1 .–21 . Ca C .06 nn a n n . es e s ,F l r io ni eu D - P ts REI ch S la VERLEIHUN nd ch tom na en at le , D ion Fa eu u chm ts nd e ch M ss la e e nd ch at ro D 2 B o 9.04 Bo B - . nn AW , AR no h a ve n n r, ov 07. D e –1 eu r 1 ts m e .04 ch ss . la e nd te r fü nat 06 St r Q ion ut u al .– tg ali e 0 ar tä Fa co 9.0 t, ts ch n t D sic m r o 5. eu h e ts eru sse l ch n la g nd rf 18.0 re 4 ita . g 0 g, R O C 5.– D K 08 eu A M .0 ts ch RIN 6. la G nd Ja n rin de bu Ri N ür Ka H an 0 Cosm3.–0 9. Fi Be lm i c 04. f C D wu es i n eu s tiv e ts sts al F e ch ei fü s t la n r i v nd un N a l un d K ach d re ha Sc at lti hw iv gk ei ität eit, z Was wird 2014 von April bis Juli wichtig? Diese Termine sollten Sie kennen. Co m In mf Ca est nn sp 1 es i e l 4.– 2 ,F e ra C a 5.0 nk n n 5. re e s ic h fil O 20 nn iov Pre er isv ,D e 0 eu rle 9. ts ih 04 ch un . la g nd P H rof a GW A- Der B2B-Kalender 09 Juli 10 \ Thema Jede Menge wert Rolex GMT Master II Ice: 380.000,00 Euro | Maybach 62S: 520.000,00 Euro Edvard Munchs „Schrei“: 119,9 Mio. euro | Abendessen mit Thomas Gottschalk: 12.030,00 Euro Der Wert eines Produktes oder einer Leistung drückt sich im Preis aus. Aber was genau macht eine Rolex derart wertvoll, dass man für sie achttausendmal so viel bezahlt wie für eine ebenso funktionstüchtige Casio-Uhr? Das Design? Vielleicht. Ihr Statusversprechen? Garantiert. Sonst noch was? Wir wollten es genau wissen. Welche Faktoren unterscheiden einen 08/15- von einem Luxusartikel? Also machten wir uns auf die Suche nach wertvollen Gesprächspartnern und landeten unter anderem bei einem Galeristen, einem Auktionator und einem Karpfenzüchter. Was die uns erzählen konnten, ist zum Teil überraschend, in jedem Fall jedoch interessant – wenn nicht sogar richtig wertvoll. Warum uns manche Dinge lieber und teurer sind als andere 12 13 1 % des Kaufpreises eines T-Shirts aus Baumwolle macht den Lohnanteil aus. Der Großteil f ließt in – raten Sie mal – Werbung. Quelle: www.data.wdr.de Don’t copy. Be yourself Seine Individualität kann man durch vieles ausdrücken. Durch die Musik, die man hört, die Veranstaltungen, die man besucht, oder durch die Kleidung, die man trägt. Doch wer nicht aus­ sehen will wie die breite Masse, der muss auch tiefer in die Tasche greifen. ave anziehsachen ist ein Laden für Menschen mit individuellem Geschmack und dem nötigen Kleingeld. Wir haben uns beraten lassen und viel gelernt: über optimale Schnittführung, gedrehtes Garn und verdeckte Knopfleisten. Unser Wissen geben wir Ihnen ab Seite 68 weiter. 14 15 Schneller mit kleinen Schritten Die Digitalisierung verändert Anforderungen und Arbeitsschritte. Anstatt mit Vollgas in den Relaunch zu rauschen, werden kleinere Meilensteine realisiert – so wird nichts übersehen und letztendlich ist diese Arbeitsweise nicht nur schnell, sondern auch nachhaltig. Ernst Demmel und Gerhard Freimüller von Netural erklären ab Seite 38, wie genau iteratives Arbeiten funktioniert. 1.200 PS hat der Bugatti Veyron 16.4 Super Sport und ist damit der schnellste straßenzugelassene Seriensportwagen der Welt. Quelle: www.bugatti.com 16 17 Beten hilft nichts Zumindest, wenn es darum geht, ob ein Unternehmen seine Marke erfolgreich etablieren kann. Stattdessen hilft es, die richtige Strategie zu verfolgen – und Menschen erfolgreich mit seiner Markengeschichte zu bewegen. Ab Seite 32 lesen Sie, was der Markenexperte Simon Thun dazu zu sagen hat. 72 Mio. Macs von Apple sind derzeit weltweit in Benutzung. Quelle: Studie www.interbrand.com 18 142 19 Mio. Dollar war der höchste Preis, der je bei einer Auktion für ein Gemälde, ein Triptychon von Francis Bacon, bezahlt wurde. Quelle: www.faz.net Wertvolle Experten Was haben ein Penthouse, ein Gemälde, ein Ring und ein Karpfen gemeinsam? Für alle vier gibt es Menschen, die sich hauptberuflich mit ihnen beschäftigen. Interessante Menschen, die uns geholfen haben zu verstehen, was den Wert einer Sache ausmacht. Wenn Sie schon immer mal wissen wollten, wie Immobilienpreise entstehen, ab wann der blaue Strich auf grünem Grund Kunst ist oder wer für einen Zierfisch 3.000 Euro hinblättert, dann sollten Sie jetzt zu unserer Interviewstrecke ab Seite 56 blättern. 20 ansichten 21 Vita Geboren _ 21. April 1967 in Werneck, Bayern Laufbahn _ 1988 absolvierte er seine Lehre in den René Staud Studios. Nach mehreren Assistenzen machte er sich 1996 in Stuttgart selbstständig, mit dem Studio im größten Zimmer der Wohnung. 2003 zog er in sein aktuelles Studio – ein ehemaliger Ballsaal einer Unternehmervilla. Steffen Jahn ist Mitglied im BFF und AOP und inszeniert wertige Produkte für Kunden wie Lamborghini, Ferrari, Porsche, AMG, Aston Martin, Jaguar, Audi, Mercedes, Bose, Bang & Olufsen, Gucci, Infiniti, Hewlett Packard, GQ, BMW magazine etc. Awards (Auszug) _ Art Directors Club of New York, Calendar Marketing Association, BFFAward, Kodak Kalender Preis, Grafischer Club Kontakt_ +49 711 640 [email protected]_www.steffenjahn.com Eine teure Kamera allein Mit dem Einsatz einer teuren Kamera beispielsweise bringe ich dem Fotoobjekt und damit dem Kunden eine Wertschätzung entgegen. Wenn ich mit einer 500-Euro-Digitalknipse vor einem Fünf-Millionen-Euro-Porsche stehen würde, wäre die Frage, ob meine innere Einstellung stimmt. Häufig ist die Kamera oder der Wert der Kamera auch ein Signal für den Betrachter, wie ernst ich die Aufgabe nehme. macht kein gutes Bild diszipliniert zu höherer Konzentration: „Wenn du schon mit diesem edlen Gerät arbeiten darfst, reiß dich zusammen, baue keinen Mist und mache etwas Ordentliches daraus.“ Während ich mit einem kleinen billigen Gerät auch manchmal pfusche. Weil ich denke, es ist ja eh nichts Rechtes. Wie also lassen sich Produkte „wertig“ inszenieren? SJ_ Das Einfachste ist, das Objekt in eine wertige Umgebung zu Der Fotograf unseres Titels und der Fotostrecke Steffen Jahn über materielle und emotionale Werte in der Fotografie Was bedeutet für Sie ganz persönlich der Begriff „Wert“? SJ_ Hauptsächlich Qualität und etwas Erstrebenswertes. Wert haben für mich sehr hochwertige Dinge, die perfekt verarbeitet, ästhetisch ansprechend und langlebig sind. Der finanzielle Wert einer Sache ist nicht so wichtig, weil er eigentlich eher dem Status zugehörig ist. Der innere, der wahre Wert einer Sache ist höher einzuschätzen. Der Preis ist irgendwann vergessen, aber der wahre Wert übersteht die Zeit. Welche Rolle spielt der materielle und emotionale Wert in Ihrer Arbeit? SJ_ Das ist natürlich ein hoher materieller Wert, mit dem man umgeht. Kameras und sonstige Ausrüstung kosten ein Vermögen. Da ich auf Autofotografie spezialisiert bin, habe ich auch immer mit teuren und hochwertigen Objekten zu tun. Manchmal sogar unbezahlbaren, weil sie Einzelstücke sind. Zum Beispiel Concept Cars, die nur ein einziges Mal gefertigt werden, um auf einer Show gezeigt zu werden. Oder Fahrzeuge, von denen nur noch wenige exis­t ieren – oder sogar nur noch eines. In gewisser Weise muss das auch meine Ausrüstung widerspiegeln. Gilt dann für jedes Bild: je teurer Ausrüstung und Objekt, desto wertvoller das Ergebnis? SJ_ Nein. Ein teures Objekt und eine teure Kamera allein machen noch kein gutes Bild. Wenn das fünf Millionen teure Auto eine hässliche Gurke ist, dann bleibt es eine hässliche Gurke. Ein Foto ist wertvoll, wenn es einen berührt, wenn es Gefühle weckt wie „Mann, da möchte ich jetzt einsteigen und losbrausen“ oder „Dieses Licht erinnert mich an einen wunderbaren Sommermorgen, den ich in der Toskana erlebt habe“. Eines meiner Lieblingsbilder habe ich mit einem lausigen Handy fotografiert. Es ist ein Foto von meinem Sohnemann. Letztlich ist die Technik dazu da, das Bild auf die gewünschte Art und Weise festzuhalten. Es bringt nichts, mit der grundverkehrten Kamera hinten in einem Auto zu sitzen, das mit 150 über die Rennstrecke rast, und zu meinen: „Die Kamera passt zwar hinten und vorne nicht, aber das Bild ist wertvoll, weil es eine teure Kamera ist.“ Das Werkzeug muss immer dem Zweck angemessen sein. Allerdings kann eine wertvolle Ausrüstung schon die innere Einstellung beeinf lussen, wie es ein japanisches Sprichwort besagt: „Nicht nur der Meister wirkt auf das Werkzeug, sondern auch das Werkzeug auf den Meister.“ Wenn man mit einem sehr teuren, edlen Werkzeug arbeitet, hat es auch immer eine gewisse mahnende Wirkung und stellen. Also in eine Villa, einen toll angelegten Garten oder vor hochwertige Architektur. Dann ist die Art der Positionierung entscheidend. Ob der Gegenstand einfach in der Ecke steht oder ob man ihm einen prominenten Platz zuweist. Das A und O in der Fotografie ist letztlich aber das Licht. Damit kann ich salopp gesagt aus Discounterpfusch eine Ikone der Industrieproduktion machen. Denn durch die Beleuchtung kann man Formen herausheben oder untergehen lassen. Ich kann Materialität betonen oder umgekehrt vermeiden, dass man diese Materialität sieht. Ich kann Farbe strahlen oder verschwinden lassen. Und so das Objekt neu gestalten. Manche Fotos werden für mehrere Millionen Euro gehandelt. Wie bemisst sich ein solcher Wert aus Ihrer Sicht? SJ_ Dieser Wert basiert nicht auf der Fotografie an sich. Das Bild wird als Kunstwerk betrachtet. Genauso werden Ölgemälde oder Rembrandts für ähnliche Summen gehandelt. Hintergrund ist, dass es früher so gehandhabt wurde, dass zum Beispiel nur 100 Abzüge gemacht und danach die Negative zerstört wurden. Es gibt danach keine Bilder mehr, um durch diese Verknappung einen Wert zu schaffen, eine Begehrlichkeit. Je seltener etwas ist, desto mehr leuchtet sein Wert hervor. INTERVIEWER \ Stephan Fuß 22 leitartikel Was ist der Preis? Was ist der Wert?_ Und wie hängt beides zusammen? Warum sind wir bereit, für gleiche oder ähnliche Produkte und Dienstleistungen völlig unterschiedliche Preise zu bezahlen? Wie bestimmen wir den Wert, den wir Erzeugnissen und Service beimessen? Ein Erklärungsversuch. „Heutzutage kennen die Leute von allem den Preis und von nichts den Wert.“ In der Tat, da hat Oscar Wilde den Nagel auf den Kopf getroffen. Von vielem ahnt man den Wert. Man glaubt zu wissen, woran es liegt, dass der Wert sich für prinzipiell ein und dieselbe Sache in unterschiedlichen Preisen niederschlägt. Ein Businessschuh für Herren zum Beispiel, wie ich gerade auf Zalando recherchiert habe. Der Preis variiert vom teuren Business-Schnürer von Marc Jacobs für 599,95 Euro bis runter zum Modell von Pier One für 59,95. Der eine Schuh kostet also ziemlich genau das Zehnfache des anderen. Warum? Bei dem Schuh von Pier One steht: weich gepolsterte Innensohle, Decksohle Leder, Innenmaterial Kombination aus Leder und Textil­ futter, Lycralochung, Sohle hochwertiger Kunststoff, Obermaterial Leder. Die Beschreibung des Schuhs von Marc Jacobs liest sich da schon anders: hochwertige Leder­verarbeitung, Rahmennaht, Absatz genagelt, Absatz in lackierter Holzschicht-Optik, Decksohle Leder, Innenmaterial Leder, Sohle Leder, Obermaterial Leder. Es gibt also erkennbare Unterschiede. Rechtfertigt das einen höheren Verkaufspreis? Oder ist es am Ende doch nur der Name? Ist Marc Jacobs den zehnfachen Preis von Pier One wert? Der Wert ist abstrakt, der Preis konkret Warum kostet ein Quadratmeter Wohnf läche in der Park Avenue 432 in New York 74.000,00 Dollar? Warum kostet ein Quadratmeter in Hongkong in der Stubbs Road 94.000,00 Dollar und in London in Knightsbridge gar 102.000,00 Dollar (Quelle: brand eins, 2/2014)? Und warum kostet ein Quadratmeter in Berlin in der Nähe der Museumsinsel nur 7.900,00 Dollar? Übrigens sprechen wir in Berlin von einem neu gebauten Stadtpalais, das den aktuellen deutschen Baustandards entspricht. Wohingegen die Nobeladressen in New York oder London zwar ebenfalls Neubauten sind, aber in puncto Energieeffizienz sicher nicht mit dem Standard in Berlin mithalten können. Worin begründet sich also der Preisunterschied? Was macht den unterschiedlichen Wert aus? Wert entstammt der gleichen Sprachwurzel wie das lateinische „versus“, das „gegen“ bedeutet. Wert ließe sich demnach in seiner Urform mit „als Gegenwert dienender Preis“ beschreiben. Wenn etwas wertvoll ist, wird es wertgeschätzt, hat also einen hohen Preis. Ökonomisch betrachtet ist der Wert eines Gutes einfach eine Kategorie, die als Grundlage dafür dient, dass unterschiedliche Waren oder Dienstleistungen gegeneinander verrechnet werden können. Interessant dabei ist, dass der Wert abstrakt bleibt. Der Preis als Ausdrucksform des Werts im wirtschaftlichen Verkehr gilt jedoch als objektiv und wird als konkret empfunden. Das wiederum widerspricht der Tatsache, dass für manche Güter Fantasiepreise ausgerufen werden können, die dann auch bezahlt werden. 23 24 25 leitartikel Sekt, Crémant oder Champagner? Der Mehrwert ist rein subjektiv Die Österreichische Schule, eine Gruppe von Theoretikern, die eine bestimmte Lehrmeinung in der Volkswirtschafts­lehre vertritt, bringt uns dem tatsächlichen Phänomen des Werts näher, weil sie in ihrer Definition den psychologi­schen Aspekt berücksichtigt. Die Wissenschaftler betonen die Bedeutung der einzelnen Menschen und deren individuelle Vorlieben für die wirtschaftlichen Prozesse. Somit beruht der Wert einer Ware auf der subjektiven Bewertung ihres Nutzens durch die Marktteilnehmer, die letztlich die Nachfrage bestimmt. Wertvoll ist demnach das, was für viele begehrlich ist. Noch besser: was für viele begehrlich und dazu noch knapp ist. Dass künstliche Verknappung ein wirksames Mittel darstellt, um die Preise hoch­z uhalten, ist heutzutage eine Binsenweisheit. Die Winzer in der Champagne haben das längst erkannt und mittlerweile auch erreicht, dass sich nur noch in der Appellation hergestellte Schaumweine Champagner nennen dürfen. Zahlreiche Blind­verkostungen belegen: Den Unterschied zwischen einem Crémant von der Loire und einem deutschen Winzersekt schmecken selbst Fachleute nicht – das Herstellungsverfahren ist das gleiche. Dabei existiert nicht nur eine gewaltige Preisspanne zwischen den diversen Schaumweinen, sondern auch innerhalb der Champagnersorten selbst. Nichtsdestotrotz würde wohl die Mehrheit von uns auf jeden Fall zu einem namhaften Champagner greifen, wenn es etwas Besonderes zu feiern gäbe. Und die Begründung würde wahrscheinlich lauten, dass es das jetzt auf jeden Fall wert sei. Es ist eben einfach Champagner. Jede Geschichte hat ihren Preis Mario Pricken wird im Juni sein neues Buch mit dem Titel „Die Aura des Wertvollen“ veröffentlichen. Einen Hinweis darauf finden Sie in diesem Heft. Für sein Buch hat er mehr als 300 Produkte, Objekte und Ereignisse über deren gesamten Lebenszyklus hinweg analysiert, um jene Muster zu entdecken, die manche Dinge so wertvoll machen. Er behauptet, 80 Parameter identifiziert zu haben, die sich zum Beispiel in den Biografien wertvoller Autos, Uhren, Genussmittel, Designermöbel, Kunstwerke oder Dienstleistungen wiederfinden – zum Beispiel Elemente der Einzigartigkeit, der Verknappung, der Wirkung von Zeit oder inszenierte Übergaben. Mit anderen Worten: Es geht um die Geschichten dahinter. Oder noch einmal anders gesagt: Jede Geschichte hat ihren Preis. Und da sind wir topaktuell, denn welchem Unternehmensführer oder Marketingverantwortlichen ist in letzter Zeit nicht das Stichwort Storytelling begegnet? Wer hat nicht davon gehört, dass es insbesondere bei der Markenführung in Zeiten sozialer Netzwerke vor allem auf gute Geschichten ankommt? Man braucht Geschichten, die man seiner Community erzählen kann. Coca-Cola galt über Jahre als die wertvollste Marke der Welt. Erst 2013 wurde sie von Apple vom Thron gestoßen. Der Wert dieser Unternehmen besteht zweifelsfrei aus mehr als Umsatz. Nämlich aus Immobilienbesitz, MitarbeiterPotenzial, Patenten oder Produktionseinrichtungen. Es kommt zunächst einmal der immaterielle Wert der Marke hinzu. Die positiven Assoziationen des Verbrauchers mit ihr ermöglichen dem Unternehmen, mehr Geld für das eigene Produkt zu verlangen. In der Tat, vergleichen Sie einfach mal die Preise verschiedener Laptop-Anbieter mit denen von Apple. In verschiedenen Ländern, wie zum Beispiel Großbritannien, ist bereits heute eine Bilanzierung dieses Markenwerts möglich. Aus dem immateriellen Markenwert wird also eine konkrete, materielle Zahl. Das Problem bei der Ermittlung des Markenwerts stellt sich beim Verfahren. Man geht davon aus, dass es aktuell in der Praxis ungefähr 500 verschiedene Modelle zur Messung bzw. Ermittlung des Markenwerts gibt. Viele sind komplex, viele erfüllen nicht die notwendigen Anforderungen an Objektivität, Verlässlichkeit oder Validität. Alle sind sich aber einig, dass es den Wert der Marke gibt und dass es sich dabei um mehr handelt als die tatsächlich existierenden Werte eines Unternehmens. 