Manuskript

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Hessischer Rundfunk
hr2-kultur
Redaktion: Regina Oehler
Wissenswert
Tierportrait: Eidechsen
von
Diemut Klärner
Sendung: 11.06.2012, 08.40 Uhr, hr2-kultur
Regie: Marlene Breuer
Sprecherin:
12-063
Copyright
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Atmo Feldgrille
Sprecherin
Wenn es ums Wetter geht, haben Eidechsen ganz ähnliche Bedürfnisse wie Grillen.
Da sie ihre Körperwärme nicht selbst produzieren können, brauchen sie wärmende
Sonnenstrahlen. Die Zauneidechse zum Beispiel lässt sich im Norden von Hessen
ebenso beim Sonnenbaden beobachten wie im Süden - allerdings nur in Biotopen,
die ihr genügend Futter bieten. Dr. Gunther Köhler, der Fachmann für Reptilien am
Forschungsinstitut Senckenberg:
O-Ton 04
Man sollte nicht den Fehler machen und z.B. versuchen, weil man Eidechsen
gerne mag, diese in seinen eigenen Garten zu holen. Die würden schlichtweg
verhungern, bzw. bevor sie verhungern abwandern. Abgesehen davon ist es
natürlich hochillegal, denn die Zauneidechse gehört zu den streng
geschützten Arten in Deutschland. Man darf sie also weder fangen noch
woanders hinbringen,
Sprecherin
und das gilt auch für alle anderen Eidechsenarten, die hierzulande heimisch sind.
Neben der Zauneidechse ist das die kleine braune Waldeidechse, die ähnlich kleine,
aber sehr seltene Mauereidechse und die Smaragdeidechse. Die prächtig grüne
Smaragdeidechse ist wie die Mauereidechse eher südlich der Alpen zu Hause. In
Deutschland macht sie sich ausgesprochen rar.
Bei Zauneidechsen zeigen nur die Männchen ein leuchtendes Grün, und auch das
nur während der Paarungszeit, und nicht am ganzen Körper. Die Hinterbeine, der
Schwanz und ein Streifen auf dem Rücken bleiben ausgespart. Sie sind - wie bei
weiblichen Zauneidechsen - stets ähnlich bräunlich mit hellen und dunklen Flecken,
Atmo Raben
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Sprecherin
Aus der Vogelperspektive sind auch die männlichen Zauneidechsen dank dieser
Tarnfärbung gar nicht so auffällig. Wenn ein Männchen einem anderen begegnet,
präsentiert es jedoch seine grell grüne Breitseite.
O-Ton 01
Die männlichen Zauneidechsen verteidigen ihr Revier, insbesondere eben zur
Fortpflanzungszeit. Und dann kann man auch vehemente Kämpfe zwischen
männlichen Zauneidechsen beobachten. Die Tiere jagen sich, sie verbeißen
sich zum Teil auch ineinander, und das gehört alles dazu, denn der Stärkste
wird sein Revier verteidigen, und der Stärkste hat dann auch die besten
Chancen, sich mit Weibchen zu paaren.
Sprecherin
In einem attraktiven Revier muss es auf jeden Fall sonnige Stellen geben, an denen
sich die Zauneidechsen aufwärmen können. Ebenso wichtig sind Versteckplätze, die
bei unwirtlichem Wetter Unterschlupf bieten oder Zuflucht bei Gefahr. Außerdem
muss es in der Nähe genug zu fressen geben.
Atmo Feldgrillen und Schafe
Sprecherin
Früher waren Wiesen und Weiden ein günstiges Terrain für Insekten, Spinnen und
andere kleine Beutetiere. Auch an Wegrainen fand die Zauneidechse oft gute
Lebensbedingungen, und sogar in Gärten tauchte sie auf.
Heutzutage gibt es allerdings kaum noch Gärten, in denen Zauneidechsen heimisch
werden könnten, in den Dörfern selten und mitten in der Stadt schon gar nicht.
Atmo Heuschrecken
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O-Ton 03
Wenn man z.B. aber etwas am Stadtrand wohnt und angrenzend eine große
Wiese mit vielen Insekten hat, dann kann es durchaus sein, dass Eidechsen
sich dort halten.
