Zur Europawahl am 13. Juni 1999

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PU aktuell 10
Eine Information aus der Reihe »Politik und Unterricht« · März 1999
Wegweiser gesucht?
Zeichnung: Löffler
Zur Europawahl am 13. Juni 1999
Landeszentrale
für politische Bildung
Baden-Württemberg
INHALT
1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2
2. Die EU und wir. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3
3. Die einflussreichsten Organe:
Ministerrat und Kommission. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5
4. Das Wahlverfahren zum Europäischen Parlament . . . . . . . 7
5. Wer vertritt uns heute in Straßburg? . . . . . . . . . . . . . . . . . 9
6. Parteien und Personen: Was steht zur Wahl? . . . . . . . . . . 12
7. Die Rolle des Europäischen Parlaments . . . . . . . . . . . . . . 13
8. Literaturhinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15
9. Abschlusstest . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16
Impressum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16
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1. Einleitung
Im Juni 1999 sind die Bürger in den fünfzehn Staaten der Europäischen Union aufgerufen, ihre gemeinsame Vertretung in Europa, das Europäische
Parlament, direkt zu wählen. In der Bundesrepublik
Deutschland findet die Wahl am Sonntag, 13. Juni
1999, statt. Die Wahllokale sind – für deutsche Verhältnisse ungewöhnlich – von 8.00 Uhr bis 21.00
Uhr geöffnet. Nach 21 Uhr werden dann in allen Mitgliedstaaten die Stimmen ausgezählt. Das gilt auch
dort, wo schon an einem der drei vorausgehenden
Tage gewählt wurde. In einigen europäischen Ländern gehört es nämlich zur Tradition, dass Wahlen
werktags sind.
Die Europawahl 1999 fällt in eine historisch bedeutende, aber auch kritische Phase der europäischen
Integration. Zwei große, in einem Spannungsverhältnis stehende Herausforderungen hat die Europäische Union (EU) in den nächsten Jahren zu bewältigen: die Vertiefung durch die Agenda 2000 und die
Erweiterung nach Osten und Süden.
Die Währungsunion. Allen Unkenrufen zum Trotz
ist die Währungsunion am 1. Januar 1999 in Kraft
getreten, wie im Vertrag von Maastricht vereinbart.
Am 2. Mai 1998 hatten die Regierungschefs der
Europäischen Union in Brüssel den Teilnehmerkreis
für die Währungsunion festgelegt. Damit sind die
Wechselkurse für die Währungen der elf Teilnehmerstaaten Belgien, Deutschland, Finnland, Frankreich,
Irland, Italien, Luxemburg, Niederlande, Österreich,
Portugal und Spanien unwiderruflich fixiert: Ein Euro
entspricht genau 1,95583 DM. Die gemeinsame
Währungseinheit dient seither als Buchgeld für
Bankgeschäfte. Auch Aktienkurse werden in Euro
notiert und wer will, kann sein Konto in Euro führen.
Für die Geldpolitik ist nun die im Frankfurter Euro-Tower ansässige Europäische
Zentralbank zuständig. Die nationalen
Banknoten und Münzen bleiben noch drei
Jahre lang gültig, doch sind die nationalen Währungen praktisch nur noch Platzhalter für die gemeinsame Währung. Vom
1. Januar 2002 an werden die neuen
Euromünzen und -scheine in Umlauf gebracht; am 1. Juli desselben Jahres verlieren die elf nationalen Geldeinheiten ihre
Gültigkeit als Zahlungsmittel.
Osterweiterung. Die Vorbereitungen für
die Erweiterung der EU schreiten voran.
So beschlossen die Regierungschefs der
EU-Länder auf ihrem Gipfeltreffen am
12. und 13. Dezember 1997 in Luxemburg, die Staaten Polen, Tschechien,
Ungarn, Slowakei, Estland, Lettland,
Litauen, Slowenien, Rumänien, Bulgarien
und Zypern als Beitrittskandidaten zu betrachten. Am 31. März 1998 wurde mit der
Aufnahme bilateraler Besprechungen mit Polen,
Tschechien, Ungarn, Slowenien, Estland und Zypern
die erste Erweiterungsrunde eingeläutet. Die offiziellen Verhandlungen mit diesen Staaten begannen am
10. November 1998. Wann die Verhandlungen mit
den fünf übrigen Kandidaten anfangen, steht noch
nicht fest.
Agenda 2000. Das so bezeichnete Programm der
Europäischen Union umfasst die Reform der Agrarund Strukturpolitik sowie der Finanzverfassung. Die
Agenda 2000 wird noch vor der Europawahl auf
einem Sondergipfel der fünfzehn Regierungschefs
behandelt. Wie rasch und in welchen Themenbereichen Einigungen möglich sind, bleibt abzuwarten.
Die Integration strukturschwacher und landwirtschaftlich geprägter Länder Mittel-, Ost- und Südosteuropas in die Europäische Union wird zwar
längerfristig die Stabilität und Sicherheit in Europa
erhöhen, zunächst aber einige Probleme und Konflikte mit sich bringen. Die Erweiterung setzt eine
tiefgreifende Reform der Institutionen und Entscheidungsverfahren sowie der Landwirtschafts- und
Strukturpolitik voraus. Vor allem die Ausgaben für
die Gemeinsame Agrarpolitik, die in den letzten Jahren jeweils etwa die Hälfte des gesamten Haushalts
der Union ausmachten, müssten entweder sprunghaft steigen oder die administrativ festgesetzten Erzeugerpreise müssten sinken. Die Proteste der Bauern haben schon begonnen. Bei einer Erhöhung des
Etats kämen auf die bisherigen „Nettozahler“ zusätzliche Belastungen zu, und manche Staaten
wären nicht mehr Empfänger-, sondern Geberländer. Auf alle Fälle berührt die Erweiterung der EU
das eingespielte System des Gebens und Nehmens
zwischen den Mitgliedsländern. Die in der Agenda
2000 enthaltenen Projekte lassen daher bei teilweise
gegensätzlichen Interessen harte Verhandlungen erwarten.
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„Wenn die Neuen kommen, wird es noch abwechslungsreicher!“
Zeichnung: Schoenfeld
Angesichts der kommenden Herausforderungen für
die Europäische Union wird die europapolitische
Diskussion im Vorfeld der Wahl noch einen Schub
erhalten. Insofern könnte der Wahlkampf diesmal
stärker als bei den bisherigen Europawahlen von genuin europapolitischen Themen geprägt sein.
Für den Unterricht bietet die Europawahl eine gute
Gelegenheit, über Wahlrecht und Wahlsystem hinaus auch die politischen Entscheidungsprozesse
und Institutionen der EU, insbesondere das
Europäische Parlament, näher zu behandeln. Ferner
empfiehlt es sich, auf die Bedeutung der Europäischen Union für den Lebensalltag der Bürger und
auf ihr Demokratie- und Öffentlichkeitsdefizit einzugehen.
Dieses Heft bietet dazu Informationen und Materialien. Es beruht – wenn nicht anders angegeben – auf
dem am 2.10.1997 unterzeichneten Vertrag von
Amsterdam, der im wesentlichen die beiden europäischen Hauptverträge, den Vertrag zur Gründung
der Europäischen Gemeinschaft (EG-Vertrag) und
den Vertrag über die Europäische Union (EU-Vertrag), ändert und ergänzt.
2. Die EU und wir
Europa geht uns alle an, denn viele politische Entscheidungen, die für die Bürger der fünfzehn EUStaaten verbindlich sind, fallen nicht mehr in den
jeweiligen Hauptstädten, sondern in den europäischen Gremien in Brüssel oder Straßburg. Bereits
zwei Drittel der in Deutschland gültigen Rechtsnormen gehen unmittelbar oder mittelbar auf
Beschlüsse der EU zurück. Europa bestimmt unseren Alltag in hohem Maße. So sind etwa der Preisrahmen für landwirtschaftliche Erzeugnisse, die Abgasgrenzwerte für Kraftfahrzeuge, der zulässige
Geräuschpegel von Rasenmähern oder Verbraucherschutzstandards von der EU vorgegeben. Ob
Herstellung und Verkauf gentechnisch veränderter
oder bestrahlter Lebensmittel erlaubt sein sollen
und ob solche Nahrungsmittel gekennzeichnet
werden müssen, entscheiden letztlich die Organe
der Europäischen Union.
