TH Mittelhessen StudiumPlus Grundlagen der Elektrotechnik Gleichstromtechnik 1 Gleichstromtechnik 1.1 Physikalische Definitionen Dipl.-Ing. (FH) M. Beuler 1.1.1 Elektrische Ladung Elektrizität beruht auf dem Vorhandensein elektrischer Ladungen. Man unterscheidet zwischen positiven und negativen Ladungen. Zwischen elektrischen Ladungen besteht eine Kraftwirkung (Coulombsches Gesetz). Ladungen gleichen Vorzeichens stoßen sich ab, Ladungen ungleichen Vorzeichens ziehen sich an. Jede Ladung ist ein ganzzahliges Vielfaches der Elementarladung e: e = ±1,602(17733) ⋅ 10−19 As 1As = 1C (Coulomb) Q = N ⋅ ( ±e ) Elektron: negative Elementarladung Proton: positive Elementarladung Der Raum zwischen elektrischen Ladungen, in dem abstoßende bzw. anziehende Kräfte wirken, heißt elektrisches Feld (siehe Kapitel 2). 1 TH Mittelhessen StudiumPlus Grundlagen der Elektrotechnik Gleichstromtechnik Dipl.-Ing. (FH) M. Beuler 1.1.2 Das Coulombsche Gesetz Für die anziehende oder abstoßende Kraft, die eine Punktladung Q1 auf eine sich im Abstand r befindende Punktladung Q2 ausübt, gilt das Coulombsche Gesetz: r ur 1 Q1 ⋅ Q2 r 12 F 12 = ⋅ ⋅ (1.1) 2 r12 4πε 0 r12 r r 12 mit: : Einheitsvektor von Q1 nach Q2 r12 As (elektrische Feldkonstante, Dielekε 0 = 8,854(18782) ⋅ 10−12 Vm trizitätskonstante des Vakuums) 1 4πε 0 = 8,988 ⋅ 109 Vm (Proportionalitätsfaktor) As Das Coulombsche Gesetz gilt auch noch näherungsweise für Kugeln, wenn deren Abstand (von Kugelmitte zu Kugelmitte) groß im Vergleich zu den Kugelradien ist. 2 TH Mittelhessen StudiumPlus Grundlagen der Elektrotechnik Gleichstromtechnik Dipl.-Ing. (FH) M. Beuler 1.1.3 Stromstärke und Stromdichte Der elektrische Strom entspricht der zeitlichen Änderung der elektrischen Ladung. Ist der zeitliche Verlauf der den Querschnitt durchsetzenden Ladung bekannt, gewinnt man den zugehörigen Strom durch Differentiation dieser Ladungsfunktion: ∆q dq = ∆t →0 ∆t dt i = lim ; [i ] = A (1.2) Die Ladungsfunktion kann durch Integration der Stromfunktion ermittelt werden: t2 q(t ) = ∫ i ⋅ dt ; [q ] = As = C (1.3) t1 Bei zeitlich konstanter Stromstärke, d.h. stationärem Ladungstransport, gilt: Q = I ⋅t (1.4) Die Stromdichte ist wichtig zur Einschätzung von Erwärmungsproblemen und stellt den auf die Querschnittsfläche bezogenen Strom dar. Bei gleichmäßiger Verteilung des Stroms über die Fläche ist die Stromdichte konstant: ur I J = ur A ; [J ] = A m2 (1.5) Bei ungleichmäßiger Stromverteilung über der Fläche ist der differentielle Strom dI auf das Flächenelement dA zu beziehen: ur dI J = ur dA (1.6) 3 TH Mittelhessen StudiumPlus Grundlagen der Elektrotechnik Gleichstromtechnik Dipl.-Ing. (FH) M. Beuler 1.1.4 Potential und Spannung Zwei ungleichnamige, dicht beieinander liegende Ladungen werden um die Entfernung s verschoben: • Kraft F entgegen der Coulomb-Kraft muss aufgewendet werden; • Bei Ladungstrennung wird Arbeit W = F ⋅ s verrichtet; Q2 wird um s verschoben ⇒ verrichtete Arbeit ist als potentielle Energie gespeichert: W1 = ϕ1 ⋅ Q2 Ladung Q2 hat in Bezug auf die Ladung Q1 das elektrische Potential: ϕ1 = W1 Q2 ; [ϕ ] = V (1.8a) (gespeicherte Energie bezogen auf die verschobene Ladung Q2) Weitere Verschiebung um ∆s ⇒ Erhöhung der potentiellen Energie: W2 = ϕ2 ⋅ Q2 ϕ2 = ⇒ W2 Q2 (1.8b) Potentielle Energiedifferenz beim Verschieben der Ladung Q2 von s nach s + ∆s : ∆W = W2 − W1 = (ϕ2 − ϕ1) ⋅ Q2 Auf Ladung Q2 bezogene Energiedifferenz ist die elektr. Spannung U: ∆W = ϕ2 − ϕ1 = U Q2 ; [U ] = V (1.9) 4 TH Mittelhessen StudiumPlus Grundlagen der Elektrotechnik Gleichstromtechnik Dipl.-Ing. (FH) M. Beuler 1.1.5 Energieniveaus der Elektronen und Bändermodell Energieniveaus: W Ionisierungsgrenze Einzelatom Zweiatomiges Molekül Dreiatomiges Molekül N Atome (Festkörper) Die Grafik veranschaulicht die Aufspaltung der Energieniveaus in zwei, drei (bei drei wechselwirkenden Systemen) und N (bei N Atomen im Festkörper) eng benachbarte Energieniveaus. N Energiezustände im Festkörper sind so eng beieinander, dass sie nicht getrennt werden können → verschmelzen zu einem Energieband. Bändermodell: Das oberste vollständig gefüllte Band heißt Valenzband (VB), das darüber liegende, entweder teilweise gefüllte oder auch leere Band wird als Leitungsband (LB) bezeichnet. W Leitungsband WL ∆W = Wg WV untere Kante des Leitungsbandes obere Kante des Valenzbandes Valenzband 5 TH Mittelhessen StudiumPlus Grundlagen der Elektrotechnik Gleichstromtechnik Dipl.