26 27 Der teuerste Fotoapparat der Welt ... ... kam im November 2013 bei Sotheby’s unter den Hammer. Es handelt sich um eine Digitalkamera der Marke Leica. Das Modell Leica M kostet normalerweise 6.200,00 Euro. Was dieses Exemplar so besonders macht: Es handelt sich um ein Einzelstück, das vom Apple-Chef kreativen Jonathan Ive und von Design-Ikone Marc Newson entworfen wurde. Das war einem Sammler für einen guten Zweck 1,8 Mio. Dollar wert. Die teuerste Kloschüssel der Welt ... ... stammt wohl aus Japan vom dort ansässigen Hersteller Lixil. Das mit rund 72.000 Swarovski-Kristallen besetzte Stück wurde für einen Showroom in Tokio gefertigt und hat einen Wert von rund 97.000,00 Euro. Das teuerste Kochmesser der Welt ... ... ist selbstverständlich handgearbeitet, mit einer Damastklinge aus 400 Lagen Stahl versehen und wird von der deutschen Manufaktur Nesmuk aus – woher sonst? – Solingen gefertigt. Ausgeliefert wird das edle Schneidwerkzeug in einer Klavierlackschatulle mit Lindenholzsteckscheide für 4.900,00 Euro. Das teuerste Auto der Welt ... ... wurde in Italien gebaut. Den Rekordpreis von 52 Mio. Dollar, umgerechnet 38 Mio. Euro, erzielte ein Ferrari 250 GTO aus dem Jahr 1963 unlängst in den USA. Dass das Auto an Wert verlieren könnte, gilt unter Fachleuten als äußerst unwahrscheinlich, da von dem Fahrzeug nur 39 Exemplare hergestellt wurden. Kostenorientierte Verfahren beruhen auf der Überlegung, was es kostet, eine Marke zu rekonstruieren. Um mal direkt den Bogen zur B2B-Welt zu schlagen: Was kostet es, das Unternehmen TRUMPF zu rekonstruieren? Was wäre schwieriger – die Produktionsstätten nachzubilden, die technologischen Errungenschaften nachzuvollziehen oder den langjährigen guten Ruf? Der Umsatz von TRUMPF lag zum Ende des Geschäftsjahres 2012/2013 bei 2,35 Mrd. Euro. Das Vorsteuerergebnis lag bei 154 Mio. Euro. Unter anderem deshalb, weil man zur Zukunftssicherung 211 Mio. Euro in Forschung und Entwicklung investiert hat. Welche dieser nackten Zahlen sagt uns jetzt etwas über den wahren Wert des Unternehmens aus? Und was addiert die Marke TRUMPF, der gute Name, der Mythos mit seinen Geschichten hinzu? Preispremiumorientierte Markenbewertungsverfahren setzen bei dem Gedanken an, wie viel mehr ein Kunde für eine Maschine von TRUMPF im Vergleich zu einer technisch entsprechenden Maschine eines Wett­bewerbers zu zahlen bereit ist. Die Differenz multipliziert mit der Absatzmenge der Maschine ergibt den Markenwert. Schwierig für ein Unternehmen, das Werkzeugmaschinen, Elektrowerkzeuge, Lasertechnik, Elektronik und Medizintechnik herstellt und vertreibt. Aber gleichzeitig einfach Wirklichkeit, denn ganz sicher wird nach wie vor für eine Maschine aus dem Hause TRUMPF mehr bezahlt als für manch andere. Die teuerste Pizza der Welt ... ... wurde in London bei einer Charity-Veranstaltung für umgerechnet ca. 2.700,00 Euro verkauft: die „Pizza Royale 007“ von Domenico Crolla. Der Belag? In 1968er Dom Perignon getränkter Lachs, in Kognak eingelegter Hummer, feinster Kaviar, Rehmedaillons, Parmaschinken, Trüffel und 24 Karat Blattgold. Der Wert einer Marke Die teuerste Armbanduhr der Welt ... ... kommt aus Sachsen. Genau gesagt aus Glashütte. Von der „Grand Complication“ stellt A. Lange & Söhne gerade mal sechs Exemplare her. Stückpreis: 1,9 Mio. Euro. leitartikel Verhaltenswissenschaftlich orientierte Modelle gehen davon aus, dass Markenassoziationen in den Köpfen der Kunden das Fundament der Markenwertmessung bilden. Das Markenwissen, also die Mischung aus Kenntnis und Image, und die Konsumentenurteile über die Marke erlauben dabei die Rückschlüsse auf den Markenwert. Weitere Ansätze zur Wertermittlung von Marken basieren auf umfangreichen Ratings und Befragungen mit unterschiedlichen Scorings für verschiedene Kriterien. Die große Anzahl der Ermittlungsverfahren und die Unterschiedlichkeit der Ansätze zeigt, dass die 2010 von der internationalen Normierungsorganisation ISO veröffentlichte Norm ISO 10668 zur Markenwertmessung kaum zu einer Einschränkung der Vielfalt geführt hat. Einige der namhaftesten Markenwert-Ansätze haben sich nämlich bereits einer Konformitätsbewertung erfolgreich unterzogen. Und sind völlig unterschiedlich geblieben. Die Norm legt übrigens Grundanforderungen an Verfahren und Methoden zur Bestimmung des monetären Wertes einer Marke fest und schließt wohlgemerkt finanzwirtschaftliche, verhaltenswissenschaftliche und rechtliche Aspekte ein. Den Blick auf die rechtlichen Aspekte wollen wir Ihnen und uns ersparen. Ein Standardklo bekommt man ab 49,95 Euro. Fürs Geschäft reicht das ja eigentlich aus. Pizza Margarita vom Pizzaservice: 45 cm Durchmesser für 4,50 Euro und gebracht wird sie auch noch. Messerset vom Discounter: 15,99 Euro. Im Test echt gut abgeschnitten. 28 29 leitartikel Das Beispiel Carl Zeiss von RTS Rieger Team Summa summarum landen wir bei der Erkenntnis, dass der Preis, den wir für ein Produkt zu zahlen bereit sind, aus mehr besteht als aus den Kosten für die Materialien, die bei der Herstellung verwendet werden. Er ist auch mehr als die Sorgfalt, mit der das Erzeugnis produziert wird. Er ist mehr als der Nutzen, den mir das Produkt verspricht, und mehr als die perfekte Lösung meines Problems. Der Preis ist schlicht und einfach vor allem auch der Absender. Die B2B-Marke macht den sprichwörtlichen Mehrwert. Die Marke bildet die Plattform für die Geschichten, die es zu erzählen gibt. Carl Zeiss ist ein plakatives Beispiel dafür, was damit konkret gemeint ist. Als Carl Zeiss und RTS Rieger Team ihre Zusammenarbeit begannen, war zunächst nicht klar, wo wir überhaupt zusammen landen wollten und konnten. Am Anfang stand der Wille aller Beteiligten, den gesamten Markenauftritt wieder einheitlicher, durchgängiger, integrierter zu gestalten. Dann gab es auf der einen Seite die Kommunikationsauftritte der acht Geschäftsbereiche (Semiconductor Manufacturing Technology, Industrial Metrology, Microscopy, Medical Technology, Vision Care, Camera Lenses, Sports Optics, Planetariums), die außer einem Corporate Design, das mehr oder weniger eingehalten wurde, nicht viel mit­ einander zu tun hatten. Und auf der anderen Seite stand der geradezu legendäre Ruf der Produkte von Zeiss, der immer wieder in spannenden Geschichten erzählt und belegt wurde. So bestand seinerzeit der Qualitätsfanatiker Peter Jackson darauf, die Herr-der-Ringe-Trilogie mit Zeiss-Objektiven zu drehen. Praktisch alle bedeutenden Planetarien der Welt sind mit dem Planetariumsprojektor von Zeiss ausgestattet. Das führt übrigens dazu, dass es den wirklich seltenen Beruf des Sternenfädlers bei Zeiss gibt. Oder die Geschichte von den Industriekunden, die beim Betrachten des ZeissLogos auf dem Mess-Protokoll die einzelnen Messergebnisse gar nicht mehr so genau betrachten, weil das Markenzeichen höchste Präzision verheißt. Diese und ähnliche Inhalte finden Sie auch heute noch auf der Homepage von Zeiss, wenn Sie in der Suche „Wussten Sie, dass“ eingeben. Was bedeutet, dass Sie schon tief nach diesen Geschichten graben müssen. Nachdem wir gemeinsam einige Wochen gearbeitet hatten, stellten wir fest, dass diese Geschichten einen echten Wert für die Marke darstellen und dass es darum gehen musste, diesen Wert für alle Bereiche zu thematisieren und zum Mittel­punkt der Werbung zu erklären. Und so entstand der Zeiss-Moment, der seitdem den roten Faden und die durchgängige Mechanik jedes Werbekanals und jeder Maßnahme bildet. Zeiss und RTS Rieger Team gingen bei der Kreation davon aus, dass jeder Benutzer eines Zeiss-Produkts zumindest beim ersten Mal, vielleicht aber auch immer wieder, einen besonderen Moment erlebt. Den Zeiss-Moment, für den man in Oberkochen und in allen Niederlassungen und Vertretungen der Welt arbeitet. So weit das Versprechen und die Grundlage für alle Geschichten, die Zeiss in der Werbung seitdem erzählt. Der Mehrwert ist also das Thema in der Kommunikation und er beweist sich durch die Leistungsfähigkeit der Produkte. Und nicht, wie sonst immer noch üblich in der B2B-Kommunikation, das umgekehrte Prinzip: Man redet nur über die Produkte und die Geschichten dazu kommen irgendwie zustande. Und werden womöglich am Ende des Tages ausschließlich vom Vertrieb mündlich überliefert. Wertschöpfung und Digitalisierung Die glorreiche digitale Revolution erhöht derzeit eher die Penetranz der Werbung, schließlich scheinen Big Data und Co. den Marketingverantwortlichen zu versprechen, dass man die Entscheider ab jetzt immer und überall ganz präzise erreichen kann. Trotzdem bleiben ein paar Fakten aus der Vergangenheit nach wie vor Fakten. Erstens existiert neben dem eigentlichen materiellen Wert einer Ware oder einer Dienstleistung der immaterielle, der Markenwert. Dieser Wert addiert zweifelsfrei dem materiellen Wert ein Plus hinzu. Wie hoch dieses Plus ausfällt, hängt direkt mit dem Mehrwert zusammen, den die Marke verspricht. Zweitens: Dieses Versprechen muss den Mittelpunkt jeder Kommunikation bilden. Wer dazu imstande ist, die Geschichten seiner Marke und ihren Mehrwert über die Produkte hinaus zu beschreiben, der wird diesen Mehrwert irgendwann kassieren, weil er zwangsläufig daraus entsteht. Drittens gilt das genauso für das B2C- wie für das B2B-Marketing. Wenn KUKA am 11. März dieses Jahres zur Einführung eines seiner Produkte auf dem chinesischen Markt Roboter zu einem Tischtennismatch gegen Timo Boll antreten lässt, dann ist das schlicht und einfach ein genialer Einfall, den wir bei RTS Rieger Team auch gerne gehabt hätten. Chapeau! Und es ist tolles Marketing, das der Marke eine riesige Aufmerksamkeit bescheren wird. Am Ende handelt es sich dabei aber vor allem um eine spannende Geschichte, von der man noch lange erzählen wird. Und die Schuhe von Marc Jacobs, der Marken wie Iceberg beraten und Louis Vuitton entstaubt hat, bringen sicher die dickere Marge als die Schuhe von – wie hießen die noch gleich? Autor \ Jörg Dambacher 30 31 fachbeitrag 5.000,– Die Kaufentscheidung im Gehirn_ Je höher die Erwartung, umso höher der Wert 48.000,– Vor einiger Zeit verfolgte ich das Ziel, einen intelligenten Roboter zu bauen. Der Roboter konnte sich bewegen, verfügte über eine hochauflösende Kamera und Distanz-Sensoren, um Hindernissen schnell ausweichen zu können. Er besaSS zwei Arme mit Tast-Sensoren – und ein künstliches Gehirn, um alle Sinneswahrnehmungen zu ver­a rbeiten, daraus zu lernen und Handlungen auszuführen. Autor \ Dr. Christian Scheier Das Hauptproblem? Es war nicht die Technik. Sondern die Frage: Warum sollte der Roboter überhaupt irgendetwas tun? Erst als wir dem Roboter Werte einprogrammierten, beispielsweise „Licht ist gut, bewege dich dahin“, ergab sich ein sinnvolles Verhalten – also ein Grund für den Roboter, sich zu bewegen. Ohne Werte kein Verhalten, denn ohne Werte ist nichts wichti g Erst Werte führen dazu, dass einige Dinge wie Produkte und Serviceleistungen relevant werden und zur (Kauf-)Handlung motivieren. Die Neurowissenschaftler sprechen vom „Value System“. Dabei handelt es sich um ein neuronales Werte-Netzwerk, das reguliert, was für uns wichtig ist. Das bestimmt maßgeblich unser (Kauf-)Verhalten. Schauen wir uns das genauer an. Der Neurowissenschaftler Brian Knudsen von der Stanford University legte in einer Studie der Neuroökonomie Menschen in den Hirnscanner (fMRT). Er zeigte ihnen für jeweils vier Sekunden Produkte und anschließend für vier Sekunden den Preis. Schließlich sollten die Probanden sich entscheiden, ob sie anhand dieser Informationen kaufen würden. Die Wissenschaftler konnten auf Basis der neuronalen Aktivierungen in den ersten beiden Phasen – dem Einblenden von Produkt oder Marke und anschließend dem Preis – vorhersagen, ob der Proband das Produkt kaufen würde oder nicht. Was also ist die Neuro-Logik einer Kaufentscheidung? Wenn wir ein Produkt sehen, das wir haben wollen, leuchtet im Gehirn das sogenannte Belohnungssystem auf. Es handelt sich hierbei um ein allgemeines Bewertungssystem – eine Werte-Landkarte –, mit dem das Gehirn entscheiden kann, ob wir 1.000 Euro lieber in den nächsten Urlaub oder in eine Stereoanlage investieren wollen. Der Preis dagegen aktiviert das Schmerz-Areal (Insula) – dasselbe Areal, das aktiviert wird, wenn wir physischen Schmerz emp­ finden oder sozial ausgegrenzt werden. Wir kaufen demnach ein Produkt, eine Marke oder einen Service, wenn die erwartete Belohnung höher ist als der erwartete Schmerz. Demnach hat ein Gut für das Gehirn einen hohen Wert, wenn es eine hohe Belohnung verspricht. Es geht dabei nicht nur um die objektive Belohnung, also die faktische Produktleistung, sondern auch um Belohnungen auf psychologischer Ebene. Wir kaufen den SUV nicht nur wegen der tollen Fahrleistung, sondern auch um Status zu konsumieren und zu signalisieren. Werte existieren demnach aus neuropsychologischer Sicht auf zwei Ebenen: *Ohne Werte kein Verhalten, denn ohne Werte ist nichts wichtig. der faktisch-funktionalen Ebene und der psychologischen, meist impliziten Ebene. Belohnung, und damit (subjektiver) Wert, entsteht im ökonomischen Kontext immer dann, wenn ein Produkt oder eine Dienstleistung dem Kunden hilft, ein Ziel zu erreichen. Das kann ein funktionales Ziel sein, beispielsweise von A nach B zu fahren, oder ein psychologisches Ziel, beispielsweise Status zu signalisieren. Die Neuropsychologie zeigt zudem, dass es drei grundlegende Zielsysteme im Gehirn gibt: * Das Streben nach Sicherheit (Fürsorge, Geborgenheit) * Das Streben nach Erregung (Abwechslung, Inspiration) * Das Streben nach Autonomie (Macht, Status) Die „Wertigkeit“ eines Angebots steigt, wenn es hilft, eines oder mehrere dieser Ziele des Kunden zu bedienen. Aus Sicht der Neuroökonomie entfalten Angebote also dann ihren größten Wert, wenn sie dabei helfen, funktionale und psychologische Ziele des Kunden zu erreichen. vita Dr. Christian Scheier ist weltweit einer der wenigen Neuropsychologen, die Forschungs- und Praxiskompetenz in der Marketingberatung kombinieren. Nach einer wissenschaftlichen Karriere am California Institute of Technology und dem erfolgreichen Aufbau einer Agentur für Marketingforschung gründete er zusammen mit Dirk Held die decode Marketingberatung GmbH. 33 begreifen 32 markenwert Wert Marken bewegen Menschen_ Vom Wert einer Marke messen W um den Wert von Marken im Sinne von monetären Markenwerten. Natürlich liegt es im betriebswirtschaftlichen Zusammenhang nahe, Werte in monetären Größen auszu­ drücken, um dann beurteilen zu können, inwiefern Markeninvestitionen aus finanzieller Sicht erfolgreich waren. Aber so einfach ist es leider nicht, wie man an der Vielzahl der unterschiedlichen Bewertungsphilosophien und -verfahren sieht. Viel wichtiger ist zunächst einmal zu verstehen, auf welche Weise Marken einen Wertbeitrag leisten (können) – um dann entsprechende Werte zu schaffen und zu erhalten. be if e n Gerade die eher theoretischen Diskussionen um Markenwerte lenken sehr schnell davon ab, worum es im Kern geht: Marken bewegen Menschen. Und Wert für Unternehmen entsteht dann, wenn diese Menschen im Sinne des Unternehmens handeln. Punkt. Marke Entscheidend ist, dass „Menschen“ hier keineswegs nur die handelnden Personen in Kunden­ unternehmen meint – auch wenn diese