Atmo Goldammer
Sprecherin
Vorausgesetzt, die Lage ist sonnig genug. Der Eidechsennachwuchs braucht nämlich
noch wärmeres Terrain als die erwachsenen Tiere. Deshalb müssen die
Zauneidechsen den Platz, an dem ihre Eier ablegen, sorgfältig aussuchen.
Atmo Heuschrecken
Sprecherin
Besonders geeignet sind sandige Böden. Sie wärmen sich schnell auf, und es gräbt
sich dort leicht. Allerdings muss die Eidechse vermeiden, dass der Sand ins
Rutschen gerät.
O-Ton 05
Wenn sie also eine Höhle gräbt, dann wird sie das z.B. unter Grasbüscheln
versuchen, da wo der Boden ein bisschen Halt bietet durch das Wurzelwerk,
Sprecherin
schließlich muss die Grube so groß werden, dass die Zauneidechse dort ihr
gesamtes Gelege unterbringen kann.
O-Ton 06
5,6,7,8,9,10, vielleicht auch mal 12 Eier, das hängt von der Weibchengröße ab.
Jüngere Weibchen setzen weniger Eier ab, ältere Weibchen, größere
Weibchen entsprechend größere Gelege, also mehr Eier. Und das Tier wird
dann versuchen, einen guten Platz zu finden, setzt die Eier ab, verschließt die
Höhle wieder mit Substrat, und das war’s dann auch. Das Weibchen verlässt
ihr Gelege, und die Eier werden von der Sonne ausgebrütet. Die Jungen
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schlüpfen und sind von vorneherein, von Geburt an oder vom Schlupf an auf
sich selbst gestellt.
Sprecherin
Wann die jungen Zauneidechsen schlüpfen, das hängt vor allem vom Wetter ab.
Wenn es schön warm und sonnig ist, dann kann die Entwicklung der Embryonen
schon nach sechs Wochen abgeschlossen sein. Bei kühlerem Wetter dauert es etwa
acht Wochen, manchmal auch zehn Wochen.
In dieser Zeit leben die heranwachsenden Eidechsenjungen von dem Dottervorrat,
den ihnen die Mutter mitgegeben hat.
O-Ton 07
Und von dem zehren sie auch noch die ersten Lebenstage nach dem Schlupf.
Aber dann beginnen sie eben, selbst zu jagen, fangen kleinste Insekten, kleine
Spinnen, vielleicht auch mal eine Raupe, also was sie finden können, was sie
überwältigen und verschlingen können. Und das müssen sie nicht lernen, das
ihnen praktisch angeboren, da folgen sie ihrem Instinkt. Und das machen sie
eben offensichtlich ja seit langer, langer Zeit, seit Jahrmillionen sehr
erfolgreich.
Sprecherin
Mittlerweile wird ihnen das Leben jedoch vielerorts schwer gemacht. Es fehlt
hierzulande immer mehr an Biotopen, die den Eidechsen reiche Jagdgründe bieten
könnten. In vielen Regionen sind Wiesen und Wegraine aus der Landschaft
verschwunden. Sie mussten Häusern und Straßen weichen, wurden in Ackerland
umgewandelt oder sind einfach zugewachsen mit dichtem Gebüsch. Und selbst wo es
noch Wiesen gibt, wird oft so üppig gedüngt und so häufig gemäht, dass sich dort
kaum noch Insekten tummeln.
Auf eine reichhaltige Insektenfauna sind die Eidechsen aber angewiesen. Nur unter
dieser Voraussetzung können sie wachsen und gedeihen.
Atmo Heuschrecken
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Sprecherin
Wenn hungrige Eidechsen zum Beispiel einen Grashüpfer aufspüren, dann verlassen
sie sich vor allem auf ihre scharfen Augen. Sie haben ihre Umgebung genau im Blick
und reagieren sofort, wenn eine mögliche Beute in ihrem Blickfeld auftaucht.
