Vorkurs Mathematik-Physik, Teil 1 c 2016 A. Kersch 1 1.1 Funktionen Grundbegri¤e Bei fast allen physikalischen Vorgängen wird eine physikalische Größ e von anderen abhängen. Besipielsweise hängt die Körpergröß e vom Alter ab, die Temperatur von der Jahreszeit und der Flächeninhalt eines Kreises vom Radius. In vielen Fällen läß t sich dieser Zusammenhang genau angeben, so z.B. A = r2 , mit r Radius und A Flächeninhalt In anderen Fällen gibt es keinen allgemeinen, formelhaften Zusammenhang, sondern einen experimentell messbaren Zusammenhang wie die individuelle Körpergröß e, die zu verschiedenen Zeitpunkten eindeutig gemessen und in einer Tabelle notiert werden kann. Dieser Zusammenhang, eine Größ e eindeutig in Abhängigkeit einer anderen zu kennen, ist der Begri¤ der Funktion. Funktion Eine Funktion f ist eine Regel, die jedem Element x aus einer Menge X exakt ein Element, genannt f (x) aus einer Menge Y .zuordnet. X ist der De…nitionsbereich und Y der Wertebereich der Funktion, Y = ff (x) j x 2 Xg f f : x 7! y = f (x) : X!Y Das Symbol, welches die Werte x repräsentiert, werden unabhängige Variable genannt, das Symbol, welches die Werte f (x) repräsentiert, abhängige Variable..Ein Beispiel ist f (x) = x2 (De…nition der Regel), das Symbol ”x” ist die unabhängige Variable, wenn der Zusammenhang in der Form y = x2 (Funktionsgleichung) geschrieben wird, ist y die abhängige Variable. Hinter unserem ersten Beispiel A = r2 steckt die Funktion mit der Regel f (x) = x2 . Funktions-Familien Um ähnliche Funktionen zu beschreiben, werden Funktions-Familien de…niert: hier unterscheiden sich die Funktionsgleichungen nur durch einen oder einige Konstanten, die Funktions-Parameter genannt werden. Ein Beispiel ist die Familie der Potenzfunktionen, also die Funktionen der Form f (x) = xn , wobei n eine positive, ganze Zahl ist. Ein anderes Beispiel ist die Funktions-Familie der quadratischen Funktionen f (x) = ax2 + bx + c, wobei a; b; c eine beliebige Zahlen sind. Stückweise de…nierte Funktionen Funktionen können mit verschiedenen Gleichungen über verschiedenen Teilen des De…nitionsgebietes de…niert sein. Ein Beispiel ist der Betrag der linearen Funktion f (x) = jxj Hier hängt der Wert davon ab, ob x positiv oder negativ ist f (x) = x falls x falls x 0 x<0 Eine derartige Funktion heiß t stückweise de…niert. Graph einer Funktion Wenn f eine Funktion mit De…nitionsmenge X ist, dann ist der Graph der Funktion durch die Menge f(x; y) j y = f (x) und x 2 Xg gegeben. Anders ausgedrücht durch f(x; f (x)) j x 2 Xg Modellieren mit Funktionen Wenn ein Physiker über ein Modell eines realen Vorganges spricht, hat er häu…g eine Funktion vor Augen, die zumindestens näherungsweise die Abhängigkeit einer Größ e (abhängigen Variablen) von einer anderen Größ e (unabhängigen Variablen) beschreibt. Beispielsweise eine Funktion, welche die Körpergröß e als Funktion der Zeit beschreibt Direkte und indirekte Proportionalität Zwei mathematische Modelle treten so häu…g in Wissenschaften auf, dass sie besondere Namen erhalten haben Die direkt proportionale Abhängigkeit y = kx und die indirekt proportionale Abhängigkeit y= k x Hier ist k die Proportionalitätskonstante. Andere häu…g vorkommende Abhängigkeiten Manchmal hängt eine abhängige Größ e von mehr als einer Größ e ab. Z.B. wenn die Größ en x, y, und z durch die Funktionsgleichung z = kxy verbunden sind, wobei k 6= 0 eine Konstante ist,sagen wir, daßz gemeinsam direkt proportional