Brandschutz von nichttragenden Aussenwänden – Gebäudehüllen

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19. Internationales Holzbau-Forum 2013
Brandschutz von nichttragenden Aussenwänden – Gebäudehüllen | D. Kruse
Brandschutz von nichttragenden
Aussenwänden – Gebäudehüllen
Fire protection for non-load-bearing external walls –
building envelopes
Enveloppes non structurelles et protection contre
l’incendie
Dr. Dirk Kruse
Dehne, Kruse Brandschutzingenieure GmbH 6 Co. KG
DE-Gifhorn
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Brandschutz von nichttragenden
Aussenwänden – Gebäudehüllen
1.
Einleitung
Generell ist am Markt ein Trend zu einer zunehmenden Verwendung von brennbaren Fassadensystemen zu beobachten. Die Treiber hierfür sind die Energieeinsparverordnung,
die in der Konsequenz zu immer höheren Dämmstoffdicken führt, sowie der Wunsch der
Architekten und Bauherren Holz als Baustoff zu zeigen.
Bei den Wärmedämmverbundsystemen führen die steigenden Anforderungen an die
Dämmung zu insgesamt steigenden Kosten. Eine Möglichkeit, die Kosten zu dämpfen, ist
der Einsatz von WDVS auf Polystyrol. Das Material ist im Vergleich zu Steinwolle (ca.
Faktor 2) deutlich günstiger und preislich auch den WDVS auf Basis von Holzfaserdämmplatten (ca. Faktor 1,4) überlegen.
Die Verwendung brennbarer Baustoffe wird dabei von Architekten und Bauherren oftmals
unkritisch gesehen. Neben dem Brandszenario ist die Verwendung im Bereich von Fluchtund Rettungswegen und hierzu gehört unter Umständen die Fassade grundsätzlich kritisch zu beurteilen. Im Rahmen eines ganzheitlichen Brandschutzkonzeptes muss dann
der Nachweis geführt werden, dass das spezifische Risiko vertretbar ist oder es müssen
Maßnahmen zur Verbesserung des Brandverhaltens des Baustoffes bzw. der Konstruktion
ergriffen werden.
2.
Baurechtliche Sichtweise von Fassaden in
Deutschland
Im § 28 der Musterbauordnung, der sich in dieser oder ähnlicher auch in den 16 Landesbauordnungen wieder findet, werden die grundsätzlichen Anforderungen an Fassaden
geregelt.
Demnach müssen Fassaden und Teile von Fassaden wie Brüstungen und Schürzen grundsätzlich so ausgebildet werden, dass eine Brandausbreitung auf und in diesen Bauteilen
ausreichend lang begrenzt ist. Weiterhin wird präzisiert, die Oberflächen bzw. die Bekleidungen einschließlich der Dämmstoffe und Unterkonstruktionen schwerentflammbar sein
müssen. Dies gilt auch für Balkonbekleidungen, sofern diese über die erforderliche Umwehrungshöhe hinaus hochgeführt werden. Bei Konstruktionen mit geschossübergreifenden Hohl- oder Luft-räumen (Doppelfassaden, hinterlüftete Fassaden) müssen gegen die
Brandausbreitung besondere Vorkehrungen getroffen werden.
Mit diesen Anforderungen sollen zwei Schutzziele erreicht werden. Einerseits gilt es die
Rettung von Bewohnern über die Fassade mittels Rettungsgerät der Feuerwehr ausreichend lang zu ermöglichen. Dies kann nur erreicht werden, wenn die Brandausbreitung
über die Fassade begrenzt wird. Ist dies gewährleistet, gilt die Grundsatzforderung nach
zwei Rettungswegen aus einem Gebäude in der Regel als erfüllt. Hierbei wird unterstellt,
dass jedes Gebäude mindestens über einen notwendigen Treppenraum verfügt.
Weiterhin müssen wirksame Löscharbeiten möglich sein. Auch diese Grundsatzforderung
gilt als erfüllt, wenn das Brandszenario auf und in der Fassade begrenzt bleibt.
3.