Wenn im Jahr 2002 das neue Eurogeld in den Geldbeuteln sein wird, dann wird der Währungsumtausch bei Reisen in eines der Teilnehmerländer der
Vergangenheit angehören. Die Kontrollen an den
Grenzen zwischen den meisten Mitgliedsländern
sind weggefallen, die Bewegungsfreiheit in der
Europäischen Union ist fast unbeschränkt, Reisepässe und Führerscheine sind EU-einheitlich.
Die Unionsbürgerschaft. Seit dem Inkrafttreten
des Maastrichter Vertrags 1993 sind die Bürger der
Mitgliedsstaaten zusätzlich Bürger der EU. Die Unionsbürgerschaft (Art. 17 EG-Vertrag) als Ergänzung
zur nationalen Staatsbürgerschaft garantiert das
Recht, sich in jedem EU-Land aufzuhalten, dort zu
arbeiten oder zu studieren (Art. 18 EG-Vertrag). Unionsbürger, die sich in einem Staat außerhalb der EU
befinden, in dem ihr Heimatstaat keine Botschaften
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oder Konsulate unterhält, können den diplomatischen oder konsularischen Schutz jedes anderen
EU-Landes, das dort vertreten ist, in Anspruch nehmen (Art. 20 EG-Vertrag).
Alle Bürger der Union können an ihrem Wohnsitz an
den Wahlen zum Europäischen Parlament und zu
den kommunalen Vertretungen teilnehmen (Art. 19
EG-Vertrag). Dabei können sie sowohl wählen (aktives Wahlrecht) als auch gewählt werden (passives
Wahlrecht). Jeder Unionsbürger ist zudem berechtigt, allein oder zusammen mit anderen eine Eingabe
(Petition) an das Europäische Parlament in Angelegenheiten, für welche die Gemeinschaft zuständig
ist und die ihn unmittelbar betreffen, einzureichen
(Art. 194 EG-Vertrag).
Der Bürgerbeauftragte. Der Vertrag von Amsterdam verankerte das Recht auf Zugang zu den Dokumenten von Europäischem Parlament, Rat und
Kommission im EG-Vertrag (Art. 255). Bereits im
Jahre 1993 wurde das Amt des Europäischen
Bürgerbeauftragten eingeführt (Art. 195 EG-Vertrag).
Dieser „Ombudsmann“ wird vom Europäischen Parlament für die Dauer von fünf Jahren gewählt. Bei
ihm können sich alle Unionsbürger beschweren,
wenn sie meinen, „Missstände bei der Tätigkeit der
Organe oder Institutionen der Gemeinschaft“ erkannt zu haben. Ausgenommen hiervon ist lediglich
die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs
und des Gerichts erster Instanz. Beispiele für solche
Missstände sind Unregelmäßigkeiten in der EU-Verwaltung, Benachteiligung von Angehörigen bestimmter Personengruppen, Machtmissbrauch
durch EU-Mitarbeiter, das Verweigern von Informationen oder unnötiges Hinauszögern von Antworten.
Das Recht auf Beschwerde beim Bürgerbeauftragten sowie das Petitions- und das Akteneinsichtsrecht gelten auch für Bürger von Nicht-EU-Staaten
mit Wohnsitz in einem Mitgliedstaat und für rechtsfähige Organisationen mit satzungsmäßigem Sitz in
einem EU-Land.
Jugend und Bildung. Speziell für Jugendliche
und junge Erwachsene hat die Europäische
Union einiges zu bieten. Mit dem Aktionsprogramm „Jugend für Europa“ fördert die Union
den internationalen Jugendaustausch. Das Programm ermöglicht Begegnungen junger Menschen von 15 bis 25 Jahren mit Wohnsitz in der
EU, und zwar unabhängig von Schule, Studium,
Ausbildung oder Beruf. Seit 1997 können
Männer und Frauen zwischen 18 und
25 Jahren einen sechs- bis zwölfmonatigen
„EU-Freiwilligendienst“ in gemeinnützigen Projekten im Sozial- und Umweltbereich leisten.
Hier kommen vor allem sozial Benachteiligte
zum Zuge.
Im Rahmen des Leonardo-Programms können
Auszubildende einen Teil ihrer Lehre im EU-Ausland absolvieren. Zudem haben 18- bis 27jährige mit abgeschlossener Berufsausbildung
(oder längerer Berufserfahrung) sowie Studie-
rende technischer Fächer die Möglichkeit, Praktika
in ausländischen Unternehmen zu machen.
Das Programm „Erasmus“ gibt Studierenden die
Chance, mit finanzieller Unterstützung drei bis zwölf
Monate lang eine Universität im europäischen Ausland zu besuchen. Sie brauchen an dieser Hochschule keine Studiengebühren zu bezahlen; die dort
erworbenen „Scheine“ werden im Heimatland anerkannt.
• Näheres sowie Kontaktadressen im Informationsheft „Europa für junge Leute. Tips zu Beruf und
Ausbildung“: Presse- und Informationsamt der
Bundesregierung, 53105 Bonn, Telefon: (0228)
208-0.
Die EU und ihre Bürger: ein schwieriges Verhältnis. Grenzüberschreitende politische Probleme wie
Umweltbelastungen, Arbeitslosigkeit oder Krisen an
den Finanzmärkten sind nicht mehr im nationalen
Rahmen lösbar, sondern bedürfen europäischer
Antworten. Die EU ist wegen der engen Integration
ihrer Mitgliedsstaaten dazu prädestiniert, diese Probleme anzugehen. Trotzdem ist die Zustimmung der
Deutschen zur Europäischen Union und zu einer
Weiterentwicklung der Integration seit 1991 kontinuierlich gesunken. Im Frühjahr 1997 hielten nur
noch 36 Prozent die EU-Mitgliedschaft für „eine
gute Sache“, während es in der gesamten EU
durchschnittlich 46 Prozent waren.
Neueren Umfrageergebnissen von 1998 zufolge
steigen die Zustimmungswerte auch bei den Deutschen wieder. Dennoch bleiben hierzulande die
Skeptiker in der Mehrheit. Die reservierte Haltung
der Deutschen mag auch mit dem Euro zusammenhängen. Schließlich verlieren die Deutschen mit der
D-Mark nicht nur ein Zahlungsmittel, sondern ein
Symbol für den wirtschaftlichen Aufstieg in der
Nachkriegszeit. Hinzu kommt das Unbehagen über
die vermeintliche oder tatsächliche „Brüsseler Regelungswut“ und die aufgeblähte EU-Bürokratie.
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3. Die einflussreichsten Organe:
Ministerrat und Kommission
Neben dem Ministerrat (offiziell: Rat der Europäischen Union), der Europäischen Kommission und
dem Europäischen Parlament gibt es noch die folgenden Organe: Europäischer Gerichtshof (EuGH),
Europäischer Rechnungshof (EuRH), Wirtschaftsund Sozialausschuss (WSA), Ausschuss der Regionen (AdR) und autonome Einrichtungen der Union
wie die Europäische Zentralbank (EZB) oder das
Europäische Polizeiamt (Europol).
„Viele haben sogar Angst vor mir, und ich weiß nicht, warum!“
Zeichnung: Rolf Henn
Das Demokratiedefizit. Vielfach werden auch das
Demokratiedefizit der europäischen Institutionen,
ihre Kompliziertheit und die Undurchschaubarkeit
der Entscheidungsprozesse beklagt.
Die Befugnisse des Europäischen Parlaments sind
zwar durch die Einheitliche Europäische Akte (1986)
sowie durch die Verträge von Maastricht (1992) und
Amsterdam (1997) erheblich erweitert worden. Nach
wie vor sind sie aber viel geringer als jene des
Deutschen Bundestags und der anderen nationalen
Parlamente.