natürlich den wesentlichen Beitrag zum Umsatz leisten (neudeutsch „top line impact“). Marken können und sollen gleichermaßen auch andere für das Unter­nehmen wichtige Menschen bewegen: Zulieferer, Vertriebspartner, Mitarbeiter, Talente, Geldgeber. Der Wertbeitrag zeigt sich dann auf der Ergebnisseite („bottom line impact“) in Form geringerer Aufwände für Beschaffung, Absatz, Mitarbeitermotivation und -bindung, Rekrutierung und Finanzierung. Wertvoll ist eine Marke also dann für ein Unternehmen, wenn sie Kunden im Sinne des Unternehmens bewegt. Je besser sie dies tut und je mehr andere relevante Gruppen sie dabei gleichzeitig erreicht und ebenfalls bewegt, desto wertvoller ist die Marke. Daher müssen Unternehmer wissen, welche Menschen oder Gruppen für ihr Unternehmen relevant sind und welche Rolle die eigene Marke bei ihnen spielt. Dabei ist ein Vergleich mit Wettbewerbern unerlässlich. Das ist der erste wichtige Schritt für eine klare Markenstrategie. Vertriebsfeedback und Befragungen geben hierzu häufig wichtige erste Anhaltspunkte. erhalten Gleich vorweg: Hier geht es nicht t er e gr Wert Wert Ein Rundgang auf einer beliebigen Messe macht es besonders deutlich: Hier werden heutzutage nicht mehr nur Produkte und Dienstleistungen präsentiert und gehandelt, sondern vor allem auch Marken in Szene gesetzt. Offensichtlich „bringen“ Marken also etwas – leisten einen Wertbeitrag für Unternehmen. Aber was genau macht eine Marke eigentlich wertvoll? Und was können Unternehmen tun, um besonders wertvolle Marken aufzubauen? Wert schaffen 34 We sc rt h aff vita Simon Thun (38) berät seit mehr als 13 Jahren B2B- und B2C-Unternehmen in den Bereichen Marke, Marketing und Unternehmensstrategie. Zuletzt war er Associate Partner der internationalen Marken- und Marketingberatung Prophet. Ab April 2014 ist er der neue Chief Strategy Officer bei Saatchi & Saatchi Germany. en Wie bewegt man nun die relevanten Menschen? Im B2B-Bereich geht es im Kern um drei Punkte: • Komplexität reduzieren • Vertrauen auf bauen • Mehrwert transportieren Die Kunden, aber auch Mitarbeiter, sollen begreifen, worum es geht, weshalb sie dem Unternehmen vertrauen können und welchen Nutzen sie daraus ziehen. Und da es hier um Menschen geht, meint „Begreifen“ nicht nur ein rationales „Verstehen“, sondern auch ein emotionales „Fühlen“. Entsprechend geht es auch nicht nur um Kommunikation – alle Kontaktpunkte und Interaktionen müssen auf diese Punkte ausgerichtet und somit konsistent erlebbar sein. Eine ausformulierte Markenstrategie hilft hierbei und präzisiert die zuvor genannten Punkte für die relevanten Gruppen. Die Markenstrategie erfüllt somit gleichzeitig drei Aufgaben: Erstens richtet sie die Marke so aus, dass diese tatsächlich Menschen bewegen kann. Zweitens hilft sie dabei, die verschiedenen Rollen der Marke für die unterschiedlichen Gruppen aufeinander abzustimmen, sodass diese sich nicht widersprechen, sondern idealerweise ergänzen und verstärken. Und drittens gibt sie der Unternehmensleitung ein Instrument an die Hand, mit dem sämtliche Entscheidungen im Hinblick auf Markenkonformität und damit Marktwirkung überprüft und justiert werden können. Im dritten Punkt steckt wohl das größte Poten­ zial für Marken – es setzt allerdings voraus, dass Unternehmensleitungen den zusätzlichen Wert von Marken als übergeordnetes Steuerungs­ instrument verstehen und annehmen. Tipps r We We e rt rh te al n Ebenso wichtig wie das Generieren von Wert durch Marken ist es, diesen zu erhalten. Wertverfall droht dabei aus drei Richtungen: 1. Man verliert die Fokussierung der Markenstrategie aus den Augen, beispielsweise durch Maßnahmen, die ihr widersprechen. 2. Man hält sich an eine Markenstrategie, die jedoch nicht mehr zu veränderten Rahmenbedingungen passt, beispielsweise ge­ä nderten Zielgruppenbedürfnissen oder neuen oder neu aufgestellten Wettbewerber-Marken. 3.Man investiert zu wenig in die Marke und lebt damit (eine Zeitlang sogar ganz gut) von ihrer Substanz, indem marken relevante Maßnahmen eingestellt werden. Wertvoll können Marken nur bleiben, wenn sie aktiv geführt werden und so den vorgenannten Gefahren entgegengewirkt wird. t ss me en Eine wesentliche Voraussetzung für eine aktive Markenführung und die Verhinderung von Wertverfall ist eine entsprechende Erfolgsmessung. Dabei geht es nicht nur darum zu klären, wie „stark“ die Marke gerade ist, also welchen Wertbeitrag sie leistet. Ebenso wichtig ist, wie sie dorthin gekommen ist, also welche der eingesetzten markenbezogenen Maßnahmen erfolgreich waren und welche nicht. Mögliche Kennzahlen gibt es viele. Auch hier hilft es, sich nochmals vor Augen zu führen, auf welche Weise die Marke einen Wertbeitrag leisten soll. Entscheidend ist, wie gut eine Marke relevante Zielgruppen im Sinne des Unternehmens bewegt. Bezogen auf Kunden geht es also beispielsweise um folgende Fragen: Welchen Anteil hat die Marke an der Kaufentscheidung? Welcher Zusammenhang besteht zwischen Marke und Preisbereitschaft? Welche Maßnahmen haben die Wahrnehmung der Marke durch den Kunden in diesem Sinne gestärkt bzw. geschwächt? Sind die Fragen für alle relevanten (Ziel-)Gruppen formuliert, lassen sich die geeigneten Messinstrumente und -verfahren bestimmen. Natürlich kann man dann auch versuchen, die Antworten auf die ersten beiden Fragen in monetäre Größen zu überführen und so bei einem monetären Markenwert zu landen. Entscheidend ist aber eben auch die dritte Frage – denn was hilft es mir zu wissen, wie viel eine Marke wert ist, wenn ich nicht weiß, wie ich sie noch wertvoller machen kann? für den Auf bau wertvoller Marken 35 markenwert Unternehmer sollten an die folgenden Punkte denken, um mit Marken nachhaltig Wert zu schaffen: _ Es geht darum, Menschen zu bewegen _ Nicht nur an die Kunden denken _ Relevanten Nutzen vermitteln _ Beide Hirnhälften gleichermaßen ansprechen _ Konsistentes Markenerlebnis sicherstellen _ Marke aktiv führen _ Nicht nur auf das Ergebnis, sondern auch auf die Treiber schauen 36 37 digitale werte Die neue deutsch-österreichische Freundschaft_ Oder was passiert, wenn sich eine deutsche B2B- und eine österreichische Digitalagentur zusammentun 2013 SETZTEN SICH JÖRG DAMBACHER UND TIM BÖGELEIN INS AUTO, UM INS BENACHBARTE ÖSTERREICH ZU REISEN. SIE WAREN NEUGIERIG. AUF EINE AGENTUR, DIE SICH IM DIGITALEN MARKETING EINE SPUR ANDERS BEWEGT ALS andere: STRATEGISCH, INNOVATIV UND WERTORIENTIERT. lassen, um die Anforderungen großer Kunden innovativ zu erfüllen. Letztlich geht es darum, ein digitales Fundament zu schaffen und das mit der Marke und relevanten Services zu koppeln. Albert Ortig Tim Bögelein Wir haben bei RTS Rieger Team sowieso nie deutlich zwischen „Digital“ und „Klassik“ unterschieden. Dennoch erreichen wir durch das Joint Venture mit Netural ein neues Level, was die strategische, aber auch operative Begleitung unserer Kunden betrifft. Wir haben 100 Werbeprofis im Team und bekommen 50 Digitalexperten dazu. Seit März 2014 beherbergt RTS Rieger Team nun in Leinfelden bei Stuttgart eine frisch gegründete Digitalagentur. Netural. Präzise: den Deutschland-Zweig der Österreicher. Unter der Führung eines internationalen Marketingprofis und Konzern-Aussteigers, gebürtigen Schwaben – frisch zurück aus China. arbeiten wollen. Uns zieht es in eine ähnliche Richtung. Und wir glauben, dass wir zusammen Größeres erreichen können. Jörg Dambacher Stephan Beck Man kann schon sagen, wir ticken synchron. Beide Agenturen suchen nach um­ fassenden, nach- und werthaltigen Lösungen. Beide Agenturen zeichnet eine große Ernsthaftigkeit und Zielstrebigkeit aus, wenn es um die Ziele ihrer Kunden geht. Wild Style? – Nein. Eher Liebe auf den ers­ ten Blick. Eine alle Grenzen überschreitende Beziehungsgeschichte. Erzählt von vier Geschäftsführern: Jörg Dambacher, Tim Bögelein, Albert Ortig und Stephan Beck. MIT STEPHAN BECK, ZULETZT FÜR HUAWEI IN CHINA TÄTIG UND JAHRELANG IM FÜHRUNGSTEAM VON IBM IN INTERNATIONALEN PROJEKTEN, BOT SICH EINE PERFEKTE BESETZUNG FÜR DIE GESCHÄFTSFÜHRUNG VON NETURAL DEUTSCHLAND AN. Es geht darum, Kunden bewusst nicht mehr nach Abteilungen oder Medien getrennt zu betrachten, sondern all ihre Bedürfnisse zu verbinden. Und sie dann in der Umsetzung direkt zu betreuen, wo wir das anbieten können. Diese Palette wird durch die neue Konstellation recht breit und reicht bis zu Apps für die Vertriebsmannschaft oder digitale Installa­tionen im Messeeinsatz. Wobei wir – wie schon RTS Rieger Team, aber auch Netural in Öster­reich – einen Schwerpunkt in der B2B-Kommunikation setzen werden. Stephan Beck Netural ist heute eine der größten Digitalagenturen Österreichs, mit einer ganzen Reihe international agierender Kunden. Wir sehen „Digital“ als ganzheitliche Aufgabenstellung, und werden ange­ feuert von Entwicklungen in Technologie, UserExperience und Kommunikation. Wir sind, was die Sache betrifft, sehr unaufgeregt, aber überzeugt. Und vielleicht hartnäckiger, als man es von Österreichern erwarten würde. Als Tim und Jörg mit der Idee zu „Netural Deutschland“ ankamen, hat es sofort gekribbelt. Viele Unternehmen durchlaufen gerade eine Transformation. Einen digitalen Wandel. Und ich spreche da nicht nur vom Marketing. Es verändern sich Abläufe, Geschäftsprozesse, manchmal ändert sich die gesamte Zielsetzung des Unternehmens. In so einer Zeit ist die Trennung von „Klassik“ und „Digital“ in zwei Lager fast widersinnig. Gleichzeitig existieren nun mal verschiedenste Disziplinen. Umso spannender finde ich Wege, wie den von uns anvisierten. ZIEL IST ES, SICH ZU ERGÄNZEN? Tim Bögelein Wir haben nicht länger als eine Stunde Gespräch gebraucht, um zu merken, dass wir miteinander „DIGITAL“ IST OMNIPRÄSENT UND RePRÄSENTIERT QUASI DIE ZUKUNFT. EINE SELTEN GESTELLTE FRAGE: GIBT ES BEREICHE, IN DENEN „DIGITAL“ VON „KLASSIK“ LERNEN KANN? Jörg Dambacher Albert Ortig Deutlich mehr als das. Die Zukunft – eigentlich auch die Gegenwart – fordert integrierte Strategien. Das ist mit den bestehenden Grenzen zwischen Agenturen kaum zu bewerkstelligen. Wir müssen uns hier auf neue Formen des Zusammenwirkens ein- Lernen ist Teil der Netural-DNA, würde ich sagen … Stephan Beck Und wir verstecken das auch nicht. Digitale Strategien laufen heute auf ein begleitendes Optimieren hinaus, Stichwort: iterative, partnerschaftliche Entwicklung. Da zapfen wir leidenschaftlich alle Quellen für spannende Inputs und Sichtweisen an. Auch sehr klassische ... Wo steht Netural Deutschland in einem Jahr? Jörg Dambacher Am Ende gilt das Prinzip der Unteilbarkeit der Marke. Und dem folgt ein riesiges Thema: wieder­erkennbarer, differenzierender, spannender Content. Wir werden die Leistungen von Netural in unser 3P-Modell integrieren und vice versa. Damit bieten wir eine völlig neue Art der Marken­ ausstattung und Markenführung. Albert Ortig würdige Rolle, weil sie vieles zu sehr auf die Spitze treiben. Aber Netural ist da zum Glück unverdächtig. Umgekehrt täte es „Klassik“ gut, wieder etwas mehr Selbst­ bewusstsein zu entwickeln und die Art der Ansprache zu überdenken. Profan gesprochen könnte „Digital“ lernen, den Ball etwas f lacher zu halten und nicht jede Neuerung als nächste Sau durchs Dorf zu treiben. Da spielen die Medien für mich auch eine frag- Tim Bögelein April 2015? Erste Projekte laufen ja schon heute. Ich sehe daher bis zu zehn feste Mitarbeiter in Stephan Becks Team, beste Kontakte ins gesamte Netzwerk und zumindest ein großes internationales Projekt in der Anbahnung. Albert Ortig Ich erwarte mir einen sehr guten Namen bei mittleren und großen Kunden. Ziel ist es, aus Überzeugung empfohlen zu werden. Stephan Beck Wir werden mehrfach bewiesen haben, was eine „Digital“-Strategie für Unternehmen bewirken kann, wenn man das Thema seriös angeht. Wir werden dauerhafte Werte geschaffen haben und mit unseren Kunden partnerschaftlich zusammenarbeiten – Schritt für Schritt und Grenzen hinterfragend. Interviewer \ Ernst Demmel info Netural (Digital Media mit Einhorn im Wappen) „Das Schöne sehen und das Komplexe nicht spüren“, lautet das Credo der Digital-Media-Agentur Netural, die seit 1998 für österreichische und internationale Top-Unternehmen innovative Strategien und aufregende Projekte entwickelt. Netural zeichnet sich durch fundiertes Wissen und Erfahrung aus – kombiniert mit dem Bestreben, exzellente Lösungen zu erarbeiten. Neturals lieben die Herausforderung. Mit 55 Mitarbeitern an drei Standorten (in Wien, Linz – und nun auch Stuttgart) zählt die Agentur heute zu den erfolgreichsten österreichischen Spezialisten für die Kommunikation in einer zunehmend digitalen Welt. www.netural.com 38 39 digitale arbeitswelt Schneller mit kleinen Schritten_ Wie sich laufend verändernde Anforderungen auf die digitale Arbeitswelt auswirken Relaunch ade? Digitale Medien werden zunehmend iterativ entwickelt. Das Vorgehen step by step bringt zahlreiche Vorteile. Es ermöglicht sichere Planung von Ressourcen, effizienteren Mitteleinsatz, weniger Dokumentationsaufwand und – last, but not least – user-freundlichere Websites und Apps. Wir leben und arbeiten in einem Umfeld, das sich schneller ändert, als wir uns ihm anpassen können. Das gilt aber nicht nur für Menschen, sondern auch in Bezug auf Produkte, Leistungen und Medien. Der Druck, zeitgemäß zu koordinieren, zu produzieren und zu kommunizieren steigt. Gleichzeitig streben wir danach, nicht Getriebene zu sein, sondern das Gesetz des Handelns in Händen zu halten. Agieren statt reagieren – gerade im Marketing seit jeher ein nicht zu unterschätzender Wert. Entpuppen sich Ziele als beweglich, erscheint es zunehmend schwierig, Strategien zu entwickeln. Web- oder App-Projekte unterliegen naturgemäß einer besonderen Dynamik. Märkte, Technologien, Trends, Nutzerverhalten – alles ständig im Umbruch. Und die Revolution stresst ihre Kinder: Komplexere Vorhaben, die heute entworfen werden, sind bis zu ihrem Start angegraut und bis zur ersten aussagekräftigen Evaluierung nicht mehr State of the Art. Der digitale Fortschritt ist nur noch auf wenige Jahre wirklich abschätzbar. Dies wirft auf die klassische Relaunch-Logik einen Schatten. Werden Internetauftritte alle vier bis sieben Jahre neu gedacht, so mündet das in Projekten, bei deren Konzeption und Design Entwicklungen antizipiert werden müssen, die auf bloßen Annahmen beruhen. Die Summe der kleinen Optimierungen trägt viel zum Erfolg bei. Beispiel: das Hervorheben einer Social Media-Leiste auf Silhouette.com die Grossen machen’s vor Wer große internationale Websites wie Amazon.com, Apple.com oder CNN.com die letzten Jahre über beobachtet hat, notierte fast zwangsläufig das Fehlen bedeutender Umbrüche. Stattdessen wurde und wird von den verantwortlichen Teams permanent an Design und Funktionen geschraubt. Beinahe unmerklich, aber mit täglichen Neuerungen. Weshalb man diesen Weg wählt, erscheint bei näherem Betrachten mehr als logisch: Millionen von Usern kennen die Portale und finden sich heute gut zurecht. Kleine Anpassungen sind ihnen zumutbar, große Änderungen nicht. Ein vollständiger Relaunch eines E-Commerce-Auftritts wie Amazon.com erscheint nicht nur aus Projektmanagement-Sicht völlig unbewältigbar, er wäre zudem ein nicht zu unterschätzendes Risiko für laufende Umsätze. Zudem kostet jeder Relaunch auch auf organisatorischer Ebene Substanz. Projektteams sind über Monate hinweg blockiert, im Livebetrieb kehrt Stillstand ein. Viel naheliegender als der „große Wurf“ erscheint daher ein Entwicklungsmodell, das auf ständige Verbesserungen setzt: die iterative Herangehensweise. Der Begriff „iterativ“ ist dem Software-Development entliehen und beschreibt Vorhaben, die, anders als beim bekannten „Wasserfallmodell“, bei dem ein geplanter Projektschritt nach dem anderen gesetzt wird, in vielen kleinen Zyklen („Iterationen“) realisiert werden. Die Lösung wächst organisch, basierend auf laufenden Revisionen. Das Konzept gedeiht als Work in Progress, die Entwicklung wird nie abgeschlossen – und doch kommt man den gesetzten Zielen mit jedem Schritt näher. Aus einem Projekt wird ein Prozess. 