Alternative Verwendungsmöglichkeiten von Hopfen Martin Biendl Hallertauer Hopfenveredelungsges.m.b.H. (Hopsteiner), Auhofstr. 16, Mainburg, Germany E-mail: [email protected] Abstract Over 95 % of hops produced worldwide are currently used in breweries. In recent years, interest in the health promoting value of hops has grown considerably. The main focus has been on research into single hop constituents. Prominent examples are xanthohumol or 8prenylnaringenin and their potential applications in cancer prevention or in the fight against osteoporosis. Such scientific findings point to the possibility of hops becoming more widely used in future, e.g. in dietary supplements. Keywords: Polyphenols, xanthohumol, 8-prenylnaringenin, dietary supplements Einleitung Kultivierter Hopfen dient nahezu ausschließlich als Rohstoff zum Brauen von Bier. Nur weniger als 5 % der weltweit angebauten Menge findet Verwendung in alternativen Bereichen, z.B. bei der Herstellung anderer Lebensmittel oder in der Pharmazie. Seit den 1990er Jahren häufen sich jedoch die wissenschaftlichen Publikationen über verschiedenste positive Eigenschaften von Hopfen, die eine Erweiterung seines Anwendungsspektrums möglich erscheinen lassen. Die entsprechenden Untersuchungen werden weltweit durchgeführt, hauptsächlich in Japan, USA und einigen Ländern Mitteleuropas. Bei der Erforschung des Hopfens steht heute nicht die Gesamtheit der Pflanze im Vordergrund, sondern vielmehr einzelne seiner Inhaltsstoffe, die aus den Fraktionen des etherischen Öls, der Bitterstoffe und der Polyphenole stammen. Diese Verbindungen zeigen eine erstaunliche Vielfalt positiver Eigenschaften. Das etherische Öl und die Bitterstoffe des Hopfens Hopfen ist als pflanzliches Arzneimittel mit beruhigender und schlaffördernder Wirkung zugelassen. Diese Wirksamkeit wurde bislang in erster Linie auf einzelne Komponenten des etherischen Hopfenöls zurückgeführt. In aktuellen wissenschaftlichen Arbeiten auf dem Gebiet der Schlafforschung erweist sich jedoch ein wässrig-methanolischer Hopfenauszug ohne etherisches Öl als besonders wirksam. Die tatsächlich sedativ aktiven Inhaltsstoffe des Hopfens sind bis heute noch nicht identifiziert. In der Brauerei ist der Hopfen u.a. deshalb so wertvoll, da er viele bakterielle Bierschädlinge im Wachstum hindern oder sogar abtöten kann. Diese antibakterielle Wirkung ist auf die Bitterstoffe des Hopfens zurückzuführen. Aus einer Vielzahl biologischer Forschungsarbeiten weiß man heute, dass Hopfen-Bitterstoffe auch Krankheitserreger (z.B. die Erreger von Tuberkulose) und viele weitere Bakterien wirksam bekämpfen können. Aufgrund seines hohen antibiotischen Potenzials etablieren sich derzeit über die Brauindustrie hinaus weitere industrielle Einsatzmöglichkeiten für den Hopfen, z.B. bei der Verarbeitung von Zuckerrüben oder bei der Herstellung von Bioethanol. Schon lange bekannt sind auch die verdauungsfördernden Eigenschaften des Hopfens, die ebenfalls auf seine Bitterstoffe zurückzuführen sind. 1 Die Polyphenole des Hopfens Die Bedeutung der Polyphenole auf die menschliche Gesundheit ist seit den 1980er Jahren bekannt. Ihnen wird inzwischen ein ähnlicher Stellenwert wie den Vitaminen zugesprochen. Die gesundheitlich positive Bewertung von grünem Tee oder Rotwein basiert in erster Linie auf hohe Gehalte an Polyphenolen. Diese wirken vor allem antioxidativ, d.h. sie können freie Radikale einfangen, die im Körper schädliche Prozesse auslösen. Hopfen enthält eine Vielzahl polyphenolischer Verbindungen. Die meisten davon liegen nicht nur in Hopfen vor, sondern sind in der Pflanzenwelt sehr weit verbreitet, wie z.B. Catechin und andere Flavan-3-ole oder Quercetin und andere Flavonole. In verschiedenen Arbeiten wurde jedoch festgestellt, dass gerade Gemische in ihrer hopfentypischen Zusammensetzung besonders aktiv sind. So erwies sich ein Gemisch in Hopfen vorkommender Flavan3-ole als geeignet zur Kariesprophylaxe und eine Mischung von Hopfen-Flavonolen als wirksam gegen Allergien. Bemerkenswerterweise konnten beide Wirkungen bereits durch klinische Untersuchungen bestätigt werden. Eine Besonderheit des Hopfens stellen die Prenylflavonoide dar, die nur in sehr wenigen Pflanzenfamilien vorliegen. In Ernährungswissenschaft und pharmazeutischer Forschung haben die beiden Hopfen-Prenylflavonoide Xanthohumol und 8-Prenylnaringen mittlerweile Beachtung erlangt. 8-Prenylnaringenin, ein pflanzliches Östrogen Bereits Anfang des 20. Jahrhunderts begannen Nachforschungen, ob Hopfen hormonähnliche Verbindungen enthält. 