Obwohl das Straßburger Parlament seit 1979 alle
fünf Jahre direkt gewählt wird, wissen die meisten
Bürger wenig über seine Aufgaben und Zuständigkeiten. Die offiziellen Veröffentlichungen erreichen
nur einen kleinen Teil der Bevölkerung; für die Massenmedien hat das Europäische Parlament wenig
Nachrichtenwert, weil publikumswirksame Kontroversen dort eher selten sind. Auch die elf badenwürttembergischen Abgeordneten in Straßburg sind
weniger bekannt als die Bundestags- oder Landtagsabgeordneten. Bei einer repräsentativen InfasUmfrage von 1991 hielten 47 % der Westdeutschen
und gar 60 % der Ostdeutschen die Europawahl für
„weniger wichtig“ oder „unwichtig“. Dementsprechend liegt die durchschnittliche Beteiligung bei
Europawahlen in Deutschland bisher bei etwa
61 Prozent, während sie bei Landtagswahlen über
70 und bei Bundestagswahlen regelmäßig über
80 Prozent liegt.
Vermeintliche oder tatsächliche Fehlentwicklungen
wie das Verhalten der EU beim Konflikt im ehemaligen Jugoslawien zeigen, dass sich die EU schwer
tut, eine gemeinsame europäische Außenpolitik zu
entwickeln. Das Europäische Parlament trägt daran
jedoch keine Schuld, denn verantwortlich für die
Außenpolitik sind die nationalen Regierungen, die im
Ministerrat (dem „Rat der Europäischen Union“) die
wichtigsten Entscheidungen treffen.
Der Ministerrat (Rat der Europäischen Union).
Neben der Kommission ist der Rat das eigentliche
Machtzentrum der Europäischen Union. Er ist in
allen Politikbereichen, manchmal gemeinsam mit
dem Parlament, zur Rechtssetzung befugt. Er fasst
die Beschlüsse, an die alle Mitgliedsländer gebunden sind.
Im Rat haben alle Mitgliedsstaaten einen Sitz. Bei
Beschlüssen verfügen sie jedoch über unterschiedlich viele Stimmen. Je nach den Sachthemen, die
behandelt werden, treffen sich die jeweils zuständi-
6
gen Minister, beispielsweise als „Rat der Agrarminister“ oder „Rat der Verkehrsminister“. Obwohl er ein
Organ ist, gibt es den Rat also in rund zwanzig Versionen.
Wenn der Rat über einen Sachgegenstand abstimmt, geschieht dies entweder mit einfacher
Mehrheit (relativ selten), qualifizierter Mehrheit (62
von 87 Stimmen) oder – in wichtigen, für die Mitgliedsstaaten sensiblen Bereichen – einstimmig. Bei
Beschlüssen mit qualifizierter Mehrheit werden die
Stimmen je nach Bevölkerungsgröße der Staaten
gewichtet – allerdings nur ungenau (siehe obiges
Schaubild). Der EG- und der EU-Vertrag regeln, in
welchen Fällen welches Abstimmungsverfahren anzuwenden ist.
Das Letztentscheidungsrecht des Rats in allen Bereichen der EU-Politik ist ein Demokratieproblem,
weil der Rat ein Organ der nationalen Regierungen
ist. Diese sind zwar demokratisch legitimiert, weil
sie aus direkt vom Volk gewählten Parlamenten hervorgegangen sind. In allen EU-Staaten liegt das Gesetzgebungsrecht aber bei den Parlamenten selbst.
Sie haben auch das Recht, die Regierungen zu kontrollieren. Bei der EU wird dieses Prinzip umgekehrt:
Hier verwandeln sich die nationalen Regierungen als
„Rat der Europäischen Union“ in europäische Gesetzgeber. Dies wäre annehmbar, wenn das EP bei
der europäischen Rechtssetzung immer volle Mitentscheidungsrechte hätte, was bisher nicht der Fall
ist.
Die Europäische Kommission. Sie ist im Gegensatz zum Rat ein überstaatliches Organ. Ihre Mitglieder, die Kommissare, sind von den nationalen
Regierungen unabhängig, obwohl sie von diesen
entsandt werden.
Obwohl sie keine echte Regierung ist,
nimmt die Kommission die Aufgaben
einer Regierung wahr: Sie ist für die
Durchführung des Gemeinschaftsrechts zuständig. Als “Hüterin der Verträge” hat sie darauf zu achten, dass
die Bestimmungen des EG- und des
EU-Vertrags sowie die Beschlüsse der
EU-Organe eingehalten werden. Hat
die Kommission den Verdacht, dass
ein Mitgliedsstaat seine Verpflichtungen verletzt, kann sie ihn auffordern,
Stellung zu nehmen und für Abhilfe zu
sorgen. Kommt der Staat dieser Aufforderung innerhalb eines bestimmten
Zeitraums nicht nach, kann die Kommission ihn beim Europäischen Gerichtshof verklagen.
Die Kommission stellt den Haushaltsentwurf auf, verwaltet die Fonds und
Programme der EU, vertritt die Interessen der Union in den internationalen
Organisationen und gegenüber anderen Staaten, verhandelt mit beitrittswilligen Ländern,
ist die Unterhändlerin der Europäischen Union bei
der Welthandelsorganisation (WTO) und schließt
Handelsabkommen mit Nicht-EU-Staaten. Der Präsident der Kommission vertritt die Union nach
außen.
Die starke Stellung der Kommission beruht auf
ihrem Initiativmonopol. Nur sie kann Rechtssetzungsvorschläge ausarbeiten. Ministerrat und Parlament können erst tätig werden, wenn die Kommission ihnen einen Entwurf zur Beratung zugeleitet
hat. Beide können die Kommission lediglich auffordern, Vorschläge zu bestimmten Themen vorzulegen. Hier liegt ein weiterer Aspekt des Demokratiedefizits der Europäischen Union: In allen Mitgliedsstaaten ist es selbstverständlich, dass (neben
der Regierung) das Parlament Initiativen zur Gesetzgebung ergreifen kann. Auf europäischer Ebene liegt
das ausschließliche Initiativrecht bei einem demokratisch nur indirekt legitimierten Organ.
Zeichnung: Mester
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4. Das Wahlverfahren zum
Europäischen Parlament
Europäisches Recht
Bereits 1957 wurde festgelegt, dass das künftige
Europäische Parlament (EP) nach einem einheitlichen Verfahren direkt von den Bürgern gewählt
werden solle. Aber erst im Dezember 1974 erklärten
sich die Regierungschefs der damals neun EGStaaten zu allgemeinen und unmittelbaren Wahlen
bereit. Viereinhalb Jahre später, im Juni 1979, fand
der erste Urnengang statt. Seitdem ist das EP das
einzige direkt von den Bürgern der Mitgliedsstaaten
gewählte europäische Organ.
Ein einheitliches Wahlsystem für das Europäische
Parlament gibt es bis heute nicht. Das EP hat zwar
gemäß Artikel 190 Abs. 4 des EG-Vertrags den Entwurf eines Wahlverfahrens, das „im Einklang mit den
allen Mitgliedsstaaten gemeinsamen Grundsätzen“
steht, ausgearbeitet und im Juli 1998 gebilligt. Der
Rat muss das Regelwerk aber einstimmig beschließen, und das ist bisher nicht geschehen. Die
bisherigen Grundlagen gelten daher weiterhin.
Grundsätze. Am 20. September 1976 erließ der Rat
einen Rechtsakt „zur Einführung allgemeiner unmittelbarer Wahlen der Abgeordneten des Europäischen Parlaments“. Er enthält zentrale Bestimmungen zum Wahlrecht, aber auch zu den Rechten und
Pflichten der Parlamentarier. Damit bildet er neben
dem EG-Vertrag die bedeutendste rechtliche
Grundlage für die Wahlen zum EP.