von x and y abhängt. Genauso, wenn k z= xy sagen wir, daßz gemeinsam indirekt proportional von x und y abhängt. Ebenso z=k x y hängt z direkt proportional von x und indirekt proportional von y ab. 1.2 Transformationen von Funktionen Hier wird untersucht, wie Transformationen den Graphen einer Funktion verändern. Dies wird Ihnen helfen, Funktionsgraphen zu analysieren. Diese Transformationen sind Verschiebung, Re‡exion und Steckung. Vertikale Verschiebung Betrachten Sie folgenden Graphen einer Funktion y = f (x) Wie sieht der Graph von y = f (x) + 3 aus? Und der Graph von y = f (x) 3? y = f (x) + 2 Horizontale Verschiebung von Graphen die ähnliche Frage bei y = f (x 3) y = f (x) 2 Nun ist die Frage, wie der Graph von y = f (x + 3) aussieht, y = f (x + 2) y = f (x Wenn c 0, wird der Graph der Funktion y = f (x nach rechts um c. 2) c) erhalten durch Verschieben von y = f (x) Wenn c 0, wird der Graph der Funktion y = f (x + c) erhalten durch Verschieben von y = f (x) nach links um c. Spiegelung von Graphen Die nächste Frage ist, wie y = f (x) aussieht. Hier handelt es sich um den Graphen, der in y-Richtung, also an der x-Achse gespiegelt wird: y= f (x) Der Graph y = f ( x) entspricht der Spiegelung in -Richtung an der y-Achse: y = f ( x) Der Graph der Funktion y = x-Achse erhalten. f (x) wird aus dem Graphen von y = f (x) durch Spiegelung an der Der Graph der Funktion y = f ( x) wird aus dem Graphen von y = f (x) durch Spiegelung an der y-Achse erhalten. Vertikales Strecken und Stauchen von Graphen Wie sieht der Graph von y = af (x) aus, wenn a ist eine positive Konstante? Hierbei handelt es sich um eine Streckung oder Stauchung in y-Richtung, ausgehend von der -Achse: y = 2f (x) y = 12 f (x) Der Graph der Funktion y = af (x), mit a > 1, wird aus dem Graphen von y = f (x) durch vertikale Streckung in y-Richtung um den Faktor a erhalten Der Graph der Funktion y = af (x), mit a < 1 aber a > 0, wird aus dem Graphen von y = f (x) durch vertikale Stauchung in y-Richtung um den Faktor a erhalten. Horizontales Strecken und Stauchen von Graphen Schliesslich, wie sieht der Graph von y = f (ax) aus? Hier ist die Streckung oder Stauchung in der x-Richtung, ausgehend von der y-Achse: y=f y = f (2x) 1 2x Gerade und ungerade Funktionen Eine Funktion f (x) ist gerade, wenn f ( x) = f (x) für alle x aus dem De…nitionsbereich Der Graph einer geraden Funktion ist symmetrisch zur y-Achse. Eine Funktion f (x) ist ungerade, wenn f ( x) = f (x) für alle x aus dem De…nitionsbereich Der Graph einer geraden Funktion ist symmetrisch zum Ursprung. f ( x) = f (x) f ( x) = f (x) Ein-eindeutige Funktion De…nition 1 Eine Funktion f mit De…nitionsbereich X ist ein-eindeutig, wenn keine zwei Argumente aus X denselben Wert haben, d.h. f (x1 ) 6= f (x2 ) wenn x1 6= x2 Eine Funktion ist ein-eindeutig genau dann, wenn keine horizontale Linie den Graphen mehr als einmal schneidet 8 6 4 2 -4 -2 0 2 4 ein-eindeutige und nicht ein-eindeutige Funktion Inverse Funktion De…nition 2 Sei f eine ein-eindeutige Funktion mit De…nitionsbereich X und Werteberich Y . Dann heisst die inverse Funktion f 1 und hat einen De…nitionsbereich Y , einen Wertebereich X und ist de…niert durch f 1 (y) = x , f (x) = y für jedes y aus Y . Wenn also f eine inverse Funktion hat, gilt, f 1 (f (x)) = x und f f 1 (y) = y für alle x aus dem De…nitionsbereich von f und alle y aus dem Wertebereich von f . Es gilt ausserdem: eine Funktion f ist genau dann umkehrbar, wenn