Konsum Produktpolitik im Spannungsfeld zwischen Kundennutzen und Öko-Effizienz SCHWERPUNKT immateriellen Produktmerkmale gilt es dann in einem zweiten Schritt, eine möglichst öko-effizi- Von der Produktzur Bedürfnisorientierung ente Befriedigung des Kundennutzens zu erreichen. Dabei steht allzu häufig allein die technische Umsetzung im Vordergrund. Durch ein entsprechendes Design, die geschickte Wahl der Werkstoffe, durch Miniaturisierung und einen Den Unternehmen kommt eine Schlüsselrolle bei der umweit- und sozialverträglichen Gestaltung unserer Gesellschaft zu. Soweit besteht Einigkeit. Es fragt sich aber, was dies für Unternehmen bedeutet, die nur dann überleben können, wenn ihre Kunden mit den Produkten zufrieden sind. Welche Anforderungen werden an Unternehmen gestellt, und wie kann öko-effiziente Produktgestaltung aussehen? D modularen Aufbau sollen der spezifische Ressourcenverbrauch und die spezifische Umweltbelastung minimiert werden. Vernachlässigt werden die ungeheuren Effizienzsteigerungspotentiale, die in der ökonomischen Umsetzung hegen. • Analyse der Verfügungsrechte Von Kai Hockerts Was aber bedeutet dies aus der Sicht eines und Michael G. Moeller Unternehmens, das sich Gedanken über die Ein völlig vernachlässigter Faktor in der unter- Gestaltung seiner Produkte macht? nehmerischen Produktgestaltung ist die syste- • gungsrechte. Zu oft wird angenommen, daß der ie Unternehmen sind im Zeichen der Wirtschaftskrise und des wachsenden, internationalen Wettbewerbsdrucks vor allem damit beschäftigt, ihre Geschäftsprozesse zu rationalisieren, um einerseits Kosten zu senken und matische Analyse der damit verbundenen Verfü- Anforderungen an die Unternehmen Kunde in erster Linie das Eigentum an einem Macht sich ein Unternehmen an die Entwicklung bestimmten materiellen Gut erwerben will. andererseits die Zufriedenheit der Kunden mit neuer Produkte, so geht es zunächst darum, sinn- Tatsächlich sind mit dem Eigentum jedoch zahl- den Leistungen des Unternehmens zu steigern. volle Ziele und Bewertungskriterien für Produkte reiche Verfügungsrechte verbunden, die nicht Zukunftsfähigkeit wird hier mit Wettbewerbs- festzulegen. Eine umweltverträgliche Produktge- alle im selben Maße zum Nutzen des Kunden fähigkeit gleichgesetzt. Sie erfordert Produkte, staltung erfordert Ziele für den Verbrauch natür- beitragen. Beispiele hierfür sind leicht zu fin- die die Erwartungen der Kundschaft hinsichthch licher Ressourcen und die Entstehung von den; weder Kundennutzenanalysen noch auf- Preis und Leistung erfüllen. Moderne Manage- Umweltbelastungen entlang des gesamten Pro- wendige Befragungen müssen dafür durchge- mentkonzepte wie Business Reengineering und duktlebensweges. Ein Produkt kann seinen führt werden. Ein Blick in die Mülltonne oder Total Quality Management machen daher das Zweck aber nur dann erfüllen, wenn es die auf den Speicher der Konsumenten genügt: Sta- dauerhafte Erkennen und Befriedigen der Kun- tatsächlichen Bedürfnisse des Kunden befriedigt. peln sich hier ausgediente Altprodukte, kann denbedürfnisse zur Richtschnur für alle Unter- Gerade hier hegt trotz Qualitätsmanagement und man davon ausgehen, daß das Veräußerungs- nehmensaktivitäten . Marketing recht häufig als unangenehme Pflicht zur Ent- noch immer ein wesentlicher Ausgangspunkt der Umweltdiskussion ist dage- Schwachpunkt der Produktpolitik von Unter- gen der Schutz der natürlichen Umwelt: Hierfür nehmen: Allzu häufig geht man dort der Neigung wird u.a. gefordert, den Rohstoff- und Energie- nach, die bestehenden Produkte durch margi- verbrauch der Industrieländer um 80 bis 90 nale Veränderungen an neue Nachfragetrends Prozent zu senken. Eine Effizienzrevolution soll anzupassen. Häufig wird auch einfach ein durch technologische Verbesserungen die Pro- bestimmter Bedarf als Ausgangspunkt der Lei- duktivität der natürlichen Ressourcen vervielfa- stungspolitik definiert, ohne zu fragen, welche chen und die Umweltverträglichkeit von Pro- menschlichen Bedürfnisse dahinter stehen. dukten verbessern. Dadurch bleibt unberücksichtigt, daß ein Beide Ansätze rücken stets die Rationalisierung des Mitteleinsatzes in den Vordergrund: hier der effiziente Einsatz der Produktionsfaktoren Kapital und Arbeit, dort die Produktivität der natürlichen Ressourcen. Für eine zukunftsfähige Gestaltung von Leistungen reichen sie aber nicht aus. Die Rationalität der Mittel kann die potentielle Irrationalität der gewählten Ziele des unternehmerischen Handelns nicht verhindern. Unter dem Stichwort Suffizienzrevolution wird daher gefordert, neue Leitbilder für den individuellen und gesellschaftlichen Wohlstand zu entwickeln. bestimmter Bedarf immer auch Folge bestimmter technischer, gesellschaftlicher, politischer oder wirtschaftlicher Rahmenbedingungen ist, die selbst wiederum der Befriedigung menschlicher Bedürfnisse dienen sollen. Die Festlegung produktbezogener Ziele erzwingt sorgung empfunden wird (siehe Beispiel 1). Beispiel 1: Rücknahmegarantie Eine Rüctahmegarantie für ihre Bürostühle gibt die oberpfölzische Grammer AG. Die Kosten für Rücknahme und das Recycling sind schon heute im Verkaufspreis enthalten: Die Garantie gilt für alle Produktreihen die seit 1 9 9 0 in den Markt eingeführt wurden und schlägt sich bereits in der Entwicklung neuer Produkte nieder, die recyclingfreundlich gestaltet werden. Obwohl es bei Grammer auch Überlegungen zu nutzungsorientierten Dienstleistungen (im Sinne eines „Rent-Ä-Chair"} gibt, steht der Absatz der bestehenden Produkte im Vordergrund, auch wenn das Unternehmen Langlebigkeit und Funktionsorientierung als Ziele benennt. Werturteile, die eine Abwägung zwischen alternativen, widersprüchlichen Bedürfnissen erfordern. Letztlich müßte eine solche Feststellung im Diskurs aller Anspruchsgruppen des Unternehmens erfolgen, wofür es bislang kaum konkrete Verfahrensvorschläge gibt. Durch eine effiziente Gestaltung der materiellen und Das Recht, andere von der Nutzung auszuschließen, ist ein weiteres Merkmal des Eigentums. Pendler, die täglich allein mit ihrem PKW zur Arbeit fahren, machen offensichtlich von diesem Recht Gebrauch. Der Erfolg von Car-Sharing-Initiativen (siehe Beispiel 2) aber zeigt, daß Ökologisches Wirtschaften 3/4 1996 21 SCHWERPUNKT Konsum eine (am Markt bisher nicht artikulierte) Bereit- Kunden und Anbieter neu verteilt werden, desto schaft besteht, dieses Recht mit bestimmten Per- stärker treten die immateriellen Komponenten zusätzlich zu einem verkauften Produkt angebo- sonengruppen (Nachbarn, Kollegen) zu teilen. in den Vordergrund. ten. Hierbei bleiben die meisten Verfügungsrech- Denken wir diesen Ansatz weiter, so führt die Zum anderen ist es notwendig, die heute beste- te beim Nutzer. Die Interaktion ist gering. Ein Neuverteilung von Verfügungsrechten zu einer hende Einbahnstraßen-Marktforschung zu einer typisches