Zufallsvariable und ihre Verteilungen Gesetz der seltenen Ereignisse und Gesetz der großen Zahl Mathematik für Biologen Prof. Dr. Rüdiger W. Braun Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf 16. Dezember 2011 Zufallsvariable und ihre Verteilungen Gesetz der seltenen Ereignisse und Gesetz der großen Zahl 1 Zufallsvariable und ihre Verteilungen Binomialverteilung Laplace-Verteilung Geometrische Verteilung Poissonverteilung 2 Gesetz der seltenen Ereignisse und Gesetz der großen Zahl Das Gesetz der seltenen Ereignisse Das schwache Gesetz der großen Zahl Zufallsvariable und ihre Verteilungen Gesetz der seltenen Ereignisse und Gesetz der großen Zahl Zusätzliche Rechenregeln für unabhängige Zufallsvariable Produktformel für den Erwartungswert: X und Y seien unabhängige Zufallsvariable. Dann E (X · Y ) = E (X ) · E (Y ) Summenformel für die Varianz: X und Y seien unabhängige Zufallsvariable. Dann Var (X + Y ) = Var (X ) + Var (Y ) Zufallsvariable und ihre Verteilungen Gesetz der seltenen Ereignisse und Gesetz der großen Zahl Einzelnes ja/nein-Experiment Zufallsvariable X nimmt mit Wahrscheinlichkeit p den Wert 1 und mit Wahrscheinlichkeit 1 − p den Wert 0 an E (X ) = 1 X k · P(X = k) k=0 = 0 · (1 − p) + 1 · p =p Var (X ) = 1 X (k − E (X ))2 · P(X = k) k=0 2 = p · (1 − p) + (1 − p)2 · p = p · (1 − p) · (p + (1 − p)) = p · (1 − p) Zufallsvariable und ihre Verteilungen Gesetz der seltenen Ereignisse und Gesetz der großen Zahl Erwartungswert der Binomialverteilung X1 , X2 , . . . , Xn seien Zufallsvariable jedes Xj nimmt mit Wahrscheinlichkeit p den Wert 1 und mit Wahrscheinlichkeit 1 − p den Wert 0 an Interpretation Xj = 1 ist “Erfolg” Y = X1 + X2 + · · · + Xn ist die Anzahl der Erfolge Y ist verteilt gemäß Bn,p E (X1 ) = E (X2 ) = · · · = E (Xn ) = p also E (Y ) = n · p Der Erwartungswert einer Bn,p -verteilten Zufallsvariable beträgt n · p Zufallsvariable und ihre Verteilungen Gesetz der seltenen Ereignisse und Gesetz der großen Zahl Varianz der Binomialverteilung X1 , X2 , . . . , Xn seien unabhängige Zufallsvariable jedes Xj nimmt mit Wahrscheinlichkeit p den Wert 1 und mit Wahrscheinlichkeit 1 − p den Wert 0 an Y = X1 + X2 + · · · + Xn ist verteilt gemäß Bn,p Var (X1 ) = Var (X2 ) = · · · = Var (Xn ) = p · (1 − p) also Var (Y ) = n · p · (1 − p) Die Varianz einer Bn,p -verteilten Zufallsvariable beträgt n · p · (1 − p) Zufallsvariable und ihre Verteilungen Gesetz der seltenen Ereignisse und Gesetz der großen Zahl B40,0.4(k) Stabdiagramm der Binomialverteilung 0.12 0.10 0.08 0.06 0.04 0.02 0.000 5 10 15 20 25 30 35 40 k Der Erwartungswert ist blau, alles innerhalb der Standardabweichung ist grün Zufallsvariable und ihre Verteilungen Gesetz der seltenen Ereignisse und Gesetz der großen Zahl Erwartungswert und Varianz: Beispiel Laplace-Verteilung Die Zufallsvariable X sei Laplace-verteilt auf {1, 2, . . . , N}. Dann E (X ) = und Var (X ) = N +1 2 N2 − 1 12 Für den fairen Würfel gelten also 7 = 3.5 2 35 Var (X ) = = 2.917 r 12 35 σ= = 1.708 12 E (X ) = Zufallsvariable und ihre Verteilungen Gesetz der seltenen Ereignisse und Gesetz der großen Zahl Stabdiagramm Laplace-Verteilung 0.025 P ( X = k) 0.020 0.015 0.010 0.005 0.0000 5 10 15 20 25 30 35 40 k Laplace-Verteilung auf {1, 2, . . . , 40}. Der Erwartungswert ist blau, alles innerhalb der