Die wichtigsten Regelungen im Einzelnen:
• Bis zur Einführung eines gemeinsamen Wahlverfahrens wird nach den jeweiligen nationalen Vorschriften gewählt.
• Die Abgeordneten werden auf fünf Jahre gewählt.
• Die Wahlperiode beginnt mit der Eröffnung der
ersten Sitzung nach einer Wahl.
• Für die Wahl wird ein Zeitraum zwischen Donnerstag und dem unmittelbar folgenden Sonntag
festgelegt. Jeder Mitgliedsstaat muss die Wahl an
einem dieser vier Tage durchführen.
• Die Stimmen dürfen in allen Staaten erst ausgezählt werden, wenn am Abend des letzten Wahltags die Wahllokale geschlossen haben.
• Bei der Wahl zum EP darf jeder Wähler nur einmal
wählen.
• Die Abgeordneten verfügen über ein freies Mandat; sie sind nicht an Aufträge und Weisungen gebunden.
• EP-Abgeordnete dürfen gleichzeitig dem Parlament eines EU-Staates angehören. Sie dürfen jedoch nicht Mitglied einer nationalen Regierung,
der Kommission, des Europäischen Gerichtshofs,
des Europäischen Rechnungshofs, des Wirtschafts- und Sozialausschusses oder der EUVerwaltung sein.
Zeichnung: Löffler
Seit der Einführung der Unionsbürgerschaft „besitzt
jeder Unionsbürger mit Wohnsitz in einem Mitgliedsstaat, dessen Staatsangehörigkeit er nicht besitzt, in
dem Mitgliedsstaat, in dem er seinen Wohnsitz hat,
das aktive und passive Wahlrecht“ (Art. 19 Absatz 2
EG-Vertrag). Dabei gelten für ihn dieselben Bedingungen wie für die Angehörigen des betreffenden
Mitgliedsstaats. Diese Regelung gibt allen Bürgerinnen und Bürgern der EU unabhängig davon, in welchem Land der Union sie wohnen, das Recht, bei
den Wahlen zum EP zu wählen und gewählt zu werden. Sie können ihr Wahlrecht also entweder im
Wohnsitz- oder im Herkunftsland ausüben, müssen
sich aber für eine der beiden Möglichkeiten entscheiden. Wenn sie an ihrem Wohnsitz wählen
wollen, müssen sie ausdrücklich die Aufnahme ins
dortige Wählerverzeichnis beantragen und erklären,
dass sie nur dort wählen oder kandidieren wollen.
Bei den Europawahlen gilt, nachdem das britische
Parlament im Januar 1999 das Verfahren für England, Schottland und Wales gebilligt hat, überall in
der EU das Verhältniswahlrecht. Zwischen den einzelnen Verhältniswahlsystemen gibt es jedoch
Unterschiede.
Geplante Änderungen. Der Entwurf eines neuen
Europawahl-Rechtsaktes schreibt für die EPWahlen das Verhältniswahlrecht auf der Grundlage
von Listen verbindlich vor. Darüber hinaus wird er,
wenn der Rat ihn erläßt, folgende Neuerungen bringen:
• Die Grundsätze der allgemeinen, unmittelbaren,
freien, gleichen und geheimen Wahl, die wir von
Grundgesetz und den deutschen Wahlgesetzen
kennen, werden formell ins europäische Wahlrecht übernommen. Im EU-Recht waren bisher
nur die beiden ersten Prinzipien verankert.
• Mitgliedsstaaten über 20 Millionen Einwohnern
müssen, Staaten bis zu 20 Millionen können
Wahlkreise für die EP-Wahlen einrichten. Diese
Regelung soll ab der Wahl 2004 gelten.
• Für die Verteilung der EP-Mandate auf die einzelnen Listen kann jedes EU-Land eine Sperrklausel
festlegen, die jedoch nicht höher als fünf Prozent
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der landesweit abgegebenen gültigen Stimmen
liegen darf.
• EP-Abgeordnete dürfen nicht mehr gleichzeitig
dem Parlament eines EU-Staates angehören.
Auch der neue Rechtsakt wird kein einheitliches
Wahlverfahren bringen, sondern nur eine Angleichung der 15 nationalen Wahlsysteme. Er schafft einen für alle Mitgliedsstaaten verbindlichen Rahmen,
der auch in Zukunft gewisse Abweichungen ermöglicht. Die nationalen Europawahlgesetze werden
also in geänderter Fassung bestehen bleiben.
Wichtige Begriffe zur Europawahl
Verhältniswahlsystem: Jede Partei erhält so viele Mandate, wie es ihrem prozentualen Anteil an den abgegebenen gültigen Stimmen entspricht. Wenn es keine
Sperrklausel gibt, gleicht die Zusammensetzung des
Parlaments also genau der Verteilung der Stimmen auf
die Parteien, die zur Wahl angetreten sind. Auf diese
Weise kommt der Wählerwille am ehesten zur Geltung.
Listen: Bei den Europawahlen werden alle Abgeordneten über Listen gewählt. Diese sind die Wahlvorschläge
der Parteien. Die Kandidaten und Kandidatinnen sind in
einer eindeutigen Reihenfolge genannt, in der ihnen die
auf die Liste entfallenden Mandate zustehen. Die Listen
umfassen entweder das gesamte Wahlgebiet oder einen
Teil desselben. Nach dem deutschen Europawahlgesetz
kann jede Partei entweder „Listen für ein Land“
(Landeslisten) oder eine „Gemeinsame Liste für alle
Länder“ (Bundesliste) aufstellen.
Die Europawahl in Deutschland
Für die Wahl der deutschen Abgeordneten des EP
gilt das Europawahlgesetz (EuWG) vom 16. Juni
1978, zuletzt geändert durch Gesetz vom 8. März
1994.
Wer darf wählen? Die Bundesrepublik Deutschland
hat rund 82 Millionen Einwohner. Von ihnen sind
nach Schätzungen des Statistischen Bundesamts
etwa 60,8 Millionen volljährige Männer und Frauen
mit deutscher Staatsbürgerschaft wahlberechtigt.
Wählen dürfen auch mindestens 18 Jahre alte Unionsbürger, die ihren Wohnsitz in der Bundesrepublik
Deutschland haben und in das Wählerverzeichnis
eingetragen sind.
Listen. Die Bundesrepublik Deutschland stellt 99
Abgeordnete im Europäischen Parlament. Sie werden nach der Verhältniswahl auf der Grundlage von
Listen gewählt. Jede Partei, die zur Wahl antritt,
kann nach § 2 Absatz 1 des Europawahlgesetzes
entweder „Listen für ein Land“ (Landeslisten) oder
eine „Gemeinsame Liste für alle Länder“ (Bundes-
Sperrklausel: Bei der Verteilung der Mandate werden
nur diejenigen Parteien berücksichtigt, die einen bestimmten Prozentsatz der abgegebenen gültigen Stimmen erreicht haben. Sperrklauseln sollen verhindern,
dass – wie in der Weimarer Republik – viele kleine Splitterparteien ins Parlament gelangen und die Bildung stabiler, regierungsfähiger Mehrheiten erschweren. Das
deutsche Europawahlgesetz enthält eine Sperrklausel
von fünf Prozent.
Wahlgrundsätze: Die deutschen EP-Abgeordneten
werden in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und
geheimer Wahl gewählt (§ 1 Abs. 1 Europawahlgesetz).
Allgemein bedeutet, dass grundsätzlich alle volljährigen
deutschen Staatsbürger sowie Unionsbürger, die in der
Bundesrepublik wohnen und in das Wählerverzeichnis
eingetragen sind, unabhängig von politischer und weltanschaulicher Überzeugung, Geschlecht, Rasse, Sprache, Religion oder Abstammung wählen und gewählt
werden können. Unmittelbar ist die Wahl deshalb, weil
die Abgeordneten direkt gewählt werden und nicht über
eine zwischengeschaltete Instanz wie z. B. ein Wahlmännergremium. Frei ist eine Wahl, wenn die Stimme
ohne Zwang oder Druck abgegeben werden kann und
es keine Wahlpflicht gibt, die Wähler also auch die Freiheit haben, nicht zu wählen. Die Wahl ist gleich, wenn
jede Stimme gleich viel zählt, unabhängig von Bildung,
Einkommen oder Vermögensverhältnissen des Wählers.