-Ing. (FH) M. Beuler Die Breite der verbotenen Zone, d.h. der Abstand zwischen dem Leitungsband WL und dem Valenzband WV, ist ein guter Maßstab für die Leitfähigkeit von Materialien. D W1 D W1 a) b) c) d) In den doppelt schraffierten Bereichen sind die energetischen Niveaus von Elektronen besetzt, in den einfach schraffierten dagegen nicht. Die dazwischen liegenden Flächen stellen die für Elektronen verbotenen Zonen dar. Folgende Fälle sind möglich: • Das Valenzband ist nicht vollbesetzt (Fall a), oder das Valenzband ist vollbesetzt, überschneidet sich jedoch mit dem Leitungsband (Fall b). – Leiter • Das Valenzband ist vollbesetzt, das Leitungsband befindet sich jedoch energetisch in der Nähe des Valenzbandes (Fall c). – Halbleiter • Das Valenzband ist vollbesetzt, das Leitungsband liegt weit davon entfernt (Fall d). – Nichtleiter Die Valenzelektronen bewegen sich reglos im Kristall. Ihre Bewegung ist nicht ausgerichtet und stellt deswegen keinen Strom dar. 6 TH Mittelhessen StudiumPlus Grundlagen der Elektrotechnik Gleichstromtechnik Dipl.-Ing. (FH) M. Beuler 1.1.6 Elektrischer Widerstand und elektrischer Leitwert Der elektrische Widerstand beschreibt das Spannungs-Strom-Verhältnis als wichtige elektrische Eigenschaft eines Bauelements. Der Kehrwert des Widerstandes heißt Leitwert und beschreibt dementsprechend das IU-Verhalten. Lineare Widerstände: Funktion I = f (U ) ist eine Gerade, d.h. der Widerstand ist konstant. Bauelement: I R2 R1 > R2 Kennlinie: R1 U R= U = const . I ; [R ] = Ω (Ohm) (1.10) G= 1 R ; [G ] = S (Siemens) (1.11) Gl. (1.10) beschreibt das Ohmsche Gesetz. Nichtlineare Widerstände: I I Kennlinie: U U Nichtlineare Widerstände verändern ihren Widerstandswert in Abhängigkeit einer physikalischen Größe. Eine solche Größe kann beispielsweise die Temperatur oder die Lichtintensität sein. 7 TH Mittelhessen StudiumPlus Grundlagen der Elektrotechnik Gleichstromtechnik Dipl.-Ing. (FH) M. Beuler Spezifischer Widerstand und Leitfähigkeit für unterschiedliche Materialien: [ρ ] = [κ ] = Ω⋅mm m m Ω⋅mm 2 2 Kupfer Aluminium 0,01786 0,02857 56 35 Stahl 0,13 Blei 0,208 Konstantan 0,5 7,7 4,8 2 Die Leitfähigkeit κ gibt an, wie viel m eines Werkstoffes benötigt werden, damit man einen Widerstand von 1Ω erhält (bei A = 1mm 2 und ϑ = 20°C ). Temperaturabhängigkeit des spezifischen Widerstandes: • ρ z bei Bezugstemperatur ϑz • Durch Temperaturänderung ∆ϑ wird ρ z um ∆ρ geändert Weichen die Temperaturen nur in bestimmten Grenzen von ϑz ab, dann wird ∆ρ näherungsweise über die Tangente im Punkt (ϑz , ρ z ) bestimmt: ∆ρ d ρ ≈ ∆ϑ dϑ z (Anstieg der Sekante wird durch Anstieg der Tangente angenähert) ⇒ ∆ρ = dρ ⋅ ∆ϑ dϑ z 8 TH Mittelhessen StudiumPlus Grundlagen der Elektrotechnik Gleichstromtechnik Dipl.-Ing. (FH) M. Beuler Für den spezifischen Widerstand bei erhöhter Temperatur gilt: ρ = ρ z + ∆ρ ρ = ρz + dρ ⋅ ∆ϑ dϑ z ρ = ρ z ⋅ 1 + 1 dρ ⋅ ⋅ ∆ϑ ρ z dϑ z ρ = ρ z ⋅ [1 + α z ⋅ ∆ϑ ] (1.13) mit: ∆ϑ = ϑ − ϑz α z : Temperaturkoeffizient Üblicherweise wird α z auf 20°C bezogen ( α 20 ): ρ = ρ20 ⋅ [1 + α 20 ⋅ ∆ϑ ] ; mit: ∆ϑ = ϑ − 20°C (1.14) Für die Temperaturabhängigkeit eines linearen Widerstandes gilt: R =ρ⋅ l l = ρ20 ⋅ [1 + α 20 ⋅ ∆ϑ ] ⋅ A A ⇒ R = R20 ⋅ [1 + α 20 ⋅ ∆ϑ ] ; R20 = ρ20 ⋅ l A (1.15) Gl. (1.15) gilt bis ca. 200°C. 9 TH Mittelhessen StudiumPlus Grundlagen der Elektrotechnik Gleichstromtechnik Dipl.-Ing. (FH) M. Beuler 1.1.7 Elektrische Energie und elektrische Leistung Zur Erzeugung einer Spannung (Ladungstrennung) muss von außen Energie zugeführt werden → Überwindung der Coulomb-Kräfte; Zugeführte Energie ist als potentielle Energie in den Ladungen gespeichert; Wel = Q ⋅ U (allgemein) (1.16) Weitere Zusammenhänge: I= Q t bzw. Q = I ⋅ t ⇒ Wel = Q ⋅ U = U ⋅ I ⋅ t U = R ⋅ I bzw. I = (1.17) U R U2 ⇒ Wel = I ⋅ R ⋅ t = ⋅t R 2 (1.18) Sind Strom und Spannung zeitlich veränderlich, dann gilt: t2 dq i= dt bzw. Q = ∫ i ⋅ dt (1.19) t1 [Wel ] = Ws = J = Nm Die elektrische Leistung ist definiert als Arbeit pro Zeit: Wel = U ⋅I t (1.20) U2 Pel = I ⋅ R = R (1.21) Pel 2 [Pel ] = W = VA 10 TH Mittelhessen 1.2 StudiumPlus Grundlagen der Elektrotechnik Gleichstromtechnik Dipl.-Ing. (FH) M. Beuler Grundstromkreise Sie bestehen aus einer Quelle (Generator) mit Innenwiderstand und einem Verbraucher. Als Generator kommt entweder eine Spannungsoder eine Stromquelle zum Einsatz. Man kann versuchen, komplexe Schaltungen auf Grundstromkreise zu reduzieren. 1.2.1 Kirchhoffsche Regeln: Sie beschreiben das Verhalten der elektrischen Ströme in einem verzweigten Stromkreis (Knotenregel) und der Spannungen in einem geschlossenen Stromkreis (Maschenregel). 