Beispielbild Lernen & Gedächtnis Theorien der Klassischen Konditionierung SoSe 2008 Rescorla-Wagner-Modell Was erklärt die Formel? Was sagt diese Formel voraus? Wieso ist dies die vielleicht wichtigste Formel in der Psychologie? Grundlagen: Klassische KonditionierungFachbereich, Titel, Datum 2 Rescorla-Wagner-Modell Ausgangspunkt: Mehrere Befunde (Kontingenz, Prepardness, Blockierung) implizieren, dass hinter der Konditionierung mehr als nur die simultane Aktivierung von zwei Hirnzentren steht. ‚Überraschung‘: Die Kombination aus Ton/Licht + Schock muss nicht zu einer Konditionierung für den Lichtreiz führen. Der US (Schock) muss nämlich überraschend sein! Nur dann wird eine Suche im Gedächtnis initiiert. Grundlagen: Klassische KonditionierungFachbereich, Titel, Datum 3 Rescorla-Wagner-Modell Leo Kamins Botschaft: Lernen hängt von der Diskrepanz zwischen unserer Erwartung und dem Erleben ab. Wenn ein erwartetes Ereignis eintritt, lernen wir nicht! Werden wir überrascht, suchen wir nach Kontingenzen. Modifikation von Rescorla & Wagner: Der Grad der Überraschung determiniert, wie stark der Konditionierungseffekt ist. Je unerwarteter der Reiz, desto stärker die Konditionierung. Grundlagen: Klassische KonditionierungFachbereich, Titel, Datum 4 Rescorla-Wagner-Modell Lernkurve und der Parameter V: V = Stärke der Assoziation von CS & US V nimmt nicht linear über die Zeit zu, sondern folgt einer Sättigungsfunktion Lernkurve und der Parameter ∆V: ∆V(i) = Veränderung der Stärke über einen fixen Zeitraum i V(max) = Asymptote, der sich die Funktion annähert (Sättigungswert) Grundlagen: Klassische KonditionierungFachbereich, Titel, Datum 5 Rescorla-Wagner-Modell Wie kommt nun der ‚Überraschungswert‘ in diese Funktion? Beziehung zwischen V und V(max) Im frühen Stadium der Konditionierung (1) V(max) ist die Differenz hoch. D.h. der Grad der Überraschung ist hoch. Im späten Stadium der Konditionierung (2) ist die Different geringer. D.h. der Grad der Überraschung ist gering. Der Grad der Überraschung ist korreliert mit dem Anwachsen der assoziativen Stärke. Grundlagen: Klassische KonditionierungFachbereich, Titel, Datum 6 Rescorla-Wagner-Modell Wie sagt man nun ∆V(i) vorher: ∆V(i) = V(max) – V(i) Das Anwachsen der Stärke der Assoziation in einem Trial i wird determiniert aus der Differenz zwischen V(max) und der augenblicklichen Assoziationsstärke V(i). Grundlagen: Klassische KonditionierungFachbereich, Titel, Datum 7 Rescorla-Wagner-Modell Problem 1 Manches Konditionieren geht langsam (Speichelfluss), manches Konditionieren geht schnell (Geschmacksaversion). Wie verändert dies das Modell? Man muss einen Parameter einfügen: ∆V(i) = c(V(max) – V(i)) V(max) legt das Niveau der Asymptote fest. c legt fest, wie schnell sich die Funktion ändert. Grundlagen: Klassische KonditionierungFachbereich, Titel, Datum 8 Rescorla-Wagner-Modell Problem 2 Wie kann ich das Modell evaluieren? Wie viele Parameter benötige ich zur Schätzung? sEr = (sHr x D x K x V) - (sIr + Ir) +/- sOr Lösung: Die Werte (c, V(max)) werden zufällig festgesetzt. D.h. dass man nur qualitative Aussagen über den Lernverlauf treffen kann, keine quantitativen. Grundlagen: Klassische KonditionierungFachbereich, Titel, Datum Hull 9 Rescorla-Wagner-Modell Evaluation: Simpler Konditionierungsprozess Typ: Ton / Fleisch – Speichel V(max) : 1.0 und c=0.3 ∆V(i) = c(V(max) – V(i)) Zeitpunkt Ass. Stärke ∆V(i) 1 0.0 0.3 (1-0.0) = 0.3 2 0.3 0.3(1-0.3) = 0.21 3 0.51 0.3(1-0.51)= 0.15 4 0.66 0.3(1-0.66) =0.10 Grundlagen: Klassische KonditionierungFachbereich, Titel, Datum 10 Rescorla-Wagner-Modell Evaluation: Extinktion Typ: Ton – Speichel V(max) : 0 und c=0.3 ∆V(i) = c(V(max) – V(i)) Zeitpunkt Ass. Stärke ∆V(i) 5 0.66 0.3 (0-0.66) = -0.198 6 0.46 0.3(0-0.46) = -0.138 7 0.322 0.3(0-0.322)= -0.096 Grundlagen: Klassische KonditionierungFachbereich, Titel, Datum 11 Rescorla-Wagner-Modell Evaluation: Blockierung Typ: Ton/Licht – Schock Implikation: V(CS1, CS2) = V(CS1) + V(CS2) Und ∆V(CS1,i) = ∆V(CS2,i) = c(V(max) – V(CS1, CS2)) CS1 (Ton) in der ersten Phase gegeben. Maximale Ass-Stärke erreicht: V(CS1) = 1.0 CS1 (Ton) und CS2 (Licht) werden in der zweiten Phase kombiniert: V(CS1,CS2) = V(CS1) + V(CS2) = 1 + 0 = 1 Was ist hier der Assoziationsanstieg für den CS2 (Licht)? ∆V(CS2,i) = c(V(max) – V(CS1, CS2)) = 0.3 (1.0 – 1.0) = 0 (mit V(max) : 1 und c=0.3) Grundlagen: Klassische KonditionierungFachbereich, Titel, Datum 12 Rescorla-Wagner-Modell Evaluation: Kontingenz CS CS CS Kontingenz = hoch = US CS CS CS CS CS2 CS2 CS2 Kontingenz = niedrig Erklärung: CS2 Konsequenz: Da CS2 häufiger mit dem US gekoppelt wird, ist Organismus sucht nach einem CS (z.B. Surren des Ventilators) Und: dieser neue CS ist vermutlich konstant vorhanden dessen assoziative Stärke auch höher. Grundlagen: Klassische KonditionierungFachbereich, Titel, Datum 13 Rescorla-Wagner-Modell Prognosefähigkeit des Modells Ansatz: Macht das Modell eine Annahme, die intuitiv und nach dem Stand der Forschung nicht nachvollziehbar ist? Gedankenexperiment: Phase 1 (je 5 Trials) Ton – Schock Gedankenexperiment: Gedankenexperiment: Phase 2 (je 10 Trials) Phase 3 Ton + Licht – Schock Ton … Licht – Schock Wenige Trials (n=5) V(Licht) = 0.2 V (Ton) = 0.2 ∆V(Ton) = ∆V(Licht) = 0.5 (1.0 – 0.4) = 0.3 Bei c=.5 und V(max)=1.0 Grundlagen: Klassische KonditionierungFachbereich, Titel, Datum Anstieg der Furcht mit Beginn der zweiten Phase Furchtkonditionierung 14 Rescorla-Wagner-Modell Prognosefähigkeit des Modells Gedankenexperiment: Phase 1 (je 25 Trials) Ton – Schock Gedankenexperiment: Gedankenexperiment: Phase 2 (je 10 Trials) Phase 3 Ton + Licht – Schock Ton … Licht – Schock Viele Trials (n=25) V(Licht) = 0.9 V (Ton) = 0.9 ∆V(Ton) = ∆V(Licht) = 0.5 (1.0 –1.8) = -0.4 Bei c=.5 und v(max)=1.0 Grundlagen: Klassische KonditionierungFachbereich, Titel, Datum Reduktion der Furcht mit Beginn der zweiten Phase – keine Furchkonditionierung 15 Rescorla-Wagner-Modell Prognosefähigkeit des Modells Phase 1 (25 Trials) -> Reaktion auf Licht, bzw. Ton SNIFFY Phase 1 (25 Trials) + Phase 2 (25 Trials) -> Reaktion auf Licht, bzw. Ton Ton Suppression Licht Effekt der ‚Über-Erwartung‘ (overexpectation) - + Phase 2 - + Grundlagen: Klassische KonditionierungFachbereich, Titel, Datum 16 Rescorla-Wagner-Modell Problemfälle für das Modell Licht… Licht - Schock Licht… Licht - Schock Licht… Latente Inhibition oder CS Preexposure Effect: CS wird schwieriger zu konditionieren, weil man wahrscheinlich lernt, ihn zu ignorieren. Nicht erklärbar mit dem Rescorla-Wagner-Modell! Grundlagen: Klassische KonditionierungFachbereich, Titel, Datum 17 