Wachstum ohne Rendite ist tödlich strategien für ein gesundes unternehmenswachstum Von Prof. Dr. Arnold Weissman und Moritz Weissman In der Diskussion um stagnierende Märkte und den zunehmenden Verdrängungswettbewerb rückt das Thema Wachstum immer mehr in den Mittelpunkt strategischer Überlegungen. Wachstum kann prinzipiell auf vier Arten erzielt werden: durch Verdrängung, durch Innovation (zum Beispiel durch die Erschließung neuer Geschäftsfelder), durch Kooperation und durch Zukauf. Doch Vorsicht: Wachstum ist kein Selbstzweck. Quantitatives Wachstum ist nur dann gut, wenn es dem Generalziel des Unternehmens dient, der nachhaltigen Steigerung des Vermögenswertes des Unternehmens und damit der Steigerung der Zukunfts- und Überlebensfähigkeit. hemmend erweisen: strategische Mängel, Organisation und Führung, operative Defizite und Kompetenzlücken. Alle drei sind hausgemacht. Das liegt sicherlich mit daran, dass sich Unternehmen, um zu wachsen, oft neue Geschäftsfelder erschließen müssen, weil Märkte für Produkte und Dienstleistungen verschwinden. Digitale Kameras haben das Polaroidfoto verdrängt, der PC die Schreibmaschine, Wikipedia den Brockhaus. Hausgemachte Wachstumsbarrieren Die Felder des Wachstums Die Gründe für Erfolg oder Misserfolg eines Unternehmens liegen oft im Unternehmen selbst. Zahlreiche empirische Studien unterstützen diese Hypothese. Die folgenden Punkte haben sich immer wieder als besonders wachstums- Unternehmen, die wachsen wollen, haben mehrere Möglichkeiten. Wenn man sich die Wachstumsstrategien genauer anschaut, lassen sich vier Wachstumspfade identifizieren, die unterschiedliche Erfolgsaussichten haben. Moritz Weissman ist Berater bei Weissman & Cie. Seine Arbeitsschwerpunkte liegen in der Analyse, Umsetzung und Begleitung von Unternehmensstrategie und Strategiesteuerung. Kostenführer Er verfolgt eine Volumenstrategie, bietet standardisierte Produkte zu niedrigen Preisen an. Er zeichnet sich aus durch hohe Prozess- und Netzwerkkompetenz und agiert sehr international. Außer in der Optimierung seiner Wertschöpfungskette ist er kein Innovator. Mit zunehmendem Wachstum sinkt seine Rendite. Spezialisierer Unter den Spezialisierern finden sich eher kleine Unternehmen. Sie bieten individuelle, hochwertige Kundenlösungen zu einem guten Preis-Leistungs-Verhältnis. Sie zeichnen sich durch eine hohe, kundenorientierte Innovationsleistung und eine tiefe Wertschöpfungskette aus. International treten sie eher selektiv in Erscheinung. Sie verfügen über begrenzte Ressourcen. Ihr Profitabilität sinkt ab etwa 200 Millionen Euro Umsatz. Innovations-Champions Diese Unternehmen sind Innovations- und Technologieführer. Sie verfügen über ein hohes Budget für Forschung und Entwicklung und sind in der internationalen Forschung zuhause. In ihren Märkten sind sie Marktführer. Sie sind international präsent, oft über eigene Vertriebsgesellschaften, und haben starke Marken. Kompetenzführer Sie bieten innovative, hochwertige Produkte an. Ihre Produktion ist hoch effizient, stark standardisiert und sie sind Ziel jeder Wachstumsstrategie sollte es sein, zu den so genannten Value Growers zu gehören. Das sind Unternehmen mit einem überdurchschnittlichen Umsatz- und Wertwachstum. Doch leider zählen fast 50 Prozent der Unternehmen zu den Underperformers, bei denen Umsatz- und Wertwachstum unter dem Durchschnitt liegen. Wachstum nicht verordnen Ein Unternehmer kann nicht heute ins Büro marschieren und verkünden: „Wir müssen wachsen.