Römischer Imperialismus in Germanien?

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Geschichte
Wladimir Danilow
Römischer Imperialismus in Germanien?
Römische Germanienpolitik des frühen
Prinzipats
Magisterarbeit
Römischer Imperialismus in Germanien?
Römische Germanienpolitik des frühen Prinzipats
Magisterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades
MAGISTER ARTIUM (M.A.)
im Fach Geschichtswissenschaft
an der Universität Osnabrück
Vorgelegt von Wladimir Danilow
Osnabrück, März 2008
Wladimir Danilow
Studiengang: Geschichte, Politikwissenschaft, Philosophie (MA)
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
3
2. Quellenlage
6
3. Roms frühere Begegnungen mit Germanen
10
Kimbern und Teutonen
10
Caesars Begegnungen mit Germanen
19
4. Frühe augusteische Germanienpolitik
34
4.1 Agrippa am Rhein
34
4.2 Die Beurteilung der clades Lolliana in den Quellen und in der modernen
Forschung
4.3 Die Feldzüge des Drusus in den Jahren 12 bis 9 v. Chr.
5. Die Weiterführung der Germanienpolitik durch Tiberius
37
40
47
5.1 Germanienoperationen bis zum Römisch - Germanischen Krieg
47
5.2 Der Römisch - Germanische Krieg von 9 bis 16 n. Chr.
54
5.2.1 Die Bedeutung der clades Variana in den Quellen und in
der modernen Forschung
5.2.2 Römische Germanienpolitik zwischen 9 und 16n. Chr.
54
64
5.2.3 Die Gründe und die Deutung der Abberufung des Germanicus
durch Tiberius in der modernen Forschung
75
6. Fazit: Imperialismus - Problematischer Umgang mit einem modernen Begriff
80
7. Quellen- und Literaturverzeichnis
86
2
1. Einleitung
Die Arbeit beschäftigt sich mit der römischen Germanienpolitik des frühen
Prinzipats während der augusteischen und tiberischen Herrschaft.
Auch wenn der Begriff „Germanen“ in der Forschung regen Gebrauch
findet, ist dieser nicht unproblematisch. Es ist schwierig zu sagen, ob es die
Germanen überhaupt gab und welche Völker dazu gezählt werden dürfen
und müssen. Wenn im antiken Rom von den Germanen gesprochen wurde,
so waren es meist einzelne Stämme, mit denen sich Rom entweder im
Krieg befand oder auch Beziehungen freundschaftlicher Natur unterhielt.
Denn den germanischen Stämmen war der Gedanke einer einheitlichen
germanischen Nation mehr als fern, mag es manchmal wie im Falle des
Arminius anders ausgesehen haben. Wenn der Begriff „Germanen“ in
dieser Arbeit benutzt wird, so wird dieser synonym für die jeweils gemeinten
Stämme gebraucht.
Das Ziel der Arbeit besteht darin, zum einen die Beziehungen der Römer
mit den germanischen Stämmen darzustellen, zum anderen soll der
Versuch unternommen werden aufzuzeigen, ob und inwiefern es sich bei
der römischen Politik um eine imperialistische gehandelt hatte.
Der Aufbau der Arbeit ist chronologisch. Nach der Vorstellung der
Quellenlage werden im Kapitel 3 die früheren Begegnungen der Römer mit
den Germanen erörtert. Der Einfall der Kimbern und der Teutonen hat
sicherlich wenig mit den römischen Expansionen direkt zu tun, zeigte jedoch
mit aller Deutlichkeit, daß das römische Imperium durchaus verwundbar
war. Ähnlich wie bei den Kelteneinfällen oder dem Krieg gegen Hannibal
stand Rom vor zwei Möglichkeiten. Entweder alles zu verlieren oder durch
einen Sieg das römische Ansehen weit außerhalb der Einflußzone zu
vergrößern. Mit dem Sieg über die Kimbern und Teutonen war Rom jedoch
nicht in der Lage, die latente „Barbarengefahr“ endgültig zu beseitigen.
Diese wurde von Zeit zur Zeit heraufbeschworen, wenn auch eher zu
propagandistischen Zwecken.
Ebenfalls im dritten Kapitel tritt der letzte große republikanische Eroberer in
Erscheinung. Caesars Verdienst, - aus der Sicht der Großmacht Rom -, war
es neben der Unterwerfung Galliens innerhalb einer relativ kurzen Zeit auch
der Sieg über Ariovist, einen germanischen Fürsten. Mit der Eroberung
3
Galliens erstreckte sich nun das Einflußgebiet der Römer bis an den Rhein.
