Ausstellungsinformation - Staatliches Museum für Naturkunde Stuttgart

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3. 7. – 5. 10. 2014
Die Hirsche oder Geweihträger (Cervidae) gehören mit
etwa 50 Arten nicht zu den besonders artenreichen Familien der Säugetiere. Ökologisch spielen sie aber eine große
Rolle: Hirsch und Reh sind die größten Pflanzenfresser
der heimischen Wälder; Rentiere prägen den Lebensraum
Tundra ganz entscheidend. Auffälligstes Merkmal der
Hirsche: Das Geweih der Männchen. So verschieden sie
aussehen – eines haben alle Geweihe gemeinsam: Sie sind
Wegwerfartikel. Sie sind teuer in der Herstellung, werden
nur kurz genutzt und dann schon wieder abgeworfen. Warum diese Verschwendung? Die Erklärung dafür liefert die
Darwin‘sche Evolutionstheorie.
Davidshirsch
Elaphurus (Cervus)
davidianus
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Ein Geweih vom
Reh, ein Paar Hörner von
der Dorkasgazelle und eine
Kreuzung aus beiden? Die Hörner
des Gabelbocks haben wie jene der
Rinderartigen (Familie Bovidae) permanente, unverzweigte Knochenzapfen,
werfen die gegabelte Hornscheide
jedoch jedes Jahr nach der Brunft ab,
ähnlich wie Hirsche das Geweih.
Gabelböcke gelten als die ursprünglichsten Stirnwaffenträger und sind
weder mit Rinderartigen noch
mit Hirschartigen nahe
verwandt.
Sumpfhirsch
Blastocerus
dichotomus
Der ostasiatische Davidshirsch ist in freier Wildbahn
ausgestorben. In Gefangenschaft
– anfangs im kaiserlichen Jagdpark
bei Peking, später in England und zurück in China – konnten jedoch Populationen erhalten werden. Da deren Größe
steigt, wird eine Wiederauswilderung
diskutiert. Namensgeber war der französische Missionar Pater Armand David,
der den Hirsch mit dem nach hinten
verzweigten Geweih 1865 für die
Wissenschaft entdeckte.
Der große südamerikanische Sumpfhirsch bildet ein dichotom verzweigtes Geweih mit meist vier
Enden pro Stange. Geweihabwürfe
können das ganze Jahr über beobachtet werden. Durch vergrößerte Hufe
sind die selten gewordenen Hirsche
sehr gut an ein Leben in Sumpf- und
Überflutungsbereichen angepasst. Sie
folgen den sich ausbreitenden und
zurückziehenden Wassermassen
und haben somit teilweise sehr
große Aktionsräume.
STAATLICHES
MUSEUM FÜR
NATURKUNDE
STUTTGART
Museum am Löwentor
www.naturkundemuseum-bw.de
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Mesopotamische
Damhirsche leben heute
noch in wenigen isolierten
Populationen im Iran, in Israel
wurden sie wieder eingeführt.
Die Tiere sind größer als ihre nahen Verwandten, das europäische
Damwild. Ihnen fehlt aber die für
jene charakteristische Schaufel
am Stangenende, die am
Damhirsch-Geweih im hier
gezeigten Stammbaum
zu sehen ist.
Mesopotamischer
Damhirsch
Dama mesopotamica
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Im großen Bogen nach
hinten verlaufende Stangen
und ebenso bogenförmig nach
vorn verlaufende lange Augsprossen
sind ein besonderes Merkmal des
südostasiatischen Leierhirsches. Die
vorwiegend dämmerungs- und nachtaktiven Hirsche leben heute weit verstreut
in voneinander isolierten, teilweise stark
bedrohten Populationen in China, Indien, Kambodscha, Laos, Myanmar
und Vietnam.
Der Sambar ist ein sehr
großer, dämmerungs- und
nachtaktiver Hirsch höhergelegener süd- und südostasiatischer
Wälder. Der Abwurf der pro
Stange fast immer dreiendigen,
mächtigen Geweihe der Männchen
ist in manchen Populationen nicht
synchronisiert, sodass gleichzeitig
Hirsche in ganz verschiedenen
Geweihbildungsstadien beobachtet werden können.