sie streng monoton (steigend oder fallend) ist. Ist die Funktion streng monoton, so ist auch die Umkehrfunktion streng monoton. Die Umkehrung einer Funktion lässt sich rechnerisch durchführen y = y = 4 3 3 x+3 ) x = (y 3) umbenennen y = (x 3 4 4 p 1 2 4y keine Funktion x nicht ein-eindeutig ) x = 4 (1/4)x^2 -6 -4 6 6 4 4 2 2 -2 2 4 6 -6 -4 -2 umbenennen 2 -2 -2 (4/3)x+3-4 -4 -6 -6 ein-eindeutige und nicht ein-eindeutige Funktion 3) 4 y= p 4x 6 Invertierung der Funktionen, nur stueckweise moeglich Der Graph der inversen Funktion ergibt sich durch Spiegelung an der 1. Winkelhalbierenden („Vertauschen von x und y Achse”). Aufgabe: Welche der Funktionen ist umkehrbar ? a) y = x2 d) y = sin x b) y = x3 e) y = tan x 2x 3 x 1 f) y = cos x c) y = (1) 1.3 Lineare Funktionen Funktionen, deren Funktionsgleichung in die Form y = mx + b umgewandelt werden können, heiß en lineare Funktionen. Ihr Graph ist eine Gerade. Sie schneidet die y-Achse im Punkt P (0 j b) und besitzt die Steigung m. Der Wert b heiß t auch y-Achsenabschnitt. Der Schnittpunkt (eines Graphen) einer linearen Funktion mit der x-Achse heisst Nullstelle. Die Nullstelle wird wie folgt berechnet: y = f (x) = 0 ) x = N ullstelle. Aufgabe: Skizziere die Geraden und berechne die Nullstelle a) y = 3x + 1 b) y = 3 2x c) y = 1 x+1 3 (2) Eine weitere Aufgabe besteht darin, mit zwei gegebenen Punkten P1 (x1 ; y1 ) und P2 (x2 ; y2 ) die Geradengleichung aufzustellen. Dies geschieht durch Bestimmung der Steigung m= das kann nach y aufgelöst werden y= y x y1 y2 = x1 x2 y2 x2 y1 (x x1 y1 x1 x1 ) + y1 Aufgabe: Bestimme die Geradengleichungen y y 2 -2 2 2 -2 x -2 a) y 2 2 -2 x -2 2 x -2 b) c) Die Nullstelle einer Geraden entsprechen dem Schnittpunkt der Geraden mit der Horizontalen y = 0 x+0. Es stellt sich die allgemeinere Frage nach dem Schnittpunkt zweier Geraden. Es gilt: zwei Geraden haben genau einen Schnittpunkt, wenn ihre Steigungen unterschiedlich sind. Die Rechnung zur Bestimmung des Schnittpunktes sieht wie folgt aus Gerade 1: y = m1 x+y1 Gerade 2: y = m2 x+y2 Schnittpunkt: m1 x+y1 = m2 x+y2 ) x= y2 m2 y1 m1 Aufgabe: Bestimme die Schnittpunkte durch eine Berechnung und durch eine Skizze a) f (x) = 3x + 1 g(x) = 1 x 4 3 2 (3) 1.4 Quadratische Funktionen Eine quadratische Funktion, ein Polynom zweiten Grades, besitzt eine Funktionsgleichung der Form y y -4 = f (x) = ax2 + bx + c = f (x) = a (x -2 Normalform 2 d) + e Scheitelpunktform 8 8 6 6 4 4 2 2 0 2 -2 4 0 y = 12 x2 2 y= 1 2 4 6 2 (x 2) + 1 Aufgabe: Bringe die quadratischen Funktionen auf die Scheitelpunktform. Skizziere den FunktionsGrafen 1 a) f (x) = x2 + 4x + 1 b) g(x) = x2 x + 1 c) h(x) = x2 2x + 2 (4) 3 Die quadratische Funktion hat nicht immer eine reelle Nullstelle (komplexe Nullstellen werden später besprochen). Die exisstenz von Nullstellen läß t sich einfach am Graphen der Funktion ablesen. Die Nullstellen lassen sich am eiinfachsten in der Scheitelpunktsform …nden. Sei die quadratische Funktion gegeben y = a (x ) (x 2 d) + e = 0 e 2 d) = a Die (reelle) Wurzel kann nunn berechnet werden, wenn e=a positiv ist r e = 0)x d= a r e ) x1;2 = d a e a Falls die quadratische Funktion in der Normalform gegeben ist, sind die Nullstellen y b2 = ax2 + bx + c = 0 4ac = 0 ) x1;2 = b p b2 2a 4ac 3 4 6 4 2 -3 -2 -1 1 2 -2 Quadratische Funktionen mit zwei, einer und keiner Nullstelle 5 Falls die quadratische Funktion ein oder zwei Nullstellen x1 ; x2 hat, lässt sie sich in der Faktordarstellung