Caesar verdankten die Römer auch einige genaue Aufzeichnungen über die
Germanen. Bis zu diesem Zeitpunkt gingen die Vorstellungen der Römer
selten über die Mythen hinaus.
Im Kapitel 4 geht es um die Politik Roms in Germanien in den frühen
Regierungsjahren des ersten Princeps. Das Wirken Agrippas am Rhein und
der Ausbau der römisch-germanischen Beziehungen unter dem engsten
Freund und Berater Augustus’ sollen erörtert werden.
Die clades Lolliana war ein erstes richtiges Anzeichen dafür, daß die
Übertragung des römischen Einflusses auf das germanische Territorium
nicht ohne Probleme ablaufen würde. Die Bewertung dieser Niederlage in
den Quellen und in der heutigen Forschung soll diskutiert werden.
Schließlich sollen im dritten Kapitel die von Augustus geplanten und von
Drusus durchgeführten Feldzüge ins innere Germaniens dargestellt werden.
Die Feldzüge des Drusus’ sind ein deutliches Zeichen dafür, daß Augustus
gewillt
war,
den
Einfluß
des
Imperium
Romanum
in
Germanien
durchzusetzen, wenn nötig mit immensen militärischen Mitteln.
Kapitel 5 behandelt hauptsächlich die Übernahme und Weiterführung der
germanischen Angelegenheiten durch Tiberius. Da Drusus bei einem Sturz
vom Pferd tödlich verunglückte, lag nun die schwere Aufgabe bei seinem
Bruder Tiberius, die Germanienpolitik des Augustus voranzutreiben. Diese
wurde von ihm mit einem gewissen Erfolg betrieben, so daß die moderne
Forschung Germanien fast als eine römische Provinz betrachtete. Daß dies
nicht eingetreten ist, hat nicht zuletzt auch ein römischer Auxiliaroffizier
namens
Arminius
verursacht,
der
mit
einigen
verbündeten
Germanenstämmen drei römische Legionen unter der Führung des Varus
vernichtend geschlagen hatte und somit das römische Vordringen bremsen
konnte. Die Ursachen und die Folgen der clades Variana für die
Germanienpolitik werden im vierten Kapitel behandelt.
Nach dem Tod des Augustus trat Tiberius das Amt des Princeps an und
entsandte Germanicus nach Germanien. Dieser beim Heer außerordentlich
beliebte junge Prinz hatte die Aufgabe, die Schmach der Niederlage
auszumerzen, das hieß, die verlorenen Feldzeichen wiederzubeschaffen
und Arminius zu vernichten. Außerdem hatte der römische Anspruch auf
4
Germanien damals noch Bestand. Die Feldzüge des Germanicus wurden
jedoch auf Befehl des Tiberius abgebrochen. Die Gründe dafür und die
Frage, ob das nun der endgültige Verzicht auf Germanien und somit auch
das Ende jeglicher imperialistischer Vorwärtsbewegung nach Norden
gewesen ist, werden im Kapitelabschnitt 5.2.3 dargelegt und diskutiert.
Im letzten Kapitel wird die Übertragung und Verwendung eines modernen
Begriffs auf antike Geschichtsabläufe diskutiert. Die Anwendung des
Begriffs „Imperialismus“ erscheint zumindest aus der Sicht der Gegner
höchst kritisch, wenn nicht gar unzulässig.
Während ein Teil der Wissenschaftler bei der Übertragung des Begriffs
keine Schwierigkeiten sieht und es ihrerseits keiner Rechtfertigung bedarf,
spricht sich der andere Teil gegen die Anwendung oder allenfalls nur einer
Anwendung mit großen Einschränkungen aus. Das Fazit dieser Arbeit soll
sich mit den Standpunkten beider Parteien befassen.
5
2. Quellenlage:
Das gesamte Wissen über die römisch-germanischen Beziehungen und
auch damit verbundenen Lücken in diesem Wissen muß als ein Resultat
einer sehr einseitigen Quellenlage betrachtet werden. Denn von den
Germanen selbst ist in schriftlicher Form gar nichts überliefert1 und die
archäologischen Funde geben nicht immer die gewünschten Informationen
über die längst vergangenen Zeiten. Die Zeugnisse über das römischgermanische
Verhältnis
sind
also
Überlieferungen
römischer
oder
griechischer Schriftsteller, Politiker oder auch Dichter. Problematisch ist
außerdem, daß die wenigen erhaltenen Quellen mitunter nicht vollständig
sondern bruchstückhaft erhalten sind. Die antiken Autoren schrieben unter
unterschiedlichsten
Voraussetzungen
und
fast
alle
hatten
sie
unterschiedliche Motivationen und Gründe. Daraus ergibt sich zwangsläufig
auch der sehr unterschiedliche Quellenwert. Geschichtsschreiber aus Rom
oder Griechenland hatten gewiß andere Ziele vor Augen, als Verfasser
panegyrischer Schriften. Diese wollten den Leser auf anderen Gebieten
erreichen als die Dichter oder Verfasser von geographischen oder
ethnographischen Schriften.2
Bevor auf die wichtigsten erhaltenen Autoren eingegangen werden soll,
muß daran erinnert werden, daß es auch eine Reihe Autoren gibt, deren
Werke über Germanien und Germanen zwar bekannt und von den antiken
Autoren zweifellos als Quellen herangezogen wurden, jedoch im Laufe der
Zeit verloren gegangen sind. Die für die Germanengeschichte wichtigen
Bücher des lateinischen Autors Livius sind wie die meisten seines Werks Ab
urbe condita verloren gegangen.