Ren
Rangifer
tarandus
10
Der ausgestorbene
Schomburgk-Hirsch lebte bis
in die 1930er Jahre hauptsächlich in offenen Sumpflandschaften
Thailands. Vereinzelte Hinweise auf
ein Überleben der Tiere im Norden
Laos‘ konnten trotz intensiver Suche
bislang nicht bestätigt werden. Benannt
wurde die Art mit dem stark verzweigten Geweih nach Sir Robert Hermann
Schomburgk (1804-1865), einem
deutschen Forschungsreisenden
und britischen Konsul in
Bangkok.
Das Ren oder
Rentier kommt in großen
Teilen des nördlichen Eurasiens und Nordamerikas vor. Die
amerikanischen Karibus gehören zur
selben Art wie die eurasischen Rener
(ja, der Plural ist korrekt!). Das Ren ist
die einzige Hirschart, bei der sowohl
Männchen als auch Weibchen Geweihe
tragen – immer asymmetrisch und bei
allen Tieren verschieden. Die Geweihe
der Kühe sind kleiner und werden erst
nach dem Winter abgeworfen, bei
Bullen davor. Auffällig ist die verbreiterte Augsprosse, die „Schneeschaufel“. Einzigartig ist auch die
3000-jährige Geschichte der
Domestikation dieser Art.
Schomburgk-Hirsch
Rucervus schomburgki
3
Dieser kleine bis
mittelgroße Hirsch des
südamerikanischen Graslands
trägt meist etwa 30cm lange Geweihstangen mit einer großen Augsprosse sowie einem gegabelten Ende.
Der Pampashirsch kommt teilweise in
den gleichen Gebieten wie der größere
Sumpfhirsch vor, bevorzugt aber meist
trockenere Bereiche. Einst sehr häufig
und weit verbreitet, wurden die Populationen dieses Hirsches durch
Umwandlung natürlicher Grasländer in Agrarflächen ­
stark dezimiert.
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Pampashirsch
Ozotoceros bezoarticus
Elch
Alces alces
Diesen gewaltigen Elch erlegte Robert Bosch am
08.09.1924 in Kanada. Oft auch Statussymbol,
sind Trophäen besonders großer Tiere schon
lange beliebtes Ziel der Großwildjagd. Schon die
frühen Eiszeitjäger nutzten Geweihe nicht nur als
Rohmaterial für Werkzeug, Schmuck und Kultgegenstände, sondern vermutlich auch, um
ihren Rang in der Gemeinschaft zu verdeutlichen. Heutigen „Zivilisationsjägern“
dienen Reh- oder Hirschgeweihe
hauptsächlich der Erinnerung
an das Jagderlebnis.
Die asiatischen Muntjaks sind kleine Hirsche
mit kleinen, auf langen, befellten
Rosen sitzenden Geweihen, die nur
1-2 Enden je Stange ausbilden. Charakteristisch sind die stark verlängerten,
als Waffe dienenden oberen Eckzähne.
Mehrere Arten dieser scheuen Waldbewohner wurden erst in den vergangenen
20 Jahren in den Regenwäldern Südostasiens entdeckt. Indische Muntjaks
besitzen die niedrigste Chromosomenzahl aller Säugetiere: insgesamt 6 beim Weibchen und
7 beim Männchen.
Riesenhirsch
Megaloceros
giganteus
Charakteristisch für
den amerikanischen Weißwedelhirsch sind mehrere (meist
je vier) nach oben abstehende
Sprossen an den halbkreisförmig nach
vorn gebogenen Geweihstangen. Der in
Nord- bis Südamerika häufig vorkommende, mittelgroße Hirsch gilt als Kulturfolger
und wurde auch in Europa und Neuseeland eingeführt.
In seinem großen Verbreitungsgebiet
variieren sowohl Größe und Gewicht der Tiere als auch Zeitpunkte des Stangenabwurfs.
Der mit dem
Damhirsch verwandte
Riesenhirsch Megaloceros
giganteus lebte vor etwa 400 000
bis 7700 Jahren in einem großen
Verbreitungsgebiet von Irland bis Zentralsibirien. Etwa so groß wie ein Elch,
aber leichter gebaut, war er nicht der
größte Hirsch aller Zeiten, aber der
mit dem größten bekannten Geweih.
Diese mächtigen Stirnwaffen konnten eine Spannweite von mehr
als 3,5 m und ein Gewicht
von mehr als 40 kg
erreichen.