Die Wahl findet geheim statt, wenn nicht feststellbar ist,
wie der einzelne gewählt hat; Wahlkabine, Wahlurne und
Stimmzettel im Umschlag gewährleisten das Wahlgeheimnis.
Bei der Europawahl 1994 enthielt der Stimmzettel in BadenWürttemberg 24 Wahlvorschläge
9
liste) aufstellen. Von der ersten Möglichkeit machen
nur CDU und CSU Gebrauch.
Ersatzbewerber. Auf den Listen der Parteien kann
zu jedem Kandidaten ein Ersatzbewerber aufgeführt
werden. Scheidet ein Abgeordneter während einer
Wahlperiode aus dem EP aus, erhält der Ersatzbewerber das Mandat. Steht kein Ersatzbewerber
zur Verfügung, rückt derjenige Kandidat ins EP
nach, der als erster nach den bereits gewählten Abgeordneten der Partei auf der Liste folgt.
Stimmabgabe. Jeder Wähler hat nur eine Stimme,
die er für die Liste einer Partei abgibt. Die Stimmabgabe erfolgt persönlich, und zwar in dem auf der
Wahlbenachrichtigung genannten Wahllokal. Wer einen Wahlschein hat, kann auch durch Briefwahl
oder in einem beliebigen Wahlbezirk des Stadt- oder
Landkreises, in dem der Schein ausgestellt wurde,
wählen.
Mandatsverteilung. Die Mandate werden wie bei
der Bundestagswahl nach dem Hare-Niemeyer-Verfahren auf die Parteien verteilt, wobei eine Sperrklausel von fünf Prozent der abgegebenen gültigen
Stimmen gilt. Im Gegensatz zu dem in einigen EUStaaten angewandten Höchstzahlverfahren nach
d’Hondt ermöglicht das Hare-Niemeyer-Verfahren
eine genauere Übertragung des Stimmenverhältnisses auf das Verhältnis der Sitze. Es ist für kleinere
Parteien günstiger.
Die baden-württembergischen Abgeordneten im
Europäischen Parlament (Stand: März 1999)
CDU
Honor Funk, Siechberg 2, 88416 Ochsenhausen
Telefon: (07352) 932 31, Fax: (07352) 932 33
Dr. Renate Heinisch, Kurpfalzstraße 37, 97944 Boxberg
Telefon: (07930) 88 51, Fax: (07930) 88 52
Winfried Menrad, Sudetenweg 55, 74523 Schwäb. Hall
Telefon: (0791) 520 30, Fax: (0791) 520 21
Dr. Konrad Schwaiger, Stadtgrabenstraße 25,
76646 Bruchsal
Telefon: (07251) 121 75, Fax: (07251) 862 75
5. Wer vertritt uns heute in Straßburg?
In der vierten Wahlperiode des EP von 1994 bis
1999 stellt die Bundesrepublik Deutschland 99 Abgeordnete. Davon gehören 47 der CDU/CSU an, 40
der SPD und 12 kommen von Bündnis 90/Die Grünen. Aus Baden-Württemberg sitzen elf Abgeordnete im EP: sieben von der CDU, drei von der SPD
und einer von Bündnis 90/Die Grünen.
Insgesamt 626 Abgeordnete gehören zur Zeit dem
EP an. Das größte Kontingent stellt die Bundesrepublik Deutschland mit 99 Sitzen, das kleinste
Luxemburg mit sechs. Schon diese beiden Zahlen
verdeutlichen, dass der Schlüssel für die Verteilung
der Mandate zwischen den 15 Mitgliedsstaaten deren Bevölkerungssumme nicht genau berücksichtigt. Während deutsche Abgeordnete durchschnittlich 821 000 Einwohner vertreten, sind es bei den
Parlamentariern aus Luxemburg nur 67 000. Eine
Vertretung streng nach dem Verhältnis der Bevölkerungsgrößen ist aber wegen der großen Unterschiede zwischen den Staaten gar nicht möglich.
Die kleineren Länder würden sonst im Parlament bedeutungslos. Der Amsterdamer Vertrag schiebt dem
Diemut R. Theato, Wiesenweg 21,
69151 Neckargemünd-Waldhilsbach
Telefon: (06223) 34 77, Fax: (06223) 732 40
Rainer Wieland, Weilimdorfer Straße 74,
70839 Gerlingen
Telefon: (07156) 92 53 20, Fax: (07156) 92 53 92
Dr. Karl von Wogau, Leo-Wohleb-Straße 6,
79098 Freiburg
Telefon: (0761) 218 08 41, Fax: (0761) 218 08 71
SPD
Dietrich Elchlepp, Adlerstraße 19, 79098 Freiburg
Telefon: (0761) 28 80 45, Fax: (0761) 28 80 46
Evelyne Gebhardt, Lehmgrubengasse 1,
74653 Künzelsau
Telefon: (07940) 591 22, Fax: (07940) 591 44
Dr. Rolf Linkohr, Wilhelmsplatz 10, 70182 Stuttgart
Telefon: (0711) 23 24 65, Fax: (0711) 23 66 178
Bündnis 90 / Die Grünen
Wilfried Telkämper, Habsburgerstraße 9,
79104 Freiburg
Telefon: (0761) 579 80, Fax: (0761) 525 18
Die FDP verfügte im Europäischen Parlament bis 1984
und von 1989 bis 1994 über Mandate, die Republikaner
von 1989 bis 1994.
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Die europäischen Parteienbündnisse
verfügen allerdings nicht über eine den
nationalen Parteien vergleichbare Organisationsstruktur. Ihr wichtigstes
Ziel ist es, gemeinsame Programme
oder zumindest Wahlplattformen für
Europawahlen zu entwerfen. Daneben
dienen sie als Bindeglied zwischen
den entsprechenden EP-Fraktionen
und den nationalen Parteien. Eine
echte europäische Identität hat sich im
EP bisher nicht durchgesetzt: eine EUweite politische Infrastruktur gibt es
noch nicht. Das kann an der Sprachbarriere liegen oder am Unwillen der
nationalen Parteiführungen, ihre
Macht an europäische Leitungsgremien abzutreten.
weiteren Anwachsen des EP beim Beitritt weiterer
Staaten einen Riegel vor. Er beschränkt die Zahl der
Mandate auf höchstens 700, egal wie viele Länder
künftig aufgenommen werden.
Die Fraktionen
Mit Ausnahme von 37 Fraktionslosen gehören alle
Abgeordneten des EP einer von insgesamt acht
Fraktionen an. Diese richten sich nicht nach dem
Herkunftsland der Parlamentarier, sondern nach deren Zugehörigkeit zu politischen Richtungen, sind
also supranational angelegt. Die Größe der Fraktionen ist deshalb für die Politik des EP wichtiger als
die Verteilung der Mandate auf die 15 Mitgliedsstaaten. Da es allerdings keine vom Parlament gewählte
EU-Regierung gibt, kennt das EP den Gegensatz
von Mehrheits- und Oppositionsfraktionen, der beispielsweise den Deutschen Bundestag prägt, nicht.
Meist bilden sich im EP unterschiedliche Koalitionen
nach bestimmten Sachthemen. So bestehen Interessengemeinschaften quer durch die Fraktionen
ebenso wie gemeinsame nationale Positionen von
Abgeordneten verschiedener Parteien in bestimmten Fragen. Nationale Loyalitäten spielen z. B. eine
Rolle, wenn es um finanzielle Fragen oder um den
Sitz einer EU-Institution geht.
Bereits Mitte der siebziger Jahre, im Vorfeld der ersten Europawahl, schlossen sich die drei großen
Parteienfamilien der westeuropäischen Demokratien
zu Parteienbündnissen zusammen, die im EP als
Fraktionen bestehen. Ihre heutigen Namen lauten:
• Sozialdemokratische Partei Europas (SPE),
• Europäische Volkspartei – Christdemokraten
(EVP-CD) sowie
• Liberale und Demokratische Partei Europas
(LIBE).