40 41 digitale arbeitswelt nutzer Aufgaben/Motivation/ Informationsbedürfnisse mikrostrategie Inhalte qualität/Relevanz/ Umfang Qualitative und quantitative analyse design prototyp unternehmen Technische möglichkeiten Mitbewerber/Ziele … test Moving Targets analyse adaption mikroProjekt Launch Dynamische Einf lüsse verändern auch definierte Ziele. vita Ernst Demmel (1970) ist Redakteur und Senior Strategist bei Netural. Zu seinen thematischen Schwer­ punkten gehören unter anderem Online-Marketing, Social Media und Stor­y telling. Gerhard Freimüller (1972) ist Senior Strategist bei Netural. Seine Schwerpunkte liegen in den Bereichen Strategisches Marketing, Change-Management und B2B-Kommunikation. Evolutionsführer Iteratives Management des Webauftritts oder einer App macht erst ab einer gewissen Größe Sinn. Was dabei gerne übersehen wird: Die Messlatte legen hier nicht Budgets, sondern legt die Bedeutung der Präsenz oder Anwendung fürs Geschäft des jeweiligen Anbieters. Umso erfolgskritischer für Service, Marke oder Absatz, desto mehr sollte auf laufende Optimierung geachtet werden. Das gilt für Große wie für Kleine. Temporäre Angebote, zum Beispiel Kampagnen-Microsites, sind auszunehmen, werden aber in der Praxis zunehmend in Gesamtlösungen integriert. Wer eine iterative Entwicklung ins Auge fasst, muss für ein tragfähiges Fundament sorgen. Das betrifft die eigene Organisation, etwa Manpower oder Entscheidungsspielräume, genauso wie die im Hintergrund laufenden Technologien. Hier haben viele Unternehmen massiv aufgeholt und verfügen heute über Content-Managementoder E-Shop-Systeme auf Enterprise-Level. Webanalyse-, Monitoring- und Survey-Tools gewinnen dagegen weiter an Bedeutung. Sie geben im Idealfall alle wichtigen Antworten und untermauern die Entscheidungen zugunsten einzelner Mikrostrategien. Teilprojekte und laufende Entwicklung sind zweierlei und in der Planung klar zu trennen. Iterationen umfassen nur kleine Verbesserungsschritte, aber viele, etwa das Verhalten von Navigationselementen, die Anordnung von Teasern oder die Struktur eines Warenkorbs. Diese führen zu ständigen Verbesserungen von innen heraus. Hier stehen Ressourcen fürs gesamte Vorgehen zur Verfügung, ohne dass jeder einzelne Schritt gesondert kalkuliert werden muss. Teilprojekte ergänzen komplett neue Dienste auf der Website oder in der App. Beispiel: die Implementierung eines Corporate-TV-Channels. Sie haben, wie Projekte generell, einen Realisierungshorizont und ein eigenes Budget. Beide „evolutionären“ Entwicklungslinien – laufende Iterationen und Teilprojekte – finden innerhalb einer übergeordneten digitalen Strategie statt, die Ziele festschreibt, die Vorhaben aber nur skizziert. Der Rhythmus aus permanenter Analyse, die in laufend implementierte Verbesserungsschritte mündet. immer am Puls Ein inkrementelles, „agiles“ Vorgehen sichert Auftraggebern eine schlanke Lösung. Frühe Prototypen helfen, Fehler schnell zu erkennen und zu beheben, und ver­ meiden Missverständnisse, die durch die Abstraktion in Pf lichten- und Lastenheften entstehen. Ideen können zu jeder Zeit aufgegriffen werden. Durch permanente Evaluierung und A-/B-Tests am lebenden Objekt basiert die Vielzahl kleiner Entscheidungen im iterativen Modell auf Fakten, nicht auf Meinungen. Die Zusammenarbeit mit der Agentur wird versachlicht und unterliegt Gesetzmäßigkeiten, die es dieser ermög­licht, schneller zu reagieren, deutlich mehr Verantwortung zu über­ nehmen und präziser zu beraten. Kurz: alle Kräfte fokussieren darauf, Gutes besser zu machen statt Altes neu. Die laufende Weiterentwicklung von Websites und Apps wird durch das iterative Modell „business as usual“, die Dienste sind stets optimiert und am Puls der Zeit. Autoren \ Ernst Demmel und Gerhard Freimüller wahrnehmung Service, markt, absatz Investitionsbudget und Personalaufwand It e r at herk iv e V o r ömm l ic h e Vor Iterativ Die Entwicklungen rechnen sich in der Wahrnehmung und führen gleichzeitig zu einer effizienteren Verteilung von Budgets und Manpower im Hintergrund. gehen s w e is e gehe nsw e is e Herkömmlich launch relaunch zeit 42 43 uns das bringen, was wir, die Agenturen, schon geraume Zeit vermissen: Wertschätzung für unsere Arbeit. Wir sehen den Aufstieg von Social Media mit Firmen wie Twitter und Facebook. Wir sehen, wie bahnbrechend Smartphones die Beziehung zwischen Marke und Kunde revolutionieren. Wir reden von Big Data und Digital Performance. Wir sehen, wie sich Marketing mit Forschung und Entwicklung vernetzt. Wir sehen: Das gesellschaftliche Betriebssystem hat sich dramatisch geändert. D Es gilt also, das Verhältnis zu unseren Kunden zu verbessern, das Gleichgewicht wiederherzustellen. Wir brauchen einen ständigen Dialog, in dem wir Agenturen kontinuierlich und aktiv unseren Beitrag zur Wertschaffung zeigen. Agenturen sind nicht länger nur die Umsetzer – sie begleiten den Kunden und seine Sichtweise langfristig und müssen die neuen Herausforderungen an sein Geschäft aus seiner Perspektive betrachten und verstehen. Als Agenturen ist es unsere Aufgabe, unser Gefühl für Marken zu beweisen und die oben genannte Mystik herzustellen. Denn genau das bleibt der differenzierende Faktor, den wir gegenüber den McKinseys und vita ie Gesellschaft ist digitalisiert. „Always on“ ist ein neues Paradigma. Wir nutzen Medien heute völlig anders als vor zehn Jahren. Die Markenloyalität sinkt, soziale Medien werden mit Kunden kombiniert, sodass diese ihre Ansprüche immer schneller und deutlicher artikulieren können. All das sind Herausforderungen für die Beziehung zwischen Marke und Kunde. Dialog ist immer und überall möglich – es reicht nicht mehr, Marken- und Produktgeschichten spannend und fesselnd zu erzählen: Die Kunden wollen die Geschichten erleben und mitgestalten. Wir Agenturen kämpfen mit unseren Kunden jeden Tag darum, die Aufmerksamkeit, Treue, begeisterung und natürlich auch die Kaufbereitschaft der Konsumenten zu gewinnen und zu bewahren. Doch wird unser Einsatz bemerkt? und wenn er bemerkt wird, wird er auch wertgeschätzt? Ist der Auf bruch in die digitale Ära der Beginn einer schwindenden Wertschätzung? Oder sind mit den unendlichen Möglichkeiten, die die Digitalisierung mit sich bringt, auch die gegenseitigen Erwartungen überproportional gestiegen? Bleibt Agenturen die Wertschätzung – ob tatsächlich oder gefühlt – versagt? Agenturen leisten einen wesentlichen Anteil an der Wertschaffung verschiedenster Branchen. Gemeinsam mit unseren Kunden defi- nieren, erschaffen, entwickeln, testen, positionieren, promoten, beschreiben, verpacken, illustrieren und vertreiben wir Marken, Produkte und Dienstleistungen. Wir kultivieren gemeinsam mit unseren Kunden die Mystik von Marken und machen diese Mystik für den Konsumenten erleb­bar. Genau das macht die Agenturwelt zu einer faszinierenden Branche. Genau das macht die Agenturwelt aber auch zu einer Branche, die sich wie kaum eine andere diesem massiven Wandel stellen muss. Wir müssen beweisen, dass wir nicht nur unser Geld wert sind, sondern dass wir auch Wertschätzung für unsere Arbeit verdienen. Wie können wir das erreichen? Zunächst mit der Erkenntnis, dass Wertschätzung sich nicht einfordern lässt. Wertschätzung ist das Ergebnis einer Zusammenarbeit, die auf Respekt und gegenseitiger Anerkennung basiert. Wertschätzung ist kein Anspruch! Es muss ein Umdenken stattfinden, denn es reicht nicht mehr länger aus, nur die ausführende Rolle zu erfüllen – also auf das Briefing zu warten und vermeintliche Ziele in Form einer Kampagne oder eines Werbespots umzusetzen. Langfristig kann diese Arbeitsweise nicht mehr zum Erfolg führen und den Googles dieser Welt weiterhin haben. Während Beratungs­ unternehmen Strategien und Empfehlungen entwickeln, haben wir Agenturen das nötige Verständnis für die Mystik von Marken. Kombiniert man die Disziplinen Markenverständnis, Kreativität, Strategie, Analytik und Technologie-Expertise mit einer erprobten Methodik zur Durchführung unter einem Dach, dann können Agenturen zum beratenden Marken-Wertschöpfer werden, der seinen Kunden dabei hilft, langfristige und vor allem nachhaltige Unternehmensziele zu erreichen und nicht nur kurzfristige Absatzfeuerwerke. Nachhaltigkeit statt Effekthascherei. Es ist wichtig, dass wir Agenturen bereit sind, Vorurteile und Vor­ behalte gegen unsere Branche ehrlich zu analysieren, und beginnen, diese ehrlich zu adressieren. Wir müssen die Erwartungen unserer Kunden noch besser verstehen, um ihnen dann auch gerecht zu werden. Vor allem jedoch müssen wir ein Zukunftsbild zeichnen, das klar und deutlich für alle Beteiligten beschreibt, wer wir sind, wofür wir stehen und wie wir uns in Zukunft weiterentwickeln. Ingo Faecks (44) ist seit acht Jahren bei SapientNitro, seit Januar 2009 als Geschäftsführer für Deutschland, Österreich, die Schweiz und die Niederlande. Seit November 2013 Präsident des GWA, des Gesamtverbands Kommunikationsagenturen. Hier hat er es sich zur Aufgabe gemacht, das Thema Wertschätzung in der Zusammenarbeit mit Kunden, gegenüber dem Agentur-Nachwuchs und gegenüber den GWA-Mitgliedern zu forcieren. wenn wir daran arbeiten, ist das ergebnis ein Wachstum an Wertschätzung – wertschätzung, die wir nicht eingefordert, sondern die wir uns auch tatsächlich durch wertschaffung verdient haben. fachbeitrag 44 45 interview UmBruch Herr Becker, was ist eine Idee wert? SB_ Eine Idee an sich hat heute keinen Wert mehr. Es gibt zu viele Ideen und zu wenige Lösungen, die das Leben der Menschen verbessern oder verändern. Erfolg scheitert heute nicht mehr an einem Mangel an Ideen, sondern daran, eine Idee zum Leben zu erwecken. Der Wert entsteht also aus der Qualität der Idee und der Qualität der Umsetzung. Der Unterschied zwischen wertlos und wertvoll liegt in der Realisierung. Wie ist die Rolle der Agentur dabei? SB_ Früher haben Agenturen eigentlich nur Werbung gemacht und Werbeideen kreiert. Heute liefern Agenturen ein viel breiteres Spektrum: Innovationsideen, Produktideen, Vertriebsideen, Inszenierungsideen … Dadurch ist der Wert­ beitrag für unsere Kunden viel höher. Um in Zukunft gute, kreative Ideen liefern und umsetzen zu können, muss sich die Vergütung von Agenturen verändern – es kann also nicht mehr nur nach aufgewandter Zeit bezahlt werden. Wie sieht ein neues Vergütungsmodell denn aus? SB_ Zuerst müssen beide Komponenten berücksichtigt werden, also Idee und Umsetzung. Es gibt zum Beispiel die erfolgs­ orientierte Honorierung. Je erfolgreicher die Idee, desto höher die Vergütung. Eine weitere Möglichkeit ist, dass man mit dem Kunden gemeinschaftlich in die Umsetzung geht und beide Parteien wie Partner an den Kosten und an den Erträgen beteiligt sind. In einigen Fällen wird es für die Nutzung einer Idee Lizenzen mit zeitlicher Begrenzung geben, sodass zwei Komponenten vergütet werden: die Arbeitszeit, die auf­gewandt, und der Wert der intellektuellen Leistung, die erbracht wurde. Das ist in anderen Branchen wie der Film­industrie schon „Das traditionelle Marketing spielt keine dominante Rolle mehr“_ Ein Gespräch mit Dr. Sven H. Becker Die Werbebranche verändert sich. Die digitale Revolution sorgt für neue Anforderungen, denen Agenturen sich stellen müssen. Dr. Sven H. Becker, CEO der TBWA Gruppe Deutschland, erklärt, wie die Agentur der Zukunft aussieht und was das eigentlich mit Wertschätzung zu tun hat. lange üblich. Ein Film wird gedreht und der Urheber bekommt auch nach der 674. Ausstrahlung nach 40 Jahren Geld. Setzen Sie das schon um? SB_ Ja, das passiert bereits in einzelnen Projekten und bei einzelnen Kunden, aber wir sind vorsichtig. Das gängige Modell ist noch, dass für Zeit honoriert wird. Die Honorierungsmodelle der Agenturwelt haben sich schon mehrfach verändert. Eine neue Vergütung wird sich auf breiter Basis erst noch durchsetzen müssen. Was machen Sie, wenn der Kunde nicht erfreut über die neue Honorierung ist? Trotzdem für den Kunden arbeiten? SB_ Wir reden hier ja über ein Modell der Zukunft, das kommt, wenn es so weit ist. Das muss jede Agentur für sich entscheiden. Konsequent wäre es dann, mit dem Kunden nicht zu arbeiten. Dann wandert er ab. SB_ So ist das, aber wenn eine Agentur für sich in Anspruch nimmt, auch für die Ideenleistung honoriert zu werden, dann passt das eben auch nur bei Kunden, die den Wert einer Idee schätzen. Viele Agenturen beklagen derzeit, dass Ideen nicht als besonders wertvoll angesehen werden. Wie kommt das? SB_Ich glaube, man darf sich darüber nicht beklagen. Die Frage ist doch nicht, wie viel Wertschätzung einer Idee beigemessen wird, sondern wie hoch mein Wertbeitrag zum Geschäfts­ erfolg meines Kunden ist. Ich bin sicher, in einem gesunden Verhältnis wird sich das die Waage halten. Agenturen, die breiter aufgestellt sind und die neue Kanäle wie Social Media beliefern, die PR machen, die Innovations­ beratungen machen, werden durchaus wertgeschätzt, da die 46 47 interview Unternehmen merken, dass sie einen echten Wertbeitrag leisten. Aber wenn ich heute Postkutschen verkaufe, darf ich mich nicht wundern, wenn ich für die Unternehmen nicht mehr so wichtig bin, wie ich es früher vielleicht einmal war. Ohne Digitalisierung wird es bei den Agenturen also nicht weitergehen? SB_Nein, die Digitalisierung ist ein ganz wichtiger Aspekt, wobei das eine enorme Bandbreite beinhaltet. Nicht für jedes Unternehmen ist alles, was digital möglich ist, wirklich sinnvoll. Aber kein Unternehmen kann auf digital verzichten, Haben die Agenturen eine Mitschuld daran, dass die Wertschätzung derzeit gering ist? SB_ Es wird immer gesagt, wir Agenturen sind selbst dran schuld, weil wir es früher übertrieben hätten. Dass wir zu viel Geld kassiert und zu wenig dafür geleistet hätten und nicht sehr kundenorientiert gewesen seien. Seit ich in der Werbung bin, habe ich das immer nur als Geschichte von früher gehört. Ich selbst habe das nie so erlebt. Ich war immer in Agenturen, in denen sehr hart gearbeitet wurde, in denen auch immer fair berechnet und kalkuliert wurde. Von daher kann ich das aus eigener Erfahrung nicht sagen. Und wenn ich jetzt sage, dass das vor meiner Zeit gewesen sein muss, ist das schon zu lange her, als dass man das als Argument nehmen könnte. da kein Mensch auf Digital verzichtet Klar sind wir in einem Verdrängungswettbewerb. Das führt dazu, dass einige Agenturen an der Preisschraube drehen. Was wenig kostet, ist wenig wert, und was gar nichts kostet, ist gar nichts wert. Das müssen wir uns als Branche sicherlich vorhalten lassen. gebaut. Wenn ein Kunde ein Stück Werbung bestellt hat, wurde die Bestellung aufgeschrieben und in die Abteilung Kreation gegeben. Unter der Anleitung des Creative Directors wurde an der Aufgabe gearbeitet. Heute ist eine Agentur mehr ein Studio, in dem die große Linie oder Idee festgelegt wird. In einer angeschlossenen Fertigung wird anschließend möglichst effizient und möglichst schnell weltweit ausgerollt. Durch viele digitale Arbeitsschritte braucht man da weniger Handarbeit. Das ist die Basis, um mit Kunden andere Verträge zu schließen, die eine andere Honorierung erlauben. Dieser Prozess ist noch lange nicht abgeschlossen, aber da kommen wir hin. Auf der TBWA-Homepage schreiben Sie, dass sich das Geschäftsmodell der Agenturen völlig ändern muss. Wie genau geht die TBWA vor? SB_ Das passiert an mehreren Stellen. Zum einen hat es damit zu tun, wie wir arbeiten. Die Digitalisierung unserer Arbeits­ abläufe ermöglicht heute ganz anderes Arbeiten und eine ganz andere Verfügbarkeit und Effizienz, für Kunden zu arbeiten. Agenturen waren früher wie Manufakturen auf­ Wie ist Ihre Prognose für die Zukunft der Werbelandschaft in den nächsten fünf bis zehn Jahren? SB_Kanäle, die früher die größten Budgets verschlungen haben, wie TV, Print und Out-of-Home, werden weiter an Bedeutung verlieren. Es wird andere Kanäle mit wesentlich höherer Bedeutung geben. Wir werden diesen Kanälen folgen, denn letztendlich ist es unsere Aufgabe, die Werbebotschaft an die Verbraucher zu bringen, und wir gehen dahin, wo sie sind und wo sie die Botschaft haben möchten. Diese Entwicklung werden wir mitgehen, wir werden für unsere Kunden Lösungen anbieten, wie sie ihre Kunden erreichen. Eine Agentur ist nie fertig, sondern eigentlich immer kurz vor dem nächsteN Wandel und Umbruch. Nur so können wir für unsere Kunden auch in Zukunft einen echten Wertbeitrag gewährleisten. Interviewerin \ Lisa Bittner { { vita Dr. Sven H. Becker (Jahrgang 1966) studierte Business Economics und Marketing in Münster, London und Glasgow. 