Das gewaltige Werk umfaßte einst 142 Bücher, erhalten davon sind
lediglich Bücher 1 bis 10 und 21 bis 45. Nicht mehr erhalten sind ebenfalls
Aufidius Bassus’ Bellum Germanicum, die Historien des Poseidonius und
von Plinius dem Älteren verfaßten Bella Germaniae.3
1
Gemeint ist nur der für diese Arbeit relevante Zeitraum. Die späteren Runeninschriften sind wenig aufschlußreich.
Vgl. Goetz, H.-W., Welwei K.-W. (Hrsg.): Altes Germanien. Auszüge aus den antiken Quellen über die Germanen
und ihre Beziehungen zum Römischen Reich. Darmstadt 1995, S. 11f.
2
Goetz, H.-W., Welwei K.-W. (Hrsg.): Altes Germanien. Auszüge aus den antiken Quellen über die Germanen und
ihre Beziehungen zum Römischen Reich. Darmstadt 1995, S. 13.
3
Becker, A.: Rom und die Chatten, Marburg 1992, S. 8.
6
Von den erhaltenen Werken zählen die von Strabon, Caesar, Tacitus,
Cassius Dio, Velleius Paterculus oder Sueton zu den wichtigsten und
zuverlässigsten schriftlichen Quellen.
Von dem griechischen Historiker und Geographen Strabon sind detaillierte
Beschreibungen der damals bekannten Länder erhalten. Strabon beschrieb
in seiner Geographica neben der Lage verschiedener Flüsse wie Rhein,
Ems, Lippe oder Elbe auch zahlreiche germanische Stämme und ihre
Siedlungsgebiete. Sein großes geographisches Werk enthält aber auch
einige politische Ereignisse jener Zeit.
Caesars Commentarii de bello Gallico stellen die wichtigsten Quellen über
Germanen seiner Zeit dar. Obwohl als eine Art Rechtfertigung für seine
äußerst eigensinnige Gallienpolitik verfaßt, bieten die Kommentare einen
guten Überblick über die Verhältnisse am Rhein. Mit Caesar kamen
erstmals detailliertere Vorstellungen von Germanen nach Rom, die sich von
den oberflächlichen Informationen des Poseidonios über die Lebensweise
der Germanen unterschieden.
Durch Caesar erfuhr die römische Öffentlichkeit vom germanischen Alltag,
dazu gehörten verschiedene Bräuche, Lebensweise, Eßgewohnheiten,
Religion oder Kriegswesen. Seit Caesars ausführlicher Beschreibung der
Germanen galt der Rhein als eine ethnische Grenze. Links des Rheins
waren die Siedlungsgebiete der Gallier, die rechte Seite wurde von
Germanen bewohnt, so zumindest in der Vorstellung der Römer.
Dem römischen Geschichtsschreiber Tacitus verdankt die Nachwelt einige
sehr detailreiche Überlieferungen über Germanien und seine Bewohner.
Seine Darstellung des Landes in Germania ist zwar mit Vorsicht zu
genießen4, gehört jedoch zu den Höhepunkten der antiken Ethnographie.
Tacitus gibt detaillierte Auskunft über die geographische Lage Germaniens,
die Herkunft der der Germanen und spekuliert über die Entstehung des
Namens „Germanen“.5
Der oben angeratene vorsichtige Umgang mit der Germania resultiert aus
dem speziellen Verhältnis des Tacitus mit dem Prinzipat seiner Zeit.
4
Nicht zuletzt wegen seiner eigensinnigen Einstellung zu den Germanen in 33,2: „Maneat, quaeso, duretque
gentibus, si non amor nostri, at certe odium sui, quando urgentibus imperii fatis nihil iam praestare fortuna maius
potest quam hostiam discordiam.“
5
Tac. Germ. 2,1.
7
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