Gunther Köhler vom Forschungsinstitut Senckenberg
O-Ton 08
Sie sehen eine Bewegung eines Grashüpfers z.B., springen hin und fressen
den. Aber sie haben auch einen sehr gut entwickelten Geruchsinn oder
Geschmacksinn, also einen olfaktorischen Sinn. Und deshalb kann man
Eidechsen immer wieder beim Züngeln beobachten. Die Tiere strecken ihre
Zunge aus dem Maul heraus, nehmen prüfend von Gegenständen, von
Artgenossen oder auch einfach aus der Luft Duftstoffe mit der Zunge auf und
führen die ins Maul zurück zu einem Organ, das diese Duftstoffe auswertet,
Sprecherin
das ist das Jacobsonschen Organ. Es besteht aus zwei Vertiefungen im Oberkiefer, in
denen spezielle Sinneszellen sitzen, empfindlich für verschiedenartige chemische
Substanzen. Mit dem Jacobsonschen Organ haben die Eidechsen einen guten
Riecher für vielversprechende Beute. Sie sind allerdings nicht nur versierte Jäger,
sondern oft auch Gejagte.
Atmo Raben
Sprecherin
Es gibt viele Vögel, große und kleine, die gerne Eidechsen fressen. Außerdem gilt es
vor Schlangen auf der Hut zu sein, vor Igeln und vor Hauskatzen. Und einer kleinen,
frisch aus dem Ei geschlüpften Eidechse können sogar Spitzmäuse gefährlich
werden.
Atmo Schritte
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Sprecherin
Auf nahende Schritte reagieren Eidechsen ebenso empfindlich wie auf plötzlichen
Schatten. Oft sieht man gerade noch, wie ein langer, dünner Schwanz unter Laub
oder Gras verschwindet. Einem hungrigen Vogel ergeht es ähnlich, er bekommt eine
Eidechse am ehesten am Schwanz zu fassen. Mit einem Trick kann die so Attackierte
dann ihr Leben retten: Sie wirft ihren Schwanz einfach ab. Genau genommen ist das
aber gar kein aktiver Vorgang. Ein Eidechsenschwanz bricht ganz von allein ab.
O-Ton 09
Die Wirbel haben Sollbruchstellen. Und durch eine im Prinzip ruckartige
Bewegung, wenn der Schwanz festgehalten wird, dann kann das Tier eben den
Schwanz verlieren
Sprecherin
und so mit knapper Not entwischen. Zurück bleibt der Angreifer mit dem
Eidechsenschwanz im Schnabel. Die Eidechse ist dann mit dem Leben
davongekommen, muss zunächst aber ohne Schwanz zurechtkommen. Nur langsam
wächst ihr ein neuer.
O-Ton 10
Das Nachwachsen des Schwanzes nimmt natürlich etwas Zeit in Anspruch.
D.h. so ein Tier bildet dann nach dem Abwerfen des Schwanzes in den ersten
2-3 Wochen erst mal so einen kleinen Stummel, einen kleinen Kegel aus, der
über die Wochen und Monate dann eben immer weiter auswächst, so dass
eben dann am Ende das Tier schon einen ansehnlich langen Schwanz haben
kann,
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Sprecherin
der fast genauso aussieht wie das Original. Wenn die Eidechse dann wieder einmal in
die Klemme gerät, kann sie ihren nachgewachsenen Schwanz auch wieder verlieren.
Wo sich Waldeidechsen sonnen, lassen sich fast immer Tiere entdecken, die ihren
Schwanz erst vor kurzem eingebüßt haben. Diese kleinen braunen Eidechsen
kämpfen nicht um ein eigenes Revier. Sie dulden andere Männchen in der Nähe und
lassen sich deshalb oft in Gruppen beobachten.
In Deutschland ist die Waldeidechse die weitaus häufigste Eidechsenart. Mit eher
kühlem und feuchtem Wetter kommt sie besser zurecht als andere. In Skandinavien
ist die Waldeidechse sogar am Polarkreis heimisch, und in Mitteleuropa bevölkert sie
auch Bergregionen. Deshalb wird sie auch Bergeidechse genannt.
Atmo Vögel
Sprecherin
Im Wald ist die Waldeidechse allerdings nur auf Lichtungen anzutreffen oder an
breiten Waldwegen, wo die Sonnenstrahlen bis zum Boden vordringen. Denn wie alle
Eidechsen müssen auch die Waldeidechsen Sonnenwärme tanken, um auf
Betriebstemperatur zu kommen.
O-Ton 11
Nur dann können sie selbst auf Nahrungssuche gehen, können verdauen usw.