2005 wurde er Chefstratege der TBWA Deutschland, seit 2009 übernahm er als CEO Deutschland die Führung der deutschen TBWA Gruppe. n ? i D UN unf t Zuk 48 49 stimmen zum thema B2B-Expertenmeinung_ Der Wert eines Unternehmens Peter Kopecky, CFO der TBWA Deutschland Heinz Schlüter, Geschäftsführender Gesellschafter Schlüter + Kollegen Der CFO der TBWA Deutschland und ein Steuerberater erklären, was ein wertvolles Unternehmen aus ihrer Sicht ausmacht. Wie ermittelt man den Wert eines Unternehmens? PK_Es gibt unterschiedliche Bewertungsmethoden. Man kann sich entweder am Ertragswert oder an einer Mischung aus Ertrags- und Substanzwert orientieren. Da ich in der Dienstleistungsbranche tätig bin, richte ich mich bei der Bewertung von Unternehmen nach dem Ertragswert. Dabei orientiert sich der Wert eines Unternehmens ausschließlich an der Höhe seines Gewinnes. Die Bewertung aufgrund Ertrags- und Substanzwert findet man eher bei Produktionsunternehmen, also Unternehmen mit signifikantem Anlagevermögen. Kann ein Unternehmen seinen materiellen Wert durch immaterielle Einf lüsse steigern? PK_Natürlich – aber nur, wenn sich die immateriellen Werte auch im materiellen Wert niederschlagen. Wenn ein Unternehmen zum Beispiel eine strahlende Marke ist, wird es keine Probleme haben, qualifizierte Mitarbeiter zu rekru­ tieren, die aufgrund ihrer Markenbegeisterung bereit sind, weniger Gehalt zu akzeptieren. Auch aus Kundensicht ist das sehr interessant, denn natürlich mache ich lieber mit jemandem Geschäfte, der am Markt etabliert ist. Welchen Beitrag zur Wertsteigerung kann eine Kommunikationsagentur für ein Unternehmen leisten? PK_Also ich sehe das ja immer sehr finanzorientiert. Für mich muss jede Kommunikationsmaßnahme, die ein Unternehmen bei einer Agentur kauft, zur Wertsteigerung des Unternehmens beitragen, das heißt, damit müssen Ergebnis­ verbesserungen erzielt werden können. Am Ende des Tages zählt nur eines, ob wir das wollen oder nicht: die Fähigkeit eines Unternehmens, Profit zu machen. Was ist ein wertvolles Unternehmen für Sie? PK_Eines, das Gewinne macht, und zwar – ganz wichtig – nachhaltige Gewinne. Wie ermittelt man den Wert eines Unternehmens? HS_Bei Erbschaft oder Übertragung im Konzern und unter Nahestehenden wird die Bewertung eines Unternehmens für steuerliche Zwecke erforderlich. In solchen Fällen wendet die Finanzverwaltung ein standardisiertes Verfahren an: das vereinfachte Ertragswertverfahren. Mit einem entsprechenden Fachgutachten ist eine Korrektur dieses vom Finanzamt ermittelten Werts möglich. Der zweifelsfrei „richtige“ aktuelle Wert eines Unternehmens zeigt sich bei notierten Unternehmen an der Börse. Bei nicht notierten Unternehmen im Falle eines Verkaufs am verhandelten Kaufpreis. Kann ein Unternehmen seinen materiellen Wert durch immaterielle Einf lüsse steigern? HS_Die Steigerung des Unternehmenswerts gehört zu den Zielen jedes Unter­ nehmens. Neben den vergleichsweise leicht zu bewertenden materiellen sind es die immateriellen Wirtschaftsgüter wie Kundenstamm, Patente, Know-how, Firmenwert und insbesondere die Marke, die einen wesentlichen Teil des Gesamt­werts ausmachen. Seit Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des Bilanzrechts (BilMoG) 2009 können selbst geschaffene immaterielle Werte mit den Herstellungskosten in den Jahresabschlüssen ausgewiesen werden. Ihr tatsächlich häufig höherer Wert ist jedoch aus den Bilanzen nicht ersichtlich. Welchen Beitrag zur Wertsteigerung kann eine Kommunikationsagentur für ein Unternehmen leisten? HS_Neben der Entwicklung und Steigerung der Wertfaktoren Image, Kunden­ beziehung und Kundenzufriedenheit liegt der Fokus der Agenturen vor allem auf der Entwicklung einer Marke, die das Unternehmen unverwechselbar macht. Der Wert der Marke zeigt sich am Ruf, der ihren Produkten und Dienstleistungen vorauseilt, und an dem öffentlichen Image des gesamten Unter­ nehmens. Das gilt für die Bereiche B2B ebenso wie für B2C. Mit der positiven Entwicklung der Marke kann eine Agentur einen wesentlichen Beitrag zur Steigerung des Unternehmenswerts leisten. Was ist ein wertvolles Unternehmen für Sie? HS_Ein Unternehmen, dem es gelingt, die tatsächlich gute Qualität seiner Produkte in der Öffentlichkeit überzeugend darzustellen. B2B_ Interviewerin \ Lisa Bittner 50 51 glosse Es soll Menschen geben, die blättern für einen japanischen Karpfen mehrere Tausender hin und greifen bei Edeka zum „Gut & Günstig“-Lachs für knapp drei Euro. Es soll Fußballclubs geben, die legen 100 Mio. Euro Ablöse für einen Spieler auf den Tisch und würden nie auf die Idee kommen, einer Fußballerin auch nur ein Hundertstel davon als Jahresgehalt zu zahlen. Was hat in unserer Gesellschaft welchen Wert? Wie viel ist zum Beispiel der „Schrei“ von Edvard Munch wert (119,9 Mio. Dollar) und wie viel das erste Bild des eigenen Kindes (was durchaus Ähnlichkeit mit Munchs Gemälde be­sitzen könnte)? Manager lassen sich Luxusreisen sponsern und Bischöfe f liegen first class in Dritte-Welt-Länder. Der Steuerzahler verzichtet unterdessen auf Beitragssenkungen. Wir haben schließlich Finanzkrise. Irgendwie scheint uns der Sinn für den Wert einer Sache abhandengekommen zu sein. Oder sind es vielleicht die Werte an sich, die wir verloren haben? Und wenn ja: Wer hat Schuld? Wer ist denn für die Wertevermittlung in einer Gesellschaft verantwortlich? Die Kirche? Der Staat? Die Eltern? Das Fernsehprogramm? Die Kirche ist seit Tebartz-van Elst raus aus der Wertevermittler-Nummer. Oder seit „Vatileaks“? Nein, eigentlich schon seit den Kreuzzügen und Hexenverbrennungen. Oder wer glaubt denen noch die Leier von „du sollst nicht töten“ oder „… falsch Zeugnis reden“? Wie sieht’s dann mit den deutschen eltern aus? Sie sollten doch eigentlich ihre Wertvorstellungen an die nächste Generation weitergeben. Einige tun das sicher auch erfolgreich. Viele andere geben diese Verantwortung aber lieber ab. An die Kindergärtnerin, die den kleinen Zappelphilipp mal ordentlich erziehen soll (schließlich ist das doch ihr Job). Und wenn’s in der Schule ständig Fünfen hagelt, kann auch nur einer schuld sein: der Lehrer. Da bleibt wohl nur noch das fernsehprogramm als Wertevermittler. Und so schlimm, wie alle behaupten, ist das gar nicht. Schließlich lernen wir jeden Sonntagabend, dass sich stehlen, töten und lügen nicht auszahlt. Denn irgendein Tatortkommissar kommt immer dahinter. Deshalb, liebe Leserinnen und Leser, wenn Sie Werte bewahren wollen, schauen Sie mal wieder in die Röhre … Autorin \ Claudia Polster Ein ernüchterter Blick auf unsere werte Gemeinschaft Der staat ist da schon weiter. Für die Wertevermittlung hat er Institutionen wie Schule, Schwimmverein und Steuerfahndung. Darüber hinaus kann er sogar seinen eigenen Wert bis aufs Komma genau berechnen. Das Maß aller Dinge heißt Bruttoinlandsprodukt. Der Wert dieser Berechnung ist allerdings fraglich. Denn ein hohes BIP macht noch lange nicht glücklich. Da lohnt ein Blick nach Bhutan. Hier versucht man mit dem Bruttonationalglück den gesamten Lebensstandard der Menschen abzubilden. Wo sind all die Werte hin? zwischen leitbild und störbild 52 53 die aura des wertvollen „Wertvolle Objekte haben eine Biografie“_ Mario Pricken über Strohfeuer, Entstehungsmythen und Speicher wahrer Werte Man kennt ihn als KreativCoach und erfolgreichen Autor von „Kribbeln im Kopf“. Jetzt will Mario Pricken unseren Geist aufs Neue anregen: mit spannenden Überlegungen zum Wert von Produkten. Bevor sein Buch „Die Aura des Wertvollen“ erscheint, erklärt er uns im Interview schon einmal, warum der Wert eines Objektes im Kopf des Kunden steckt, was man gegen Strohfeuer tun kann und wie er uns einen Apfel für 67 Euro schmackhaft machen würde. Warum kaufen manche Menschen eine Rolex für 300.000 Euro statt einer Casio-Uhr für 40? Funktionieren tun sie doch beide. mp_ Diese Frage ist nicht einfach zu beantworten. Aber sie trifft genau den Kern des Buches. Die Grundidee war es, sich genau solche Gegenstände anzuschauen und herauszufinden, welche Faktoren den Wert eines Objektes ausmachen. Ein ziemlich komplexes Thema. Wie bist du rangegangen? mp_ Zuerst einmal hab ich mich umgeschaut: Gibt es Literatur zum Thema? Die meisten Bücher bemühen sich, das Thema aus der Perspektive der Menschen zu beschreiben. Die schauen sich die Käufer der Produkte an und versuchen dann psychologische Erklärungsmodelle und Theorien zu finden. Ich wollte aber wissen, was am Gegenstand tatsächlich wert­entscheidend ist. Und was hat jetzt die Rolex, was eine Casio nicht hat? MP_ Darauf gibt es viele Antworten. Eine könnte zum Beispiel sein, dass die teure Uhr einfach eine Wertbehauptung aufstellt, mit der sie in den Markt geht. Und findet sich dann ein Mensch, der dieser Wertbehauptung zustimmt, indem er den geforderten Preis bezahlt, steigt der Wert tatsächlich. Handelt es sich dann nicht um einen immateriellen Wert? MP_ Nein. Das ist schon ein objektiver Wert. Ich kann dir zwei Äpfel anbieten und sagen, der eine kostet einen Euro, der andere 67. Dann sagst du: Die sind ja ungefähr gleich, vielleicht sogar vom selben Baum. Und ich sag: Ja, nur der eine ist von der Süd- und der andere von der Nordseite. Der Südapfel ist viel gesünder und verleiht körperliche Vitalität, das ist nach­ gewiesen. Wenn du dann bereit bist, meine Wertbehauptung durch das Bezahlen des Preises anzunehmen, wird sie faktisch Realität. Und der Apfel ist nun tatsächlich 67 Euro wert. Das heißt aber, ich muss meine Wertbehauptung immer begründen. Ich muss dem Käufer Argumente liefern. MP_Nicht immer. Ich hab im Buch ein Beispiel von einem Künstler – Yves Klein. Er hat elf blaue Monochrome gemalt. Die Bilder sind exakt gleich – die gleiche Farbe, das gleiche Format. Und er ist mit den Bildern auf den Markt gegangen und hat gesagt, die Bilder haben elf verschiedene Preise. Was ist passiert? Alle wurden gekauft – zu erheblichen Preisunterschieden. Und die Leute wussten über die unterschiedlichen Preise Bescheid. * „Der Wert ist nie im Objekt selbst. Er ist immer in der Vorstellung der Menschen.“ Aber nehmen wir deinen Parameter „Wirkung der Zeit“. Der steckt doch tatsächlich im Objekt. MP_ Klar gibt es Produkte, die beruhen auf fünf Jahren Forschung, die bestehen aus einem besonders guten Material und so weiter. Aber wenn das tolle neue Mountainbike mit der innovativen Technik zum Ladenhüter wird, spielen alle Ressourcen, die im Vorfeld investiert wurden, keine Rolle mehr. Es kann seine Wertbehauptung im Markt nicht realisieren. Wie viel etwas wert ist, bestimmt nicht das Objekt. Der Wert entsteht erst im Kopf des Betrachters. Was hat dich überhaupt dazu bewogen, dich mit dem Thema „Produktwert“ zu beschäftigen? MP_ Vor vier Jahren habe ich eine religiöse Zeremonie beobachtet, in deren Mittelpunkt eine intensiv verehrte Holzfigur stand. Das war im asiatischen Raum, also einer Kultur, die mir nicht so vertraut war. Aus dieser Fremdheit heraus habe ich nur ein Stück Holz wahrgenommen, womit andere viel mehr verbunden haben. Dieses Erlebnis hat mich dazu gebracht, mich zu fragen: Wie entsteht Wert? Mit dem Buch wollte ich mir also meine eigene Frage beantworten. Was ist das Interessanteste, das du herausgefunden hast? mp_ Zum einen: Was wirklich wertvoll ist, kann nicht im Massenmarkt sein. Wenn etwas 380 Millionen Mal für einen Euro an jedem Ort der Welt jederzeit für jedermann zur Verfügung steht, dann kann es per se nicht wertvoll sein. Hier könnten verschiedenste Zugangsbeschränkungen oder Restriktionen wertsteigernd wirken. Ein weiterer Aspekt, der dem heutigen Massenmarkt meist widerspricht, ist: Wertvolle Dinge wachsen langsam aus sich heraus. Da kann man nicht eine Einführungskampagne von zwei Monaten machen und dann muss sich das Produkt bewiesen haben. Das führt zu Strohfeuer. Wertvolle Dinge entwickeln sich langsam. Aber es macht schon Sinn, sich bereits bei der Produktentwicklung Gedanken über die Vermarktung zu machen, oder? mp_ Unbedingt. Marketing beginnt bei der Produktentwicklung. Das ist einer der wichtigsten Leitsätze überhaupt. Und der zweite wichtige Punkt lautet: Wertvolle Objekte haben eine Biografie. Das heißt, ich kann nicht anonym in Asien produzieren lassen, dann importiere ich das Produkt in die Schweiz, mach ein Label drauf, eine Kampagne dazu und auf einmal ist das Produkt wertvoll und begehrt. Die Überlegungen beginnen meist schon in der Geburtsstunde, beim Entstehungsmythos. Denn sobald ein Objekt einen Ursprung hat, der klar, trans­parent und mit positiven Geschichten verbunden ist, wird es als authentisch wahrgenommen. Und das hat eine sehr starke Anziehungskraft. Dann ist es vielleicht sinnvoll, wenn das Marketing bereits bei der Produktentwicklung dabei ist. MP_ Nicht vielleicht. Das ist Pf licht. Eine sehr wichtige Erkenntnis ist: Wert denkt nicht in Quartalen, sondern in Generationen. Dieses kurzfristige Denken, dieses schnelle Ausschlachten von irgendwelchen Dingen durch puren Werbedruck wird von den Menschen durchschaut und immer häufiger auch abgelehnt. Und am Ende des Tages sind das die Dinge, die auf dem Müll landen. Und Wertvolles wird nicht weggeschmissen. MP_ Es gibt eine wunderschöne Definition: Ein wertvolles Objekt ist ein Objekt, das es wert ist, repariert zu werden. Das werfe ich nicht weg. Was ich wegwerfe, sind Dinge, die keine Geschichte, keine Persönlichkeit haben, die austauschbar sind. Sieht man es wertvollen Dingen eigentlich oft an, dass sie wertvoll sind? mp_ Bling-Bling habe ich immer ausgeblendet. Dieser asiatische oder russische Luxus ist ja ein anderer als der europäische Luxus, wo man eher versucht zu kaschieren und zu verstecken. Hier gibt es teilweise Codes, die nur von Leuten erkannt werden, die zu einer bestimmten Gruppe gehören. * „Marketing beginnt bei der Produktentwicklung.“ 54 55 die aura des wertvollen * „Wert denkt nicht in Quartalen, sondern in Generationen.