Im Laufe der Zeit entstanden neue Bündnisse, so
1993 die „Europäische Föderation Grüner Parteien“
(GRÜNE).
Ergebnisse der Europawahlen in Baden-Württemberg (in Prozent)
1979
1984
1989
1994
CDU
SPD
GRÜNE
FDP
REP
PDS
Sonstige
52,3
34,3
4,5
8,1
50,9
27,3
10,1
7,1
39,3
29,1
10,0
7,2
8,7
0,7
4,6
5,8
42,0
26,6
13,2
5,2
5,9
0,5
6,7
11
Blitzlichter
aus dem
Europa-Wahlkampf
von 1994
Bilder: dpa/AP
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6. Parteien und Personen:
Was steht zur Wahl?
Nur die CDU hat eine Liste für Baden-Württemberg
aufgestellt. Die anderen Parteien ziehen mit
Bundeslisten in die Europawahl. Im Folgenden werden Auszüge aus den Listen veröffentlicht. Genannt
sind hier Spitzenplätze sowie die ersten Plätze für
Bewerber aus Baden-Württemberg. Soweit vorhanden, werden auch Ersatzkandidaten angegeben,
weil sie beim Ausscheiden eines gewählten Abgeordneten nachrücken.
Listen zur Europawahl 1999
Die Landesliste der CDU Baden-Württemberg
Platz Kandidat/in
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
Ersatzbewerber/in
Rainer Wieland
Christian von Stetten
Diemut R. Theato
Elke Schröder
Dr. Karl von Wogau Wolfgang Dietz
Elisabeth Jeggle
Udo Glatthaar
Winfried Menrad
Andreas Zwickl
Dr. Konrad Schwaiger Carsten Striebich
Dr. Renate Heinisch Christina Metke
Franz Josef Müller
Dr. Inge Kley
Dr. Jens Müller
Dr. Karin Graf
Petra Kunz
Konrad Epple
Eyke Peveling
Brigitte Steinle
Kirsten Alber
Markus Scheu
Marion Gentges
Michael Hilser
Anton Maurer
Klaus May
Dr. Martine Schöppner Thorsten Faulhaber
Die Bundesliste der SPD
Platz Kandidat/in
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
27
38
Ersatzbewerber/in
Klaus Hänsch
Brigitte Wucherpfennig
Magdalene Hoff
Birgit Sippel
Willi Görlach
Gernot Grumbach
Karin Junker
Harald Schrapers
Christa Randzio-Plath Knut Fleckenstein
Gerhard Schmid
Werner Schieder
Konstanze Krehl
Margit Weihnert
Wilfried Kuckelkorn Walter Ludwigs
Mechtild Rothe
Johannes Emmerich
Rolf Linkohr*
Horst Metzler*
Evelyne Gebhardt*
Ruth Weckenmann*
Janine Millington-Hermann*
Dietrich Elchlepp*
* aus Baden-Württemberg
Spitzenplätze bei den kleinen Parteien
Grüne Heide Rühle*
Wilfried Telkämper* (Platz 14)
FDP
Dr. Helmut Haussmann*
PDS
Sylvia-Yvonne Kaufmann
REP
(wählen am 28.3.1999)
* aus Baden-Württemberg
Warum Wählen sinnvoll ist
Von Gerhart Maier
Das geringe Interesse und die niedrige Beteiligung an
den Wahlen zum Europäischen Parlament steht im Widerspruch zu der Bedeutung, die diese Wahlen für jeden
einzelnen Unionsbürger haben. Mit Recht rufen deshalb
in Deutschland die politischen Parteien, die Verbände
und zahlreiche andere Institutionen alle Wahlberechtigten dazu auf, am 13. Juni 1999 von ihrem Stimmrecht
Gebrauch zu machen. Aus der Vielzahl von Gründen für
eine Beteiligung an den Europawahlen werden hier
einige genannt:
• Die Europäische Union braucht die demokratische
Legitimierung. Demokratie legitimiert sich im Parlament. Dazu sind demokratische Wahlen unabdingbar.
Das Parlament hat als einzige europäische Institution
eine vom Bürger unmittelbar verliehene Autorität; welches Gewicht sie hat, hängt entscheidend von der
Zahl der Wählerinnen und Wähler ab.
• Die Verlagerung von Politikbereichen von der einzelstaatlichen auf die europäische Ebene ist seit der
Gründung der EWG im Jahre 1957 spürbar vorangeschritten. Immer mehr praktische Politik wird von der
Europäischen Union gemacht. Die nationalen Parlamente haben darauf wenig Einfluß. Wichtige Entscheidungen fallen mehr und mehr in Brüssel oder in
Straßburg. Ob wir dies in jedem Fall merken oder
nicht – in vielen Fällen wird unsere tägliche Lebenswirklichkeit durch die EU bestimmt.
• Das Europäische Parlament ist längst nicht mehr der
„Papiertiger“ aus den Anfangsjahren der Europäischen Gemeinschaft; es hat sich vielmehr im Laufe
der Zeit wichtige Mitentscheidungs- und Mitspracherechte erkämpft. Es kann daher den Bürgern nicht
gleichgültig sein, welche Parteien und Personen im
Europäischen Parlament Entscheidungen treffen,
von denen sie unmittelbar betroffen sind.
• Das Europäische Parlament ist bestrebt, das Demokratiedefizit zu verringern, das in der EU immer noch
besteht. Es hat sich einen deutlichen Zuwachs an
Mitwirkungsrechten erstritten. Die Wähler können
die Abgeordneten in Straßburg darin unterstützen,
indem sie an der Europawahl teilnehmen und so ihr
Interesse an der Demokratisierung in Europa bekunden.
• Die Straßburger Parlamentarier spielen eine wichtige
Rolle bei der Verabschiedung des Haushalts der EU.
Gerade weil Deutschland den größten Anteil zu
diesem Haushalt beisteuert, müsste das den Deutschen ein Ansporn sein, durch ihre Richtungsentscheidung bei der Wahl die Haushaltsentscheidungen ihrem Interesse entsprechend zu beeinflussen.
• Das EP ist berechtigt, die Arbeit der Kommission zu
kontrollieren und diese gegebenenfalls durch ein
Mißtrauensvotum zum Rücktritt zu zwingen. Durch ihr
Wahlverhalten entscheiden die Wählerinnen und
Wähler darüber, wer zum Kontrolleur bestellt wird und
wie wirkungsvoll diese Kontrolle ausgeübt werden
kann.
• Das EP hat in der Vergangenheit immer wieder wichtige Impulse für die Weiterentwicklung der Europäischen Union gegeben. Das betraf vor allem die
Durchsetzung der Gleichberechtigung von Mann und
Frau, die Verbesserung des Umweltschutzes, die Si-
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cherung der Menschenrechte und der sozialen
Rechte. Es ist wichtig, welcher politischen Richtung
der Ausbau Europas anvertraut wird; auch hier
können die Wahlberechtigten Weichen für die Zukunft stellen.
• Die gewählten Europaabgeordneten betreuen jeweils
eine bestimmte Region in Deutschland; sie sind der
unmittelbare und wichtigste Ansprechpartner für die
Menschen in der Region in allen Fragen der Europapolitik; die Bürgerinnen und Bürger haben es in der
Hand, durch ihr Votum zu entscheiden, welcher politischen Partei ihr jeweiliger Ansprechpartner angehört.
• Die Anhänger radikaler und extremistischer Parteien
auf der rechten oder linken Seite des Parteienspektrums sind in hohem Maße bereit, zur Wahl zu gehen.
Eine niedrige Wahlbeteiligung stärkt daher die Position der Extremen im EP. Eine hohe Wahlbeteiligung
bei der Europawahl relativiert die Wirksamkeit radikaler oder extremistischer Stimmen oder führt dazu,
dass diese Parteien an der Fünf-Prozent-Klausel
scheitern. Wer wählen geht, stärkt die Demokratie.