1. Kirchhoffsches Gesetz (Knotenregel): • Die Summe aller in einem Knotenpunkt zusammenlaufenden Ströme ist Null. n ∑ Ii = 0 (1.22) i =1 2. Kirchhoffsches Gesetz (Maschenregel): • Die Summe aller Spannungen in einer Masche ist Null. n ∑ Ui = 0 (1.23) i =1 11 TH Mittelhessen StudiumPlus Grundlagen der Elektrotechnik Gleichstromtechnik Dipl.-Ing. (FH) M. Beuler 1.2.2 Reihenschaltung von Widerständen In einer Reihenschaltung sind alle Widerstände vom selben Strom durchflossen. Anwendung der Maschenregel führt zu: U = I ⋅ R1 + I ⋅ R2 + K + I ⋅ Rn = I ⋅ ( R1 + R2 + K + Rn ) = I ⋅ Rges ⇒ Rges = R1 + R2 + K + Rn (1.24) In einer Reihenschaltung ist der Gesamtwiderstand gleich der Summe der Einzelwiderstände. 1.2.3 Parallelschaltung von Widerständen In einer Parallelschaltung liegen alle Widerstände an derselben Spannung. Anwendung der Knotenregel führt zu: I= ⇒ 1 U U U 1 1 1 + +K+ = U ⋅ + +K + =U⋅ R1 R2 Rn Rn Rges R1 R2 1 Rges = 1 1 1 + +K+ R1 R2 Rn (1.26) k In einer Parallelschaltung ist der Kehrwert des Gesamtwiderstandes gleich der Summe der Kehrwerte der Einzelwiderstände. 12 TH Mittelhessen StudiumPlus Grundlagen der Elektrotechnik Gleichstromtechnik Dipl.-Ing. (FH) M. Beuler 1.2.4 Spannungsteiler 1. Fall: Ohne Lastwiderstand Der Spannungteiler besteht aus 2 in Reihe geschalteten Widerstände R1 und R2, die entweder räumlich getrennt sind oder aus einem Gesamtwiderstand mit einem Abgriff bestehen (Potentiometer). U = U1 + U2 = I ⋅ R1 + I ⋅ R2 = I ⋅ (R1 + R2 ) U1 I ⋅ R1 = U2 I ⋅ R2 ; U2 I ⋅ R2 = U I ⋅ (R1 + R2 ) Hieraus folgt die Spannungsteilerregel: U1 R1 = U2 R2 (1.29) U2 R2 = U R1 + R2 (1.30) In Worten: Bei in Reihe geschalteten Widerständen verhält sich die Teilspannung zur Gesamtspannung wie der Teilwiderstand zum Gesamtwiderstand. 2. Fall: Mit Lastwiderstand An die Ausgangsklemmen eines Spannungsteilers wird ein Lastwiderstand RL angeschlossen, der dem Spannungsteiler den Laststrom IL entnimmt. Zwei Rechnerische Lösungswege: • Direkte Berechnung des Netzwerks • Ersatzspannungsquelle 13 TH Mittelhessen StudiumPlus Grundlagen der Elektrotechnik Gleichstromtechnik Dipl.-Ing. (FH) M. Beuler Direkte Berechnung des Netzwerks: Stromstärke I’ des belasteten Spannungsteilers: I' = U R1 + (R2 || RL ) (1.31) Ausgangsspannung U2L des belasteten Spannungsteilers: U2L = U − I '⋅ R1 (1.32) Ersatzspannungsquelle: Die Quellspannung Uq der Ersatzquelle ist gleich der Leerlauf-Ausgangsspannung U20 des Spannungsteilers: Uq = U20 = U ⋅ R2 R1 + R2 (1.33) Der Innenwiderstand Ri der Ersatzquelle ist gleich der Parallelschaltung der beiden Spannungsteiler-Widerstände: Ri = R1 ⋅ R2 R1 + R2 (1.34) Für die Ausgangsspannung U2L des Spannungsteilers gilt dann: U2L = U20 − IL ⋅ Ri (1.35) 14 TH Mittelhessen StudiumPlus Grundlagen der Elektrotechnik Gleichstromtechnik Dipl.-Ing. (FH) M. Beuler Linearität des belasteten Spannungsteilers: Beim unbelasteten Spannungsteiler besteht eine exakte Linearität zwischen der Ausgangsspannung U20 und dem Teilwiderstand R2. Diese Linearität ist beim belasteten Spannungsteiler nicht mehr gegeben: U 2L = k ⋅ U ⋅ RL RL + k ⋅ (1 − k ) ⋅ R U 2L k = U 1 + p ⋅ k ⋅ (1 − k ) (1.36) (1.37) mit: k = R2 R = 2 R1 + R2 R Teilerverhältnis p= R1 + R2 R = RL RL Verhältnis von Spannungsteiler- zu Lastwiderstand 15 TH Mittelhessen StudiumPlus Grundlagen der Elektrotechnik Gleichstromtechnik Dipl.-Ing. (FH) M. Beuler Dimensionierung von Spannungsteilern: Es sind Betriebsanforderungen gegeben, die Spannungsteiler-Widerstände R1,R2 sind gesucht. Berechnungsmethoden: • Querstromfaktormethode • Ersatzquellenmethode (wird nicht behandelt) Querstromfaktormethode: Ausgangspunkt ist die Erfahrung, dass die Teilspannung sich durch Belastung nicht wesentlich ändert, wenn der Querstrom I2 viel größer ist als der Laststrom IL. m= I2 IL 1. Schritt: Feststellen, wie groß die Teilspannung U2 sein soll und wie groß der Laststrom werden kann: U2 = KV (1.38a) IL = K A 2. Schritt: Wahl des Querstromfaktors u. Berechnung des Querstromes: m = K(m = 2K10) I 2 = m ⋅ IL (1.38b) 3. Schritt: Berechnung von R2: R2 = U2 I2 (1.38c) 4. Schritt: Berechnung von R1 bei gegebener Spannung U: I1 = I2 + IL ; R1 = U − U2 I1 (1.38d) 16 TH Mittelhessen StudiumPlus Grundlagen der Elektrotechnik Gleichstromtechnik Dipl.