“ das Grundmuster und gebe dann provokante Anstöße, um das Grundmuster zu nutzen, zu brechen und auf innovative Weise neu aufzuladen. Wenn ich zum Beispiel Wartelisten habe, dann mache ich sie nicht so, wie sie alle machen, sondern frage mich: Ist es möglich, dass ich meine Kinder auf die Warteliste setzen kann, die das Produkt dann in 18 Jahren bekommen? Kann ich in der Reihenfolge der Warteliste nach vorn rutschen? Was müsste ich dafür tun? Es gibt hundert Möglichkeiten, wie man auf spannende Weise mit diesen alten Mustern arbeiten kann, um sie moderner zu machen und an das eigene Produkt anzupassen. Warten erhöht also auch den Wert. mp_ Ja, auch das ist einer der 80 Parameter. In unserer heutigen Konsumwelt muss immer alles sofort und rund um die Uhr an jedem Platz verfügbar sein. Aber in diesem Fall verhält es sich wie mit Luft. Wenn man mit Luft handeln würde, sie würde keinen hohen Preis erzielen, denn von ihr ist überall genügend vorhanden. Und genauso funktioniert es auch mit den Objekten, die stets in ausreichender Zahl verfügbar sind. Wenn nicht alles sofort an jedem Ort erhältlich ist, ist das ein ganz entscheidendes Kriterium dafür, dass ein Objekt in der Wertwahrnehmung steigt. Wenn du jetzt dein Buch analysieren müsstest: Welche der 80 Parameter könntest du identifizieren? mp_ Da triffst du jetzt einen wunden Punkt. Ursprünglich wollte ich ja schon die Parameter, die im Buch präsentiert werden, auf das Buch selber anwenden. Aber da spielt natürlich kein Verlag mit, die haben diese Prinzipien einfach noch nicht durchschaut (lacht). Und so ist es jetzt einfach ein hochwertiges Buch mit Hardcover und abgerundeten Ecken. Es ist großformatiger als ein Taschenbuch und hat ein tolles Design mit schönen Illustrationen. Ich hoffe also, dass es optisch das wertvolle Innere widerspiegelt. Interviewerin \ Claudia Polster Was können solche Codes sein? MP_ Leika hat zum Beispiel eine Kamera auf den Markt gebracht, auf der kein Logo mehr ist. Das heißt, sie sieht absolut austauschbar aus. Nur der Besitzer und einige Insider kennen den Wert der Kamera. Das Spannende an Codes ist, dass sie nur zwischen Gleichgesinnten funktionieren, die sie lesen können. Es kann sein, dass sich eine Gruppe untereinander erkennt, aber nach außen gar keine Wirkung erzielen will. Die Zusammengehörigkeit stiftet den Wert. Das lässt sich übrigens noch steigern. Wenn nämlich nur ich um den Wert eines Objektes weiß. Ein Beispiel: Extrem verschleierte Frauen in Saudi-Arabien gehen aus dem Haus und haben die reizvollste Unterwäsche an, die man sich vorstellen kann. Das Wissen, das nur sie besitzen, kann ein extremer Gewinn sein. Auf der Ego-Ebene, quasi. Als ich mir das Inhaltsverzeichnis deines Buches angeschaut hab, ist mir ein Parameter besonders aufgefallen: der einzigartige Makel. Wie kann ein Makel zu einer Wertsteigerung führen? mp_ Wenn zum Beispiel in einem Teppich ein kaum sichtbarer Makel eingewebt ist, dann weiß man, der kommt tatsächlich aus dieser Werkstatt. Oder der Makel wird zum Charakteristikum, das das Individuum ausmacht. Da fällt mir Helmut Schmidt ein. Obwohl es in­z wischen ein Tabu ist, in geschlossenen Räumen zu rauchen – er darf es. Das ist ein Makel, der ihn einzigartig und liebenswürdig macht. Oder es gibt alte Sportwagen, die ganz eigne Macken haben – trotzdem lieben sie die Leute. Und das ist nur einer von 80 Parametern. Kann ich mir nicht einfach die besten für mein Produkt heraussuchen und kopieren? mp_ Das kann man machen, aber das ist dann die platte, langweilige Kopie dessen, was andere schon seit Jahrhunderten viel besser gemacht haben. Die Idee des Buches ist ja folgende: Ich zeige Das Buch ist also nicht nur Lektüre, sondern auch Arbeitstool. Du hast einen sogenannten 4D-Innovationsprozess entwickelt. Was muss man sich darunter vorstellen? mp_ Da geht es darum, die 80 Parameter über den gesamten Lebenszyklus des Produktes anzuwenden. Wenn der Parameter Reinheit lautet, dann ist das Produkt nicht nur sauber gefertigt. Reinheit kann sich auch auf den Herstellungsort beziehen. Oder die Verpackung. Und wofür steht das 4D? mp_ Ein Objekt besteht ja erst mal aus drei Dimensionen. Und wenn du jetzt das Objekt anschaust und wie ein Filmprojektor deine Vorstellungen und Wertphantasien auf das Objekt pro­ jizierst, dann ist das die vierte Dimension. Die empfindest du, allerdings ist sie nicht im Objekt selbst enthalten. * Ein wertvolles Objekt ist ein Objekt, das es wert ist, repariert zu werden. Wem hilft dieses Arbeitstool? mp_ Das Buch richtet sich an Produktentwickler, InnovationsManager, Marketingleute und Designer. Es funktioniert für aufsteigende Stars der Kunstbranche, für Clubs oder ShoppingMalls. Alle, die sich im Premium- oder auch Luxusbereich befinden – obwohl ich diese Wörter nicht mag und auch im Buch nicht verwende –, sollen sich angesprochen fühlen. Welches besonders wertvolle Produkt besitzt du? mp_ Das eine ist ein sehr altes Ölgemälde, das ich seit meiner Kindheit besitze. Es hing in meinem Zimmer und ist von einem akademischen Maler, der es auch signiert hat. Obwohl das Bild jetzt über 130 Jahre alt ist, hat es keine Relevanz am Markt. Aber für mich besitzt es einen hohen persönlichen Wert – aus der Geschichte heraus, die das Bild für mich hat. Etwas anderes ist Musik. Ich lege gern Geld in Instrumenten an. Lass mich aber nie dazu verführen, billige Gitarren zu kaufen, nur weil ich sie schnell haben möchte. Ich spare über längere Zeit und kaufe mir dann ein Objekt, das auch eine Wertanlage darstellt. Mario Pricken arbeitet seit 16 Jahren in den Creative Industries und hat seit 2001 drei Bücher zum Thema Kreativität und Innovation publiziert. Als Innovation Director und Consultant inspiriert er Marketingabteilungen internationaler Unternehmen, namhafte Agenturen, Designfirmen und Fernsehstationen. Kaum jemand kennt so viele Kreativunternehmen von innen wie er. Seit 2006 unterrichtet Pricken zudem an der Universität für angewandte Kunst in Wien das Schwerpunktthema „Kreativität und Strategie“. 56 57 interviewstrecke Luxus ohne schlechtes Gewissen_ Oder: ein Gespräch über Pelz, Moral und Wertanlagen Schwimmende Statussymbole_ Was japanische Koi-Karpfen so wertvoll macht Vor 30 Jahren gründeten Franz und Gabriele Eppli ein Juweliergeschäft. Heute ist Eppli Juweliergeschäft, Pfand- und Auktionshaus in einem und ist an mehreren Standorten im Raum Stuttgart vertreten. In seiner Filiale im Königsbau sprach Franz Eppli, öffentlich bestellter und vereidigter Auktionator, über sein Wertverständnis und verrät, warum Schmuck nur dann eine Wertanlage ist, wenn er aus zweiter Hand gekauft wird. Deutsche Karpfen werden hierzulande pro Kilo abgerechnet und landen an Weihnachten in den Kochtöpfen. Für ihre farbenfrohen japanischen Verwandten, die Kois, werden hingegen Höchstsummen bezahlt und eigens klimatisierte Teiche angelegt. Was Kois so attraktiv macht, darüber sprachen wir mit Jörg Scherle, Geschäftsführer von Koi Stuttgart. RegelmäSSig fliegt er nach Japan, um für seine Kunden die schönsten Exemplare aus den Becken der Züchter zu holen. Sein gutes Händchen beweist er dabei mit zahlreichen Welt- und Europameistertiteln, die er mit ausgesuchten Kois errungen hat. Franz Eppli (1953) studierte Pädagogik. Schon während seines Studiums war er mit seinem ersten Juweliergeschäft selbstständig, das er mit seiner heutigen Frau gründete. Neben dem Studium absolvierte er eine Kaufmannslehre und bildete sich zum Diamantgutachter und Gemmologen weiter. Jörg Scherle, geboren 1969, ist gelernter Konditor und Koch. Nach der Ausbildung stieg er im elterlichen Hotel „Zur Weinsteige“ in Stuttgart ein. Neben seiner Tätigkeit als Geschäftsführer und Küchenchef im Hotel betreibt er unter dem Namen „Koi Stuttgart“ einen eigenen Koi-Handel. Was bedeutet Wert für Sie? FE_ Unser Claim heißt „Wir schätzen Werte“. Für Eppli gehen materieller und moralischer Wert Hand in Hand. Wir verkaufen hier zum Beispiel Pelze. Die sind gesellschaftlich umstritten. Unsere Pelze sind aber keine Neuware, sondern alles Erbstücke. Ich finde, dass es mehr Sinn hat, einen gut erhaltenen Pelz weiterzuverkaufen, anstatt ihn wegzuwerfen und einen neuen Pelz zu erstehen. Das ist nachhaltiger. Wie bewerten Sie ein Produkt, wenn jemand zu Ihnen ins Geschäft kommt und es verpfänden möchte? FE_ Das Risiko liegt auf unserer Seite. Wenn wir das Produkt falsch einschätzen, machen wir unter Umständen Verlust, deswegen haben wir unsere Experten. Man hört dann oft den Vorwurf, dass das Pfandgeschäft unehrlich FE_ ist und wir die Gegenstände niedrig beleihen, um uns am Gewinn der Auktion zu bereichern. So etwas behaupten Leute, die sich mit dem Pfandgeschäft nicht auskennen. Das Pfandgeschäft ist ein Bankgeschäft, seriös und streng überwacht. Wir behalten nicht den Mehrwert einer Versteigerung, nur Zinsen und Gebühren. Der Rest des Geldes geht an den Pfandkreditnehmer. Holt dieser das Geld nicht ab, muss es an das Land BadenWürttemberg abgeführt werden. Man hört immer, Schmuck sei eine gute Wertanlage. FE_ Ich vergleiche das gerne mit Autos. Da weiß jeder, dass sie nach dem Kauf sofort an Wert verlieren. Das ist bei Schmuck genauso. Wir haben oft den Fall, dass jemand im Laden ein Schmuckstück für beispielsweise 10.000 Euro kauft und es dann seiner Frau schenkt, die es aber nie trägt. Der Laden nimmt das natürlich nicht zurück. Also kommen die Leute hierher und fallen dann aus allen Wolken, wenn ich sage, dass der Schmuck etwa die Hälfte an Wert ver­ loren hat. Kaufen Sie hingegen Schmuck aus zweiter Hand, ohne hohe Gewinnmargen, haben Sie eine gute Wertanlage. Kaufen Sie heute ein Stück für 500 Euro bei uns, können Sie es nächstes Jahr wieder mit etwa 500 Euro verkaufen. Mit etwas Glück steigt der Goldpreis und Sie bekommen sogar noch mehr. Und welche Gegenstände sind besonders wertbeständig? FE_ Zum Beispiel Taschen von Luxusmarken wie Hermès oder Louis Vuitton. Wenn ich als Kunde in ein LV-Geschäft gehe, kann ich so viele Taschen kaufen, wie ich will, ich bekomme keinen Cent Rabatt. Bei uns bekommen Sie dann neuwertige Taschen mit Rechnung, teilweise sehr seltene Modelle aus vergangenen Kollektionen, und können ein paar Hundert Euro sparen. Da muss ich nicht lange überlegen, wo ich die Tasche kaufe. Und dann habe ich noch den Nervenkitzel der Auktion. Das macht einfach mehr Spaß, als in einen Laden zu gehen und meine schwarze American Express auf den Tisch zu legen. Interviewerin \ Lisa Bittner Was bedeutet für Sie ganz persönlich „Wert“? JS_ Als Hotelier muss man einiges aufgeben, um Menschen einen schönen Aufenthalt zu bieten. Man ist quasi rund um die Uhr im Dienst. In der kurzen Freizeit, die ich habe, hat deshalb für mich mein Familienleben den höchsten persönlichen Wert. Alles andere, Materielle ist ersetzbar. Welchen Wert hat der Koi-Handel für Sie? JS_ Die Kois sind mein Ausgleich. Diese Tätigkeit ist so ganz anders als das, was ich im Hotel mache. Der Handel ist sozusagen der Gegenpol. Er hilft mir, mich abzulenken und voll und ganz auf null zu kommen. Ein Koi kostet bei Ihnen auch mal mehrere Tausend Euro. Wie bemisst sich dieser Wert? JS_ Also wer möchte, bekommt bei mir schon kleine Kois ab 20 Euro. Allerdings gilt: Je perfekter ein Koi ist, desto höher ist der Preis. Wichtige Kriterien dabei sind Größe, Körperform und natürlich die Färbung. Und für schöne Kois sind Kenner natürlich bereit, mehr zu zahlen. Vor allem, wenn er eine Auszeichnung gewonnen hat. Doch das Aussehen ist nur die halbe Wahrheit. Schon die Zucht in Japan ist zeit- und kostenintensiv. Dann f liege ich persönlich zu den Züchtern, um die Kois auszuwählen. Zur Reise müssen noch Dolmetscher-, Versand- und ZollGebühren gerechnet werden. Danach kommen die Kois bei mir erst einmal in Quarantäne. Das bedeutet Kosten für Haltung und Tierarztuntersuchungen. All das treibt den Kaufpreis in die Höhe. Dafür besitzen Kois einen hohen emotionalen Wert. Zum einen gelten sie als Symbol für Glück und Erfolg. Zum anderen werden Kois sehr zutraulich. Man kann sie sogar streicheln und manch einer legt sich einen Schwimmteich an. Durch die hohen Anschaffungs- und Haltungskosten ist der Koi als Statussymbol zu sehen. Also etwas, was gut aussieht und von dem man weiß, dass es teuer ist. Ist der Koi denn eine gute Wertanlage? JS_ Nein. Der Koi ist ein Luxusgut. Und als Lebewesen verliert er eher an Wert, als dass er gewinnt. Hinzu kommt die aufwändige Haltung und Pf lege. Man braucht einen großen Teich, Heiz- und Filteranlagen und vor allem das richtige Futter. Sonst verliert der Koi Gewicht und seine Farben verändern sich. Außerdem droht immer Gefahr von Krankheiten. Durch Teilnahme an Meisterschaften kann der Wert gesteigert werden. Allerdings kostet ein WM-tauglicher Koi ab Züchter bereits 5.000 Euro – und die Teilnahme schlägt noch einmal mit 1.500 Euro zu Buche. Wer sich privat einen Koi anschafft, der tut es, um sich daran zu erfreuen. Und nicht, um ihn später weiterzuverkaufen. Selbst für Händler ist der Koi kein Selbstläufer. Ohne das Hotel hätte ich den Handel nicht auf bauen können. Und jeder Koi-Händler, den ich in Deutschland kenne, der hat auch immer noch ein zweites Standbein. Interviewer \ Stephan Fuß 58 59 interviewstrecke „Das ist zu persönlich, um es beschreiben zu können“_ Der Galerist Ewald Schrade über den Wert von Kunst Es gibt nicht den einen Immobilienwert_ Ein Gespräch über die Immobilienbranche Es gibt die unterschiedlichsten Gründe, Kunst zu sammeln – als Wertanlage, als Ausdruck der Individualität oder aus Prestigegründen. Im Gespräch erklärt Ewald Schrade, welche Bedeutung Kunst für ihn hat, und gibt einen Einblick, wie der Kunstmarkt funktioniert. Eigentlich wollten wir von Prof. Dr. Gerrit Leopoldsberger wissen, wie man den Wert einer Immobilie ermittelt. Wie sich herausstellte, gibt es aber den einen Immobilienwert nicht. Im Interview erklärt der Professor für Immobilienbewertung die verschiedenen Wertbegriffe. Ewald Karl Schrade (1941) lernte eigentlich Modellbauer. Nach einem Motorradunfall verlor er 1960 seine rechte Hand und absolvierte eine Ausbildung zum Versicherungskaufmann. Aus Interesse begann er in einer von ihm geleiteten Bankzweigstelle Kunstausstellungen zu organisieren. Heute betreibt er zwei Galerien (Schloss Mochental und Karlsruhe) und ist Initiator und Kurator der art Karlsruhe, die sich zu einer der bedeutendsten Kunstmessen im deutschsprachigen Raum entwickelt hat. Gerrit Leopoldsberger (1965) studierte Betriebswirtschaft mit anschließender Promotion in Deutschland, den USA und Mexiko. Seit 1999 führt er die Grundstückssachverständigengesellschaft Dr. Leopoldsberger + Partner. Am Campus of Real Estate ist er Professor für Immobilienbewertung. Herr Schrade, welchen Wert hat Kunst? ES_ Kunst hat einen ganz zentralen Wert! Kunst ist das Oberste, was es gibt, und ist so alt wie die Menschheit. Sie kann zwar keine Kriege verhindern, aber schafft eine Grundlage zum friedlichen Zusammenleben über kulturelle Grenzen hinweg. Sie ist wie der heilige Geist, der über uns schwebt. Kunst verhilft zum Dialog. Wie ermittelt man den Wert einer Immobilie? GL_ Bei Immobilien gibt es nicht den einen Wert. Wert ist hier eher als Nachname zu betrachten, dem man verschiedene Vor­ namen geben kann. Der Begriff Wert wird in der Immobilienbranche sehr vielfältig verwendet. Da gibt es den Ertragswert, den Sachwert, den Vergleichswert … Welche Kunstwerke hängen bei Ihnen im Wohnzimmer? ES_ Ach, bei mir hängt alles, klassische und aktuelle Kunst. Das wechselt ja auch immer. Ich lebe ja auch in Schloss Mochental, meiner Galerie, da findet sich ein breites Spektrum. Die Kunst gehört zu mir, bereichert und prägt mein Leben. Ich muss immer umgeben sein von meiner Kunst, sie ist mein Motor, mein Leben. Haben Sie ein Lieblingskunstwerk? ES_ Nein. Sie fragen eine Mutter ja auch nicht, welches ihrer 16 Kinder ihr das liebste ist. Jedes meiner Kunstwerke hat für mein Leben eine Bedeutung. Das kann man mit Worten nicht beschreiben. Das ist die Sprache der Bilder. Über die handwerklichen Aspekte der Kunst kann man fachsimpeln, aber nicht darüber, was Kunst in einem auslöst. Ein Kunstwerk wirkt auf jeden Menschen unterschiedlich und löst ganz andere Empfindungen aus – der Wert der Kunst ist zu persönlich, um ihn zu beschreiben. Aber genau das macht den Wert aus. Wie bewertet man als Galerist einen neuen Künstler, den niemand kennt? Wie setze ich den Preis seiner Kunst fest? ES_ Da muss ich mich auf mich und mein Gefühl verlassen. Bin ich von einem Künstler überzeugt, dann muss ich die Öffentlichkeit auf ihn aufmerksam machen. Kunst ist ja etwas sehr Subjektives. Wenn Kuratoren, Galeristen und Kunstexperten ihre positiven subjektiven Meinungen zu einem Künstler addieren, kann sich daraus ein objektiver Maßstab ergeben. Dadurch wird bei den Sammlern eine Begehrlichkeit geweckt. So funktioniert der Kunstmarkt, so entwickelt ein Künstler Präsenz. Es gehört auch Glück für den Künstler dazu. Wie mein Freund, der verstorbene Künstler Shmuel Shapiro, sagte: „Zur Kunst gehören immer zwei. Einer, der sie macht, und einer, der sie kauft.