(All diese Prozesse laufen nur ab, wenn die Tiere praktisch in ihrem, man sagt
physiologischen Bereich, (also normale) in ihrem normalen Betriebsbereich
funktionieren.) Bitte diesen Satz weglassen, wenn der Versprecher stört und
sich nicht tilgen lässt
Sprecherin
Um einen Partner zu finden und sich zu paaren, brauchen die Waldeidechsen
ebenfalls eine ausreichend hohe Körpertemperatur. Anders als Zauneidechsen
brauchen sie aber kein besonders warmes, sonniges Terrain, um dort ihre Eier
abzulegen.
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O-Ton 12
Als Anpassung an die etwas kühleren Lebensräume hat die Waldeidechse eine
Strategie entwickelt, bei der sie die Eier praktisch im Mutterleib zurückhält
und somit die Eiablage so lange verzögert, bis die Jungtiere praktisch
schlupfreif sind.
Sprecherin
Die Eier – im Durchschnitt ein halbes Dutzend – werden sozusagen im Körper der
Mutter ausgebrütet.
O-Ton 13
Und das macht Sinn, denn die Weibchen können natürlich durch Wahl ihres
Aufenthaltsorts die Sonne viel besser ausnutzen, als wenn die Eier fest an
einem Ort vergraben sind. Denn die Sonne wandert ja, und im Wald hat man
dann praktisch zu einer bestimmten Tageszeit einen Bereich, der
sonnenbeschienen ist. Aber zwei Stunden später ist der im Schatten, und ein
anderer Bereich ist in der Sonne.
Sprecherin
Da ist es gut, wenn die Eidechsenweibchen mitwandern können, von einem
Sonnenfleck zum andern. So bieten sie den heranwachsenden Embryonen immer
wieder eine optimale Temperatur. An ihrer Körperfülle sind diese schwangeren
Waldeidechsen leicht zu erkennen.
Atmo Grillen und Schafe
Sprecherin
Es gibt aber auch Waldeidechsen, die Eier legen, wie bei Eidechsen sonst allgemein
üblich. Solche Waldeidechsen finden sich nur im äußersten Süden des
Verbreitungsgebiets, in Südfrankreich zum Beispiel. Und im Vergleich mit anderen
Eidechsenarten bleiben die Eier auf jeden Fall außergewöhnlich lange im Mutterleib.
Dort können die Sprösslinge schon ein ganzes Stück heranwachsen.
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O-Ton 14
Diese Embryonen sind schon sehr, sehr weit in ihrer Entwicklung, wenn die
Eier abgesetzt werden, und vollenden vielleicht noch die letzten zwei, drei
Wochen ihrer Entwicklung. Aber das sind nur ganz wenige Populationen der
Waldeidechse. Die meisten Populationen der Waldeidechse, also sicherlich in
95% ihres gesamten geografischen Areals, sind ovovivipar, d.h. Eilebendgebärend. Die behalten die Eier so lange im Mutterleib zurück, bis die
Jungen schlupfreif sind. Und es werden de facto dann Jungtiere geboren, die
noch in dünnen Eihüllen sind, aber die durchbrechen sie praktisch sofort nach
der Geburt. Also Geburt und Schlupf fallen da zusammen.
Sprecherin
Neugeborene Waldeidechsen sind kaum länger als ein Streichholz. Und weil sie erst
im Spätsommer zur Welt kommen, bleibt ihnen nicht viel Zeit, um noch ein bisschen
zu wachsen und Energiereserven für den Winter zu sammeln.
Wie sich ihr Leben ändert, wenn die Tage kürzer werden, erklärt Gunther Köhler.
O-Ton 15
Dann beginnen die Eidechsen, ein Überwinterungsquartier zu suchen, also
einen Bereich, wo sie vor Frost geschützt sind und sicher den Winter
verschlafen können. Und während dieser Zeit wird der Stoffwechsel
runtergefahren, und die Tiere verfallen im Prinzip in eine Art Winterstarre, in
der sie auch nur minimal Energie und Nährstoffe verbrauchen,
Sprecherin
so harren sie dann aus bis zum nächsten Frühling. Für Waldeidechsen ist selbst
Frost nicht unbedingt tödlich. Sie überleben mitunter sogar dann, wenn ein Teil ihrer
Körperflüssigkeit zeitweilig zu Eis erstarrt. Zauneidechsen sind allerdings weniger
hart im Nehmen. Bei allzu eisigen Temperaturen haben sie deutlich schlechtere
Chancen, heil über den Winter zu kommen und den nächsten Frühling zu erleben.
Atmo Vögel oder Atmo Goldammer
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