schreiben y = f (x) = a (x x1 ) (x x2 ) Faktordarstellung Aufgabe: Berechne die Nullstellen x1 ; x2 der Funktionen und stelle die Funktion in der Faktordarstellung dar f (x) = a(x x1 )(x x2 ) a) f (x) = x2 1.5 x 2 x2 + 2x + 8 b) g(x) = 1 2 x 2 c) h(x) = 3x 4 (5) Polynome Im Allgemeinen nennen wir eine Funktion der Form f (x) = an xn + an 1x n 1 + :::a1 x1 + x0 eine Polynomfunktion oder kurz Polynom, die Zahlen ai nennt man die Koe¢ zienten. n ist der Grad des Polynoms. Bei den Polynomen interessieren uns häu…g die Nullstellen. Als einfaches Beispiel zunächst die Parabeln höheren Grades y y y y 2 2 2 2 1 1 1 1 0 0 x -1 0 x -1 -2 -2 -1 0 -1 -2 y=x2 1 2 Parabel 2. Grades 0 x -2 -1 0 -1 -2 y=x3 1 2 x -2 y=x4 -2 Parabel 3. Grades -1 0 y=x y=x2 y=x3 y=x4 1 2 -2 -1 Parabel 4. Grades 0 1 2 Parabeln Für den algemeinen Fall betrachten wir als Beispiel folgendes Polynom 5. Grades: x5 + 3x4 f (x) = y y 1 -1 x3 3x2 + 2x + a 1 1 2 x y y -1 1 1 1 2 x -1 1 2 x -1 1 -1 -1 -1 -1 -2 -2 -2 -2 (a) a = 1 (b) a= 0:2 (c) a=0 (d) 2 x a = 0:5 Bei geringfügiger Änderung des Polynoms durch den Wert von a (führt zur vertikalen Verschiebung) ändert sich die Anzahl der Nullstellen von 1 auf 5,4,3. Dazu lassen sich allgemein folgende Aussagen formulieren: Jedes Polynom vom Grad n > 1 hat höchstens n Nullstellen Jedes Polynom vom Grad n mit n ungerade hat mindestens 1 Nullstelle Wenn ein Polynom f (x) vom Grad n > 1 eine Nullstelle in a hat, d.h. f (a) = 0, dann läß t sich durch Polynomdivision ein g(x) = f (x)=(x a) …nden, so daßf (x) = (x a)g(x) Ein Beispiel ist das Polynom in (c), welches sich vollständig in sogenannte Linearfaktoren zerlegen läß t f (x) = x5 + 3x4 x3 = (x 1)2 x(x + 1) 2)(x 3x2 + 2x Später,wenn wir die komplexen Zahlen kennenlernen, werden wir sehen, das ein Polynom vom Grad n genau n Nullstellen hat, die allerdings komplex sein können (Fundamentalsatz der Algebra). 1.6 Hyperbeln Unter einer Hyperbel vom Grad n versteht man Funktionen vom Typ f (x) = a xn Diese sind ein Spezialfall von rationalen Funktionen (siehe unten). Die Hyperbel 1. Grades ist bereits bei der indirekten Proportionalität aufgetaucht. Hyperbeln haben einen Pol bei x = 0 und eine Asymptote bei y = 0. Bei ungeradem Grad gibt es beim Pol einen Vorzeichenwechsel. y y y y 2 2 2 2 1 1 1 1 0 0 x -1 0 x -1 -2 -2 -1 0 1 Hyperbel 1. Grades 1.7 -1 -2 y=1/x 2 0 x -2 -1 0 -1 -2 y=1/x2 1 2 Hyperbel 2. Grades x -2 -1 0 1 Hyperbel 3. Grades y=1/x y=1/x2 y=1/x3 -2 y=1/x3 2 -2 -1 0 1 2 Hyperbeln Rationale Funktionen Nun konstruieren wir Funktionen als Quotienten von zwei Polynomen. Ein Beispiel ist durch ein Polynom vom Grad 3 im Nenner und vom Grad 3 im Nenner gegeben f (x) = x2 + 1 (2x 3 (x 1) 2 1) (x + 1) y 4 2 -4 -2 2 -2 -4 4 x Der Zähler hat 1 reelle Nullstelle bei 0:5 und der Nenner hat 3 reelle Nullstellen, zweimal bei +1 und einmal bei 1. Daraus ergibt sich eine Nullstelle des Quotienten und Singularitäten (Pole) bei +1 und 1. Im Allgemeinen nennt man eine Funktion f (x) = a(x) an xn + an 1 xn 1 + ::: + a1 x + a0 = b(x) bm xm + bm 1 xm 1 + ::: + b1 x + b0 eine rationale Funktion. Wir können hier annehmen, dass a() und b(x) keine gemeinsamen Nullstellen haben, da diese ja nach dem Faktorsatz faktorisiert und dividiert werden können. Unter diesen Voraussetzungen sind die Nullstellen von f (x) durch die Nullstellen von a(x) gegeben. Die Nullstellen von b(x) hingegen de…nieren die Pole von f (x). Wenn n 5 m gibt es eine waagerechte Asymptote. Wenn n = m