zl19lll,sralllfeu:, Wr$, a- akhh, Znf ZsZ ;-Zeitung Rechtes Ufer NNN$SNNNN* 3 (sommerhäuse[ so gewöhnlich" Meilen: uDer Kirschgarten" auf der Heubühne - Premiere am Donnerstag mit frenetischem Applaus Anton Tschechows "Kirschgarteno ist die neuste lnszenierung des Ate' lier Theaters Meilen. lm Stammhausn der Heubühne, stellen die bekannten Gesichtet erneut ihte schauspieled- schen Fähigkeiten unter Beweis 100 Jahrc nachdem Tschechow im Alter von 44 Jahren an Lungentuber' kulose verstorben ist. CLAUDIA BALDASSARRE <Wenn im ersten Akt eine Waffe an der Wand hängt, muss spätestens im dritten Akt damit geschossen werden!> So lautet angeblich der Ratschlag von Anton P. Tschechow an junge Schriftsteller. Und so wird in allen Stücken Tschechows, ausser eben im <Kirschgarten>, geschossen * was nicht heisst, dass es diesem Stück an menschlichen Unzulänglichkeiten fehlt, ganz im Gegenteil. lm Wendekteis det Zeit Die Handlung an sich ist einfach. Das Stück spielt auf einem russischen Landgut, dessen HerrenhauS von einem riesigen Kirschgarten umgeben ist. Die verwitwete Gutsherrin Ljubov Andreevna Ranevskaja (Annacrai"l-lqnhcal\ Lahrf orrc FrenLrainh (Paut Luternauer), Petr (Marcel Zarske) und Lopachin (lean'Rudolf Stoll); (Annegret Trachset), Anja (Rina Hofmann) und Firs (Helmuth Stanisch). cercta Liniser hinten Varja (Annette Frommherz), Llubov In Verhandlungen um ein Landgut: vorne Gaev nögretTlachsel) kehrt aus FraÄkreich zurück, wo sie einige Jahre mit einem Geliebten weit über ihre Verhältnisse hinaus gelebt hat. Das Gut ist überschuldet und zur Zwangsversteigerung ausgeschrieben. Leonid Gaev (Paul Luternauer), der Bruder Ljubovs, steht mit seinem aufwändigen Lebensstil der Schwester in nichts nach. Der Kaufmann Lopachin (Jean-Rudolf Stoll), dessenVater und Grossvater auf demselben Gut noch Leibeigene gewesen waren, schlägt zur Rettung des Gutes vor, den Kirschgarten abzuholzen, zu parzellieren und auf dem Gelände am Fluss, wo der junge Sohn Ljubovs vor Jahren seinenTod fand, Sommerhäuser (Datschen) errichten zu lassen. Okonomisch betrachtet scheint dies der einzige Aus. weg, aber weder Ljubov noch Gaev können sich dazu durchringen: <Sommerhäuser! Sommergäste! Verzeihen Sie, das ist'so gewöhnlich.> So kommt es, wie es eben anders nicht kommen kann: Das Gut wird versteigert und geht an den Sohn des ehemaligen Leibeigenen, den Kaufmann Lopachin, der sein Projekt mit den Sommerhäusern realisiert. Ljubov kehrt zu ihrem Geliebten nach Frankreich zunick; Gaev nimmt eine Stellung in einer Bank an. Die Zeichen der Zeit verlangen nach\y'bränderungen: DerAdel verarmt, und das Bürgertum ist in Vormarsch begriffen. Jede Komödie lebt letztlich von der Tragödie der einzelnen Charaktere. So auch das letzte Stück Tschechows, dessen erfolgreiche Uraufführung er noch miterlebte, bevor er kurz darauf seinem Lungenleiden erlag (siehe Kasten). Unerfüllte Liebe Annette Frommherz, die manch einem noch in der Rolle der kämpferischen, vor Sexappeal strotzenden <Lysistrata> in Erinnerung sein mag, ist jetzt in den Körper der gottesfürchtigen, spröden Pflegetochter ge- schlüpft. Besessen wartet diese darauf, endlich geheiratet zu werden - und zwar von keinem Geringeren als dem Kaufmann Lopachin, der sich zwar bemüht, diesemWunsch zu ent- sprechen, es letztlich