Beispiel dafür wäre die Rücknahme- Aufweichung des Strebens nach Eigentum. Ziel interaktiven Zwei-Wege-Kommunikation auszu- und Recyclinggarantie der Grammer AG. Denk- marktlicher Aktivitäten ist dann nicht mehr die bauen. Damit kann es gelingen, Fehlinterpreta- bar wären auch ein Reparaturservice oder eine Übertragung des Eigentums an einer Sache, son- tionen der Bedürfaisstruktur des Kunden zu ver- reine Anwendungsberatung. dern die öko-effiziente Stiftung von Kundennut- meiden Nutzungsorientierte Leistungen erhöhen durch und bislang nicht artikulierte Bedürfnisse zu erkennen. In „Focus Groups" Miete oder Leasing bzw. durch gemeinsame Beispiel 2: Car-Pools für Mitarbeiter könnten Unternehmensvertreter mit den Konsu- Nutzung (Sharing oder Pooling) die Nutzungs-effi- menten diskutieren, welche Leistungen ihren zienz des Produktes. So hat sich die Lebensdauer Für die Lufthansa AG galt es: wegen akuten Parkplatz- Bedürfnissen am ehesten entsprechen. Dies und Wartungsfreundlichkeit von Kopiergeräten mangels, die Parkraumbewirtschaftung neuzugestalten. führt zu einem permanenten Kundendialog und deutlich erhöht, seit diese fast nur noch in Verbin- Da der Neubau eines weiteten Parkhauses z u erheblichen ökonomischen und Ökologischen Belastungen geführt hätte, entschied sich die Lufthansa, ihren Mitarbeitern die Nutzung eines speziellen Car-Pools anzubie- steigert den Grad der Interaktion zwischen dem dung mit Wartungsverträgen vermietet werden. Konsumenten und dem Anbieter. Die ökologischen Vorteile der nutzungsorientier- Denkt man diesen Weg konsequent zu Ende, ten Leistungen hegen z.B. in der erhöhten Lebens- wird jeder Leistungsaustausch von intensiver dauer, im reduzierten Verbrauch von Energie und men etwa 1 3 . 0 0 0 Bedienstete der Lufthansa den Frank- Interaktion begleitet sein. Bei jeder Inan- Betriebsstoffen oder der Entsorgungsfreundlich- furter Car-Pool mit 4 3 0 Fahrzeugen in Anspruch. Dabei spruchnahme einer Leistung müssen sich Kunde keit, da die Sachleistung am Nutzungsende vom ten. Heute neh- zeigt sich, daß eine steigende Zahl von Nutzern nur zu und Anbieter über den Inhalt dieser Leistung Hersteller zurückgenommen wird. relativ wenig mehr Bedarf an Autos führte. Ungefähr erneut austauschen. Dabei wird nicht nur die Bei bedürfaisorientierten Leistungen wird nicht 6 0 Prozent der Nutzer verwenden das System häufig. effiziente Mittelwahl diskutiert, sondern es mehr das materielle Gut verkauft sondern das kommt auch zu einer Verhandlung über den Ergebnis der Leistung, die reine Bedürfnisbefrie- Zweck der Leistung. Ziel der Interaktion ist es, digung also. So wird etwa Raumwärme statt Heizöl die konkreten Bedürfnisse des Konsumenten bei gehandelt,oder es wird die Diensüeistung Doku- zelner Verfügungsrechte. Das Nutzungsrecht an jeder Nutzung individuell zu berücksichtigen. mentenvervielfältigung statt eines Fotokopiergerä- einem Sachgut etwa setzt sich oft aus einer Viel- Weiterhin erlaubt eine starke Interaktion dem tes verkauft. Hier überläßt der Kunde den größten zahl von Haupt- und Nebenleistungen zusam- Anbieter bereits bei der Entwicklung und Erstel- Teil der Verfügungsrechte dem Anbieter, der ihm men. Diese jeweils separat oder gebündelt anzu- lung der Leistung den Kunden einzubinden. nur eine Leistungsgarantie gibt. Durch die hohe zen durch eine zweckmäßige Übertragung ein- Interaktion können die Anforderungen individuell bieten, kann sowohl