-Ing. (FH) M. Beuler 1.2.5 Ersatzspannungs- und Ersatzstromquelle Eine elektrische Energiequelle lässt sich entweder durch eine Spannungsquelle oder durch eine Stromquelle im elektrischen Netzwerk angeben. Hierbei unterscheidet man zwischen idealen und realen Quellen. Das Verhalten realer Quellen wird durch Ersatzschaltungen beschrieben, die sich aus idealen Komponenten zusammensetzen. Ersatzspannungsquelle: Die Spannung einer realen Spannungsquelle (z.B. Batterie) ist nicht unabhängig von dem abgegebenen Strom. Vielmehr sinkt die Spannung mit zunehmendem Laststrom. Man sagt auch: Die Spannung bricht etwas zusammen, wenn man sie belastet. Dieses reale Verhalten wird durch eine ideale Spannungsquelle Uq und einem Innenwiderstand Ri modelliert. Berechnung der Strom-Spannungs-Kennlinie (Belastungskennlinie): −Uq + I ⋅ Ri + U = 0 ⇒ U = Uq − I ⋅ Ri (1.39) Die Spannung U fällt mit zunehmendem Strom I linear ab. Ersatzstromquelle: Der Strom einer realen Stromquelle ist nicht unabhängig von der anliegenden Spannung. Vielmehr sinkt der Strom ab, wenn man die Stromquelle hochohmig belastet. Dieses reale Verhalten wird durch eine Stromquelle Iq und einem parallel dazu liegenden Innenwiderstand Ri modelliert. 17 TH Mittelhessen StudiumPlus Grundlagen der Elektrotechnik Gleichstromtechnik Dipl.-Ing. (FH) M. Beuler Berechnung der Spannungs-Strom-Kennlinie (Belastungskennlinie): −Iq + U +I = 0 Ri ⇒ I = Iq − U Ri (1.44) Für eine hochohmige Last geht die Ausgangs-Klemmenspannung gegen Iq⋅Ri. Je größer U wird, desto größer wird der Strom, der durch Ri abfließt und somit an den Ausgangsklemmen nicht zur Verfügung steht. Umrechnung von Spannungs- in Stromquellen und umgekehrt: Man kann eine reale Stromquelle als Spannungsquelle mit hochohmigem Innenwiderstand auffassen und eine reale Spannungsquelle als niederohmige Stromquelle. 18 TH Mittelhessen StudiumPlus Grundlagen der Elektrotechnik Gleichstromtechnik Dipl.-Ing. (FH) M. Beuler 1.2.6 Umwandlung einer Dreieck- in eine Sternschaltung und umgekehrt Teile eines Netzwerks, die aus Reihen- und Parallelschaltungen bestehen und keine Spannungs- oder Stromquellen enthalten, lassen sich zu einem Ersatzwiderstand zusammenfassen. Besteht ein Netzwerkteil aus einer Brückenschaltung, dann ist eine Zusammenfassung nur über eine Dreieck-Stern- oder eine Stern-Dreieck-Transformation möglich. Dreieck- und Sternschaltung in einer Brückenschaltung: Durch Transformation umgewandelte Brückenschaltung: 19 TH Mittelhessen StudiumPlus Grundlagen der Elektrotechnik Gleichstromtechnik Dipl.-Ing. (FH) M. Beuler Dreieck-Stern-Transformation: R1' = R2 ⋅ R3 R1 + R2 + R3 (1.45) R2' = R1 ⋅ R3 R1 + R2 + R3 (1.46) R3' = R1 ⋅ R2 R1 + R2 + R3 (1.47) Merkregel: Sternwiderstand = Produkt der beiden Dreieckwiderstände Summe aller Dreieckwiderstände Stern-Dreieck-Transformation: R1' ⋅ R2' + R2' ⋅ R3' + R1' ⋅ R3' R1 = R1' (1.48) R1' ⋅ R2' + R2' ⋅ R3' + R1' ⋅ R3' R2' (1.49) R1' ⋅ R2' + R2' ⋅ R3' + R1' ⋅ R3' R3 = R3' (1.50) R2 = 20 TH Mittelhessen 1.3 StudiumPlus Grundlagen der Elektrotechnik Gleichstromtechnik Dipl.-Ing. (FH) M. Beuler Berechnungsverfahren für lineare Netzwerke In der Gleichstromtechnik sind Netzwerke Widerstandsschaltungen mit mehreren Spannungs- und/oder Stromquellen, die nicht auf Grundstromkreise zurückgeführt werden können. Folgende Berechnungsverfahren sind üblich • • • • • Superpositionsprinzip (Überlagerungssatz) Maschenstromanalyse (Kreisstromverfahren) Zweigstromanalyse Knotenpotentialverfahren Zweipolverfahren Voraussetzung für alle Verfahren sind Widerstände mit linearer U-IKennlinie sowie konstante Quellspannungen und Quellströme: • R = const. • Uq = const. • Iq = const. Die abgebildete Schaltung stellt ein solches Netzwerk dar. Ziel ist es nun, sämtliche Zweigströme und Spannungen zu bestimmen. 21 TH Mittelhessen StudiumPlus Grundlagen der Elektrotechnik Gleichstromtechnik Dipl.-Ing. (FH) M. Beuler 1.3.1 Superpositionsprinzip Das Superpositionsprinzip ist von allgemeiner physikalischer Bedeutung: In einem physikalischen System, in dem Wirkungen linear von den Ursachen abhängen, lässt sich zunächst jeweils die Wirkung von nur einer Ursache ermitteln. Die resultierende Wirkung aller Ursachen ergibt sich dann als Summe der Einzelwirkungen. Vorgehensweise bei elektrischen Netzen: 1. Richtung der Zweigströme festlegen 2. Kurzschließen aller Quellspannungen und Unterbrechen aller Quellströme bis auf eine Quellspannung bzw. einen Quellstrom (die Innenwiderstände verbleiben hierbei in der Schaltung) 3. Berechnen des von der einen Quellspannung oder von dem einen Quellstrom verursachten Teilstrom in dem Zweig, in dem der Zweigstrom ermittelt werden soll 4. Schritte 2 und 3 nacheinander mit allen übrigen Quellspannungen und Quellströmen durchführen 5. Aufsummieren der Teilströme unter Beachtung ihrer jeweiligen Vorzeichen Insgesamt ergeben sich so viele Teilströme, wie Spannungs- und Stromquellen in der Schaltung vorhanden sind. Teilströme, die die gleiche Richtung haben wie der unter 1 vereinbarte gesuchte Zweigstrom, werden positiv berücksichtigt. Die Teilströme, die entgegengesetzt gerichtet sind, gehen negativ in die Berechnung ein. 22 TH Mittelhessen StudiumPlus Grundlagen der Elektrotechnik Gleichstromtechnik Dipl.