“ Ein Sammler muss bei einem Kunstwerk das Gefühl des „Habenwollens“ bekommen. Und je mehr Sammler ein Kunstwerk haben wollen, desto teurer wird es. Viele Sammler sehen Kunst als Ausdruck der eigenen Individualität, wenn sie Unikate besitzen. Das ist eine Form von natürlichem Snobismus. Interviewerin \ Lisa Bittner Wie bewerten Sie eine besonders schöne Aussicht? GL_ Das ist nicht ganz einfach. An einer guten Aussicht hängt kein Preisschild. Man kann sich in solchen Fällen an einem Vergleich mit anderen Immobilien orientieren. Man bewertet Immobilien natürlich so objektiv wie möglich, beispielsweise über die Lagequalität, aber ganz eindeutig ist es nie. Ist eine Immobilie hellblau gestrichen, kann ich aber recherchieren, wie beliebt die Farbe ist – unabhängig davon, wie ich sie finde. Man muss sich von seinen Vorlieben frei machen. info Auf www.leopoldsberger.de/wissenswertes finden Sie alle wichtigen Begriffe der Immobilienbewertung erläutert. Warum bezahlen Käufer in Städten wie München mitunter hohe Summen für eine Immobilie? Woher kommt diese Bereitschaft? GL_ Hohe Preise werden bezahlt, wenn die Käufer sich davon ein entsprechendes Prestige versprechen, zum Beispiel in Kampen auf Sylt. Bei den Inseln kommt noch die Knappheit der verfügbaren Flächen hinzu. In gewisser Weise sind aber auch die sehr guten Lagen knapp. Damit lassen sich die hohen Preise in München erklären. Hinzu kommt, dass diese guten Lagen als besonders sicher gelten und gerade deutsche Investoren sehr gerne „Sicherheit“ kaufen. Immo­bilien­ investments sind sehr häufig für Privatleute, aber auch – etwas erstaunlich – Investoren eine emotionale Entscheidung. Das erklärt, warum Käufer Preise bezahlen, die die Mieten nicht rechtfertigen. Mit anderen Worten: Wenn die Mieten um 10 % gestiegen sind, dann ist es nachvollziehbar, wenn auch die Preise um 10 % anziehen. Die Preisblasen können dann entstehen, wenn die Käufer Beträge zahlen, denen keine Mietsteigerung gegenübersteht. Besteht dadurch nicht die Gefahr einer Immobilienblase? GL_ Für Deutschland als Gesamtheit sind keine Preisblasen festzustellen. Die Mietentwicklung lag in den letzten Jahren oft unterhalb der Inf lationsrate. Für einige Standorte wie München oder Sylt könnten die hohen Preise dazu führen, dass die Spitzenbeträge bereits erreicht sind oder in naher Zukunft erreicht werden. Aber gerade an den hochpreisigen Standorten stehen die Emotionen über den harten wirtschaftlichen Fakten. Es kann also genauso gut sein, dass wir in zehn Jahren rückblickend feststellen, dass es heute auch dort billig gewesen sei. Interviewerin \ Lisa Bittner 60 61 interbrand topmarken Die Best Global Brands 2013_ Nach 13 Jahren gibt es eine neue Nummer 1 New Google 02 01 Apple Jedes Jahr veröffentlicht der Markenberater Interbrand den Report Best Global Brands, in der die erfolgreichsten Marken der Welt aufgelistet sind. 13 Jahre in Folge landete Coca-Cola auf Platz 1 der Topmarken. Doch dieses Mal ist alles anders. 2013 muss sich das Unternehmen mit Platz 3 begnügen. Apple und Google haben die Spitze übernommen und läuten damit die neue Ära der Technologie ein. GE Coca-Cola IBM Intel 03 04 Interbrands jährliche Hitliste gilt als einer der wichtigsten MaSSstäbe für die Wirtschaft. Samsung 05 06 Microsoft 07 Toyota 08 McDonald’s 09 10 Aber nach welchen Kriterien wird sie eigentlich erstellt? Es sind vor allem drei Faktoren, mit deren Hilfe sich der Wert einer Marke bestimmen lässt. Unter Financial Analysis fällt vor allem der Profit des jeweiligen Unternehmens. Allerdings wird auch berücksichtigt, welches Kapital das Unternehmen insgesamt besitzt und aufwendet, um Gewinn zu generieren. Der Faktor Role of Brand geht der Frage nach, welche Faktoren einen Kunden zum Kauf einer bestimmten Marke bewegen. Dabei geht es um das Vertrauen, das potenzielle Kunden in die Marke setzen. Der Grund, warum man sich für dieses Produkt und nicht den Konkurrenten im Regal daneben entscheidet. Eng damit zusammen hängt die Brand Strength. Der wichtigste Faktor gibt Auskunft über das Image einer Marke: Wie bekannt ist sie, wie loyal stehen die Kunden zu ihr und wie viel Einf luss nimmt sie auf uns alle? Verfolgt das Unternehmen mit seiner Marke ein klares, einzigartiges Konzept? Und wie gut ist die Marke in der Lage, sich an die stets verändernde Welt anzupassen? Gerade in diesem Bereich können Marken wie Apple und Google besonders punkten. Eines wird dem Konsumenten von heute aber immer wichtiger: nachhaltigkeit. Inzwischen hat Interbrand auch eine Liste der Best Global Green Brands, die diesem Trend folgt. Eine Marke, die in Zukunft auf Nachhaltigkeit setzt, wird gute Erfolgsaussichten haben, wenn dazu noch möglichst spektakuläres und ästhetisches Produktdesign kommt. Reine Funktionalität reicht heute nicht mehr aus. Genau das haben Marken wie Google und besonders Apple verstanden: Hinter den Erfolgen steht ein eigenes, unverwechselbares Image. Auch wenn beide immer wieder Kritik ein­stecken müssen, ist die Faszination der Menschen für diese Marken un­gebrochen. Und deshalb sind sie auch Interbrands Best Global Brands. Weil sie die Welt verändert haben, wie Jez Frampton (Global CEO Interbrand) bestätigt: „Von Zeit zu Zeit verändert ein Unternehmen unser Leben, nicht nur mit seinen Produkten, sondern mit seiner Philosophie. Deshalb hat Interbrand, Nachdem Coca-Cola 13 Jahre in Folge die Spitze der best Global Brands angeführt hat, eine neue Nummer 1: Apple.“ autor \ Gabriel Doser 62 63 lifestyle Geschmack kann man nicht kaufen kleidung mit wert – das b2b magazin zu gast bei ave » anziehsachen Gucci, Prada, D&G. Gute Mode hat einen Namen – und für den bezahlt man. So denken viele. Zumindest, wenn sie noch nicht von Stephan Kalbfell, Inhaber von ave » anziehsachen, beraten wurden. Er meint: Richtig gute Kleidung braucht kein Riesen-Label. Und schon gar keine Massenwerbung. Was wertvolle Mode stattdessen ausmacht? Präzision, Schnittkunst und innovative Ideen. Am besten, man spürt ihn gar nicht. Kein Zwicken im Nacken, kein Druck auf den Schultern, kein Ziehen am Rücken. Dann sitzt der Anzug perfekt. Und auch das Portmonee fühlt sich gleich viel leichter an. Klar, Komfort kostet. Aber ein gutes Kleidungsstück ist seinen Preis wert, meint zumindest ave-Inhaber Stephan Kalbfell. „Man fühlt sich einfach wohler in seiner Haut und das strahlt man dann auch aus.“ Zur Veranschaulichung holt er zwei Sakkos hervor. Auf den ersten laienhaften Blick sehen sich die zum Verwechseln ähnlich. Doch der Wert liegt im Detail. So besteht das 520-Euro-Sakko von Stephan Schneider aus gedrehtem Garn, was das Ganze stabiler macht. Dank ver­schiedener Lagen statt Schulterpolster fällt das Sakko weich und formschön. Mit der dazugehörigen Hose kommt man auf einen Gesamtpreis von 810 Euro. Ganz schön happig. Zu happig für einige Männer. Die entscheiden sich dann oft lieber für den 455-Euro-Anzug von Filippa K und nehmen dafür noch ein Paar 64 65 lifestyle ave » anziehsachen bietet seit 1996 innovative, hochwertige Damen- und Herren-Mode für Individualisten. Dabei setzt das Team nicht nur auf renommierte Marken, sondern auch auf spannende Newcomer-Labels. Neben Anziehsachen gehören auch Accessoires, Parfüms, Magazine und Zeitgeistartikel zum Sortiment. edle Schuhe mit. Kalbfell kann daran nichts Verwerf liches finden: „Ein etwas günstigerer Anzug mit teuren Schuhen sieht natürlich hochwertiger aus als umgekehrt. Und schlechte Anzüge findet man bei uns sowieso nicht.“ Frauen hingegen schauen nicht so auf den Preis. Das sollten sie auch besser nicht, denn im Schnitt zahlen Frauen für ein BusinessOutfit mehr als Männer. Während er mit 900 bis 1.400 Euro gut an­gezogen ist, muss sie um die 1.500 Euro berappen. Auf lange Sicht allerdings – davon ist Kalbfell überzeugt – spart man Geld. „Unsere Mode ist langlebig – sowohl vom Material her als auch vom Design.“ Will heißen: Die Bluse aus der letzten Saison ist auch in diesem Sommer durchaus tragbar. Und wenn sie in der Hektik des Alltags einen Riss abbekommen hat, dann lohnt es sich auch, sie zu reparieren. „Das Shirt vom Billiganbieter landet nach der dritten Wäsche im Müll. Und genau dieser Wegwerf-Mentalität wollen wir etwas entgegen­setzen“, so Kalbfell. „Deshalb recyceln wir zum Beispiel auch die Stofftaschen unserer Kunden.“ Und immer mehr von ihnen fragen aktiv nach: Woher kommt der Anzug? Unter welchen Bedingungen wurde er gefertigt? Wer ist der Designer? Der hohe Preis muss gerechtfertigt werden. Doch das fällt Kalbfell nicht schwer. „Wenn einer weiß, wo seine Produkte herkommen, dann ich.“ Oft steht die Herkunft auch schon im Label – ein weiteres Indiz für die Wertigkeit eines Kleidungsstücks. „Wir achten penibel darauf, dass unsere Ware aus einer fairen Fertigung stammt. Die meisten Sachen kommen ohnehin aus Europa“, versichert Kalbfell. Mit einer 150-Euro-Bluse kauft man sich bei ave » anziehsachen also nicht nur Qualität, sondern auch ein gutes Gewissen. „Und Individualität“, ergänzt der, der es wissen muss. Denn es sind hauptsächlich Individualisten, die bei ave einkaufen. Menschen, die nicht nach Massenware aussehen wollen. Menschen, die gern in verschiedene Rollen schlüpfen: heute der Anzug-, morgen der Jeanstyp. Und: Menschen, die sich Gedanken machen über ihre Lebensweise. Das fängt beim Essen an und geht über die Wohnungseinrichtung bis hin zur Kleidung. Lifestyle eben. 66 67 lifestyle Kalbfell würde gern mehr von diesen Leuten in Stuttgart sehen: „Fürs Straßenbild wäre das enorm bereichernd.“ Und auch die Mode selbst könnte seiner Ansicht nach gut und gerne etwas bunter, vielfältiger ausfallen. „Es fehlt an neuen Ideen und Konzepten. Was ich suche, sind Innovationen.“ Eine hat er vor kurzem entdeckt: ein Sakko – von außen aus Wolle und innen mit einer wasser- und winddichten Membran ausgestattet. „Hier wird Technik so um­ gesetzt, dass man sie nicht sieht. Fantastisch“, freut sich Kalbfell. Freude. Das ist wohl der wichtigste, der entscheidende Verkaufs­ faktor bei ave. „Die Menschen, die hierher kommen, wollen wieder das Glücksgefühl nach dem Kauf spüren. Und zwar eines, das länger andauert als bis zum nächsten Schnäppchen. Wenn die Kunden unseren Laden mit einer Einkaufstüte verlassen, wissen sie, dass sie etwas wirklich Wertvolles gekauft haben.“ Autorin \ Claudia Polster Fotograf \ Volker Schrank vita Stephan Kalbfell ist seit 18 Jahren Inhaber von ave » anziehsachen. Doch schon Anfang der 80er beschäftigte er sich mit Kleidung und entwarf sie auch selbst. Ausschlag gaben die damals hippen, in allen Neonfarben erhältlichen Elho-Shirts. Für Kalbfell ein Graus. Kurzerhand startete er eine Gegenbewegung mit eigenen Shirts aus Fliegerseide. 2 1 Tour de Suisse 3 Haargenau geplant und präzise getaktet >>>>>> 2 Höchstleistungen aus Zürich und Umgebung Mittwoch, der 05.02.2014, 8:55:42 Uhr 47° 40’ 41° N, 8° 36’ 54’’ O 457 m ü. M. Dienstag, der 04.02.2014, 8:59:57 Uhr Basel auf die exakte Tour 47° 29’ 38° N, 7° 35’ 28’’ O 303 m ü. M. Wir starten unsere Tour in Reinach bei Basel. Präziser: in der Kägenstraße 2. Hier sitzt Endress+Hauser. Die Meister der Mengen und Massen sorgen mit ihren Mess­ geräten, Dienstleistungen und Lösungen für die industrielle Verfahrenstechnik seit über 60 Jahren für Präzision in Produktionsunternehmen. Dabei gehören Genauigkeit und Sorgfalt schon seit jeher zu den Tugenden der Basler. Ob Stadtmauer oder Messeturm, geschichtsträchtig oder modern: Die Architektur Basels ist bis in den kleinsten Winkel durchdacht. Und das kann sich sehen lassen. Zum Beispiel bei einer Stadtführung für Architekturliebhaber – von der Stadtmauer mit ihren drei Toren zum Messeturm mit seinen 31 Etagen bis zum Bahnhof, der einem Gebirgszug aus Stahl gleicht. 1 Während in Laufen-Uhwiesen jede Sekunde 373 Kubikmeter Wasser den Rheinfall nach unten stürzen, versucht man im 48 Kilometer entfernten Zürich der Natur zu trotzen. Hier sitzen die Experten für Spezialitätenchemie von Sika und tüfteln an einem wasserdichten Weg durch eines der höchsten Alpenmassive, den Gotthard. Dafür soll das Unternehmen Betontechnologie und Abdichtungssysteme liefern, die unter größter Hitze und Luftfeuchtigkeit die nächsten 100 Jahre überdauern. Verlässlich und bewährt ist auch die Technologie, mit der im 27 Minuten entfernten Winterthur gearbeitet wird. Bei Kistler setzt man auf die Messung mit piezoelektronischen Sensoren und ermöglicht seinen Kunden damit ein Höchstmaß an Qualität. Ganz vorn dabei ist man auch am Zürcher Flughafen. Hier dürfen Flugzeugfans bis auf den Vorfeldturm laufen und den Piloten von dort direkt ins Cockpit schauen. Wer noch näher ran will, geht ins Kulturama. Hier gibt es Wissenschaft zum Anfassen und Ausprobieren. >>>>>> 01 Schweizer Uhren sind die genauesten, Schweizer Taschenmesser die langlebigsten und Schweizer Schokoladenkreationen die leckersten. Ist ein Produkt „made in Switzerland“, dann hat es Wert – bis zu dreimal so viel wie das gleiche Produkt aus einem anderen Land. Das ist auch der Grund, weshalb die Anzahl der registrierten Marken mit Swiss- oder Schweiz-Zusatz in den vergangenen Jahren enorm zugelegt hat. Wo Schweiz draufsteht, ist mehr Gewinn drin. Grund genug, uns einmal in dem Land der Luxusmarken umzuschauen. Dabei lassen wir die Consumer-Labels wie Rolex, Lindt oder Caran d’Ache links liegen und machen uns auf die Suche nach B2B-Schwergewichten, die jeden Tag aufs Neue den Schweizer Ruf für Präzision und Qualität verteidigen. 69 b2b-travel 68 71 b2b-travel 70 Grande Dixence >>>>>> 3 Auch einen Ausflug wert: _ Skulpturen aus Stroh gibt es beim Strohfestival im Zürcher Oberland zu bestaunen – von Mitte Januar bis Anfang Mai. _ Skulpturen aus Eis stehen im Gletscher-Palast Zermatt am Matterhorn – 15 Kilometer unter der Gletscheroberf läche. _ Die Albulalinie der Rhätischen Bahn ist UNESCO-Welterbe und eine echte Pionierleistung. Bestaunen kann man sie bei einer Wanderung auf dem Bahnerlebnisweg Albula. _ Mit einer großen Licht- und Tonschau können Sie die höchste Gewichts staumauer der Welt – die Grande Dixence – erleben. _ Die ganze Schweiz in Klein zeigt Swissminiatur in Melide. Der Geist von St. Gallen Donnerstag, der 06.02.2014, 9:03:12 Uhr 47° 25’ 54° N, 9° 22’ 29’’ O 675 m ü. M. St. Gallen ist bekannt für seinen Geist und Intellekt. Schließlich steht hier nicht nur eine der führenden Wirtschaftsuniversitäten Europas. Nur zwölf Busminuten entfernt kann man sich durch die älteste Bibliothek der Schweiz schmökern – und dabei einiges über Handschriften und ihre Herstellung lernen. Wer sich lieber mit etwas Handfesterem beschäftigt, sollte sich allerdings auf den Weg ins 21,2 Kilometer entfernte Uzwil machen. Hier tüftelt Bühler täglich an der optimalen Herstellung von Nahrungsmitteln. Wie kann die Produk­tion von Mehl noch effizienter ablaufen? Und wie schafft man es, die Spitzenqualität der Schweizer Schokolade durch eine Spitzenfertigung abzusichern? Das sind nur zwei von unzähligen Fragen, die den erfahrenen Verfahrensspezialisten beschäftigen. Apropos Schokolade: Wenn Sie schon mal in Uzwil sind, lohnt sich der kleine Abstecher von 6,3 Kilometern nach Flawil. Hier sitzt maestrani und produziert seine Schoko­lade aus nachhaltigem Anbau für ein nachhaltiges Genusserlebnis. Wir wünschen: Ä Guetä! Autorin \ Claudia Polster Teil des Gotthardpasses Stadtteil von Basel 72 73 b2b-lunch Alemannenstrasse 19 79588 Efringen-Kirchen/Blansingen www.traube-blansingen.de f o h t s a G e b u a r T MI.