für den Kunden als auch für den Anbieter von Vorteil sein. In vielen Fällen ist • Frage der ökologischen Vorteile es auch sinnvoll, wenn Konsumenten den Anbie- Nun stellt sich natürlich die Frage, welche öko- ter am Gewinnaneignungsrecht beteiligen. So logischen Vorteile diese Interaktion bringt. Zum wird ein Bauunternehmer viel eher auf Energie- einen vermeidet sie, daß Unternehmen Produkte effizienz eines Bauobjektes achten, wenn er anbieten, die nur teilweise die Bedürfnisse des während der Nutzungsphase unter Zugrundele- Kunden befriedigen. Darüber hinaus erlaubt die gung eines standardisierten Mittelwertes an den Interaktion auch, Konsum selbst und die ihm Energieeinsparungen beteiligt wird. zugrundehegenden Prämissen zu berücksichtigen: Wer etwa Heizöl konsumiert, hat ja in Wirk- 22 entierte. Produktorientierte Leistungen werden angepaßt werden. Die drei Typen von Öko-effizienten Dienstleistungen geben einen groben Überblick über die Gestaltungsmöglichkeiten. Durch eine flexible Zuweisung der Verfügungsrechte und eine variable Gestaltung des Interaktionsgrades lassen sich Produktinnovationen entwickeln, die Kundennutzen und Umweltverträglichkeit Öko-effizient verbinden und Unternehmen neue Marktchancen entwickeln. • Öko-effziente Produktgestaltung als Ergebnis weise ließe sich auch manche Nachfrage nach Ziel ist es, die Verfügungsrechte an einem Pro- Transport lösen, wenn das zugrundeliegende Die beiden Beispiele sowie weitere Fallstudien können in dukt so zu verteilen, daß Kundennutzen und Bedürfais nach „Zugang" anders befriedigt wür- einer ausführlichen Fassung (jeweils 8 - 1 0 Seiten) gegen Umweltverträglichkeit maximiert werden. Das de. Somit eröffnet die Interaktion einen erhebli- einen Verrechnungsscheck über je 12 Mark bei der Bay- Ergebnis ist eine öko-effziente Produktgestal- chen Spielraum, um Ressourcenverbrauch und reuther Initiative angefordert werden. tung. Dafür ist aber eine grundlegende Neuori- ökologische Schäden zu reduzieren. Betrachtet entierung der Produktpolitik gefordert: Die man die beiden Variablen der Leistungsgestal- Die Autoren Kundenbedürfnisse sind zum Ausgangspunkt für tung - die Verteilung von Verfügungsrechten und Kai Hockerts und Michael G. Moeller sind Mitglieder der lichkeit ein Bedürfais nach Wärme. MöglicherAnmerkung die Wahl der technischen und verfügungsrecht- die Interaktion - liegt es nahe, eine Matrix zu Bayreuther Initiative für Ä t e h a f t s ö k o l o g i e e.V. lichen Produktgestaltung zu machen. Der Anteil bilden, um Alternativen aufzuzeigen. Kontakt: Bayreuther I n i f l f i v e für Wirtschaftsökologie materieller und immaterieller Komponenten am Je nach Ausprägung der Dimensionen sind drei e.V., Universität Bayreuth, RW-Fakuhät, Postfach „Leistungsbündel Produkt" ergibt sich dann als Typen öko-efflzienter Dienstleistungen zu unter- Folge. Je mehr die Verfügungsrechte zwischen scheiden: produkt-, nutzungs- und bedürfaisori- Ökologisches Wirtschaften 3/4 1996 110308, 9 5 4 2 2 Bayreuth, Tel./Fax ( 0 9 2 1 ) 55529, eMail: Bayreuther Initiative® uni-bayreuth.de (c) 2010 Authors; licensee IÖW and oekom verlag. This is an article distributed under the terms of the Creative Commons Attribution Non-Commercial No Derivates License (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/), which permits unrestricted use, distribution, and reproduction in any medium, provided the original work is properly cited.