-Ing. (FH) M. Beuler 1.3.2 Maschenstromanalyse Bei der Maschenstromanalyse (auch Kreisstromverfahren genannt) werden nur Maschengleichungen für Spannungen berücksichtigt. Daher sind im Gleichstromnetz vorkommende Stromquellen zunächst in äquivalente Spannungsquellen zu überführen: Man führt für jede unabhängige Masche einen fiktiven Maschenstrom (Kreisstrom) ein und stellt mit diesem die Maschengleichungen auf. Dies ergibt ein Gleichungssystem mit so vielen Gleichungen, wie unabhängige Maschen vorhanden sind. Die tatsächlich fließenden Zweigströme ergeben sich dann aus der vorzeichenrichtigen Addition der Kreisströme. Bsp. 1.13: In der skizzierten Schaltung sollen die drei Zweigströme mit Hilfe der Maschenstromanalyse bestimmt werden. Die Richtung der Maschenströme ist bereits vorgegeben. Lösung: Masche I : 3Ω ⋅ Ia − 12V + 6Ω ⋅ (Ia + Ib ) + 24V = 0 Masche II : 6Ω ⋅ Ib + 6Ω ⋅ (Ia + Ib ) + 24V − 72V = 0 23 TH Mittelhessen I StudiumPlus Grundlagen der Elektrotechnik Gleichstromtechnik : 9Ω ⋅ Ia + 6Ω ⋅ Ib + 12V = 0 Dipl.-Ing. (FH) M. Beuler /⋅ ( −2) II : 6Ω ⋅ Ia + 12Ω ⋅ Ib − 48V = 0 -------------------------------------------------------I’ : −18Ω ⋅ Ia − 12Ω ⋅ Ib − 24V = 0 -------------------------------------------------------I’+II : −12Ω ⋅ Ia − 72V = 0 ⇒ Ia = 72V = −6 A → bspw. in I’ einsetzen −12Ω 108V − 12Ω ⋅ Ib − 24V = 0 ⇒ Ib = −84V = 7A −12Ω Das Minuszeichen des Maschenstromes Ia bedeutet, dass seine Richtung falsch angenommen wurde. Es ergeben sich somit folgende Zweigströme nach Betrag und Richtung: 24 TH Mittelhessen StudiumPlus Grundlagen der Elektrotechnik Gleichstromtechnik Dipl.-Ing. (FH) M. Beuler 1.3.3 Lösungsverfahren für lineare Gleichungssysteme Einfache lineare Gleichungssysteme mit zwei Unbekannten werden üblicherweise mittels Einsetzungs-, Gleichsetzungs- oder Additionsverfahren gelöst. Bei größeren linearen Gleichungssystemen kommen folgende Verfahren zur Anwendung: • Cramersche Regel • Gaußscher Algorithmus Definition einer reellen Matrix: Unter einer reellen Matrix A vom Typ (m,n) versteht man ein aus m⋅n reellen Zahlen bestehendes rechteckiges Schema mit m waagerecht angeordneten Zeilen und n senkrecht angeordneten Spalten: a11 a12 K a1n a a22 K a2n 21 A= M M M M am1 am 2 K amn (1.51) mit: aik : Matrixelemente (i = 1,2,…,m; k = 1,2,…,n) i : Zeilenindex k : Spaltenindex m : Anzahl der Zeilen (Zeilenzahl) n : Anzahl der Spalten (Spaltenzahl) Diagonalmatrix: n-reihige, quadratische Matrix A = [aik], bei der alle außerhalb der Hauptdiagonalen liegenden Elemente verschwinden: aik = 0 für i ≠ k , (i , k = 1,2,..., n ) (1.55) Einheitsmatrix: n-reihige Diagonalmatrix mit den Diagonalelementen aii = 1 (i = 1,2,…,n) 25 TH Mittelhessen StudiumPlus Grundlagen der Elektrotechnik Gleichstromtechnik Dipl.-Ing. (FH) M. Beuler Definition einer 2-reihigen Determinante: Unter der (Koeffizienten-)Determinante einer 2-reihigen, quadratischen Matrix A = [aik] versteht man die Zahl: D= a11 a12 a21 a22 = a11a22 − a12a21 (1.57) Ein lineares Gleichungssystem mit zwei Gleichungen und zwei Unbekannten besitzt genau eine Lösung, wenn die Koeffizientendeterminante nicht verschwindet. • Elemente einer Determinante stehen zw. 2 senkrechten Strichen • Eine Matrix ist ein geordnetes Zahlenschema, eine Determinante repräsentiert dagegen einen Zahlenwert Beispiel: 3 5 A= −2 4 ⇒ det A = 3 5 −2 4 = 3 ⋅ 4 − ( −2) ⋅ 5 = 22 Definition einer 3-reihigen Determinante: Unter der Determinante einer 3-reihigen, quadratischen Matrix A = [aik] versteht man die Zahl: a11 a12 a13 D = a21 a22 a23 a31 a32 a33 = a11a22a33 + a12a23a31 + a13a21a32 − a13a22a31 − a11a23a32 − a12a21a33 (1.58) Beispiel: 1 −2 7 A = 0 3 2 5 −1 4 ⇒ 1 −2 7 det A = 0 3 2 = 5 −1 4 = 1⋅ 3 ⋅ 4 + ( −2) ⋅ 2 ⋅ 5 + 7 ⋅ 0 ⋅ ( −1) − −7 ⋅ 3 ⋅ 5 − 1⋅ 2 ⋅ ( −1) − ( −2) ⋅ 0 ⋅ 4 = −111 26 TH Mittelhessen StudiumPlus Grundlagen der Elektrotechnik Gleichstromtechnik Dipl.