WDVS auf Polystyrol Basis
Die Polystyrol basierten (EPS) WDVS sind insbesondere seit 2012 verstärkt in die Diskussion geraten. Die Ursachen waren drei dramatische Brandereignisse. Das erste Brandereignis ereignete sich bereits in 2005 in Berlin. Bei dem Brand in dem Mehrfamilienhaus
kamen zwei Menschen ums Leben, da das Treppenhaus als erster Fluchtweg ausgefallen
und eine Rettung der Menschen über die brennende Fassade nicht möglich war. Die beiden weiteren Brände ereigneten sich in Frankfurt 2010 und Delmenhorst 2011. Bei diesen beiden Bränden waren glücklicherweise keine Opfer zu beklagen, die Brandszenarien
überstiegen allerdings das noch vertretbare Maß deutlich.
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Abbildung 1: Brand in Berlin 2005 (Quelle: Deutsche Feuerwehrzeitung)
Um die Ursachen und das Risiko von EPS Dämmsystemen besser einschätzen zu können,
wurde über die Arbeitsgemeinschaft der Berufsfeuerwehren ein Forschungsprojekt gestartet. Derzeit werden die Daten von Brandereignissen mit EPS Fassaden gesammelt
und ausgewertet. Als erstes Zwischenergebnis wurden 18 Brandereignisse erfasst. 15
dieser Brände verliefen dabei weitgehend unspektakulär. Bei den drei benannten Großbränden war die Brandentstehung einmal innerhalb des Gebäudes (Berlin) und zweimal
als äußere Brand-einwirkung. Aus den Brandverläufen lassen sich die folgenden Schlussfolgerungen ableiten:
Die Putzschicht (Dicke, Ausrüstung) und die Brandsperren sind maßgebend für den
Brandverlauf.
Die Brandeinwirkung von außen wird derzeit durch die Prüfanforderungen nicht ausreichend abgebildet.
Im Bauzustand können die Brandsperren/ Brandbarrieren überlaufen werden, sofern
noch keine Putzschicht aufgebracht wurde.
Ein besonders hohes Risiko besteht, wenn eine äußere Sanierung eines bewohnten
Gebäudes vorgenommen wird.
Ein korrekt eingebautes EPS WDVS ist gemäß den bislang gültigen Schutzzieldefinitionen (max. 2 Geschoße, Brand im Inneren des Gebäudes) hinreichend sicher.
Ob die derzeit eingesetzten EPS WDVS auch unter geänderten Schutzzieldefinitionen
(z.B. Brand von außen durch Müllcontainer) auch künftig als hinreichend sicher beurteilt
werden, kann derzeit nicht abgeschätzt werden.
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4.
Holzfaserdämmplatten
Holzfaserdämmplatten zeigen im Vergleich zu den bereits diskutierten polymeren WDVS
ein deutlich besseres Brandverhalten.
Abbildung 2: Verputztes Holzfaserdämmstoffsystem nach 20 Minuten (Quelle: Homatherm)
Problematisch ist allerdings das Glimmverhalten. Dieser Vorgang kann über mehrere
Stunden bis hin zu Tagen anhalten. Rein formal ist daher zwar eine Einstufung als
schwer-entflammbarer Werkstoff nach DIN EN 13501 möglich aber nicht nach DIN 4102.
Die Verwendung als Fassadenwerkstoff in den Gebäudeklassen 4 und 5 ist daher baurechtlich zunächst nicht möglich. Das Glimmen kann als langsame, flammenlose Oxidation
der kohlenstoffhaltigen Pyrolyserückstände begleitet mit Lichtausstrahlung ohne Bildung
von flüchtigen Brenngasen beschrieben werden. Die Oxydation erfolgt über die folgenden
Reaktionen:
(1)
(2)
C(s) + ½ O2(g)
CO(g)
C(s) + O2
CO2(g)
H= -111 kJ/mol
H= -395 kJ/mol
Bei der CO Bildung werden ca. 111 kJ/mol. Bei der Oxydation zu CO2 ist die freiwerdende
Energie um ca. 284 kJ/mol größer. Die Enthalpie aus der CO Bildung reicht nicht, die
Oxidation des Kohlenstoffs fortzusetzen, wenn die primäre Zündquelle entfernt wird.