Standardabweichung ist grün. Zufallsvariable und ihre Verteilungen Gesetz der seltenen Ereignisse und Gesetz der großen Zahl Erwartungswert und Varianz für die geometrische Verteilung Die Zufallsvariable X sei Gp -verteilt. Dann 1 p 1−p Var (X ) = p2 E (X ) = Zufallsvariable und ihre Verteilungen Gesetz der seltenen Ereignisse und Gesetz der großen Zahl Stabdiagramm geometrische Verteilung 0.05 G0.05(k) 0.04 0.03 0.02 0.01 0.00 0 20 40 k 60 80 100 Geometrische Verteilung G0.05 . Der Erwartungswert ist blau, alles innerhalb der Standardabweichung ist grün. Zufallsvariable und ihre Verteilungen Gesetz der seltenen Ereignisse und Gesetz der großen Zahl Erwartungswert und Varianz für die Poissonverteilung Die Zufallsvariable X sei Pλ -verteilt. Dann E (X ) = λ Var (X ) = λ Zufallsvariable und ihre Verteilungen Gesetz der seltenen Ereignisse und Gesetz der großen Zahl P16(k) Stabdiagramm Poissonverteilung 0.12 0.10 0.08 0.06 0.04 0.02 0.000 5 10 15 20 25 30 35 40 k Poissonverteilung P16 . Der Erwartungswert ist blau, alles innerhalb der Standardabweichung ist grün. Zufallsvariable und ihre Verteilungen Gesetz der seltenen Ereignisse und Gesetz der großen Zahl Poissonverteilung Es sei λ > 0. Die Poissonverteilung zum Parameter λ ist definiert durch λk −λ Pλ (k) = ·e k! Unter den folgenden Voraussetzungen ist eine Zufallsvariable X poissonverteilt zum Parameter λ: X zählt das Auftreten eines Ereignisses pro Zähleinheit Im Mittel treten λ Ereignisse pro Zähleinheit auf Die Ereignisse beeinflussen sich nicht gegenseitig Zufallsvariable und ihre Verteilungen Gesetz der seltenen Ereignisse und Gesetz der großen Zahl Beispiel Tumor Ein Tumor aus 160 Zellen wird bestrahlt Im Mittel sterben 16 Tumorzellen pro Minute Mit welcher Wahrscheinlichkeit sterben 10 Zellen in der ersten Minute? Zwei Modelle sind angemessen Binomialverteilung Poissonverteilung Zufallsvariable und ihre Verteilungen Gesetz der seltenen Ereignisse und Gesetz der großen Zahl Beispiel Tumor: Rechnung mit Binomialverteilung Modell: 160 unabhängige ja/nein-Experimente Erfolg : Tod der Tumorzelle Erfolgswahrscheinlichkeit im Einzelfall p = 0.1 Anzahl der Erfolge verteilt gemäß B160, 0.1 Antwort: 160 B160, 0.1 (10) = · 0.110 · 0.9150 = 0.03113 10 Zufallsvariable und ihre Verteilungen Gesetz der seltenen Ereignisse und Gesetz der großen Zahl Beispiel Tumor: Rechnung mit Poissonverteilung Modell: seltenes Ereignis, das im Mittel 16 mal pro Minute auftritt Parameter der Poissonverteilung ist λ = 16 Anzahl der Ereignisse pro Zähleinheit ist verteilt gemäß P16 Antwort 1610 −16 e = 0.03410 10! Zum Vergleich B160, 0.1 (10) = 0.03113 P16 (10) = Zufallsvariable und ihre Verteilungen Gesetz der seltenen Ereignisse und Gesetz der großen Zahl 0.12 0.10 0.08 0.06 0.04 0.02 0.000 5 10 15 20 25 30 35 40 k P16(k) B160,0.1(k) Vergleich Binomial- und Poissonverteilung 0.12 0.10 0.08 0.06 0.04 0.02 0.000 5 10 15 20 25 30 35 40 k Beide beschreiben einen Prozess mit 16 Erfolgen im Mittel. Der Unterschied ist, dass beim Poissonprozess die Anzahl der Erfolge potenziell unbeschränkt ist. Zufallsvariable und ihre Verteilungen Gesetz der seltenen Ereignisse und Gesetz der großen Zahl Vergleich Binomial- und Poissonverteilung, Fortsetzung 0.12 0.10 0.08 0.06 0.04 0.02 0.000 5 10 15 20 25 30 35 40 k P16(k) B40,0.4(k) B40, 