–FR.: 18:30–22 Uhr SA. Und SO.: 12–14 und 18:30–22 Uhr MO. Und DI. Ruhetage Markgräflerlan location Eine überschaubare Ortschaft im Markgräflerland, südlicher Schwarzwald, nicht weit entfernt von der Schweizer Grenze. Ein altes Bauernhaus, schön restauriert. Wer im Sommer kommt, kann die Anfahrt mitten durch die Weinberge nehmen. Das ist der Schauplatz des Spektakels, das sich auf leisen Sohlen anschleicht. Auch die Inneneinrichtung ist betont schlicht gehalten und trotzdem edel. Alles reduziert auf das Wesentliche, auf den absoluten Genuss. Wem es gefällt, der bleibt einfach über Nacht im zugehörigen Hotel. Diese Ausgabe: Die Schwarzwaldregion und der Deutschen liebstes Kind – das Rind. Karte Wer Currywurst mit Pommes sucht, ist hier falsch. Die Karte präsentiert sich schlank in Sachen Quantität und üppig in Sachen Qualität. Neben saisonaler Küche wie frischen Morcheln im Frühjahr gibt es auch feste „Signature Dishes“. Da hätten wir zum Beispiel den Wandersaibling mit Imperialkaviar und Blumenkohlstampf oder die Dombes-Ente in Sarawak-Pfefferjus. Dazu eine erlesene und ausufernde Weinkarte, die keine Wünsche offenlässt. Menu Können wir das beim Essen besprechen? In dieser Ausgabe gehen wir mit B2B-Lunch neue Wege. Dieses Mal widmen wir uns speziell einem Lebensmittel. Die Rede ist von Fleisch und seinem Weg von der Aufzucht bis auf unseren Teller. Auch wenn vegetarische Lebens­ Ambitionierte Küche Henrik Weiser, der Küchenchef der Traube, hat sich bereits einen Michelin-Stern erkocht. Für viele ist das schon die Krönung ihrer Laufbahn. Aber Weiser sieht die Auszeichnung vor allem als Ansporn, den Gästen ein erlesenes Gaumenerlebnis auf höchstem Niveau zu bieten und die Küche ständig weiter zu verfeinern. entwürfe im Trend liegen, spielt Fleisch in unserer Ernährung nach wie vor eine groSSe Rolle. Wir stellen die Frage, ob es eine „Wertigkeit des Essens“ gibt. Und wie diese sich mit Genuss verbinden lässt. Besonders geeignet für Genießer, die sich etwas Besonderes gönnen wollen. d 74 75 b2b-lunch Der ultimative Steakguide_ von Sterne-Koch Henrik Weiser Damit sich jeder sein perfektes Steak zubereiten kann, hat Sterne-Koch Henrik Weiser für uns den ultimativen Steakguide zusammengestellt. Der Einkauf Alles beginnt mit dem Produkt. Das sollte möglichst hochwertig sein, am besten vom Metzger. Achten Sie auf eine schöne Fettmarmorierung und verwenden Sie anstelle von ganz frischem Fleisch lieber ein hochwertiges Dry-Age-Beef. Da hat man den puren Fleischgeschmack. Henrik Weiser empfiehlt übrigens das Entrecote. Dieses Stück hat im Gegensatz zum mageren Filet einen etwas höheren Fettanteil, und Fett ist Geschmacksträger. Tipp: Entrecote statt Filet Unschlagbar: Die Vorbereitung Was sollte jeder richtige Mann in seinem Leben einmal gemacht haben? Ein Haus bauen? Nein. Grillen natürlich. Sie können ein Steak auch in Ihrer Pfanne brutzeln, aber geschmacklich ist der Holzkohlegrill unschlagbar. Das Fleisch zwei Stunden vorher zum Temperieren aus dem Kühlschrank holen. Bei den Gewürzen heißt es: Weniger ist mehr. Marinaden sind eine Todsünde. Benutzen Sie nur Salz und Pfeffer, um den puren Steakgeschmack herauszuarbeiten. Die Zubereitung Das Steak wird dann von beiden Seiten scharf angegrillt. Lassen Sie das Fleisch lieber zu kurz als zu lange auf dem Grill, ein paar Minuten pro Seite reichen. Englisch, allenfalls medium, auf keinen Fall darf es durch sein. Danach das saftige Steak noch etwas ruhen lassen und dann: Bon Appetit! Grillen! Besser kurz braten 76 77 b2b-lunch „Ich muss nicht um jeden Preis Fleisch essen“ Unsere spezialität Glaubt man dem Statistischen Bundesamt, geben die Deutschen vor allem für Lebensmittel weniger Geld aus als der Europäische Durchschnitt. Grund genug, einmal nachzufragen, was uns Essen eigentlich wert ist. Metzger Dirk Brunner stellt hochwertige Produkte aus besonderen Rindern her. Wir haben ihn gefragt, warum Wert auch auf unseren Tellern eine Rolle spielt. Warum sind Sie nicht den konventionellen Weg gegangen, sondern haben sich so spezialisiert? DB_Ich wusste, dass große Betriebe mit ihren Preisen immer günstiger sein werden als ich. Deshalb war mir klar, dass ich nur eine Chance habe, wenn ich auf absolute Qualität setze. Waren die Anfänge schwer? Besonders wenn es darum ging, neue Kunden zu gewinnen? DB_Noch vor zehn Jahren hatte ich es schon schwer. Auch andere Metzger haben nicht an unseren Erfolg geglaubt. Aber durch das allmähliche Umdenken in der Bevölkerung, auch dank der vielen Medienberichte, ist der Zulauf immer weiter angewachsen. Heute kommen alle möglichen Leute bei mir einkaufen, die Wert auf Qualität bei Lebensmitteln legen. Wie schwer fällt das Schlachten, wenn man so einen Bezug zu den Tieren hat? DB_Als Metzger habe ich nicht so einen engen Bezug zu den Tieren wie die Bauern. Würde ich die Tiere selbst aufziehen und ihnen noch Namen geben, dann würde es mir sehr nahegehen, sie zu schlachten. Aber ich weiß, dass es vielen sehr schwerfällt, ihre Tiere abzugeben. Deshalb gehe ich sehr respektvoll mit den Tieren um, aus Respekt vor den Bauern und vor der Sache, die man macht. ute Absol t ä t i l a u O Wo kommt Ihr Fleisch her? DB_Das Hinterwälder-Rind ist eine alte, ursprüngliche Rasse und stammt aus dem Südschwarzwald. Sie ist nicht überzüchtet, die regionalste Rasse, die wir hier haben, und wird auch zur Landschaftspf lege ein­ gesetzt. All diese Tiere wachsen unter den optimalen Bedingungen auf: Die Höhenlage des Schwarzwalds, unbehandeltes Gras, und sie haben vor allem auch genügend Zeit, um heranzuwachsen. Dementsprechend liefern sie auch qualitativ hochwertiges Fleisch. Inzwischen schlachten wir zu 90 % das Hinter­ wälder-Rind, die restlichen 10 % sind zum Beispiel Charolais-Rinder aus der Region. Steckt hinter Ihrer Arbeit auch ein Stück Idealismus? DB_Absolut, das ist ganz klar. Da geht es nicht nur darum, bloß Geld zu verdienen. Man muss das schon so wollen. Ich bin auch seit vielen Jahren Fördermitglied von Slow Food, gerade auch weil sich die Organisation für regionale Produkte und speziell die Hinterwälder-Rinder einsetzt. Dirk Brunner Metzger Was macht Ihre Spezialitäten zu etwas Besonderem? DB_Eine unserer Spezialitäten ist das Dörrle. Das ist Dörrf leisch aus den mageren Edelstücken der Kuh und meines Wissens einzigartig in Deutschland. Es wird von uns ausschließlich in BioQualität hergestellt und auch an Shops in ganz Deutschland geliefert. Viele Kunden wissen nicht, dass Metzger, die ausschließlich ihre eigenen Produkte verkaufen, in Deutschland eine absolute Ausnahme sind. Jedes Produkt, das wir verkaufen, ist komplett aus eigener Herstellung, vom Fleisch bis zur Gewürzmischung. Wir verwenden zum Beispiel hochwertiges Salz aus einer ganz alten Saline, die unter Denkmalschutz steht. Das kostet zwar das Sechsfache von normalem Speisesalz, aber die Qualität steht an erster Stelle. Und die Qualität aller Produkte spiegelt sich in der Qualität des Fleisches wider. Ist bio denn nun wirklich besser? DB_ Das kann man nicht generell sagen. Einer meiner Zulieferer hat eine riesige Weidef läche, auf der nur zwei Rinder pro Jahr grasen, das ganze Jahr verhätschelt werden und unter besten Bedingungen aufwachsen. Für mich ist das mehr „bio“ als alles andere, aber dieser Betrieb ist nicht zertifiziert, sprich, er hat kein Label. Ich würde mich deshalb nie blind auf ein Label verlassen wollen, sondern mich lieber über Haltung und Futter der Tiere informieren. Die Kunden, die nicht mein Bio-Fleisch kaufen wollen, wissen, dass mein „normales“ Fleisch genauso gut ist, weil ich keine Tiere von schlechter Qualität einkaufen würde. Für viele Kunden ist so ein Label aber zumindest ein Anhaltspunkt, dass man hier bessere Qualität erwarten kann. Hochwertigkeit beim Essen liegt also im Trend? DB_Ich denke nicht, dass es ein Trend ist. Es ist eine Lebens­ einstellung. Und das wird sich auch immer mehr durchsetzen. Die Leute, die es sich leisten können und vor allem leisten wollen, sollten mehr auf Nachhaltigkeit achten. Und das fängt bei der Ernährung an. Leider geben viele immer noch lieber Geld für unwichtige Dinge aus anstatt für Nahrungsmittel. Für mich gehört es mit zu unserer Aufgabe, das Bewusstsein der Leute zu schärfen. Wie lautet also Ihre persönliche Empfehlung für jeden Fleischliebhaber? DB_Ich kann nur jedem empfehlen, was auch Ernährungswissenschaftler sagen: weniger Fleisch essen. Ich selbst ernähre mich auf Reisen auch lieber vegetarisch, wenn ich nichts über die Herkunft des Fleisches weiß. Und dann besser hoch­werti­gere Produkte kaufen, die es wert sind, etwas mehr dafür zu bezahlen. Am besten ist es, saisonal und regional bei Händlern einzukaufen, die man kennt, und immer Infos zu den Produkten und den Produktionsbedingungen einzuholen. Damit geht es langfristig der Umwelt, der Landwirtschaft und vor allem uns besser. Und man kann ohne Reue tolle Qualität genießen. Interviewer \ Gabriel Doser info Seit 2001 ist Dirk Brunner als Metzger selbstständig. Metzgerei Brunner und Rüdlin GmbH Höllbergstraße 2, 79379 Müllheim-Hügelheim www.dermetzger.eu 78 79 rts werkstatt Neue Arbeiten_ Direkt aus unserer Werkstatt PHOENIX Wir präsentieren Ihnen die neuesten Produktionen aus dem Hause RTS Rieger Team. Entdecken Sie spannende, vielseitige und schwierige Themen – auf den Punkt gebracht. knauf mehr ertrag wurzelt in perligran®! KNAUF hat ein Herz für den professionellen Gartenbau: mit Perligran®, dem natürlichen Boden­verbesserer vulkanischen Ursprungs. Perligran® sorgt für starke Wurzeln und somit für kräftige Pflanzen und eine reiche Ernte. Ein starker Auftritt, mit dem RTS Rieger Team einen grünen Daumen beweist. PERLIGRAN® – where your roots strike success. The growing medium your cut flowers love. PHOENIX All-in-One Discover the GROWTH opportunities that lie between you and your patients YOU YOU YOUR PATIENTs Between you and your patients lie endless opportunities for GROWTH We’ll show you all of them. VISIT US AT PHARM CONNECT 2013 growth between you and your patient film www.youtube.com/rtsriegerteam Die PHOENIX group ist führend im Pharmahandel Europas. Unter dem Namen PHOENIX All-in-One bietet sie Arzneimittelherstellern ein Paket an Services, die den Weg zum Endkunden einfach machen. Und RTS Rieger Team macht es mit einer starken Idee einfach, bei Pharmakunden in ganz Europa zu überzeugen. YOUR PATIENT Pharmaceutical markets are becoming more and more complex. Success and, in particular, growth are no longer a certainty. With PHOENIX All-in-One as a reliable partner, you can tap into new opportunities for both success and growth between you and the patient. Reaching out to 115 million patients each year is one of the many ways we make that possible. 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That’s why so many mining customers depend on MTU engines, proven tough under the toughest conditions. The MTU Series 1000–1500 engine lineup doesn’t back down, offering unmatched performance while meeting EU Stage IV/EPA Tier 4 final requirements and achieving significantly low fuel consumption. Trust the best in the world for the toughest jobs in the world – anytime, anywhere. www.tougher-whatever-the-conditions.com Damit Ihre Ernte nicht ins Wasser fällt: Off-Highway Motoren von MTU. Härter als die Umstände. Nur wenn Ihren Motor nichts aufhält, ist auch der Ertrag gesichert. Auf unsere leistungsstarken Antriebe ist immer Verlass: sie sind äußerst robust, kraftstoffsparend durch innovative Technik und emissionszertifiziert nach EU Stage IV/EPA Tier 4 final. Darüber hinaus profitieren Sie jederzeit von unserem weitreichenden Serviceangebot. 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Denn sie sind äußerst robust, kraftstoffsparend und emissionszertifiziert nach EU Stage IV/EPA Tier 4 final. Darüber hinaus profitieren Sie jederzeit von unserem weltweiten und umfassenden Serviceangebot. www.haerter-als-die-Umstaende.de Mehr Informationen unter www.wacker.com/silres-bs. Oder per E-Mail an [email protected] sowie per Telefon über +49 89 6279-1741. 3421_Anz_SILRES_BS_Schutz_dt_210x297+5.indd 1 Off-Highway Motoren von MTU. Härter als die Umstände. 14.06.13 14:55 Baureihe 1300 Series 4000 Power. Passion. Partnership. Series 1000 Power. Passion. Partnership. off-highway-motoren von mtu. härter als die umstände. Für Motoren herrschen abseits befestigter Straßen etliche Gefahren. Die von RTS Rieger Team kreierte Monsterkampagne verdeutlicht diese Situation und zeigt, dass hier nur die robustesten eine Chance haben. Ob Staub, Wasser oder extreme Kälte: Off-HighwayMotoren von MTU trotzen diesen Bedingungen. Denn sie sind härter als die Umstände. \ Literatur Die Aura des Wertvollen Produkte entstehen im Unternehmen, Werte im Kopf. 80 Strategien. Was macht Dinge besonders wertvoll? Diese Frage stellt sich Mario Pricken in seinem Buch, das im Juni erscheint. Um sie zu beantworten, hat er mehr als 300 Produkte, Objekte und Ereignisse über ihren gesamten Lebenszyklus hinweg analysiert. Das Ergebnis: 80 wertstiftende Parameter wie zum Beispiel Einzigartigkeit, Verknappung oder die Wirkung von Zeit. Das Buch eignet sich als Analysewerkzeug und lädt mit 300 Trigger-Fragen dazu ein, den Wert seiner Produkte mit neuen Ideen zu steigern. Mario Pricken Verlag: Publicis Publishing ISBN: 978-3895784385 Wertvoll Vom Wert der Kunst Warum bezahlen Menschen Millionen von Euro für ein Kunstwerk? Ist es eine Geldanlage? Geht’s um das Prestige? Um die eigene Individualität? Michael Findlay beantwortet diese Fragen in seinem Buch. Der Autor untersucht den kommerziellen, gesellschaftlichen und „eigentlichen“ Wert der Kunst. Der Kunsthändler und -sammler kennt die internationale Galerieszene und lässt unterhaltsame Anekdoten aus seinen Begegnungen mit reichen Sammlern einfließen. Der stille Angriff auf Ihr Geschäftsmodell und Ihre Marke Die Digitalisierung birgt nicht nur Chancen, sondern auch Risiken. Unternehmen müssen sich – teilweise – neu erfinden und sich den neuen Strukturen anpassen. Die Autoren analysieren die Situation und geben Denkanstöße und Hilfestellung. Denn: Den Kopf in den Sand stecken ist jetzt nicht die richtige Strategie. Gebr auchswert \ online Digitaler Darwinismus Ralf T. Kreutzer & Karl-Heinz Land Verlag: Springer Gabler ISBN: 978-3-658-01260-1 Voll digital Michael Findlay Verlag: Prestel ISBN: 978-3-7913-4639-7 Ein Insider erzählt Alles nur Konsum Kritik der warenästhetischen Erziehung Konsumprodukte werden oft ähnlich aufwändig inszeniert wie Kunstwerke. Da wird der Gebrauchswert der Güter zur Nebensache, die Gestaltung zum Hauptargument und der Konsument zum Kurator. Wolfgang Ullrich ist Kunstwissenschaftler und Konsumkritiker – jedoch keiner von der belehrenden Sorte. Er wertet die Konsumkultur auf und hinterfragt sie dennoch kritisch. Er analysiert scharf und beschreibt anschaulich mit vielen Beispielen und Anekdoten. Ein Buch, das anregt: zum Nachdenken – und vielleicht auch zum Um­ denken. Wolfgang Ullrich Verlag: Klaus Wagenbach ISBN: 978-3803126993 kunstvoll www.b-2-b.de \ Impressum Herausgeber RTS Rieger Team Werbeagentur GmbH Stuttgart: Bunsenstraße 7–9 70771 Leinfelden-Echterdingen E-Mail: [email protected] Düsseldorf: Schanzenstraße 20 a 40549 Düsseldorf E-Mail: [email protected] Redaktion Jörg Dambacher (V. i. S. d. P.), Lisa Bittner, Gabriel Doser, Stephan Fuß, Mona Krebs, Claudia Polster www.rts-riegerteam.de E-Mail: [email protected] B2B-Blog: www.b-2-b.de weitere fotografen Jürgen Rösner, Volker Schrank Titelfoto/Fotostrecke Steffen Jahn gestaltung Eva Höfer („Das traditionelle Marketing“, „Wertschätzung“, „Die Kauf­entscheidung im Gehirn“, „Centerfold“, „B2B-Lunch“), Bernhard Hütter („Die Aura des Wertvollen“, „Lifestyle“), Boris Pollig, Stefanie Walkenfort („Leitartikel“, „Schneller mit kleinen Schritten“, „Glosse“, „B2B-Travel“) Satz Anja Behrmann produktion JUNG PRODUKTION, Stuttgart Beiträge, die mit Namen gekennzeichnet sind, stellen nicht unbedingt die Meinung der Redaktion dar. Nachdruck, auch auszugsweise, sowie ander­weitige Vervielfältigung sind nur mit Zustimmung des Herausgebers gestattet. Mit Ausnahme der gesetzlich zugelassenen Fälle ist eine Verwertung ohne Einwilligung des Herausgebers strafbar. Alle Rechte vorbehalten. © by RTS Rieger Team Werbeagentur GmbH Anzeige Wir haben Ihnen ein Shirt ermöglicht, das komplett aus Deutschland stammt. Ein Shirt gegen die Ausbeutung von Mensch und Natur. Oder anders: ein Shirt mit Zeit für ein Wirtschaftswunder fairer Entlohnung, transparenter Herstellung und kurzen Transportwegen. Klingt wie ein Märchen? Fast. Es klingt wie ein Wunder: Ihr eigenes Wirtschaftswunder. Fa st Au s v Je t z t sc hnel l l e er k auf t : mpl a r e s ic tzte exe 39,90 € zzgl. V ersand Wirtschaftswunder made by rts rieger team www.wirtschaftswunder-store.de her n.