Vermutlich bleibt das Glimmen durch die Oxydation zu CO2 selbsterhaltend. Die Löschbarkeit ist dabei nur sehr eingeschränkt möglich. Selbst bei der Abdeckung mit Löschschaum kann der Glimmprozess weiterlaufen. Vor diesem Hintergrund müssen die
Löschmaßnahmen durch flankierende Maßnahmen der Einsatzkräfte begleitet werden.
Nach ersten Untersuchungen, die durch die Holzfaserdämmstoffindustrie durchgeführt
wurden, kann der Glimmprozess nach dem Löschvorgang aufgehalten werden, indem
mittels Kettensäge ein unterbrechender Kanal in das WDVS geschnitten wird.
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Abbildung 3: Trennschnitt fünf Stunden nach Versuchsende (Quelle: Homatherm)
In den nächsten Monaten wird weiter zu untersuchen sein, inwieweit der Trennkanal das
Glimmen wirksam unterbrechen kann und ob die Einsatztaktik
Aus den bislang durchgeführten Untersuchungen mit schwerentflammbar ausgerüsteten
Holzfaserdämmstoffen lassen sich folgende Schlussfolgerungen ableiten:
Das Brandverhalten kann grundsätzlich als gutmütiger im Vergleich zu polymeren
WDVS eingeschätzt werden.
Der Glimmprozess lässt sich durch einfache Löschmaßnahmen nicht aufhalten. Hier
sind zusätzliche Eisatztaktische Maßnahmen (z.B. Trennkanal) notwendig. Diese müssen in den nächsten Monaten weiter definiert werden. Im Rahmen von Brandschutzkonzepten kann dies in Abstimmung mit der Feuerwehr für Gebäude der Gebäudeklasse
4 verankert werden.
Ein korrekt eingebautes Holzfaser- WDVS ist gemäß den bislang gültigen Schutzzieldefinitionen in den Gebäudeklassen 1-3 hinreichend sicher. Es wird allerdings empfohlen,
auch in diesen Gebäudeklassen das WDVS schwer-entflammbar auszurüsten.
Im Rahmen von Brandschutzkonzepten kann in der Gebäudeklasse 4 die Beschränkung des Holzfaser- WDVS auf max. 3 Geschosse in Analogie zur Gebäudeklasse 3 ein
Lösungsansatz sein.
5.
Holzfassaden
Grundsätzlich gilt, dass der Einbau einer Holzfassade in den Gebäudeklassen 4 und 5 eine
Abweichung zu den Landesbauordnungen darstellt. Diese Abweichung ist zu beantragen
und sollte zweckmäßiger Weise im Rahmen eines Brandschutzkonzeptes unter Berücksichtigung des Risikos schutzzielorientiert beurteilt werden. Die Risiken beschränken sich
dabei nicht nur auf die Ausbreitung des Feuers über die Fassadenoberfläche. Holzfassaden dürften in der Regel mit Hinterlüftungsspalt auftreten. Diese Hinterlüftung stellt unstrittig aufgrund des Kamineffektes ein erhebliches Risiko im Brandfall dar. Unabhängig
von der gewählten Bauweise einer Holzfassade müssen daher Maßnahmen ergriffen werden, um diesen Hinterlüftungsspalt zu sichern. Prinzipiell stehen dafür zwei Ansätze zur
Verfügung:
Geschoßweise Unterbrechung der Hinterlüftung
Einbau von intumeszierenden Brandsperren
Mit den vorgenannten Maßnahmen lässt sich das Risiko einer Brandausbreitung im Hinterlüftungsspalt wirksam beherrschen. Neben dem Hinterlüftungsspalt ist aber auch das Risiko
einer Brandausbreitung über die Oberfläche zu betrachten. Entscheidend ist hierbei, welche
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Konstruktion hier zum Einsatz kommen soll. Günstig sind Varianten, die nur eine einseitige
Brandbeanspruchung erlauben, wie z.B. geschlossene Scheiben aus 3 Schichtplatten
ohne offene Fugen. Äußerst ungünstig sind Bauformen zu beurteilen, die einen vierseitigen Brandangriff erlauben, wie z.B. Verlattungen. Hier ist optimalen von einer sehr guten
Entzündbarkeit, einer maximalen Energiefreisetzung und damit verbunden mit einer sehr
schnellen Brandausbreitung zu rechnen. Von derartigen Konstruktionen ist daher grundsätzlich abzuraten, sofern nicht Sondermaßnahmen (z.B. Fassadensprinklerung o.ä.) ergriffen werden.