0.4 und P16 besitzen ebenfalls beide den Erwartungswert 16 0.12 0.10 0.08 0.06 0.04 0.02 0.000 5 10 15 20 25 30 35 40 k Zufallsvariable und ihre Verteilungen Gesetz der seltenen Ereignisse und Gesetz der großen Zahl Gesetz der seltenen Ereignisse Die Poisson-Verteilung Pλ mit λ = n · p ist eine sehr gute Annäherung an die Binomialverteilung Bn,p , falls n ≥ 100 und n · p ≤ 10. Im Beispiel waren n = 160 p = 0.1 Die Annäherung ist daher nur gut Zufallsvariable und ihre Verteilungen Gesetz der seltenen Ereignisse und Gesetz der großen Zahl Messwiederholungen Warum erhöhen mehrere Messungen die Genauigkeit? Warum braucht man 100-mal so viele Messungen, um die Genauigkeit zu verzehnfachen? Zufallsvariable und ihre Verteilungen Gesetz der seltenen Ereignisse und Gesetz der großen Zahl Rechenregeln für den Erwartungswert Für jede Zahl c und jede Zufallsvariable X ist E (c · X ) = c · E (X ) Für Zufallsvariablen X1 , . . . , Xn ist E (X1 + · · · + Xn ) = E (X1 ) + · · · + E (Xn ) X und Y unabhängige Zufallsvariable. Dann E (X · Y ) = E (X ) · E (Y ) Zufallsvariable und ihre Verteilungen Gesetz der seltenen Ereignisse und Gesetz der großen Zahl Rechenregeln für die Varianz Für jede Zahl a und jede Zufallsvariable X gilt Var (a + X ) = Var (X ) Für Zahl c und jede Zufallsvariable X gilt Var (c · X ) = c 2 · Var (X ) X und Y unabhängige Zufallsvariable. Dann Var (X + Y ) = Var (X ) + Var (Y ) Zufallsvariable und ihre Verteilungen Gesetz der seltenen Ereignisse und Gesetz der großen Zahl Zwei unabhängige, identisch verteilte Zufallsvariable X1 und X2 seien unabhängige Zufallsvariable, die derselben Verteilung gehorchen (also z. B. Messwiederholungen). Sei Y = 21 (X1 + X2 ) der Durchschnittswert Der Erwartungswert von X1 heiße µ, also E (X1 ) = E (X2 ) = µ Die Streuung von X1 heiße σ, also Var (X1 ) = Var (X2 ) = σ2 E (Y ) = 21 (E (X1 ) + E (X2 )) = µ 2 2 Var (Y ) = 12 Var (X1 ) + 12 Var (X2 ) = 14 σ2 + 14 σ2 = 12 σ2 σ Also ist √ die Streuung von Y 2 Zufallsvariable und ihre Verteilungen Gesetz der seltenen Ereignisse und Gesetz der großen Zahl Das schwache Gesetz der großen Zahl “Mit ausreichend vielen Messwiederholungen lässt sich jede Genauigkeit erreichen” Präziser: X1 , . . . , Xn unabhängig, alle mit derselben Verteilung µ = E (X1 ) = · · · = E (Xn ) und σ2 = Var (X1 ) = · · · = Var (Xn ) 1 Y = (X1 + · · · + Xn ) n Y ist das arithmetische Mittel der X1 , X2 , . . . , Xn Dann E (Y ) = µ und die Streuung von Y beträgt σ σY = √ n Zufallsvariable und ihre Verteilungen Gesetz der seltenen Ereignisse und Gesetz der großen Zahl Messwiederholungen: Beispiel 0 10 20 30 40 0 10 20 30 40 k Links: Poissonverteilung P16 , Streuung ist 4 Rechts: Durchschnittswerte aus zehn P16 -verteilten Zufallsvariablen, Streuung ist 4 √ = 1.26 10 Zufallsvariable und ihre Verteilungen Gesetz der seltenen Ereignisse und Gesetz der großen Zahl Beispiel: α-Strahler Ein Geigerzähler registriert pro Sekunde ungefähr 25 α-Teilchen Dieser Wert soll so genau bestimmt werden, dass die Streuung des Mittelwerts Y unter 2.0 liegt Wie viele Einzelversuche von einer Sekunde Dauer sind erforderlich? Zur Versuchsplanung genügt eine grobe Schätzung von λ. Wir verwenden λ = 25 Var √ (Pλ ) = λ. Also hat jeder Einzelversuch die Streuung 25 = 5 Gleichung 5 √ = 2.0 n Also √ ∼6 n = 2.5 und n =