Entscheidungsverfahren der Europäischen
Union
• Das Mitentscheidungsverfahren. Es wurde 1993 durch
den Vertrag von Maastricht in den EG-Vertrag aufgenommen (Art. 251 der Amsterdamer Fassung von 1997). Nach
dem Vertragstext sind Rat und EP im Mitentscheidungsverfahren vollständig gleichberechtigt. Dies kommt auch
dadurch zum Ausdruck, dass – im Gegensatz zu den
übrigen Verfahren – beide Organe die Rechtsakte formell
erlassen und nicht nur der Rat allein. Das EP kann auf verschiedenen Stufen des Verfahrens einen Rechtssetzungsvorschlag ablehnen und damit endgültig scheitern lassen.
Der Amsterdamer Vertrag hat den Anwendungsbereich des
Mitentscheidungsverfahrens erheblich erweitert.
• Das Verfahren der Zusammenarbeit. Es wurde 1987 eingeführt (Art. 252 des EG-Vertrags in der Amsterdamer
Fassung von 1997) und ermöglicht dem EP einen aufschiebenden Einspruch. Der Vertrag von Amsterdam überführt seine Anwendungsbereiche fast vollständig in das
Verfahren der Mitentscheidung, so dass das Verfahren der
Zusammenarbeit künftig nur noch bei Bestimmungen über
die Wirtschafts- und Währungsunion angewandt wird.
• Das Zustimmungsverfahren. Bestimmte Abkommen und
Beschlüsse können nur in Kraft treten, wenn das EP ihnen
mit der absoluten Mehrheit seiner Mitglieder zustimmt.
Eine neuberufene Kommission muss sich vor dem Beginn
ihrer fünfjährigen Amtszeit als Kollegium dem Votum des
EP stellen; nach dem Inkrafttreten des Amsterdamer Vertrags ist überdies die gesonderte Zustimmung des Parlaments zur Ernennung des Präsidenten erforderlich.
Völkerrechtliche Verträge sowie Abkommen über den Beitritt oder die Assoziierung von Staaten zur Union können
nur in Kraft treten, wenn das Parlament sie mit der Mehrheit seiner Mitglieder billigt.
• Das Anhörungsverfahren: Hier kann das EP Stellungnahmen und Änderungsanträge zu Vorschlägen der Kommission formulieren. Der Rat muss sie aber nicht berücksichtigen, sondern entscheidet allein. Bis in die siebziger
Jahre hinein galt dieses Verfahren generell. Inzwischen ist
sein Anwendungsfeld stark geschrumpft, umfasst aber
immer noch wichtige Bereiche wie Steuern, Wettbewerbsregeln und Änderungen des EG- und des EU-Vertrags.
Italien. Wahlplakate zu den Europawahlen 1989.
Bild: Gerhart Maier
7. Die Rolle des Europäischen
Parlaments
Das Europäische Parlament wirkt bei der Rechtssetzung der Europäischen Union mit, billigt bestimmte
Abkommen und Beschlüsse (oder lehnt sie ab), entscheidet in Haushaltsfragen mit und kontrolliert die
anderen EU-Organe, insbesondere die Kommission.
Rechtssetzung. Insgesamt fünf verschiedene Entscheidungsverfahren sind im EG-Vertrag vorgesehen. Er regelt im einzelnen, welches Verfahren in
welchen Politikbereichen anzuwenden ist. Die Verfahren unterscheiden sich im wesentlichen darin,
wie stark das EP an den Beschlüssen des Rats beteiligt wird.
• Das Haushaltsverfahren. Das EP teilt sich mit dem Rat
das Recht, über den jährlichen Haushaltsplan der EU zu
entscheiden. Bei Ausgaben, die sich nicht unmittelbar aus
dem EG-Vertrag ergeben, darf das EP mit der Mehrheit seiner Mitglieder Änderungen beschließen. Außerdem kann
das Parlament den Entwurf als Ganzes ablehnen und den
Rat auffordern, einen neuen vorzulegen, was bisher zweimal – 1979 und 1985 – vorgekommen ist. In diesem Fall
sind zwei Drittel der abgegebenen Stimmen und die Mehrheit der EP-Mitglieder erforderlich.
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Gegenüber dem Rat, dessen Mitglieder in erster
Linie den nationalen Parlamenten verantwortlich
sind, hat das EP kein direktes Kontrollrecht, wohl
aber das Recht auf Information und Anhörung. Zu
Beginn ihrer Amtszeit erläutert jede Ratspräsidentschaft ihr Programm dem EP und erstattet ihm nach
Ablauf der Amtsperiode Bericht über die Tätigkeit.
Vorschläge zur Weiterentwicklung der
Rolle des Europaparlaments
Zeichnung: Mester
Kontrollrechte des Parlaments
gegenüber anderen EU-Organen
Gegenüber der Kommission hat das EP ein direktes
Kontrollrecht. So muss es die Umsetzung des Haushaltsplans durch die Kommission überprüfen, insbesondere die tatsächliche Höhe der Ausgaben. Mit
einem Misstrauensvotum kann es sogar das ganze
Gremium (nicht aber einzelne Kommissare) zum
Rücktritt zwingen. Hierfür sind zwei Drittel der abgegebenen Stimmen und die Mehrheit der EP-Mitglieder nötig. In jüngster Zeit hat das Parlament von diesen Rechten in ungewohnt spektakulärer Weise
Gebrauch gemacht. Zunächst verweigerte es der
Kommission am 17. Dezember 1998 wegen verschiedener Betrugs- und Korruptionsaffären die
Entlastung für die Haushaltsführung im Jahr 1996.
Ein anschließend eingebrachter Misstrauensantrag
scheiterte jedoch am 14. Januar 1999 nach einigen
politischen Zugeständnissen des Kommissionspräsidenten Jacques Santer mit 232 von 552 abgegebenen Stimmen. Einen Tag nach Vorlage eines Ausschussberichtes trat die gesamte EU-Kommission
am 16.3.1999 zurück.
Die Abgeordneten können schriftliche Anfragen an
die Kommission oder den Rat richten, die diese beantworten müssen. Bei jeder Sitzung des Europäischen Parlaments findet eine Fragestunde statt, in
der Mitglieder der Kommission und der amtierende
Ratspräsident Rede und Antwort stehen müssen.
Das Parlament kann auf Antrag eines Viertels seiner
Mitglieder einen Untersuchungsausschuss einsetzen, der „behauptete Verstöße gegen das Gemeinschaftsrecht oder Missstände bei der Anwendung
desselben prüft“ (Art. 193 EG-Vertrag). Ein Beispiel
hierfür sind zwei Untersuchungsausschüsse zur
Rinderseuche BSE, die 1996/97 arbeiteten. Außerdem kann das EP beim Europäischen Gerichtshof
eine Untätigkeitsklage gegen Kommission oder
Rat einreichen, falls diese in bestimmten Bereichen
nicht tätig werden, obwohl die Verträge es vorschreiben. Den Gerichtshof kann das EP auch anrufen, wenn es der Überzeugung ist, dass andere
Organe die Rechte des Parlaments missachten.
In den Jahren 1996 und 1997 fand die Regierungskonferenz zur Vertiefung der europäischen Integration und zur Erweiterung der Europäischen Union
um Malta und einige osteuropäische Staaten statt
(Maastricht II). Die Beratungen während dieser Konferenz führten zum Vertrag von Amsterdam, der am
2. Oktober 1997 von den Staats- und Regierungschefs der EU unterzeichnet worden ist.
Zu der Konferenz lagen zahlreiche Vorschläge zur
Verbesserung der Zusammenarbeit der EU-Institutionen vor. Hier interessieren vor allem Anregungen,
welche vom Europäischen Parlament und seinen
Ausschüssen eingebracht worden sind. Die bisherige Integrationsgeschichte lehrt, dass es dem
Parlament – meistens in einem mühsamen und langwierigen Prozess – oft gelungen ist, seine Forderungen nach dem Ausbau seiner Kompetenzen zu verwirklichen. Dahinter steckt die Erfahrung, dass es
sich bei der europäischen Einigung nicht um ein fertiges Gebilde handelt, sondern um einen Prozess,
dessen Ende bisher keineswegs in allen Einzelheiten
feststeht.