hat diese den Wert y = an =bn , ansonsten y = 0. Aufgabe: Ordnen Sie folgende rationale Funktionen den Graphen zu, begründen Sie x4 + 1 x3 + x x4 1 (d) 2x3 8x (a) y -4 x3 + 1 4x2 (c) 2 3 x 4x x +1 x5 + 1 x2 (e) (f) 5x3 20x 2x 2 (b) y y 4 4 4 2 2 2 -2 2 4 -2 x -4 -2 2 -4 -4 -2 4 2 2 2 -4 4 x -4 -2 2 4 -2 -4 (iv) 2 4 y 4 2 x (iii) y -2 4 -4 4 -2 2 -2 (ii) y 1.8 x -4 (i) -4 4 -2 x -4 -2 -2 x -4 (v) (vi) Potenz Funktionen und Wurzelfunktionen Die Bausteine der Polynome und rationalen Funktionen sind die Potenzfunktionen vom Grad n f (x) = xn Die Potenzfunktionen mit gerader Potenz n sind nur stückweise (nämlich im positiven Halbraum) monoton und damit invertierbar. Wir betrachten daher nur den positiven Halbraum (d.h. x = 0) und suchen nach der inversen Funktion. Im Fall ist dies die inverse Funktion zu f (x) = x2 . Diese kennen wir bereits, die Wurzelfunkp einfachsten p tion x = 2 x. Es gilt daher p p 2 x2 = x =1 p Für eine höhere Parabel vom Grad n gibt es dementsprechend die höhere Wurzelfunktion n x oder n-te Wurzel. Es gilt p p n n xn = n x = 1 Es bietet sich an, folgende Schreibweise zu verwenden: p 1 p 1 n n x = xn weil n xn = (xn ) n = x n = 1 p n und n x 1 n = xn =1 Wichtig ist, dass hier im allgemeinen das Argument x der Potenzfunktion oder Wurzelfunktion positiv sein muss (ausser bei ungeradem, ganzzahligen Exponenten). 5 y y 5 y y=x2 y=x1/2 2 4 4 3 3 2 2 1 1 y=x2 y=x3 y=x4 y=x1/2 y=x1/3 y=x1/4 1 0 x -1 y=x y=x2 y=x3 y=x4 -2 -2 -1 0 1 0 2 Parabeln 0 1 2 3 4 0 0 Wurzelfunktion 1 2 3 4 hoehere Wurzeln Die Potenzfunktion f (x) = xn hat auf den ersten Blick eine Ähnlichkeit mit den folgenden Exponentialfunktionen f (x) = ax . Man beachte die andere Position der unabhängigen Variablen x. Ansonsten sind beide Formelausdrücke den Rechenregeln für Potenzen unterworfen. 1.9 Exponential Funktionen Zwei der wichtigsten Funktionen in der Mathematik und in den physikalischen Anwendungen sind die Exponential Funktion f (x) = ax oder etwas allgemeiner f (x) = c abx und ihre inverse Funktion, die logarithmische Funktion g(x) = loga x oder etwas allgemeiner g(x) = 1 x loga b c Diese Funktionen werden insbesondere benötigt, um Zerfalls-und Wachstumsprozesse zu beschreben, die in Physik, Chemie, Biologie und Wirtschaft auftreten. Eine Exponentialfunktion ist eine Funktion von der Form f (x) = ax wobei a eine positive Konstante ist. Sie kann wie folgt de…niert werden: 1. Wenn x = n, eine positive, ganze Zahl ist an = a | a {z n Faktoren 2. Wenn x = 0; dann ist a0 = 1. 3. Wenn x = a} n eine negative, damit n eine positive ganze Zahl ist a n = 1 an 4. Wenn x eine rationale Zahl ist, d.h., x = p , mit p und q positiven ganzen Zahlen und q > 0, dann q p p ax = a q = q ap 5. Wenn x eine irrationale Zahl ist, ist, ax als folgender Grenzwert de…niert ax = lim ar r rational r!x Dies macht f (x) = ax zu einer stetigen Funktion. Eine besondere Rolle spielt die Eponentialfunktion mit der irrationalen Eulerschen Zahl e = 2:71828::: als Basis. Diese Basis e kommt in physikalischen Gesetzen vor, da diese meistens Lösungen von Di¤erentialgleichungen sind. Darauf wird später ausführlich eingegangen. In numerischen Rechnungen wird meistens die Basis 10 verwendet („Exponentialschreibweise von Zahlen im 10er System”), um groß e Zahlen kompakt auszudrücken. Zur ausgezeichneten Rolle der Basis e sei auf folgende Eigenschaft hingewiesen (ohne Beweis): Unter den Potenzfunktionen ax liegt nur ex oberhalb der linearen Funktion 1 + x. So liegen z.B. 2x und 4x teilweise darunter. y2 1 -1 1 x x x x 1 + x (fett), e (linie), 2 , 4 (gestrichelt) Bemerkung: Am Taschenrechner und in Computersprachen taucht die Schreibweise 2E+3 (beispielsweise) auf. 2 ist hier der Vorfaktor, E bedeutet Exponent (und NICHT Euler’sche Zahl). Es wird grundsätzlich 10 als Basis verwendet. Die Zahl bedeutet daher 2E+3 = 2 1.9.1 103 = 2000 Allgemeine Eigenschaften Theorem 3 Wenn a > 0 und a 6= 1, dann ist f (x) = ax eine stetige Funktion mit dem De…nitionsbereich R = ( 1; 1) und Wertebereich (0; 1). Insbesondere ist, ax > 0 für alle x. Wenn 0 < a < 1, dann ist f (x) = ax eine fallende Funktion; wenn a > 1, dann ist f eine steigende Funktion. Wenn a, b > 0 und x, y 2 R, gilt ax (ax )y = axy (ab)x = ax bx ax+y = ax ay ax y = y a Die Exponentialfunktion schneidet die y-Achse im Punkt P (0; 1). Es folgt der Graph der Eponentialfunktionen ax mit den Basen e (rot), 10 (blau), und 21 (grün).Die Exponentialfunktion ax wächst für a > 1 und fällt für 0 < a < 1. 1.10 Logarithmusfunktionen Logarithmieren ist die Umkehrung des Potenzieren. Die Exponentialfunktion ist invertierbar, da sie streng monoton (steigend oder fallend) ist. Die Logarithmusfunktion lässt sich daher einfach durch Spiegelung an der 1. Winkelhalbierenden erzeugen. ) De…nition Sei a eine positive Zahl mit a 6= 1. Die logarithmische Funktion mit Basis a, bezeichnet mit loga , ist de…niert durch loga x = y () ay = x In Worten: loga x ist der Exponent zur Basis a, um x zu erhalten. Eigenschaften des Logarithmus Erläuterung Eigenschaft loga 1 = 0 Die Basis a muss um die Potenz 0 erhoben werden, um 1 zu erhalten loga a = 1 Die Basis a muss um die Potenz 1 erhoben werden, um a zu erhalten Die Basis a muss um die Potenz x erhoben werden, um ax zu erhalten loga ax = x loga x a =x loga x ist die Potenz um die a erhoben werden muss, um x.zu erhalten Einige Basen werden besonders oft verwendet Der Logarithmus zur Basis 10 heisst dekadischer Logarithmus und wird machmal mit lg und machmal mit log (z.B. hier) bezeichnet. Er wird zur Darstellung groß er und kleiner Zahlen verwendet. Der Logarithmus zur Basis e heisst natürlicher Logarithmus und wird meistens mit ln aber in manchen Computersprachen leider mit log (z.B. hier) bezeichnet. Er wird zur Darstellung physikalischer Gesetze verwendet. Der Logarithmus zur Basis 2 heisst dyadischer Logarithmus und wird meistens mit ld bezeichnet. Er tritt in der Informatik auf. y y y y 2 2 2 2 1 1 1 1 0 0 x -1 -2 -1 -1 0 1 Exponentialfunktion 2 -2 0 x -1 y=ex y=10x y=2-x -2 y=e-x y=10-x y=ex y=e-x -2 0 x y=2x -1 y=ex y=ln(x) -2 -1 0 1 Exponentialfunktion 2 x y=2x -2 -1 y=ex y=10x y=log2(x) y=ln(x) y=log(x) -2 0 1 nat. Logarithmus 2 -2 -1 0 1 Logarithmen 2 Rechenregeln und Umrechnen der Basis Sei a eine positive Zahl mit a 6= 1. Sei x > 0; y > 0; und sei ausserdem r eine reelle Zahl. Der Logarithmus von einem Produkt von Zahlen ist die Summe der Logarithmen der Zahlen. loga (xy) = loga x + loga y Der Logarithmus von einem Quotient von Zahlen ist die Di¤erenz der Logarithmen der Zahlen loga x y = loga x loga y Der Logarithmus der Potenz einer Zahl ist der Exponent multipliziert mit dem Logarithmus der Zahl. loga (xr ) = r loga x Basiswechsel von a nach b:. logb x = weil für y = loga by = loga x loga b logb x gilt: by = x ) loga x ) y loga b = loga x ) y = logb x = loga x loga b Um von der Basis a zur Basis b zu wechseln, reicht es daher loga b.zu kennen. Ein Beispiel