Rescorla-Wagner-Modell Problemfälle für das Modell Licht - Schock Ton - Schock V(Licht) = 0.5 V(Ton) = 0.5 Eine Reizzusammensetzung kann schwieriger als CS fungieren. Eine simple Summation der Reize funktioniert nicht, da das Ereignis als ‚Stimulus-Compound‘ verarbeitet wird. V(Ton+Licht) = 1.0 Ton CR Konfigurales Lernen: Ton+Licht - … Licht Ton+Licht Zeit Nicht erklärbar mit dem Rescorla-Wagner-Modell! Grundlagen: Klassische KonditionierungFachbereich, Titel, Datum 18 Rescorla-Wagner-Modell Bewertung Vorteile Probleme Das Modell kann eine Reihe Das Modell fokussiert sich nur auf komplexer Lernvorgänge erklären, die Beziehung zwischen CS und US wie z.B. die Extinktion oder das – aber nicht auf die ‚Geschichte‘ des ‚Blocking‘. Lernens oder seine Umgebung. Diese können aber die CS-USAssoziationen modulieren. Aber: Alle Modifikationen des Modells implementieren seine Kernannahmen: Das Lernen ist asymptotisch und basiert auf einer Veränderung der Assoziationsstärke zwischen US und CS. Grundlagen: Klassische KonditionierungFachbereich, Titel, Datum 19 Was lernt man bei der Konditionierung? Iwan Pawlow Konditionierung führt zu einer ReizSubstitution. D.h. der CS ‚ersetzt‘ die Wirkung des US. Die Idee: Der US löst normalerweise eine automatische (angeborene) Handlung aus. Der CS bekommt nach einer Reihe von Paarungen mit dem US die gleiche Kompetenz. Reaktionen des Hundes auf einen konditionierten Lichtreiz: Hund wird versuchen, ob die Lampe zu essen ist. CS wird US !!! Grundlagen: Klassische KonditionierungFachbereich, Titel, Datum 20 Was lernt man bei der Konditionierung? Evidenz für die Reiz-Substitution: Autoshaping (Jenkins & Moore, 1973) Lichtreiz wird bei Tauben einmal mit Wasser und einmal mit Körnern konditioniert. Effekt: CS (Licht-Wasser) wird mit geschlossenem Schnabel und offenen Augen (=Trinken) beantwortet. CS (Licht-Körner) wird mit offenem Schnabel und geschlossenen Augen (=Nahrung) beantwortet. Grundlagen: Klassische KonditionierungFachbereich, Titel, Datum 21 Was lernt man bei der Konditionierung? Edward Tolman Konditionierung bildet Erwartungen aus. CS-US-Paarung führt dazu, dass CS ein Signal für das Auftreten des US wird. Aber: Der CS wird nicht der US!!! Grundlagen: Klassische KonditionierungFachbereich, Titel, Datum 22 Was lernt man bei der Konditionierung? Evidenz für die Erwartungs-Idee: Colwill & Motzkin, 1994 Ratten bekamen zwei Arten von Verstärkung aus einer Box: CS1 – Zuckerlösung CS2 – Futter-Pellets Intervention: Zuckerlösung wird mit Übelkeit gekoppelt Resultat: Annäherungsverhalten an die Box nur noch, wenn CS2 auftritt. Interpretation: Differenzielles Annäherungsverhalten drückt eine differenzielle Erwartung aus. Grundlagen: Klassische KonditionierungFachbereich, Titel, Datum 23 Was lernt man bei der Konditionierung? Was stimmt nun? Vielleicht beides… Kortikales System für die Bildung von Erwartungen Subkortikales System für die Reizsubstitution Zwei-System-Hypothese Grundlagen: Klassische KonditionierungFachbereich, Titel, Datum 24 Was lernt man bei der Konditionierung? Kortikales System: Evolutionsgeschichtlich jung, Primär in den Ablauf bewusster Informationsverarbeitung eingebettet, arbeitet langsam. Subkortikales System: Evolutionsgeschichtlich alt, vermittelt auch unbewusste Prozesse, läuft schnell ab. Grundlagen: Klassische