-Ing. (FH) M. Beuler Laplacescher Entwicklungssatz: Die aus einer 3-reihigen Determinante D durch Streichen der i-ten Zeile und k-ten Spalte entstehende 2-reihige Determinante heißt Unterdeterminante von D und wird durch das Symbol Dik gekennzeichnet (i,k = 1,2,3). Z.B. geht die Unterdeterminante D12 aus D durch Streichen der 1. Zeile und 2. Spalte hervor. Zu einer 3-reihigen Determinante gibt es insgesamt neun 2-reihige Unterdeterminanten: D11, D12, D13, D21, D22, D23, D31, D32, D33 3 Entwicklung nach i-ter Zeile: D = ∑ aik ⋅ Aik (i = 1,2,3) (1.59a) (k = 1,2,3) (1.59b) k =1 3 Entwicklung nach k-ter Spalte: D = ∑ aik ⋅ Aik i =1 Dabei bedeuten: Aik = ( −1)i + k ⋅ Dik : Algebraisches Kompliment von aik in D Dik : 2-reihige Unterdeterminante von D (in D wird die i-te Zeile und k-te Spalte gestrichen) Die algebraischen Komplimente sind die mit alternierenden Vorzeichen versehenen Unterdeterminanten. Das Vorzeichen kann dabei dem folgenden Schachbrettmuster entnommen werden: 27 TH Mittelhessen StudiumPlus Grundlagen der Elektrotechnik Gleichstromtechnik Dipl.-Ing. (FH) M. Beuler Definition einer n-reihigen Determinante: Eine 3-reihige Determinante kann über den Laplaceschen Entwicklungssatz nach den Elementen einer beliebigen Zeile oder Spalte entwickelt werden, d.h. die Berechnung erfolgt über 2-reihige Unterdeterminanten. Allgemein kann eine n-reihige Determinante durch wiederholte Anwendung des Laplaceschen Entwicklungssatzes auf 3-reihige Determinanten zurückgeführt werden, deren Werte sich nach der Regel von Sarrus bestimmen lassen. Für n = 4 und Entwicklung nach der 1. Zeile bedeutet dies: D= a11 a12 a13 a14 a21 a22 a23 a24 a31 a32 a33 a34 a41 a42 a43 a44 3 = a11 ⋅ A11 + a12 ⋅ A12 + a13 ⋅ A13 + a14 ⋅ A14 = ∑ a1k ⋅ A1k k =1 Rechenaufwand für n = 5: Man erhält zunächst fünf 4-reihige Unterdeterminanten und aus jeder dieser 4-reihigen Determinanten vier 3-reihige Unterdeterminanten: 5⋅4 = 20 3-reihige Unterdeterminanten → Berechnung von Determinanten höherer Ordnung ist mit erheblichem Rechenaufwand verbunden 28 TH Mittelhessen StudiumPlus Grundlagen der Elektrotechnik Gleichstromtechnik Dipl.-Ing. (FH) M. Beuler Cramersche Regel: Ein lineares (n,n)-Gleichungssystem A⋅x = b besitzt genau dann eine Lösung, wenn die Koeffizientendeterminante D ≠ 0 ist. Die Lösung lautet: xi = Di D (i = 1,2,..., n ) (1.60) mit: D : Koeffizientendeterminante (D ≠ 0) Di : Zählerdeterminante, die aus D hervorgeht, indem man die i-te Spalte durch die Absolutglieder b1,b2,…,bn ersetzt Hinweis: Um die Lösung eines (n,n)-Systems nach der Cramerschen Regel zu bestimmen, müssen insgesamt n+1 n-reihige Determinanten berechnet werden (D,D1,D2,…,Dn). Für höhere Ordnungen ist dieser Aufwand in der Praxis nicht mehr vertretbar, so dass – beispielsweise bei der Simulation elektronischer Schaltungen – ausschließlich der Gaußsche Algorithmus zur Anwendung kommt. 29 TH Mittelhessen StudiumPlus Grundlagen der Elektrotechnik Gleichstromtechnik Dipl.-Ing. (FH) M. Beuler Gaußscher Algorithmus: Der Gaußsche Algorithmus ist ein effizient auf Computern umsetzbares Rechenverfahren, welches ein vorgegebenes lineares Gleichungssystem schrittweise in ein gestaffeltes System (Dreieckgestalt) überführt. Er gliedert sich in zwei Phasen. 1. Phase: Erzeugung der Dreiecksgestalt Es wird angenommen, dass die ersten i Zeilen bearbeitet sind, so dass das System in folgender Form vorliegt: a11x1 + a12x2 + a13x3 + a11x1 + a22x2 + a23x3 + a11x1 + a12x2 + a33x3 + + a1ixi + ... + a2ixi + ... + a3ixi + … a11x1 + a12x2 + a13x3 + ... + aiixi + a11x1 + a12x2 + a13x3 + ..+ai+1,ixi + … a11x1 + a12x2 + a13x3 + ... + anixi + ... ... ... ... ... ... ... + + + a1nxn a2nxn a3nxn … + ainxn + ai+1,nxn … + annxn = b1 = b2 = b3 = bi = bi+1 = bn Ist aii = 0 , so ist die i-te Gleichung mit einer der folgenden Gleichungen zu tauschen, in der der entsprechende Koeffizient von 0 verschieden ist. Ist aii ≠ 0 , dann wird das − ai +1,i aii -fache der i-ten Gleichung zur (i+1)ten Gleichung addiert, das − ai + 2,i aii -fache der i-ten Gleichung zur (i+2)ten Gleichung addiert,…, das − ani aii -fache der i-ten Gleichung zur nten Gleichung addiert. In allen neuen Gleichungen ist der Koeffizient von xi dann gleich 0. In gleicher Weise verfährt man mit den restlichen Gleichungen, bis schließlich das Dreiecksystem vorliegt. 2. Phase: Rückwärtseinsetzen: a11x1 + a12x2 + a13x3 + a11x1 + a22x2 + a23x3 + a11x1 + a12x2 + a33x3 + ... ... ... a11x1 + a12x2 + a x3+ + a11x1 + a12x2 + a13x3 + ... + a1,n-1xn-1 + a2,n-1xn-1 + a3,n-1xn-1 … an-1,n-1xn-1 + a1,n-1xn-1 + + + a1nxn = b1 a2nxn = b2 a3nxn = b3 + an-1,nxn = bn-1 + annxn = bn 30 TH Mittelhessen StudiumPlus Grundlagen der Elektrotechnik Gleichstromtechnik Dipl.-Ing. (FH) M. Beuler Das Dreiecksystem wird nun von unten beginnend nacheinander nach xn, xn-1,…,x1 aufgelöst: xn = 1 ⋅ bn ann xn −1 = x1 = 1 an −1,n −1 ⋅ ( bn −1 − an −1,n xn ) 1 ⋅ ( b1 − a12 x2 − a13 x3 − K − a1n xn ) a11 31 TH Mittelhessen StudiumPlus Grundlagen der Elektrotechnik Gleichstromtechnik Dipl.