Indischer Muntjak
Muntiacus muntjak
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Weißwedelhirsch
Odocoileus
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Hörner, z.B. bei Rindern, sind nicht verzweigt und bestehen
aus einem dauerhaften Knochenzapfen und dessen stark
verhornter Oberhaut, der Hornscheide. Außer beim Gabelbock wird die Hornscheide nicht abgeworfen. Das oft stark
verzweigte Geweih der Hirschartigen ist eine Wucherung des
Stirnknochens und wächst jährlich neu aus zwei zapfenförmigen Knochengebilden, den Rosenstöcken. Die das Geweih
anfangs überziehende Haut, Bast genannt, stirbt nach Bil-
Weshalb gibt es eigentlich Geweihe? Geweihe haben mehrere
dung der Stangen ab und wird „gefegt“. Nach der Brunftzeit
Funktionen: z.B. als Verteidigungswaffe gegen Raubtiere, als
wird das Geweih abgeworfen und zur nächsten Saison neu
Waffe im gleichgeschlechtlichen Kampf um Territorien und
gebildet.
Weibchen und als Kopfschmuck für die Werbung um Paarungs-
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partner. Den einzigen Geweihträgerinnen – vielen, aber nicht
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Rothirsch
Cervus elaphus, ‘Krone‘
allen weiblichen Rentieren – sind die aufwändigen Strukturen
vermutlich auch bei innerartlicher Nahrungskonkurrenz von Vorteil. Bei einigen an dichte Wälder angepassten Arten wie den
Muntjaks und Wasserrehen haben sich Geweihe zurückgebildet.
Stattdessen entwickelten sich verlängerte obere Eckzähne als
Geweihe dienen ihren Trägern als Waffe und als Ornament.
Kampfwaffe und Ornament.
Die männlichen Geweihträger konkurrieren mit Geschlechtsgenossen um den Zugang zu Weibchen. Je größer und prächti-
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ger das Geweih ist, desto besser schneiden sie in Schau- oder
Beschädigungskämpfen ab (intrasexuelle Selektion) und desto
höher stehen sie bei potenziellen Partnerinnen im Kurs (intersexuelle Selektion oder Partnerwahl).
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20
Der „RothirschKomplex“ ist vielfältiger als
lange angenommen. Die meisten
Wissenschaftler unterteilen ihn heute
in zwei Arten – die nordamerikanischen
und ostasiatischen Wapitis (Cervus canadensis) und die auch bei uns heimischen
Rothirsche (C. elaphus) – jeweils mit zahlreichen Unterarten. Sikahirsche (C. nippon)
und Weißlippenhirsche (C. albirostris) sind
genetischen Studien zufolge nahe mit
dem Wapiti und nicht unmittelbar mit
dem westlichen Rothirsch verwandt.
Eine Revision der Artnamen ist
also (wieder mal) nötig!
Durch Verletzung, hormonelle oder Stoffwechsel-Störungen
Spießer, Kronenhirsch, Schadhirsch – so interessant wie die
kommt es zuweilen zu Geweihmissbildungen. Je nach Art, Ort
Bezeichnungen einzelner Geweihstadien ist der Ablauf ihrer
und Dauer der Verletzung oder sonstigen Störung kann diese
Bildung. Jedes Jahr – mit jedem „Kopf“ – wird ein neues Ge-
dauerhaft oder mit dem Abwurf beseitigt sein. So bereichern
weih gebildet, meist mit zusätzlichen Sprossen (Enden). Viele
„Absenker“, „Muschelrosen“, „Pendelstangen“, „Perücken-“,
Gabler (mit vier Enden) sind zwar zwei Jahre und viele 6-En-
„Tulpen-“, „Korkenzieher-“ oder „Doppelkopfgeweihe“ viele
der drei Jahre alt, doch gibt es in allen Altersstufen
Trophäensammlungen – und auch unser „museum spezial“.
erhebliche Entwicklungsunterschiede. Im hohen
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Alter nimmt die Anzahl der Sprossen üblicherweise
wieder ab. Auch der prächtige, 18-endige Kronenhirsch wird, ein langes Leben vorausgesetzt, ultimativ zum
Krone
Schadhirsch oder „Mörder“ mit einer langen dicken Stange
und Augsprosse.
Stange
Mittelsprosse
18
Eissprosse
Augsprosse
Rose
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