KonditionierungFachbereich, Titel, Datum 25 Was lernt man bei der Konditionierung? Beispiel ‚Angst‘ Nach der Theorie von LeDoux vermittelt die Amygdala die schnelle Furchtreaktion, ohne dass eine genaue Inhaltsanalyse vorgenommen wurde. Die Inhaltsanalyse wird durch den Neokortex durchgeführt. Grundlagen: Klassische KonditionierungFachbereich, Titel, Datum 26 Was lernt man bei der Konditionierung? Folge einer Läsion der Amygdala Obwohl die Handlungskontingenzen klar erkannt werden, wird keine ‚normale‘ emotionale Reaktion gezeigt. (Damasio, 2003) Grundlagen: Klassische KonditionierungFachbereich, Titel, Datum 27 Was lernt man bei der Konditionierung? Folge einer Läsion des Hippokampus Der Patient kann nicht die Kontingenz zwischen zwei Ereignissen angeben (Farbe – Stromstoß), zeigt jedoch eine deutliche autonome Reaktion. Grundlagen: Klassische KonditionierungFachbereich, Titel, Datum 28 Was lernt man bei der Konditionierung? Ist Konditionierung ein bewusster oder ein unbewusster Prozess? Kortikales System: Bewusste Bildung von Assoziationen Subkortikales System: Unbewusste Bildung von Assoziationen Grundlagen: Klassische KonditionierungFachbereich, Titel, Datum 29 Was lernt man bei der Konditionierung? Ist Konditionierung ein bewusster oder ein unbewusster Prozess? Befunde von Öhman: Auch wenn durch eine visuelle Maskierung keine bewusste Identifikation des Reizes möglich ist, so findet dennoch eine Reaktion des autonomen Nervensystems statt. Grundlagen: Klassische KonditionierungFachbereich, Titel, Datum 30 Was lernt man bei der Konditionierung? Ist Konditionierung ein bewusster oder ein unbewusster Prozess? Effekt von Werbung: Positive CS (Models, Musik) haben einen deutlichen Einfluss auf die Einschätzung eines Produkts – auch wenn der Einfluss der CS von den Konsumenten abgestritten wird. Grundlagen: Klassische KonditionierungFachbereich, Titel, Datum 31 Was lernt man bei der Konditionierung? Ist die konditionierte Reaktion (CR) immer identisch mit der unkonditionierten Reaktion (UR)? Speichelfluss: Augenblinzler: Chemische Zusammensetzung Latenz und Dauer des Blinzlers des Speichels ändert sich. sind nicht identisch. Verhalten: Futter – Licht – Konditionierung: Wieso gähnt & keucht der Hund? Ton – Schock – Konditionierung: Wieso springt die Ratte nicht? Ton – Futter – Konditionierung: Wieso Zucken die Ratten mit den Köpfen? Grundlagen: Klassische KonditionierungFachbereich, Titel, Datum 32 Was lernt man bei der Konditionierung? Ist die konditionierte Reaktion (CR) immer identisch mit der unkonditionierten Reaktion (UR)? Behavior – System – Theorie: Konditionierung hat einen Effekt auf den motivationalen Zustand des Organismus. Der CS löst eher ein Appetenzverhalten aus, d.h. eine Orientierungsreaktion, die vom eigentlichen UR differieren kann. Grundlagen: Klassische KonditionierungFachbereich, Titel, Datum 33 Was lernt man bei der Konditionierung? Kann Konditionierung scheinbar hohe kognitive Prozesse erklären? CS1 + CS2 – US1 Nasenbluten + Kopfschmerz – Krankheit 1 CS3 + CS4 – US2 Fieber + Übelkeit – Krankheit 2 Gluck & Bower (1988) zeigten, dass das Erkennen kausaler Zusammenhänge in der medizinischen Diagnose durch das Rescorla-Wagner-Modell vorhergesagt werden kann. Grundlagen: Klassische KonditionierungFachbereich, Titel, Datum 34