jedoch nicht schafft. Die Thagödie der unerfüllten Liebe ist vollendet. Treu ergeben und eingeschlossen Zwei Protagonisten haben sich auf das Wunderbarste aus dem Stück <herausgespielb und sind so sehr mit ihrer Rolle eins geworden, dass man durchaus dazu geneigt sein könnte, wenn man unmittelbar nach der Aufführung dem jungen Lakaien (Andreas Tlachsel) auf der Strasse begegnete, ihn einen arroganten TLnichtgut zu beschimpfen. Derart überzeugend und packend war sein Schauspiel. Es liegt auf der Hand, dass es sich beim Zweiten nur um den schon oft und immer wieder gerne gesehenen Helmuth Stanisch handeln kann. Diesmal in der Rolle des alten, verschrobenen und leicht tauben Lakai Firs, der so sehr mit der Gutsfamilie verschmolzen ist, dass er selbst dann noch darauf verzichtete, diese zu verlassen, als ihm die Freiheit, die er mehrmals als Unglück bezeichnete, längst sicher gewesen wäre. Er bleibt treu ergeben. Als alle das Gut längst verlassen haben und Firs fälschlicherweise im Spital glauben, bleibt dieser im Haus eingeschlossen. <Das Leben ist voniber, als hät- te man gar nicht gelebt.> Firs legt sich hin. <Keine Kraft mehr, nichts mehr, nichts... Ach du... taube Nussl> Firs ist tot. Slnnbild für Jugend und Umbruch Wo die einen mit dem Abschied und Loslassen kämpfen, da freuen sich die anderen auf einen Neuanfang. So stehen die Tochter Anja (!ina Hofmann) und der ewige Stu- dent (Marcel Zarske), der sich hinter versteckt und sich manchmal herablassend über das Leben und die Liebe äussert, sinnbildlich für die Jugend und den Umbruch. <Der Kirschgarten) ist ein langsames Stück, das vom subtilen und symbolschwangeren Dialog lebt und yielen intelligenten Phrasen so dem Zuschauer einiges an Aufmerksamkeit abverlangt. Das Publikum ist, wie der nicht enden wollende Schlussapplaus am Donnerstag zeigfe, mehr als nur bereit, dies hinzunehmen. Kein Rezept gegen das Unglück Hinter allen Werken von Anton Tschechow spürt man den Arzt, der mit Mitgefühl seinen Patienten zuhört, und man spürt die stille Ironie denjenigen gegenüber, die ein Rezept gegen ein unglückliches Leben verlangen. Doch auf die Frage: <Was ist das Leben?> wussteTschechow nur zu antworten: <Was ist eine Mohrnibe? Eine Mohrrübe ist eine Mohrrübe, mehr ist däzu nicht zu sagen.)) Geboren wurde Anton Tschechow 1860. Er wuchs in ärmlichen Verhältnissen aui dank eines Stipendiums konnte er in Moskau Medizin studieren. Unter dem Pseudonym Cechonte schrieb er während des Studiums kleine Ezählungen humoristische Gazetten. Als praktizierender Arzt schrieb er weiter, mit wachsendem Erfolg. Eine Lungentuberkulose erzwang jedoch immer häufigere Aufenthalte im südlichen Klima, so dassTschechow auf die Krim übersiedelte. 1901 heiratete er die Schauspielerin Olga Knipper, gegen deren für Heiratswünsche er sich lange erfolgreich gesträubt hatte. Sie führten eine merkwürdige Ehe, lebten wegen der Theaterverpflichtungen Olgas selten zusammen und schrieben sich Briefe. Ab 1903 verschlechterte sich Tschechows Gesundheitszustand. qntgegen den Empfehlungen der Arzte arbeitete er verbissen an seiner Komödie <Der Kirschgarten> weiter. Kurz nach deren Uraufführung starb er in Badenweiler. Seine letzten Worte waren: <Ich habe so lange keinen Champagner mehr getrunken> und dann: <Ich sterbe.> (bal)