-Ing. (FH) M. Beuler 1.3.4 Zweigstromanalyse (Kirchhoff) Die Kirchhoffschen Sätze liefern für ein Netzwerk so viele unabhängige Gleichungen, wie zur Berechnung aller Ströme notwendig sind. Für ein Netzwerk mit k Knotenpunkten ergeben sich k-1 voneinander unabhängige Knotenpunktgleichungen mit Hilfe der Knotenpunktregel. Die Gleichungen sind voneinander linear abhängig, wenn sie sich aus einer oder mehreren Knotenpunktgleichungen ableiten lassen. Hat das Netzwerk m Zweige, dann ergeben sich daraus m-(k-1) voneinander unabhängige Maschengleichungen für die Spannungen einer Masche. Die Unabhängigkeit ist dann gewährleistet, wenn jede Masche eine gedachte Trennstelle aufweist, die von den anderen Maschen nicht überschritten wird. Stromquellen werden bei diesem Verfahren als Ein- und Ausströmungen in jeweils zwei Knotenpunkten angesehen und in den Knotenpunktgleichungen berücksichtigt. Sie sind somit keine Zweige, denn sie haben einen unendlich hohen Widerstand. Bsp. 1.21: k = 3; m = 4 Knotengl.: (k-1) = 2 Maschengl.: m-(k-1) = 2 32 TH Mittelhessen StudiumPlus Grundlagen der Elektrotechnik Gleichstromtechnik Dipl.-Ing. (FH) M. Beuler 1.3.5 Knotenpotentialverfahren Beim Knotenpotentialverfahren ordnet man jedem Knoten ein Potential zu, wobei ein Knoten das Bezugspotential φ = 0V bekommt (Bezugsknoten, Masse). Unter den sog. Knotenspannungen versteht man nun alle Spannungen zwischen den übrigen Schaltungsknoten und dem Bezugsknoten. Das Knotenpotentialverfahren ergibt nur ein Gleichungssystem für die Knotenspannungen. Die Berechnung der anderen Systemgrößen kann aber mit Hilfe der Knotenspannungen sehr leicht erfolgen. Die Zweigspannungen ergeben sich durch Differenzbildung von Knotenspannungen. Aus den Zweigspannungen können über das Ohmsche Gesetz sofort alle Zweigströme berechnet werden. Vorgehensweise: • Umwandlung aller vorhandenen Spannungsquellen (mit obligatem Innenwiderstand Ri) in äquivalente Stromquellen; • Bestimmung der Richtung der z Quellenströme I1,I2,…,Iz; • Alle Widerstandswerte in Leitwerte umrechnen; • Kennzeichnung der Knotenpunkte von 0 bis k-1: k0,k1,k2,… Der Knotenpunkt k0 erhält das Potential Null. Zwischen den k-1 Knotenpunkten und dem Knotenpunkt k0 bestehen dann die k-1 Spannungen Ui0: U10 = ϕ1 − ϕ0 = ϕ1 U20 = ϕ2 − ϕ0 = ϕ2 U30 = ϕ3 − ϕ0 = ϕ3 (1.61) M Uk −1,0 = ϕk −1 − ϕ0 = ϕk −1 • Bestimmung der Zweigspannungen durch Differenzbildung der zugehörigen Knotenspannungen; • Bestimmung aller Zweigströme mit Hilfe des Ohmschen Gesetzes; • Anwendung der Knotenpunktregel auf die Knoten 1 bis k-1 (Ermittlung der Gleichungen für die Knotenspannungen) Es wird vorausgesetzt, dass das Netzwerk nur aus Gleichstrom- und Gleichspannungsquellen sowie ohmschen (d.h. konstanten) Widerständen besteht. 33 TH Mittelhessen StudiumPlus Grundlagen der Elektrotechnik Gleichstromtechnik Dipl.-Ing. (FH) M. Beuler Beispiel: Gegeben: Alle Quellenströme I1, I2, alle Leitwerte G1,…,G6 Gesucht: Gleichungssystem für Knotenspannungen U1, U2 und U3 Knoten 1: 0 = I1 − I2 − G6 ⋅ (U1 − U3 ) − G2 ⋅ (U1 − U2 ) − G1 ⋅ U1 Knoten 2: 0 = G2 ⋅ (U1 − U2 ) − G4 ⋅ (U2 − U3 ) − G3 ⋅ U2 Knoten 3: 0 = I2 + G6 ⋅ (U1 − U3 ) + G4 ⋅ (U2 − U3 ) − G5 ⋅ U3 Klammern ausmultiplizieren und Gleichungssystem ordnen: Knoten 1: G6 ⋅ U1 − G6 ⋅ U3 + G2 ⋅ U1 − G2 ⋅ U2 + G1 ⋅ U1 = I1 − I2 Knoten 2: −G2 ⋅ U1 + G2 ⋅ U2 + G4 ⋅ U2 − G4 ⋅ U3 + G3 ⋅ U2 = 0 Knoten 3: −G6 ⋅ U1 + G6 ⋅ U3 − G4 ⋅ U2 + G4 ⋅ U3 + G5 ⋅ U3 = I2 Knoten 1: (G1 + G2 + G6 ) ⋅ U1 + ( −G2 ) ⋅ U2 + ( −G6 ) ⋅ U3 = I1 − I2 Knoten 2: ( −G2 ) ⋅ U1 + (G2 + G3 + G4 ) ⋅ U2 + ( −G4 ) ⋅ U3 = 0 Knoten 3: ( −G6 ) ⋅ U1 + ( −G4 ) ⋅ U2 + (G4 + G5 + G6 ) ⋅ U3 = I2 Gleichungssystem in Matrizenschreibweise: −G2 −G6 G1 + G2 + G6 U1 I1 − I2 ⋅ U = 0 −G2 G2 + G3 + G4 −G4 2 −G6 −G4 G4 + G5 + G6 U3 I2 34 TH Mittelhessen StudiumPlus Grundlagen der Elektrotechnik Gleichstromtechnik Dipl.-Ing. (FH) M. Beuler Einsatz in der analogen Schaltungssimulation: Das Knotenpotentialverfahren ist zunächst nur für Widerstandsnetzwerke mit gleichförmiger Erregung geeignet. Für die Berücksichtigung von Spulen, Kondensatoren und abschließend auch Dioden als nichtlineare Bauelemente bei gleichförmiger, aber auch beliebiger Erregung (PSPICE erlaubt z.B. durch sog. Polygonquellen die Approximation jeder beliebigen Kurvenform mittels Geradenstücke) müssen zur numerischen Berechnung auf einem Computer einige Ergänzungen vorgenommen werden: • Euler-Verfahren • Newton-Verfahren Der Clou hierbei ist, dass infolge der Zeitdiskretisierung und dem Ersetzen der Energiespeicher durch aus Leitwerten und Stromquellen bestehende Ersatzschaltungen das Knotenpotentialverfahren und der Gauß-Algorithmus quasi als Untermenge weiterhin verwendet werden können. Daher haben diese Verfahren für die analoge Schaltungssimulation eine große Bedeutung. Bei der Modellierung von R, L und C werden ideale Bauelemente vorausgesetzt: 35 TH Mittelhessen StudiumPlus Grundlagen der Elektrotechnik Gleichstromtechnik Dipl.