wäre hier die Umrechnung von einem dekadischen Logarithmus auf den natürlichen Logarithmus. Sei die Zahl x = 100 als dekadischer Logarithmus gegeben, also log 100 = 2. Mit log10 e = 0:43429::: ergibt sich logb x = log10 100 2 = = 4:6052::: log10 e 0:43429::: Da auf dem Taschenrechner log und ln zur Verfügung stehen, muss in Logarithmen-Gleichungen mit irgendwelchen Basen demzufolge auf die Basis 10 oder e gewechselt werden, um ein numerisches Ergebnis zu erzielen.. Umrechnen der Basis der Potenzfunktion Damit ist es nun auch möglich, die Basis der Potenzfunktion zu wechseln, zunächst von a auf e. Hier muss ln a berechenbar sein ax weil für y y = ex ln a = ax gilt: x = eln y ) ax = eln a = ex ln a oder allgemeiner von a auf b, hier muss logb a berechenbar sein. x y = blogb y ) ax = blogb a = bx logb a Ein Beispiel sei die Umrechnung einer Potenz von a = 10 in eine Potenz von b = e 102 = e2 loge 10 = e2 2:3026::: = e4:6052::: Ein anderes Beispiel sei die Umwandlung eines "natürlichen Exponentenen" in eine "Zehnerpotenz" e20 = 1020 log10 e = 1020 0:43429::: = 108:6858::: Der Mathematiker Laplace sagte zu der groß en Arbeiteerleichterung, welche durch das Ersetzen von Multiplikationen von Zahlen durch Additionen der Logarithmen von Zahlen (aus Logarithmentabellen) entsteht: „Durch die Arbeitserleichterung infolge der Verwendung von Logarithmen wird das Leben der Astronomen verdoppelt”. 1.11 In der Physik wichtige weitere Funktionen Arrhenius-Aktivierung: Aus der Hyperbel und der Exponentialfunktion zusammengesetzt ist die ArrheniusFunktion f (x) = e 1=x bzw. f (x) = ae b=x Sie beschreibt die Zunahme der Reaktionsgeschwindigkeit chemischer Reaktionen mit der Temperatur. Dabei entspricht x der Temperatur und b der Aktivierungsenergie. Die Reaktionsgeschwindigkeit steigt mit der Temperatur an und sättigt bei einem asymptotischen Wert von a. Bei kleinem b, also kleiner Aktivierungsenergie, wird die Sättigung früher erreicht. 1 0.8 0.6 0.4 y=e-0.1/x y=e-0.3/x y=e-1/x y=e-3/x 0.2 0 0 1 2 3 4 5 Arrhenius-Aktivierung Gauss-Funktion Gauss-Funktion Aus der quadratischen Funktion und der Exponentialfunktion zusammengesetzt ist die f (x) = e x2 bzw. f (x) = ae x2 =(2 2 ) Sie beschreibt die Häu…gkeit von zufälligen Messergebnissen um einen Mittelwert, hier Null. Dabei entspricht x dem gemessenen Wert und der Streubreite. 1 1 2 y=e-x 2 y=(2π)-1/2e-x /2 1 2/(2σ2) y=(2πσ)-1/2e-x σ=2 σ=1 σ=0.5 σ=0.25 0.8 0.8 0.6 0.6 0.6 0.4 0.4 0.4 0.2 0.2 0.2 0 0.8 0 0 -2 -1 0 1 Gauss-Funktion 2 2 y=e-x 2 y=xe-x 2 y=x2e-x -2 -1 0 1 Gauss-Funktion 2 0 1 2 Momente der Gauss-Fkt. 1.12 Winkelfunktionen Die trigonometrischen Funktionen (Winkelfunktionen) beschreiben Seitenverhältnisse in einem rechtwinkligen Dreieck in Abhängigkeit eines Winkels des Dreiecks. Dabei heiß t die Seite gegenüber dem Winkel Gegenkathete, die am Winkel liegende Seite Ankathete. Die Seite gegeüber dem rechten Winkel heiß t Hypotenuse. Seiten im Dreieck 1 einer vollständigen Umdrehung gegen den Uhrzeigersinn (math. 360 1 Drehrichtung). Ein Radiant ist de…niert als der Anteil einer vollständigen Umrehung. Achten Sie bei 2 ihrem Taschenrechner auf die Einstellung (deg oder rad) De…nition: 1 = Ein Grad ist de…niert als 180 1 rad = rad 180 Die Winkelfunktionen sind wie folgt de…niert sin = Gegenkathete Hyp othenuse tan = Gegenkathete Ankathete ausserdem gilt: Pythagoras gerade Funktion ungerade Funktionen Phasenverschiebungen Ankathete cos = Hyp othenuse Ankathete