1953 wurde erstmals ein hormonell wirksamer Bestandteil aus Hopfen isoliert. Man stellte fest, dass ein so genanntes „Phytoöstrogen“ enthalten ist, eine pflanzliche Form des weiblichen Sexualhormons Östrogen. Daraufhin versuchte man über viele Jahre, die chemische Struktur der entsprechenden Verbindung aufzuklären. Dies gelang erst im Jahr 1999. Der betreffende Inhaltsstoff im Hopfen heißt 8Prenylnaringenin. Er gilt als das wirksamste bislang entdeckte „Phytoöstrogen“, noch wirksamer als die besonders östrogenaktiv eingestuften Inhaltsstoffe von Soja. Vor allem aufgrund der „Phytoöstrogene“ gilt die in Asien vorherrschende sojareiche Ernährung als physiologisch sehr wertvoll. Medizinisch spielt das Hormon Östrogen insbesondere bei Wechseljahrbeschwerden von Frauen eine Rolle. Hiermit in Zusammenhang steht auch die Krankheit Osteoporose (Knochenschwund). Hervorgerufen werden diese Symptome durch eine Abnahme der Produktion körpereigener Hormone. Die Medizin versucht, diesen Mangel z.B. durch leichtverträgliches pflanzliches Östrogen zu ersetzen (sanfte Hormon-Ersatztherapie). Ein dosisabhängiger hormoneller Effekt von 8-Prenylnaringenin konnte bereits in einer ersten vorklinischen Studie mit Frauen nachgewiesen werden. „Xanthohumol, a new all-rounder?“ So lautete der Leitartikel in der internationalen ernährungswissenschaftlichen Zeitschrift „Molecular Nutrition and Food Research“, die sich im September 2005 in einer Sonderausgabe diesem Hopfeninhaltsstoff widmete. Innerhalb der letzten zehn Jahre wurde in weltweit durchgeführten Arbeiten ein erstaunlich breites Spektrum verschiedenster positiver Aktivitäten von Xanthohumol ermittelt (antiviral, antibakteriell, gegen MalariaErreger, entzündungshemmend, antioxidativ, antiatherogen, antidiabetisch, krebschemopräventiv). Besonders sein Potenzial zur Krebs-Chemoprävention wird als sehr viel versprechend und sogar einzigartig unter Naturstoffen eingestuft. Darunter versteht man den Einsatz von Mitteln, mit dem Ziel, die Krebsentstehung bereits vor dem Wachstum von Tumoren zu hemmen. Die verschiedensten Aktivitäten von Xanthohumol wurden bislang in 2 erster Linie „in vitro“ nachgewiesen (an isolierten Zellen oder Enzymen). Sein Potenzial muss sich nun im lebenden Organismus bestätigen. Erste Erkenntnisse aus Tierversuchen weisen auf eine sehr gute Verträglichkeit von Xanthohumol hin. Nahrungsergänzungsmittel mit Hopfen-Prenylflavonoiden Die gesundheitlich positiven Wirkungsweisen der Hopfen-Prenylflavonoide werden bereits in zahlreichen wissenschaftlichen Übersichtsartikeln vorgestellt, u.a. in der „ErnährungsUmschau“ (Jahrgang 2006). Hier wird auch die Frage diskutiert, in welcher Form man diese positiven Hopfeninhaltsstoffe zu sich nehmen kann: Bis heute in erster Linie nur über Bier, dem nahezu einzigen Lebensmittel, das Hopfen enthält. Vereinzelt setzt nun aber die Vermarktung neuartiger hopfenhaltiger Produkte in Form von Nahrungsergänzungsmitteln ein, z.B.: - „MenoHop“ aus Belgien, „empfohlen während der Menopause“ und „mit einer neuen Klasse an Phytoöstrogenen“ (empfohlene Tagesdosis: 0,1 mg 8-Prenylnaringenin). - „Xantho-C“ aus Deutschland, ein „Nahrungsergänzungsmittel für höchste Ansprüche“ (mit Vitamin C und einem xanthohumolreichen Hopfenextrakt). - „Hop Step“ aus Japan, „die „wunderbare Gesundheitskraft von Hopfen für alle“ (ein Präparat, das Hopfenextrakt mit Xanthohumol enthält). Ausblick In der modernen Ernährungslehre wird die Zusammensetzung der Nahrung auch unter dem Aspekt der Vorbeugung von Zivilisationskrankheiten gesehen. Mit seinen positiven Inhaltsstoffen reiht sich der Hopfen ein in die Liste der pflanzlichen Lebensmittel, die einen wertvollen Beitrag zur Gesundheit des Menschen leisten können. Ähnlich wie andere polyphenolreiche Pflanzen (z.B. Soja, grüner Tee) könnte der Hopfen zukünftig einen besonderen Stellenwert im Ernährungssektor einnehmen. References Gerhaeuser, C. and Frank, N. 2005. Xanthohumol, a new all-rounder? (Editorial). Molecular Nutrition and Food Research 49: 821-822. Hussong, R., Frank, N., Knauft, J., Ittrich, C., Owen, R., Becker, H. and Gerhaeuser, C. 2005. A safety study of oral xanthohumol administration and its influence on fertility in Sprague Dawley rats. Molecular Nutrition and Food Research 49: 861-867. Rad, M., Huempel, M., Schaefer, O., Schoemaker, R.C., Schleuning, W.-D., Cohen, A.F. and Burggraaf, J. 2006: Pharmacokinetics and systemic endocrine effects of the phytoestrogen 8-prenylnaringenin after single oral doses to postmenopausal women. British Journal of Clinical Pharmacology 62: 288-296. Schmandke, H. 2006. Prenylflavonoide in Hopfen und Bier – ihre biochemischen und biologischen Effekte. Ernährungs-Umschau 53: 225-229. Segawa, S., Takata, Y., Wakita, Y., Kaneko, T., Kaneda, H., Watari, J. and Enomoto, T. 2007: Clinical effects of a hop water extract on Japanese cedar pollinosis during the pollen season: a double-blind, placebo-controlled trial. Biosci. Biotechnol. Biochem. 71: 19551962. (Quelle: „Internationales Symposium: Hopfenanbau 2020“, 5./6.5.08, Wolnzach) 3