“ Er kann es tun – natürlich, aber es wird nichts passieren, denn Wachstum kann nicht verordnet werden. Es muss aus dem Strategieentwicklungsprozess als eine für das Unternehmen sinnvolle strategische Stoßrichtung abgeleitet werden können. Dieser Prozess braucht Zeit, zahlt sich aber aus. Unternehmen ohne eine klare Strategie scheitern meistens schon bevor sie sich mit Wachstum befassen können. Ein Unternehmen ohne Strategie handelt sozusagen blind. Alle erfolgreichen Unternehmen verfügen über eine Strategie, die sie regelmäßig auf den Prüfstand stellen, sind sich über ihre Kernkompetenzen im Klaren, haben eine stabile Unternehmenskultur, die sich über gelebte Werte definiert, finanzieren sich konservativ und halten die Balance zwischen Rendite, Wachstum und Risiko. Solche Unternehmen haben begriffen, dass austauschbare Leistungen in stagnierenden Märkten zwingend zu einer negativen Rendite führen. Die Konsequenz daraus – und auch das Erfolgsrezept – ist, anders als die anderen zu sein und zentrale Marktprobleme sichtbar besser zu lösen als andere. www.weissman.de Foto: Hendrik Fuchs Um eine nachhaltige Wertsteigerung zu erzielen, ist eine Balance aus Wachstum, Rendite und Risiko notwendig. Das bedeutet: Unternehmen sollten nachhaltig profitabel mit vertretbarem Risiko wachsen. Nur so kann ein Unternehmen gesund bleiben. Dazu gehört auch, dass ein Unternehmen wachsen können sollte, aber nicht wachsen muss. Systeme, die nur leben, wenn sie wachsen, sind zum Aussterben verurteilt. Dafür spricht, dass nahezu ein Drittel aller Insolvenzen durch zu starkes Wachstum in den Vorjahren ausgelöst wird. Größe und Wachstum im Unternehmen sind gesund, wenn sie eine Folge der Verbesserung der Marktstellung sind und, wenn mit dem Wachstum der Umsätze auch die Gesamtproduktivität steigt. Wachstum ohne Rendite ist tödlich. Dasselbe gilt, wenn die Rendite steigt, aber das Unternehmen nicht wächst. Die Grundlage profitablen Wachstums sollte aber in jedem Fall die Erfüllung des Grundauftrags eines jeden Unternehmens sein: das Schaffen zufriedener Kunden. Neue Geschäftsfelder bergen oft ein hohes Risiko, denn je stärker sich eine Innovation oder ein neues Geschäftsfeld vom bestehenden Geschäftsmodell des Unternehmens unterscheidet, desto höher ist das Risiko. Viele Unternehmen zerbrechen an dieser Aufgabenstellung. Das gilt für Produkte wie für Firmenneugründungen, von denen in der Regel die Hälfte schon während der ersten fünf Jahre scheitert. Innovation und neue Geschäftsfelder brauchen bewegliche, offene Organisationen, die veränderungsbereit und auch experimentierfreudig sind. Sollen neue Geschäftsfelder entwickelt werden, ist auch ein anderes Management nötig. Innovation verlangt Visionäre, kreative Querdenker. Selbst die Kennzahlen müssen angepasst werden. In der Erprobungsphase eines neuen Produkts oder Geschäftsfeldes spielen Indikatoren, die die Chancen beleuchten, eine größere Rolle als Kennzahlen wie Marktdurchdringung, Marktanteile und Gebietsausschöpfung, die in einer späteren Phase wieder an Bedeutung gewinnen. Und eines ist klar: Ohne Marktkenntnis, Kundenorientierung, einen langen Atem, Unterstützung durch die Geschäftsführung und die Mannschaft sind neue Projekte zum Scheitern verurteilt. Dr. Arnold Weissman ist Gründer der Nürnberger Unternehmensberatung Weissman & Cie. und Professor für Betriebswirtschaftslehre an der Hochschule Regensburg. Kostenführer. In ihren Märkten sind diese Unternehmen ebenfalls Marktführer, haben eine starke Marke, ein ausgezeichnetes Marketing und einen ebensolchen Vertrieb. Sie sind international aufgestellt und nutzen internationale Faktorkosten. Ihre Rendite steigt mit der Größe. 000_IM BLICKPUNKT DIE NEWS 11/2011 DIE NEWS 11/2011 IM BLICKPUNKT_000