cot = Gegenkathete sin2 + cos2 = 1 cos( ) = cos sin( ) = sin tan( ) = tan sin + 2 = cos cos + 2 = sin sin ( ) = sin cos ( ) = cos Funktionswerte für elementare Winkel Aufgabe: Erklären Sie die Funktionswerte für die elementaren Winkel für sin und cos Grad 0 rad 0 sin 0 cos 1 tan 0 cot 1 sec 1 csc 1 30 45 60 6 1 p2 3 2 p 3 3 p 3 p 2 3 3 4 p 2 p2 2 2 3 p 3 2 1 2 p 3 p 3 3 2 1 1 p 2 p 2 2 p 2 3 3 90 180 2 1 0 0 1 270 3 2 360 1 0 2 0 1 1 0 1 0 0 1 0 1 1 1 1 1 1 1 1 1 Winkelfunktionen ausgedrückt durch Winkel aus dem ersten Quadranten n sei hier eine positive, ganze Zahl sin cos tan cot sec csc sin + cos tan cot + sec csc 90 + cos sin cot tan csc + sec 180 sin cos tan cot sec csc 270 cos sin cot tan csc sec n (360) sin + cos tan cot + sec csc Aufgabe: Berechnen Sie ohne Taschenrechner folgende Winkelfunktionen a) sin a) 2 3 b) sin (3 ) =0:86603 2 3 c) sin b) 0 c) = d) cos 0:86603 d) 3 4 = e) tan (7 ) 0:707 11 e) 0 f) tan f) 7 4 = 1 Mit Hilfe des Pythagoras läß t sich jede Winkelfunktion durch eine andere ausdrücken, allerdings nur dann, wenn alle beteiligten Funktionen ein-eindeutig sind. Das ist im Intervall [0; =2] der Fall. 1 1 sin(x) 0.5 3 cos(x) 3 tan(x) 2 2 1 1 0 0 -1 -1 -2 -2 cot(x) 0.5 0 0 -0.5 -0.5 -1 π/2 0 π 3π/2 -3 -1 2π π/2 0 Sinus π 3π/2 2π 0 π/2 π 3π/2 2π -3 0 Tangens Cosinus π/2 π 3π/2 Cotangens Aufgabe: Drücken Sie a) cos durch sin aus, b) tan durch sin aus, c) cos durch tan aus a) cos x = c) tan x = ) p sin x sin x =p cos x 1 sin2 x p sin x 1 cos2 x 1 cos2 x = ) tan2 x = cos x cos x cos2 x 1 tan2 x cos2 x + cos2 x = 1 ) cos2 x = 1 + tan2 x + 1 sin2 x b) tan x = Additionsgesetze: Die Herleitung der folgenden Formeln geht mit komplexen Zahlen sehr einfach, daher hier ohne Beweis sin (' ) = sin ' cos cos ' sin cos (' ) = cos ' cos sin ' sin tan (' )= tan ' tan 1 tan ' tan Sonderfälle die auch anhand des Funktionsgraphen bewiesen werden können sin ' + cos ' + sin cos 2 2 2 2 = cos ' = sin ' ' = cos ' ' = sin ' 2π Spezialfälle für doppelte und halbe Winkel, die sich aus den Additionsgesetzen ergeben sin 2' = 2 sin ' cos ' sin2 ' = 2 cos2 ' cos 2' = cos2 ' 2 sin2 ' 1=1 2 tan ' 1 tan2 ' r ' 1 cos ' sin = (Vorzeichen je nach Quadrant) 2 2 r ' 1 + cos ' (Vorzeichen je nach Quadrant) cos = 2 2 r ' 1 cos ' 1 cos ' sin ' tan = = = (Vorzeichen je nach Quadrant) 2 sin ' 1 + cos ' 1 + cos ' tan 2' = Umkehrfunktionen der Winkelfunktionen Die Umkehrfunktionen von sin, cos, und tan lassen sich in einem eingeschränkten De…nitionsbereich de…nieren: in 2 ; 2 ist der sin ein-eindeutig und invertierbar, in [0; ] ist der cos ein-eindeutig und invertierbar und in ; 2 2 ist der tan ein-eindeutig und invertierbar. Die Arkus-Funktionen kommen auch daher relativ häu…g in der Physik vor, weil sie sich als Stammfunktionen von Integralen ergeben (siehe später). 1 1 sin(x) 0.5 3 cos(x) 2 2 1 1 0 0 -1 -1 -2 -2 cot(x) 0.5 0 0 -0.5 -0.5 -1 π/2 0 π 3π/2 -3 -1 2π 0 Sinus π/2 π/2 π 3π/2 π -π/2 π/2 acos(x) 0.5 1 Arcus-Sinus 3π/2 -0.5 0 0.5 Arcus-Cosinus 0 π/2 1 π atan(x) b) arctan ( 3x) 3π/2 2π acot(x) π/2 0 -3 -2 -1 0 1 Arcus-Tangens 2 3 -3 -2 -1 c) arccos (1 + x) 0 1 2 Arcus-Cotangens Aufgabe: Skizzieren Sie die Graphen der nachfolgenden Funktionen a) arcsin (2x) π Cotangens -π/2 -1 -3 2π 0 0 0 π Tangens π/2 0 -0.5 π/2 0 2π Cosinus asin(x) -1 3 tan(x) d) arctan 1 x2 3 y y 2 y4 2 y 2 2 -1 1 x -5 5 -5 x -2 -2 arcsin(x) und arcsin(2x) -1 -2 arctan(x) und arctan(3x) arcsin(x) und arcsin(2x) 1 x -2 arctan(x) und arctan(1