Im Rahmen eines Brandschutzkonzeptes stehen verschiedene Möglichkeiten der Kompensation zur Verfügung. Welche zweckmäßige Kombination zum Einsatz kommen sollte,
bleibt der Einschätzung des jeweiligen Brandschutzingenieurs vorbehalten. Zunächst ist
zu prüfen, ob die Rettungswege baulich (1. und 2. Rettungsweg) hergestellt werden können. Ist dies der Fall, wird die Fassade zumindest nicht als Rettungsweg benötigt. Weiterhin ist zu prüfen, inwieweit Löschmaßnahmen der Feuerwehr von einer Drehleiter aus
erfolgen können oder ob die Löschmaßnahmen vom Boden aus erfolgen müssen. Hierbei
ist insbesondere zu berücksichtigen, dass ein Gebäude üblicherweise über mind. zwei
Fassaden verfügen wird. Nur eine dieser Fassaden wird im Regelfall an der öffentlichen
Straße liegen. Ein Fassadenbrand im 4. Geschoß kann noch vom Boden aus bekämpft
werden. Ein Fassadenbrand im 6. und 7. Geschoß mit Sicherheit nicht. Ggf. ist daher eine
Feuerwehrzufahrt in Verbindung mit Aufstellflächen für die Feuerwehr herzustellen.
Konstruktiv stehen im Wesentlichen zwei Möglichkeiten als Kompensation zur Erreichung
der Schutzziele zur Verfügung. Zunächst besteht die Möglichkeit horizontale Brandsperren einzubauen. Hier bietet die Schweizer Lignum Dokumentation eine hervorragende
Arbeitsgrundlage. Ggf. lassen sich auch ohnehin geplante vertikale Bauteile, z.B. Laubengänge für die Ausbildung robuster Brandsperren heranziehen. Dabei muss beachtet werden, dass die Bauaufsichtsbehörden hier zunehmend restriktiver reagieren. So fordert
Hamburg mittlerweile eine Zustimmung im Einzelfall bei konstruktiven Maßnahmen auf
der Fassade zur Erreichung der Schutzziele. Prinzipiell ein zu begrüßender Ansatz, da
hiermit die Qualität zumindest der Planung abgesichert werden kann.
Ein weiterer konzeptioneller Ansatz ist die Ausbildung einer brennbaren Fassade nur über
3 Geschoße, um das Brandszenario auf eine Szenario der Gebäudeklasse 3 zu beschränken. Zumindest im viergeschossigen Bereich sollte diese Abweichung große Aussicht auf
Erfolg habe.
6.
Zusammenfassung
Der Einsatz von brennbaren Fassaden ist baurechtlich zunächst zulässig und unter Beachtung bestimmter Randbedingungen auch las hinreichend sicher zu bewerten. Grundsätzlich
besteht aber bei allen drei diskutierten Varianten zum Teil erheblicher Forschungs- und
Entwicklungsbedarf, um die Systeme auch gegenüber Fehler in der Ausführung robuster zu
machen.
7.
Literatur
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1: Theoretische Grundlagenuntersuchungen, Stufe 2: Experimentelle Grundlagenuntersuchungen; Abschlussbericht Juli 2000
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Kollmann, Franz: Technologie des Holzes und der Holzwerkstoffe, zweite Auflage,
Springer Verlag 1951
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BHF-Chemie. 2001
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