-Ing. (FH) M. Beuler Diskretisierung der Zeit durch Euler-Verfahren: Beim Euler-Verfahren werden die Differentialgleichungen einfach durch Differenzengleichungen angenähert. Aus dieser Näherung lässt sich für Spule und Kondensator jeweils ein Ersatzschaltbild angeben. ESB Spule: ESB Kondensator: Werden Spulen und Kondensatoren durch derartige Ersatzschaltbilder modelliert, dann lässt sich das Knotenpotentialverfahren wieder anwenden, allerdings jetzt unter Beachtung der Zeitdiskretisierung. Beispiel: Reihenschwingkreis Die Spannung ue(t) kann eine Gleichoder Wechselspannung sein. Vor dem Startzeitpunkt t = t0 sei ue(t) = 0. 36 TH Mittelhessen StudiumPlus Grundlagen der Elektrotechnik Gleichstromtechnik Dipl.-Ing. (FH) M. Beuler Lösungsschritt 1 (t1 = t0 + 1⋅∆t = ∆t): Lösungsschritt 2 (t1 = t0 + 2⋅∆t = 2⋅∆t): … Lösungsschritt n (tn = t0 + n⋅∆t = n⋅∆t): 37 TH Mittelhessen StudiumPlus Grundlagen der Elektrotechnik Gleichstromtechnik Dipl.-Ing. (FH) M. Beuler 1.3.6 Zweipoltheorie Im einfachsten Fall besteht ein Stromkreis aus der Zusammenschaltung eines aktiven und eines passiven Zweipols: Man unterscheidet 3 besondere Betriebszustände: Leerlauf: I=0 Kurzschluss: U=0 Leistungsanpassung: Ra = Ri U = UL I = Ik U = UL/2 I = Ik/2 Die Spannung U und der Strom I berechnen sich im Grundstromkreis: U = Uq Ra Ra = UL Ri + Ra Ri + Ra Ri 1 I = Uq = Ik Ri + Ra Ri + Ra (1.64) Die Zweipoltheorie sagt nun folgendes aus: Jeder lineare Zweipol kann beschrieben werden durch seine Leerlaufspannung und seinen Kurzschlussstrom. Er kann durch eine Spannungsquelle mit Innenwiderstand (oder auch Stromquelle mit Innenwiderstand) als Ersatzschaltung dargestellt werden. Das bedeutet, dass ein komplexes, aktives Netzwerk, das an zwei Klemmen abgegriffen wird, vereinfacht dargestellt werden kann. 38 TH Mittelhessen StudiumPlus Grundlagen der Elektrotechnik Gleichstromtechnik Dipl.-Ing. (FH) M. Beuler Beispiel: Darstellung eines aktiven Zweipols durch Ersatzschaltung Ist das Netzwerk bekannt, kann Ri berechnet werden, indem man im Netzwerk alle Spannungsquellen durch Kurzschlüsse ersetzt und alle Stromquellen herausnimmt. Ri ist dann der Widerstand zwischen den Anschlussklemmen. Die Quellspannung der Ersatzschaltung entspricht der Leerlaufspannung des ursprünglichen Netzwerkes. 39 TH Mittelhessen 1.4 StudiumPlus Grundlagen der Elektrotechnik Gleichstromtechnik Dipl.-Ing. (FH) M. Beuler Wirkungsgrad und Leistungsanpassung Wirkungsgrad: Der Wirkungsgrad ist definiert als Quotient der Nutzleistung zur aufgebrachten Leistung: η= PN PN = Pges PN + PV (1.66) Wirkungsgrad für eine reale Spannungsquelle mit Lastwiderstand: η= Ra Ri + Ra (1.67a) Je geringer der Innenwiderstand, umso höher ist der Wirkungsgrad. Wenn der Innenwiderstand der Spannungsquelle Null wird, ist der Wirkungsgrad 1. Wirkungsgrad für eine reale Stromquelle mit Lastwiderstand: η= Ri Ri + Ra (1.67b) Der Wirkungsgrad ist maximal, wenn der Innenwiderstand gegen Unendlich strebt. Für beide Grundstromkreise ist der Wirkungsgrad am größten, wenn die Verluste innerhalb der elektrischen Energiequelle am kleinsten sind (Ersatzstromquelle: Ri = 0; Ersatzstromquelle: Gi = 0). 40 TH Mittelhessen StudiumPlus Grundlagen der Elektrotechnik Gleichstromtechnik Dipl.-Ing. (FH) M. Beuler Wirkungsgrad und abgegebene Leistung einer realen Spannungsquelle: Leistungsanpassung: In der Starkstromtechnik kommt es bei der Erzeugung, Übertragung und Weiterverwendung auf einen guten Wirkungsgrad der Leistungsumwandlung an, denn die Umwandlungen dürfen nicht mit zu großen Verlusten verbunden sein. In der Schwachstromtechnik (Nachrichtentechnik) ist nicht der Wirkungsgrad von Bedeutung, sondern die an den Verbraucher maximal abgegebene Leistung. Die maximale Leistung wird bei Leistungsanpassung abgegeben: Ri = Ra (1.68) Der Belastungswiderstand Ra des passiven Zweipols muss gleich dem Innenwiderstand Ri des aktiven Zweipols sein. Der Wirkungsgrad beträgt in diesem Fall: η= Ra 1 = = 50% Ri + Ra 2 (1.69) In der Nachrichtentechnik wird somit ein schlechter Wirkungsgrad in Kauf genommen, um eine maximale Verbraucherleistung zur Verfügung zu haben. 41