Vorschläge zur Aufwertung des Europäischen Parlaments
• volle Mitentscheidung des Parlaments bei allen Aktivitäten und Gesetzgebungsakten der Gemeinschaft,
d.h. Gleichberechtigung mit dem Ministerrat
• volles Haushaltsrecht, d. h. Mitentscheidung auch
beim Agrarhaushalt der EU (fast die Hälfte aller Ausgaben) und Mitsprache auf der Einnahmenseite
• uneingeschränktes Recht auf Mitentscheidung bei
Vertragsänderungen (Zustimmung oder Ablehnung)
• Initiativrecht des Parlaments: Einbringung von Gesetzesvorschlägen in den Entscheidungsprozess
• Ergänzung des Vetorechts des Parlaments durch ein
„positives Mitwirkungsrecht“ am Gesetzgebungsverfahren in allen seinen Stadien
• Begrenzung der Zahl der Mitglieder des Europäischen
Parlaments auf höchstens 700 Abgeordnete – auch
nach dem Beitritt weiterer Staaten (im Vertrag von
Amsterdam festgeschrieben)
• direkte Wahl des Kommissionspräsidenten durch das
Parlament
• Einführung des individuellen Misstrauensvotums
gegen einzelne Mitglieder der EU-Kommission.
Zusammenstellung: Gerhart Maier
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Die Europäische Strukturkommission, die sich aus
Politikern und Wissenschaftlern zusammensetzt,
stellt zu den Forderungen des Europaparlaments
fest: „Die Union ist ... zu einem Zwei-KammerSystem weiterzuentwickeln, bei dem die eine
Kammer aus dem Europäischen Parlament und die
andere aus dem Rat der Union als europäische
Staatenkammer gebildet wird. Indem alle wesentlichen Entscheidungen der Union gleichberechtigt
von diesen beiden Kammern getroffen werden, können das demokratische und das föderale Prinzip
miteinander verbunden werden.“ (Europäische
Strukturkommission: Europa ’96. Reformprogramm
für die Europäische Union, in: Weidenfeld, Werner
(Hrsg.): Reform der Europäischen Union, Gütersloh
1995, S. 40)
Welche Reformen sollen sein?
Entscheiden Sie selbst! Kreuzen Sie an, was Sie für
richtig halten und begründen Sie Ihre Entscheidung.
Denken Sie dabei an den Ausbau der Demokratie in
Europa, an die Folgen für die Entscheidungsverfahren auf europäischer Ebene und den Fortgang der
europäischen Einigung. Konzeption: Gerhart Maier
Dafür
1. Die Europawahlen sollen
nicht alle fünf, sondern wie
die Bundestagswahlen alle
vier Jahre stattfinden.
2. Für die Europawahlen soll in
allen Mitgliedstaaten ein einheitliches Verfahren gelten.
3. Der Termin der Europawahlen soll nicht mit dem Termin
anderer Wahlen zusammenfallen.
4. Die Mitglieder des Europaparlaments sollen nicht
direkt gewählt, sondern aus
den nationalen Parlamenten
entsandt werden.
Konsens-Destillation zu Brüssel
Zeichnung: Mester
8. Literaturhinweise
Bergmann, Jan / Lenz, Christofer (Hrsg.): Der Amsterdamer
Vertrag. Eine Kommentierung der Neuerungen des EUund EG-Vertrages. Köln: Omnia-Verlag, 1998
Fritzler, Marc / Unser, Günther: Die Europäische Union. Bonn:
Bundeszentrale für politische Bildung, 1998
Jachtenfuchs, Markus / Kohler-Koch, Beate (Hrsg.): Europäische Integration. Opladen: Leske + Budrich, 1996
Korte, Karl-Rudolf: Wahlen in der Bundesrepublik Deutschland. Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung, 1998
Maurer, Andreas: Regieren nach Maastricht: Die Bilanz
des Europäischen Parlaments; in: integration 1998/4,
S. 212–224
Mickel, Wolfgang W. (Hrsg.): Handlexikon der Europäischen
Union. 2., überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln:
Omnia-Verlag, 1998
Pfetsch, Frank R.: Die Europäische Union. Geschichte, Institutionen, Prozesse. München: Wilhelm Fink Verlag, 1997
Thiel, Elke: Die Europäische Union. 5., völlig neugestaltete
Auflage, München: Bayerische Landeszentrale für politische Bildungsarbeit, 1997
Weidenfeld, Werner / Wessels, Wolfgang (Hrsg.): Europa von
A–Z. Taschenbuch der europäischen Integration. 6. Auflage, Bonn: Europa Union Verlag, 1997
5. Für die Europawahlen soll
Wahlpflicht für alle Wahlberechtigten eingeführt werden.
6. Das Europaparlament soll
nicht mehr als 500 Mitglieder haben.
7. Das EP hat genügend Mitwirkungsrechte; sie sollen
nicht erweitert werden.
8. Die Mitgliedstaaten sollen
ihrer Bevölkerungszahl entsprechend im EP vertreten
sein.
9. Jeder Mitgliedstaat sollte
mindestens sechs Abgeordnete in das EP entsenden
dürfen.
10. Abgeordnete, die Mitglied in
einem nationalen Parlament
sind, sollten nicht auch noch
für das EP kandidieren dürfen.
11. Das EP soll gleichberechtigt
mit dem Ministerrat der EU
an allen Entscheidungen beteiligt werden.
DaKeine
gegen Meinung
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9. Abschlusstest
Was stimmt? Kreuzen Sie bitte jeweils eine der drei
Spalten an.
5
Richtig Falsch Weiß nicht
1. Der EU gehören zwölf europäische Staaten an.
4
2. Die Europawahl 1999 findet
in allen Mitgliedstaaten am
Sonntag, 13. Juni, statt.
3
1
3. Schon 1957 gab es die erste
Direktwahl zum Europäischen Parlament.
2
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13
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15
4. Die Wahlen zum EP finden
alle fünf Jahre statt.
6
11
5. Die Wahlberechtigten dürfen
ihre Stimme bei den EPWahlen nur in ihrem Heimatland abgeben.
8
9
6. Die Europawahlen werden in
Deutschland nach dem Verhältniswahlrecht durchgeführt.
10
7
7. Dem EP gehören zur Zeit
700 Abgeordnete an.
Nr.
8. Jeder Mitgliedstaat hat die
gleiche Zahl von Abgeordneten im EP.
Staat
Hauptstadt
1
2
3
9. Im EP schließen sich die Abgeordneten in länderübergreifenden Fraktionen zusammen.
4
5
6
10. Das EP ist der eigentliche
Gesetzgeber der Europäischen Union.
7
8
11. Das EP kann der Kommission das Misstrauensvotum
aussprechen.
9
10
12. Das EP kann keine Gesetzesinitiativen in den EUEntscheidungsprozess einbringen.
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Gerhart Maier
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Impressum
»PU aktuell« wird von der Landeszentrale für politische Bildung (LpB) herausgegeben und erscheint in unregelmäßiger Reihenfolge als Beilage der Zeitschrift »Politik und Unterricht«. Direktor der Landeszentrale: Siegfried Schiele
Redaktion: Otto Bauschert, Anschrift: LpB Baden-Württemberg, Stafflenbergstraße 38, 70184 Stuttgart, Telefax (0711) 23 71 496
Manuskript: Andreas Knoll. Weitere Mitarbeit: Gerhart Maier und Sylvia Rösch
Bestellungen weiterer Exemplare bitte nur schriftlich
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Die Hefte werden innerhalb von Baden-Württemberg kostenlos abgegeben. Andere Interessenten wenden sich bitte direkt an:
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